Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 170. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Juni 2008 18103
        (A) )
        (B) )
        * für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen UnionDr. Hoyer, Werner FDP 20.06.2008
        Hörster, Joachim CDU/CSU 20.06.2008
        Hoff, Elke FDP 20.06.2008
        Weisskirchen
        (Wiesloch), Gert
        SPD 20.06.2008
        Anlage 1
        Liste der entschuldigt
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Dr. Akgün, Lale SPD 20.06.2008
        Andres, Gerd SPD 20.06.2008
        Annen, Niels SPD 20.06.2008
        Becker, Dirk SPD 20.06.2008
        Beckmeyer, Uwe SPD 20.06.2008
        Dr. Bergner, Christoph CDU/CSU 20.06.2008
        Dr. Bisky, Lothar DIE LINKE 20.06.2008
        Dr. Bunge, Martina DIE LINKE 20.06.2008
        Dörmann, Martin SPD 20.06.2008
        Dött, Marie-Luise CDU/CSU 20.06.2008
        Freitag, Dagmar SPD 20.06.2008
        Gabriel, Sigmar SPD 20.06.2008
        Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 20.06.2008
        Gerster, Martin SPD 20.06.2008
        Gloser, Günter SPD 20.06.2008
        Golze, Diana DIE LINKE 20.06.2008
        Griefahn, Monika SPD 20.06.2008
        Griese, Kerstin SPD 20.06.2008
        Gruß, Miriam FDP 20.06.2008
        Hänsel, Heike DIE LINKE 20.06.2008
        Hartenbach, Alfred SPD 20.06.2008
        Haßelmann, Britta BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        20.06.2008
        Hauer, Nina SPD 20.06.2008
        Heinen, Ursula CDU/CSU 20.06.2008
        Herrmann, Jürgen CDU/CSU 20.06.2008*
        Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        20.06.2008
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        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        en Abgeordneten
        lug, Astrid SPD 20.06.2008
        r. Kofler, Bärbel SPD 20.06.2008
        orte, Jan DIE LINKE 20.06.2008
        ünast, Renate BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        20.06.2008
        r. Küster, Uwe SPD 20.06.2008
        r. Lammert, Norbert CDU/CSU 20.06.2008
        eutheusser-
        Schnarrenberger,
        Sabine
        FDP 20.06.2008
        intner, Eduard CDU/CSU 20.06.2008*
        eckel, Markus SPD 20.06.2008
        r. Merkel, Angela CDU/CSU 20.06.2008
        erten, Ulrike SPD 20.06.2008
        erz, Friedrich CDU/CSU 20.06.2008
        ogg, Ursula SPD 20.06.2008
        aumann, Kersten DIE LINKE 20.06.2008
        aidel, Hans CDU/CSU 20.06.2008
        amelow, Bodo DIE LINKE 20.06.2008
        eichel, Maik SPD 20.06.2008
        chily, Otto SPD 20.06.2008
        chmidt (Aachen), Ulla SPD 20.06.2008
        eehofer, Horst CDU/CSU 20.06.2008
        eib, Marion CDU/CSU 20.06.2008
        r. Solms, Hermann
        Otto
        FDP 20.06.2008
        töckel, Rolf SPD 20.06.2008
        ächter, Gerhard CDU/CSU 20.06.2008
        eis, Petra SPD 20.06.2008
        bgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        18104 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 170. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Juni 2008
        (A) )
        (B) )
        Anlage 2
        Zu Protokoll gegebene Rede
        zur Beratung der Anträge:
        – Internationalen Klimaschutz sichern – Inte-
        grität und Wirksamkeit der CDM-Projekte
        weiter verbessern
        – Unterlaufen von Klimaschutzzielen durch
        CDM-Projekte beenden
        (169. Sitzung, Zusatztagesordnungspunkte 7
        und 8)
        Frank Schwabe (SPD): Klimaschutz ist eine Auf-
        gabe, der sich der gesamte Deutsche Bundestag stellen
        muss – in der jeweiligen Verantwortung von Koalition
        und Opposition, aber auch dort gemeinsam, wo es ein
        hohes Maß an Übereinstimmung gibt. Das ist beim heute
        vorliegenden Antrag der Fall, dem in der vorliegenden
        Fassung sicherlich alle Fraktionen des Hauses, CDU/
        CSU, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen,
        zustimmen können.
        Klimaschutz muss national betrieben werden. Er führt
        letztlich zu Innovationen und Effizienzverbesserungen
        im Inland. Wir bekennen uns ausdrücklich zur Notwen-
        digkeit einer Vorreiterrolle, um zu beweisen, dass hoher
        Wohlstand, Schonung von Rohstoffen und Klimaschutz
        zusammengehen können. Am Ende geht es jedoch um
        eine gemeinsame, weltweite Kraftanstrengung.
        Ein Mechanismus einer Verkoppelung der notwendi-
        gen nationalen Anstrengungen mit internationalen Maß-
        nahmen im Emissionshandel bilden die sogenannten fle-
        xiblen Mechanismen des Kioto-Protokolls. In diesem
        Haus gibt es unterschiedliche Vorstellungen darüber, in
        welchem Maße internationale Maßnahmen auf nationale
        Klimaschutzanstrengungen angerechnet werden dürfen.
        Ich gehöre dabei eher zu denen, die zurückhaltend mit
        diesem Mechanismus umgehen wollen. Über die Sinn-
        haftigkeit des sogenannten Clean Development Mecha-
        nism, also der Möglichkeit, CO2-Zertifikate über inter-
        nationale Maßnahmen zum Klimaschutz zu generieren,
        gibt es jedoch keinen Zweifel.
        Von großer Bedeutung ist dabei, dass bei diesen Pro-
        jekten die ökologische, soziale und ökonomische Nach-
        haltigkeit berücksichtigt wird. Wir brauchen keine wei-
        teren Projekte in Entwicklungsländern, von denen vor
        allem der Investor profitiert und die Menschen vor Ort
        nichts haben. Von großer Relevanz ist auch, dass die
        Projekte nachweisbar zu Treibhausgaseinsparungen füh-
        ren, die andernfalls nicht erzielt worden wären. Das
        Prinzip der Zusätzlichkeit muss erfüllt sein. Ansonsten
        wäre das Instrument unwirksam und würde in der
        Summe sogar zu einem höheren CO2-Ausstoß führen.
        Es gibt allerdings die gemeinsame große Sorge, dass
        diese Integrität des CDM in Zweifel steht. Soll heißen:
        Sind wirklich alle Maßnahmen zusätzlich, helfen sie
        nachhaltig und beachten sie auch die sozialen Randbe-
        dingungen des Projekts?
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        Untersuchungen in den letzten Monaten haben uns als
        limapolitiker deutlich gezeigt, dass es bei den Kriterien
        er Zusätzlichkeit und der Nachhaltigkeit Verbesse-
        ungsbedarf gibt. Einige Studien sprechen sogar davon,
        ass bis zu 40 Prozent der CDM-Projekte die Kriterien
        icht erfüllen. Vor dem Hintergrund, dass die Bedeutung
        ieser Projekte in den nächsten Jahren gewaltig zuneh-
        en wird, muss schnell gehandelt werden.
        Dazu gehört zum Beispiel die Verhinderung von Mit-
        ahmeeffekten durch den Einsatz im Bereich von Kälte-
        itteln wie HFKW-23. Dazu gehören transparente Kri-
        erien für die Anerkennung von Projekten. Dazu gehört
        ie Überprüfbarkeit und Anfechtbarkeit von Entschei-
        ungen. Und es gehört dazu ein Ausbau der Möglichkei-
        en des Exekutivrats. Das bedeutet auch ein höheres
        udget.
        In den Verhandlungen zu einem Nachfolgeabkommen
        es Kioto-Protokolls müssen diese Dinge eine Rolle
        pielen. Die Bundesregierung hat dabei eine führende
        olle übernommen. Sie drängt auf Maßnahmen, die die
        otwendige Integrität erhöhen. Der Deutsche Bundestag
        nterstützt die Bundesregierung dabei nachhaltig. Wir
        rmuntern sie zu einer konsequenten Verhandlung bei
        iesem Thema. Das ist die gemeinsame Botschaft des
        eutigen Antrages.
        nlage 3
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung:
        – Entwurf eines Gesetzes zu dem Fakultativ-
        protokoll vom 25. Mai 2000 zum Über-
        einkommen über die Rechte des Kindes
        betreffend den Verkauf von Kindern, die
        Kinderprostitution und die Kinderporno-
        graphie
        – Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des
        Rahmenbeschlusses des Rates der Europäi-
        schen Union zur Bekämpfung der sexuellen
        Ausbeutung von Kindern und der Kin-
        derpornographie
        – Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkom-
        men des Europarats vom 23. November 2001
        über Computerkriminalität
        (Tagesordnungspunkt 34 a bis c)
        Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/
        SU): Bündnis 90/Die Grünen rufen im Gleichklang mit
        en Linken zum Boykott gegen den Rahmenbeschluss
        es Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der
        exuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpor-
        ografie auf. Es blieb dem Kollegen Montag vorbehal-
        en, im Rechtsausschuss dafür zu werben, den Rahmen-
        eschluss nicht in deutsches Recht umzusetzen, weil er
        as gewachsene und geschlossene System des deutschen
        exualstrafrechts auf den Kopf stelle. Nun mag es genü-
        en, sich aus der Opposition heraus bei Gesetzgebungs-
        orhaben zu verweigern. Geradezu paradox muss aber
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 170. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Juni 2008 18105
        (A) )
        (B) )
        anmuten, dass Bündnis 90/Die Grünen sich vom Acker
        stehlen, obwohl gerade sie es waren, die unter rot-grüner
        Regierungsverantwortung am 22. Dezember 2003 in
        Brüssel diesem Rahmenbeschluss zugestimmt haben,
        den es im Bereich der Kinderpornografie jetzt in deut-
        sches Recht umzusetzen gilt.
        Kinderpornografie ist ein internationales Problem,
        das durch die unzähligen Verbreitungs- und Austausch-
        möglichkeiten des Internets eine zusätzliche Dimension
        gewonnen hat. Dies spiegelt sich auch in den Zahlen der
        Strafverfolgungsstatistik wieder. Kam es im Jahr 2002
        zu insgesamt 467 Verurteilungen wegen des Besitzes
        kinderpornografischer Schriften – § 184 Abs. 5 StGB
        a. F. –, so waren es im Jahr 2003 bereits 739 und im Jahr
        darauf 938. Nach der Einführung des jetzigen § 184 b
        StGB, der Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderporno-
        grafischer Schriften unter Strafe stellt, schnellte die Zahl
        der Verurteilten im Jahr 2005 auf 1 410 hoch, um im
        Jahr 2006 auf 1 580 Verurteilte zu steigen. Es überrascht
        daher nicht, dass sich die Staaten auf europäischer und
        internationaler Ebene diesem grenzüberschreitenden
        Phänomen annehmen.
        So kam es auch zur Verabschiedung des bereits ge-
        nannten Rahmenbeschlusses, nach dem die Mitglied-
        staaten der Europäischen Union gehalten sind, folgende
        Verhaltensweisen unter Strafe zu stellen: Gemäß Art. 2
        des Rahmenbeschlusses die Vornahme sexueller Hand-
        lungen mit einem Kind – wonach ausweislich der Be-
        griffsbestimmung in Art. 1 Buchstabe a des Rahmenbe-
        schlusses ein Kind jede Person unter 18 Jahren ist –,
        soweit Geld oder sonstige Vergütungen oder Gegenleis-
        tungen dafür geboten werden, dass sich das Kind an se-
        xuellen Handlungen beteiligt, sowie nach Art. 3 Abs. 1
        des Rahmenbeschlusses die Herstellung, Vertrieb, Ver-
        breitung, Weitergabe, Anbieten oder sonstiges Zugäng-
        lichmachen sowie den Erwerb oder Besitz von Kin-
        derpornografie.
        Um es vorab klarzustellen: Wir Abgeordnete der Re-
        gierungskoalition fühlen uns bei der Übernahme des
        Rahmenbeschlusses zur Kinderpornografie normativ
        frei. Wir wissen, dass und welchen Spielraum wir im na-
        tionalen Recht bei der Umsetzung eines Rahmenbe-
        schlusses haben, und wir wissen auch, dass wir – wo wir
        es rechtspolitisch für geboten halten – über die Vorgaben
        des europäischen Rechts hinausgehen dürfen. Auch da-
        von machen wir in diesem Gesetzentwurf Gebrauch.
        Im Opferinteresse ist es sinnvoll, die im deutschen
        Recht bestehenden Schutzaltersgrenzen bei sexuellem
        Missbrauch und im Bereich der Pornografie internatio-
        nalen Standards anzugleichen. Während im deutschen
        Sexualstrafrecht Kind eine Person unter 14 Jahren ist
        – Legaldefinition in § 176 Abs. 1 StGB –, ist dies nach
        dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom
        20. November 1989 über die Rechte des Kindes jeder
        Mensch, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
        Demgemäß werden wir beim sexuellen Missbrauch von
        Jugendlichen, § 182 StGB, das Schutzalter von derzeit
        unter 16 Jahren auf unter 18 Jahre anheben.
        In der Tatbestandsvariante des Ausnutzens einer
        Zwangslage haben wir die Beschränkung des Täteralters
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        uf den über 18-Jährigen aufgehoben, obwohl europäi-
        che Vorgaben das nicht gebieten. Auch ein Jugendli-
        her, der die Zwangslage einer unter 18-Jährigen zu se-
        uellen Handlungen missbraucht, verwirklicht unseres
        rachtens strafwürdiges Unrecht, § 182 Abs. 1 StGB
        eue Fassung. So verstehen wir effektiven Opferschutz.
        In der zweiten Tatbestandsvariante des § 182 StGB,
        182 Abs. 2 StGB neue Fassung, macht sich nur der
        trafbar, der als über 18-Jähriger einer unter 18 Jahre al-
        en Person für sexuelle Handlungen ein Entgelt, § 11
        bs. 1 Ziffer 9 StGB, anbietet. Damit wollen wir sexu-
        lle Annäherungen Minderjähriger, auch wenn ein Ent-
        elt fließt, straffrei halten – dies auch deshalb, weil der
        ntgeltbegriff des § 11 Abs. 1 Ziffer 9 StGB weit gefasst
        st und eine Wertuntergrenze nicht enthält. Der oft zi-
        ierte Fall, dass ein 16-Jähriger eine 17-Jährige gegen
        eren Zusage, sexuelle Handlungen zuzulassen, ins Kino
        inlädt, ist demnach straffrei.
        Obwohl ebenfalls europarechtlich nicht vorgesehen,
        tellen wir den Versuch des sexuellen Missbrauchs von
        ugendlichen in § 182 Abs. 4 StGB unter Strafe, um ei-
        en Wertungswiderspruch auszugleichen. Beim sexuel-
        en Missbrauch widerstandsunfähiger Personen ist nach
        eltendem Recht der Versuch strafbar, § 179 Abs. 4
        tGB. Warum soll dann der Versuch des sexuellen Miss-
        rauchs von Jugendlichen straflos bleiben? Die Forde-
        ung der Opposition, bei § 182 StGB die Versuchsstraf-
        arkeit auf die Fälle der Duldung oder Vornahme einer
        exuellen Handlung gegen Entgelt zu beschränken, löst
        iesen Wertungswiderspruch nicht. Im Bereich der Por-
        ografie unterscheiden wir jetzt zwischen kinderporno-
        rafischen Schriften, § 184b StGB, die das Alter der
        kteure mit bis zu unter 14 Jahren umfassen, und ju-
        endpornografischen Schriften, § 184c StGB, die das
        lter der Akteure von 14 bis 18 Jahren umfassen. Dabei
        oll – wie bei allen anderen Pornografiestraftatbestän-
        en – nicht nur die bildliche Darstellung unter Strafe ge-
        tellt werden, sondern jede verbotene pornografische
        chrift im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB.
        Festzuhalten bleibt, dass der Besitz solcher pornogra-
        ischer Schriften straflos bleibt, die mit Einwilligung ei-
        es Jugendlichen durch einen Jugendlichen hergestellt
        urden und sich im Besitz des Herstellers befinden. Au-
        erdem bereinigen wir eine durch die Entscheidung des
        undesgerichtshofs vom 2. Februar 2006 – 4 StR 570/05 –
        ntstandene Gesetzeslücke, indem wir in § 176 Abs. 4
        r. 2 StGB klarstellen, dass auch derjenige strafbar ist,
        er ein Kind zu aufreizendem und geschlechtsbetontem
        osing bestimmt.
        Der zur Abstimmung vorgelegte Gesetzentwurf füllt
        aßvoll den EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der
        exuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpor-
        ografie aus. Wo es unter Opfergesichtspunkten oder zur
        eseitigung von Wertungswidersprüchen geboten er-
        cheint, geht der Entwurf bewusst über die Vorgaben des
        ahmenbeschlusses hinaus.
        Wer dem Gesetzentwurf nicht zustimmt, möge auch
        olgendes bedenken: Mit der Anpassung des deutschen
        echts an europarechtliche und internationale Standards
        chaffen wir die Grundlage dafür, dass Deutschland das
        18106 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 170. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Juni 2008
        (A) )
        (B) )
        Fakultativprotokoll zur Kinderrechtskonvention und das
        Europarat-Übereinkommen zur Computerkriminalität,
        die sogenannte Cybercrime-Konvention, ratifizieren
        kann. Mit den beiden Zustimmungsgesetzen, die heute
        ebenfalls zur abschließenden Beratung und Abstimmung
        auf der Tagesordnung stehen, schafft der Deutsche Bun-
        destag die innerstaatlichen Voraussetzungen für die Rati-
        fizierung. Auch insoweit verweigert sich die Opposition.
        Sie setzt damit ein falsches Signal. Man kann nicht
        ernsthaft gegen Kinderschutz sein!
        Geben Sie den Gesetzentwürfen Ihre Stimme. Sie
        schützen damit Kinder und Jugendliche zum Beispiel
        vor der Mitwirkung an der Herstellung von Kinder- bzw.
        Jugendpornografie ohne das sexuelle Selbstbestim-
        mungsrecht von Jugendlichen zu beschränken.
        Helga Lopez (SPD): Wir setzen heute den Rahmen-
        beschluss der EU zur Bekämpfung der sexuellen Aus-
        beutung von Kindern und der Kinderpornografie in na-
        tionales Recht um. Kurz zusammengefasst geht es dabei
        darum, den strafrechtlichen Schutz vor sexuellem Miss-
        brauch von Jugendlichen zu erweitern durch Einbezie-
        hung der 16- und 17-Jährigen. Außerdem wird der
        Anwendungsbereich der Strafvorschriften über porno-
        grafische Schriften, die sexuelle Handlungen von, an
        oder vor Kindern zum Gegenstand haben, auf Jugendli-
        che zwischen 14 und 18 Jahren erweitert.
        Im neugefassten § 182 Abs. 1 StGB geht es um den
        sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung einer Zwangs-
        lage. Zusätzlich zur Erweiterung der Schutzvorschrift
        auf Jugendliche bis 18 Jahren haben wir hier die Alters-
        grenze auf Täterseite aufgehoben; denn es ist für das Op-
        fer vollkommen unerheblich, ob die tatausführende Per-
        son unter oder über 18 Jahre alt ist.
        Ein zweites Beispiel: Wir stellen in Zukunft alle por-
        nografischen Schriften, die sexuelle Handlungen von, an
        oder vor Personen unter 18 Jahren zum Gegenstand ha-
        ben, unter Strafe. Auch diese Maßnahme halte ich für
        geboten. Durch die technischen Möglichkeiten – ich
        spreche hier nicht nur vom Internet, sondern auch vom
        Mobiltelefon – ist es heute sehr einfach, Bilder und Vi-
        deos zu verbreiten. Die Täter missbrauchen das Opfer
        nicht nur, sondern verhöhnen es zusätzlich durch das
        Weiterverbreiten von Bildern und Videos im Internet
        oder über das Handy. Hier war höchste Zeit, zu handeln.
        Wir schließen auch die Strafbarkeitslücken beim so-
        genannten Posing, dem aufreizenden und geschlechtsbe-
        tonten Zur-Schau-Stellen von Kindern. Damit wird dem
        Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Februar 2006
        Rechnung getragen. Das Posing fällt mit der Neurege-
        lung unter die Straftat der Kinderpornografie. Verbrei-
        tung, Erwerb und Besitz aller jugendpornografischen
        Schriften, nicht nur bildlicher Darstellungen, werden
        über die kinderpornografischen Schriften hinaus unter
        Strafe gestellt. Allerdings soll der Besitz jugendporno-
        grafischer Schriften weniger umfassend unter Strafe ge-
        stellt werden als der Besitz kinderpornografischer
        Schriften.
        Lassen Sie mich auch noch einen Satz zu den soge-
        nannten Scheinjugendlichen sagen. Die Verbreitung von
        Pornografie, deren Darsteller Erwachsene mit jugendli-
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        hem Erscheinungsbild, also Scheinjugendliche sind,
        ird ebenfalls unter Strafe gestellt. Auch diese Vorgabe
        es Rahmenbeschlusses halte ich für richtig und wichtig.
        Zum Schluss will ich noch auf die Kritik aus den Rei-
        en der Opposition eingehen.
        Ich hätte niemals vermutet, dass diesem Gesetz Ein-
        chränkung der sexuellen Selbstbestimmung von Ju-
        endlichen unterstellt werden könnte, so wie es einige
        ppositionskollegen tun. Das Gegenteil ist der Fall. Was
        at Pornografie mit freier sexueller Entfaltung von Ju-
        endlichen zu tun? Was hat das Ausnutzen einer Not-
        age, eine Nötigung, mit freier sexueller Entfaltung zu
        un? Und dabei, mit Verlaub, ist es vollkommen egal,
        ie alt die Person ist, die bedrängt, nötigt und ausnutzt.
        Viele Verbände, unter anderem UNICEF und ECPAT,
        aben lange auf die deutsche Umsetzung des Rahmenbe-
        chlusses gewartet. Beim dritten Weltkongress zum
        chutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung in Brasilien
        m November dieses Jahres können wir nun endlich
        ollzug melden. Es wäre gut, wenn dann auch die von
        eutschland bereits gezeichnete Konvention des Euro-
        arates zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung
        uch ratifiziert wäre.
        Wir – das sage ich insbesondere auch im Auftrag mei-
        er sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen im
        usschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend –
        egrüßen dieses Gesetz ausdrücklich.
        Jörg van Essen (FDP): 1994 hat der Deutsche Bun-
        estag in der Rechtspolitik Großes geleistet. Mit der
        trafrechtsreform zur Änderung des Sexualstrafrechts
        aben wir die Schutznormen vereinheitlicht, Widersprü-
        he aufgehoben und Diskriminierungen beseitigt. Es ist
        elungen, für diese Reform eine breite Mehrheit im
        eutschen Bundestag zu finden. Neben den damaligen
        oalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP hat auch
        ie SPD der Reform zugestimmt.
        Ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass die Wei-
        henstellungen, die wir damals getroffen haben, die
        ichtigen waren. Wir haben uns auf ein einheitliches
        chutzalter von 16 Jahren geeinigt. Übereinstimmend
        ar der Bundestag auch der Auffassung, dass die Erpro-
        ung der Sexualität für die Jugendlichen unbelastet von
        er Befürchtung, in Strafverfahren verwickelt zu wer-
        en, stattfinden muss. Daher wurde bewusst eine Vor-
        chrift geschaffen, die jugendtypische, einvernehmliche
        eziehungen nicht erfassen soll.
        Ich war daher fassungslos, als die Bundesregierung
        006 einen Gesetzentwurf verabschiedet hat, der den
        onsens im Sexualstrafrecht aufkündigt und uns gesell-
        chaftspolitisch zurückwirft in die 50er-Jahre. Der Ge-
        etzentwurf setzt einen Rahmenbeschluss der EU um.
        iesem Rahmenbeschluss hat die Bundesregierung in
        ot-grüner Regierungszeit zugestimmt. Dass gerade Rot-
        rün einen solchen Rechtsakt in Europa befördert hat,
        st ein bemerkenswerter Vorgang. Die Koalition von
        DU/CSU und SPD hat sich jedoch nicht darauf be-
        chränkt, den Rahmenbeschluss eng auszulegen und von
        en zahlreichen Ausnahmetatbeständen Gebrauch zu
        achen. Sie hat vielmehr die Vorschläge des Rahmenbe-
        chlusses weiter verschärft und ist erheblich über den
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 170. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Juni 2008 18107
        (A) )
        (B) )
        Regelungsgehalt hinausgegangen. Während der Rah-
        menbeschluss keinerlei Aussage über das Täteralter
        trifft, sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung vor,
        auf jegliches Täteralter zu verzichten. Mit gutem Grund
        hat sich der Bundestag in den 90er-Jahren dafür ent-
        schieden, ein Täteralter von mindestens 18 Jahren vorzu-
        sehen. Die Bundesregierung verabschiedet sich damit
        von wesentlichen Grundprinzipien des Sexualstraf-
        rechts, wonach grundsätzlich von einem Erfahrungs-
        und Machtgefälle zwischen Täter und Opfer aufgrund
        des Altersunterschieds auszugehen ist. Auch bei der ge-
        nerellen Anhebung des Schutzalters geht der Gesetzent-
        wurf deutlich über den Rahmenbeschluss hinaus. Wäh-
        rend die Anhebung auf 18 Jahre nur für den Missbrauch
        gegen Entgelt gefordert ist, erweitert die Bundesregie-
        rung die Regelung auch bei den Fällen unter Ausnutzung
        einer Zwangslage. Auch im Bereich der Kinder- und
        Jugendpornografie führen die Regelungen der Bundes-
        regierung zu Wertungswidersprüchen. Es ist anzuerken-
        nen, dass die Koalition in letzter Minute noch Änderun-
        gen an ihrem Ursprungsentwurf vorgenommen hat. Ich
        nenne hier die Differenzierung zwischen Kinder- und Ju-
        gendpornografie, die nun endlich die Unterschiede im
        Unrechtsgehalt anerkennt. Es ist bis heute völlig unklar,
        von welcher Motivation sich die Bundesregierung trei-
        ben lässt. Es wird nicht gelingen, in der Justiz einen
        Kronzeugen zu finden, der bestätigt, das geltende
        Sexualstrafrecht habe sich nicht bewährt, enthalte Lü-
        cken und müsse daher geändert werden.
        In einem Punkt sind wir uns alle einig: Sexueller
        Missbrauch von Kindern und die Verbreitung von Kin-
        derpornografie sind Verbrechen an der Seele von Kin-
        dern. Hier muss das Strafrecht mit aller Härte reagieren.
        Wahr ist aber auch, dass 17-jährige Jungen und Mädchen
        keine Kinder sind. Es zeugt von völliger Unkenntnis des
        Entwicklungsprozesses von Jugendlichen, wenn sie
        strafrechtlich mit 6-jährigen Kindern gleichgesetzt wer-
        den. Das zu schützende Rechtsgut im Sexualstrafrecht
        ist die sexuelle Selbstbestimmung, also die Freiheit der
        Person, über Ort, Zeit, Form und Partner sexueller Betä-
        tigung frei zu entscheiden. Es ist jedoch nicht die Auf-
        gabe des Strafrechts, die sexuelle Autonomie aufgrund
        von moralischen Anschauungen einzuschränken. Auf-
        gabe des Strafrechts ist es, Unrecht zu sanktionieren. Die
        Moral als Leitschnur für das, was Recht und Unrecht ist,
        zeugt von vergangenen Zeiten, von denen ich geglaubt
        habe, sie seien längst vergessen.
        Es ist schier unfassbar, dass erst der große öffentliche
        Druck die Koalition zum Einlenken bewegt hat. Die Än-
        derungen in der Beschlussempfehlung gehen in die rich-
        tige Richtung, sind aber bei Weitem nicht ausreichend,
        um den Gesetzentwurf zustimmungsfähig zu machen.
        Bis zuletzt hatte ich gehofft, dass die Koalitionsfraktio-
        nen sich den Argumenten aus Praxis und Wissenschaft
        öffnen und weitere Änderungen vornehmen. Es hat sich
        jedoch gezeigt, dass die Bundesregierung nicht bereit
        war, sich zu bewegen. Auf nachvollziehbare Argumente,
        warum sich CDU/CSU und SPD entschieden haben, wie
        sie sich entschieden haben, warten wir bis heute verge-
        bens. Das Erfreuliche an der Rechtspolitik ist, dass viele
        Gesetzesvorhaben mit einer breiten Mehrheit des Parla-
        ments verabschiedet werden. Dieser Konsens ist von der
        Koalition beim Sexualstrafrecht bewusst nicht gesucht
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        orden. Die FDP-Bundestagsfraktion kann dem Gesetz-
        ntwurf daher nicht zustimmen.
        Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Die Streitfrage
        um vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung
        ar nie, ob Kinder und Jugendliche Schutz vor sexueller
        usbeutung benötigen. Zu dieser wichtigen Zielstellung
        ind wir uns hier im Haus hoffentlich alle einig. Die ent-
        cheidende Frage ist, ob es diesem Ziel dient, zukünftig
        lle Menschen in Deutschland unter 18 Jahren als Kinder
        u behandeln. Denn so sieht es der Marschbefehl aus
        rüssel vor, der dem aktuellen Gesetzentwurf zugrunde
        iegt.
        Bevor uns dieser Marschbefehl aus Brüssel ereilte,
        erfügten wir in Deutschland über ein unangezweifeltes
        nd bewährtes System der Schutzaltersgrenzen. Das
        ystem beruhte auf der überzeugenden Idee, dass zwi-
        chen Kindern und Jugendlichen für deren strafbewehr-
        en Schutz unterschieden werden muss. Für Jugendliche
        st nun einmal typisch, dass diese ihre Sexualität gerade
        ntdecken und entwickeln. Sie dürfen erwarten, dabei
        chutz vom Staat zu erhalten. Sie erwarten gleichzeitig,
        abei vom Staat in Ruhe gelassen zu werden. Die Lö-
        ung dieses Widerspruchs liegt auf der Hand: Sie besteht
        ür den Gesetzgeber in der Wahl des richtigen Verhält-
        isses zwischen dem geleisteten Schutz vor ungewollter
        exualität und der gewährten Freiheit für gewollte
        exualität. Für Kinder dagegen – also für Personen unter
        4 Jahren – verbieten sich solche Differenzierungen völ-
        ig; Kinder verdienen den absoluten Schutz des Strafge-
        etzgebers. Genau deshalb käme niemand in der Bevöl-
        erung auf den Einfall, für das Sexualstrafrecht ein
        ünfjähriges Kind mit einem siebzehnjährigen Jugendli-
        hen gleichzusetzen. Es wäre auch niemand in diesem
        ause auf einen solchen Einfall gekommen – hätte es
        einen Marschbefehl aus Brüssel mit ganz zweifelhafter
        echtsgrundlage gegeben.
        Wegen dieses Marschbefehls sah man sich im Bun-
        esministerium der Justiz zum Systembruch gezwun-
        en. Man hebelte das fein austarierte deutsche Sexual-
        trafrecht weitgehend aus. Ich zitiere aus einem
        chreiben des Staatssekretärs vom 2. Juni dieses Jahres:
        eutschland ist in der jetzigen Situation verpflichtet, den
        ahmenbeschluss umzusetzen. – Das ist schlicht und
        infach falsch. Ich zitiere wieder, diesmal das Bundes-
        erfassungsgericht. In seinen Ausführungen im Urteil
        um Europäischen Haftbefehl heißt es:
        Das Europäische Parlament, eigenständige Legiti-
        mationsquelle des europäischen Rechts, wird in
        dem Rechtsetzungsprozess lediglich angehört (vgl.
        Art. 39 Abs. 1 EU), was im Bereich der „dritten
        Säule“ den Anforderungen des Demokratieprinzips
        entspricht, weil die mitgliedstaatlichen Legislativ-
        organe die politische Gestaltungsmacht im Rahmen
        der Umsetzung, notfalls auch durch die Verweige-
        rung der Umsetzung, behalten.
        Wenn man dann aber doch – entgegen der ausdrückli-
        hen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes –
        en Rahmenbeschluss des Rates vom 22. Dezember
        003 für umsetzungsbedürftig hielte, so wäre es dennoch
        arauf angekommen, eine juristisch anspruchsvolle Um-
        etzung zu meistern, die sich in das deutsche System der
        18108 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 170. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Juni 2008
        (A) )
        (B) )
        Schutzaltersgrenzen einfügt und dabei umfassend von
        den Ausnahmebestimmungen des Rahmenbeschlusses
        Gebrauch macht. Für das Justizministerium aber wurden
        die Vorgaben des Rahmenbeschlusses gleichsam zu Soll-
        bruchstellen.
        Weil es das System der Schutzaltergrenzen missach-
        tete, legte das Ministerium dem Bundestag einen ersten
        Entwurf vor, der sehr viel antiquierte Moral und sehr
        wenig modernes Recht zu bieten hatte. Dazu zwei
        Beispiele: Der Entwurf schloss eine Bestrafung von
        16- oder 17-jährigen Jugendlichen nicht aus, wenn diese
        einvernehmlich und zur eigenen Verwendung von sich
        selbst erotische Fotos oder Filme anfertigen. Für die
        Strafbarkeit pornografischer Schriften sollte es auch gar
        nicht auf das wirkliche Alter der Darsteller ankommen,
        sondern auf das scheinbare Alter. Die Strafbarkeit des
        Besitzes pornografischer Schriften, deren Darsteller
        nachweislich erwachsen waren, sollte sich gleichsam im
        Auge des beliebigen Betrachters entscheiden. Der erste
        Entwurf traf wegen solcher und anderer Seltsamkeiten
        auf den einhelligen Widerstand der Opposition und der
        Öffentlichkeit. Es ist einigermaßen begrüßenswert, dass
        man daraufhin im Justizministerium und aufseiten der
        Koalition wenigstens ein Mindestmaß an Einsehen hatte.
        Die gerade geschilderten Merkwürdigkeiten wurden je-
        denfalls gestrichen.
        Doch auch die aktuelle Fassung weist weiter ernste
        Mängel auf. Diese beruhen nicht länger auf der fälschli-
        chen Annahme einer Umsetzungspflicht. Sie sind poli-
        tisch gewollt. Deswegen geht man auch erheblich über
        das vom Rahmenbeschluss Geforderte hinaus. Auch
        dazu zwei Beispiele:
        Erstens. Der Rahmenbeschluss fordert lediglich, die
        bildliche Darstellung von jugendpornografischem Mate-
        rial unter bestimmten Voraussetzungen unter Strafe zu
        stellen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung erfasst
        jedoch darüber hinaus zum Beispiel auch Literatur und
        Lieder. Was Sie mit dieser Kunstzensur bezwecken und
        wie sie es mit Art. 5 GG vereinbaren wollen, Nabokov,
        Gide und die Punkband „Die Ärzte“ in die Nähe des
        Strafrechts zu rücken, darüber verlieren sie wohlweislich
        kein Wort.
        Zweitens. Nach unserem Strafrecht darf eine 18-jäh-
        rige junge Frau mit einem 17-jährigen jungen Mann je-
        den Spaß haben, den die beiden wollen. Das wollen Sie
        glücklicherweise nicht ändern; denn was einvernehmlich
        in deutschen Jugendschlafzimmern geschieht, das geht
        schließlich den Staatsanwalt nichts an. Nach dem Ent-
        wurf soll es den Staatsanwalt aber doch etwas angehen,
        wenn die junge Frau von dem jungen Mann beim einver-
        nehmlichen Spaß Fotos schießt oder nur davon ein Bild
        malt, auch wenn dies nur zum persönlichen Gebrauch
        dient. Die beiden dürfen also alles machen aber nichts
        abbilden. Das ist unsinnig und widersprüchlich. Allein
        dass in diesem Bereich Ermittlungen möglich sind, be-
        lastet bereits das natürliche Bedürfnis von Jugendlichen,
        ihre Sexualität unbehelligt von staatlicher Gängelung zu
        entdecken und zu entwickeln. Wenn diese möglichen Er-
        mittlungen dann tatsächlich geführt werden, tritt weite-
        rer Schaden hinzu: Es ist leider die typische Folge un-
        sinniger Kriminalisierungen, dass sie den so zusätzlich
        und nutzlos befassten Ermittlungsbehörden die Zeit rau-
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        en, ernsten Straftaten nachzugehen, etwa wenn es um
        älle sexuellen Missbrauchs geht oder um Kinderporno-
        rafie.
        Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich
        öchte zu Beginn meiner Rede eines vorab deutlich be-
        onen: Wir Grünen unterstützen alle Anstrengungen, die
        elfen, Kinder umfassend und wirksam vor sexueller
        usbeutung zu schützen. Kinderprostitution und Kin-
        erpornografie gilt es entschieden zu bekämpfen. Doch
        em Gesetzentwurf der Bundesregierung, der heute in
        weiter und dritter Lesung beraten wird, zielt – insoweit
        st sein Titel irreführend – auf weit mehr als nur auf die
        ekämpfung sexueller Ausbeutung von Kindern. Er zielt
        uf eine erhebliche Kriminalisierung einvernehmlicher
        exualkontakte Jugendlicher. Daran ändert auch nichts,
        ass die Koalition – nachdem die Öffentlichkeit dank
        uter Oppositionsarbeit von den Plänen erfuhr und sich
        rheblicher Widerstand gegen die ursprünglichen Pläne
        ormierte – nun einen zweimal entschärften Vorschlag
        ur Abstimmung stellt. Ich will nicht verhehlen: Die von
        er Koalition vorgenommenen Änderungen gehen in die
        ichtige Richtung, sie sind jedoch nach wie vor nicht
        eitgehend genug.
        Bislang sah das Sexualstrafrecht ein nach dem Alter
        er Betroffenen abstufendes, differenzierendes Schutz-
        onzept vor. Es stellte so einen sachgerechten Ausgleich
        er zwischen dem Recht junger Menschen, vor nicht ge-
        ünschten sexuellen Handlungen geschützt zu werden
        inerseits, und dem Recht von Jugendlichen, ihr Recht
        uf sexuelle Selbstbestimmung auch selbstbestimmt aus-
        eben zu können andererseits. Dieses gestufte Schutz-
        onzept wird mit den vorgesehenen Änderungen infrage
        estellt. So soll der bewährte § 182 StGB mit seinem ge-
        tuften Schutzkonzept nivelliert und damit die Strafbar-
        eit jugendlicher Sexualkontakte erheblich ausgeweitet
        erden. Ich möchte betonen: in § 182 StGB geht es um
        invernehmliche Sexualkontakte von Jugendlichen. Des-
        alb forderte die bisherige Strafnorm, neben dem Han-
        eln gegen Entgelt oder in Ausnutzungssituationen zu-
        ätzlich eine altersbedingte Überlegenheit des Täters
        egenüber dem Opfer. Denn diese Altersüberlegenheit
        rägt den Unwert des Handelns ganz entscheidend mit
        nd wird deshalb zu Recht vorausgesetzt.
        Die Regelung hat sich seit vielen Jahren in der Praxis
        ewährt. Es ist mir schlicht unverständlich, warum die
        oalition hier nun – ohne Not – umfangreiche Strafver-
        chärfungen vornimmt. Sie will das Altersgefälle eineb-
        en; in einigen Fällen soll gar ein umgekehrtes Altersge-
        älle möglich sein: Da wird dann der 14-jährige Jüngling
        trafbar, wenn er seine angehimmelte 17-Jährige in
        exuellen Absichten zu sich einlädt, weil sie – wegen
        tress zu Hause – für die Nacht ein Bett sucht. Denn ge-
        au diese Fälle fallen bereits unter die weite Tathandlung
        Ausnutzen einer Zwangslage“ in § 182 StGB. Sie hat
        it Gewalt oder Zwang eben nichts zu tun, allenfalls mit
        isslichen Situationen. Gerade wegen der Weite der
        trafnorm ist es aber auch notwendig, den Altersunter-
        chied zwischen älterem Täter und jüngerem Opfer bei-
        ubehalten, um Überkriminalisierung zu vermeiden.
        leiches gilt für die Tathandlung „gegen Entgelt“. Da
        Entgelt“ jeden geldwerten Vorteil – also auch schon
        ine geschenkte Kinokarte – umfasst, ist wegen der
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 170. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Juni 2008 18109
        (A) )
        (B) )
        Weite der Fälle auch hier ein deutliches Altersgefälle
        zwischen Opfer und Täter als unrechtsbestimmendes
        Moment unverzichtbar.
        Nur für die Tathandlung „gegen Geld“ halten wir die
        von der Regierung vorgeschlagene Heraufsetzung des
        Opferalters von 16 auf 18 Jahre, unter Beibehaltung des
        Täteralters von 18 Jahren, für diskussionswürdig, um
        dem Abgleiten Jugendlicher in die Prostitution entge-
        genzuwirken.
        Zu weitgehend ist auch die neu eingeführte Versuchs-
        strafbarkeit in § 182 StGB. Lehnt das 17-jährige – ver-
        meintliche – Opfer zum Beispiel in einer Zwangslage se-
        xuelle Avancen nach § 182 StGB ab, so zeigt sich darin
        doch gerade seine sexuelle Selbstbestimmung; der straf-
        rechtliche Schutz ist hier also gerade nicht erforderlich.
        Auch die strafrechtlichen Ausweitungen im Bereich der
        Jugendpornografie halten wir Grünen – nach wie vor – für
        zu weitgehend. Die Neuregelung sieht vor, erstmals die
        pornografische Darstellung Jugendlicher in einem neuen
        § 184 c StGB unter Strafe zu stellen, und geht dabei so-
        gar deutlich über die Vorgaben des EU-Rahmenbe-
        schlusses hinaus. So soll sich zum Beispiel auch strafbar
        machen, wer pornografische Aufnahmen Erwachsener
        verbreitet, die minderjährig erscheinen. Auch der einver-
        nehmliche Tausch aufreizender Fotos jugendlicher Pär-
        chen innerhalb ihrer Peergroup soll bestraft werden. Wa-
        rum hier ein Sanktionsbedürfnis bestehen soll, diese
        Antwort bleibt die Koalition leider schuldig.
        Mit unserem grünen Änderungsantrag, den wir auch
        hier im Plenum zur Diskussion und Abstimmung stellen,
        zeigen wir Alternativen. Unser Entwurf hält an dem al-
        tersgestuften System des Sexualstrafrechts fest und be-
        schränkt sich auf die nach europarechtlichen Vorgaben
        zwingend notwendigen Änderungen: In § 182 StGB
        wollen wir nur hinsichtlich des „Handelns gegen Geld“
        das Schutzalter auf 18 Jahre anheben; bei den übrigen
        Tathandlungen, also dem Handeln gegen sonstiges Ent-
        gelt oder unter Ausnutzen einer Zwangslage, bleibt es
        beim bisherigen Recht, insbesondere also beim erforder-
        lichen Altersunterschied zwischen Täter und Opfer. Die
        Versuchsstrafbarkeit wird allein auf die Alternative
        „Handeln gegen Geld“ erstreckt. Zusätzlich wird die
        Norm als relatives Antragsdelikt ausgestaltet und eine
        Strafabsehensmöglichkeit geschaffen, um Fälle geringen
        Unrechts ausschließen zu können.
        Im Bereich Jugendpornografie werden nur die wirk-
        lich strafwürdigen Fälle erfasst, indem erstens nur die
        Verbreitungsalternativen unter Strafe gestellt werden
        und zweitens die Norm auf kommerzielle Kontexte be-
        schränkt wird. Privataufnahmen Jugendlicher, ausge-
        tauscht in der Peergroup, gehören nicht unter das scharfe
        Schwert des Strafrechts. Auch eine Besitzstrafbarkeit ist
        hier nicht sachgerecht, weil bei Jugendpornografie – an-
        ders als bei Kinderpornografie – der Abbildung eben ge-
        rade kein sexueller Missbrauch vorausgegangen ist.
        Auch nicht tatsächliche Geschehen, also virtuelle Dar-
        stellungen Jugendlicher und Darstellungen von nur
        scheinbar Jugendlichen, real aber Volljährigen, klam-
        mern wir – anders als der Koalitionsvorschlag – aus der
        Strafnorm aus.
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        Es ist fahrlässig und unverantwortlich von der Großen
        oalition, auf die von ihr beabsichtigten unglaublichen
        usweitungen des Sexualstrafrechts nicht hinzuweisen,
        ondern sie schlicht zu beschönigen und zu vernebeln.
        ir Grünen fordern die Koalition auf, die überbordene
        riminalisierung sexueller Handlungen Jugendlicher zu-
        ückzunehmen. Die Regierung ist in der Pflicht, sich
        uch auf internationaler Ebene für Regelungen einzuset-
        en, die nach Alter der Kinder und Jugendlichen diffe-
        enzierende Schutzkonzepte im Sexualstrafrecht ermög-
        ichen.
        Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: Die
        rei Gesetzentwürfe, die jetzt zur Abstimmung stehen,
        ehandeln ein trauriges Thema. Es geht um die sexuelle
        usbeutung von Kindern und Jugendlichen durch Prosti-
        ution und Pornoindustrie. Traurig ist aber nicht nur das
        chicksal der Opfer. Traurig ist auch das politische Ni-
        eau, auf dem dieses Thema diskutiert wird.
        Die Opposition wollte diesen Gesetzentwurf offenbar
        ewusst missverstehen. Sie hat in der Öffentlichkeit die
        issverständnisse darüber gezielt geschürt. Es ist der
        indruck erweckt worden, wir wollten hier eine über-
        olte Sexualmoral gesetzlich verordnen und das Liebes-
        eben von Teenagern kriminalisieren. Um es ganz deut-
        ich zu sagen: Das alles ist grober Unfug. Dies will
        iemand und das werden wir auch nicht tun. Es geht um
        en Schutz der sexuellen Selbststimmung von jungen
        enschen und nicht um deren Einschränkung.
        Was werden wir jetzt genau beschließen? Wir erhö-
        en zunächst das Schutzalter beim sexuellen Missbrauch
        on Jugendlichen von 16 auf 18 Jahre. Ich meine, es ist
        ichtig, dass alte Männer, die minderjährige Mädchen für
        ex bezahlen, künftig nicht mehr straflos bleiben. Mir ist
        s unverständlich, wie man angesichts der Schicksale
        on minderjährigen Prostituierten behaupten kann, wir
        ollten hier Teenager kriminalisieren, die ihre Freundin
        ns Kino einladen. Auch zukünftig macht sich niemand
        it einer solchen Einladung strafbar, und zwar selbst
        ann nicht, wenn er darauf hofft, es werde dort oder spä-
        er zu Zärtlichkeiten kommen. Strafbar macht sich nur,
        er Jugendliche für sexuelle Handlungen in irgendeiner
        eise „bezahlt“, und dies auch nur dann, wenn der Täter
        elbst über 18 Jahre alt ist.
        Der zweite Punkt, über den vehement diskutiert wor-
        en ist, ist die Strafbarkeit von Jugendpornografie. In
        ukunft soll nicht nur Kinder-, sondern auch Jugend-
        ornografie verboten sein. Das ist richtig, denn wir soll-
        en alle Minderjährigen vor der Ausbeutung durch die
        ornoindustrie schützen.
        Allerdings muss dabei eines ganz klar sein: Egal ob
        ugendlicher oder Erwachsener: Nicht jedes Nacktfoto
        st Pornografie. Andernfalls wäre der Playboy nicht an
        edem Kiosk öffentlich erhältlich. Ein harmloses Nackt-
        oto, das ein Jugendlicher von seiner ersten Freundin
        acht, ist daher keine Pornografie und hier gar nicht er-
        asst. Aber selbst wenn es sich um Pornografie handeln
        ollte, bleiben Jugendliche straffrei. Nämlich dann, wenn
        ie die Aufnahmen mit Einwilligung der dargestellten
        ugendlichen selbst hergestellt haben. Dies gilt auch für
        en Fall, dass die Jugendlichen erwachsen werden. Kein
        18110 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 170. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Juni 2008
        (A) )
        (B) )
        17-Jähriger muss also befürchten, dass die Videoaufnah-
        men mit seiner Freundin am Tag seiner Volljährigkeit
        strafbar werden. Ich denke, mit der Form, die der Ge-
        setzentwurf nun hat, sind die Irritationen gründlich aus-
        geräumt. Mein Dank gilt auch dem Rechtsausschuss, der
        viel dafür getan hat, den Gesetzentwurf so zu formulie-
        ren, dass nun wirklich keine Missverständnisse mehr
        aufkommen können.
        Wir halten uns mit diesem Gesetz eng an den Rah-
        menbeschluss der EU, zu dessen Umsetzung wir selbst-
        verständlich verpflichtet sind. Wer Verpflichtungen ein-
        geht, muss sie auch erfüllen, so ist das nun einmal in
        einem Rechtsstaat. Es spielt dabei für mich keine Rolle,
        dass erst der Lissabon-Vertrag Sanktionen für die Nicht-
        umsetzung von Rahmenbeschlüssen einführen wird. Das
        Ziel der europäischen Vorgaben und unseres Gesetzes ist
        nämlich völlig richtig: Wir wollen den Schutz von Ju-
        gendlichen vor sexueller Ausbeutung durch Prostitution
        und Pornografie verbessern, und genau das tun wir auch.
        Anlage 4
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Verbraucherschutz
        beim Telefonmarketing verbessern – Callcenter
        erhalten (Tagesordnungspunkt 33)
        Dr. Günter Krings (CDU/CSU): „Bei Anruf: Wer-
        bung.“ So titelte vor kurzem eine Tageszeitung und
        spielte dabei auf den bekannten Hitchcock-Film „Bei
        Anruf: Mord“ an. Nun hat mit Sicherheit die Telefon-
        werbung nicht dieselben Folgen, wie es der Anruf im
        Hitchcock-Film hat. Aber eines gilt bestimmt auch für
        die Telefonwerbung: Sie ist nervtötend.
        Aus der eigenen Erfahrung und aus dem eigenen Be-
        kanntenkreis kennt man zur Genüge Beispiele für uner-
        laubte Telefonwerbung, und meistens erreicht sie einen
        natürlich zu den unmöglichsten Zeiten und den unmög-
        lichsten Gelegenheiten. Und so überrascht es auch nicht
        weiter, dass bei einer Umfrage des Forsa-Instituts aus
        dem Jahre 2007 86 Prozent der Befragten angaben, sich
        von Telefonwerbung belästigt zu fühlen.
        Die bestehenden Regelungen greifen nur unzurei-
        chend, selbst wenn der Fall Tele2 aus dem letzten Jahr
        eine andere Deutung zulassen würde. Gegen Tele2
        wurde zweimal eine Unterlassungsverfügung gerichtlich
        angeordnet. Da Tele2 jedoch immer noch kein Einsehen
        hatte und einfach weiter telefonisch auf Kundenfang
        ging, zog das Landgericht Düsseldorf die Notbremse
        und verhängte ein Ordnungsgeld in Höhe von insgesamt
        200 000 Euro. Die Firma Tele2 legte in einem Fall Be-
        schwerde ein und einigte sich außergerichtlich auf
        240 000 Euro.
        Dieser Sachverhalt darf aber nicht über eine landläu-
        fige Ineffizienz bei den bestehenden Regelungen hin-
        wegtäuschen. Nicht nur die FDP hat dies erkannt, son-
        dern auch die Koalitionsfraktionen. In Ihrem Antrag
        sprechen Sie die Problematik der untergeschobenen Ver-
        träge an. Als ich Ihren Antrag gelesen habe, kam mir
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        erselbe Gedanke. Denn die meisten Punkte, die Sie in
        hrem Antrag ansprechen, sind auch von der Koalition
        ereits angedacht und intern bereits besprochen worden.
        hren Antrag damit einem Gesetzentwurf der Koalition
        nterzuschieben, ist ein netter Versuch, aber leider zum
        cheitern verurteilt. Das Thema steht seit einiger Zeit
        uf der politischen Tagesordnung der Koalition, und die
        espräche dazu gestalten sich so weit fortgeschritten,
        ass in allernächster Zeit mit einem Gesetzentwurf zu
        echnen ist.
        Ich will gerne die Punkte benennen, die uns als Union
        esonders am Herzen liegen und möchte mich als Erstes
        on den untergeschobenen Anträgen wieder hin zu den
        ntergeschobenen Verträgen bewegen. Denn die Vorge-
        ensweise bei den untergeschobenen Verträgen ist
        esonders perfide. Hier existiert ein Dreipersonenver-
        älnis: bisheriger Telekommunikationsanbieter, Ver-
        raucher und neuer Telekommunikationsanbieter. Der
        eue Telefonanbieter legt dem alten Telefonanbieter eine
        ngebliche Kündigung vom Verbraucher vor. Der alte
        elefonanbieter entlässt so häufig einen Verbraucher aus
        iner Kundenbeziehung, die dieser eigentlich gar nicht
        eenden will. Um diese Unsitte einzudämmen, ist der
        inzig richtige Weg für die Kündigung des Verbrauchers
        inen schriftlichen Nachweis zu fordern. Daher sind wir
        n dieser Stelle konform mit dem FDP-Antrag: Kein
        achweis, kein neuer Vertrag.
        Die Ausweitung des Widerrufs- und Rückgaberechts
        uf Verträge über die Lieferung von Zeitungen, Zeit-
        chriften und Illustrierten und bei Verträgen zur Erbrin-
        ung von Wett- und Lotteriedienstleistungen findet
        benfalls unsere Zustimmung. Sie deckt sich auch mit
        er Forsa-Untersuchung von 2007. Jeder zweite hat da-
        ach einen Anruf erhalten, der in die Kategorie „Wett-
        nd Lotteriedienstleistungen“ fällt. Jeder vierte hat im-
        erhin noch einen Anruf zur Bewerbung einer Zeitung
        der Zeitschrift erhalten. Ursächlich für diese hohen
        ahlen ist sicherlich der Umstand, das beide Kategorien
        us dem Fernabsatzgesetz mit seinen Widerrufsmöglich-
        eiten herausgenommen sind. Dass sich dies nun ändern
        oll, begrüßen wir ausdrücklich.
        Im Fernabsatzgesetz halten wir einen weiteren Punkt
        ür unbedingt regelungsbedürftig. Es handelt sich dabei
        m die Problematik des untergeschobenen Tarifwech-
        els. Insbesondere ältere Menschen klagen hier häufig
        arüber, dass sie von den Telekommunkationsunterneh-
        en übervorteilt werden. Ein neuer Tarif muss keines-
        alls günstiger sein, wie es der Anrufer meistens
        uggeriert, und häufig merkt man erst später – wenn
        berhaupt –, dass man sich einen neuen Tarif eingefan-
        en hat.
        Diese Praxis wollen wir unterbinden. Daher schlagen
        ir ein Widerrufsrecht des Verbrauchers noch bis zur
        ollständigen Vertragserfüllung durch beide Vertragspar-
        eien vor, wenn das Unternehmen den Verbraucher nicht
        rdnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hat.
        Das bedeutet im Klartext: Ist der Verbraucher nicht
        ber sein Widerrufsrecht belehrt worden, dann braucht
        r auch nichts zu bezahlen. Er kann sogar im Falle eines
        iderrufs erfolgte Leistungen ohne Wertersatz einbehal-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 170. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Juni 2008 18111
        (A) )
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        ten. Der Sumpf der unerlaubt vorgenommenen Tarif-
        wechsel dürfte so wirksam ausgetrocknet werden.
        Ebenfalls herrscht Einigkeit mit der FDP in Sachen
        Rufnummernunterdrückung. Es ist immer wieder ein Är-
        gernis, bei einem unerlaubten Werbeanruf die Nummer
        des Anrufenden nicht angezeigt zu bekommen. Eine
        Rückverfolgbarkeit des Anrufers wird so erfolgreich
        verhindert. Der Zwang zur Anzeige der Rufnummer
        sollte auch im Interesse der Callcenter-Branche sein, da
        dies ein Weg ist, Transparenz gegenüber den Verbrau-
        chern zu zeigen.
        Gleichzeitig sollte man aber, und hier beginnen dann
        die Unterschiede zur FDP, eine Rufnummernunterdrü-
        ckung als Ordnungswidrigkeit einstufen. Die Einführung
        eines Bußgeldes ist eh eine alte Unionsforderung und
        sollte sich nicht nur auf die Rufnummernunterdrückung
        beziehen, sondern auch auf die unzumutbare Belästi-
        gung nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Im Fall Tele2 ist es au-
        genscheinlich geworden: Zivilrechtliche Verfahren ha-
        ben nicht die Durchschlagskraft, die wir uns vorgestellt
        haben. Ein effektiver Verbraucherschutz wird sich daher
        nur einstellen, wenn ein Bußgeld gegen den Telefonwer-
        bungssünder verhängt werden kann. Die Menschen in
        unserem Land erwarten, dass wir sie vor der Plage un-
        erlaubter Telefonwerbung schützen, und da heißt es nun:
        Daumenschrauben anziehen.
        Daher halte ich auch nichts von der Forderung der
        FDP, die Branche solle einen Ehrenkodex erarbeiten und
        verabschieden, um damit das Prinzip der Eigenverant-
        wortung der Wirtschaft herauszustreichen. An diesen
        Ehrenkodex werden sich eh nur die seriösen Callcenter
        beteiligen, die sich schon jetzt an die gesetzlichen Be-
        stimmungen halten. Ich bin dagegen, weiße Schafe noch
        weißer zu machen, weil es nicht daran ändert, dass die
        schwarzen Schafe schwarz bleiben. Mit unseren Maß-
        nahmen wollen wir gerade die unseriösen Unternehmen
        erreichen, die die unerlaubte Telefonwerbung im Mi-
        nutentakt durchführen und nicht diejenigen, die nach
        Recht und Gesetz handeln.
        Die Bekämpfung der unerlaubten Telefonwerbung ist
        uns ein wichtiges Anliegen, was wir auch schon ver-
        schiedentlich zum Ausdruck gebracht haben. Daher gibt
        es zurzeit intensive Gespräche innerhalb der Koalition
        wie gesetzliche Veränderungen in diesem Bereich ausse-
        hen können. Ich bin recht zuversichtlich, dass das BMJ
        schon bald einen abgestimmten Entwurf ins Kabinett
        einbringen kann. Der durch unerlaubte Telefonwerbung
        belästigte Verbraucher hat es sich verdient.
        Dirk Manzewski (SPD): Wir debattieren hier heute
        über einen Antrag der FDP zum Thema unerwünschte
        Telefonwerbung. Die Problematik ist bekannt und wurde
        zuletzt von uns im Zusammenhang mit einem Antrag
        von Bündniss 90/Die Grünen hier im Plenum behandelt.
        Leider ist es offenbar nicht nur so, dass unerwünschte
        Telefonwerbung sich in letzter Zeit zu einer für die Ver-
        braucher immer schlimmer werdenden Belästigung ent-
        wickelt hat, sondern insbesondere die in diesem Zusam-
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        enhang untergeschobenen Verträge haben dramatisch
        ugenommen.
        Es ist daher völlig richtig, dass wir uns immer wieder
        it dieser Problematik befassen, zumal uns auch das
        undesjustizministerium in Kürze einen eigenen Vor-
        chlag zur Bekämpfung des Problems vorlegen wird.
        Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass es schon
        eute eine Vielzahl von Sanktionsmöglichkeiten gibt,
        ie aber offensichtlich nicht dazu geführt haben, uner-
        ünschte Telefonanrufe tatsächlich einzudämmen.
        So gibt es einen Unterlassungs-, einen Schadenersatz-
        owie einen Gewinnabschöpfungsanspruch. Es bestehen
        nfechtungsansprüche und – da es hier um Fernabsatz-
        erträge geht – umfassende Widerrufs- und Rückgabe-
        echte. Wir sollten uns daher langsam zweimal überle-
        en, welche Vorschläge wirklich Sinn machen, um die
        ogenannten Cold-Call-Anrufe wirksam zu unterbinden.
        Wenn die FDP nun auch die Verpflichtung zur Ruf-
        ummernanzeige vorschlägt, dann mag dieses helfen,
        m den Initiator des Anrufs zu identifizieren. Ich be-
        ürchte allerdings, dass die Angerufenen gleichwohl
        icht die Verbraucherschutzverbände informieren wer-
        en, da dies – bei allem Ärger über den Anruf – mit wei-
        erem Aufwand für sie verbunden ist. Im Übrigen kann
        ine Rufnummeranzeige manipuliert werden und wird
        icht besonders weiterhelfen, wenn sich der Anrufer im
        usland aufhält – und das wird verstärkt eintreten –,
        iebe Kolleginnen und Kollegen.
        Geradezu abenteuerlich finde ich in diesem Zusam-
        enhang den Vorschlag, dass nicht die Nummer des
        allcenters, sondern dessen Auftraggebers im Display
        rscheinen sollte. Abgesehen davon, dass es den Ver-
        raucherschutzverbänden oder Mitbewerbern nicht zu-
        umuten ist, dann den Streit darüber auszutragen, ob
        enn nun tatsächlich die Beauftragung eines Callcenters
        rfolgte oder nicht, will ich nicht die Callcenter aus der
        erantwortung entlassen, mit dem Auftraggeber vorab
        bzuklären, ob es sich hierbei um Cold-Call-Anrufe han-
        elt; denn es sind letztendlich ja die Callcenter, die die
        elästigenden Anrufe tätigen.
        Interessanter ist da schon der Vorschlag einer einheit-
        ichen Vorwahlnummer für alle Werber und Verkäufer
        er Telefon. Zwar ist die Belästigung bereits eingetreten,
        enn ich beim Ablesen des Telefondisplays feststelle,
        ass mich ein Telefonwerber sprechen möchte; denn ich
        in ja zumindest schon zum Telefon geeilt und werde
        as Telefon kaum ewig klingeln lassen. Ich könnte aber
        iese einheitliche Vorwahlnummer dann bei meinem Te-
        efonanbieter sperren lassen, sodass diese Anrufe erst
        ar nicht an mich weitergeleitet werden, und das wäre
        umindest prüf- und überlegenswert.
        Dass das bestehende Widerrufs- und Rückgaberecht
        ach Auffassung der FDP nunmehr auch auf Verträge
        ur Lieferung von Zeitungen und Zeitschriften sowie
        um Erbringen von Lottodienstleistungen ausgeweitet
        erden soll, finde ich richtig, zumal dies auch dem Vor-
        chlag des Bundesjustizministeriums entsprechen wird.
        Zu Recht wird auch auf das besondere Problem unter-
        eschobener Telefonverträge hingewiesen. Der Schutz
        18112 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 170. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Juni 2008
        (A) )
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        des Telefonkunden soll dort verstärkt werden, wo der
        neue Anbieter aufgrund einer angeblichen Bevollmächti-
        gung den bisherigen Vertrag kündigt und den Anschluss
        über sich freischaltet. Dies soll nach Auffassung der
        FDP dadurch geschehen, dass bei diesem Massenmiss-
        brauch der vermeintlich neue Telefonanbieter dem bis-
        herigen Telefonanbieter den Nachweis einer entspre-
        chenden Kündigung vorlegt. Abgesehen davon, dass
        dies auch dem Vorschlag des Bundesjustizministeriums
        entsprechen wird – die Kontakte der FDP dorthin schei-
        nen immer noch hervorragend zu sein –, macht dieser
        Vorschlag das eigentliche Dilemma deutlich.
        Die Vorschläge der FDP werden meiner persönlichen
        Auffassung nach nämlich ebenso wie die schon gelten-
        den Sanktionsmöglichkeiten nur partiell weiterhelfen.
        Die Unseriösen werden Wege finden, diese zu umgehen.
        Helfen wird meiner Meinung nach nur eine Art Bestäti-
        gungslösung. Worum geht es dem Telefonwerber denn
        letztendlich? Natürlich um den Abschluss eines Vertra-
        ges. Setzen wir bei dessen Wirksamkeit an, werden wir
        sehr schnell sehen, wie uninteressant diese Werbeanrufe
        werden.
        Abgesehen davon, dass schon nicht einzusehen ist,
        warum der Verbraucher derjenige sein soll, der hinter
        dem ihm aufgezwungenen oder untergeschobenen Ver-
        trag herzulaufen hat, setzen die Telefonwerber doch ge-
        rade darauf, dass nur ein Bruchteil der Betroffenen die
        ihnen zustehenden Rechte kennt und auch einsetzt. Ge-
        nau das wird doch von vornherein mit einkalkuliert.
        Wenn die FDP dies in ihrem Antrag grundsätzlich ab-
        lehnt, muss sie sich von mir den Hinweis der Wider-
        sprüchlichkeit gefallen lassen. Denn wenn man im Zu-
        sammenhang mit dem Wechsel eines Telefonanbieters
        einen Nachweis für die Kündigung des alten Vertrages
        verlangt, dann ist dies nichts anderes als eine Bestäti-
        gung des Willens des Kunden.
        Ich möchte in diesem Zusammenhang allerdings da-
        rauf hinweisen, dass dies bislang nur meiner persönli-
        chen Meinung entspricht. Wir sollten aber zumindest in
        den nun folgenden Wochen auch über diesen Lösungsan-
        satz ernsthaft diskutieren.
        Ich freue mich jedenfalls schon auf die anstehenden
        Beratungen.
        Hans-Michael Goldmann (FDP): Vor kurzem er-
        hielt ich eine Zuschrift eines spürbar genervten Bürgers.
        Ich zitiere mal aus dieser Mail: „Am Montag erhielt ich
        den ersten Anruf, ich habe mir erlaubt, einfach aufzule-
        gen! Ich wurde am selben Tag ein zweites Mal und ein
        drittes Mal angerufen – ich habe wieder einfach aufge-
        legt!“ Beim vierten Anruf ging der Schreiber dann ran
        und musste sich seiner Aussage nach nun eine Reihe von
        Vorwürfen anhören. Sein Brief an mich endet recht kühl
        und unmissverständlich: „Ich machte den Anrufer darauf
        aufmerksam, dass ich ein freier Mensch bin und ent-
        scheiden kann, mit wem ich wann reden will, und dass
        ich von dem Unternehmen keinerlei Telefonanrufe mehr
        wünsche und sie mich aus ihrer Telefonliste streichen
        sollen.“
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        Ich kann diesen Bürger verstehen und finde, er hat
        ichtig gehandelt. Aber das ist doch kein brauchbarer
        chutz, nur noch den Hörer aufzuknallen und am Abend
        en Netzstecker zu ziehen! Der Unmut dieses Bürgers
        ührt zu einer Frage und zwar: Wie viele solcher Anrufe,
        ie viele solcher Schreiben müssen noch ins Land
        ehen, bis die Bundesregierung endlich wirksame In-
        trumente vorlegt, die die sogenannten Cold Calls, die
        nerlaubten Werbeanrufe, eindämmt? „Bei Anruf Ver-
        raucherschutz“ schreibt Ministerin Zypries auf ihrer
        omepage mit Datum 11. März 2008 – bislang hat die
        undesregierung da aber nur eine ganz lange Leitung
        ewiesen. Vielmehr ist es höchste Zeit, dass die Bundes-
        egierung endlich ihr lang angekündigtes Maßnahme-
        aket hier in den Bundestag einbringt. Darauf warten wir
        nd die Bürgerinnen und Bürger inzwischen schon viel
        u lange. Und um es deutlich zu sagen: Durch die zöger-
        iche Haltung ist die Bundesregierung mitverantwortlich
        ür Hunderttausende von Belästigungen – einschließlich
        er nachteiligen Verträge, die Bürger als Folge unerlaub-
        er Werbeanrufe abgeschlossen haben.
        Die FDP-Bundestagsfraktion hat dagegen einen eige-
        en Antrag abgestimmt und bereits am 12. März 2008
        ingebracht. Unser Antrag wird hier und heute debat-
        iert, und er enthält klare Forderungen an die Bundes-
        egierung.
        Wenn ich auf die Ausgangslage schaue, ist klar: Nach
        em geltenden Recht sind solche Anrufe verboten. Doch
        nseriöse Callcenter kümmern sich um dieses Verbot
        icht. Und darunter leiden sowohl die Bürgerinnen und
        ürger – aber auch in erheblichem Maße die die Call-
        enter, die für uns alle Aufträge wie etwa Buchungen
        der Stornierungen entgegennehmen oder Rückfragen
        bwickeln.
        Unser Antrag verbessert den Schutz der Verbraucher
        n drei zentralen Punkten. Vorrangig verbessert unser
        ntrag die Durchsetzbarkeit des geltenden Rechts. Zu-
        em gibt er dem Konsumenten die Freiheit, das Ausmaß
        n Werbung zu bestimmen, dass er in seinen eigenen
        ier Wänden akzeptieren möchte.
        Wenn das Telefon klingelt und ich auf dem Display
        ine unterdrückte Rufnummer sehe, dann beginne ich
        ittlerweile generell zu zögern, ob ich den Anruf noch
        nnehme. Das kann aber nicht im Sinne einer reibungs-
        osen Kommunikation sein, in der wir rasch erkennen
        nd entscheiden müssen. Wir fordern daher, dass die
        ürgerinnen und Bürger frühzeitig in die Lage versetzt
        erden müssen, zu sehen, wer sie gerade anruft.
        Alle Unternehmen, die Werbeanrufe praktizieren,
        ollten verpflichtet werden, sich einer einheitlichen Vor-
        ahlnummer zu bedienen. Jeder Werbeanruf würde dann
        um Beispiel mit der Nummer 0500 beginnen. Der Ver-
        raucher hat dann die Option: Nehme ich den Anruf an
        der nicht? Darüber hinaus kann er den Telefonanbieter
        nweisen, gar keine Telefonate mit der entsprechenden
        orwahlnummer durchzustellen. Damit ist er in ver-
        leichbarer Weise vor Werbung geschützt wie gegen Re-
        lame im Briefkasten.
        Mithilfe der Nummer könnte der belästigte Verbrau-
        her auch das Unternehmen identifizieren. Viele unse-
        iöse Callcenter vereiteln die Schutzmöglichkeiten des
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 170. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Juni 2008 18113
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        Verbrauchers durch eine Unterdrückung der Rufnum-
        mer. Die Bundesregierung denkt lediglich über ein Ver-
        bot der Rufnummernunterdrückung nach. Mehr bringt
        nach unserer Auffassung, nicht nur die Telefonnummer
        des ausführenden Callcenters, sondern die Telefonnum-
        mer des Auftraggebers anzeigen zu lassen. Dann gehen
        die Beschwerden unmittelbar bei den Unternehmen ein,
        für die die Werbung letztlich gemacht wird. Davon ver-
        sprechen wir uns eine erhebliche präventive Wirkung.
        Ein weiterer wichtiger Fortschritt ist die Ausdehnung
        und Vereinheitlichung des Widerrufsrechts für den Käu-
        fer. Ausgenommen vom Widerrufsrecht sind im heutigen
        Fernabsatzrecht Verträge über die Lieferung von Zeitun-
        gen, Zeitschriften sowie die Erbringung von Wett- und
        Lotteriedienstleistungen. Gerade diese Bereiche sind
        aber in vielen Fällen Gegenstand unerlaubter Telefon-
        werbung. Der Schutz des Verbrauchers durch ein umfas-
        sendes Widerrufsrecht erfordert daher die Abschaffung
        solcher Ausnahmebereiche.
        Bei der unendlichen Vielzahl von Telekommunika-
        tionstarifen tritt vermehrt das Problem auf, dass nach
        dem unerlaubten Werbeanruf sofort die Umstellung des
        neuen Tarifs eingeleitet wird. Im Gesetz muss klarge-
        stellt werden, dass dadurch ein Widerrufsrecht nicht er-
        lischt.
        Wir halten es nicht für sinnvoll, darüber hinaus auch
        noch die Wirksamkeit von telefonisch geschlossenen
        Verträgen von einer schriftlichen Bestätigung des Ver-
        brauchers abhängig zu machen. Damit schaffen wir für
        den Verbraucher nur Verwirrung. Denn der Verbraucher
        müsste zwischen erlaubten Werbeanrufen per Telefon
        entscheiden, die zu wirksamen Verträgen führen, aber
        widerrufbar sind, und unerlaubten Anrufen, bei denen
        Verträge erst wirksam werden, wenn er sie schriftlich be-
        stätigt. Niemand kann sich aber so ganz sicher sein, ob
        er gelegentlich bei einer Teilnahme an Gewinnspielen
        nicht doch durch eine im Kleingedruckten verborgene
        Einwilligung zu Anrufen zugestimmt hat.
        Ein weiteres wettbewerbrechtswidriges Verhalten, ge-
        gen das der Verbraucherschutz ausgebaut werden muss,
        sind die sogenannten untergeschobenen Verträge. Ver-
        braucherinnen und Verbraucher werden mit angeblich
        bestellten Telekommunikationsdienstleistungen, vor al-
        lem mit DSL-Anschlüssen, konfrontiert, obwohl sie
        diese Anschlüsse gar nicht in Auftrag gegeben haben.
        Bürger finden sich plötzlich bei einem neuen Telefon-
        anbieter wieder oder in einem neuen Tarif ihres bisheri-
        gen Anbieters, obwohl sie ihre alten Verträge gar nicht
        bewusst gekündigt haben. In Zukunft sollte daher der
        Nachweis einer solchen Kündigungserklärung ausdrück-
        lich verlangt werden.
        Während die Bundesregierung dafür die Textform
        verlangt, schlägt die FDP vor, für die Verbraucher eine
        mündliche und am Telefon aufgezeichnete Erklärung
        ausreichen zu lassen. Das wäre unbürokratisch und
        würde den gewollten Wechsel des Telefon- oder Handy-
        tarifs per Telefon nicht verhindern.
        Kein Bedarf besteht für eine Anhebung des Bußgelds
        auf bis zu 50 000 Euro. Verbraucherzentralen können
        eine Abmahnung mit strafbewehrten Unterlassungs-
        erklärungen versehen, die die Gerichte befähigen im
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        alle einer Nichtbeachtung Ordnungsgelder bis zu
        50 000 Euro je Verstoß zu verhängen.
        Wir debattieren derzeit im Verbraucherschutz eine
        eihe von Themen, bei denen wir feststellen, dass das
        ötige Wissen und Können bei den Bürgerinnen und
        ürgern in Alltagsfragen deutlich mehr trainiert und
        estützt werden muss. Kurz gesagt: Notwendig ist Ver-
        raucheraufklärung. Es muss jedem klargemacht wer-
        en, dass er unerlaubte Werbeanrufe nicht dulden muss.
        ch möchte die Verbraucherinnen und Verbraucher an
        ieser Stelle auch wachrütteln, eine höhere Sensibilität
        m Umgang mit den persönlichen Daten zu haben.
        treuen Sie nicht wahllos Ihre Rufnummern und Mail-
        dressen! Jeder Verbraucher muss sich hier auch seiner
        igenverantwortung bewusst sein – aber auch seine
        echte kennen und wissen, wie und mit wessen Unter-
        tützung – beispielsweise der Verbraucherzentralen – er
        ie durchsetzen kann.
        Ich fordere die Bundesregierung daher auf: Nehmen
        ie diesen Antrag ernst, und setzen Sie zügig ein starkes
        ignal, um dieses von vielen als Landplage des 21. Jahr-
        underts beschriebene Vorgehen wirksam einzudämmen.
        Karin Binder (DIE LINKE): Obwohl in den Fach-
        usschüssen das Thema schon mehrfach diskutiert und
        ösungen versprochen wurden, ist eine Vorlage der Bun-
        esregierung zu diesem Thema seit Monaten überfällig.
        er Antrag der FDP auf Drucksache 16/8544 mahnt jetzt
        zu Recht – die Behandlung an. Ob wir deshalb gleich
        ie Callcenter als eine zu schützende Spezies ausweisen
        üssen, das halte ich für überflüssig. Mir hat die gute
        lte Kundenbetreuung eines Herstellers oder Dienstleis-
        ungsunternehmens mit den eigenen sachkundigen und
        n der Regel ordentlich bezahlten Mitarbeiterinnen und
        itarbeiter bisher in der Regel besser und schneller ge-
        olfen als ein ausgelagertes Callcenter, dessen Mitarbei-
        erinnen und Mitarbeiter zu dem Produkt, das sie an den
        ann und an die Frau bringen sollen, keinerlei Bezie-
        ung haben. Das sind zwar meistens gut geschulte, aber
        n der Regel deutlich unterbezahlte Spezialistinnen in
        achen Gesprächsführung; aber in der Sache selbst be-
        omme ich häufig nicht die gewünschte Auskunft. Klar,
        iese Kolleginnen und Kollegen können ja auch nicht
        infach mal kurz beim sachkundigen Kollegen in einer
        achabteilung nachfragen.
        Aber der Antrag enthält auch unterstützenswerte
        deen. Wir teilen die Forderungen nach einer ver-
        flichtenden Rufnummernanzeige zur Identifikation des
        nrufenden Unternehmens und einer einheitlichen Vor-
        ahlnummer für Callcenter, um den Angerufenen den
        ewerblichen Zweck des Anrufenden sofort erkennen zu
        eben. Wir teilen auch die Forderung nach Ausweitung
        es Widerrufs- und Rückgaberechts. Aber warum nur für
        erträge für Zeitungen und Zeitschriften oder Lotterie-
        piele? Auch die geforderten Maßnahmen zum Wider-
        ufsrecht gegen sogenannte untergeschobene Verträge
        nd die Maßnahmen gegen gesetzliche Lücken und Un-
        larheiten bei Verträgen mit Telekommunikationsunter-
        ehmen halten wir für hilfreich.
        Aber wäre es nicht für alle Menschen viel einfacher,
        achvollziehbarer und vor allem sicherer, insbesondere
        ei längerfristigen dauerhaften Leistungen einen schrift-
        18114 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 170. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Juni 2008
        (A) )
        (B) )
        lichen Vertrag in Händen zu halten, der erst gilt, wenn
        sie ihn mit ihrer Unterschrift bestätigt und zurückgesandt
        haben? Wir meinen, das wäre eindeutig die bessere, weil
        sichere, Lösung. Wir meinen damit ausdrücklich nicht
        eine schriftliche Vertragsbestätigung für die telefonische
        Pizzabestellung. Diese wird nämlich in der Regel nicht
        vom Pizzabäcker telefonisch eingeworben, sondern ak-
        tiv per Anruf von dem Kunden, der Kundin beauftragt,
        was doch einen deutlichen Unterschied im Sinne des Ge-
        setzes gegen den unlauteren Wettbewerb machen
        müsste. Auch Aufklärung und Informationskampagnen
        sind gut. Wenn es allerdings um Imagewerbung für Call-
        center gehen soll, dann sollen das bitte auch die Callcenter
        zahlen. Deshalb halte ich auch die Einführung eines Eh-
        renkodexes, um die „Eigenverantwortung“ der Callcenter-
        Branche zu stärken, für ein ehrenwertes Ansinnen – mehr
        aber auch nicht. Die Einführung einer unabhängigen
        – ich betone unabhängigen – zentralen Beschwerdestelle
        halte ich dagegen für eine gute Idee.
        Was mich nicht wundert, was ich allerdings sehr be-
        daure, ist die Tatsache, dass die FDP sich wieder einmal
        mehr vor den Karren der Unternehmen spannen lässt. So
        heißt es, die Callcenter-Branche sei an einer vom Ge-
        setzgeber unterstützten „Selbstreinigung“ interessiert.
        Gleichzeitig sprechen Sie sich in Ihrem Antrag gegen je-
        des Quäntchen mehr an staatlichen Sanktionierungen der
        Unternehmen aus: keine höheren Bußgelder und keine
        Gewinnabschöpfung bei fahrlässigen Verstößen gegen
        das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb.
        Sie lehnen höhere Bußgelder gegen die Verursacher
        ab, da die Behörden nicht über die erforderlichen Perso-
        nalkapazitäten für die Verfolgung der Verstöße verfügen
        würden. Dabei gehören Bußgelder zu den wenigen Mög-
        lichkeiten, die Unternehmen wegen unlauterer Telefon-
        werbung zu maßregeln. Das bestärkt unsere Auffassung,
        dass die Behörden personell besser ausgestattet werden
        müssen.
        Sie wollen weiterhin, dass das Sanktionsinstrument
        der Gewinnabschöpfung nur in Ausnahmefällen, bei
        nachgewiesenem Vorsatz, zum Tragen kommt. Sie wis-
        sen, wie schwierig es für die Verbraucherverbände ist,
        diesen Nachweis zu führen. Dabei ist die Abschöpfung
        von rechtswidrig erlangten Unternehmensgewinnen die
        einzig wirksame Waffe gegen unerlaubte Telefonwer-
        bung, weil allein sie den Unternehmen wirklich weh tut
        und damit zu einer Disziplinierung beiträgt.
        Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das
        eigentliche Thema der Debatte ist doch nicht der Erhalt
        von Callcentern, sondern es geht um Verbraucherschutz,
        und zwar um vorsorgenden Verbraucherschutz. Ganz
        konkret bedeutet das: Wie können wir die Verbrauche-
        rinnen und Verbraucher in Deutschland endlich wirksam
        vor unerlaubter Telefonwerbung schützen? Ihren Antrag,
        liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, nehmen
        wir wohlwollend zur Kenntnis, aber ausreichend ist er
        nicht. Fakt ist, dass gegen das Verbot von unerlaubter
        Telefonwerbung täglich tausendfach verstoßen wird. Das
        Ergebnis dieser Werbeanrufe sind nicht nur total
        genervte Menschen, sondern – und das ist noch viel
        schlimmer – Verbraucherinnen und Verbraucher, die
        durch unerlaubte Telefonwerbung abgezockt werden,
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        eil sie nach einem solchen Anruf einen ungewollten
        ertrag am Hals haben, wie zum Beispiel eine Versiche-
        ung, ein Zeitungsabonnement oder einen neuen Tele-
        onvertrag. Besonders betroffen von dieser Form der
        bzocke sind ältere Menschen, die ganz gezielt angeru-
        en werden.
        Wir Grünen haben deshalb bereits im Januar 2007 den
        ntrag „Verbot von Telefonwerbung zum Schutz der
        erbraucherinnen und Verbraucher wirksam durchset-
        en“ in den Deutschen Bundestag eingebracht, mit dem
        ir unter anderem Nachbesserungen bei der Gewinnab-
        chöpfung und die Einflussnahme der Bundesregierung
        n bundeseigenen Unternehmen und Aufsichtsräten ge-
        ordert haben. Daraufhin hat auch die Bundesregierung
        emerkt, dass bei unerlaubter Telefonwerbung Hand-
        ungsbedarf besteht. Seit Herbst 2007 kündigen nun Frau
        ypries und Herr Seehofer einen Gesetzesentwurf an,
        er unter anderem vorsieht, dass unerlaubte Telefonwer-
        ung und Rufnummernunterdrückung mit einem Buß-
        eld belegt wird. Aber bislang wurde uns noch immer
        ein tauglicher Gesetzesvorschlag vorgelegt. Vielmehr
        leibt es bei den wöchentlichen Willensbekundungen
        eitens der Bundesregierung. Aber vollmundige Ankün-
        igungen zum Weltverbrauchertag sowie Pressemit-
        eilungen reichen nicht aus und schützen die Verbrau-
        herinnen und Verbraucher vor allem nicht vor Abzocke
        urch Werbeanrufe.
        Jetzt ließ die Bundesregierung verlauten, dass sie noch
        or der Sommerpause ein Maßnahmenpaket vorlegen
        ill. Ich bin gespannt, ob den großen Ankündigungen
        iesmal endlich Taten folgen werden. Leider kommt der
        ntwurf in jedem Fall viel zu spät und ist zu kurz gesprun-
        en; denn er wird Mängel aufweisen. So ist eine schriftli-
        he Bestätigung von telefonisch abgeschlossenen Verträ-
        en nach unlauteren Werbeanrufen noch immer nicht
        orgesehen. Aber genau das brauchen wir, wenn wir die
        enschen in Deutschland wirksam vor ungewollten Ver-
        ägen nach Werbeanrufen schützen wollen.
        Wohlgemerkt reden wir hier nicht davon, dass bei ei-
        er telefonischen Pizzabestellung eine schriftliche Be-
        tätigung zu erfolgen hat. Dieses immer wieder vorge-
        rachte Beispiel ist Polemik; das hat nichts mit dem
        roblem der unerlaubten Telefonwerbung zu tun. Aber
        ir wollen sehr wohl, dass Verträge, die aufgrund von
        erbotenen – ich wiederhole: verbotenen – Werbeanru-
        en zustande kommen, eine schriftliche Bestätigung
        rauchen, um überhaupt erst wirksam zu sein. Ein erwei-
        ertes Widerrufsrecht, wie es die FDP in ihrem Antrag
        ordert, reicht hier nämlich nicht aus. Warum sollten
        erbraucherinnen und Verbraucher, die aufgrund unlau-
        erer Anrufe Verträge untergejubelt bekommen, zum Wi-
        erruf verpflichtet werden? Es kann nicht sein, dass sie
        achher auch noch den juristischen Ärger haben, zumal
        iele von ihnen kaum juristische Kenntnisse haben und
        it einem Widerruf überfordert wären. Wir setzen uns
        eshalb für die schriftliche Bestätigung und damit für ei-
        en vorsorgenden Verbraucherschutz ein.
        Offensichtlich haben die Länder dieses Problem eben-
        alls längst erkannt. Denn, sehr verehrte Damen und
        erren der Bundesregierung und der FDP, sie alle wer-
        en durch die Länderinitiativen bereits von links und
        echts überholt. Ich will ihnen drei Beispiele nennen:
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 170. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Juni 2008 18115
        (A) )
        (B) )
        Am 23. Mai 2008 wurde ein entsprechender Gesetzent-
        wurf aus Baden-Württemberg in den Bundesrat einge-
        bracht. Dieser sagt ganz klar, dass aus unlauterer Werbung
        hervorgegangene Verträge einer schriftlichen Bestäti-
        gung bedürfen. Die Beweislast tragen die Unternehmen.
        Außerdem gibt es einen Antrag aus Nordrhein-Westfa-
        len, getragen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen
        und sogar von der FDP, sowie einen gemeinsamen An-
        trag aus Bremen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die
        Grünen. Beide Anträge fordern genau wie der baden-
        württembergische Gesetzentwurf die schriftliche Bestä-
        tigung nach unlauteren Werbeanrufen.
        Die Verbraucherminister der Länder und die Verbrau-
        cherverbände sind allesamt auf dieser Linie. Deshalb
        fordere ich Sie, liebe Frau Frau Zypries, lieber Herr
        Seehofer und sehr geehrte Damen und Herren der FDP,
        auf: Geben sie sich einen Ruck, und setzen auch Sie sich
        für die zu Recht von den Bundesländern, Verbraucher-
        verbänden und uns Grünen geforderte schriftliche Bestä-
        tigung nach unerlaubter Telefonwerbung ein!
        Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: Ich
        meine, wir sind uns über das Problem völlig einig: Uner-
        laubte Telefonwerbung ist für viele Menschen eine mas-
        sive Belästigung. Sie ist ein Eingriff in die Privatsphäre,
        und sie zwingt vielen Verbrauchern Auseinandersetzun-
        gen darüber auf, ob nun tatsächlich am Telefon Verträge
        geschlossen worden sind oder nicht. Unerlaubte Telefon-
        werbung ist daher ein Missstand und wir wollen und wir
        werden dagegen etwas unternehmen.
        Der vorliegende Antrag der FDP greift viele Ideen der
        Bundesregierung auf. Wir haben sie vor kurzem in ei-
        nem Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der unerlaubten
        Telefonwerbung vorgestellt. Wir planen vor allem fünf
        wichtige Rechtsänderungen und ich will sie noch einmal
        kurz zusammenfassen:
        Erstens soll das bestehende Verbot der unerlaubten
        Telefonwerbung im Gesetz gegen den unlauteren Wett-
        bewerb präzisiert werden. Bei Verstößen soll ein Buß-
        geld bis zu 50 000 Euro verhängt werden können.
        Zweitens wollen wir die Unterdrückung der Rufnum-
        mern bei der Telefonwerbung verbieten. Dazu ändern
        wir das Telekommunikationsgesetz und schaffen eben-
        falls einen Bußgeldtatbestand.
        Drittens erhalten Verbraucher die Möglichkeit, be-
        stimmte telefonisch abgeschlossene Verträge zu widerru-
        fen. Das gilt für die Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften
        und Illustrierten sowie bei Wett- und Lotteriedienstleis-
        tungen. In diesen Bereichen wird telefonische Werbung
        nämlich besonders häufig eingesetzt.
        Viertens können Verbraucher künftig bei sämtlichen
        Fernabsatzverträgen über die Erbringung von Dienstleis-
        tungen innerhalb der Widerrufsfrist die Verträge solange
        widerrufen, bis der Vertrag vollständig erfüllt ist. Bis-
        lang konnte man einen „untergeschobenen“ Vertrag dann
        nicht mehr lösen, wenn der Unternehmer damit begon-
        nen hatte, seine Leistung zu erbringen. Dies ist vor allem
        für Tarifwechsel im Telekommunikationsbereich rele-
        vant. Im Fall des Widerrufs soll der Verbraucher zudem
        nur dann Wertersatz für die bereits in Anspruch genom-
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        ene Leistung schulden, wenn er auf diese Rechtsfolge
        ingewiesen worden ist und dennoch zugestimmt hat,
        ass die Leistung vorzeitig erbracht wird. Die Unterneh-
        en handeln daher zukünftig bei „untergeschobenen“
        erträgen auf eigene Gefahr. Auf diese Weise machen
        ir das Unterschieben von Verträgen wirtschaftlich un-
        ttraktiv.
        Fünftens und letztens schaffen wir eine Regelung, die
        or allem beim Wechsel des Telefon- oder Energieanbie-
        ers relevant ist: Eine Kündigung des alten Vertrages
        der die Vollmacht hierzu bedarf in Zukunft der Text-
        orm. Diese Regelung verhindert, dass der neue Anbieter
        urch bloßen Zuruf eigenmächtig in das Vertragsverhält-
        is des Verbrauchers mit seinem bisherigen Anbieter
        ingreift, ohne dass der Verbraucher dies wünscht.
        Alle diese fünf Maßnahmen werden wir in einem Ge-
        etz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und
        ur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonde-
        en Vertriebsformen verankern. Ihren Entwurf wird die
        undesregierung in diesem Sommer beschließen. Ich
        öchte Sie schon jetzt auffordern, den Gesetzentwurf
        ann im Bundestag zu unterstützen. Unerlaubte Telefon-
        erbung ist ein Ärgernis und wir wollen die Verbraucher
        avor noch besser schützen.
        nlage 5
        Amtliche Mitteilungen
        Der Bundesrat hat in seiner 845. Sitzung am 13. Juni
        008 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu-
        timmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des
        rundgesetzes nicht zu stellen:
        Gesetz zur Rentenanpassung 2008
        Erstes Gesetz zur Änderung des Jugendschutz-
        gesetzes
        Erstes Gesetz zur Änderung des Conterganstif-
        tungsgesetzes
        Fünftes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur
        Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verant-
        wortung und Zukunft“
        Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Ver-
        sorgungsbezügen im Bund 2008/2009 (Bundes-
        besoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz
        2008/2009 – BBVAnpG 2008/2009)
        Gesetz zur Änderung des Heimkehrerstiftungs-
        aufhebungsgesetzes
        Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mitgeteilt,
        ass sie den Antrag Leben am Lebensende – Bessere
        ahmenbedingungen für Schwerkranke und Ster-
        ende schaffen auf Drucksache 16/5134 zurückzieht.
        Der Vermittlungsausschuss hat in seiner 9. Sitzung
        m 4. Juni 2008 folgenden Einigungsvorschlag be-
        chlossen:
        (A) )
        (B) )
        Das vom Deutschen Bundestag in seiner 154. Sitzung
        am 10. April 2008 beschlossene
        Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher und ande-
        rer Vorschriften (Wehrrechtsänderungsgesetz
        2008 – WehrRÄndG 2008)
        – Drucksachen 16/7955, 16/8640, 16/9289 –
        wird bestätigt.
        Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
        mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2
        der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den
        nachstehenden Vorlagen absieht:
        Auswärtiger Ausschuss
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Bericht der Bundesregierung zur Zusammenarbeit zwi-
        schen der Bundesrepublik Deutschland und einzelnen,
        global agierenden, internationalen Organisationen und
        Institutionen im Rahmen des VN-Systems
        – Drucksache 16/5850 –
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Bericht der Bundesregierung über die Teilnahme der
        Bundeswehr an der zivil-militärischen Unterstützungs-
        aktion der Europäischen Union für die Mission der
        Afrikanischen Union in Darfur (AMIS)
        – Drucksachen 16/8851, 16/9196 –
        Haushaltsausschuss
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Haushalts- und Wirtschaftsführung 2006
        Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich-
        tungsermächtigungen im ersten und zweiten Vierteljahr
        des Haushaltsjahres 2006
        – Drucksachen 16/2488, 16/2548 Nr. 1.13 –
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Haushalts- und Wirtschaftsführung 2006
        Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich-
        tungsermächtigungen im dritten Vierteljahr des Haus-
        haltsjahres 2006
        – Drucksachenn 16/3588, 16/3702 Nr. 1.1 –
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Haushalts- und Wirtschaftsführung 2006
        Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich-
        tungsermächtigungen im vierten Vierteljahr des Haus-
        haltsjahres 2006
        – Drucksachen 16/4686, 16/4804 Nr. 1 –
        Verteidigungsausschuss
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Erster Erfahrungsbericht der Bundesregierung gemäß
        § 24 des Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgeset-
        zes (Berichtszeitraum 1. Januar 2005 bis 31. Dezember
        2006)
        – Drucksache 16/7920 –
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        Ausschuss für Gesundheit
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Bericht über die Auswirkungen von Rabattvereinba-
        rungen für Arzneimittel, insbesondere auf die Wirk-
        samkeit der Festbetragsregelung
        – Drucksache 16/9284 –
        Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Bericht über die Ergebnisse des PPP-Eignungstests zur
        Wiedererrichtung des Berliner Stadtschlosses/Bau des
        Humboldt-Forums im Schlossareal
        – Drucksachen 16/8638, 16/8964 Nr. 1 –
        Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
        itgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden
        nionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei-
        er Beratung abgesehen hat.
        Haushaltsausschuss
        Drucksache 16/8983 Nr. A.9
        Ratsdokument 7683/08
        Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
        Verbraucherschutz
        Drucksache 16/8815 Nr. A.17
        Ratsdokument 7232/08
        Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
        Drucksache 16/8815 Nr. A.19
        Ratsdokument 6717/08
        Drucksache 16/9169 Nr. A.11
        EuB-EP 1678; P6_TA-PROV(2008)0087
        Drucksache 16/9169 Nr. A.12
        Ratsdokument 7984/08
        Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
        Drucksache 16/6389 Nr. 1.3
        EuB-EP 1512; P6_TA-PROV(2007)0218
        Drucksache 16/8609 Nr. A.10
        EuB-EP 1653; P6_TA-PROV(2008)0023
        Ausschuss für Bildung, Forschung und
        Technikfolgenabschätzung
        Drucksache 16/3897 Nr. 1.18
        Ratsdokument 15478/06
        Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
        Union
        Drucksache 16/4105 Nr. 1.7
        EuB-EP 1424
        Drucksache 16/6389 Nr. 1.1
        EuB-EP 1499; P6_TA-PROV(2007)0184
        Drucksache 16/6389 Nr. 1.2
        EuB-EP 1503; P6_TA-PROV(2007)0196
        Drucksache 16/6715 Nr. 1.11
        Ratsdokument 12594/07
        Drucksache 16/7393 Nr. A.31
        Ratsdokument 14631/07
        18116 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 170. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Juni 2008
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        170. Sitzung
        Berlin, Freitag, den 20. Juni 2008
        Inhalt:
        Redetext
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Anlage 2
        Anlage 3
        Anlage 4
        Anlage 5