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ID1615727600

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    Plenarprotokoll 16/157 LINKE: Intransparenz beenden – Eine Tagesordnungspunkt 3: b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Grundgesetzes (Art. 23, 45 und 93) (Drucksachen 16/8488, 16/8912) . . . . . . . d) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Monika Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Grundge- setzes (Drucksachen 16/7375, 16/8913) . . . . . . . lesbare Fassung des Reformvertrags schaffen (Drucksachen 16/7446, 16/8920) . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Monika Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Das Ratifizie- rungsverfahren zum Vertrag von Lissa- bon aussetzen – Ein Sozialprotokoll ver- einbaren (Drucksache 16/8879) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . Kurt Beck, Ministerpräsident (Rheinland-Pfalz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16450 D 16451 A 16451 B 16451 C 16451 D 16454 D 16456 D Deutscher B Stenografisch 157. Sitz Berlin, Donnerstag, d I n h a l Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Dr. Norman Paech und Ina Lenke . . . Wahl der Abgeordneten Doris Barnett als Schriftführerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl des Abgeordneten Thomas Bareiß als ordentliches Mitglied in den Beirat der Bun- desnetzagentur für Elektrizität, Gas, Tele- kommunikation, Post und Eisenbahnen . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung des Tagesordnungspunktes 13 . . . . Begrüßung des Ministers für auswärtige und europäische Angelegenheiten der Franzö- sischen Republik, Herrn Bernard Kouchner c e 16449 A 16449 B 16449 B 16449 B 16450 D 16469 C a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zum Vertrag undestag er Bericht ung en 24. April 2008 t : von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (Drucksachen 16/8300, 16/8917) . . . . . . . ) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes über die Auswei- tung und Stärkung der Rechte des Bun- destages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union (Drucksachen 16/8489, 16/8919) . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Dr. Hakki Keskin, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE 16451 A 16451 B Dr. Lothar Bisky (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . 16460 A 16461 A II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD) . . . . . . . . Michael Link (Heilbronn) (FDP) . . . . . . . . . . Dr. Günther Beckstein, Ministerpräsident (Bayern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Carl-Christian Dressel (SPD) . . . . . . . . Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . . Henry Nitzsche (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . Michael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks (SPD) . . . . . . . . . . Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Berufsbildungsbericht 2008 (Drucksache 16/8750) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dieter Grasedieck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Alexander Dobrindt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Jörg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 35: a) Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwor- tung und Zukunft“ (Drucksache 16/8870) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Undine Kurth (Quedlinburg), Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Erhalten, was uns erhält – Die UN-Kon- ferenzen zur biologischen Sicherheit c d T b c Z a b c 16463 B 16464 D 16465 C 16467 A 16468 D 16469 D 16471 A 16472 A 16473 A 16473 C 16474 D 16475 B 16476 B, 16476 C 16482 A 16476 D, 16479 C 16482 D 16485 B 16485 B 16486 D 16487 B 16489 A 16490 D 16492 B 16493 D 16495 D 16496 D 16497 A 16498 C und zum Übereinkommen über die bio- logische Vielfalt zum Erfolg machen (Drucksache 16/8890) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Petra Sitte, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Konzepte der Ver- mittlung des Wissens zur NS-Zeit über- prüfen und den veränderten Bedingun- gen anpassen (Drucksache 16/8880) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Monika Knoche, Hans-Kurt Hill, Heike Hänsel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Konsequente Ener- giewende statt Militarisierung der Energieaußenpolitik (Drucksache 16/8881) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 5: ) Erste Beratung des von den Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, Dr. Dagmar Enkelmann, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Arbeitnehmermitbe- stimmung bei Betriebsänderungen (Drucksache 16/7533) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Axel Troost, Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Beschäftigte und Unternehmen vor Ausplünderung durch Finanzinves- toren schützen (Drucksache 16/7526) . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 2: ) Antrag der Abgeordneten Angelika Brunkhorst, Michael Kauch, Horst Meierhofer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Leitlinien für den internationalen Arten- und Lebens- raumschutz im Rahmen des Überein- kommens über die biologische Vielfalt (Drucksache 16/8878) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Jörg van Essen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Mechthild Dyckmans, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Gleiche Rechte gleiche Pflichten – Benachteili- gungen von Lebenspartnerschaften ab- bauen (Drucksache 16/8875) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Sibylle Laurischk, Ina Lenke, Miriam Gruß, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Forderung nach einem Bericht der Bundesregierung über die Lage der 16498 C 16498 D 16498 D 16499 A 16499 A 16499 B 16499 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 III Frauen- und Kinderschutzhäuser (Drucksache 16/8889) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 36: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz zu dem An- trag der Abgeordneten Cornelia Behm, Bärbel Höhn, Thilo Hoppe, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: EU-Importver- bot für illegales Holz durchsetzen (Drucksachen 16/8052, 16/8876) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung des Rechtsaus- schusses: Übersicht 10 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfas- sungsgericht (Drucksache 16/8791) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses: zu der Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 1/08 (Drucksache 16/8911) . . . . . . . . . . . . . . . . d)–k) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 390, 391, 392, 393, 394, 395, 396 und 397 zu Peti- tionen (Drucksachen 16/8763, 16/8764, 16/8765, 16/8766, 16/8767, 16/8768, 16/8769, 16/8770) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsaus- schuss) zu dem Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) (Drucksachen 16/4027, 16/4038, 16/7508, 16/8189, 16/8910) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, Hüseyin-Kenan Aydin, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion DIE LINKE einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Interessen der Beschäftig- ten bei Massenentlassungen trotz Ge- winnsteigerungen (Drucksache 16/8448) . . . . . . . . . . . . . . . . Oskar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Franz Romer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . . A K A B P O P F A T A S f t ( C F H D V A M T A D A s G g n e h d ( D H D M U S T A D 16499 C 16499 C 16499 D 16500 A 16500 A 16501 A 16501 A 16501 B 16503 A 16504 C nette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werner Dreibus (DIE LINKE) . . . . . . . . . laus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . nette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . rigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . skar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . . . aul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . rank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ndreas Steppuhn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg Rohde (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 6: ntrag der Fraktionen der CDU/CSU und der PD: Das Recht auf Meinungs- und Presse- reiheit weltweit durchsetzen und der In- ernet-Zensur entgegentreten Drucksache 16/8871) . . . . . . . . . . . . . . . . . . hristoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . lorian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . r. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . olker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ngelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . arco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 7: ntrag der Abgeordneten Jürgen Klimke, r. Christian Ruck, Maria Eichhorn, weiterer bgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU owie der Abgeordneten Dr. Sascha Raabe, regor Amann, Sabine Bätzing, weiterer Ab- eordneter und der Fraktion der SPD: Natio- ale und internationale Maßnahmen für inen verbesserten Kampf gegen Drogen- andel und -anbau in Entwicklungslän- ern Drucksache 16/8776) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . ellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . . . r. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . onika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . te Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . abine Bätzing (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 8: ntrag der Abgeordneten Markus Kurth, Ekin eligöz, Britta Haßelmann, weiterer Abge- 16505 D 16507 A 16507 D 16508 B 16508 C 16509 D 16512 A 16512 B 16512 C 16513 A 16514 B 16515 B 16515 B 16516 D 16518 C 16520 A 16520 D 16522 A 16523 C 16524 D 16525 A 16526 D 16528 B 16530 C 16531 D 16532 D IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Existenzsicherung und Teilha- bechancen für Kinder und Jugendliche durch bedarfsgerechte Kinderregelsätze gewährleisten (Drucksache 16/8761) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Jörg Rohde (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rolf Stöckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Reinke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung familienge- richtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls (Drucksachen 16/6815, 16/8914) . . . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Daniel Bahr (Müns- ter), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad Schily, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gesundheitsfonds stoppen – Beitrags- autonomie der Krankenkassen bewahren (Drucksache 16/7737) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Harald Terpe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gesundheits- f R ( D A D A F D B P T a b i Z A M g D w d d ( i Z U B d s w s ( 16534 B 16534 C 16536 D 16537 B 16538 A 16538 C 16539 A 16540 A 16541 A 16542 A 16542 D 16543 A 16543 D 16544 C 16545 C 16547 A 16548 A 16548 D 16550 A onds stoppen – Morbiditätsorientierten isikostrukturausgleich einführen Drucksache 16/8882) . . . . . . . . . . . . . . . . . . aniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . . nnette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . . . . Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . . nnette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . . . . rank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . r. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . irgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eter Friedrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 11: ) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes (Drucksache 16/8867) . . . . . . . . . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeord- neten Diana Golze, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kinderar- mut bekämpfen – Kinderzuschlag aus- bauen (Drucksachen 16/6430, 16/8915) . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 5: ntrag der Abgeordneten Ekin Deligöz, arkus Kurth, Brigitte Pothmer, weiterer Ab- eordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN: Kinderzuschlag weiterent- ickeln – Fürsorgebedürftigkeit und ver- eckte Armut von Erwerbstätigen mit Kin- ern verhindern und bekämpfen Drucksache 16/8883) . . . . . . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 6: nterrichtung durch die Bundesregierung: ericht über die Auswirkungen des § 6 a es Bundeskindergeldgesetzes (Kinderzu- chlag) sowie über die gegebenenfalls not- endige Weiterentwicklung dieser Vor- chrift Drucksache 16/4670) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16550 A 16550 B 16551 C 16552 A 16552 C 16554 B 16554 D 16555 B 16556 C 16557 D 16558 D 16559 C 16560 A 16560 A 16560 B 16560 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 V Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Spanier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Reinke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Monika Knoche, Paul Schäfer (Köln), Inge Höger, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Un- verzüglicher Rückzug der Bundeswehr aus dem Kosovo (Drucksache 16/8779) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Dzembritzki (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . . Ursula Mogg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Dritter Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen mit dem Gentechnikgesetz (Drucksache 16/8155) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Lehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Lehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Pothmer, Birgitt Bender, Dr. Thea Dückert, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN b T E C w E b e ( T G A H t l ( i Z A D A s W w S f K g ( D S H D U 16560 C 16561 B 16562 B 16563 A 16564 B 16565 B 16566 B 16567 B 16567 B 16568 B 16569 B 16570 B 16571 B 16572 B 16573 A 16573 C 16574 A 16574 C 16575 C 16575 D 16577 C 16579 B 16580 B 16581 C 16582 D 16583 C 16584 C 16585 A eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Gewährleistung angemessener Ar- beitsbedingungen für grenzüberschrei- tend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Arbeitnehmer- Entsendegesetz – AEntG) (Drucksache 16/8758) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Pothmer, Birgitt Bender, Dr. Gerhard Schick, weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (Erstes Mindestarbeitsbedingungen-Ände- rungsgesetz – 1. MiArbGÄndG) (Drucksache 16/8757) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 17: rste Beratung des von den Fraktionen der DU/CSU und der SPD eingebrachten Ent- urfs eines Gesetzes über das Verbot der infuhr, der Verarbeitung und des Inverkehr- ringens von Robbenerzeugnissen (Robben- rzeugnisse-Verbotsgesetz – RobErzVerbG) Drucksache 16/8868) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 16: roße Anfrage der Abgeordneten Dr. Karl ddicks, Hellmut Königshaus, Dr. Werner oyer, weiterer Abgeordneter und der Frak- ion der FDP: Gesundheit in Entwicklungs- ändern Drucksachen 16/3209, 16/5378) . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 7: ntrag der Abgeordneten Sibylle Pfeiffer, r. Christian Ruck, Dr. Wolf Bauer, weiterer bgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU owie der Abgeordneten Dr. Wolfgang odarg, Dr. Sascha Raabe, Gregor Amann, eiterer Abgeordneter und der Fraktion der PD: Deutschlands globale Verantwortung ür die Bekämpfung vernachlässigter rankheiten – Innovation fördern und Zu- ang zu Medikamenten für alle sichern Drucksache 16/8884) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Karl Addicks (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . ibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . üseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . r. Wolfgang Wodarg (SPD) . . . . . . . . . . . . . te Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16585 C 16585 C 16585 D 16586 A 16586 A 16586 B 16587 D 16589 B 16590 B 16592 A VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Klaus Brähmig, Bernward Müller (Gera), Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Annette Faße, Renate Gradistanac, Bettina Hagedorn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Chancen des demo- graphischen Wandels im Tourismus nutzen (Drucksache 16/8777) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Hinsken, Beauftragter der Bundes- regierung für Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Gradistanac (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dorothée Menzner, Dr. Diether Dehm, Dr. Barbara Höll, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des VW-Gesetzes (Drucksache 16/8449) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Garrelt Duin (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 15. De- zember 2003 über Politischen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Europäi- schen Gemeinschaft und ihren Mitglied- staaten einerseits und der Andengemein- schaft und ihren Mitgliedstaaten (Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela) andererseits (Drucksachen 16/8654, 16/8908) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Antrag der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Dr. Gerhard Schick, Sylvia Kotting-Uhl, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Fonds Ökowandel – Neues Wirtschaften mit altem Geld – Der grüne Fonds aus den Rückstellungen der Atomwirtschaft (Drucksache 16/8220) . . . . . . . . . . . . . . . . . . T B s § a N S w ( T B s t t M r F M m ( T A G t R U v d h ( T a b N A L 16593 A 16593 B 16594 D 16596 D 16597 C 16598 B 16598 C 16599 C 16600 D 16601 C 16602 C 16604 A 16604 B agesordnungspunkt 23: ericht des Ausschusses für Bildung, For- chung und Technikfolgenabschätzung gemäß 56 a der Geschäftsordnung: Technikfolgen- bschätzung (TA): Industrielle stoffliche utzung nachwachsender Rohstoffe achstandsbericht zum Monitoring „Nach- achsende Rohstoffe“ Drucksache 16/7247) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 22: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- orsicherheit zu dem Antrag der Abgeordne- en Dr. Christel Happach-Kasan, Hans- ichael Goldmann, Jens Ackermann, weite- er Abgeordneter und der Fraktion der FDP: ischartenschutz fördern – vordringliche aßnahmen für ein Kormoranmanage- ent Drucksachen 16/3098, 16/8218) . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 24: ntrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Diana olze, Jörn Wunderlich, weiterer Abgeordne- er und der Fraktion DIE LINKE: Für die ücknahme der Vorbehaltserklärung zur N-Kinderrechtskonvention und eine – hier- on unabhängige – effektive Umsetzung er Kinderrechte im Asyl- und Aufent- altsrecht Drucksache 16/8885) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 25: ) Antrag der Abgeordneten Ute Koczy, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Entwicklung in Afghanistan – Strate- gien für eine wirkungsvolle Aufbauar- beit kohärent umsetzen (Drucksache 16/8887) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Monika Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin, Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Afghanis- tan eine Chance für legalen lizenzierten Mohnanbau geben – Drogenmafia wirksam bekämpfen (Drucksache 16/7525) . . . . . . . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 16604 C 16605 A 16605 B 16605 C 16605 C 16605 D 16607 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 VII Anlage 2 Mündliche Frage 31 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anzahl der dem Verwaltungsrat der Kre- ditanstalt für Wiederaufbau (KfW) durch das Bundesministerium der Finanzen vor- gelegten aufsichtsrechtlichen Prüfberichte über die KfW seit dem Jahr 2000; freiwil- lige Unterstellung der KfW unter die Auf- sicht der Bundesanstalt für Finanzdienst- leistungsaufsicht Antwort Nicolette Kressl, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (156. Sitzung, Drucksache 16/8841) Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Sylvia Kotting-Uhl, Ute Koczy, Hans-Josef Fell, Peter Hettlich, Dr. Harald Terpe, Thilo Hoppe und Monika Lazar (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (Tagesordnungs- punkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentli- chen Abstimmungen: – Entwurf eines Gesetzes zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 23, 45 und 93) – Entwurf eines Gesetzes über die Auswei- tung und Stärkung der Rechte des Bundes- tages und des Bundesrates in Angelegen- heiten der Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 3 a bis c) Alexander Dobrindt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Herbert Frankenhauser (CDU/CSU) . . . . . . . Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Marion Seib (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Erklärung des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur A e g E s n A E ( A d d s ( A Z – – ( G A D W B A Z d d k b ( D D M C H E C 16607 C 16607 D 16608 B 16609 A 16609 D 16611 C 16612 B 16613 A 16613 B bstimmung über die Nr. 2 der Beschluss- mpfehlung des Ausschusses für die Angele- enheiten der Europäischen Union zu dem ntwurf eines Gesetzes zum Vertrag von Lis- abon vom 13. Dezember 2007 (Tagesord- ungspunkt 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 6 rklärung des Abgeordneten Volker Beck Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur bstimmung über die Beschlussempfehlung es Rechtsausschusses: Übersicht 10 über die em Deutschen Bundestag zugeleiteten Streit- achen vor dem Bundesverfassungsgericht Tagesordnungspunkt 36 b) . . . . . . . . . . . . . . nlage 7 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Gewährleis- tung angemessener Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeit- nehmer und Arbeitnehmerinnen (Arbeit- nehmer-Entsendegesetz – AEntG) Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ände- rung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (Erstes Mindestarbeitsbedingungen-Änderungs- gesetz – 1. MiArbGÄndG) Tagesordnungspunkt 14 a und b) erald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . irk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . erner Dreibus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . rigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 8 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes über das Verbot er Einfuhr, der Verarbeitung und des Inver- ehrbringens von Robbenerzeugnissen (Rob- enerzeugnisse-Verbotsgesetz – RobErzVerbG) Tagesordnungspunkt 17) r. Peter Jahr (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . r. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . echthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . hristoph Pries (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . va Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . ornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16615 C 16615 C 16615 D 16617 B 16618 B 16619 B 16619 D 16620 C 16621 D 16623 A 16624 A 16624 B 16625 A 16625 C VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Chancen des demographischen Wan- dels im Tourismus nutzen (Tagesordnungs- punkt 19) Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des VW-Gesetzes (Tagesordnungspunkt 18) Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkom- men vom 15. Dezember 2003 über Politischen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mit- gliedstaaten einerseits und der Andengemein- schaft und ihren Mitgliedstaaten (Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela) andererseits (Tagesordnungspunkt 21) Eduard Lintner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Lothar Mark (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Fonds Ökowandel – Neues Wirt- schaften mit altem Geld – Der grüne Fonds aus den Rückstellungen der Atomwirtschaft (Tagesordnungspunkt 20) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Pries (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Berichts: Technikfolgenabschätzung (TA) Industrielle stoffliche Nutzung nachwachsen- der Rohstoffe: Sachstandsbericht zum Moni- toring „Nachwachsende Rohstoffe“ (Tages- ordnungspunkt 23) Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU) . . . . . . . . A W D U S A Z d F M ( J C D E U A Z d h t t u J M M U E A Z d – – ( E D H H U 16626 B 16627 B 16628 A 16629 A 16630 D 16631 C 16632 C 16633 B 16634 C 16635 B 16635 D 16636 C 16636 D 16637 D ndrea Wicklein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . altraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . r. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . lla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . ylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 14 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung er Beschlussempfehlung und des Berichts: ischartenschutz fördern – vordringliche aßnahmen für ein Kormoranmanagement Tagesordnungspunkt 22) osef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . hristoph Pries (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . va Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . ndine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 15 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Für die Rücknahme der Vorbe- altserklärung zur UN-Kinderrechtskonven- ion und eine – hiervon unabhängige – effek- ive Umsetzung der Kinderrechte im Asyl- nd Aufenthaltsrecht (Tagesordnungspunkt 24) ohannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . arlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . kin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 16 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung er Anträge: Entwicklung in Afghanistan – Strategien für eine wirkungsvolle Aufbauarbeit kohä- rent umsetzen Afghanistan eine Chance für legalen lizen- zierten Mohnanbau geben – Drogenmafia wirksam bekämpfen Tagesordnungspunkt 25 a und b) ckart von Klaeden (CDU/CSU) . . . . . . . . . . etlef Dzembritzki (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . arald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . eike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . te Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16640 A 16641 A 16641 D 16642 D 16643 C 16644 B 16645 B 16646 A 16647 B 16648 A 16649 B 16650 A 16651 A 16651 D 16652 B 16653 A 16654 A 16655 C 16656 B 16657 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16449 (A) ) (B) ) 157. Sitz Berlin, Donnerstag, d Beginn: 9.0
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    Anlage 16 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16607 (A) ) (B) ) Carsten von allen als unzulänglich bezeichneten Verträgen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten A d A N § K d g R n k l s z B t A g i c b g s Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Albach, Peter CDU/CSU 24.04.2008 Bierwirth, Petra SPD 24.04.2008 Brähmig, Klaus CDU/CSU 24.04.2008 Bülow, Marco SPD 24.04.2008 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 24.04.2008 Dörmann, Martin SPD 24.04.2008 Fischer (Karlsruhe- Land), Axel E. CDU/CSU 24.04.2008 Freitag, Dagmar SPD 24.04.2008 Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 24.04.2008 Gleicke, Iris SPD 24.04.2008 Götz, Peter CDU/CSU 24.04.2008 Golze, Diana DIE LINKE 24.04.2008 Dr. Gysi, Gregor DIE LINKE 24.04.2008 Hajduk, Anja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.04.2008 Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 24.04.2008 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.04.2008 Ibrügger, Lothar SPD 24.04.2008 Klimke, Jürgen CDU/CSU 24.04.2008 Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 24.04.2008 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.04.2008 Schmidt (Nürnberg), Renate SPD 24.04.2008 Schneider (Erfurt), SPD 24.04.2008 S T W A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht nlage 2 Antwort er Parl. Staatssekretärin Nicolette Kressl auf die Frage des bgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- EN) (156. Sitzung, Drucksache 16/8841, Frage 31): Wie viele bankaufsichtsrechtliche oder allgemeinauf- sichtsrechtliche Prüfberichte über die Kreditanstalt für Wie- deraufbau Bankengruppe (KfW) hat das Bundesministerium der Finanzen dem Verwaltungsrat der KfW seit 2000 vorge- legt, und was spricht dagegen, dass sich die KfW freiwillig der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf- sicht (BaFin) unterstellt? Das BMF übt über die KfW die Rechtsaufsicht gemäß 12 KfW-Gesetz aus. Es hat dem Verwaltungsrat der fW keine Prüfberichte oder Ähnliches vorgelegt, da ie Rechtsaufsicht nicht durch den Verwaltungsrat wahr- enommen wird. Die europarechtliche Bankenrichtlinie L 2006/48/EG bestimmt, dass es sich bei der KfW icht um ein Kreditinstitut handelt. Die KfW ist daher raft europäischen Rechts von der Regelung des nationa- en Kreditwesengesetzes (KWG) ausgenommen. Ent- prechende europäische Regelungen gelten auch für ein- elne andere Institute in den Mitgliedstaaten, wie zum eispiel die französische „Caisse des depot et consigna- ions“. nlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Sylvia Kotting- Uhl, Ute Koczy, Hans-Josef Fell, Peter Hettlich, Dr. Harald Terpe, Thilo Hoppe und Monika Lazar (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (Tagesordnungspunkt 3 a) Wir werden trotz einiger schwerwiegender Bedenken egen einzelne Passagen des Vertragstextes dem Vertrag nsgesamt zustimmen. Denn dieser Vertrag ist ein deutli- her Fortschritt gegenüber dem Status quo. Für einen esseren Vertrag oder gar eine europäische Verfassung ibt es derzeit leider keine Mehrheiten. Den Vertrag cheitern zu lassen hieße weiterzumachen mit den alten, teinbach, Erika CDU/CSU 24.04.2008 euchner, Jella SPD 24.04.2008 öhrl, Dagmar CDU/CSU 24.04.2008 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 16608 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) Zu den Stärken des Vertragswerkes zählen für uns die folgenden Aspekte: Stärkung der nationalen Parlamente und des EU-Parlamentes; soziale Verantwortung und So- lidarität; nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz; un- bedingte Friedensverpflichtung; Anerkennung des UN- Völkerrechtes und der Menschenrechte; mehr Bürgerbe- teiligung und Grundrechtecharta. Im krassen Widerspruch zu den Friedenszielen der EU stehen der Artikel zur Verbesserung der militäri- schen Fähigkeiten, zu der sich die Unterzeichnerstaaten verpflichten, und die vertraglich festgelegte Einrichtung einer neuen Rüstungsagentur. Beides hat in einem ver- fassungsähnlichen Vertragswerk nichts zu suchen. Auch das Fortbestehen des Euratom-Vertrages, der mit dem neuen Vertrag überholt ist und zudem dem Nachhaltig- keitsprinzip eklatant widerspricht, ist zu kritisieren. Mit der Zustimmung zum Vertrag verbinden wir fol- gende Erwartungen: Die EU muss Vorreiterin im Kampf gegen Klimawandel werden und sich zu einer sozialen, ökologischen und wirklich friedenstiftenden EU entwi- ckeln, das heißt, sie sollte die Fähigkeiten zur zivilen Krisenprävention und zum Friedensaufbau verbessern und eine gemeinsame Friedens- und Außenpolitik entwi- ckeln; die Entscheidungsstrukturen für mehr Transpa- renz und demokratische Beteiligung verbessern und das Parlament weiter stärken. Dass dies auf der Grundlage eines neuen Vertrages besser gelingen könnte als mit dessen Scheitern bewegt uns zur Zustimmung. Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentlichen Abstimmungen: – Entwurf eines Gesetzes zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 23, 45 und 93) – Entwurf eines Gesetzes über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 3 a bis c) Alexander Dobrindt (CDU/CSU): Ich bin der festen Überzeugung, dass es aufgrund der besonderen histori- schen Erfahrungen und der enormen zukünftigen He- rausforderungen zu einer möglichst engen Zusammenar- beit von Staaten innerhalb Europas keine Alternative gibt. Eine Europäische Union, aufgebaut auf den christlichen Werten, den Grundsätzen der sozialen Markwirtschaft, dem Prinzip des Föderalismus und der kommunalen Selbstverwaltung, wird in einem hohen Maße zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger beitragen und könnte ein tragfähiges Konzept für eine gemeinsame Zukunft Euro- pas darstellen. e g l G n v h z p s r z s S E o s v e r f z r d E s d r g g P s s s s s f w M d S t D w g d d r z g d R z i (C (D Diese gemeinsame Zukunft muss getragen sein von iner hohen Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger ge- enüber den europäischen Institutionen und ihrer Hand- ungen und Werte. Fehlende Akzeptanz führt zu einem rößerwerden von Distanz zwischen Bürgern und denje- igen, die in deren Namen Macht ausüben. Das zur Abstimmung stehende Gesetz zum Vertrag on Lissabon vom 13. Dezember 2007 weist leider er- ebliche Mängel auf und wird deswegen bei den Bürgern u erheblichen Akzeptanzproblemen führen. Die Kom- etenzausweitung auf zahlreiche Politikfelder wie Wirt- chaftspolitik, Sozialpolitik, Gesundheitspolitik, Arbeits- echt, Zugang von Staatsangehörigen aus Drittstaaten um Arbeitsmarkt, Zuwanderung, Asyl, Industrie, For- chung, Energie, Daseinsvorsorge, Katastrophenschutz, port, Verwaltungsförderung, Tourismus, Aufbau eines uropäischen Auswärtigen Dienstes und vieles mehr hne klare Kompetenzabgrenzung ist äußerst kritisch zu ehen. Obwohl ein Großteil dieser Aufgaben ausreichend on den Mitgliedstaaten erledigt wird und auch weiterhin rledigt werden könnte, wird eine Kompetenzverlage- ung bzw. -teilverlagerung auf die europäische Ebene estgeschrieben. Die fehlende Kompetenzabgrenzung wird u einer weiteren Zentralisierungsdynamik der EU füh- en. Verstärkt wird diese Zentralisierungsdynamik da- urch, dass der Vertrag von Lissabon über das bisherige U-Recht hinaus Vorrang vor dem Recht der Mitglied- taaten, einschließlich der nationalen Verfassungen und er in ihnen zum Ausdruck kommenden demokratisch- echtsstaatlichen Ordnungssysteme, postuliert. Das Grund- esetz steht damit zur Disposition der europäischen Or- ane. Das in dem Vertrag von Lissabon festgeschriebene rinzip der strikten gleichberechtigten Rotation zwi- chen Mitgliedstaaten bei der Besetzung der Kommis- ion führt dazu, dass Deutschland als größter Mitglied- taat periodisch nicht mehr in der Kommission vertreten ein wird. Dies ist umso bedauerlicher, als die Kommis- ion einen erheblichen Zugewinn an Kompetenzen er- ährt. Die im Vertrag von Lissabon festgeschriebene Aus- eitung der Beschlussfassung im Rat mit qualifizierter ehrheit entzieht weitere Politikbereiche den Entschei- ungsbefugnissen der Mitgliedstaaten, weil es auf deren timme nach dem Abschied vom Konsensprinzip zuguns- en von Mehrheitsentscheidungen nicht mehr ankommt. ie eigenständige Kompetenz, auch zukünftig in immer eiteren Politikbereichen zum Mehrheitsprinzip überzu- ehen, reduziert zusätzlich die Entscheidungsbefugnisse er nationalen Parlamente. Die Tatsache, dass mittels einer Subsidiaritätskontrolle urch nationale Parlamente die Einhaltung des Subsidia- itätsprinzips gewährleistet werden soll, ist ausdrücklich u begrüßen. Dass dies in der praktischen Ausübung auf- rund der knappen Fristen, der Quoren und der lediglich araus resultierenden Verpflichtung des Urhebers des echtaktes, diesen zu überprüfen und seine Entscheidung u begründen, kaum praktische Bedeutung haben wird, st bedauerlich. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16609 (A) ) (B) ) In der Gesamtschau ist festzuhalten, dass der Vertrag von Lissabon in der vorliegenden Form durch die Verla- gerung von Zuständigkeiten an die EU und durch die Überführung von Entscheidungen weg von der Einstim- migkeit zur qualifizierten Mehrheit zu einer Schwä- chung der nationalen Parlamente führt. Unbestritten ist allerdings, dass der Vertrag gegenüber den bestehenden Verträgen auch Vorteile bietet. Die Europäische Union sollte sich allerdings in ihrem politischen Handeln auf diejenigen Aufgaben konzentrieren, die nur auf der euro- päischen Ebene gelöst werden können. Der Vertrag von Lissabon stellt dies nicht sicher. In Abwägung aller Argumente komme ich zu der Überzeugung, dass der vorliegende Verfassungsvertrag gravierende Mängel aufweist. Deswegen kann ich die- sem Vertrag nicht zustimmen. Herbert Frankenhauser (CDU/CSU): Ich bin der festen Überzeugung, dass es aufgrund der besonderen historischen Erfahrungen und der enormen zukünftigen Herausforderungen zu einer möglichst engen Zusammen- arbeit von Staaten innerhalb Europas keine Alternative gibt. Eine Europäische Union, aufgebaut auf den christli- chen Werten, den Grundsätzen der sozialen Marktwirt- schaft, dem Prinzip des Föderalismus und der kommuna- len Selbstverwaltung, wird in einem hohen Maße zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger beitragen und könnte ein tragfähiges Konzept für eine gemeinsame Zu- kunft Europas darstellen. Diese gemeinsame Zukunft muss getragen sein von einer hohen Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger ge- genüber den europäischen Institutionen und ihren Hand- lungen und Werten. Fehlende Akzeptanz führt zu einem Größerwerden von Distanz zwischen Bürgern und denje- nigen, die in deren Namen Macht ausüben. Das zur Abstimmung stehende Gesetz zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 weist leider er- hebliche Mängel auf und wird deswegen bei den Bür- gern zu erheblichen Akzeptanzproblemen führen. Die Kompetenzausweitung auf zahlreiche Politikfel- der wie Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Gesundheits- politik, Arbeitsrecht, Zugang von Staatsangehörigen aus Drittstaaten zum Arbeitsmarkt, Zuwanderung, Asyl, In- dustrie, Forschung, Energie, Daseinsvorsorge, Katastro- phenschutz, Sport, Verwaltungsförderung, Tourismus, Aufbau eines Europäischen Auswärtigen Dienstes und vieles mehr ohne klare Kompetenzabgrenzung ist äu- ßerst kritisch zu sehen. Obwohl ein Großteil dieser Aufgaben ausreichend von den Mitgliedstaaten erledigt wird und auch weiterhin erledigt werden könnte, wird eine Kompetenz(teil)verla- gerung auf die europäische Ebene festgeschrieben. Die fehlende Kompetenzabgrenzung wird zu einer weiteren Zentralisierungsdynamik der EU führen. Verstärkt wird diese Zentralisierungsdynamik da- durch, dass der Vertrag von Lissabon über das bisherige EU-Recht hinaus Vorrang vor dem Recht der Mitglied- staaten einschließlich der nationalen Verfassungen und der in ihnen zum Ausdruck kommenden demokratisch- r g g P s s s s s f w M d S g k i z b t S d ü l b s h v g Ü m c d p t d s Ü g s t k E s k f v K (C (D echtsstaatlichen Ordnungssysteme postuliert. Das Grund- esetz steht damit zur Disposition der europäischen Or- ane. Das in dem Vertrag von Lissabon festgeschriebene rinzip der strikten gleichberechtigten Rotation zwi- chen Mitgliedstaaten bei der Besetzung der Kommis- ion führt dazu, dass Deutschland als größter Mitglied- taat periodisch nicht mehr in der Kommission vertreten ein wird. Dies ist umso bedauerlicher, da die Kommis- ion einen erheblichen Zugewinn an Kompetenzen er- ährt. Die im Vertrag von Lissabon festgeschriebene Aus- eitung der Beschlussfassung im Rat mit qualifizierter ehrheit entzieht weitere Politikbereiche den Entschei- ungsbefugnissen der Mitgliedstaaten, weil es auf deren timme nach dem Abschied vom Konsensprinzip zu- unsten von Mehrheitsentscheidungen nicht mehr an- ommt. Die eigenständige Kompetenz, auch zukünftig n immer weiteren Politikbereichen zum Mehrheitsprin- ip überzugehen, reduziert zusätzlich die Entscheidungs- efugnisse der nationalen Parlamente. Die Tatsache, dass mittels einer Subsidiaritätskon- rolle durch nationale Parlamente die Einhaltung des ubsidiaritätsprinzips gewährleistet werden soll, ist aus- rücklich zu begrüßen. Dass dies in der praktischen Aus- bung aufgrund der knappen Fristen, der Quoren und der ediglich daraus resultierenden Verpflichtung des Urhe- ers des Rechtaktes, diesen zu überprüfen und seine Ent- cheidung zu begründen, kaum praktische Bedeutung aben wird, ist bedauerlich. In der Gesamtschau ist festzuhalten, dass der Vertrag on Lissabon in der vorliegenden Form durch die Verla- erung von Zuständigkeiten an die EU und durch die berführung von Entscheidungen weg von der Einstim- igkeit zur qualifizierten Mehrheit zu einer Schwä- hung der nationalen Parlamente führt. Unbestritten ist allerdings, dass der Vertrag gegenüber en bestehenden Verträgen auch Vorteile bietet. Die Europäische Union sollte sich allerdings in ihrem olitischen Handeln auf diejenigen Aufgaben konzen- rieren, die nur auf der europäischen Ebene gelöst wer- en können. Der Vertrag von Lissabon stellt dies nicht icher. In Abwägung aller Argumente komme ich zu der berzeugung, dass der vorliegende Verfassungsvertrag ravierende Mängel aufweist. Deswegen kann ich die- em Vertrag nicht zustimmen. Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU): Nach dem Schei- ern des EU-Verfassungsvertrages erklärte die Bundes- anzlerin, dass für die zukünftige Integrationspolitik der uropäischen Gemeinschaft „ein Weniger ein Mehr“ ein werde. Dieser Vorgabe hätte entsprochen werden önnen, wenn dem von den Regierungschefs als Ersatz ür den Verfassungsvertrag beschlossenen Lissabon- ertrag seitens des Deutschen Bundestages folgende larstellung vorgegeben worden wäre: 16610 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) 1. Dieser Vertrag führt nicht zum Übergang der Kom- petenzhoheit (Kompetenz-Kompetenz) von den Mit- gliedstaaten auf die Europäische Union. Deshalb behält für die Bundesrepublik Deutschland das Bundesverfas- sungsgericht die Zuständigkeit, darüber zu entscheiden, ob ein Rechtsakt der Europäischen Union die Grenzen der von den Mitgliedstaaten in den Verträgen erteilten Ermächtigung überschritten hat. 2. Dieser Vertrag bewirkt nicht, dass die Europäische Union den Status eines Bundesstaates erhält; sie bleibt ein Staatenverbund. 3. Dieser Vertrag darf nicht so ausgelegt werden, dass die Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland ihre Staatlichkeit, wie sie nach dem Grundgesetz der Bundes- republik Deutschland vorgegeben ist, verlieren. 4. Eigenmittelbeschlüsse nach Art. 311 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union bedürfen in Deutschland der Zustimmung in Form eines Zustim- mungsgesetzes. Da die Abgabe einer solchen Erklärung innerhalb der regierenden Großen Koalition nicht durchgesetzt werden konnte, kann ich aus folgenden Gründen weder dem Ver- trag von Lissabon noch den Begleitgesetzen zustimmen: I. Während der Vertrag von Maastricht die Gemein- same Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und die Zu- sammenarbeit in den Bereichen Innere Sicherheit und Justizpolitik als „zweite und dritte Säule“ zwar unter das Dach der Europäischen Union stellte, aber nicht verge- meinschaftete, sondern auf der Ebene der „intergouver- nementalen“ Kooperation beließ, erhebt der Vertrag von Lissabon die Europäische Union zur Rechtspersönlich- keit auf der Ebene des Völkerrechts und vergemein- schaftet die bisherige „dritte Säule“. Die Außen- und Si- cherheitspolitik einschließlich der Verteidigungspolitik und der Durchführung militärischer Missionen, insbe- sondere „Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewälti- gung“ und militärische Terrorismusbekämpfung in Dritt- staaten, gehören nach dem neuen Vertrag ebenso zu den Aufgaben der Europäischen Union wie Terrorismusbe- kämpfung im Innern, Asyl- und Einwanderungspolitik, Angleichung von Rechtsvorschriften im Zivilrecht und Erlass von „Mindestvorschriften“ im Strafrecht oder Strafverfolgung durch Staatsanwaltschaft und Polizei. Durch diese vorbehaltslose Konzentration von Macht wird der europäische Staatenbund in einen kontinentalen Zentralstaat verwandelt. II. Diese neue Europäische Union des Vertrages von Lissabon beansprucht über das bisherige EU-Recht hi- naus, dass ihr Recht – nicht nur ihr im Vertrag von Lissa- bon formuliertes faktisches „Verfassungsrecht“, sondern auch jede Richtlinie und Verordnung – Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten, einschließlich deren Verfas- sungsrecht, hat. Damit ist für die Deutschen der letztver- bindliche Schutz des Grundgesetzes und der Schutz der Länderverfassungen durch die deutsche Exekutive und die deutsche Gerichtsbarkeit zur Disposition gestellt be- ziehungsweise beseitigt. Die vorbehaltlose Zustimmung zu diesem Vertrage entmachtet nicht nur die gewählte Volksvertretung, sondern auch das Bundesverfassungs- g E s t D b k D b r d d E g E b r I v d m V Z n D i K d I k G d d d m d v d h w s s h d F m E h d w s n g a l d h g n (C (D ericht und überträgt die Kompetenz zur verbindlichen ntscheidung aller das Verhältnis zwischen Europäi- cher Union und Mitgliedstaaten betreffenden Kompe- enzfragen dem Gerichtshof der Europäischen Union. ie letztentscheidende „Kompetenz-Kompetenz“ – ins- esondere für den Schutz der Grundrechte – liegt daher ünftig nicht mehr in Karlsruhe, sondern in Luxemburg. eshalb kann auch das im Lissabon-Vertrag beschrie- ene „Subsidiaritätsprinzip“ die Kompetenzfülle der Eu- opäischen Union nicht wirksam begrenzen; auch über ie Tragweite dieses „Subsidiaritätsprinzips“ entscheidet er ausschließlich den EU-Vertragszielen verpflichtete U-Gerichtshof und nicht mehr das Bundesverfassungs- ericht. Selbst das Verhältnis des EU-Gerichtshofes zum uropäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straß- urg, bei dem Bundesbürger nach jahrelanger Verfah- ensdauer noch Schutz vor Willkürakten europäischer nstitutionen erstreiten könnten, ist völlig ungeklärt. III. Mit der vorbehaltlosen Zustimmung zum Vertrag on Lissabon überschreitet der Bundestag die Grenzen er Integrationsermächtigung, die Art. 23 Abs. l GG for- uliert, und verstößt zugleich gegen unabänderliche erfassungsprinzipien im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG. u den unabänderlichen Verfassungsprinzipien gehört ämlich die souveräne Staatlichkeit der Bundesrepublik eutschland. Diese wird aufgegeben, wenn – wie dies m Vertrag von Lissabon geschieht – die Kompetenz- ompetenz für die letztverbindliche Entscheidung über en Umfang der Kompetenzen auf eine übernationale nstanz übertragen wird. Eine solche Entscheidung önnte nur das Volk kraft seiner verfassunggebenden ewalt – durch Volksabstimmung – treffen, nicht aber er verfassungsgebundene Gesetzgeber. IV. Zu den unabänderlichen Verfassungsprinzipien er Bundesrepublik Deutschland und der deutschen Län- er gehört das Demokratieprinzip: Alle Staatsgewalt uss vom Volke ausgehen. Auch dieses Prinzip wird urch den Vertrag von Lissabon verletzt. Das Bundes- erfassungsgericht hatte im Maastricht-Urteil entschie- en, dass im europäischen Staatenverbund nur dann eine inreichende demokratische Legitimation gegeben sei, enn diese maßgeblich von den Völkern der Mitglied- taaten ausgehe und wenn auf der Ebene der Mitglied- taaten den Parlamenten Entscheidungsbefugnisse von inreichendem substanziellen Gewicht verblieben. Bei- es ist nach dem Vertrag von Lissabon nicht mehr der all: Die Entscheidungsbefugnisse der nationalen Parla- ente werden ausgehöhlt, und die auf europäischer bene getroffenen Entscheidungen können nicht mehr inreichend von den Völkern der Mitgliedstaaten – über eren Regierungsvertreter im Rat – legitimiert werden, eil es auf deren Stimme nach dem Abschied vom Kon- ensprinzip zugunsten von Mehrheitsentscheidungen icht mehr ankommt. Durch die Entleerung der Hoheits- ewalt der Bundesrepublik Deutschland wird vor allem uch das Grundrecht jedes Bürgers aus Art. 38 GG ver- etzt, durch seine Teilnahme an der Bundestagswahl an er demokratischen Legitimation der regierenden Ho- eitsgewalt mitzuwirken und die Träger dieser Hoheits- ewalt nicht nur wählen, sondern auch abwählen zu kön- en. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16611 (A) ) (B) ) V. Dieser Verlust an demokratischer Legitimation wird durch die dem Europäischen Parlament zuerkann- ten zusätzlichen Mitentscheidungsrechte nicht annä- hernd kompensiert. Eine europäische Demokratie könnte nur von einem europäischen Staatsvolk ausgehen, das auf der Basis der demokratischen Gleichheit ein Parla- ment wählt, welches nach Wahlverfahren und Entschei- dungszuständigkeiten im Unterschied zum Europäischen Parlament diesen Namen wirklich verdient. VI. Im Übrigen sind auch die Begleitgesetze mit dem Demokratieprinzip unvereinbar: a.) Nach Art. 48 Abs. 7 EUV i.d.F. des Vertrages von Lissabon kann der Europäische Rat beschließen, zur Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit überzugehen, wo bisher nach den Verträgen Einstimmigkeit vorgese- hen ist. Ein solcher Beschluss kann die noch verbliebe- nen Einflussmöglichkeiten der nationalen Parlamente nochmals erheblich mindern. Der Sache nach geht es bei Beschlüssen nach Art. 48 Abs. 7 EUV um Änderungen der EU-Verträge, für die normalerweise ein Zustim- mungsgesetz erforderlich ist und die hier im vereinfach- ten Verfahren („Brückenklausel“) beschlossen werden. Die Rechte der nationalen Parlamente werden dabei durch das Recht zur Ablehnung der Initiative insofern noch gewahrt. Dieses nach dem Vertrag dem Bundestag zustehende Recht wird aber durch das Ausführungsge- setz weitgehend beseitigt, denn in Bezug auf viele Mate- rien ist nach diesem Gesetz die Ablehnung des Bundes- tages unbeachtlich, wenn der Bundesrat anderer Auffassung ist. Dies ist umso gravierender, als sich die im Wege der ,Brückenklausel beschlossenen Vertragsän- derungen innerstaatlich als Verfassungsänderungen aus- wirken. Dass solche Änderungen ohne Zustimmung und sogar gegen den erklärten Willen des Bundestages statt- finden können, ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. b.) Politisch ist es sicherlich zu begrüßen, dass die Rechte der parlamentarischen Minderheit gesichert wer- den sollen, indem ein Viertel der Mitglieder des Bundes- tages eine Subsidiaritätsklage initiieren kann. Dieses be- rechtigte Anliegen wird jedoch in verfassungswidriger und perplexer Weise verwirklicht: Eine Minderheit kann den Bundestag verpflichten, Klage zu erheben, obwohl die große Mehrheit dies nicht will. Die Klage wird also nicht – wie es im Rahmen unserer verfassungsrechtli- chen Organklage geregelt ist – von der Minderheit erho- ben, sondern vom gesamten Bundestag gegen seinen Willen. Dies ist mit dem demokratischen Mehrheitsprin- zip nicht vereinbar und verstößt auch gegen das Prinzip der repräsentativen Demokratie. Das Volk wird vom Bundestag im Ganzen nach Maßgabe des Mehrheitsprin- zips repräsentiert. Wenn der Wille einer parlamentari- schen Minderheit nach außen als der Wille des Parla- ments dargestellt wird, verstößt dies gegen das demokratische Repräsentationsprinzip. Da das Demo- kratieprinzip zu den nach Art. 79 III GG unabänderli- chen Verfassungsprinzipien gehört, nützt es auch nichts, daß Art. 23 GG entsprechend geändert werden soll. Außerdem führt diese Regelung dazu, dass auf der an- deren Seite im Verfahren vor dem EU-Gerichtshof der Wille der parlamentarischen Minderheit nicht mit Nach- d s z B d M z E r S E t P v B h d e g l G n v h g d p D d p A v ß g u K f w f d E s d r G s P s s s s (C (D ruck verfochten werden wird. Denn die parlamentari- che Minderheit führt nicht selbst den Prozess; die Pro- essführung obliegt nach § 3 V des Begleitgesetzes dem undestag, der seinerseits durch den Bundestagspräsi- enten handelt. Dadurch wird der positiv zu beurteilende inderheitenschutz in der Praxis erheblich relativiert. Paul Lehrieder (CDU/CSU): Ich bin der festen Über- eugung, dass es aufgrund der besonderen historischen rfahrungen und der enormen zukünftigen Herausforde- ungen zu einer möglichst engen Zusammenarbeit von taaten innerhalb Europas keine Alternative gibt. Eine uropäische Union, aufgebaut auf den christlichen Wer- en, den Grundsätzen der sozialen Markwirtschaft, dem rinzip des Föderalismus und der kommunalen Selbst- erwaltung, wird in einem hohen Maße zum Wohle aller ürgerinnen und Bürger beitragen und könnte ein tragfä- iges Konzept für eine gemeinsame Zukunft Europas arstellen. Diese gemeinsame Zukunft muss getragen sein von iner hohen Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger ge- enüber den europäischen Institutionen und ihren Hand- ungen und Werten. Fehlende Akzeptanz führt zu einem rößerwerden von Distanz zwischen Bürgern und denje- igen, die in deren Namen Macht ausüben. Das zur Abstimmung stehende Gesetz zum Vertrag on Lissabon vom 13. Dezember 2007 weist leider er- ebliche Mängel auf und wird deswegen bei den Bür- ern zu erheblichen Akzeptanzproblemen führen. Die Kompetenzausweitung auf zahlreiche Politikfel- er wie Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Gesundheits- olitik, Arbeitsrecht, Zugang von Staatsangehörigen aus rittstaaten zum Arbeitsmarkt, Zuwanderung, Asyl, In- ustrie, Forschung, Energie, Daseinsvorsorge, Katastro- henschutz, Sport, Verwaltungsförderung, Tourismus, ufbau eines Europäischen Auswärtigen Dienstes und ieles mehr ohne klare Kompetenzabgrenzung ist äu- erst kritisch zu sehen. Obwohl ein Großteil dieser Auf- aben ausreichend von den Mitgliedstaaten erledigt wird nd auch weiterhin erledigt werden könnte, wird eine ompetenz(teil)verlagerung auf die europäische Ebene estgeschrieben. Die fehlende Kompetenzabgrenzung ird zu einer weiteren Zentralisierungsdynamik der EU ühren. Verstärkt wird diese Zentralisierungsdynamik da- urch, dass der Vertrag von Lissabon über das bisherige U-Recht hinaus Vorrang vor dem Recht der Mitglied- taaten einschließlich der nationalen Verfassungen und er in ihnen zum Ausdruck kommenden demokratisch- echtsstaatlichen Ordnungssysteme postuliert. Das rundgesetz steht damit zur Disposition der europäi- chen Organe. Das in dem Vertrag von Lissabon festgeschriebene rinzip der strikten gleichberechtigten Rotation zwi- chen Mitgliedstaaten bei der Besetzung der Kommis- ion führt dazu, dass Deutschland als größter Mitglied- taat periodisch nicht mehr in der Kommission vertreten ein wird. Dies ist umso bedauerlicher, da die Kommis- 16612 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) sion einen erheblichen Zugewinn an Kompetenzen er- fährt. Die im Vertrag von Lissabon festgeschriebene Aus- weitung der Beschlussfassung im Rat mit qualifizierter Mehrheit entzieht weitere Politikbereiche den Entschei- dungsbefugnissen der Mitgliedstaaten, weil es auf deren Stimme nach dem Abschied vom Konsensprinzip zu- gunsten von Mehrheitsentscheidungen nicht mehr an- kommt. Die eigenständige Kompetenz, auch zukünftig in immer weiteren Politikbereichen zum Mehrheitsprin- zip überzugehen, reduziert zusätzlich die Entscheidungs- befugnisse der nationalen Parlamente. Die Tatsache, dass mittels einer Subsidiaritätskon- trolle durch nationale Parlamente die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips gewährleistet werden soll, ist aus- drücklich zu begrüßen. Dass dies in der praktischen Aus- übung aufgrund der knappen Fristen, der Quoren und der lediglich daraus resultierenden Verpflichtung des Urhe- bers des Rechtaktes, diesen zu überprüfen und seine Ent- scheidung zu begründen, kaum praktische Bedeutung haben wird, ist bedauerlich. In der Gesamtschau ist festzuhalten, dass der Vertrag von Lissabon in der vorliegenden Form durch die Verla- gerung von Zuständigkeiten an die EU und durch die Überführung von Entscheidungen weg von der Einstim- migkeit zur qualifizierten Mehrheit zu einer Schwä- chung der nationalen Parlamente führt. Unbestritten ist allerdings, dass der Vertrag gegenüber den bestehenden Verträgen auch Vorteile bietet. Die Europäische Union sollte sich allerdings in ihrem politischen Handeln auf diejenigen Aufgaben konzen- trieren, die nur auf der europäischen Ebene gelöst wer- den können. Der Vertrag von Lissabon stellt dies nicht sicher. In Abwägung aller Argumente komme ich zu der Überzeugung, dass der vorliegende Verfassungsvertrag gravierende Mängel aufweist. Deswegen kann ich die- sem Vertrag nicht zustimmen! Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Aufgrund der be- sonderen historischen Erfahrungen und der enormen zu- künftigen Herausforderungen gibt es zu einer möglichst engen Zusammenarbeit von Staaten innerhalb Europas keine Alternative. Eine Europäische Union, aufgebaut auf den christlichen Werten, den Grundsätzen der sozia- len Markwirtschaft, dem Prinzip des Föderalismus und der kommunalen Selbstverwaltung, wird in einem hohen Maße zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger beitra- gen und kann ein tragfähiges Konzept für eine gemein- same Zukunft Europas darstellen. Voraussetzung dafür ist eine hohe Akzeptanz der Bür- gerinnen und Bürger gegenüber den europäischen Insti- tutionen und ihren Handlungen und Werten. Die Distanz zwischen Bürgern und denjenigen, die in deren Namen Macht ausüben, darf sich nicht weiter vergrößern. Das zur Abstimmung stehende Gesetz zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 weist leider er- hebliche Mängel auf und wird deswegen bei den Bür- g K W b t F s b m t a a p g z r d E s d r G s P s s s s s f w M d S z k i z b t S d ü l b E h v g Ü m c d (C (D ern zu erheblichen Akzeptanzproblemen führen. Die ompetenzausweitung auf zahlreiche Politikfelder wie irtschaftspolitik, Sozialpolitik, Gesundheitspolitik, Ar- eitsrecht, Zugang von Staatsangehörigen aus Drittstaa- en zum Arbeitsmarkt, Zuwanderung, Asyl, Industrie, orschung, Energie, Daseinsvorsorge, Katastrophen- chutz, Sport, Verwaltungsförderung, Tourismus, Auf- au eines Europäischen Auswärtigen Dienstes und vieles ehr ohne klare Kompetenzabgrenzung ist äußerst kri- isch zu sehen. Obwohl ein Großteil dieser Aufgaben usreichend von den Mitgliedstaaten erledigt wird und uch weiterhin erledigt werden könnte, wird eine Kom- etenz(teil)verlagerung auf die europäische Ebene fest- eschrieben. Die fehlende Kompetenzabgrenzung wird u einer weiteren Zentralisierungsdynamik der EU füh- en. Verstärkt wird diese Zentralisierungsdynamik da- urch, dass der Vertrag von Lissabon über das bisherige U Recht hinaus Vorrang vor dem Recht der Mitglied- taaten, einschließlich der nationalen Verfassungen und er in ihnen zum Ausdruck kommenden demokratisch- echtsstaatlichen Ordnungssysteme postuliert. Das rundgesetz steht damit zur Disposition der europäi- chen Organe. Das in dem Vertrag von Lissabon festgeschriebene rinzip der strikten gleichberechtigten Rotation zwi- chen Mitgliedstaaten bei der Besetzung der Kommis- ion führt dazu, dass Deutschland als größter Mitglied- taat periodisch nicht mehr in der Kommission vertreten ein wird. Dies ist umso bedauerlicher, da die Kommis- ion einen erheblichen Zugewinn an Kompetenzen er- ährt. Die im Vertrag von Lissabon festgeschriebene Aus- eitung der Beschlussfassung im Rat mit qualifizierter ehrheit entzieht weitere Politikbereiche den Entschei- ungsbefugnissen der Mitgliedstaaten, weil es auf deren timme nach dem Abschied vom Konsensprinzip ugunsten von Mehrheitsentscheidungen nicht mehr an- ommt. Die eigenständige Kompetenz, auch zukünftig n immer weiteren Politikbereichen zum Mehrheitsprin- ip überzugehen, reduziert zusätzlich die Entscheidungs- efugnisse der nationalen Parlamente. Die Tatsache, dass mittels einer Subsidiaritätskon- rolle durch nationale Parlamente die Einhaltung des ubsidiaritätsprinzips gewährleistet werden soll, ist aus- rücklich zu begrüßen. Dass dies in der praktischen Aus- bung aufgrund der knappen Fristen, der Quoren und der ediglich daraus resultierenden Verpflichtung des Urhe- ers des Rechtsaktes, diesen zu überprüfen und seine ntscheidung zu begründen, kaum praktische Bedeutung aben wird, ist bedauerlich. In der Gesamtschau ist festzuhalten, dass der Vertrag on Lissabon in der vorliegenden Form durch die Verla- erung von Zuständigkeiten an die EU und durch die berführung von Entscheidungen weg von der Einstim- igkeit zur qualifizierten Mehrheit zu einer Schwä- hung der nationalen Parlamente führt. Unbestritten ist allerdings, dass der Vertrag gegenüber en bestehenden Verträgen auch Vorteile bietet. Die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16613 (A) ) (B) ) Europäische Union sollte sich allerdings, in ihrem politi- schen Handeln auf diejenigen Aufgaben konzentrieren, die nur auf der europäischen Ebene gelöst werden kön- nen. Der Vertrag von Lissabon stellt dies nicht sicher. Ein Parlamentsbeteiligungsgesetz, wie von mir be- reits bei der Abstimmung über den Europäischen Verfas- sungsentwurf eingefordert, wurde lediglich durch eine abgeschwächte Vereinbarung ersetzt. Ein Gesetz, das die Mitwirkung des Deutschen Bundestages umfassend si- chert – und damit die demokratische Rückbindung euro- päischer Entscheidungen –, existiert bisher nicht. Ob diese Mängel über den Zeitablauf zu beheben sind, wird sich zeigen. Ich bedauere, dass meine Fraktion mich und die weiteren Kritiker überstimmt hat. Marion Seib (CDU/CSU): Auch nach genauem Stu- dium des Antrags der Fraktionen CDU/CSU und SPD für die 59. Sitzung des Ausschusses für die Angelegen- heiten der Europäischen Union zu TOP 5a muss ich fest- stellen, dass mit dem Vertrag von Lissabon zentrale Strukturen geschaffen werden, die ich als überzeugte Fö- deralistin nicht gutheißen kann. Der Antrag beinhaltet nach meiner Auffassung leider nicht die notwendige Verbindlichkeit zur Sicherung der Subsidiarität. Dies entmachtet unser nationales Parlament. Es werden Strukturen geschaffen, die auch bei wech- selnden politischen Mehrheiten Bestand haben und so gut wie unmöglich rückgängig zu machen sein werden. Als Beispiel sei nur die unterschiedliche Stimmenge- wichtung der Sitze im Europäischen Parlament genannt. Dass Fragen der Daseinsvorsorge nur europäisch zu lö- sen sein werden, wage ich ebenfalls zu bezweifeln. Seit Jahrzehnten bin ich als überzeugte Föderalistin tätig. Ich bin überzeugt, dass unsere Demokratie auch deshalb so stabil ist, weil viele Entscheidungen durch den föderalen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland von den unterschiedlichsten Ebenen und Entscheidungs- trägern getroffen werden und deshalb einen einbinden- den Charakter haben. Wenn ich nun an dieser Stelle meine tiefe Überzeugung aufgeben soll, würde ich meine bisherige Tätigkeit zur Stärkung des Föderalismus krass entwerten. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Der Vertrag von Lissabon ist in der Substanz mit dem Verfassungsvertrag weitgehend identisch. Kritik, wie sie beispielsweise von attac und der französischen Linken an Teilen der EU-Verfassung 2005 geäußert wurde, ist nach wie vor schwerwiegend und in einigen Punkten berechtigt. Dazu gehört, dass die Staaten Euro- pas zur militärischen Aufrüstung verpflichtet, militäri- sche Missionen ohne UN-Mandat nicht generell ausge- schlossen und viele Elemente einer neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung für Europa fest- schrieben werden. Es wäre sicher besser, die Verträge sähen anders aus. Vieles wäre noch wünschenswert. Allerdings sollte eine Beurteilung der EU-Verträge sich nicht nur am Wün- schenswerten orientieren, sondern am Vergleich mit der heutigen Rechts- und Vertragslage, also: Was wird s m s g V w u d d l s t a i d g m w R M s N s g i d k g n M s s t a l S l g u g i s h i d B V (C (D chlechter und was besser, wenn die Verträge angenom- en werden? Und da sieht das Ergebnis anders aus. Viele der kriti- ierten Inhalte sind schon heute auch nicht besser gere- elt, sondern finden sich seit langem in geltenden EU- erträgen und der Praxis. Die Verträge bringen sogar esentliche Verbesserungen, wie die Grundrechtecharta nd erheblich mehr Rechte für das EU-Parlament und ie nationalen Parlamente. Und die Todesstrafe wird urch die EU-Verträge nun wirklich nicht in Deutsch- and eingeführt und das kann auch in Zukunft nicht pas- ieren. 1. Kaum verständliche und unübersichtliche Vertrags- exte Richtig ist, dass die vorgelegte Fassung der Verträge uch für Juristen schwer lesbar und kaum verständlich st. Auch ist alles sehr unübersichtlich. Erst spät, erst in iesen Tagen wurde eine konsolidierte Fassung online estellt. Das ist bedauerlich und zu kritisieren, weil da- it die Diskussion über den Text unnötig erschwert urde. 2. Verträge sind keine Verfassung Der Vertrag ist keine Verfassung. Damit ist die echtsqualität auch eine andere. Ich war und bin der einung, dass über eine EU-Verfassung eine Volksab- timmung in allen Ländern der EU stattfinden sollte. Die otwendigkeit einer Legitimation durch eine Volksab- timmung sehe ich beim jetzigen Vertragsbündel weni- er zwingend als bei der EU-Verfassung. Trotzdem wäre ch dafür, auch hierüber die Völker in einem Referen- um entscheiden zu lassen. Dass dies nicht geschieht, ritisiere ich. 3. Bessere Mitwirkungsmöglichkeiten des Bundesta- es a. Ich habe damals gefordert, dass die EU-Verfassung icht verabschiedet werden sollte, ohne dass vorher die itwirkung des Bundestages bei der zukünftigen Recht- etzung in Europa umfassend und vollständig durch Ge- etz geregelt wird. Diese Forderung ist inzwischen erfüllt. Der Bundes- ag hat ein solches Gesetz rechtzeitig verabschiedet, das uch deutliche Verbesserungen für die Mitwirkungsmög- ichkeit des Bundestages gegenüber dem bisherigen tand enthält. Danach wirken Bundestag sowie Bundesrat in Ange- egenheiten der Europäischen Union mit. Die Bundesre- ierung hat den Bundestag und den Bundesrat umfassend nd zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten. Sie ibt dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme vor hrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäi- chen Union und muss die Stellungnahmen bei ihren Ver- andlungen berücksichtigen. Die Bundesregierung muss m Rat sogar einen Parlamentsvorbehalt einlegen, wenn er Beschluss des Bundestages in seinen wesentlichen elangen nicht durchsetzbar ist. In einer weitreichenden ereinbarung über die Zusammenarbeit von Bundestag 16614 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) und Bundesregierung in Angelegenheiten der Europäi- schen Union werden diese Rechte konkretisiert. Damit hat der Bundestag mehr Möglichkeiten als bisher, sich frühzeitig einzuschalten und auf die europäische Recht- setzung Einfluss zu nehmen, eine Verbesserung des bis- herigen Rechtszustandes. b. Die Verträge schaffen noch das Recht auf Subsidia- ritätskontrolle, die Subsidiaritätsrüge und die Subsidiari- tätsklage. 4. Mehr soziale Rechte als im Grundgesetz In der Grundrechtecharta ist zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union in einem einzigen Text die Gesamtheit der bürgerlichen, politischen, wirt- schaftlichen und sozialen Rechte der europäischen Bür- ger sowie aller im Hoheitsgebiet der Union lebenden Personen zusammengefasst. Es ist keineswegs so, dass Grundrechtecharta und Ver- träge ausschließlich eine neoliberale Wirtschaftsordnung festschreiben und damit Errungenschaften des Grundge- setzes aufgeben werden. Ganz im Gegenteil enthalten die Verträge Forderungen nach sozialer Gestaltung und nach sozialer Gerechtigkeit, die über das hinausgehen, was im Grundgesetz steht. Richtig ist, die Verträge enthalten die Festschreibung des „Grundsatzes einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“, aber auch das Bekenntnis, die EU wirkt auf „eine in hohem Maße wettbewerbsfähige so- ziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und so- zialen Fortschritt abzielt“ … „Sie bekämpft soziale Aus- grenzung und Diskriminierungen und fördert soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Solidarität zwischen den Generationen und den Schutz der Rechte des Kindes. Sie fördert den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mit- gliedstaaten“ (Art. 2, Abs. 3 EUV). Und nach der sozia- len Querschnittsklausel müssen alle Rechtsakte künftig auf ihre Sozialverträglichkeit hin überprüft werden (Art. 5a AEUV): „Bei der Festlegung und Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen trägt die Union den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung ei- nes hohen Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleis- tung eines angemessenen sozialen Schutzes, mit der Be- kämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie mit einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung.“ 5. Mehr Mitwirkungsrechte für EU-Parlament Die Verträge machen die EU demokratischer, transpa- renter und effizienter. So wird das bisherige „Mitent- scheidungsverfahren“ zum ordentlichen Gesetzgebungs- verfahren in der EU. Das heißt, dass das EU-Parlament und der Ministerrat in 95 Prozent der Europäischen Ge- setzgebung zum gleichberechtigten Gesetzgeber werden. Das EU-Parlament kann in Zukunft hierbei nicht nur über das abstimmen, was die EU-Kommission vorgelegt hat, sie kann gravierende Änderungen bewirken. Auch heute schon können die Mitgliedstaaten und das EP die K l d k m G h a C d M n w f z e g d k G d n l e d t l B s h n n N e u n d e L t s p d e e t (C (D ommission auffordern, einen Rechtsetzungsakt vorzu- egen (Art. 192, 2 EGV). Mit der EU-Bürgerinitiative wird erstmals ein direkt- emokratisches Element in die EU eingeführt. Damit önnen 1 Million EU-Bürger und -bürgerinnen die Kom- ission einladen, zu einem bestimmten Bereich einen esetzesvorschlag vorzulegen. 6. Bindung an VN-Charta Es stimmt nicht, dass die Verträge die VN-Charta aus- ebeln. Im Gegenteil, durch den Vertrag wird die EU usdrücklich auf die „Wahrung der Grundsätze der harta der Vereinten Nationen“ festgelegt. Damit muss ie EU „internationale Streitigkeiten durch friedliche ittel so beizulegen, dass der Weltfriede, die internatio- ale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet erden“ (Artikel 2 Absatz 3 UN-Charta). In Artikel 2 (5) EUV wird festgeschrieben: „In ihren Beziehungen zur übrigen Welt schützt und ördert die Union ihre Werte und Interessen und trägt um Schutz ihrer Bürgerinnen und Bürger bei. Sie leistet inen Beitrag zu Frieden, Sicherheit, globaler nachhalti- er Entwicklung, Solidarität, insbesondere zur Wahrung er Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen.“ Damit werden nicht nur zivile und militärische Fähig- eiten auf eine Stufe gestellt, sondern auch die gesamte emeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik an ie Charta der Vereinten Nationen gebunden. 7. Aufrüstungsverpflichtung Gegen die Bestimmung des Art. 28a EUV (3), wo- ach sich die Mitgliedstaaten „verpflichten (…), ihre mi- itärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“ und ine „Agentur für die Bereiche Entwicklung der Vertei- igungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüs- ung Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und mi- itärische Fähigkeiten“ einzurichten, habe ich erhebliche edenken. Als das noch im Entwurf zu einer EU-Verfas- ung stand, war ich darüber empört und habe ich mich eftig dagegen gewandt, weil eine solche Aufgabe in ei- er Verfassung auch wegen des hohen Symbolgehalts ichts zu suchen hat und auch politisch abzulehnen ist. un steht es nicht mehr in einer Verfassung, sondern in inem Vertrag. Ich halte es gleichwohl weiter für falsch nd nicht vertretbar. Allerdings bildet diese Bestimmung nur die Realität ach, denn die Agentur wurde bereits im Jahr 2004 auf er rechtlichen Grundlage des bestehenden EU-Vertrags ingerichtet und wird also nicht mit dem Vertrag von issabon neu geschaffen. Sie ist die Nachfolgeorganisa- ion der Beschaffungsagentur OCCAR, der Westeuropäi- chen Rüstungsorganisation WEAG und der Westeuro- äischen Rüstungsgruppe WEAO. Eine ,Aufrüstungsverpflichtung“ wurde bisher nie araus hergeleitet und sollte auch in Zukunft daraus nicht ntnommen werden. Die „Verbesserung“ wurde bisher her als Effektivierung angesehen. Umfang und Ausstat- ung der Streitkräfte sowie die Höhe der Militäretats wer- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16615 (A) ) (B) ) den weiterhin im Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten bleiben. Außerdem wird jede Regierung für sich in An- spruch nehmen, dass sie bereits in der Vergangenheit ihre militärischen Fähigkeiten „schrittweise“ verbessert habe und dies auch in Zukunft „schrittweise“ tun werde. Ich halte diese Bestimmung gleichwohl weiter für po- litisch falsch und nicht für vertretbar. 8. Keine Einführung der Todesstrafe Die Europäische Menschenrechtskonvention wird übernommen. Sie stammt aus dem Jahr 1950. Seit den 50er-Jahren ist sie in der Bundesrepublik bereits in Kraft und unmittelbar geltendes Recht, also überhaupt nicht neu. Sie enthält viele wichtige Garantien von Menschen- und Verfahrensrechten. Sie lässt tatsächlich unter be- stimmten Umständen die Todesstrafe zu. Dies war der Kompromiss zu diesem Punkt, der damals zum Zeit- punkt der Erarbeitung der EMRK, als es in mehr Län- dern noch die Todesstrafe gab, erreicht werden konnte. Dies war jedoch für andere Staaten wie die Bundesrepu- blik inakzeptabel. Daher sind dann in der Folge zwei Zu- satzprotokolle zur EMRK verfasst worden, mit denen die Todesstrafe unter allen Bedingungen abgeschafft wird. Dabei handelt es sich um das 6. und das 13. Zu- satzprotokoll. Deutschland und eine Zahl der Europa- ratsmitglieder haben diese beiden Protokolle unterzeich- net und ratifiziert. Damit haben sie sich zu einem höheren Schutz verpflichtet, als von der EMRK vorgese- hen. Durch Art. 102 Grundgesetz ist die Todesstrafe ab- geschafft. Eine Wiedereinführung wäre nicht nur mit diesem Artikel, sondern auch mit Art. 1 Grundgesetz nicht zu vereinbaren. Resümee: Durch den Vertrag von Lissabon wird die bisherige Rechts- und Vertragslage und die daraus entwickelte po- litische Praxis in Deutschland nicht wesentlich ver- schlechtert. Die geltenden EU-Verträge von Maastricht bis Nizza sind nicht besser, sondern in einigen Punkten wesentlich schlechter, weil die sozialen Rechte bei ihnen noch viel mehr hinten anstehen, weil sie keine Grund- rechtecharta und weit geringere Rechte für das Europäi- sche Parlament enthalten. Militärische Aufrüstung und gemeinsame Militäreinsätze der EU-Staaten finden nach geltendem Vertragsrecht genauso statt, wie sie nach dem Lissabon-Vertrag stattfinden können. Das geltende Ver- tragsrecht verhindert offensichtlich nicht einmal die Be- teiligung an Angriffskriegen ohne UN-Mandat, wie sich an der Teilnahme einzelner EU-Staaten am Irakkrieg zeigt. Eine durchaus wünschenswerte Verbesserung des Vertrages von Lissabon ist nicht in Sicht. Neue Verhand- lungen würden eher zu einer Reduzierung der sozialen Rechte führen. Das Grundgesetz wird durch die Verträge in seinem wesentlichen Gehalt nicht abgeschafft, vor al- lem die Grundrechtsgarantien bleiben voll und einklag- bar in Kraft. Das gilt auch für das allgemeine Völker- recht. Militärische Einsätze der Bundeswehr bedürfen weiterhin der Zustimmung des Bundestages. n A G A G A b t d D r t g h i (C (D Aus diesen Gründen werde ich die Gesetzentwürfe icht ablehnen. nlage 5 Erklärung des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Aus- schusses für die Angelegenheiten der Europäi- schen Union zu dem Entwurf eines Gesetzes zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (Tagesordnungspunkt 3 a, Drucksache 16/8917) Ich erkläre im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die rünen, dass unser Votum „Nein“ lautet. nlage 6 Erklärung des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Übersicht 10 über die dem Deutschen Bundes- tag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundes- verfassungsgericht (Tagesordnungspunkt 36 b, Drucksache 16/8791) Ich erkläre im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die rünen, dass unser Votum „Ja“ lautet. nlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – Entwurf eines Gesetzes zur Gewährleistung angemessener Arbeitsbedingungen für grenz- überschreitend entsandte und für regelmä- ßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Arbeitnehmer- Entsendegesetz – AEntG) – Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ände- rung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (Erstes Min- destarbeitsbedingungen-Änderungsgesetz – 1. MiArbGÄndG) (Tagesordnungspunkte 14 a und b) Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU): Der einge- rachte Gesetzesentwurf lässt sich nur durch die Opposi- ionsrolle der Grünen erklären. Man muss konstatieren, ass ihr Ideenreichtum anscheinend leider erschöpft ist. er vorgelegte Text ist eine schlichte Kopie des Refe- entenentwurfes aus dem Hause des Bundesarbeitsminis- ers Scholz. Es ist schön, dass die Arbeit der Bundesre- ierung so genau von den Grünen verfolgt wird, aber wir alten den Sachverhalt für so wichtig, dass wir ihn auch nnerhalb der Koalitionsfraktionen und im Rahmen des 16616 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) normalen und sorgfältigen Gesetzgebungsverfahrens be- arbeiten werden. Die Grünen müssten das wissen, da sie ja in der letz- ten Legislaturperiode selbst an der Regierung waren. In diesem Zusammenhang verblüfft auch die plötzliche Eile. Unter Rot-Grün hat man sich bei der Frage von Mindestlohnstrukturen bekanntlich nicht so viel vorge- nommen, um bei diesem Thema inhaltlich voranzukom- men. Wir wollen das besser machen, weswegen wir uns sehr intensiv mit der Problematik, die dem Bestreben der Koalition zugrunde liegt, beschäftigten. Nicht über- stürzt, dafür mit Sorgfalt. Der Referentenentwurf und damit der von den Grünen vorgelegte Text ist dabei nur der erste gute Entwurf, der im parlamentarischen Verfah- ren noch „ausreifen“ muss. Was ist die Grundlage für die von uns geplanten Än- derungen? Wir haben bereits im Koalitionsvertrag fest- gehalten, dass es generell Handlungsbedarf bei der Lohnfindung gibt. Wir wissen, dass es Probleme in man- chen Branchen und Regionen gibt: Billiglohnkonkurrenz aus dem Ausland, Dumpinglöhne, ruinöse Konkurrenz für arbeitsintensive mittelständische Betriebe. Dabei ha- ben wir uns das Ziel gesetzt, den Arbeitnehmern Sicher- heit zu geben und gleichzeitig Arbeitsplätze nicht zu ge- fährden. Die Koalition hat deswegen Mitte des letzten Jahres beschlossen, dass wir die unbestreitbar vorhandenen Probleme durch zwei Instrumente eindämmen möchten. Über der Idee steht generell der Gedanke: Vorfahrt für die Tarifparteien! Die Tarifparteien, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sind die entscheidenden Akteure auf diesem Feld. Der Staat sollte sich im Sinne der Sub- sidiarität aus der Lohnfindung heraushalten und nur für die notwendigen Rahmenbedingungen sorgen. Das ma- chen wir mit dem sogenannten Entsendegesetz und der Aktualisierung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes von 1952 zu einem Gesetz für Mindestlöhne für be- stimmte Bereiche. Worum geht es bei diesen Instrumenten? Vorrangig greift das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Wie es schon für den Bau umgesetzt wurde, so wurde beispielsweise das Entsendegesetz auf die Gebäudereiniger ausgewei- tet. Dies haben wir auf den ausdrücklichen Wunsch der Tarifparteien, der Arbeitgeber und Gewerkschaften, in die Wege geleitet. Die Koalition hat nun zudem verein- bart, dass Branchen mit einer Tarifbindung von mindes- tens 50 Prozent das Angebot erhalten, in das Arbeitneh- mer-Entsendegesetz aufgenommen zu werden und tarifliche Mindestlöhne zu vereinbaren. Voraussetzung ist ein gemeinsamer Antrag von Tarifvertragsparteien der betreffenden Branche bis zum Stichtag 31. März 2008. Dies ist geschehen. Das Gesetzgebungsverfahren zur Aufnahme dieser Branchen wurde nach Ablauf des Stichtages unverzüglich eingeleitet. Eine spätere Auf- nahme von Branchen wird hierdurch aber nicht ausge- schlossen. Zudem gilt: Wird im Geltungsbereich des Arbeitneh- mer-Entsendegesetzes von einer Branche erstmals ein Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarif- vertrages gestellt, so ist mit diesem Antrag zunächst der T n g S k A k V d w s z n k B K G l s d l s d l 1 B a R g A s ü a S e M w b M F s l g u g H r s d V d d u s K a (C (D arifausschuss zu befassen. Innerhalb von drei Monaten ach Veröffentlichung des Antrages im Bundesanzeiger ibt der Tarifausschuss zu dem Antrag sein Votum ab. timmt der Tarifausschuss der Allgemeinverbindlich- eitserklärung zu, gilt der Mindestlohn für alle In- oder usländer. Gibt der Tarifausschuss innerhalb der Frist ein Votum über den Antrag ab, kann das Mindestlohn- erordnungsverfahren durchgeführt werden. Ein Min- estlohn-Verordnungsverfahren kann auch durchgeführt erden, wenn der Tarifausschuss mit drei zu drei ab- timmt oder die Allgemeinverbindlicherklärung mit wei zu vier abgelehnt hat. Die entsprechenden Verord- ungen werden auf Vorschlag des BMAS vom Bundes- abinett erlassen. Für den Fall konkurrierender Tarifverträge in einer ranche werden dem Verordnungsgeber durch Gesetz riterien vorgegeben, die eine an den Sachgründen des esetzeszwecks ausgerichtete Entscheidung sicherstel- en. Ferner wird entsprechend den Vorgaben des europäi- chen Rechts im Gesetzestext klargestellt, dass die Min- estlohntarifverträge ausnahmslos für alle in- und aus- ändischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindlich ind. Die Kontrolle soll wie bisher durch die Behörden er Zollverwaltung erfolgen. Das zweite und nachrangige Instrument ist die Aktua- isierung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes von 952 zu einem Gesetz für Mindestlöhne für bestimmte ereiche. Dabei geht die Koalition von der Beobachtung us, dass es zunehmend Wirtschaftszweige oder einzelne egionen gibt, in denen es entweder keine Tarifverträge ibt oder eine Tarifbindung nur für eine Minderheit der rbeitnehmer oder der Arbeitgeber besteht. Um in die- en Bereichen Mindestlöhne zu setzen, wird das Gesetz ber die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen us dem Jahr 1952 gangbar gemacht und auf aktuellen tand gebracht. Es ist vorgesehen, dass ein Hauptausschuss dauerhaft ingerichtet wird. Es ist seine Aufgabe festzustellen, ob indestlöhne als Mindestarbeitsbedingungen festgesetzt erden müssen. Ein Fachausschuss wird jeweils für die etroffene Branche gebildet. Er legt fest, wie hoch der indestlohn im konkreten Fall sein soll. Die Zusammensetzung und Verfahren von Haupt- und achausschuss werden modernisiert und entbürokrati- iert, um schnelle und sachgerechte Lösungen zu ermög- ichen. Der Hauptausschuss setzt sich aus sechs unabhän- igen Experten zusammen, die in der Lage sind, mfassend die ökonomischen und sozialen Auswirkun- en von Mindestarbeitsbedingungen einzuschätzen. inzu kommt ein unparteiischer Vorsitzender mit Stimm- echt, der von den Mitgliedern des Hauptausschusses be- timmt wird. Erfolgt keine Einigung auf einen Vorsitzen- en, erfolgt die Benennung durch das Bundeskabinett auf orschlag des BMAS. Die Fachausschüsse als Gremien er betroffenen Branchen werden so zusammengesetzt, ass sich divergierende Einzelinteressen nicht blockieren nd zu einem guten Ergebnis führen. Jeder Fachaus- chuss besteht aus sechs Beisitzern, die je zur Hälfte den reisen der beteiligten Arbeitnehmer und Arbeitgeber ngehören. Hinzu kommt ein unparteiischer Vorsitzender Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16617 (A) ) (B) ) mit Stimmrecht, der von beiden Seiten bestimmt wird. Bei Nichteinigung bestimmt den Vorsitzenden das Bun- deskabinett auf Vorschlag des BMAS. Den von einem Fachausschuss vorgeschlagener Mindestlohn kann auf Vorschlag das BMAS durch eine entsprechende Verord- nung des Bundeskabinetts festgesetzt werden. Außerhalb von Tarifverträgen sind die Vorgaben der Verordnung für alle in- und ausländischen Arbeitnehmer zwingend und unabdingbar. Für die Konkurrenz zu be- stehenden Tarifverträgen werden durch Gesetz Kriterien für eine Vorrangentscheidung vorgegeben, die eine an den Sachgründen des Gesetzeszwecks ausgerichtete Ent- scheidung sicherstellen. Eine Diskriminierung von In- und Ausländern findet nicht statt. Ganz generell liegt das Augenmerk der Koalition aber auf der Förderung und Verstärkung des derzeitigen Auf- schwungs – denn wirtschaftliches Wachstum kann ent- scheidend zu der Verhinderung von niedrigen Löhnen beitragen. Denn es gilt: Wenn es mehr Wachstum gibt, dann gibt es mehr Arbeit! Wenn es mehr Arbeit gibt, dann gibt es bessere Löhne! Unbestreitbar ist das Sozialproduktwachstum im All- gemeinen, die Produktivitätszunahme im Besonderen, ein Orientierungswert ersten Ranges für Lohnverhand- lungen. Die Große Koalition darf sich anrechnen, an den Verbesserungen dieser Schlüsselgrößen der Volkswirt- schaft großen Anteil zu haben (siehe beispielsweise das 25-Milliarden-Programm). Die 1,7 Millionen Arbeitslo- sen weniger im Vergleich zum Jahr 2005 sind da doch ein schon schöner Erfolg. Damit verbessern sich die Rahmenbedingungen für die Integration von Langzeitar- beitslosen und für angemessene Löhne. Nochmals – die Ziele sind klar: ausländische Anbieter müssen eingebunden werden; Dumpinglöhne müssen verhindert werden; es darf kein System entstehen, das Menschen in die Arbeitslosigkeit drängt; wir brauchen eine praktikable und realitätsnahe Lösung. Mehr Spielraum für bessere Löhne und die dargestell- ten Änderungen für tarifliche Mindestlöhne – das sind zwei, wie ich finde, ausgezeichnete Stränge, um den Bürgern in Deutschland zu helfen. Anette Kramme (SPD): „Alter Wein in neuen Schläuchen“, so nennt man das, was Sie uns heute prä- sentieren. Ihre beiden Anträge kommen mir sehr bekannt vor. Seien wir froh, dass wir die Schulbank seit ein paar Jahren hinter uns gelassen haben. Sonst hieße es jetzt: Note Sechs wegen Abschreibens. Ein wohlmeinender Lehrer würde vielleicht noch enttäuscht hinzufügen: Das hätte ich nicht von euch gedacht! Inhaltlich ist an den von Ihnen eingebrachten Entwür- fen zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz sowie zum Min- destarbeitsbedingungsgesetz natürlich nichts auszuset- zen. Das BMAS hat, wie üblich, gute Arbeit geleistet. Inhaltlich teilen wir natürlich auch die genannten Forde- rungen und Ziele: Ja, wir sind für die Schaffung und Durchsetzung angemessener Mindestarbeitsbedingungen f w t n F b b ß w a b o n f a e u g a b K h d d S S m s v j o l b G S T M n r a u r a k W d b b t r w z (C (D ür Arbeitnehmer. Ja, wir treten ein für faire Wettbe- erbsbedingungen für die Unternehmen. Ja, wir möch- en auf diese Art die Befriedungsfunktion der Tarifauto- omie bewahren. Ja, wir wollen eine Regelung für den all konkurrierender Tarifabschlüsse finden. Ja, wir glau- en, dass die Relevanz des tarifschließenden Arbeitge- erverbandes und der Organisationsgrad der tarifschlie- enden Gewerkschaft hier ein wichtiges Kriterium ist. Ja, ir begrüßen, dass fiskalische Interessen des Staates Be- chtung finden sollten. Ja, wir wollen, dass in Vollzeit eschäftigte Arbeitnehmer für ihren Lebensunterhalt hne ergänzende Hartz-IV-Leistungen auskommen kön- en. Ja, wir wollen, dass der Gesetzgeber Mindestlöhne ür solche Branchen festlegen kann, in denen es weniger ls 50 Prozent tarifgebundene Mitarbeiter gibt. All dies ist uns Sozialdemokraten schon seit langem in Anliegen. Die Grünen können beruhigt sein: All dies wird von ns auch schon seit einiger Zeit gesetzgeberisch voran- etrieben. Schon am 18. Juni 2007 hat der Koalitions- usschuss vereinbart, das AEntG und das Mindestar- eitsbedingungsgesetz zu novellieren. Schon auf der abinettsklausur in Meseberg am 23./24. August 2007 at sich die Bundesregierung dahin gehend verständigt, as Arbeitnehmer-Entsendegesetz zu erweitern, wenn ie Tarifpartner einen entsprechenden Antrag stellen. chon am 11. Januar 2008 hat Bundesminister Olaf cholz zwei Gesetzesentwürfe in die Ressortabstim- ung gegeben. Diese beiden Entwürfe haben die Koalitionsbe- chlüsse eins zu eins umgesetzt. Wir halten sie nach wie or für großartig. Sie sind dazu angetan, Mindestlöhne in eder Branche entweder auf der Grundlage des einen der des anderen Gesetzes festzulegen. Mit den Grünen wollen wir für eines unserer Kernan- iegen sorgen: menschenwürdige Bezahlung für gute Ar- eit. Die Grünen haben beim Abschreiben wenigstens eschmack und ein Auge für Qualität bewiesen. Aber ie beweisen leider auch ein schlechtes Gespür für das iming. Die SPD verteidigt ihre Mindestlohnpläne seit onaten gegen viele Widerstände. Wir parieren erhobe- en Hauptes juristische Tricks, statistische Zahlenspiele- eien, Pseudogewerkschaften, konservative Häme und ndere Störfeuer. Ein Blick auf die aktuellen Entwicklungen bestärkt ns in diesem Vorgehen. Am 31. März 2008, dem vo- übergehend festgesetzten Stichtag, haben insgesamt cht Branchen ihr Interesse an der Aufnahme ins AEntG undgetan. Mit der Zeitarbeit, den Pflegediensten, dem ach- und Sicherheitsgewerbe, der Abfallwirtschaft, en industriellen Großwäschereien, der Weiterbildungs- ranche, den forstlichen Dienstleistungen und dem Berg- au wollen insgesamt rund 1,5 Millionen Beschäftigte arifvertragliche Mindestlöhne gesetzlich absichern. Dies zeigt uns zweierlei: Zum einen haben die Menschen tatsächlich ein Inte- esse an Mindestlöhnen. 1,5 Millionen Arbeitnehmer ollen künftig davon profitieren, und sogar über 70 Pro- ent der Bevölkerung geben in Umfragen an, dass für sie 16618 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) Mindestlöhne eine Frage fundamentaler Gerechtigkeit sind. Zum anderen sehen wir auch, dass bisher jeder ein- zelne Schritt auf dem Weg zu Mindestlöhnen gemäß den Koalitionsvereinbarungen gegangen wurde. Ich gehe selbstverständlich davon aus, dass dies auch weiterhin der Fall sein wird. Dass unser Koalitionspartner hier „zum Jagen getra- gen“ werden musste, ist zwar bedauerlich, aber letztlich egal. Wir erwarten von der Union Vertragstreue. Wir ver- lassen uns auf die Aussage von Herrn Pofalla. Er wird im Handelsblatt vom 28. Februar 2008 mit den Worten zitiert: Die Beschlüsse sind in keiner Weise infrage ge- stellt. Ganz im Gegenteil. Wir werden beide Ele- mente dieses Konzepts umsetzen. Das ist erstens die Erweiterung des Entsendegesetzes. Hier geht es darum, unfairen Lohnwettbewerb aus dem Ausland zu verhindern. Und wir werden zweitens das Min- destarbeitsbedingungsgesetz konkretisieren, damit es künftig auch in Branchen mit geringer oder gar keiner Tarifbindung Mindestlöhne geben kann. … Wir stehen zu den vernünftigen Beschlüssen des Koalitionsausschusses in dieser Frage. Das klingt doch alles sehr vielversprechend. Der Pro- zess der Mindestlohngesetzgebung ist schon seit einiger Zeit ins Rollen gekommen. Genau aus diesem Grund halte ich eine Zustimmung zu den vorliegenden Anträ- gen heute für obsolet. Dirk Niebel (FDP): Arbeitsminister Olaf Scholz will Mindestlöhne. Aber das Angebot an die Branchen, sich in das Entsendegesetz aufnehmen zu lassen, war ein Flop. Nach Ablauf der Frist Ende März hatten sich statt der erwarteten zehn bis zwölf Branchen nur sieben mit nur circa 1,43 Millionen Beschäftigten gemeldet. Und in der Zeitarbeitsbranche sind längst nicht alle Arbeitgeber- verbände und Gewerkschaften für gesetzliche Mindest- löhne, da sie eigene Tarifverträge abgeschlossen haben. Die sollen nun ausgehebelt werden, die Unternehmen werden in Geiselhaft genommen. Diese Branche, die derzeit maßgeblich am Aufschwung bei den sozialversi- cherungspflichtigen Beschäftigungen beteiligt ist, würde bei Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns zweifel- los in ihren Wachstumschancen zurückgeworfen. Damit sinken auch die Beschäftigungschancen der Arbeitneh- mer. Tarifverträge bringen die unterschiedlichen Interessen der Parteien in Einklang. Das ist mitunter schwierig, wie erst kürzlich im öffentlichen Dienst und bei der Bahn wieder gezeigt wurde. Aber es ist Aufgabe der Tarifver- tragsparteien, sich zu einigen. Wenn sie bei der Erfül- lung ihrer Aufgabe versagen, ist der Ruf nach dem Staat keine Alternative. Wer es unterstützt, dass der Staat sich massiv bei der Lohnfindung einmischt, läutet das Ende der Tarifautonomie ein. Denn das weiß man spätestens s w W P s h D u g n x b s A d l m l M t j h b d K n d r i d f F N A r b D b r l g D W b w o u c h n n m g (C (D eit Goethes Zauberlehrling: Die Geister, die man rief, ird man so schnell nicht wieder los. Das Scholz-Projekt liegt jetzt auf Eis, weil die Union iderstandskräfte mobilisiert hat. Nachdem sie bei den ostdienstleistern dem Mindestlohn die Tür geöffnet und o das Postmonopol mit anderen Mitteln festgeschrieben at, möchte sie das Kampfthema nicht weiter verfolgen. eshalb sind jetzt die Grünen in die Bresche gesprungen nd legen die Gesetzentwürfe vor, auf die sich die Re- ierung nicht einigen konnte. Das macht die Sache aber icht besser. Wir Liberalen bleiben dabei: Mindestlöhne sind ma- imaler Unsinn. Wir lehnen eine Ausdehnung des Ar- eitnehmer-Entsendegesetzes und Forderungen nach ge- etzlichen Mindestlöhnen ab. Die letzte Änderung des rbeitnehmer-Entsendegesetzes war ein Instrument, um as Monopol der Deutschen Post zu zementieren und un- iebsame Konkurrenz auszuschalten. Ich will noch ein- al daran erinnern: Die Löhne bei den privaten Dienst- eistern sind niedriger, weil die Post nicht 19 Prozent ehrwertsteuer zahlen muss. Diesen Wettbewerbsvor- eil können Private gar nicht aufholen. Ein Mindestlohn gefährdet Arbeitsplätze, wie wir es a in der Folge auch bei den Briefdienstleistern gesehen aben. Die Leidtragenden sind diejenigen, die ihre Ar- eitsplätze verloren haben, weil sie zu den neuen Min- estlöhnen nicht mehr beschäftigt werden können. Mein ollege Volker Wissing hat beim Arbeitsministerium achgefragt und die kühle Antwort bekommen, dass bei en Briefdienstleistern seit Januar 57 Unternehmen mit und 5 700 Arbeitsplätzen aufgegeben haben. Wie konnte es so weit kommen? Schwarz-Rot malt mmer noch ein Bild des Schreckens: Billiganbieter aus en Beitrittsstaaten überschwemmen das Land und ge- ährden Arbeitsplätze für deutsche Arbeitnehmer. Gern werden andere Länder mit Mindestlöhnen wie rankreich und Großbritannien als Beispiele für deren otwendigkeit aufgeführt. Dieser Vergleich ist falsch. ndere Faktoren wie die unterschiedliche soziale Siche- ung werden nicht in den Vergleich einbezogen. Wir rauchen in Deutschland keinen Mindestlohn. In eutschland sorgen die sozialen Sicherungssysteme, ins- esondere das Arbeitslosengeld II, für ein sozio-kultu- elles Existenzminimum. Das ist der gesetzlich festge- egte faktische Mindestlohn, der zum Teil über esetzlichen Mindestlöhnen in anderen Ländern liegt. arunter gibt es keine Anreize, einen Job in der legalen irtschaft anzunehmen. Für einfach qualifizierte Ar- eitslose lohnen sich gering bezahlte Tätigkeiten nicht, eil sie damit kaum mehr verdienen können, als ihnen hnehin als Transferleistung zusteht. Wir brauchen mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt nd nicht noch mehr staatliche Vorgaben. Wenn gesetzli- he oder tarifliche Mindestlöhne eingeführt werden, eißt das, dass eine Tätigkeit oder eine Dienstleistung ei- en Mindestpreis kostet. Wenn die Leistung diesen Preis icht wert ist, wird die Leistung zumindest legal nicht ehr nachgefragt. Derzeit sind Arbeitskräfte mit gerin- er Produktivität vom Arbeitsmarkt praktisch ausge- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16619 (A) ) (B) ) schlossen. Das sind vor allem Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose. Sie haben kaum Aussichten auf eine neue Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt. Dabei ha- ben wir bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe beschlossen, dass gerade diese Zielgruppe schnellstmöglich und dauerhaft in den ersten Arbeits- markt integriert werden soll. Und seit Hartz IV ist für Arbeitslose jede legale Arbeit zumutbar. Dann müssen aber auch angemessene Arbeitsplätze zur Verfügung ste- hen. Das wird mit einer Lohnuntergrenze nicht erreicht. Wenn dann kein ausreichendes Einkommen für den Lebensunterhalt erwirtschaftet werden kann, müssen die Einkünfte durch Transferleistungen ergänzt werden. Das ist zum Beispiel die Linie unseres Bürgergeldmodells. Hier erhält der Arbeitnehmer einen direkten Steuerzu- schuss. Das Mindesteinkommen muss gesichert sein, nicht ein Mindestlohn. Es gab schon immer Erwerbstätige, deren Einkom- men vom Staat ergänzt wurde, zum Beispiel durch So- zialhilfe oder Wohngeld. In der Sendung Kontraste wurde am 10. April 2008 aus einer Studie des DIW be- richtet, dass viele, die aufgrund der Größe ihrer Bedarfs- gemeinschaft ihre Einkünfte mit Arbeitslosengeld II auf- stocken, gar nicht von einem Mindestlohn von 7,50 Euro profitieren würden. 50 Prozent der 479 000 vollzeitbe- schäftigten Aufstocker haben einen Stundenlohn von neun oder mehr Euro. Insgesamt liegen zwei Drittel der Aufstocker über 7,50 Euro. Höchstens 15 000 alleinste- hende Erwerbstätige können wegen eines zu geringen Stundenlohns nicht von ihrem Vollzeitjob leben. Und im Baugewerbe stocken 42 000 Bauarbeiter trotz Mindest- lohn mit Arbeitslosengeld II auf. Nur in einem flexiblen Arbeitsmarkt können Unter- nehmen schnell auf neue Wettbewerbsverhältnisse re- agieren. Wir brauchen Öffnungsklauseln für betriebliche Bündnisse. Damit sind maßgeschneiderte Lösungen zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit möglich. Wir brauchen eine Wachs- tumspolitik, und wir brauchen einen funktionsfähigen Niedriglohnsektor. Die Löhne müssen sich an der Pro- duktivität orientieren. Darum müssen die wirtschaftli- chen Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass vor- handene Arbeitsplätze gesichert und wieder mehr Arbeitsplätze im Inland geschaffen werden. Werner Dreibus (DIE LINKE): Es ist ein legitimes Verfahren, wenn die Opposition die Koalition an ihre ei- genen Vereinbarungen erinnert und sich dazu auch der Gesetzentwürfe der Regierung bedient. Im konkreten Fall springt die grüne Fraktion jedoch zu kurz, viel zu kurz. Denn mit der Umsetzung der beiden Gesetzent- würfe würde das wesentliche Ziel einer Gesetzgebung für Mindestlöhne gerade nicht erreicht. Wir wollen doch nicht, dass lediglich die untersten Tariflöhne vom Gesetzgeber zu Mindestlöhnen erklärt werden. Wir wollen, dass Mindestlöhne festgesetzt wer- den, von denen die Menschen leben können. Davon aber ist in den Gesetzentwürfen keine Rede. F d M k b h L h k E s d d e F p a d v a s B s e F b S d d d D S s M V c s S u (C (D Keinem Mann und keiner Frau – es sind vor allem rauen, die zu Armutslöhnen arbeiten – wäre damit ge- ient, wenn Tariflöhne von 3,50 Euro oder 4 Euro zu indestlöhnen erklärt würden. Im Gegenteil: Dann be- äme Lohndumping auch noch den Segen des Gesetzge- ers. Deshalb muss – egal wie das Gesetz letztendlich eißt – an erster Stelle die Festlegung einer allgemeinen ohnuntergrenze erfolgen. Ein Mindestlohn muss so och sein, dass er bei einer Vollzeitarbeit für ein aus- ömmliches Einkommen sorgt, das heißt, er muss die xistenz sichern. Nur so wird Armut trotz Arbeit wirk- am verhindert. Der deutsche Gesetzgeber hat bereits mit der Pfän- ungsfreigrenze eine Lohnuntergrenze definiert. Sie liegt erzeit bei rund 1 000 Euro. Hätten wir in Deutschland inen Mindestlohn von 8,44 Euro pro Stunde wie in rankreich, würde bei einer Vollzeitarbeit – 38,5 Stunden ro Woche – einen Nettolohn ermöglicht, der mindestens uf der Höhe der Pfändungsfreigrenze läge. Die Höhe es Mindestlohns ist also entscheidend. Um das zu erkennen, braucht es keine Beratung der orliegenden Gesetzentwürfe hier im Plenum. Was wir brauchen, ist ein Gesetz, das, erstens, einen llgemeinverbindlichen gesetzlichen Mindestlohn fest- etzt und das, zweitens, den Tarifparteien ermöglicht, ranchenmindestlöhne abzuschließen, die über dem ge- etzlichen Mindestlohn liegen. Meine Fraktion hat dazu inen Vorschlag unterbreitet. Dem haben sich bisher alle raktionen, auch die der Grünen, verweigert. Stattdessen ringen sie jetzt Gesetzentwürfe ein, mit denen der zweite chritt vor dem ersten gemacht werden soll. Die Experten es Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts es DGB haben auf das Manko dieses Vorgehens aus- rücklich hingewiesen. Ich zitiere: Zu erwarten ist …, dass zahlreiche Lücken bleiben, wenn nicht systematisch und flächendeckend für alle in Betracht kommenden Niedriglohnbranchen Verfahren in Gang gesetzt werden. Das Fazit der Wissenschaftler, dem sich auch der GB angeschlossen hat, lautet: Die erwartbaren Regelungslücken werden auch in Deutschland dafür sorgen, dass eine universelle Lö- sung im Sinne eines allgemeinen, branchenübergrei- fenden Mindestlohns auf der Tagesordnung bleibt. Mit meinen Worten: Die Gesetzentwürfe von Minister cholz, die die grüne Fraktion hier zur Debatte stellt, ind nicht auf der Höhe der Zeit. Nur ein gesetzlicher indestlohn ist in der Lage, für alle Beschäftigten bei ollzeitarbeit Armut zu verhindern und die entspre- hende Transparenz und dadurch auch Kontrolle herzu- tellen. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): eit Mitte letzten Jahres läuft bei der großen Koalition nter der Regie von Kanzlerin Merkel der Mindestlohn 16620 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) als eine Mischung aus Schmierenkomödie und Trauer- spiel und entwickelt sich, insbesondere für die Betroffe- nen, immer mehr zum Drama. Im Koalitionsausschuss wurde im Juni 2007 ein Min- destlohnverfahren festgelegt, damit zukünftig auch in Deutschland Lohndumping effektiv verhindert werden kann. Seitdem werden von der Union alle Ansätze zerre- det, zerprüft und blockiert – und die SPD steht offen- sichtlich machtlos daneben. Die Gesetzentwürfe für den Mindestlohn – das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und das Mindestarbeitsbedingungen-Gesetz – aus dem Hause des Arbeitsministers sind bis jetzt an den ideologischen Hürden im Wirtschaftsministerium gescheitert. Glos lässt Scholz beim Mindestlohn am ausgestreckten Arm verhungern. Und ich befürchte, dass sich die Kräftever- hältnisse in der Koalition auch bis zum nächsten Koali- tionsausschuss nicht ändern werden. Während Schwarz-Rot den Mindestlohn versenkt, entwickelt sich Deutschland immer mehr zum Billig- lohnland. Die Länderstudien zum Niedriglohnsektor zei- gen für Deutschland ein niederschmetterndes Ergebnis: 6,5 Millionen Menschen in Deutschland liegen mit ih- rem Verdienst unterhalb der Niedriglohnschwelle, die Anzahl der Beschäftigten, die weniger als 5 Euro verdie- nen, ist von 2004 bis 2006 von 1,5 auf 2 Millionen ange- stiegen. Wenn CDU und CSU glauben, mit einer Niedrig- lohnstrategie künftig die Abwanderung von Unterneh- men verhindern zu können und Arbeitsplätze hier halten oder schaffen zu können, dann liegen sie falsch. Deutschlands Wirtschaft basiert nach wie vor auf Wis- sen. Von Arbeitsplatzabbau waren überwiegend gering Qualifizierte betroffen – trotz niedriger Löhne. Bei hö- her Qualifizierten sieht das anders aus: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden zwischen 2001 und 2006 im Dienstleistungsbereich mehr Arbeitsplätze für höher Qualifizierte in Deutschland durch Verlagerun- gen geschaffen als abgebaut. Für eine positive Arbeits- platzbilanz brauchen wir also in erster Linie gut ausge- bildete Fachkräfte und eine Infrastruktur, die es attraktiv macht, hier zu arbeiten und zu leben. Dazu müssen wir erstens in Bildung investieren, zweitens in Bildung in- vestieren und drittens noch mal in Bildung investieren. Und genau das ist Aufgabe von Politik, und genau hier versagen Union und SPD im Bund wie in den Ländern. Eine wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Strate- gie, die auf Billiglöhne setzt, wird in eine Abwärtsspirale führen, an deren Ende jede Menge Verlierer stehen, bis hin zu den zukünftigen Rentnern, die nach vielen Jahren Arbeit zu Armutslöhnen im Alter auf Armutsrenten an- gewiesen sein werden. Profiteure sind skrupellose Un- ternehmer, die ihre unanständige Gewinnkalkulation auf Lohndumping aufbauen. Und zahlen muss am Ende der Steuerzahler, wenn die Löhne und die Renten, die nicht zum Leben reichen, aufgestockt werden müssen. Natürlich sind Mindestlöhne kein Allheilmittel gegen Armut, aber ein wichtiger Baustein, um zukünftig Armut trotz Arbeit zu verhindern. Streiten Sie also nicht länger über das Ob, sondern lassen Sie uns konstruktiv über das Wie diskutieren. Dazu bieten die Gesetzentwürfe aus d w e i d l p S G g M A S t b g d u D s s e s g T A S h g d S n s n i S S I o i d N a e F d d k (C (D em Arbeitsministerium eine Grundlage. Darum stellen ir sie hier zur Debatte. Natürlich ist das nicht eins zu ins grüne Mindestlohnpolitik. Wir Grüne setzten – das st bekannt – auf branchen- und regionalspezifische Min- estlöhne und auf das britische Modell einer Mindest- ohnkommission. Das kann aber alles im Rahmen der arlamentarischen Beratung diskutiert werden. Lassen ie uns also so bald wie möglich die Experten zu den esetzentwürfen anhören, lassen Sie uns Verbesserun- en einarbeiten und dann mit einer parlamentarischen ehrheit für Mindestlöhne entscheiden. nlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Verbot der Einfuhr, der Verarbeitung und des Inverkehrbringens von Robbenerzeug- nissen (Robbenerzeugnisse-Verbotsgesetz – RobErzVerbG) (Tagesordnungspunkt 17) Dr. Peter Jahr (CDU/CSU): Wir haben uns an dieser telle wiederholt mit dem Thema Robben und dem Tö- en der Jungrobben in der Arktis im März jeden Jahres efasst. Im Oktober vergangenen Jahres haben wir dann emeinsam beschlossen, die Bundesregierung aufzufor- ern, ein entsprechendes Gesetzesverfahren einzuleiten, m den Handel mit Robbenprodukten zu unterbinden. em entspricht der heutige Antrag. Ich schätze ein, dass wir mit dem vorliegenden Ge- etzantrag heute zunächst einen sehr wichtigen Punkt etzen können: Es wird in Deutschland hoffentlich bald in Gesetz geben, das den Handel mit Robbenerzeugnis- en verbietet. Ich empfinde das als ein erfreuliches Er- ebnis unserer gemeinsamen Arbeit, ein Erfolg für den ierschutz und ein Ergebnis gemeinsamer beharrlicher rbeit zum Schutz der Robben. Erlauben Sie mir, allen Beteiligten hier an dieser telle zu danken und der Hoffnung Ausdruck zu verlei- en, dass wir auch bei anderen Themen fraktionsüber- reifend so konstruktiv und engagiert zu Lösungen in er Sache kommen können. Mein Dank gilt an dieser telle der Bundesregierung und dem Landwirtschaftsmi- ister Seehofer, die unser Anliegen und unseren gemein- amen Antrag vom Oktober 2006 stets unterstützten und un praktisch umsetzen werden. Ausdrücklich möchte ch in meinen Dank auch die Vertreter der kanadischen taatsregierung einbeziehen. Trotz unterschiedlicher tandpunkte haben wir in der Sache stets sehr wertvolle nformationen bekommen und in den Anhörungen sehr ffen zahlreiche Argumente ausgetauscht und – so hoffe ch – viel voneinander gelernt. Ich freue mich außerdem, ass die Frage des Artenschutzes der Robben und ihres achwuchses immer eine große Rolle gespielt hat und uch jetzt wieder in den Mittelpunkt rückt. Die Fragen iner nachhaltigen Bestandspflege sind ebenso wie die ragen zur Sicherung des Lebensraumes der Robben in er sich klimatisch verändernden Welt wichtige Themen, ie wir in den kommenden Jahren nur gemeinsam lösen önnen. Ich glaube, dieser Ansatz wird auch in Kanada Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16621 (A) ) (B) ) bei den Verantwortlichen sehr gut registriert und aner- kannt. Deswegen bin ich mir sicher, dass wir mit diesem Gesetzesvorhaben keine bilateralen Probleme mit unse- ren Freunden in Übersee riskieren. Auch wenn das nationale Handelsverbot für Robben- erzeugnisse zunächst eine wichtige Zwischenetappe zum Robbenschutz darstellt: Ein nationales Handelsverbot von Robbenerzeugnissen ist mit Sicherheit kein Schluss- punkt unserer Debatte um die Robben. Die drastischen Medienbilder über das Robbensterben kamen bisher fast immer aus Kanada. Bis heute sind Länder wie Russland oder China kaum in den Blickpunkt und in das Interesse der weltweiten Öffentlichkeit gelangt. Hier gilt es auch für uns, weiterzumachen und den Teilerfolg für den Schutz der Robben auszuweiten, im Sinne des Tierschut- zes und des Arterhalts. Es ist heute hier ein erster, wenn auch sehr wichtiger Schritt, die Massentötungen junger Robben einzuschrän- ken und womöglich einmal ganz zu verhindern. Nach wie vor setzen wir uns für ein gesamteuropäisches Han- delsverbot ein, die Bundesregierung muss da sozusagen „am Ball“ bleiben, und auch wir Parlamentarier werden darauf achten müssen. Denn nur, wenn wir unser eigenes Haus aufgeräumt haben, werden wir auch ernst genommen, wenn wir weltweit verstärkte Anstrengungen fordern, das Robben- schlachten einzudämmen oder ganz zu verbieten. Die kanadischen Erfahrungen werden dabei sehr nützlich sein. Sie sind hilfreich und beispielgebend für Beratun- gen mit den Staaten, in denen Robbentötungen weitest- gehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Ich schlage vor, dass wir die praktischen kanadischen Erfahrungen nutzen und einbeziehen. Die Verbraucher selbst haben eine wichtige Verant- wortung. Wo keine Erzeugnisse aus Robben nachgefragt werden, gibt es keinen Handel, und letztendlich werden weniger Tiere allein wegen ihres Fells getötet. Es ist wichtig, die Einfuhr aller Robbenerzeugnisse aus dem Ausland zu regeln und wenn es geht, wirksam zu unter- binden. Wir sind sicher, dass die Bundesregierung dazu rasch bundesgesetzliche Regelungen vorlegen wird. Ich erwarte in den kommenden Wochen sehr konstruktive Beratungen in den Ausschüssen und biete Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dafür ausdrücklich unseren Sachverstand an, um zu einem guten Gesetz zu kommen. Meine Rede zum interfraktionellen Antrag am 18. Oktober 2006 habe ich mit der Hoffnung geschlos- sen, dass ich unseren Kindern und Enkeln wünsche, Robben in freier Wildbahn kennenzulernen und dass ihr Schicksal nicht den ausgestorbenen Auerochsen glei- chen möge. Mit dem heutigen Tag sind wir dieser meiner Hoffnung, die viele Menschen in diesem Land teilen, ei- nen bedeutenden Schritt entgegengekommen. Ich freue mich, dass sich unsere bisherige Arbeit gelohnt hat und die Bilder über die Gemetzel auf den polaren Eisfeldern vielleicht irgendwann einmal der Vergangenheit angehö- ren werden. Gestatten Sie mir auch noch einen Blick in die Zu- kunft, wobei ich ausdrücklich auf die Argumente unserer kanadischen Freunde eingehen möchte: Selbstverständ- l r w u A a w g s d h g s g u R d t D F r F e g s d s R b n s s i m d l I M s d h l p s n d m t J n (C (D ich muss man in dieser Welt auch über Bestandsregulie- ungen von Wildtierbeständen sprechen, wenn das not- endig erscheint. Das machen wir in Deutschland so, nd das muss man auch anderen Ländern zugestehen. ber vorher müssen noch einige Fragen gestellt und be- ntwortet werden: Erstens. Ist die Bestandsregulierung überhaupt not- endig? Gerade bei den Robben gehen da die Meinun- en weit auseinander. Während die Kanadier eine Be- tandsreduzierung für unumgänglich halten, sehen wir iese Notwendigkeit nicht. Abhilfe könnten hier unab- ängige, das heißt allgemein anerkannte Sachverständi- engutachten schaffen. Zweitens. Wenn eine Bestandsreduzierung notwendig ein sollte, muss die Frage nach einem Tötungsverfahren estellt werden, welches tierartengerecht ist. Hier haben ns die Kanadier vermittelt, dass bereits 95 Prozent der obben nicht mehr erschlagen, sondern geschossen wer- en. Drittens. Für uns steht immer die Forderung im Mit- elpunkt, kein Tier ohne vernünftigen Grund zu töten. as heißt aus deutscher Sicht, ein Tier nur wegen der ellgewinnung zu töten, wird diesem Anspruch nicht ge- echt. Das heißt im Umkehrschluss – da sind sich alle raktionen des Deutschen Bundestages wahrscheinlich inig –, dass die Bejagung von Robbenbeständen zur Ei- enversorgung der einheimischen Bevölkerung erlaubt ein muss. Wegen der genannten Gründe bin ich froh, dass wir en Gesetzesentwurf heute einbringen, und ich bin mir icher, dass es nicht das letzte Mal war, dass wir über obben im Deutschen Bundestag gesprochen haben. Ich itte Sie, den vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktio- en von CDU/CSU und SPD wie beantragt zu überwei- en und freue mich auf die Gesetzesberatung in den zu- tändigen Ausschüssen. Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Wir beraten heute n erster Lesung das Robbenerzeugnisse-Verbotsgesetz, it dem wir den Import, die Be- und Verarbeitung und as Inverkehrbringen von Robbenprodukten in Deutsch- and wirkungsvoll unterbinden wollen. Wir wollen ein Einfuhrverbot für Produkte, die unter nkaufnahme von unvorstellbarem Tierleid auf den arkt kommen. Für diese Produkte werden Tiere er- chossen oder erschlagen, und häufig sterben sie nicht irekt, sondern sind noch bei Bewusstsein, wenn sie ent- äutet werden. In Zahlen gesprochen bedeutet dies: Zu kommerziel- en Zwecken werden weltweit knapp 750 000 Robben ro Jahr getötet. Über 90 Prozent dieser Tiere sind zwi- chen wenigen Wochen und drei Monaten alt. Es steht für mich außer Frage: Das Töten von Tieren, ur um ihre Felle kommerziell zu nutzen, ist ethisch urch nichts zu rechtfertigen. Wir müssen uns nicht ehr mit Fellen bekleiden, wie es unsere Vorfahren ge- an haben. Gerade die Textilindustrie hat in den letzten ahren bewiesen, dass sie dem gesellschaftlichen Trend ach ethisch korrekt erzeugter Bekleidung nachkommen 16622 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) kann. Sie bietet heute eine Vielzahl von Stoffen an, die in ihren Eigenschaften und ihrem Aussehen Tierfellen in nichts nachstehen. Auch in allen anderen Bereichen kön- nen wir heute auf Technologien zurückgreifen, mit deren Hilfe wir den Einsatz von Tierfellen vollständig ersetzen können. Unsere ethischen Bedenken gegen den Einsatz von Robbenfellen teilen bereits seit langem sowohl Me- xiko als auch die USA. Beide Länder haben Einfuhrver- bote für Robbenprodukte erlassen, genauso wie in jüngs- ter Zeit auch Belgien und die Niederlande. In der Schweiz verzichten die Kürschner bereits seit 1967 frei- willig auf die Verarbeitung von Robbenfellen. Leider konnten wir uns in Europa bisher auf keine gemeinsame Position zum Einfuhrverbot von Robbenerzeugnissen verständigen. Ich persönlich hätte mir eine ähnliche Re- gelung für Robbenerzeugnisse gewünscht, wie wir sie auf EU-Ebene bereits für den Import von Hunde- und Katzenfellen erarbeitet haben. Ein Importverbot für diese Fellarten tritt bekanntlich Ende des Jahres in Kraft. Zwar hat der EG-Ministerrat bereits im Jahr 1983 die so- genannte Jungrobbenrichtlinie verabschiedet und damit die Einfuhr des weißen Pelzes wenige Tage alter Robben in die Europäische Gemeinschaft untersagt. Jedoch mussten wir feststellen, dass dieses Verbot nur kurzfris- tig dazu beigetragen hat, die Jagd zu begrenzen. Die Jagdsaison beginnt nun eben zwei Wochen später, wenn die Babyrobben die in der Jungrobbenrichtlinie vorgege- bene Altersgrenze überschritten haben. Es ist für uns nicht akzeptabel, dass seit 1996 alleine in Kanada über drei Millionen Sattelrobben geschlachtet wurden. Denn wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, worum es im Kern dieser Debatte geht: aus- schließlich um die Bedürfnisbefriedigung einer gesell- schaftlichen Minderheit, die Handschuhe, Taschen und Schuhe aus Robbenfelle trägt, um ihre eigene Eitelkeit zu befriedigen. Fellartikel, die auf diese Art als Status- symbol zur Schau getragen werden, sind völlig überflüs- sig. Ich möchte an dieser Stelle insbesondere auf die Jagdpraktiken der Kanadier eingehen, und zwar deshalb, weil Kanada für mehr als ein Drittel der weltweiten Rob- bentötungen verantwortlich ist, und weil gerade die ka- nadische Jägerlobby in den letzten Monaten nichts un- versucht gelassen hat, deutsche Abgeordnete von der Notwendigkeit der kommerziellen Robbenjagd zu über- zeugen. Es ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, dass eine Regierung Jahr für Jahr die grausamen Praktiken ih- rer Jäger vor der Weltgemeinschaft verteidigt, obwohl doch der Umsatz aus diesem Geschäft nur etwas weniger als 10 Millionen Euro pro Jagdsaison beträgt. Die Vertreter der kanadischen Jägerlobby verweisen in persönlichen Gesprächen immer wieder darauf, dass ein Jagdverbot die wirtschaftliche Existenz der Inuit und anderer indigenen Gruppen zerstört. Lassen Sie mich be- tonen, dass wir mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf die berechtigten Interessen der traditionell vom Robben- fang abhängigen Menschen anerkennen und berücksich- tigen. Gleichzeitig wollen wir aber die moderne und rein kommerzielle Jagd auf Robben von der traditionellen Jagd zur Eigenversorgung abgrenzen. Sicherlich kann es sein, dass die Jagd auf Robben in ihrer bisherigen Form d i s d e k R K w k n k f e i e S f d t v n i w p P k w d l t d s t F s l E s S k t w t b z W g h w s a s d v t (C (D azu beiträgt, die wirtschaftliche Existenz bestimmter ndigener Gruppen zu sichern. Es ist aber in diesem Zu- ammenhang die legitime Frage erlaubt, mit welchen an- eren Maßnahmen sich dieses Ziel möglicherweise auch rreichen lässt. Was kann denn ein staatliches Programm osten, das die wirtschaftlichen Verluste derjenigen obbenjäger ausgleicht, die die Jagd aufgeben? Die osten dafür werden durch den zusätzlichen Imagege- inn Kanadas mehr als kompensiert. Mir ist bewusst, dass wir von hier aus nicht auf die anadische Gesetzgebung einwirken können. Wir kön- en aber dafür sorgen, dass wir in unserem Land eine lare gesetzliche Regelung für ein Importverbot schaf- en. Gleichzeitig möchte ich die Gelegenheit nutzen und inen erneuten Appell an die kanadische Regierung und hren Ministerpräsidenten, Stephen Harper, richten: Be- nden Sie diese archaische Form der Pelzgewinnung! ie gehört nicht mehr in diese Zeit! Über 80 Prozent der Deutschen sprechen sich in Um- ragen für ein striktes Importverbot aller Robbenpro- ukte aus. Diesem Wunsch haben wir uns als Parlamen- arier nicht verschlossen. Bereits im Herbst 2006 wurde on den Koalitionspartnern zusammen mit den Fraktio- en von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP ein Antrag n den Deutschen Bundestag eingebracht. Mit diesem urde die Bundesregierung aufgefordert, sich auf euro- äischer Ebene für ein Einfuhr- und Handelsverbot mit rodukten aller Robbenarten einzusetzen, und – wenn eine gemeinsame europäische Position dazu gefunden erden kann – den Import, die Be- und Verarbeitung und as Inverkehrbringen von Robbenprodukten in Deutsch- and effektiv zu unterbinden. Die SPD-Bundestagsfrak- ion hat im September 2006 zugesagt, dass sie genau arauf achten wird, dass die Bundesregierung einen Ge- etzentwurf ausarbeitet, der dem Ansinnen des interfrak- ionellen Antrages entspricht. Der von der Regierung im ebruar dieses Jahres vorgelegte Gesetzentwurf ent- prach leider inhaltlich nicht den Vorstellungen der Par- amentarier. Auch das von der Regierung eingeleitete U-Notifizierungsverfahren für diesen Regierungsvor- chlag war und ist nicht nachvollziehbar. Nach meinem elbstverständnis haben Bundestagsabgeordnete einen laren Wählerauftrag, und der beinhaltet, Sorge dafür zu ragen, dass der Wille der Mehrheit auch umgesetzt ird. Wir sollten uns nicht darauf beschränken, alle poli- ischen Ideen und Gesetzesvorhaben vorab von Brüssel egutachten zu lassen, um sie dann in Deutschland um- usetzen. Einem möglichen Konflikt mit der EU und der TO in dieser Frage sehe ich daher ganz gelassen ent- egen. Ich freue mich sehr, dass die Regierungskoalition eute einen eigenen Gesetzentwurf vorlegt, der einen ichtigen Beitrag zum Robbenschutz leistet. Gemein- am haben wir in den letzten Wochen viele Bedenken nderer Ministerien, insbesondere die des Bundeswirt- chaftsministeriums, ausgeräumt. Lassen Sie uns nun zügig den Gesetzentwurf durch ie parlamentarischen Beratungen bringen, damit noch or der Sommerpause ein Robbenschutzgesetz in Kraft ritt, das seinen Namen wirklich verdient. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16623 (A) ) (B) ) Mechthild Rawert (SPD): Endlich, endlich legt die Bundesregierung den „Gesetzentwurf über das Verbot der Einfuhr, der Verarbeitung und des Inverkehrbringens von Robbenerzeugnissen“ vor. Darauf haben wir Parla- mentarierinnen und Parlamentarier lange warten müs- sen. Denn schon vor eineinhalb Jahren haben wir in ei- nem interfraktionellen Antrag der Bundesregierung den eindeutigen Auftrag für ein „Handelsverbot für Robben- felle“ erteilt. Mir ist es unbegreiflich, dass sich Die Linke diesem Antrag damals nicht anschließen konnte. Vielleicht überdenkt sie heute noch mal ihre Haltung. Wir wollten und wollen nach wie vor, dass die Bun- desregierung sich auf EU-Ebene für ein europaweites Einfuhr- und Handelsverbot bei Produkten aller Robben- arten einsetzt. Damals schon hatten wir ein nationales Importverbot von Robbenprodukten gefordert, sollte ein europaeinheitliches nicht zustande kommen. Da aber dieses Verbot auf europäischer Ebene derzeit nicht abzu- sehen ist, beginnen wir heute mit diesem nationalen Ver- bots-Alleingang. Ich bin überzeugte Europäerin. Deshalb habe ich heute Morgen meine Stimme sowohl für die notwendige Grundgesetzänderung als auch für den Reformvertrag der Europäischen Union abgegeben. Dass ich von mei- nen Rechten als nationale Parlamentarierin zu nationalen Alleingängen noch am gleichen Tag Gebrauch machen werde, finde ich durchaus erwähnenswert: Die parla- mentarische Demokratie in Deutschland funktioniert also trotz aller Unkenrufe auch weiterhin! Es ist aber auch zu ärgerlich: Die Europäische Kom- mission hatte angekündigt, bis Ende 2007 eine Studie unter Federführung der Europäischen Behörde für Le- bensmittelsicherheit erstellen zu lassen, in der unter an- derem alle vorliegenden wissenschaftlichen Informatio- nen über Tierschutzaspekte bei der Robbenjagd erfasst würden. Auf dieser Grundlage wollte die Kommission dem Europäischen Parlament gegebenenfalls erforderli- che Legislativvorschläge unterbreiten. Die Studie liegt vor: Bestätigt werden die Schmerzen und das Leiden der Robben bei ihrer Tötung. Aber es passiert nichts. Von einem Einfuhr-, Ausfuhr- und Ver- kaufsverbot von Robbenprodukten ist am Gemein- schaftshimmel unserer 27 Mitgliedstaaten rein gar nichts zu sehen. Also handeln wir als deutsche Gesetzgeberin selber. Nach Belgien und den Niederlanden will ich Deutschland auf den dritten Vorreiterplatz für ein natio- nales „Handelsverbot für Robbenprodukte“ setzen. Denn die Zeit drängt: Weltweit werden jedes Jahr circa 750 000 Robben von mindestens 15 unterschiedli- chen Spezies für kommerzielle Zwecke getötet und ge- häutet. 60 Prozent der Jagd wurden 2006 von Kanada, Grönland und Namibia durchgeführt. In Kanada sind seit 1996 mehr als 3 Millionen Sattelrobben getötet worden. Kanadische Gesetze erlauben gezielte Robbentötungen: 275 000 Sattelrobben wurden allein in diesem Jahr vom kanadischen Fischerei- und Meeresministerium offiziell zum Töten freigegeben. Ich fordere die Bundesregierung auf, sich auf bilateraler Ebene weiterhin vehement für den Stopp der Robbentötungen einzusetzen. k l u R n K u w n E s v s t p d e r u n n M f f s s S v P g r A a a g b a a l f b A V f b u R n K b m (C (D Mit der heutigen ersten Lesung des Gesetzentwurfes önnen wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier end- ich mehr tun, als uns gemeinsam mit Tierschützerinnen nd Tierschützern über das alljährlich wiederkehrende obbentöten zu entsetzen. Die Robbenjäger gehen ja icht zimperlich mit den Robben um. Insbesondere in anada werden Robben oft mit Bootshaken, Knüppeln nd Hakapiks getötet oder zu töten versucht. Danach ird den Robben das Fell abgezogen. Das erfolgt oft och bei lebendigem Leib. Ich erspare Ihnen weitere inzelheiten. Wir haben die Bilder dieser blutigen Mas- enabschlachtungen von Hunderttausenden von Robben or Augen. Weit mehr als 90 Prozent der getöteten Tiere ind Jungtiere im Alter von zwei Wochen bis drei Mona- en. Wir wollen das nationale „Handelsverbot für Robben- rodukte“ aus Gründen des Artenschutzes. Wir wollen as Verbot aus Tierschutzgründen. Mit diesem Gesetz- ntwurf tragen wir Parlamentarierinnen und Parlamenta- ier aber auch der massiven Ablehnung weiter Teile nserer Bevölkerung gegenüber der Robbenjagd Rech- ung: Eine von der britischen Opinion Research Busi- ess im Februar 2007 in Deutschland durchgeführte einungsumfrage zeigt, dass 88 Prozent der Befragten ür ein Verbot der Robbenjagd sind. 81 Prozent der Be- ragten verlangen zudem ein striktes Einfuhrverbot für ämtliche Robbenerzeugnisse. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass die be- chriebenen Grausamkeiten in Einrichtungen wie chlachthöfen oder Forschungslaboren in Deutschland erboten sind. Selbstverständlich würden sie von uns arlamentarierinnen und Parlamentariern auch niemals eduldet oder hingenommen werden. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hö- en, es gibt noch „Jagd“-Probleme in der CDU/CSU. uch wir unterstützen die traditionellen und deswegen usdrücklich erlaubten Robbentötungen der Inuit – aber uch nicht mehr. Ein „Waidmannsheil“ ist hier nicht an- ebracht. Warum sollten wir das brutale Töten von Rob- en hinnehmen? Meine SPD-Fraktion und vor allem uch ich selber werden die grausamen Robbentötungen uf jeden Fall nicht hinnehmen. Die Zeit drängt: Wir müssen, wollen und werden end- ich, endlich handeln! In Deutschland, in Europa gibt es ür die Robbenjagd überhaupt keinen Grund. Für Rob- enfelle und andere Robbenprodukte gibt es viele andere lternativen. Ziel unseres Gesetzentwurfes ist daher das erbot, Robbenerzeugnisse zu Erwerbszwecken einzu- ühren, zu be- oder verarbeiten oder in den Verkehr zu ringen. Ich appelliere an Sie alle: Sorgen Sie gemeinsam mit ns dafür, dass in Deutschland kein Absatzmarkt für obbenerzeugnisse wie zum Beispiel Felle oder Well- ess-Produkte mehr existiert! Ich appelliere an Sie, meine werten Kolleginnen und ollegen: Lassen Sie uns diesen Gesetzentwurf zügig eraten! Wir wollen das Gesetz doch so schnell wie öglich verabschieden. 16624 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) Christoph Pries (SPD): Auch in diesem Jahr haben uns im März wieder die immer gleichen Bilder von der Robbenjagd erreicht. In Kanada werden pro Jahr rund 300 000 junge Robben von Pelzjägern auf teilweise grausame Art und Weise getötet. Viele Tiere sind noch nicht tot, wenn Ihnen das Fell abgezogen wird. Daran ändert auch nichts, dass die kanadische Regierung kurz- fristig für die diesjährige Jagdsaison ihre Jagdvorschrif- ten verschärft hat. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzt der Deut- sche Bundestag ein Zeichen: Beim Tierschutz dürfen Pelzmäntel und Antifaltenmittel kein Hinderungsgrund sein. Gleichzeitig gewährleisten wir durch eine Ausnah- meregelung in Art. 2 des Gesetzes, dass die traditionelle Robbenjagd indigener Völker weiterhin möglich ist. Mit der Einbringung des vorliegenden Gesetzentwurfes set- zen wir den fraktionsübergreifenden Beschluss des Deutschen Bundestages vom 19. Oktober 2006 um. Wir hatten die Bundesregierung damals aufgefordert, sich auf EU-Ebene für ein gemeinschaftsweit geltendes Ein- fuhr- und Handelsverbot mit Produkten aller Robbenar- ten einzusetzen. Da ein Einfuhrverbot auf EU-Ebene, trotz der zu beobachtenden Bewegung in Brüssel, zeit- nah nicht realisierbar scheint, wird mit dem vorliegen- den Gesetzentwurf nunmehr der Forderung des Bundes- tages auf nationaler Ebene Rechnung getragen: Der Import von Robbenerzeugnissen nach Deutschland so- wie die Be- und Verarbeitung und das Inverkehrbringen von Robbenerzeugnissen in Deutschland werden unter- sagt. Mit der heutigen ersten Lesung stellen wir sicher, dass das Gesetz vor Beginn der nächsten Jagdsaison in Kraft tritt. Wir folgen damit Belgien, den Niederlanden und den USA, die bereits Import- und Handelsverbote für Robbenerzeugnisse beschlossen haben. Weitere Län- der werden folgen: Österreich, England, Frankreich und Italien bereiten zurzeit ähnliche Gesetze vor. Ich hoffe, dass es auf diesem Weg langfristig gelingen wird, zu einem europaweiten Einfuhr- und Handelsver- bot für Robbenerzeugnisse zu kommen. Hans-Michael Goldmann (FDP): Gut eineinhalb Jahre sind seit der letzten Beratung und Beschlussfas- sung des gemeinsamen Antrages hier im Haus vergan- gen. Wir, die FDP-Bundestagsfraktion, und die Kolle- ginnen und Kollegen aus den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben damals überein- stimmend beschlossen: Wenn die EU kein Handelsver- bot für Robbenprodukte auf den Weg bringt, dann solle die Bundesregierung ihrerseits auf nationaler Ebene han- deln. Diesen Entwurf hat die Bundesregierung nun ein- gebracht, und diesen Entwurf diskutieren wir heute. Auch wenn viel Zeit vergangen ist, diese Zeit war notwendig, um die Argumente zu gewichten, zu prüfen und nun zu entscheiden. Wir reden hier über ein sehr emotionales und komplexes Thema, das jedes Jahr er- neut von weltweiten Protesten begleitet wird, wenn die Robbenjagd beginnt. d j d K w w z S d d d V s z L g L L d b e d w O O N d s k d w s n w A m Z e b m n s c z a d t i n g R J d E G (C (D Ich will zwei Argumentationslinien aufgreifen. Auf er einen Seite steht der Tierschutz. Robben werden ge- agt. Und die Jäger töten die Tiere durch Schüsse und lei- er immer noch durch Schläge mit dem Hakapik oder nüppeln. Im Raum steht dabei der Vorwurf, die Tiere ürden gehäutet, während sie noch nicht völlig das Be- usstsein verloren hätten. Kanada weist diese Vorwürfe urück und betont, man habe inzwischen einen weiteren chritt eingeführt, um sicherzustellen, dass Robben bei er Häutung tot seien, und zwar durch das Durchtrennen er Schlagader. Das deutet zumindest darauf hin, dass ie kanadische Regierung engere Leitplanken für das orgehen der Jäger setzt. Diese Leitplanken müssen ein, damit das Leid der Tiere auf ein Minimum redu- iert wird. Und diese Regelungen müssen seitens der andesbehörden strengstens kontrolliert und von den Jä- ern eingehalten werden. Robben dürfen nicht ihrem eiden überlassen werden und nicht bei lebendigem eibe gehäutet werden. Punkt. Auf der anderen Seite stehen die Argumente der kana- ischen Regierung und der Ureinwohner. Am 7. April egrüßte ich zusammen mit Vertretern aller Fraktionen ine kanadische Delegation, die uns ihre Sicht der Dinge arlegte und uns Abgeordneten aber auch Rede und Ant- ort stand. Einer der Delegationsteilnehmer war Paul kalik, der Premierminister der Arktisregion Nunavut. kalik ist ein Inuit, ein Angehöriger der Ureinwohner in ordkanada. Okalik befürchtet, dass das geplante Han- elsverbot für Robbenprodukte seinem Volk einen chweren Schaden zufügen wird. Ich kenne diese Beden- en und sie wiegen schwer. Niemand stellt infrage, dass ie Inuit weiter Robben für ihre Zwecke jagen und auch irtschaftlich verwerten dürfen. Dafür enthält das Ge- etz eine Ausnahmeregelung: Und zwar dürfen Produkte ur dann noch nach Deutschland importiert werden, enn sie von Robben stammen, die in der traditionellen rt und Weise der Inuits gejagt und erlegt werden. Zwischen diesen beiden Dimensionen liegt die kom- erzielle Robbenjagd, die innerhalb eines bestimmten eitfensters eine Vielzahl von Robben für Pelze und Öle rlegt. Es bleibt dadurch bei der traurigen Bilanz, dass ei der jährlichen Robbenjagd viele Tiere unnötig leiden üssen. Die Frage ist aber, warum müssen Robben dann ach wie vor mit Knüppeln oder dem Hakapik brutal er- chlagen werden? Zuzulassen, dass daraus wirtschaftli- her Gewinn durch die Vermarktung in Deutschland ge- ogen wird, ist nicht vertretbar. Ein Wort noch zur Frage, wie die Märkte darauf re- gieren werden. Der überwiegende Teil der Robbenpro- ukte wird nach China, Osteuropa und Russland expor- iert. Dass die Märkte durch dieses deutsche Gesetz nsgesamt zusammenbrechen werden, das glaube ich icht. Für mich ist es aber auch klar, dass es keinen rundsätzlichen Unterschied bei der Jagd auf Rehe und obben gibt – solange die Regeln der ordnungsgemäßen agd eingehalten werden. Deshalb gilt es, dies den Kana- iern noch einmal deutlich zu machen. Und wenn sie das inhalten dieser Regeln gewährleisten, gibt es keinen rund mehr für ein Importverbot. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16625 (A) ) (B) ) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Bereits seit den 80er-Jahren wird die brutale und grausame Robben- jagd in der deutschen Öffentlichkeit kritisiert. Sicher können Sie nachempfinden, wie es sich anfühlen muss, die Haut am lebendigen Leibe abgezogen zu bekommen. Jetzt, nach 25 Jahren, regt sich endlich die Regierung und reagiert auf die tierquälerische Abschlachtung der Tiere. Allerdings sehr zögerlich. Eilig scheint es die Bundesregierung nicht gehabt zu haben. Deutschland bildet hier in Sachen Tierschutz eindeutig ein Schluss- licht. Denn die USA und Mexiko verhängten bereits vor Jahren ein Handelsverbot für Robbenprodukte. Von dem einstimmig angenommenen Antrag eines Einfuhr- und Handelsverbots von Robbenprodukten nach Deutschland bis zum aktuellen Bundeskabinettsbe- schluss sind nun fast zwei Jahre vergangen. Aus diesem Antrag wurde die Fraktion Die Linke übrigens nach den vorbereiteten Gesprächen ausgeschlossen. Jetzt liegt ein neuer Antrag der Koalition vor. Auch die Tatsache, dass sich die Europäische Kom- mission bisher immer noch nicht zu dem eigentlichen Ziel – einem Einfuhrverbot auf EU-Ebene – geäußert hat, ist ein Armutszeugnis. Diese Verzögerungen sind in- akzeptabel. Zum einen werden in der Zwischenzeit, bis das Ge- setz in Kraft tritt, weitere 300 000 Tiere getötet. Davon wird circa 30 000 Tieren der Schädel mit Stangen einge- schlagen, und wenn sie nicht direkt sterben, wird ihnen auch am lebendigen Leibe die Haut abgezogen. Zum anderen bekommen Länder wie Kanada die Möglichkeit, sich einen Vorrat an Robbenprodukten zu- zulegen, den sie dann nach Inkrafttreten des Gesetzes weiterhin nach Deutschland importieren dürfen. Denn nach § 4 Abs. 1 dürfen Robbenprodukte von Tieren, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes getötet wurden, wei- terhin importiert werden. Dadurch wird das Ziel des Ge- setzes, dem tierquälerischen Massenabschlachten einen Riegel vorzuschieben, zumindest vorerst unterlaufen. Für 2008 hat die kanadische Regierung 275 000 Sattelrobben und 8 200 Klappmützenrobben zur Jagd freigegeben, mit dem Einwand, dass dies zur Erholung der Kabeljaubestände notwendig sei. Wir allerdings sagen: Die Ursache für den Zusammenbruch der Ka- beljaubestände liegt in der Überfischung der Meere. Heute gelten 75 Prozent aller weltweit genutzten Fisch- bestände als überfischt oder von Überfischung bedroht. Robben hingegen bevorzugen häufig für den Men- schen unbedeutende Meerestiere. Sattelrobben fressen beispielsweise Tintenfische, zu deren Beute auch junger Kabeljau gehört. Weniger Robben heißt also auch: weni- ger Kabeljau. Bei der Festlegung der Fangquote werden auch an- dere Gefahren für die Robbenpopulationen nicht berück- sichtigt. So ist die globale Erwärmung eine akute Bedro- hung für Robben, da sie auf Packeis angewiesen sind, auf dem sie ihre Jungen zur Welt bringen. Bereits im Winter 2002 starben 75 Prozent der Jungtiere, weil das Eis so dünn war, dass die noch schwimmunfähigen Jung- robben in den ersten Wochen ertrunken sind. Auch 2007 s L b t j 1 m b a j w D s b E G n R D z b e R p e z s s S r b – f n l d w R E B N d R H r b g E o l t (C (D tarben über 200 000 neugeborene Robben im Sankt- orenz-Golf aufgrund des fehlenden Packeises schon evor die Jagd überhaupt begann. Schön, dass dieses Gesetz, wenn auch völlig verspä- et, wenigstens in der nächsten Jagdsaison im Früh- ahr 2009 greifen wird. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Am 9. Oktober 2006 sprach sich dieses Parlament einstim- ig für ein Verbot der Einfuhr und des Handels mit Rob- enprodukten aus. Wir forderten die Bundesregierung uf, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Was haben wir gewollt? Wir wollten, dass dem all- ährlichen Robbenschlachten endlich ein Ende gesetzt ird. Das entspricht auch dem Willen der Bevölkerung. enn eine Meinungsumfrage ergab im Jahr 2007, dass ich 88 Prozent der Deutschen für ein Verbot der Rob- enjagd aussprechen, 81 Prozent zudem für ein striktes infuhrverbot. Wir können die Robbenjagd in Kanada, Norwegen, rönland oder Namibia nicht verbieten. Aber wir kön- en durch ein Import- und Handelsverbot den Markt für obbenprodukte austrocknen. Ohne Markt kein Produkt. em Robbenmord wird so der ökonomische Antrieb ent- ogen. Genau anderthalb Jahre hat die Bundesregierung ge- raucht, dieses Gesetz vorzulegen. Der erste Grund für diese lange Frist: Warten auf eine uropäische Regelung. Sicher macht eine europäische egelung Sinn, denn die Schließung des gesamten euro- äischen Marktes entfaltet eine größere Wirkung als die ines einzelnen Landes. Aber schon damals waren ein- elne Nationalstaaten tätig geworden in der Absicht, ent- prechende Signale an die EU zu senden. Deutschland ollte dieses Signal verstärken, anstatt in abwartende tarre zu verfallen. Der zweite Grund für diese lange Frist waren Diffe- enzen im Kabinett. Die Bundesregierung scheute offen- ar vor den Drohungen aus den Robbenjagdländern insbesondere Kanada – zurück. Sie fürchtete Schäden ür unsere exportorientierte Wirtschaft. Und dass von ka- adischer Seite gedroht wurde, konnten wir jüngst miter- eben. Am 7. April bei einem Gespräch von Vertretern es Agrarausschusses mit einer Delegation aus Kanada urde von kanadischer Seite wörtlich gesagt, dass ein obbenerzeugnis-Handelsverbot Auswirkungen auf die U haben wird. Diese Drohungen, verbunden mit einem esuch des Bundestagspräsidenten Dr. Lammert in unavut, Kanada, haben offenbar Wirkung gezeigt: An- erthalb Jahre nach dem Bundestagsbeschluss für ein obbenerzeugnisse-Verbot und zwei Jagdperioden und underttausende tote Robben später haben die Regie- ungsfraktionen zwar einen Gesetzentwurf über das Ver- ot der Einfuhr, der Verarbeitung und des Inverkehrbrin- ens von Robbenerzeugnissen vorgelegt. Aber dieser ntwurf, auf den das Parlament, zahlreiche Tierschutz- rganisationen und die interessierte Öffentlichkeit so ange gewartet haben, stellt sich beim näheren Betrach- en als zahnloser Tiger heraus. 16626 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) Sicher, jede Verbotsregelung enthält aus gutem Grund auch Ausnahmen. Aber hier wird doch der gute Grund überstrapaziert. In § 2 Abs. 4 heißt es, dass Robben- erzeugnisse dann gehandelt werden dürfen, wenn sie von Tieren stammen, die von indigenen Völkern in deren tra- ditioneller Art und Weise gejagt und erlegt worden sind. Das klingt auf den ersten Blick vertretbar. Aber der Ha- senfuß kommt noch: Dafür bedarf es lediglich einer ent- sprechenden allgemeinen Bestätigung der zuständigen Behörde des Herkunftslandes gegenüber dem Agrar- ministerium, dass Robbenerzeugnisse aus ihrem Land dieser Anforderung entsprechen. Das Gesetz will also nicht wirklich zwischen aus der Jagd von Inuit stammen- den und kommerziellen Erzeugnissen unterscheiden, sondern es will die Länder danach einteilen, ob sie ins- gesamt Inuit-Produkte liefern oder nicht. Das geht völlig an der Realität vorbei. Außerdem ist es völlig aberwit- zig, darüber auch noch die Herkunftsländer entscheiden zu lassen. Zum Beispiel Kanada: Die diesjährige Quote für Ein- geborene (Aboriginals) belief sich auf 4 950, die Ge- samtquote auf 275 000 Sattelrobben. Dazu kommen etwa 25 000 Ringelrobben, die aber nicht quotiert sind. Ringelrobbenfelle sind im Übrigen bisher nie auf dem Markt aufgetaucht. Wie wollen wir mit diesem Gesetz sicher sein, dass zukünftig nur traditionelle Inuit-Fänge hier landen? Und heißt „traditionell“ wirklich mit Kajak und Harpune ge- jagt? Wie die kanadische Delegation berichtete, werden dort heute 95 Prozent der Tiere mit Jagdgewehren getö- tet. Kanada wird voraussichtlich dennoch bestätigen, dass seine Robbenprodukte aus Inuit-Jagden stammen. Unter dem Deckmantel des Schutzes nationaler Minder- heiten werden der Tierschutz und der Naturschutz kon- terkariert. So taugt das Gesetz nichts. Deshalb rate ich dringend zu einer gründlichen Überarbeitung im parlamentari- schen Verfahren. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Chancen des demo- graphischen Wandels im Tourismus nutzen (Tagesordnungspunkt 19) Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Ja, es gibt einen demo- grafischen Wandel, aber auch diesem können weitere folgen, zum Beispiel, wenn die Zahl der Geburten wie- der deutlich steigt. Ja, auch in einem weiteren Punkt stimmen wir überein: Man muss sich diesem Wandel auch im Tourismus stellen, ihn als Chance begreifen, statt ihn zu beklagen. Vieles in dem vorliegenden Antrag der Koalition ist nicht falsch. Aber solange Bundesregie- rung und Koalitionsfraktionen Tourismuspolitik nur be- treiben, um einen großen, wichtigen und expandierenden Wirtschaftsbereich markt- und konkurrenzfähiger zu ma- chen, wird sie falsche Akzente setzen. Alle umwerben die sogenannten Best Agers, „Silber- haare“ und was es noch so für charmante Bezeichnungen f m d T a e n T z B V g r n z m t B m t n T w g n E v H D r u A i w s s d A m v n d a d u g m s a d g B w s g h T g D (C (D ür die über 50-Jährigen, solventen und reiselustigen Da- en und Herren gibt. Das ist die Bevölkerungsgruppe, ie oft reist und auch nicht wenig Geld dafür ausgibt. Die ourismuswirtschaft stellt sich – völlig losgelöst und un- bhängig von Ihrem Antrag – zunehmend darauf ein, die inen mehr und die anderen weniger erfolgreich. So ist es un einmal in der Marktwirtschaft. Die Linke sieht in der ourismuspolitik vor allem die Aufgabe, Reisen für alle u ermöglichen, da Reisemöglichkeiten ein wichtiger eitrag zur Erholung, Bildung und Gesundheit sind. iele Menschen, auch Ältere, sind vom Reiseboom aus- eschlossen. Ihnen stehen viele Barrieren entgegen. Eine Barriere ist das fehlende Einkommen, die zu ge- inge Rente, die wachsende Altersarmut. Es können eben icht alle unbeschwert über das Reisen nachdenken, wie wei Drittel der Gesellschaft. Zudem befinden wir uns itten in einem Trend, der eine zunehmende Aufspal- ung der Gesellschaft befördert. Die einen haben über ildung und Arbeitsmöglichkeiten Zugang zu Einkom- en und vielen kulturellen, wirtschaftlichen und auch ouristischen Angeboten. Andere haben diesen Zugang icht und auch kaum Aussichten auf Änderung. Diesen rend zu stoppen und umzukehren, wird schwer. Aber ir müssen das erreichen! Wir brauchen also Angebote für Menschen mit niedri- en Einkommen. Gruppen von über das Einkommen be- achteiligten Menschen gibt es in allen Ländern der rde. Interessant sind die verschiedenen Ansätze, die es on Land zu Land gibt, in diesem Bereich etwas zu tun. ier lohnt der Blick in die westlichen Nachbarländer. er dortige Sozialtourismus, zum Beispiel in Frank- eich, schafft Reisemöglichkeiten für diese Menschen, nd auch die Tourismuswirtschaft partizipiert davon. uch Deutschland wäre gut beraten, endlich aktiv in der nternationalen Organisation des Sozialtourismus mitzu- irken. Weitere Barrieren sind baulicher Art bei Hotels, Gast- tätten, Kultureinrichtungen, im ÖPNV und der Infra- truktur. Ich finde es bezeichnend und unakzeptabel, ass zu Fragen des barrierefreien Tourismus in diesem ntrag der Koalition nichts steht. Wie kann man den de- ografischen Wandel als Chance nutzen wollen und die ielen Barrieren im Tourismus ausblenden? Hier geht es icht um Sonderlösungen für ein paar Behinderte, son- ern um die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen m gesellschaftlichen Leben. Meine Erfahrungen sind, ass Barrierefreiheit letztendlich vielen zugute kommt nd zumindest niemanden stört. Rollstuhlgerechte Zu- änge und Wege erfreuen auch ältere Menschen, Eltern it Kinderwagen, Reisende mit schwerem Gepäck und elbst Kinder mit Drei- oder Laufrad und Jugendliche uf Skateboards. Ich weiß, dass nicht von einem Tag auf en anderen alle Gebäude, Wege und Verkehrsmittel um- ebaut werden können. Ich sehe aber nicht ein, dass zum eispiel für viel Geld nach wie vor ICE-Züge gebaut erden, in denen nur ein einziger Rollstuhlfahrer mitrei- en kann. Ebensowenig ist einzusehen, dass in denkmal- eschützten Gebäuden die Schaffung von Barrierefrei- eit ausgeschlossen sein soll. Moderne Heizungen und oiletten, Strom, Brandschutzanlagen und Telefonleitun- en passen schließlich auch in mittelalterliche Gebäude. er Berliner Fernsehturm ist ein typisches Beispiel: Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16627 (A) ) (B) ) Menschen mit einem Rollator, im Rollstuhl oder mit ei- nem Blindenbegleithund dürfen auf dieses weltbekannte Berliner Wahrzeichen nicht hinauf. Der Berliner Behin- dertenverband hat deswegen für den 30. April um 11.00 Uhr zu einer Kundgebung am Berliner Fernseh- turm „Wir wollen hinauf!“ aufgerufen. Ich unterstütze diese Aktion aus vollem Herzen und hoffe, dass dies auch andere Bundestagsabgeordnete aus allen Fraktio- nen tun. Die Telekom und deren Tochter, die Deutsche Funkturm GmbH, sind als Eigentümer gefordert. Wir sollten sie bei der Lösung dieser anspruchsvollen Auf- gabe nicht allein lassen. Es ist in meinen Augen Aktionismus, wenn die Koali- tion einen tourismuspolitischen Antrag nach dem ande- ren vorlegt, um bei den ohnehin boomenden Bereichen hinterherzuschwimmen. Erst der Kreuzschifffahrtstou- rismus, dann die Geschäftsreisenden und nun die Best Agers. Wir brauchen keine Schaufensteranträge, sondern fraktionsübergreifend und unter Mitwirkung eines Tou- rismusministers spürbare Maßnahmen, um allen Men- schen den Zugang zu und die Nutzung von touristischen Angeboten zu ermöglichen. Sicher wird die Zahl der Kinder und Jugendlichen in unserem Land kleiner, si- cher sind weder Menschen mit Behinderungen noch Mi- grantinnen und Migranten die Mehrheit der Bevölke- rung. Trotzdem ist gerade hier die Politik gefragt. An erster Stelle fordern Sie von der Bundesregierung „ein Leitbild für den Deutschlandtourismus unter beson- derer Berücksichtigung der demographischen Entwick- lung … zu erstellen“. Diese Forderung teilen wir, der Bundestag muss dazu aber andere Prämissen setzen, als Sie es tun. Die Linke hat sich unter dem Titel: „Reisen für alle, für sozial gerechten, barrierefreien und ökologisch ver- antwortbaren Tourismus“ auf fünf Leitbilder verständigt, die wir gern in die Diskussion – auch um diesen Antrag – einbringen möchten. Für uns stehen im Mittelpunkt ers- tens das Recht auf Tourismus; zweitens die Rechte für die im Tourismusgewerbe Beschäftigten; drittens die Verbesserung der Barrierefreiheit; viertens die ökologi- sche Verantwortbarkeit und fünftens der Tourismus im ländlichen Raum. Und: Wenn wir über Leitbilder disku- tieren, sollten wir auch den Globalen Ethik-Kodex der Welttourismus-Organisation (UNWTO) sowie die zahl- reichen programmatischen Angebote vom Deutschen Tourismusverband, von der Nationalen Koordinierungs- stelle Tourismus – NatKo – und weiteren auf touristi- schem Gebiet tätigen Vereinen und Verbänden einbezie- hen. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des VW-Gesetzes (Tagesordnungs- punkt 18) Rainer Brüderle (FDP): In seinem Urteil zum VW- Gesetz hat der Europäische Gerichtshof im vergangenen Herbst bemängelt, dass das VW-Gesetz abschreckend a s d l g w k e t g i s u s w G V G t u u r M c M w b s i W d d n i a e i s a b J D V B o f m (C (D uf Investoren wirkt und den freien Kapitalverkehr be- chränkt. Die Intention der Gerichtsentscheidung ist eutlich. Die Konsequenz daraus kann eigentlich nur auten: Schaffen wir das VW-Gesetz ab! Es entspricht anz sicher nicht dem Geist des Richterspruches, mit enigen Detailänderungen möglichst viele Beschrän- ungen aus dem alten Gesetz beizubehalten, auch wenn s Bestrebungen in der Bundesregierung gibt, dies zu un. Der Ordnungsruf aus Luxemburg hat die Bundesre- ierung nicht zur Vernunft gebracht. Die Protektionisten n der Regierung bauen weiter neue Barrieren um deut- che Unternehmen. Dass die Linken sich auch vor diesen Karren spannen, m beim VW-Konzern ihre Vision von einem Staats- ozialismus zu retten, wundert niemanden. Die Linken ollen möglichst viel von den Besonderheiten des VW- esetzes und der Ausnahmestellung des Unternehmens olkswagens bewahren. Das ist aber der falsche Ansatz. esetze sollten für alle Unternehmen gleichermaßen gel- en, auch das Aktiengesetz. Für eine Sonderbehandlung nd einen Schutz vor den Regeln des Kapitalmarkts gab nd gibt es keinerlei Berechtigung. Langfristig profitie- en auch die Arbeitnehmer am meisten von offenen ärkten. Arbeitsplätze können nicht per Gesetz gesi- hert werden, sondern nur, wenn ein Unternehmen am arkt erfolgreich ist und Gewinne erwirtschaftet. Volks- agen sollte sich gegenüber anderen Autobauern durch essere Autos hervortun können, nicht durch Sonderge- etze. Die Linken räumen in ihrem Antrag selbst ein, dass hr Ansinnen ordnungspolitische Bedenken hervorruft. arum sollte bei VW weniger effizient gearbeitet wer- en müssen als in anderen Unternehmen? Warum sollten ie Autos bei Volkswagen teurer produziert werden als ötig? Besonders plastisch wird das an einer Vorschrift m VW-Gesetz, die den Gewerkschaften eine einzig- rtige Stellung verschafft: Für jede Entscheidung über inen Produktionsstandort ist eine Zweidrittelmehrheit m Aufsichtsrat nötig. Gegen das Votum der Gewerk- chaften kann keine Fabrik geschlossen werden, aber uch keine neue Werkshalle an einem neuen Standort ge- aut werden. In der FAZ vom 11. Februar 2008 schreibt Joachim ahn, der den Prozess vor Ort verfolgt hat: Wie verhängnisvoll gerade diese Bestimmung ist, hat der Strafprozess um die Korruption von VW- Betriebsräten durch Lust- und Luxusreisen deutlich gemacht. Ob Bernd Pischetsrieder oder Ferdinand Piëch – kein hochkarätiger Zeuge verzichtete im Schwurgerichtssaal auf den Hinweis, dass sich das Management wegen dieser Vorschrift mit dem Vor- sitzenden des Weltbetriebsrats, Klaus Volkert, habe gutstellen müssen. ie europäischen Richter haben diese Bestimmung des W-Gesetzes nicht aufgespießt. Sie mag europäischen estimmungen nicht entgegenstehen. Sie ist aber ganz ffenkundig nicht sinnvoll. Deshalb ist ein klarer Schnitt ällig. Das System Volkswagen mit dieser Mentalität uss ein Ende haben. 16628 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) Die Volkswagen AG ist nicht gleicher oder ungleicher als jedes andere Automobilunternehmen in Deutschland. Als Quelle einer kreativen und leistungsfähigen For- schung und Entwicklung, als Ort einer sich ständig per- fektionierenden Produktion und als verlässlicher Steuer- zahler ist die Volkswagen AG genauso schützenswert wie kleingewerbliche Werkstätten, mittelständische Zu- lieferunternehmen und andere deutsche Automobilher- steller. Auch für dieses Unternehmen muss deshalb der Gleichheitsgrundsatz vor dem Gesetz gelten, welcher das Vertrauen in unsere Rechtsstaatlichkeit schließlich begründet. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, Automobile zu bauen. Mit den bestehenden allgemeinen Vorschriften des Aktiengesetzes und des Handelsgesetzbuchs unter Einhaltung der Satzung der Volkswagen AG ist das Un- ternehmen auch in Zukunft ausreichend geschützt. Das Ende des VW-Gesetzes ist überfällig. Selten war eine Reform so einfach wie hier. Jetzt sollte endlich die Gele- genheit genutzt werden, das VW-Gesetz abzuschaffen und aus Volkswagen ein normales Unternehmen zu ma- chen. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 15. Dezember 2003 über Politischen Dialog und Zusammenarbeit zwi- schen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Anden- gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten (Boli- vien, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela) andererseits (Tagesordnungspunkt 21) Eduard Lintner (CDU/CDU): Zwar ist der Grund für das vorliegende Gesetz ein eher formaler – der Aus- tritt Venezuelas aus der Andengemeinschaft –, aber die Gelegenheit, einmal – wenn auch nur kurz – über unsere Beziehungen zu Lateinamerika im Allgemeinen und zur Andengemeinschaft im Besonderen zu sprechen, ist hoch willkommen: zum einen deshalb, weil die häufig beschworene „strategische Partnerschaft“ und die vielen gemeinsamen kulturellen Wurzeln sowie das einigende Band gemeinsamer demokratischer Überzeugungen nicht nur verbal betont, sondern auch mit konkreten poli- tischen Inhalten gefüllt werden müssen, zum anderen, weil sich in Lateinamerika derzeit ein radikaler politi- scher Wandel vollzieht, der uns in Europa nicht gleich- gültig sein kann. Auch steht die Reise der Bundeskanzle- rin nach Südamerika unmittelbar bevor. Es ist also Zeit, dass auch der Deutsche Bundestag sein Interesse am Geschehen in und um Lateinamerika zeigt und bekräftigt. Zunächst einmal weist das heutige Thema darauf hin, dass sich Europa und vor allem auch Deutschland um enge, dann aber auch tatsächlich aktiv gepflegte Bezie- hungen zu den regionalen Zusammenschlüssen Anden- gemeinschaft CAN und Mercosur in Südamerika, SICA i m t d z g u m M s s u E s D w g F s p s u f d V f a s g r M k ü c k h R n t r t s A G S s g d k u j (C (D n Zentralamerika und CARIFORUM in der Karibik be- ühen sollte. Die Intensivierung der Zusammenarbeit ist in höchs- em Maße wünschenswert, weil wir sonst gegenüber den ynamisch wachsenden wirtschaftlichen Verflechtungen wischen Lateinamerika und China ins Hintertreffen zu eraten drohen. Das wäre vor allem für Deutschland eine nangenehme Entwicklung, weil gerade deutsche Fir- en in vielen Ländern – wie zum Beispiel Brasilien und exiko – einen erheblichen Teil des nationalen Brutto- ozialprodukts erwirtschaften. Und natürlich macht auch ein Rohstoffreichtum Lateinamerika höchst attraktiv für ns und ganz Europa. Hinzu kommt, dass im Hinblick auf multinationale inrichtungen – wie zum Beispiel die UNO – gemein- ame Interessen und Auffassungen bestehen, was für die urchsetzung von Reformvorhaben – wie etwa der Er- eiterung – des Sicherheitsrats von großem Interesse ist. Das reiche gemeinsame kulturelle Erbe und die enge eschichtliche Verflechtung legen es auch nahe, diese aktoren für den Ausbau der kulturellen und wissen- chaftlichen Zusammenarbeit zu nutzen. Ein Schwer- unkt der deutschen Südamerikapolitik könnte daher ein, die Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen nd Universitäten sowie den kulturellen Austausch zu ördern. Das Abkommen der EU mit der Andengemeinschaft, as mit dem vorliegenden Gesetz wegen des Austritts enezuelas neu ratifiziert werden muss, ist auf eine um- assende Zusammenarbeit ausgerichtet. Es ist ein über- us großzügiger, flexibler Rahmen, der eben nicht wirt- chaftliche Aspekte in den Mittelpunkt stellt, sondern leichermaßen dazu auffordert, sich auch um die Wah- ung demokratischer Grundsätze, die Einhaltung der enschenrechte und allgemeine politische Fragen zu ümmern. Das bedeutet, dass in diesem Rahmen sehr wohl auch ber die jüngsten politischen Entwicklungen in zahlrei- hen südamerikanischen Staaten gesprochen werden ann. Es ist schließlich auch wichtig, nicht die Dialogfä- igkeit mit den aktuell ins Amt gekommenen politischen epräsentanten und den exponierten Vertretern der euen, häufig populistisch und links orientierten Par- eien und Bewegungen zu verlieren. Im Rahmen eines solchen Dialogs sollte es auch da- um gehen, die europäischen Erfahrungen mit Demokra- ie, Rechtstaat und Menschen- und Bürgerrechten in den üdamerikanischen Entwicklungsprozess einzubringen. uch der Umgang mit Autonomiemodellen und dem edanken der Subsidiarität sowie der kommunalen elbstverwaltung könnten deutsche Beiträge zur in den üdamerikanischen Ländern geführten Diskussion über eeignete staatliche Institutionen sein. Ziel der Hilfe und des Dialogs kann es auch sein, an er Gestaltung der staatlichen Rechtsrahmen mitzuwir- en, die Fähigkeit zu Good Governance zu entwickeln nd Methoden zum besseren sozialen Ausgleich in den eweiligen Ländern zu unterstützen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16629 (A) ) (B) ) Die heutige kurze Diskussion kann nur der Anfang ei- ner künftig intensiveren Befassung des Bundestages mit dem lateinamerikanischen Subkontinent sein. Das gilt für die EU insgesamt, aber vor allem auch für Deutsch- land im Besonderen. Deutschland gehört auch in dieser Region der Erde zu den besonders angesehenen Part- nern. Das sollten wir gezielt, entschlossen und verant- wortungsbewusst nutzen. Lothar Mark (SPD): Der hier zu beratende Gesetz- entwurf „Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 15. Dezember 2003 über Politischen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemein- schaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der And- engemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten (Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela) andererseits“ wird von der SPD-Bundestagsfraktion voll unterstützt. Die Beziehungen zwischen der Andengemeinschaft und der EU haben bereits eine längere Tradition. Bisher basierten sie auf dem Kooperationsabkommen von 1993, das dem bereits 1983 unterzeichneten Rahmenabkom- men zwischen der damaligen EWG und dem früheren Andenpakt über wirtschafts- und handelspolitische Zu- sammenarbeit nachfolgte. Anlässlich des zweiten Gip- feltreffens der Staats- und Regierungschefs von Europa und Lateinamerika sowie der Karibik in Madrid im Jahr 2002 wurde vereinbart, die biregionale Kooperation wei- ter auszubauen und mit der Andengemeinschaft in Ver- handlungen bezüglich eines Abkommens über politi- schen Dialog und vertiefte Zusammenarbeit zu treten. Heute sehen wir mit dem hier behandelten Gesetzent- wurf das Resultat dieser Verhandlungen vor uns. Das Abkommen wurde bereits am 15. Dezember 2003 unter- zeichnet und liegt nun zur Ratifizierung vor. Das Ver- tragswerk soll das Kooperationsabkommen zwischen der EWG und der Andengemeinschaft aus dem Jahr 1993 er- weitern und den Dialogmechanismus auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs sowie auf der Minister- ebene, der 1996 mit der „Erklärung von Rom“ zwischen beiden Regionen institutionalisiert worden ist, weiterent- wickeln. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zum Abkom- men sollen die politischen und wirtschaftlichen Bezie- hungen zwischen der EU und der Andengemeinschaft intensiviert und vertieft und die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung der Andenstaaten unterstützt werden. Der Vertrag beruht auf den Grundsätzen der re- gionalen Partnerschaft und unterstreicht einen weitge- henden Wertekonsens, etwa in Bezug auf die Wahrung der Grundsätze der Demokratie, die Achtung der Men- schenrechte, sowie in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip. Ziel ist es, Stabilität und regionale Integration in der An- denregion sowie Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung zu fördern. Zwar enthielt das Abkommen von 1993 bereits die Wahrung demokratischer Grundsätze und Einhaltung der Menschenrechte als wesentliches Element der Zusam- menarbeit, mit dem neuen Abkommen wird die Koope- ration jedoch nochmals intensiviert und ein Abkommen der „dritten Generation“ geschlossen. Die Schwerpunkte l g g d r s g W d i K r s Z z t r b E d w l p k d n z d n s M v M w d d k z F u A ß p u r s s e s g Z s E k I g t d (C (D iegen dabei in der Institutionalisierung eines regelmäßi- en politischen Dialoges, in der Kooperation bei der en- eren regionalen Integration der Andengemeinschaft, in er Zusammenarbeit im Bereich des Handels zur besse- en Integration der Andengemeinschaft in die Weltwirt- chaft, in der Kooperation bei der Bekämpfung des ille- alen Handels mit Drogen, Kleinwaffen und leichten affen, sowie der Bekämpfung von Geldwäsche und es Terrorismus, in der Zusammenarbeit im Zollbereich, m Bereich Normen, der technischen Vorschriften und onformitätsbewertung, in der Zusammenarbeit im Be- eich Umwelt, Landwirtschaft und Energie, in der Zu- ammenarbeit im Bereich der Migration, sowie in der usammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft und Finan- en, Wissenschaft und Technik sowie Soziales und Kul- ur. Auf dem dritten Gipfeltreffen der Staats- und Regie- ungschefs der EU und Lateinamerikas sowie der Kari- ik in Guadalajara im Jahr 2004 verständigten sich die U und die Staaten der Andengemeinschaft auf die Be- eutung von Assoziierungsabkommen für die regionale irtschaftliche Integration. Die Assoziierungsverhand- ungen wurden im Juni 2007 unter deutscher EU-Rats- räsidentschaft aufgenommen. Angestrebt wird ein Ab- ommen der „vierten Generation“, dessen Zweck es ist, ie regionale Integration zu stärken und die oben ge- annten Abkommen durch neue Dimensionen zu ergän- en. Ziel ist es eine umfassendere – den Politikdialog, ie Kooperation und den Handel beinhaltende – biregio- ale privilegierte Partnerschaft zu schaffen. Diese soll ich unter anderem auf die Wahrung und Förderung der enschenrechte und demokratischen Verhältnisse, auf erantwortungsvolles Regieren, auf die Stärkung des ultilateralismus, auf die Förderung der intraandinen irtschaftlichen und politischen Integration sowie auf ie schrittweise Errichtung einer Freihandelszone grün- en. Mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf zum Ab- ommen soll die Voraussetzung für ein solches, noch ab- uschließendes, Assoziierungsabkommen einschließlich reihandelsabkommen geschaffen werden. Die Ratifizierung des vorliegenden Abkommens ist nter anderem auch aus diesem Grund nicht nur für die ndengemeinschaft, sondern auch für die EU von gro- er Bedeutung. Denn die EU hat ein Interesse an starken, olitisch handlungsfähigen Regionen in Weltwirtschaft nd Weltpolitik und an einer Intensivierung der Koope- ationsbeziehungen zwischen diesen – eine engere Zu- ammenarbeit zwischen der EU und der Andengemein- chaft im Hinblick auf die Vereinten Nationen wäre nur ine der vielfältigen Möglichkeiten. Insgesamt ist ein tärkeres Zusammenrücken der Regionen heute wichti- er denn je, da sich die große Herausforderung unserer eit, die sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Ge- taltung der Globalisierung, nicht mehr auf nationaler bene bewältigen lässt. Akteure im globalen Maßstab önnen hierbei nur handlungsfähige Regionen sein, die nteressen und Politiken formulieren. Die regionale Inte- ration und die interregionale Kooperation ist heutzu- age eine der wichtigsten strategischen Antworten auf ie Globalisierung. 16630 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) Die Andengemeinschaft ist in diesem Bereich auf- grund ähnlicher Interessen ein prädestinierter Partner für die EU. Sie ist trotz den in den vergangenen Jahren – insbesondere durch den Austritt Venezuelas im Jahr 2006 – deutlich gewordenen ideologischen Differenzen zwischen den Mitgliedstaaten noch immer eine der tradi- tionsreichsten regionalen Organisationen innerhalb La- teinamerikas. Ihr Integrationsvorhaben ist sehr weitrei- chend und entspricht in wesentlichen Elementen den europäischen Bestrebungen. Dies zeigt sich beispiels- weise daran, dass die Rechtsvorschriften der Andenge- meinschaft direkt, das heißt ohne eine Umsetzung in na- tionales Recht, anwendbar sind und Vorrang vor dem nationalen Recht haben. Trotz der insgesamt recht hohen rechtlichen und institutionellen Ausdifferenzierung der Andengemeinschaft, bleibt diese dennoch oft hinter ih- ren Möglichkeiten zurück und befindet sich nicht zuletzt in Konsequenz der ideologischen Differenzen zwischen ihren Mitgliedstaaten derzeit in einer schwierigen Phase. Die im Abkommen vorgesehene Kooperation der EU bei der engeren regionalen Integration der Andengemein- schaft und die ebenfalls im Abkommen vorgesehene Förderung der intraandinen wirtschaftlichen und politi- schen Integration könnten dem Integrationsbündnis wichtige neue Impulse verschaffen und zur Konsensfin- dung unter den Mitgliedstaaten der Andengemeinschaft beitragen. Diese Möglichkeit sollte unbedingt ergriffen werden, denn die EU hat ein großes Eigeninteresse an Stabilität und demokratischer Entwicklung in der von großen so- zialen Ungleichheiten geprägten Andenregion – so zum Beispiel im Bereich der Sicherheit sowie der Konflikt- prävention und -bewältigung. Das europäische Wirt- schafts- und Sozialmodell mit seiner Idee von Chancen- gleichheit und Solidarität könnte im Hinblick auf die sozialen Disparitäten in der Andengemeinschaft ein inte- ressanter Bezugspunkt sein. Es liegt also im Interesse beider Seiten, die wirtschaftlichen und politischen Be- ziehungen auf gleichberechtigter Ebene weiterzuentwi- ckeln. Zudem gilt es auch die wirtschaftliche Seite der regio- nalen Kooperation nicht gering zu schätzen. Deutsch- land als politische Mittelmacht mit einer stark export- wirtschaftlichen Ausrichtung hat ein Interesse, im Rahmen der EU mit den Staaten der Andengemeinschaft zu kooperieren. Die deutsche Wirtschaft als Exporteur von Sekundärgütern benötigt entwickelte Absatzmärkte und eine mit entsprechender Kaufkraft ausgestattete Nachfrageseite. Nicht zuletzt birgt auch eine Zusammen- arbeit mit der Andengemeinschaft im Energiebereich so- wie in der Klima- und Umweltpolitik interessante Per- spektiven. Eine engere Kooperation auf diesen Gebieten wäre folglich auch wirtschaftlich von Vorteil für Deutschland und die EU. Dies gilt umso mehr, da Ko- lumbien und Peru bereits mit den USA ein Freihandels- abkommen abgeschlossen haben, wenngleich es im ko- lumbianischen Fall noch nicht ratifiziert ist. Umso dringlicher scheint es mir deshalb, dass die EU ihr Enga- gement in diesem Bereich nun ebenfalls verstärkt und mehr Präsenz zeigt. a d e D m w d s E W n g a a s w d d t r d t d G e g v d d m u s z u B e d s 2 E m e a d r K z b g a s w l m (C (D Neben der wirtschaftlichen Dimension ist jedoch uch die wertebezogene Dimension von erheblicher Be- eutung, denn die biregionale Partnerschaft basiert auf iner hohen Deckung politischer und kultureller Werte. er Abschluss eines umgreifenden politischen Abkom- ens mit der Andengemeinschaft, würde die Regionen eiter miteinander verbinden und die Glaubwürdigkeit er EU in der Beteuerung der Wichtigkeit dieser Partner- chaft unterstreichen. Denn letztlich ist Lateinamerika uropa so zugewandt wie kaum eine andere Region der elt. Diese Chance sollten wir nicht verspielen, sondern utzen. Das hier verhandelte Abkommen ist ein wichti- er Schritt in diese Richtung, denn es geht eben nicht usschließlich um wirtschaftliche Kooperation, sondern uch um die Umsetzung gemeinsamer politischer und ozialer Grundwerte. Vor dem Hintergrund der hier aufgezählten Punkte ird deutlich, wie wichtig es für beide Regionen ist, dass ie interregionale Zusammenarbeit mit dem vorliegen- en Abkommen weiter vertieft wird. Die in dem Ver- ragswerk angelegte weiterreichende Institutionalisie- ung eines regelmäßigen politischen Dialoges zwischen er Andengemeinschaft und der EU kann für beide Sei- en nur von Vorteil sein. Denn angesichts der Notwen- igkeit einer Anpassung an die Herausforderung der lobalisierung können beide Regionen im Umgang mit- inander lernen und voneinander profitieren. Der vorlie- ende Gesetzentwurf ermöglicht dies und wird deshalb on der SPD-Bundestagsfraktion unterstützt. Marina Schuster (FDP): Die FDP-Fraktion stimmt em vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Vertiefung er Beziehungen zwischen den Staaten der Andenge- einschaft und der Europäischen Union zu. Es ist richtig nd wichtig und längst erforderlich, dass Europa in die- er Region eine stärkere Rolle spielt – zur Stabilisierung, ur Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nd insbesondere auch deshalb, weil Mitbewerber die edeutung der Region längst erkannt haben und wir um iniges hinterherlaufen. Es wird höchste Zeit, dies zu än- ern. Dass die Bundesregierung im Jahre 2008 einen Ge- etzentwurf zu einem Abkommen einbringt, das bereits 003 geschlossen wurde, gereicht ihr nicht gerade zur hre. Vielmehr macht dies deutlich, dass die Andenge- einschaft wie andere (latein)amerikanische Regionen ben noch kein echter „strategischer Partner“ ist, wie es uch in diesem Abkommen heißt, sondern in Wahrheit in er Außenpolitik der Bundesregierung und der EU nach- angig behandelt wird. Es ist falsch, diese Region, diesen ontinent „links liegen zu lassen“. Der Austritt Vene- uelas aus der Andengemeinschaft im Jahre 2006 ist nur edingt eine Entschuldigung. Denn wenn Sie mich fra- en, kann ich dazu nur sagen, dass dieses Abkommen uch vor 2006 längst hätte verabschiedet werden müs- en. Die aktuellen Entwicklungen in der Region stimmen enig optimistisch. Das Superwahljahr 2006 hat die po- itische Landkarte massiv verändert – und die Zusam- enarbeit nicht gerade leichter gemacht. Bolivien, das Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16631 (A) ) (B) ) einst als entwicklungspolitisches Musterland galt, konnte erst vor kurzem mit großen Mühen eine schwere Verfassungskrise verhindern. Die Versuche von Vene- zuelas Präsident Hugo Chávez, seinen regionalen Füh- rungsanspruch immer wieder deutlich zu machen und ihn auszubauen, tun ihr Übriges, dass die Region nicht zur Ruhe kommt. Dabei sind die innenpolitischen He- rausforderungen in fast allen Staaten Lateinamerikas gi- gantisch: Massenarmut und die nach wie vor extrem un- gleiche Verteilung der Einkommen sind eine permanente Gefahr für den sozialen Frieden und die innere Stabilität der lateinamerikanischen Gesellschaften sowie der Nährboden für Kriminalität, Nepotismus und Populis- mus. Die Ineffizienz vieler Verwaltungen und die feh- lende Transparenz bei der Regierungsführung bieten weiterhin Anlass zur Sorge. Trotzdem gibt es auch in der derzeit stark variieren- den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Landkarte Lateinamerikas Möglichkeiten für deutsche und europäische Initiativen. Auch Vertreter der Anden- gemeinschaft äußern immer wieder den Wunsch, sich enger an die EU zu binden – auch weil sie nach einem „dritten Weg“ zwischen einer Dominanz durch Vene- zuela einerseits und einer Anbindung an die USA ande- rerseits suchen. Hierin liegt unser strategisches Poten- zial, durch dessen effektive Nutzung wir unsere politischen und wirtschaftlichen Interessen verfolgen können. Politisch heißt das: werben für das Modell des demokratischen Rechtsstaates und der sozialen Markt- wirtschaft, Eintreten für bürgerliche und soziale Rechte und Anbindung an die EU. Das kann man dann wirklich als „strategisch“ bezeichnen. Wirtschaftlich heißt dies, dass wir deutsche Unternehmen, die in der Region inves- tieren wollen, besser begleiten müssen. Attraktive Ange- bote, insbesondere im Bereich der erneuerbaren Ener- gien, sind dabei durchaus vorhanden. Dass all dies nicht funktioniert, liegt auch daran, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten, also eine Seite der Ver- tragspartner des heute zu beratenden Abkommens, im Hinblick auf diese Region keine wirklich kohärente Poli- tik betreiben. Solange einzelne Mitgliedstaaten der EU unter Verweis auf ihre besonderen „historischen Bezie- hungen“ insbesondere in politischen Fragen aus dem eu- ropäischen Konsens ausscheren, wird Europa nicht wirk- lich Gewicht in dieser Region bekommen. Hier gilt es, innerhalb der EU noch eine Menge an Hausaufgaben zu machen. Ich fordere die Bundesregierung auf, hier aktiv tätig zu werden! Ich verstehe auch nicht, wieso wir national dermaßen bescheidene Ansätze verfolgen. Die Kanzlerin hat letz- tes Jahr Indien besucht und im Zuge dieser Reise ein am- bitioniertes Ziel für den bilateralen Handel zwischen Deutschland und Indien gesteckt, nämlich eine Verdopp- lung des Handels innerhalb der nächsten fünf Jahre. Ich denke wir sollten den Mut haben, uns selbst solche Benchmarks zu setzen – mit Blick auf die Andengemein- schaft, aber auch mit Blick auf Lateinamerika insgesamt, und zwar wirtschaftlich, politisch und auch in unserer Entwicklungszusammenarbeit. Das heute zu verabschie- dende Abkommen bietet dazu einen Ansatzpunkt, den die Bundesregierung nutzen sollte. Die Kanzlerin hat bei i d m d L d r m s A D d a l A s g s l e f S d d z D s G I A d W h w d r D t n m P t z A w s l z E z m „ s R r (C (D hrer Lateinamerika-Reise im Mai viele Möglichkeiten azu. Heike Hänsel (DIE LINKE): Das Abkommen, das it dem hier vorliegenden Gesetzentwurf ratifiziert wer- en soll, ist längst in Kraft. Dennoch hat die Fraktion Die inke eine Debatte dazu beantragt. Denn das Abkommen iente der Vorbereitung der jetzt anlaufenden Assoziie- ungsverhandlungen zwischen der EU und der Andenge- einschaft und hat deshalb aktuelle entwicklungspoliti- che Brisanz. Und zugleich hat sich seit Abschluss des bkommens 2003 in der Partnerregion vieles verändert. ie Hegemonie neoliberaler Entwicklungsmodelle, die iesem Abkommen noch zugrunde liegt, ist in Latein- merika mittlerweile massiv infrage gestellt und an vie- en Punkten erfolgreich aufgebrochen worden – auch im ndenraum. In Bolivien und Ecuador sind im Wider- tand gegen neoliberale Politik breite soziale Bewegun- en herangewachsen und haben schließlich einen politi- chen Wandel herbeigeführt. Gestützt auf diese Mobilisierung entwerfen die neuen inken Regierungen eine alternative Politik mit dem Ziel iner größere Teilhabe an politischer Macht und Wohl- ahrt der bislang davon ausgeschlossenen sozialen chichten und ethnischen Gruppen und mit dem Ziel, die emokratische Verfügung über die Reichtümer der Län- er gegen die Profitinteressen ausländischer Konzerne u verteidigen bzw. überhaupt erst wieder herzustellen. ie Verfassungsprozesse in diesen beiden Andenländern ind der deutlichste Ausdruck für die Suche nach neuen rundlagen für das gesellschaftliche Zusammenleben im nneren und für die Beziehungen nach außen. Die EU wird deshalb in ihrem Bestreben, mit der ndengemeinschaft ein Freihandelsabkommen nach em Muster WTO-plus abzuschließen, auf erheblichen iderstand stoßen. Das Abkommen von 2003 ist des- alb an vielen Punkten nicht mehr auf der Höhe der Zeit, enn man nach Lateinamerika schaut. Es spiegelt aller- ings zugleich die leider nach wie vor gültige neolibe- ale Freihandelspolitik der EU wider, die sich an der urchsetzung bilateraler WTO-plus-Abkommen orien- iert und die wir als Fraktion Die Linke ganz klar ableh- en: Der spätere Abschluss eines Freihandelsabkom- ens ist in dem Abkommen als Ziel formuliert; die artner werden verpflichtet, den Schutz geistiger Eigen- umsrechte nach „den strengsten internationalen Normen u gewähren“; der diskriminierungsfreie Zugang zu usschreibungen im öffentlichen Beschaffungswesen ird angestrebt; die Wettbewerbspolitik soll harmoni- iert werden. Spielräume für eine souveräne Strukturpo- itik in den Andenländern werden durch diese Zielset- ungen massiv infrage gestellt. Alle diese Punkte stehen nun auch auf der Agenda der U-Kommission für die Verhandlungen über die Asso- iierungsabkommen. An anderer Stelle ist im Abkom- en von der Stärkung der Privatwirtschaft und von der Stärkung der wirtschaftlichen Beziehungen in Schlüs- elbereichen“ wie Wasser und Energie, Öl und Gas die ede. Die Volksbewegung gegen die Wasserprivatisie- ung in Cochabamba, die Verstaatlichung der Öl- und 16632 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) Gasvorkommen in Bolivien und der Stand der Verfas- sungsprozesse in Bolivien und Ecuador sind über diese kaum verhohlene Absicht der EU, ihren Unternehmen den Zugang in diese „Schlüsselbereiche“ zu eröffnen, hinweggegangen. Wie überhaupt viele Absichtserklärun- gen aus diesem Abkommen, das ja noch mit den alten neoliberalen Regierungen abgeschlossen worden ist, keine praktische Umsetzung mehr finden dürften, wenn die Verfassungsprozesse in den Andenländern weiter voranschreiten. Auf Solidarität begründete Abkommen zwischen Partnern mit einem Wohlstandsgefälle, wie es zwischen der EU und den Andenstaaten besteht, sehen für die Fraktion Die Linke jedenfalls anders aus, übrigens auch für die bolivianische Regierung. Diese hat bereits 2007 einen Vorschlag für ein solidarisches, faires Abkommen zwischen EU und Andengemeinschaft vorgelegt, auf den die EU allerdings in keiner Weise reagiert hat. Ich will die wichtigsten Elemente deshalb nochmals nennen. Die bolivianische Regierung fordert, die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Umwelt über die Interessen der transnationalen Unternehmen zu stellen, und betont den Anspruch, ihre nationale Politik in allen Bereichen sou- verän gestalten zu können. Dazu gehört sowohl die Möglichkeit, durch staatliche Anreize und Auftragsver- gaben an einheimische Unternehmen gezielte Struktur- politik zu betreiben, als auch das Recht, inländische Märkte für die eigene Landwirtschafts- und Industrie- produktion vor dem Verdrängungswettbewerb mit euro- päischen Konkurrenten zu schützen. Völlig zu Recht fordert die bolivianische Regierung, den Zugang zu Generika zu garantieren und die Zwangs- lizenzen für patentierte Medikamente auszuweiten, um den Bedarf zur Sicherung des öffentlichen Gesundheits- wesens zu decken, und das Verbot der Patentierung von Pflanzen, Samen, Tieren und Mikroorganismen sowie je- dem lebendem Material. Vor dem Hintergrund der aktu- ellen Hungerkrise in vielen Teilen der Welt möchte ich abschließend folgende Formulierung aus dem boliviani- schen Vorschlag hervorheben: Die Landwirtschaft kann nicht wie jede andere wirtschaftliche Tätigkeit behandelt werden, da von ihr die Ernährung und das Leben von Millionen von Menschen sowie das Überleben und die Kultur vie- ler Hundert indigener Völker in der Andenregion abhängen. Die Staaten haben das Recht und die Verpflichtung, die Souveränität und die Ernäh- rungssicherung ihrer Bevölkerung zu garantieren und das Gemeingut über die Interessen der Agrar- wirtschaft zu stellen. Wir haben bereits vor einiger Zeit in einem Antrag gefordert, die Anregungen aus Bolivien in die Asso- ziierungsverhandlungen aufzunehmen. Vor dem Hinter- grund der sich im Andenraum vollziehenden gesell- schaftlichen Umbrüche wird es immer wichtiger, nicht mit den alten neoliberalen Schablonen auf die Partner zuzugehen, sondern offen zu sein für alternative Vor- schläge, die von dort kommen. d G f d u n m S U z f h J l r n s d w H z b P J V n n e u m t m v u v l d a G e M K d E E g s s E A l (C (D Wir verweigern dem Gesetzentwurf zur Ratifizierung es Abkommens unsere Zustimmung und fordern neue rundlagen für eine neue Partnerschaft. Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zum ünften Mal findet in wenigen Wochen ein Gipfeltreffen er Staats- und Regierungschefs der EU, Lateinamerikas nd der Karibik statt. Leider beschränkte sich das Ergeb- is der bisherigen Gipfel zu oft darauf, dass man die ge- einsamen Werte der beiden Regionen hochhielt. Viel ubstanzielles ist bisher noch nicht zustande gekommen. rsprüngliches Ziel der Gipfel war es, die Beziehungen wischen den beiden Regionen zu stärken und zu vertie- en, um „eine strategische Partnerschaft für das 21. Jahr- undert“ zu schaffen. Allein die Tatsache, dass es in Deutschland über vier ahre gedauert hat, das Abkommen über politischen Dia- og und Zusammenarbeit mit der Andengemeinschaft zu atifizieren, lässt die Beteuerungen, wie wichtig die Part- erschaft mit Lateinamerika und der Karibik für die EU ei, in einem anderen Licht erscheinen. In einem Licht, ass der Wichtigkeit dieser Partnerschaft nicht gerecht ird. Aber wir werden vor dem Gipfel auch in diesem ause noch Gelegenheit haben, uns hiermit eingehender u beschäftigen. Assoziationsabkommen mit regionalen Integrations- ündnissen sind ein Instrument, um die „strategische artnerschaft für das 21. Jahrhundert“ umzusetzen. Im uni 2007 haben die EU und die Andengemeinschaft erhandlungen für ein Assoziationsabkommen aufge- ommen. Sie gestalten sich jedoch zäh, ein Abschluss ist icht in Sicht. Beim Abkommen mit dem Mercosur sieht s ähnlich aus. Bei unserer heutigen Debatte geht es jedoch zunächst m ein Abkommen über politischen Dialog und Zusam- enarbeit, das wiederum die Grundlage für ein Assozia- ionsabkommen zwischen der EU und der Andenge- einschaft bildet. Die Andengemeinschaft setzt sich aus ier Staaten zusammen, die erhebliche wirtschaftliche nd politische Schwierigkeiten zu lösen haben: In Boli- ien leben 60 Prozent der Bevölkerung in Armut, in Ko- umbien fast 50 Prozent. In Bolivien und Ecuador wer- en neue Verfassungen erarbeitet. Prozesse, die, vor llem in Bolivien, zu starken Spannungen innerhalb der esellschaft führen. In Kolumbien herrscht nach wie vor in interner Konflikt. Ein Ende ist nicht in Sicht. Im ärz dieses Jahres drohte gar die Regionalisierung des onflikts, nachdem kolumbianische Truppen Mitglieder er FARC auf ecuadorianischem Gebiet töteten. In dieser unbeständigen Region kann und muss die U einen Beitrag zu Stabilität und Entwicklung leisten. in künftiges Assoziationsabkommen muss dazu beitra- en, die Demokratien zu konsolidieren, Konflikte zu lö- en, die regionale Integration zu stärken und die Wirt- chaft zu stabilisieren. So kann die EU zur nachhaltigen ntwicklung der Länder beitragen. Dabei darf nie außer cht gelassen werden, wem diese Entwicklung vor al- em zugute kommen muss: den Armen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16633 (A) ) (B) ) Ein faires Abkommen muss einen verbesserten Markt- zugang für landwirtschaftliche Produkte aus der Anden- gemeinschaft schaffen, nicht nur für Rohstoffe sondern auch für weiterverarbeitete Produkte. Gleichzeitig muss aber auch über ökologische und soziale Mindeststan- dards und Nachhaltigkeitskriterien gesprochen werden, ebenso wie über einen Abbau der den Handel verzerren- den Agrarsubventionen der EU. Diese Öffnung der europäischen Märkte darf aber nicht gleich wieder durch noch umfangreichere Zuge- ständnisse der anderen Seite bei Investitionen, Dienstleis- tungen und dem öffentlichen Beschaffungswesen zu- nichte gemacht werden. Nur so kann eine positive Außenhandelsbilanz der schwächeren Länder zu deren fi- nanziellen Stabilität beitragen. Und ihnen muss das Recht zugestanden werden, mit dem Ziel der Ernährungssouve- ränität ihren Agrarsektor zu schützen – und ebenso den sich noch im Aufbau befindenden Industrie- und Dienst- leistungssektor. Besonders Bolivien wehrt sich gegen Li- beralisierungsdruck von Seiten der EU. Den Partnerlän- dern muss das Recht zugestanden werden, ihren eigenen Entwicklungspfad zu definieren und zu beschreiten. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Fonds Ökowandel – Neues Wirtschaften mit altem Geld – Der grüne Fonds aus den Rückstellungen der Atomwirt- schaft (Tagesordnungspunkt 20) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Die Stilllegung und der Rückbau von Kernkraftwerken sowie die Ent- sorgung der radioaktiven Abfälle sind sensible und kom- plexe Themen, die gerne zu populistischer Politik ausge- nutzt werden. Aber schauen wir doch zunächst einmal auf die Fakten. In Deutschland gehört die sach- und fachgerechte Beseitigung eines ausgedienten Kernkraft- werkes zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten der Be- treiberfirmen. Für diese atomrechtlich vorgeschriebenen Aufgaben bilden die Energieunternehmen bilanzielle Rückstellungen, um Sorge zu tragen, dass die künftige Finanzierung sichergestellt ist. Die handelsrechtlich vor- geschriebenen Rückstellungen sind grundsätzlich in die Steuerbilanz zu übertragen. Die Finanzierung von Still- legung und Rückbau sowie Abfallentsorgung hat somit wirtschaftliche, atomrechtliche und steuerrechtliche Be- standteile. Aus Sicht der Union gibt es keinen Grund, daran zu rütteln. Alle Regierungen, auch die rot-grüne, haben bis- her alle Fondsmodelle zu Recht abgelehnt. Sie von den Grünen waren es doch, die mit der SPD einen Gesetzent- wurf von Herrmann Scheer, der von 32 weiteren SPD- Abgeordneten unterzeichnet war, zugunsten des soge- nannten Atomkonsenses abgelehnt haben. Sie waren es doch, die 2003 eine entsprechende Forderung der dama- ligen Vizepräsidentin und Kommissarin für Verkehr und Energie der EU-Kommission, Loyola de Palacio, aus „nuklearwirtschaftlichen und aus übergeordneten Grün- den“ abgelehnt haben. Nun, da Sie nicht in der Verant- w d l n w g g Z v b d D d t n g d g n n H m w E g E s s l w B v t i g W m n m w l w b d g s o w E k (C (D ortung sind, fordern Sie genau das, was Sie selber in er Regierung nicht umgesetzt haben. Ich erinnere Sie gerne daran, weshalb Sie wahrschein- ich damals der Meinung waren, dass ein externer Fonds icht die beste Lösung ist. Ein Fonds bietet beispiels- eise keine höhere Sicherheit der Finanzierung. Im Ge- enteil. Das Rückstellungssystem der deutschen Ener- ieunternehmen durchläuft mehrere Kontrollinstanzen. uerst werden die Unterlagen des Kraftwerkbetreibers on einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft egutachtet. Das Ergebnis wird dann durch die zustän- ige Finanzverwaltung erneut und vollständig überprüft. as ist eine Kontrolldichte, die in Umfang und Tiefe je- em externen Fonds überlegen ist. Die deutsche Rückstellungspraxis ist aber auch sys- embedingt die bessere Lösung. Bei einem Fonds haften ur die Fondsmittel; bei dem Rückstellsystem stehen die esamten Aktiva des Unternehmens für die Erfüllung er Entsorgungsverpflichtung zur Verfügung und auf- rund bestehender Unternehmensverträge zusätzlich och die Aktiva der Konzernmütter. Außerdem hat mir och niemand beweisen können, dass Geld in staatlicher and besser angelegt ist als bei Wirtschaftsunterneh- en; im Gegenteil: Die DDR lässt grüßen. Aber auch juristisch würde eine Fondslösung auf ackligen Beinen stehen, kommt sie schließlich einer nteignung gleich. Das deutsche Rückstellsystem hinge- en ist bis in die höchsten Instanzen geprüft. So hat der uropäische Gerichtshof im Dezember 2007 die Rück- tellungspraxis einer eingehenden juristischen, betriebs- owie volkswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Ana- yse unterzogen und ist zu dem Urteil gekommen, dass eder eine Vergünstigung im Sinne einer staatlichen eihilfe noch ein Wettbewerbsvorteil oder ein Steuerpri- ileg vorliegt. Das einzige Argument, was mir den Antrag sympa- hisch macht, ist, dass er bei Annahme den Atomkonsens ns Wanken bringen würde. In Ziffer III 2. der Kernener- ieverständigung vom 14. Juni 2006 ist festgelegt: Die Bundesregierung wird keine Initiative ergrei- fen, mit der die Nutzung der Kernenergie durch ein- seitige Maßnahmen diskriminiert wird. Dies gilt auch für das Steuerrecht enn Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, it diesem Antrag also bezwecken wollen, den soge- annten Atomkonsens aufzukündigen, dann haben Sie eine volle und ganze Unterstützung. Sie wissen, aber ollen es nicht wahrhaben, dass dieser politisch willkür- ich festgelegte Ausstieg weder umweltpolitisch noch irtschaftspolitisch sinnvoll und schon gar nicht ver- raucherfreundlich ist. Man kann die Zahlen und Fakten rehen und wenden wie man will, es ist unmöglich, alles leichzeitig zu erreichen: die Klimaschutzziele, die Ver- orgungssicherheit, bezahlbaren Strompreis – und dies hne Kern- und Kohlekraftwerke. Wir können es gerne gemeinsam durchrechnen. Sagen ir einmal, wir schaffen es, den Anteil der erneuerbaren nergien in 2020 auf 30 Prozent zu erhöhen. Damit önnte der Anteil der Atomkraft ersetzt werden. Aber 16634 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) was ist mit den anderen 70 Prozent? Über zwei Drittel unseres Strombedarfs werden wir dann immer noch durch schadstoffreiche, fossile Energieträger abdecken müssen. Schauen wir mal über unsere Landesgrenzen hinaus. Während in Deutschland der Ausstiegsbeschluss noch steht, werden in anderen Ländern rund um den Globus, etwa in Finnland, Frankreich, China und den USA, die Laufzeiten von Kernkraftwerken verlängert oder neue Kernkraftwerke gebaut. Die Welt orientiert sich nicht an demjenigen, der aussteigen will, sondern geht exakt den umgekehrten Weg. Darum wird für die Union die Kern- energie auch künftig im deutschen Energiemix eine ent- scheidende Rolle spielen. Denn wenn wir einen europäi- schen Binnenmarkt für Strom haben, dann entscheidet der Verbraucher, von wem er den Strom bezieht. So kann es passieren, dass wir eines Tages in großem Umfang Kernenergie aus anderen europäischen Ländern impor- tieren müssen, und dann hätten wir mit Zitronen gehan- delt. Italien ist dafür ein warnendes Beispiel. Das Land hat 1987 den Ausstieg beschlossen und 1990 den letzten Re- aktor vom Netz genommen. Dafür beziehen die Italiener jetzt rund 14 Prozent ihres Stromverbrauchs aus auslän- dischen Kernkraftwerken. Ein Vorbild, dem Deutschland nicht folgen sollte. Deutschland sollte lieber seine bisherige Vorreiter- rolle fortführen. Wir haben nicht nur die Chance, unsere nationalen und internationalen Klimaschutzziele zu er- reichen. Es ist sogar möglich sie zu übertreffen. Wir kön- nen 45 statt 40 Prozent der Treibhausgase bis 2020 redu- zieren, wenn wir denn wollen und der eine oder andere seine ideologischen Scheuklappen ablegt. Dazu müssen wir nur die politisch willkürliche Verkürzung der Lauf- zeiten der Kernkraftwerke zurücknehmen. Diese Lösung ist nicht nur umweltfreundlich, sondern auch wirtschaft- lich. Kosten in der Größenordnung von 5 Milliarden Euro pro Jahr könnten uns erspart bleiben. Das ist im- merhin fast das 6,5-fache des Jahresetats des Bundesum- weltministeriums. Von den Grünen kommt doch immer die Forderung, mehr für den Verbraucher und den Wettbewerb zu tun. Hier wäre es möglich; doch Sie verweigern sich. Für Sie und für Teile der SPD ist das zwanghafte Festhalten am Ausstieg aus der Kernkraft wichtiger als die Energiever- braucher, also die Haushalte, die Menschen und die Wirtschaft, in einer Größenordnung von 6 Prozent zu entlasten. Der Ausstieg aus dem Ausstieg wäre nicht nur wirt- schaftlich und umweltfreundlich, sondern auch ein Bei- trag zur Versorgungssicherheit unseres Landes. Denn wenn wir die erneuerbaren Energien wie geplant massiv ausbauen, wird deren Anteil auf 30 bis 35 Prozent er- höht. Wenn wir gleichzeitig die Kernenergie weiterlau- fen lassen, liefert diese weitere 30 Prozent. So könnten wir in 2020 über zwei Drittel der Stromproduktion na- hezu CO2-frei und importunabhängig herstellen. Mit dieser Entscheidung könnten wir eine Win-win- Situation nicht nur für Deutschland, sondern für die g g z s n V s i t u d r k w s w D w S r s n n w d d R b t l w s s k d d l s a d 3 k E s s V b d s z f i n i r (C (D anze Welt schaffen. Lassen Sie uns doch die technolo- ische Leistungsfähigkeit Deutschlands bei der Stromer- eugung – sei es bei den erneuerbaren Energien, wo wir ehr gut aufgestellt sind, sei es durch Clean-Coal-Tech- ologie, die vielleicht ab 2020 auch wirtschaftlich zur erfügung steht – als auch im Gebäudebereich mit Ein- parungen, Wärmedämmung und anderen Dingen sowie m Transportbereich nutzen. Mit dieser Strategie könn- en wir nicht nur in Deutschland Klimaschutz betreiben nd einen weltweiten Beitrag leisten, sondern wir wür- en auch noch etwas für die Wettbewerbsfähigkeit unse- es Standorts tun sowie Arbeitsplätze und eine gute Zu- unft für Deutschland schaffen. Energieeinsparungen, ein weitreichender und ausge- ogener Energiemix und der Ausstieg aus dem Ausstieg ind die Schritte auf dem Weg zu einer sicheren, um- eltfreundlichen und bezahlbaren Energieversorgung in eutschland. In den ersten beiden Punkten herrscht ja eitestgehend Einigkeit. Wenn dieser Antrag der erste chritt zum Ausstieg aus dem Ausstieg sein sollte, wä- en wir von der Union gerne bereit, über die Inhalte zu prechen. Da dies aber aller Wahrscheinlichkeit nach icht der Fall ist, lehnen wir den Antrag ab. Rolf Hempelmann (SPD): Wir diskutieren heute ei- en Antrag der Grünen, in dem für einen „Fonds Öko- andel“, für „Neues Wirtschaften mit altem Geld“ plä- iert wird. Kurz gesagt, geht es den Antragstellern arum, die von den Betreibern der Kernkraftwerke im ahmen ihrer nuklearen Entsorgungsverpflichtungen ge- ildeten Rückstellungen in einen öffentlich kontrollier- en Fonds zu überführen, dessen Tätigkeit dann an öko- ogischen, sozialen und ethischen Kriterien auszurichten äre. Einerseits soll auf diese Weise die Finanzierungs- icherheit des Systems erhöht werden, und andererseits oll nachhaltiges Investment gefördert werden. Beides lingt durchaus positiv. Problematisch ist allerdings, ass uns kaum schlüssig dargelegt wird, wie insbeson- ere das erste der beiden genannten Ziele auf der Grund- age des vorgeschlagenen Fonds sichergestellt werden oll. Hier machen es sich die Grünen zu leicht. Vergegenwärtigen wir uns doch zunächst einmal die ktuelle Praxis der Rückstellungsbildung: Aktuell wer- en die Rückstellungen, die sich inzwischen auf rund 0 Milliarden Euro belaufen, durch Passivierung der ünftigen Verbindlichkeit in der Handelsbilanz gebildet. s wird mithin ein Aufwand verbucht, ohne dass tat- ächlich Mittel aus dem Unternehmen abfließen. Damit oll sichergestellt werden, dass die zur Erfüllung der erpflichtung notwendigen Mittel im Unternehmen ver- leiben und nicht ausgeschüttet werden. Die Folge ist, ass sich in dem jeweiligen Geschäftsjahr der zu ver- teuernde Gewinn mindert und die rückgestellten Mittel ur Innenfinanzierung innerhalb des Konzerns zur Ver- ügung stehen. Im Blick über den nationalen Tellerrand st dies ein Finanzierungssystem, das durchaus Anerken- ung findet. Ich denke, wir alle haben insbesondere aufgrund der n den kommenden Jahrzehnten in Deutschland und Eu- opa anstehenden Stilllegungen von Kernkraftwerken Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16635 (A) ) (B) ) ein großes Interesse an einem Rückstellungssystem, das langfristig sicherstellt, dass die für die Verwertung radio- aktiver Reststoffe, für die Beseitigung radioaktiver Ab- fälle und für die Stilllegung der Atomkraftwerke not- wendigen Mittel im Bedarfsfall auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Hier muss das Verursacherprinzip gelten, und das bedeutet auch, dass Risiken, die dazu führen könnten, dass letztendlich der Bund für die Fi- nanzierung der Entsorgung geradezustehen hätte, konse- quent minimiert werden müssen. Insofern und gerade auch vor dem Hintergrund, dass sich die Rahmenbedin- gungen für die Finanzierung der nuklearen Entsorgung seit 1976 erheblich verändert haben – Liberalisierung der deutschen und europäischen Energiemärkte, Aus- stieg aus der Nutzung der Kernenergie –, ist es sicherlich absolut legitim, darüber nachzudenken, wie diese Finan- zierungssicherheit weiter erhöht werden kann. Gerade an dieser Stelle allerdings scheint mir der vor- liegende Antrag wenig überzeugend zu sein. Die Konse- quenz seiner Umsetzung wäre doch, dass die bislang be- reits rückgestellten genauso wie die in Zukunft noch angesammelten Mittel komplett in den neu gebildeten Fonds abfließen würden. Damit aber würden diese Mit- tel den durch das Atomrecht zur nuklearen Entsorgung verpflichteten Energieversorgungsunternehmen entzo- gen und stünden für den eigentlichen Verwendungs- zweck jedenfalls zunächst einmal nicht mehr zur Verfü- gung. Mehr finanzielle Sicherheit für das nukleare Entsorgungssystem bedeutet dies nicht, wohl aber einen sehr weitreichenden Eingriff in bestehende Rechtsposi- tionen der betroffenen Unternehmen, der wohl kaum ohne größere juristische Auseinandersetzungen hinge- nommen werden würde. Wir sollten daher an dieser Stelle keine Schnell- schüsse vornehmen, sondern gründlich darüber nachden- ken, mit welchen konkreten Maßnahmen sich tatsächli- che Verbesserungen des bestehenden Systems erreichen lassen. Dabei stehen wir alle in der Pflicht, bei der Frage der nuklearen Entsorgung und deren Finanzierung die größtmögliche Sorgfalt walten zu lassen. Experimente wie ein „Fonds Ökowandel“ sind hier kein angemesse- ner Ansatz. Christoph Pries (SPD): Der vorliegende Antrag von Bündnis 90/Die Grünen greift ein wichtiges Thema auf, welches uns in den kommenden Jahren verstärkt be- schäftigen wird. Die EU-Kommission geht davon aus, dass bis 2025 ein Drittel der Atomkraftwerke in der Europäischen Union stillgelegt werden muss. Es besteht darüber Kon- sens, dass eine ausreichende Finanzierung des Rückbaus von Atomkraftwerken und der Entsorgung der radioakti- ven Abfälle gewährleistet sein muss. Die entsprechend zurückgestellten Mittel müssen zum gegebenen Zeit- punkt verfügbar sein. Nach dem Verursacherprinzip sind in Deutschland Be- treiber von Atomkraftwerken dazu verpflichtet, die Kos- ten für den Rückbau der Anlagen und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle sicherzustellen. In Deutschland ge- schieht dies über interne Rückstellungen der Energiekon- z l u g i F d E d d s „ n „ R R ü A R l g j R E d t f m v d g A l G W w g e B w F m d w G u s w g R h (C (D erne für zukünftige Verbindlichkeiten. Diese Rückstel- ungen belaufen sich derzeit auf rund 30 Milliarden Euro nd unterliegen keiner Zweckbindung. Wenn ich zu Beginn gesagt habe, dass der vorlie- ende Antrag ein wichtiges Thema aufgreift, so möchte ch einschränken: Die Darstellung ist verkürzt und die orderungen sind Schnellschüsse. Der Antrag erweckt en Eindruck, als sei das System der Rückstellungen der nergiekonzerne in Deutschland unzureichend. Hierzu ist anzumerken: Selbst die EU-Kommission, ie eher externen Fondsmodellen zuneigt, bezeichnet as deutsche System der unternehmensinternen Rück- tellungen in ihrem Bericht vom 17. Dezember 2007 als zur Bereitstellung angemessener Finanzmittel (…) achweisbar effizient“. Ein weiterer Punkt ist, dass die Einrichtung eines Fonds Ökowandel“ erhebliche Auswirkungen hätte. und 30 Milliarden Euro, die die Energiekonzerne an ückstellungen gebildet haben, müssten an den Fonds bertragen werden. Dies hätte erhebliche wirtschaftliche uswirkungen und würde einen massiven Eingriff in die echtsposition der betroffenen Energiekonzerne darstel- en. Vor dem Hintergrund der ohnehin schwierigen ener- iepolitischen Diskussion halte ich dieses Ansinnen zum etzigen Zeitpunkt für kontraproduktiv. Die aktuelle ückstellungspraxis stammt noch aus den 1970er-Jahren. s steht fest, dass die Liberalisierung der Strommärkte, ie Privatisierung der deutschen Energieversorgungsun- ernehmen, der Atomausstieg und die zunehmende Ver- lechtung der europäischen Energiewirtschaft die Rah- enbedingungen für die Rückstellungen grundlegend erändert haben. Ob und in welcher Form Anpassungen er Rückstellungspraxis notwendig sind, bedarf einer ründlichen und breiten politischen Diskussion und der bwägung vieler Argumente. Mal so eben mit einem zweiseitigen Antrag 30 Mil- iarden Euro in einen Fonds zu verschieben, wie dies die rünen jetzt fordern, ist sicherlich nicht der richtige eg. Gudrun Kopp (FDP): Die Grünen liefern hier heute ieder einmal den Beweis dafür ab, dass Sie immer ganz enau wissen, wie man es nicht machen sollte. Gerade rst haben wir erlebt, wie staatliche und halbstaatliche anken Milliardenbeträge schlicht verbrannt haben, da ollen Sie schon den nächsten staatlich kontrollierten onds bilden. Aber mit dem Geld anderer Leute kann an es ja machen. Wenn ich Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen von en Grünen, richtig verstehe, wollen Sie den Kernkraft- erke betreibenden Unternehmen in Deutschland das eld, das sie – dem Atomgesetz folgend – für Rückbau nd Entsorgung von Kernkraftwerken und deren Brenn- toffen in Form von Rückstellungen angespart haben, egnehmen und unter staatliche Kuratel stellen. Als Be- ründung treibt Sie offenbar die Sorge um, dass die ückstellungen im Bedarfsfalle nicht zur Verfügung ste- en könnten. Ich sage Ihnen: Wenn es einen sicheren 16636 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) Weg gibt, die Atomrückstellungen vor Eintritt des Be- darfsfalles zu verschleudern, dann den, dieses Geld den Mitgliedern des Umweltausschusses zu überlassen. Im Ernst: Wer angesichts der Ereignisse in den letzten Mo- naten – Stichworte: West-LB, Bayern-LB, Sachsen-LB, KfW – einen Betrag von 28 Milliarden Euro der Kuratel von Umweltpolitikern und Naturschutzverbänden unter- stellen will, der kann nicht mehr alle Tassen im Schrank haben. Grundsätzlich aber passt das natürlich zur Linie der Grünen in der Energiepolitik. Langfristiges Ziel scheint ja auch hier die vollständige staatliche Lenkung jeglicher Investitionsentscheidungen zu sein. Dem kämen Sie mit einem solchen Konstrukt natürlich ein Stück weit näher. Auf unsere Unterstützung müssen Sie bei diesem Unter- fangen allerdings verzichten. Merkwürdig erscheint mir nur, dass Sie offenbar überhaupt nicht zur Kenntnis genommen haben, was die jüngste europäische Rechtsprechung zum Thema Kern- energierückstellungen noch einmal verdeutlicht hat. Ge- rade erst hat der EuGH die Klagen diverser deutscher Stadtwerke gegen die gängige Rückstellungspraxis letzt- instanzlich zurückgewiesen. Die Kernkraftwerksbetrei- ber halten sich in diesem Bereich an Recht und Gesetz. Das Einzige, was ihre Rückstellungen von anderen han- delsrechtlich üblichen Rückstellungen unterscheidet, ist die Höhe dieser Rückstellungen. Diese aber liegt in der Natur der Sache und wird ja auch von Ihnen als solche nicht beanstandet. Kurz und gut: Nicht nur, dass das von Ihnen vorge- schlagene Verfahren höchst unsinnig ist und den kürzes- ten Weg zu hohen staatlichen Entsorgungslasten bedeu- ten würde. Nein, mir scheint auch rechtlich dieser Weg überhaupt nicht gangbar zu sein. Sie können nicht ein- fach rückwirkend in handelsrechtlich gebildete Rück- stellungen eingreifen. Nur zur Erinnerung: Diese Rück- stellungen sind auch in anderen Branchen üblich. Selbst wenn es also rechtlich möglich wäre, was Sie hier vor- schlagen: Welches Signal senden Sie denn damit aus? Wenn es politischen Gruppen opportun erscheint, kön- nen diese Rückstellungen von staatlichen Ad-hoc-Ein- griffen betroffen werden und einfach anderen Zwecken zugeführt werden? Mit dem Risiko, dass die staatlichen Akteure sich ein bisschen verzocken und der Steuerzah- ler am Ende dafür geradestehen muss? Nein, dieser Vorschlag ist weder rechtlich noch poli- tisch akzeptabel. Sie merken wahrscheinlich selbst, dass Sie sich mit dem Ausstieg aus der Kernenergie ein Ei- gentor geschossen haben, und suchen jetzt verzweifelt nach einer Möglichkeit, aus dieser Nummer wieder he- rauszukommen. Nachdem alle drei energiepolitischen Ziele – Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit – für die Kernenergie sprechen, sind Sie auf der Suche nach neuen Ablehnungsgründen. Das wird Ihnen aber nicht gelingen. Die gegenwärtige Rückstellungspraxis ist nicht zu beanstanden, und sie sollte insbesondere nicht zu einer staatlich verordneten Zwangsverwaltung von privatem Geld umgewandelt werden. m u 1 u S a z d s l r ü L g s k M b d b d w s a A G O B d D c c W A M s B R g b z g r d k o n s A g w R A V (C (D Hans-Kurt Hill (DIE LINKE): Die Atomkonzerne achen Kasse – mit staatlicher Hilfe. Die Entwicklung nd der Bau von Atomanlagen in Deutschland haben 20 Milliarden Euro verschlungen. Jeder der maroden nd längst abgeschriebenen Reaktoren wirft bei der tromerzeugung jährlich 300 Millionen Euro Gewinn b. Und: Die Rückstellungen, welche die Energiekon- erne bilden müssen, um den Rückbau der Anlagen und ie Endlagerung des Strahlenmülls zu finanzieren, sind teuerfrei. Außerdem stehen sie frei zur Verfügung, so- ange die Summe in der Bilanz irgendwo auftaucht. Wir eden hier nicht von Peanuts: Mittlerweile haben sich ber 27 Milliarden Euro angesammelt. Da fragt sich der aie, was die Konzerne mit dem vielen Geld so anfan- en. Ein Blick in die Wirtschaftspresse gibt darüber Auf- chluss: RWE, Eon und Co. gehen international auf Ein- aufstour. Sie sichern sich mit den Steuergeschenken ihr onopol ab. Und was kaufen sie? Atomkraftwerke im enachbarten Ausland! Das ist Atomsubvention durch ie Hintertür. Die Linke lehnt das ab. Nun sagt die Bundesregierung, man könne den Strom- ossen nicht in die Buchhaltung hineinreden. Gerade eshalb ist der Antrag der Grünen zu begrüßen. Schaffen ir den Missbrauch bei den Atomrückstellungen ab und tellen die Gelder unter öffentliche Aufsicht. Ich möchte n dieser Stelle betonen, dass die Steuergeschenke an die tomindustrie auch unter der Regierungsbeteiligung der rünen nicht beseitigt wurden. Dass dies jetzt aus der pposition heraus versucht wird, hat doch einen faden eigeschmack. Interessant ist allerdings auch, dass sich ie Ökopartei jetzt als Fondsmanager versucht – eine iskussion über die Rolle von Staatsfonds kann hier si- herlich nicht schaden. Ob wir allerdings einen öffentli- hen Nachhaltigkeitsfonds auflegen sollten, ist fraglich. ichtig ist jedoch, dass wir die Rückstellungen, die die tomwirtschaft zum Atomausstieg bilden muss, der acht der Konzerne entziehen. Die Linksfraktion unter- tützt den Antrag deshalb. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die etreiber von Atomkraftwerken klammern sich an ihren eaktoren fest wie die Affen an der Banane. Dies hat ute Gründe. Zum einen können Sie mit den abgeschrie- enen Reaktoren Milliardengewinne einfahren, da sie ugleich vom Stromkunden hohe Strompreise abverlan- en. Selbstverständlich denken sie überhaupt nicht da- an, diese Gewinne in Form niedrigerer Strompreise an ie Stromkunden weiterzugeben. Wer meint, dass Atom- raftwerke die Strompreise senken, hat die Rechnung hne die Betreiber gemacht, wofür Millionen Stromrech- ungen die Beweise liefern. Die Stromkonzerne haben noch einen zweiten Grund, ich an den Atomkraftwerken festzuklammern. Mit den tomrückstellungen haben sie Milliarden Euro an Spiel- eld in der Hand, mit dem sie ihre Marktmacht europa- eit ausbauen können. Woraus leitet sich diese privilegierte Situation für WE, Eon, Vattenfall und EnBW ab? Die Betreiber von tomkraftwerken sind gemäß Atomgesetz als erursacher für die Verwertung radioaktiver Reststoffe, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16637 (A) ) (B) ) Beseitigung radioaktiver Abfälle und die Stilllegung der Atomkraftwerke zuständig. Sie sind verpflichtet, Rück- stellungen zu bilden. Interessanterweise liegen der Bun- desregierung keine Erkenntnisse darüber vor, wie hoch die Entsorgungskosten sein werden. Solange keine reali- tätsnahe Schätzung der tatsächlichen Kosten vorliegt, ist die Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen nicht umfassend überprüfbar. Die Bundesregierung ist aufge- fordert, ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen. Sowohl beim Rückbau der Atomanlagen als auch bei der Endlagerung der Brennelemente handelt es sich um Verbindlichkeiten, die erst in einigen Jahren bis Jahr- zehnten – bei der Endlagerung sogar in mehreren Jahr- zehnten – fällig sein werden. Den Gesamtbetrag der Rückstellungen, der im Laufe der letzten Jahre von den Betreibergesellschaften angesammelt wurde, beziffert die Bundesregierung für Ende 2006 auf 27,388 Milliar- den Euro. Hinzu kommen in den nächsten Jahren noch zweistellige Milliardenbeträge. Bei der bisherigen Art und Weise, die für die Stillle- gung von Atomanlagen oder die Entsorgung von Kern- brennstoffen gebildeten Rückstellungen zu verwenden und anzulegen, ist nicht hinreichend gewährleistet, dass die Mittel im Bedarfsfall auch tatsächlich für den Be- stimmungszweck zur Verfügung stehen. Als 1988 der Thorium-Hochtemperatur-Reaktor, THTR, in Hamm- Uentrop nach nur 423 Volllasttagen wegen seiner Sicher- heitsmängel stillgelegt wurde, stand die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betreibergesellschaft infrage. Die Kosten der Stilllegung fielen in unerwarteter Höhe der öffentlichen Hand zu, die erhebliche finanzielle Ver- pflichtungen übernehmen musste, damit ein geordnetes Verfahren zur Stilllegung des THTR eingeleitet werden konnte. Anders als bei Pensionsrückstellungen, bei denen es stetigen Zu- und Abfluss gibt, ist der Elektrizitätswirt- schaft eine enorme Liquiditätsreserve zugewachsen, über die sie frei verfügen kann, solange der Bestand in der Bilanz nachgewiesen wird. Während andere Unter- nehmen für die Erhöhung ihres Geschäftskapitals Kre- dite aufnehmen müssen, können die Atomkraftwerksbe- treiber auf ihre eigenen steuerfreien Rückstellungen zurückgreifen. Hierdurch entstehen Wettbewerbsverzer- rungen zum Schaden anderer Unternehmen. Vorbild für die Sicherstellung der Rückstellungen der Atomkraftindustrie könnte der öffentlich kontrollierte Stilllegungsfonds und der Entsorgungsfonds in der Schweiz sein. Ein öffentlich kontrollierter Fonds, in dem die Rück- stellungen der Atomwirtschaft für die Entsorgung gebün- delt werden, darf nach dem Beschluss über den Atomaus- stieg in Deutschland nicht wieder in die Atomenergie investieren – auch, da der Neubau von Atomkraftwerken in Deutschland verboten ist. Damit ergibt sich eine neue Rolle als zentraler Baustein in einer Strategie für nach- haltiges Investment, für einen solchen Fonds: Ein wichti- ger Schritt für die Verbreitung von nachhaltigem Invest- ment – auch zur Stärkung des Finanzplatzes Deutschland – kann in Ermangelung einer allgemeingültigen Definition für nachhaltige Geldanlage ein bekannter öffentlicher F f n S m e v e g „ g t k w d f s „ s l t tä R h t g w R a E t g A i l v P v B (C (D onds sein, dessen Anlagekriterien Orientierungspunkt ür andere Marktteilnehmer, insbesondere für Anlegerin- en und Anleger sein können. Kernpunkt ist hierbei die icherstellung einer optimalen und immer wieder opti- ierten Nachhaltigkeitsstrategie des Fonds, aber auch ine effiziente Anlagepolitik. Vorbild für nachhaltiges In- estment kann nur ein Fonds sein, der sich auch durch ine sehr gute Performance auszeichnet. Der Deutsche Bundestag sollte daher die Bundesre- ierung auffordern, einen öffentlich kontrollierten Fonds Ökowandel“ in der Organisationsform einer rechtsfähi- en Stiftung des öffentlichen Rechts zu errichten. Die Energieversorgungsunternehmen sollten verpflich- et werden, die für die Entsorgung bereits gebildeten und ünftig zu bildenden Rückstellungen in den Fonds „Öko- andel“ einzuzahlen. Grundvoraussetzung muss sein, ass die Mittel so angelegt sind, dass sie im Entsorgungs- all unverzüglich für die gebotenen Maßnahmen einge- etzt werden können. Gesetzlich muss festgelegt werden, dass der Fonds Ökowandel“ sich an ökologischen, sozialen und ethi- chen Kriterien orientiert, die die Prioritäten der nationa- en Nachhaltigkeitsstrategie widerspiegeln. Die Fondsverwaltung muss neben Nachhaltigkeitskri- erien sachgemäße Kriterien wie zum Beispiel Liquidi- tsvorhaltung im Entsorgungsfall, Verwaltungskosten und isikoexposure der Anlage beachten. Von staatlicher Seite – unterstützt durch einen unab- ängigen Nachhaltigkeitsrat – sollte aus den eingereich- en Angeboten das überzeugendste Gesamtkonzept aus- ewählt und die Einhaltung der Kriterien überwacht erden. Neben dem Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und eaktorsicherheit des Deutschen Bundestages und den nerkannten Naturschutzverbänden entsenden auch die nergieversorgungsunternehmen Vertreter in den Stif- ungsrat. Sie sind daher an allen wichtigen Entscheidun- en der Stiftung beteiligt. nlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Berichts: Technikfolgenab- schätzung (TA) Industrielle stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe Sachstandsbericht zum Monitoring „Nachwachsende Rohstoffe“ (Tagesordnungs- punkt 23) Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU): Der Einstieg n das Kunststoffzeitalter gelang – was viele heute viel- eicht überraschen wird – über das Holz. Alles begann or fast 150 Jahren in den USA mit der industriellen roduktion des Biokunststoffs Celluloid auf der Basis on Cellulose. Biokunststoffe, biologisch abbaubare Verpackung, io-Schmierstoffe, Bio-Lacke, Bio-Tenside aus Stärke, 16638 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) Zucker, Pflanzenölen und Fasern – nachwachsende Roh- stoffe sind heute nicht nur als Energielieferanten für die Biospritbranche, sondern ganz besonders als Rohstoff- lieferanten für die Industrie wieder auf dem Vormarsch und wecken neue Hoffnungen für die Zukunft. Sie haben großes Potenzial vor allem in der Chemie- industrie, gelten dabei ebenso wie in der Energiebranche als wichtiger Baustein bei der Schonung fossiler Res- sourcen und beim Klimaschutz. Sie bieten die Chance, schrittweise die Chemieproduktion umweltfreundlicher und nachhaltiger zu gestalten und gleichzeitig unabhän- giger von teuren und zunehmend knappen Rohstoffen wie Erdöl zu machen. Sie könnten neue Exportmöglich- keiten für die deutsche Industrie eröffnen. Und für die deutsche Landwirtschaft und die ländlichen Gebiete könnte der erweiterte Anbau nachwachsender Rohstoffe neue Einkommensquellen und Entwicklungsmöglichkei- ten erschließen. Die Bundesregierung fördert deshalb schon seit Jah- ren in vielfältigen Programmen neue Verwendungsmög- lichkeiten und Verfahren für nachwachsende Rohstoffe auf stofflicher Basis, die sich aus Nischen heraus in die großen Märkte entwickeln sollen. So fördert das Bun- deslandwirtschaftsministerium mit dem Programm „Nachwachsende Rohstoffe“ die Entwicklung innovati- ver Konversionsverfahren und Produkte, Demonstra- tionsvorhaben, die Erschließung neuer technischer Ein- satzbereiche, die Zucht von maßgeschneiderten Pflanzen für viele Anwendungsgebiete, die Markteinführung so- wie Untersuchungen zur Wirtschaftlichkeit und zu den ökologischen Auswirkungen des Einsatzes nachwach- sender Rohstoffe. Das Budget von rund 50 Millionen Euro in 2008 wird zur Hälfte für Projekte der stofflichen Nutzung eingesetzt. Unter Federführung des BMELV steht auch das neue Biomasse-Forschungszentrum in Leipzig zur Förderung der energetischen Nutzung von Biomasse. Das Bundesforschungsministerium fördert die Pflan- zengenomforschung als Grundlage für Pflanzenzüch- tung, Pflanzendesign und Produktinnovationen im Rah- men von GABI und GABI-FUTURE mit dem Ziel, das enorme Potenzial der Pflanze als Rohstofflieferant und Biofabrik der Zukunft umfassend zu erschließen. Die Förderinitiative BioIndustrie 2021 leistet einen Beitrag zur Verwertung der pflanzlichen Inhaltsstoffe. Das Bundesumweltministerium befasst sich vorwie- gend mit der energetischen Nutzung von Pflanzen, mit Biomasse-Kraftwerken und Biogas-Anlagen. Das Bun- deswirtschaftsministerium kümmert sich im Rahmen des Themas Rohstoffsicherung und -versorgung um die Nut- zung nachwachsender Rohstoffe. Die integrierte High- tech-Strategie der Bundesregierung behandelt in einem Extra-Kapitel das System Pflanze als Rohstofflieferant und Biofabrik der Zukunft. Sie definiert in diesem Be- reich Innovationsfelder und Innovationsstrategien, legt den Schwerpunkt dabei jedoch mehr auf die energetische Nutzung. Neben den aufgezeigten Potenzialen zeichnen sich – angefacht von dem hohen Importbedarf und der Nega- tivdiskussion beim Biosprit – bereits heute Probleme bei d d c F d c e l E w t N f t z d d f s A l n a P u k d c h s E b R M a B e s b f d t n a t g l K d z k l s d (C (D er Verwertung nachwachsender Rohstoffe ab, vor allem urch die Konkurrenz um die Nutzung landwirtschaftli- her Nutzflächen: Rohstoffpflanzen, Energiepflanzen, utterpflanzen und Pflanzen für die Nahrungsmittelpro- uktion konkurrieren um die schon heute knappen Flä- hen. Was in Deutschland und anderen Industrieländern her positiv gesehen wird, wird in vielen Entwicklungs- ändern durch steigende Nahrungsmittelpreise oft zur xistenzfrage und stellt durch die Abholzung von Ur- äldern vielerorts alle Anstrengungen für den weltwei- en Klimaschutz infrage. Wichtig ist, Chancen und Grenzen der stofflichen utzung nachwachsender Rohstoffe in der Industrie rühzeitig zu erkennen, um die Entwicklung in die rich- ige Richtung zu steuern und von ihrem Einsatz optimal u profitieren. Auf Initiative der Abgeordneten Andrea Wicklein hat er Bundestagsausschuss für Bildung und Forschung eshalb bereits in der letzten Legislaturperiode das Büro ür Technikfolgenabschätzung beauftragt, einen Ge- amtüberblick über das komplexe Gebiet zu geben, und ntworten auf Fragen zu finden wie: Welche Nutzungskonzepte gibt es aktuell? Welche angfristigen Perspektiven für den breiteren Einsatz achwachsender Rohstoffe in der Industrie zeichnen sich b? Wo liegen die Probleme? Was kann oder muss die olitik tun, um die Rahmenbedingungen zu verbessern nd Konflikte zu aufzulösen? Insbesondere war auch zu lären: Wie steht es mit der Wirtschaftlichkeit? Wie sieht ie Ökobilanz aus? Wo liegen die Grenzen bei der Flä- hen- und Nutzungskonkurrenz? Der inzwischen vorliegende Sachstandsbericht ist eute unser Thema, und er macht klar: Das Potenzial der tofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe ist groß. s wird aber selbst heute noch wenig genutzt. Und es leiben viele offene Fragen. So werden nachwachsende ohstoffe heute nur in wenigen Bereichen in breitem aße eingesetzt, zum Beispiel in der Papierherstellung us Cellulose. Der Einsatz von Bioschmierstoffen und iokunststoffen beschränkt sich dagegen nach wie vor her auf Nischen. Insgesamt liegt der Marktanteil chemi- cher Grundstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen erst ei circa 10 Prozent. Und die Anbaufläche von Pflanzen ür die stoffliche Nutzung beträgt nur rund ein Fünftel er Anbaufläche für Energiepflanzen. Neue interessante Einsatzgebiete und eine Auswei- ung der Produktion zeichnen sich vor allem bei den euen Werkstoffen ab, speziell bei Verbundwerkstoffen us Kunststoffen und Holzfasern und bei weiteren Na- urfaserverstärkten Kunststoffen (NFK). Die Vorteile lie- en auf der Hand: Bauteile aus NFK sind steifer, fester, eichter und umweltfreundlicher als herkömmliche unststoffe. Sie sind schon heute in der Automobilin- ustrie – vor allem beim Einsatz im Pkw-Innenraum, um Beispiel bei Armaturenbrett oder der Türinnenver- leidung, aber auch als Unterbodenschutz – wirtschaft- ich konkurrenzfähig und helfen zudem, Kraftstoff zu paren. Weitere Anwendungsfelder und Branchen wer- en bald folgen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16639 (A) ) (B) ) Bereits diese wenigen Beispiele zeigen: Die Verwer- tungsmöglichkeiten bei der stofflichen Nutzung nach- wachsender Rohstoffe sind wesentlich vielfältiger als bei der energetischen Nutzung. Gerade deshalb ist es wichtig, hier eine Richtschnur zu haben, wo die zukunftsträchtigsten Entwicklungen liegen, wo Forschungsbedarf besteht und wo die Mittel am effizientesten eingesetzt werden können. Der TAB-Bericht kommt nicht zu einem abschließen- den Ergebnis, sondern definiert weiteren Forschungsbe- darf und Handlungsbedarf in vielen Bereichen, um die stoffliche Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen zu optimieren. Nicht eindeutig beantwortet werden kann zum Bei- spiel die Frage der Ökobilanz beim Einsatz von Bio- schmierstoffen, Biokunststoffen und Fasermaterialien, denn sie fällt je nach betrachtetem Parameter unterschied- lich aus. Forschungsbedarf gibt es außerdem hinsichtlich der Erschließung neuer Anwendungsmöglichkeiten, bei der Verbesserung der technischen Verarbeitung und bei den Industriepflanzen selbst. Ziel muss die Entwicklung von maßgeschneiderten Pflanzen für verschiedene Anwendungsbereiche sein. Für diese maßgeschneiderten „Biofabriken“ muss auch der Einsatz von grüner Gentechnik ideologiefrei disku- tiert und deren gesellschaftliche Akzeptanz verbessert werden. Ein früherer TAB-Bericht, der die Optionen für transgene Pflanzen der 2. und 3. Generation untersucht, kommt in Bezug auf den Einsatz der Gentechnik für die Optimierung von Nutzpflanzen für industrielle Anwen- dungen trotz positiver Beispiele insgesamt noch nicht zu eindeutigen Ergebnissen. Hier steht die Forschung noch ganz am Anfang und hat noch viele Probleme zu über- winden. Die Gentechniknovelle eröffnet bessere For- schungsmöglichkeiten in diesem Bereich, die es zu nut- zen gilt. Wie eine erfolgreiche Industriepflanzenzüchtung mit Hilfe von Gentechnik praktisch aussehen kann, hat BASF mit der Kartoffelsorte Amflora gezeigt, deren Stärke fast ausschließlich aus Amylopektin und nicht wie bei anderen Sorten aus Amylose besteht. Amflora, die Stärkekartoffel, soll als nachwachsender Rohstoff ab 2008 kommerziell angebaut werden und künftig dazu beitragen, Material, Energie und Kosten bei der Stärke- verarbeitung in der Papier-, Klebstoff-, Textil-, Bau- und Kosmetikindustrie zu sparen. Die Sicherheit wird da- durch gewährleistet, dass Amflora nur in einem ge- schlossenen Verbundsystem angebaut und ausschließlich im Vertragsanbau produziert wird. Sie wird getrennt von anderen Kartoffeln geerntet und gelagert und ausschließ- lich in technischen Anwendungen eingesetzt. Zur optimalen industriellen Ausbeute der pflanzli- chen Inhaltsstoffe von Industriepflanzen sind darüber hi- naus innovative Konversionstechnologien und vor allem integrierte Bioraffineriekonzepte unter Einbeziehung der Weißen Biotechnologie notwendig, die sich heute jedoch weitgehend erst im Versuchsstadium befinden. Der Bericht untersucht hierzu die vier bekannten Bio- raffineriesysteme: die grüne Bioraffinerie auf der Basis v r m G K n k „ e z t z i m P n m w g d d t w s s m t b c d D s w n t F w D d C k U g t c c G w u s g h t (C (D on grasartiger, feuchter Biomasse, die LCF-Bioraffine- ie auf der Basis von trockener cellulosehaltiger Bio- asse wie Stroh, Holz oder Papierabfällen, die Getreide- anzpflanzen-Bioraffinerie und das Zwei-Plattformen- onzept zur Erzeugung und Verarbeitung von Zucker ei- erseits und von Synthesegas andererseits. Der Bericht ommt zu dem Schluss, dass für alle diese Systeme noch enormer Entwicklungsbedarf“ in jeder Hinsicht besteht, gal, ob es die Basiskonzepte, die technischen Umset- ungsmöglichkeiten, die Auslegung von Demonstra- ionsanlagen, die Wirtschaftlichkeit oder die Ökobilan- en betrifft. Es gibt bundesweit verschiedene Initiativen n diesem Bereich. Daraus leitet sich ein hoher Abstim- ungsbedarf bei der Forschungsförderung und bei der lanung von Pilotanlagen ab. Fortschritte in der Pflanzenzucht und bei den Bioraffi- erien könnten künftig dazu beitragen, die gesamte Che- ieproduktion unabhängiger von knapper und teurer erdenden fossilen Energieträgern wie Erdöl und Erd- as zu machen und auf eine breitere Basis nachwachsen- er Rohstoffe zu stellen. Eine komplette Umstellung von er Petrochemie zur „Ökochemie“ liegt jedoch aus heu- iger Sicht jenseits der Horizonte. Selbst wenn dies eines Tages technologisch machbar äre: Dann wird beim Einsatz nachwachsender Roh- toffe vor allem noch die Wirtschaftlichkeit zu prüfen ein. Das kann aber sinnvoll erst dann geschehen, wenn an einen Überblick über die Einsatzgebiete, die Kos- enstrukturen der Rohstoffe und die Marktaspekte erar- eitet hat. Ein wichtiger limitierender Faktor bleibt si- herlich zudem wegen der großen Nutzungskonkurrenz ie notwendige Anbaufläche. Schon heute müssen in eutschland rund zwei Drittel des Bedarfs an nachwach- enden Rohstoffen für die stoffliche Nutzung importiert erden. Der TAB-Bericht zeigt: Noch befinden wir uns in ei- er sehr frühen Entwicklungsphase in diesem interessan- en Innovationsfeld – trotz zahlreicher Aktivitäten zur örderung der industriellen stofflichen Nutzung nach- achsender Rohstoffe in den letzten Jahren. Der Bericht ist eine gute Grundlage für die weitere iskussion. Er gibt erstmals einen breiten Überblick zu en aktuellen Einsatzfeldern und zu den langfristigen hancen, die aus nachwachsenden Rohstoffen entstehen önnen – für die Wirtschaft, für die Landwirtschaft, für mwelt und Klima. Zugleich wirft der Bericht viele Fra- en auf und gibt zahlreiche Empfehlungen, die jetzt sys- ematisch aufgearbeitet werden müssen. Erst wenn wir in einem Gesamtkonzept wissen, wel- he Pflanzen wofür sinnvoll geeignet sein können, wel- he Eigenschaften – auch unter Verwendung der grünen entechnik – sinnvoll hinzugezüchtet werden können, ie die Pflanzen optimal verarbeitet werden können, nd welche ökologischen und technologischen Vorteile ie bieten: Erst dann können in einer langfristigen Strate- ie Schritt für Schritt die Elemente einer auch hier nach- altigen Wirtschaft entwickelt werden. Ein solches Gesamtkonzept, eine solche Gesamtstra- egie zu entwickeln – das ist eine herausfordernde Auf- 16640 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) gabe für die Bundesregierung, in einer gemeinsamen Anstrengung über die Grenzen der kundigen Ressorts hi- naus. Andrea Wicklein (SPD): Deutschlands Wirtschaft und unser Wohlstand sind zum großen Teil vom Erdöl abhängig, nicht nur bei Energie und Kraftstoffen. Unser Alltag wird von Produkten bestimmt, die aus Erdöl pro- duziert sind. Auch in Autoreifen, Bekleidung oder im Plastikgehäuse von Handys und Computern steckt Erdöl. Aktuell importiert Deutschland rund 100 Millionen Tonnen Rohöl. Davon benötigt die chemische Industrie etwa 14 Millionen Tonnen zur Herstellung von Kunst- stoffen oder von anderen chemischen Erzeugnissen. Aber Erdöl geht langsam zur Neige und wird durch die steigende weltweite Nachfrage immer teurer. Allein zwischen 1992 und 2004 haben sich die Importkosten Deutschlands mehr als verdoppelt. Im gleichen Zeitraum aber stiegen die Importkosten von Indien um das Fünffa- che und von China sogar um das Neunzehnfache. Dieser Verknappungs- und Verteuerungsprozess ist nicht zu stoppen. Wir spüren das aktuell nicht nur an der Zapfsäule, sondern mehr und mehr auch bei den Kunst- stoffpreisen auf den Weltmärkten. Doch was ist, wenn das Erdöl einmal nicht mehr sprudelt? Die Experten sind sich zwar noch nicht einig, wann dies genau sein wird. Aber klar ist, dass dieser Zeitpunkt in einem überschau- baren Zeitraum kommen wird. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Deshalb stehen wir langfristig – wie auch alle anderen Länder weltweit – vor der Frage, wie das Erdöl durch andere Rohstoffträ- ger ersetzt werden kann, und zwar zu nachhaltigen Be- dingungen und ohne Abholzung der Regenwälder und zu vernünftigen Kosten. Während im Energie- und Kraftstoffbereich das Erdöl durch andere Energiequellen, wie Wasserkraft, Sonnen- energie oder die Brennstoffzelle nach und nach ersetzbar ist, kommen bei Chemikalien und Chemieprodukten nur nachwachsende Rohstoffe infrage. Sie sind die einzige erneuerbare Rohstoffquelle, in der die für die Chemie notwendigen organischen Kohlenstoffverbindungen ent- halten sind. Wenn wir unseren heutigen Lebensstandard sichern und verbessern wollen, müssen wir schon heute die Grundlagen für die Rohstoffwende in der Chemie „weg vom Erdöl“ und „hin zu den nachwachsenden Rohstof- fen“ legen. Eine Wende, die gerade Deutschland als Chemiestandort Nummer 1 in Europa und Nummer 4 in der Welt vor große Herausforderungen stellen wird. Fast 450 000 Beschäftigte zählt unsere Chemiebranche, die aktuell mehr als 150 Milliarden Euro Umsatz erwirt- schaft und dabei zu fast 80 Prozent exportabhängig ist. Zahlreiche Chemieunternehmen sowie Hochschulen und Forschungseinrichtungen widmen sich deshalb seit Jahren verstärkt dem Thema der Chemie aus nachwach- senden Rohstoffen. Forschungsnetzwerke sind entstan- den, die sowohl Grundlagenforschung betreiben als auch an der technologischen Umsetzung in Pilot- oder De- m s c d G E s d i r R e z t s F g A S R k F d u f d u s t u d u Z s u n w v W b a l s s d r D p P m d M r N h (C (D onstrationsanlagen arbeiten. Immer mehr rücken dabei ogenannte Bioraffineriesysteme in den wissenschaftli- hen Fokus, eine neue und komplexe Technologie, mit eren Hilfe nachwachsende Rohstoffe in chemische rundbausteine umgewandelt werden können. Um hierbei den aktuellen Stand von Forschung und ntwicklung zu untersuchen, die Marktchancen und Ein- atzmöglichkeiten von Biokunststoffen auszuloten und ie Akzeptanz bei den Verbrauchern zu ermitteln, habe ch 2004 die Initiative für den nun vorliegenden TAB-Be- icht „Industrielle stoffliche Nutzung nachwachsender ohstoffe“ ergriffen. Der Bericht liegt nun vor und bietet ine hervorragende Grundlage, um hier strategisch voran- ukommen. Mit dem TAB-Bericht haben wir eine wich- ige Analyse sowie Daten und Hinweise, um die politi- chen Rahmenbedingungen zu prüfen sowie das örderinstrumentarium in den beteiligten Ressorts strate- isch neu auszurichten. Ich unterstütze ausdrücklich die ussage im Bericht, wonach wir nun eine integrierte trategie für die stoffliche Nutzung nachwachsender ohstoffe erarbeiten müssen, aus der dann klare und kon- rete Zielvorgaben und Schwerpunkte für die weitere orschungsförderung abzuleiten sind. Eine Strategie, die wir nicht vorgeben können, son- ern die im engen Dialog mit Industrie, Landwirtschaft nd Forschung entstehen muss. Wenn wir jetzt möglichst rühzeitig die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, ann bieten sich in diesem Bereich für den Wirtschafts- nd Forschungsstandort Deutschland exzellente Per- pektiven: für die chemische und verarbeitende Indus- rie, weil dort die neuen Marktpotenziale erschlossen nd exportfähige Zukunftstechnologien entwickelt wer- en, für die ländlichen Gebiete durch neue Produktions- nd Einkommensalternativen in einem hochinnovativen ukunftsfeld, und für unsere Hochschulen und Wissen- chaftseinrichtungen, weil dort die wissenschaftlichen nd technischen Grundlagen für die stoffliche Nutzung achwachsender Rohstoffe entstehen. Der Markt für chemische Anwendungen aus nach- achsenden Rohstoffen ist riesig. Es gibt eine Vielfalt on neuen Anwendungsbereichen: In Autoreifen können erkstoffe auf Stärkebasis die Laufeigenschaften ver- essern und damit Kraftstoff sparen. In Verpackungen us nachwachsenden Rohstoffen bleiben Lebensmittel änger frisch, und Bekleidung aus nachwachsenden Roh- toffen kann noch bessere Trageeigenschaften aufwei- en. Entscheidend ist, die wissenschaftlichen Erkenntnisse es TAB-Berichts nun sorgfältig auszuwerten und die ichtigen politischen Schlussfolgerungen zu ziehen. enn die Diskussion über gestiegene Nahrungsmittel- reise oder über die Abholzung der Regenwälder zur roduktion von Biokraftstoffen aus Palmöl zeigt: Bio- asse ist zwar erneuerbar, aber die intensive Nutzung er Biomasse kann durchaus auch problematisch für ensch und Umwelt sein. Deshalb wird es im Kern da- um gehen, die effizientesten und umweltfreundlichsten utzungsmöglichkeiten der Biomasse zu erkennen und ierbei strategische Schwerpunkte zu setzen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16641 (A) ) (B) ) Die Koalitionsfraktionen sehen die Chancen und Potenziale bei der stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe: Denn mit der Etablierung der Bioraffinerie- technologie zur Produktion von Basis- und Feinchemi- kalien kann der Rohstoff Biomasse sehr effizient ge- nutzt, Ressourcen geschont und die Umwelt entlastet werden. Wir werden deshalb in Kürze einen Antrag in den Bundestag einbringen, um die Anstrengungen bei Forschung und Entwicklung ressortübergreifend zu bün- deln und technologische Verfahren zur integrierten Bio- massenutzung in Bioraffinerien voranzutreiben. Wir wollen die Rahmenbedingungen so gestalten, dass Deutschland international im Wettbewerb um die besten Technologien und Verfahren an der Spitze bleibt. Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Als Sigmar Gabriel am 4. April vor der Bundespressekonferenz den Verzicht auf die höhere Beimischungsgrenze E10 erklärt hat, da hat er darauf hingewiesen, dass wir zurzeit eine außerordentlich unredliche Debatte über Nahrungskon- kurrenz und Regenwaldzerstörung durch Biokraftstoffe führen und das eigentliche Problem in den Hintergrund gerückt wird: Weit über 80 Prozent der Regenwaldzer- störung gehen auf das Konto der Futtermittel- und Nah- rungsmittelindustrie. Der Anbau von billigen Futtermit- teln verdrängt Nahrungsmittel und auch Regenwälder und Moore. Und dabei ist Europa der größte Importeur von Soja aus den Regenwäldern und Deutschland der größte Importeur in Europa. Ich bin froh, dass wir in dieser aufgeheizten Diskus- sion mit dem TAB-Bericht ein unaufgeregtes Papier vor- liegen haben, das aber deutlich macht, welches die He- rausforderungen sind, vor denen wir stehen. Eines muss uns dabei klar sein: Es gibt zwischen der Herausforderung „Hunger in der Welt“ und der Heraus- forderung „Klimawandel“ kein entweder/oder und keine erste und zweite Priorität. Allein die Tatsache, dass die Folgen des Klimawandels besonders die Armen treffen werden macht dies deutlich. Dennoch ist mittlerweile auch klar, dass nicht alles, wo Klimaschutz draufsteht auch dem Klima hilft. Sowohl die stoffliche als auch die energetische Ver- wendung von Biomasse sind und werden Teil einer Kli- maschutz-Strategie sein. Wir werden aber genau definie- ren müssen, unter welchen Bedingungen die Biomasse angebaut wird. Im Kern steht dabei, dass die Ernäh- rungssicherheit gewahrt bleibt und dass die Verwendung der Biomasse zu einer effizienten Vermeidung von Treibhausgasen führt. Die Forderungen des TAB-Berichtes zielen im We- sentlichen auf die Forschung und Entwicklung ab. Dabei geht es zum einen darum die Effizienz zu steigern, die technischen Möglichkeiten sowohl der stofflichen als auch der energetischen Verwertung der Biomasse zu ver- bessern, Bioraffineriekonzepte weiterzuentwickeln und Anbau und Züchtung zu optimieren. Gleichzeitig wird eine Begleitforschung mit einer Öko- und Folgenanalyse angemahnt. Flächen- und Nutzungskonkurrenzen sollen vorausschauend analysiert werden und die Bereitstel- lungsbedingungen nachwachsender Rohstoffe sollen be- a b l G z a w z D R R z r m d t h r h d a h P l v c w l s f d w W m g t T s s s w i k m a E s w d w w V e e (C (D chtet werden. Dabei wird explizit auf die Treibhausgas- elastung durch den Anbau hingewiesen. Wir müssen – und ich denke, das ist uns allen in den etzten Wochen klargeworden – einige sicher geglaubte ewissheiten hinterfragen. Die wichtigste: Die Abschät- ungen über Produktionspotenziale und über Flächen, uf denen landwirtschaftliche Produktion ausgeweitet erden kann, passen nicht mit den realen Entwicklungen usammen. Sicher gibt es in Indonesien Brachflächen. iese werden nicht genutzt, die Plantagen werden im egenwald angelegt. Warum? Weil mit dem Verkauf des egenwaldholzes der Aufbau der Palmölplantage finan- iert werden kann. Es gibt also einen ökonomischen An- eiz, mit der Plantage in den Regenwald zu gehen. Hier üssen wir klare Regeln aufstellen. Wir brauchen auch Konzepte, wie wir in Regionen, in enen die Bauern nur wenige Hektar Land bewirtschaf- en, die Produktion verbessern können. Die UNESCO at zu Recht darauf hingewiesen: Mit reiner Technisie- ung und dem Verweis auf die Gentechnik kommen wir ier nicht weiter. In vielen dieser Regionen bietet gerade er ökologische Landbau bessere Chancen. Wir müssen ber den Zugang zu Produktionsmitteln und den Know- ow-Transfer organisieren. Und nicht zuletzt: Nachhaltige Produktion ist kein roblem der Biokraftstoffe oder der Regenwälder. Grün- andumbruch führt auch in Deutschland zur Freisetzung on im Boden gebundenen Treibhausgasen. Wir brau- hen die Diskussion über die Agrarpolitik und die land- irtschaftlichen Produktionsweisen auch in Deutsch- and. Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik hat ich bereits gewandelt. Dies müssen wir konsequent ortführen. Wir brauchen eine zielorientierte Politik für ie ländlichen Räume und für eine nachhaltige Land- irtschaft. Die Nachfrage nach Agrarprodukten wird steigen. ir brauchen daher eine einheitliche Strategie zur Bio- assenutzung, die auf Effizienz und Nachhaltigkeit aus- erichtet ist und die vor allem die Lebensmittelproduk- ion nicht verdrängt. Dies müssen wir organisieren, der AB-Bericht bietet dazu wichtige Hinweise. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Der Sach- tandsbericht zum Monitoring „Nachwachsende Roh- toffe“ sieht viele Chancen für nachwachsende Roh- toffe, aber keinen Durchbruch. In einigen Bereichen ie der Nutzung von Pflanzenölen als Hydrauliköle ist n den vergangenen Jahren viel erreicht worden. Der onsequent durchgeführte Vergleich stofflicher Nutzung it energetischer Nutzung erschwert die Lesbarkeit, ist ber richtig, denn die Bedeutung der Bereitstellung von nergieträgern hat dramatisch zugenommen. Ölpreis- teigerungen ermöglichen energetische Nutzungen nach- achsender Rohstoffe, an die früher nicht einmal ge- acht werden konnte. Nach wie vor ist Holz der ichtigste nachwachsende Rohstoff in Deutschland, so- ohl in der stofflichen wie auch in der energetischen erwertung. Dieser Rohstoff ist gut etabliert und erfährt ine ständig steigende Wertschätzung. Es ist richtig, dass r aus der Betrachtung des Berichts herausgenommen 16642 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) wurde. Die stoffliche Nutzung nachwachsender Roh- stoffe ist ohne Holz insgesamt von geringer Bedeutung. Der Marktanteil bei den chemischen Grundstoffen be- trägt 10 Prozent. Im industriellen, chemisch-technischen Bereich wer- den etwa 2,7 Millionen Tonnen nachwachsende Rohstoffe genutzt. Pflanzliche Öle machten mit 0,8 Millionen Ton- nen und Stärke mit 0,64 Millionen Tonnen den Hauptteil der stofflich genutzten Rohstoffe für technische Anwen- dungen aus. Die Anbaufläche liegt für nachwachsende Rohstoffe für die stoffliche Nutzung bei 496 000 Hektar, ist im Vergleich zu 17 Millionen Hektar landwirtschaft- lich genutzter Fläche also von vergleichsweise geringer Bedeutung. Bei der Stärke hat die Kartoffelstärke die größte Bedeutung. 3 Millionen Tonnen Kartoffeln werden zur Stärkeproduktion verarbeitet gegenüber 0,9 Tonnen Weizen und 0,6 Millionen Tonnen Mais. 640 000 Tonnen Stärke werden in technischen Anwendungen genutzt. Der Bericht nennt die gentechnische Züchtung als eine Möglichkeit, nachwachsende Rohstoffe an den Zweck der nachfolgenden Verarbeitung anzupassen. Bei der Stärkekartoffel Amflora ist genau dies geschehen, dennoch hat sie trotz positiver Gutachten der Behörden keine Zulassung durch den Agrarministerrat erhalten. Sie enthält den npt-II-Marker, ein Antibiotikaresistenz- gen, das eine Resistenz gegenüber dem Antibiotikum Kanamycin vermittelt. Dieser Marker wurde von der Re- gierung als Begründung für die Ablehnung der Stärke- kartoffel heranzogen, obwohl die EFSA, die Europäi- sche Behörde für die Lebensmittelsicherheit, in ihrer Stellungnahme vom Mai 2007 dargelegt hat, dass die Verwendung dieses np-II-Markers in gentechnisch ver- änderten Pflanzen nicht die Wirksamkeit von Antibio- tika der Kanamycin-Gruppe beeinträchtigt. Dieses Anti- biotikum ist in Salben und Augentropfen enthalten und wird in der Human- und Tiermedizin als Reserveantibio- tikum genutzt, nicht jedoch als reguläres Antibiotikum. Die EFSA hat ihre Entscheidung damit begründet, dass ein Transport des Gens von der Pflanzenzelle in ein Bak- terium extrem unwahrscheinlich ist. Außerdem kommt das np-II-Gen bereits in Bakterien der Darmflora sowie in der Umwelt vor. Unter natürlichen Bedingungen wurde kein Transport des np-II-Markers nachgewiesen. Das Beispiel macht deutlich, dass auch gentechnisch verbesserte Pflanzen, die zur Nutzung als Rohstoff in der Industrie optimiert wurden, die die Nachhaltigkeit der Industrieproduktion verbessern helfen, rein ideologisch und ohne inhaltliche Begründung ausgegrenzt werden. Die jetzige Bundesregierung ist da nicht besser als ihre Vorgängerregierung. Die wichtigste Ölpflanze in Deutschland ist der Raps. Er ist inzwischen ein hervorragendes Lebensmittel, das höchsten ernährungsphysiologischen Ansprüchen ge- nügt. Gleichzeitig ist das Rapsöl ein wichtiger nach- wachsender Rohstoff für die verschiedensten Anwen- dungszwecke einschließlich der energetischen Nutzung. Bei der Produktion von Rapsöl entstehen verschiedene hochwertige Kuppelprodukte, wie Pollen beim Raps- anbau, der wichtig für den Rapshonig ist, Rapsschrot als hochwertiges Eiweißfutter in der Tierhaltung, Glycerin bei der Herstellung von Rapsmethylester. Diese Kuppel- p a k d i v b v K z k ü M s v w s s D w t „ c s g D a i u d n n d n t d d d n K t s d c b R s f E k b d K G (C (D rodukte berücksichtigt der Bericht in seiner Bewertung nders als beispielsweise das Gutachten des SRU und ommt daher auch zu anderen Schlussfolgerungen. Für ie Erstellung der Ökobilanz ist dies unverzichtbar. Die Bewertung des ökologischen Nutzens geschieht n Ökobilanzen, die den gesamten Weg des Rohstoffs on seiner Produktion bis zur Entsorgung nach Ge- rauch bewerten. Die Flächeneffizienz der Produktion on nachwachsenden Rohstoffen ist dabei ein wichtiges riterium. Die thermische Verwertung am Ende der Nut- ung nachwachsender Rohstoffe, ob Faserstoffe, Bio- unststoffe etc. bietet sich an. Sie ist der Kompostierung berlegen, weil bei der Kompostierung klimaschädliche ethanemissionen entstehen. Das bedeutet, dass die toffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe, gefolgt on thermischer Verwertung am Ende der Nutzung, ein ichtiger Baustein für eine positive Ökobilanz ist. Der Bericht ist eine Fundgrube zu allen Themen, die ich mit der stofflichen Nutzung nachwachsender Roh- toffe und ihrer ökologischen Bewertung beschäftigen. ie lange Erarbeitungszeit erweist sich als Nachteil, eil neuere Entwicklungen und auch die beiden Gutach- en des Sachverständigenrates für Umweltfragen, SRU, Klimaschutz durch Biomasse“ und des Wissenschaftli- hen Beirats Agrarpolitik, WBA, beim Bundeslandwirt- chaftsministerium „Nutzung von Biomasse zur Ener- iegewinnung“ nicht berücksichtigt werden konnten. ie trotz anderer Aufgabenstellung starke Fokussierung uf die energetische Nutzung ist teilweise verwirrend. Es st noch ein erheblicher Forschungsbedarf vorhanden, m die Potenziale der stofflichen Nutzung nachwachsen- er Rohstoffe auszuschöpfen. Ulla Lötzer (DIE LINKE): Die industrielle Nutzung achwachsender Rohstoffe ist nichts Neues, man denke ur an Holz für die Papierindustrie und Naturfasern für ie Textilindustrie. Neue Aufmerksamkeit haben die achwachsenden Rohstoffe vor allem durch die Nach- eile der petrochemischen Industrie erhalten. Gerade vor em Hintergrund des steigenden Energiebedarfes und er Endlichkeit von Erdöl sind wir darauf angewiesen, ie Möglichkeiten nachwachsender Rohstoffe besser zu utzen. Hier bedarf es einer Biomassestrategie, die auch die onkurrenz mit der energetischen Nutzung berücksich- igt. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen weist in einem Sondergutachten „Klimaschutz durch Biomasse“ arauf hin, dass in langfristiger Perspektive die stoffli- he Nutzung gegenüber der energetischen bevorzugt zw. zumindest nicht schlechtergestellt wird, da biogene ohstoffe den einzigen Ersatz für fossile Rohstoffe zur tofflichen Nutzung darstellen. Dagegen ist Energie aus ossilen Energieträgern auch mit anderen erneuerbaren nergien zu ersetzen. Abgesehen von diesen – lösbaren – Flächennutzungs- onkurrenzen kann insbesondere die biologische Abbau- arkeit von Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen as ständig anwachsende Problem des langlebigen unststoffmülls reduzieren. Der Marktanteil chemischer rundstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen liegt der- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16643 (A) ) (B) ) zeit in Deutschland, so die vorliegende Technikfolgen- abschätzung, bei circa 10 Prozent. Die Nutzung nachwachsender Rohstoffe bietet insbe- sondere der heimischen Landwirtschaft eine neue Nut- zungsmöglichkeit und damit eine wichtige neue wirt- schaftliche Perspektive und Verbreiterung der Anbaukultur. Mindestens genauso wichtig ist die Nut- zung landwirtschaftlicher Reststoffe. Während bei An- baubiomasse tendenziell Nachteile bei Ozonabbau, Ver- sauerung und Eutrophierung zu verzeichnen sind, so die vorliegende Studie, sind bei der Nutzung von Reststof- fen hier häufiger Vorteile oder geringere Nachteile fest- zustellen. Andererseits gilt es, aus den Fehlern der Vergangen- heit zu lernen und nicht undifferenziert auf nachwach- sende Rohstoffe zu setzen. Ein verantwortungsbewusster Umgang erfordert, die Vor- und Nachteile im Einzelfall zu bewerten und die Wechselwirkungen mit anderen Be- reichen nicht aus den Augen zu lassen. Erstens muss im Einzelfall genau geprüft werden, ob die Ökobilanz tatsächlich positiv ist. Gerade die Ver- nichtung der Regenwälder für die Gewinnung von Palmöl wird verheerende Auswirkungen auf das Klima und die Biodiversität haben. Aber auch auf bestehenden Ackerflächen können die Intensivierung der landwirt- schaftlichen Nutzung, die Probleme mit der Fruchtfolge und dem höheren Bedarf an Düngemitteln oder gar der Einsatz von gentechnisch verändertem Material zu mehr Schaden als Nutzen führen. Zweitens gibt es eine Flächenkonkurrenz zur Nah- rungsmittel- und Futtermittelproduktion. Die Versorgung der Menschen mit Grundnahrungsmitteln muss immer Vorrang vor der stofflichen oder energetischen Nutzung nachwachsender Rohstoffe haben. Die aktuelle Ernährungskrise in manchen Ländern in Lateinamerika und Afrika wird auch durch internationa- len Finanzmarktspekulationen und das Agieren von IWF und Weltbank begründet. Agrarrohstoffe und Boden sind ins Visier kurzfristiger Profitinteressen geraten. Da ist es schon zynisch, wenn die Vertreter von IWF und Welt- bank erklären, die Nutzung nachwachsender Rohstoffe gefährde ihre positive Politik der vergangenen Jahr- zehnte gegenüber den Entwicklungsländern. Es sind ge- nau ihre Strukturanpassungsprogramme und die Han- delsliberalisierungen im Rahmen der WTO, die systematisch kleinbäuerliche Existenzen vernichtet und die jetzige Entwicklung hervorgebracht haben. Sie haben die Entwicklungsländer zu einer Ausrichtung ihrer Landwirtschaft auf den Export und zu einer Öffnung ih- rer Märkte für billigen, subventionierten Import auch von Agrargütern aus den Industrieländern gezwungen. Großflächige Monokulturen sogenannter cash crops ver- drängen den Anbau für den Eigenbedarf. Anstatt die ei- genen Lebensmittel zu produzieren, müssen diese dann zu Weltmarktpreisen gekauft werden. Und hier tummeln sich inzwischen professionelle Anleger, die vor dem Hintergrund des Booms der nachwachsenden Rohstoffe auf steigende Agrarrohstoffe spekulieren. Den Preis da- für zahlen die Armen. l s d b m l d z „ e ö n a E k z u I u f E i t z D Ö ü f r v t s D E P P b s d w v v N h P w s g t w d N l F U r (C (D Die richtige Antwort auf diese dramatischen Entwick- ungen muss sein: Vorrang der Versorgung der heimi- chen Bevölkerung vor Exportorientierung. Schluss mit en Strukturanpassungsprogrammen von IWF und Welt- ank. Keine weitere Handelsliberalisierungen im Rah- en der Doha-Runde der WTO. Wir brauchen eine sach- iche Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken er nachwachsenden Rohstoffe, auf deren Nutzung wir unehmend angewiesen sein werden. Der vorliegende Sachstandsbericht zum Monitoring Nachwachender Rohstoffe“ zeigt deutlich, dass noch rheblicher Forschungsbedarf besteht, einerseits um die kologischen Auswirkungen der einzelnen Nutzungen achwachsender Rohstoffe besser bewerten zu können, ndererseits um die technischen Verfahren im Sinne der ffizienz und der Naturverträglichkeit optimieren zu önnen. Diese Forschung für eine naturverträgliche Nut- ung nachwachsender Rohstoffe muss auch vom Bund nterstützt werden. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nzwischen ist es ja weitgehend unbestritten, dass wir ns aus ökologischen, ökonomischen und vor allem auch riedenspolitischen Gründen vom Erdöl als Rohstoff und nergieträger verabschieden müssen. Dieser Abschied st mehr als überfällig. Gerade die ökonomische Bedeu- ung unseres Abhängigkeitsverhältnisses zum Erdöl eigt sich derzeit wieder besonders gravierend. Am ienstag dieser Woche kletterte der Preis für ein Barrel l der US-Sorte West Texas Intermediate, WTI, erstmals ber die Marke von 118 US-Dollar. Und auch die Kosten ür Rohöl aus Ländern der Organisation erdölexportie- ender Länder, Opec, stiegen auf eine neue Rekordmarke on 108,93 Dollar. Tendenz weiter steigend. Die Interna- ionale Energieagentur schließt auch eine globale Rezes- ion aufgrund der steigenden Ölpreise nicht mehr aus. ies ist auch nicht verwunderlich, denn der Rohstoff rdöl hat zwei Funktionen: Es ist global der wichtigste rimärenergieträger und gleichzeitig Rohstoff für die etrochemie. Doch wie sieht der Umstieg aus? Neben den erneuer- aren Energien wie zum Beispiel Sonne, Wind und Was- er kommt vor allem der Biomasse, den nachwachsen- en Rohstoffen eine zentrale Bedeutung zu. Biomasse ird derzeit mehr oder weniger nur als Energierohstoff erstanden, Biomasse aber kann erheblich mehr. Der orliegende TAB-Bericht zur industriellen stofflichen utzung von nachwachsenden Rohstoffen, über den wir eute diskutieren zeigt, dass Biomasse ein gewaltiges otenzial hat, den klimaschädlichen Erdölverbrauch so- ohl in der Energiewirtschaft als auch in der chemi- chen Industrie zu vermindern. Wir sehen uns durch diesen Bericht in unserer Strate- ie „Weg vom Öl“ bestätigt, nach der bis 2020 ein Vier- el der erdölbasierten Produkte durch solche aus nach- achsenden Rohstoffen ersetzt werden sollen. Nicht nur ie energetischen, sondern vor allem auch die stoffliche utzung nachwachsender Rohstoffe hat ein großes öko- ogisches und ökonomisches Potenzial. Sie ist neben der örderung der Bioenergien ein zentraler Bestandteil des mbaus unserer Wirtschaft auf die Nutzung erneuerba- er Energie- und Rohstoffquellen. 16644 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) Nach dem vorliegenden Bericht des Büros für Tech- nikfolgenabschätzung wird eine stoffliche Nutzung nach- wachsender Rohstoffe zur Verringerung von Import- abhängigkeiten von fossilen Ressourcen führen und Klima und Umwelt schützen. Die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe hat darüber hinaus ein be- achtliches Innovationspotenzial sowohl bei der Entwick- lung neuer Produkte als auch bei der Entwicklung neuer Herstellungsverfahren. Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deut- schen Bundestag erwartet weiter, dass nachwachsende Rohstoffe mittel- bis langfristig eine zentrale Rolle für die Herstellung chemischer Grundstoffe spielen können. Die Verwendung von Erdöl in der chemischen Industrie kann durch die Nutzung nachwachsender Rohstoffe in Bioraffinerien fast völlig überflüssig werden. Der Bericht legt dar, dass Bioraffinerien in vielen un- tersuchten Bereichen überwiegend ökologische Vorteile gegenüber etablierten Verfahren zeigen und gerade den Reststoff verarbeitenden Bioraffinerien große Potenziale zugesprochen werden, da für ihre Rohstoffversorgung keine zusätzliche Anbaufläche notwendig wird. Wir ha- ben bereits vor Wochen einen Antrag „Mit Bioraffine- rien in Deutschland die Biomasse effizienter nutzen und zusätzliche Ressourcen erschließen“ eingebracht und hier im Haus auch schon in erster Lesung beraten. Dieser Antrag steht jetzt in den Ausschüssen zu den Beratungen an. Nehmen Sie den Bericht des Büros für Technikfol- genabschätzung nicht einfach nur zur Kenntnis, sondern ziehen Sie auch die notwendigen Konsequenzen. Unter- stützen Sie unseren Antrag zur Förderung von Bioraffi- nieren. Denn wer die Chancen der industriellen stoffli- chen Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen in Bioraffinieren verkennt, der verspielt große Chancen für Umwelt und Wirtschaft. Nachwachsende Rohstoffe sind ein universeller Roh- stoff, der natürlich nicht unendlich zur Verfügung steht. Aber eine stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe bringt keine zusätzliche Konkurrenz um Anbaufläche mit Nahrungsmitteln oder Bioenergien mit sich, wenn sich der stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe im Sinne einer Kaskadennutzung eine energetische Nut- zung anschließt und vor allem durch Bioraffinerien Rest- und Abfallstoffe zu wertvollen Rohstoffen umgewandelt werden. Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Fischartenschutz fördern – vordring- liche Maßnahmen für ein Kormoranmanage- ment (Tagesordnungspunkt 22) Josef Göppel (CDU/CSU): Der Kormoran ist durch die EG-Vogelschutzrichtlinie sowie in Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben durch das Bundesnatur- schutzgesetz besonders geschützt. Ausnahmen von dem h d z g w o z A o s w A w § d e E s s A d B r d S F l s w m d d n p n D i 5 f V t S w d l m a g G S v a m g r (C (D ieraus folgenden grundsätzlichen Tötungsverbot sowie em Verbot, Nist-, Brut- oder Zufluchtstätten der Natur u entnehmen bzw. zu beschädigen, sind nur unter engen esetzlichen Voraussetzungen, unter anderem zur Ab- endung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden der zum Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenwelt, ulässig und können im Einzelfall durch behördliche usnahmegenehmigung oder generell durch Rechtsver- rdnung zugelassen werden. In der „Kleinen Novelle“ zum Bundesnaturschutzge- etz, die am 12. Dezember 2007 in Kraft getreten ist, urden die wesentlichen Regelungen zum gesetzlichen rtenschutz neu definiert. Im novellierten BNatSchG urden die sogenannten Zugriffsverbote nach 42 Abs. 1 neu sortiert. Ganz neu ist die Einschränkung es Verbotes der Störung streng geschützter Tier- und uropäischer Vogelarten auf solche Störungen, die den rhaltungszustand der lokalen Population einer Art ver- chlechtern – nicht nur bezogen auf einzelne Individuen. Damit haben wir gerade für die Arten, deren Bestand ich erfreulich entwickelt, eine höhere Flexibilität beim rtenschutz geschaffen. Ein typisches Beispiel – neben em Kormoran – ist in Süddeutschland der Biber. Der iber steht für eine sehr erfolgreiche Wiedereinbürge- ung einer Art in Deutschland. Aber wir müssen sehen, ass er sich so erfolgreich vermehrt, dass es an einigen tellen Probleme gibt. Deshalb plädiere ich auch hier für lexibilität. Wenn er den Damm von Kläranlagen durch- öchert oder an Straßen herangeht, dann muss es möglich ein, einzelne Exemplare im Sinn der Gesamtpopulation egzunehmen. Ähnlich pragmatisch müssen wir auch mit dem Kor- oran umgehen. Der Kormoran ist seit dem 17. Jahrhun- ert regelmäßiger Wintergast in Bayern. Mit Zunahme er Winterbestände und übersommernder Vögel war es ur eine Frage der Zeit, bis sich 1980 mit sieben Brut- aaren die erste bayerische Kormorankolonie am Isma- inger Speichersee nördlich von München etablierte. er Brutbestand in Bayern hat in den letzten zehn Jahren nsgesamt noch leicht zugenommen und liegt aktuell bei 81 Brutpaaren (2007). Gerade in Teichwirtschaften, vor allem in der Satz- ischproduktion, verursachen Kormorane tatsächlich erluste bis zu 70 Prozent. Die Folge: erhebliche, für be- roffene Teichwirte in Einzelfällen existenzbedrohende chäden. Wo Schäden durch Kormorane angenommen erden, können unterschiedliche Methoden zur „Scha- ensreduzierung“ zur Anwendung kommen. Dazu zäh- en Vergrämung durch optische oder akustische Maßnah- en oder der Reduktionsabschuss. Fischartenschutz praktisch umzusetzen, kann aber uch durch eine Bespannung der Fischteiche als vorbeu- end wirkende Dauerlösung und andere Maßnahmen am ewässer erfolgen. Dies hat auch eine europaweite EU- tudie ergeben, die unter Mitwirkung der Fischerei und on Anglerverbänden durchgeführt wurde. Bayern hat ls erstes Bundesland von der bundesgesetzlichen Er- ächtigung Gebrauch gemacht und bereits 1996 die so- enannte Kormoran-Verordnung erlassen. Diese Kormo- an-Verordnung wurde nach intensiver Diskussion der Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16645 (A) ) (B) ) Sach- und Rechtslage mit Vertretern der Fischerei und des Naturschutzes bereits mehrmals der aktuellen Ent- wicklung entsprechend angepasst (zuletzt im Sommer letzten Jahres) und ist als Kompromiss zwischen den verschiedenen Anliegen zu sehen. Im Rahmen dieser Verordnung wurden seit 1996 bayernweit jährlich zwi- schen 2 547 und 7 371 Kormorane abgeschossen. Der Bestand wird allerdings rasch durch Zuzug aus benachbarten Gebieten wieder aufgefüllt. Vergrämungs- maßnahmen in den Brutkolonien scheinen effektiver zu sein. Bilder von verhungerten Jungvögeln nach der Stö- rung einer Kolonie mitten in der Aufzuchtphase wie im Juli 2005 im Anklamer Stadtbruch in Mecklenburg-Vor- pommern zeigen aber, wie Kormoranmanagement nicht geschehen darf. Baden-Württemberg dagegen hat vor ei- nigen Wochen am Bodensee gezeigt, wie es mit einem einmaligen Eingriff in der Brutphase erfolgreich war. Den Antrag der FDP müssen wir ablehnen, da der Bundestag bei vielen Punkten der falsche Adressat ist. Etliche Forderungen der FDP zur Abwehr von Kor- moranschäden wären an die Bundesländer zu richten. Die Frage eines europäischen Aktionsplanes Kormoran ist zudem in der Europäischen Union derzeit nicht er- folgreich durchzusetzen. Bereits im Jahre 2003 hat Frankreich eine entsprechende Forderung an die Euro- päische Kommission gerichtet. Die Staaten mit den größten Brutpopulationen, die Niederlande und Dänemark, wei- gern sich – dies im Übrigen seit mehr als einem Jahr- zehnt –, bei einer Bestandsreduzierung mitzuwirken. Auf weitere Punkte ist die Bundesregierung bereits in ihrer Beantwortung auf die Kleine Anfrage der FDP- Fraktion zum gleichen Thema eingegangen. Christoph Pries (SPD): Der vorliegende Antrag der FDP-Fraktion fordert ein europaweites Kormoranma- nagement, da die Bestandsvermehrung des Kormorans gravierende Auswirkungen auf die Fischfauna, die Bin- nen- und Teichwirtschaft habe. Der Antrag ist von den Koalitionsfraktionen und von Bündnis 90/Die Grünen im Umweltausschuss zu Recht abgelehnt worden. Ich möchte die drei wichtigsten Gründe nennen: Erstens. Die FDP folgt einseitig der Argumentation der Fischerei- und Anglerlobby, die seit Jahren darauf drängt, die Kormoranbestände europaweit drastisch zu reduzieren. Die zum Teil erheblich divergierenden An- gaben der Vogelschützer werden bewusst ignoriert. Zweitens. Die Forderungen der FDP sind falsch adressiert. Sie fallen fast ausschließlich in die Kompe- tenz der Bundesländer. Diese haben bereits heute die Möglichkeit, über Kormoranverordnungen die Bestände zur Abwehr fischereiwirtschaftlicher Schäden oder zur Abwehr von Schäden an anderen Tierarten zu regulieren. Neun von 16 Bundesländern machen von dieser Mög- lichkeit Gebrauch. Im Jahr 2005 wurden 30 000 Kormo- rane getötet, 2006 waren es noch 12 000. Drittens. Die Forderung der FDP nach einem europäi- schen Kormoranmanagement ist von uns politisch nicht gewollt und unrealistisch. Zu diesem Ergebnis kommt auch das Operationelle Programm der Bundesrepublik D E S m n f K s d m t d d h u t M r 2 d i a u d n s v S V e Z d i 5 i g g g i s d s E (C (D eutschland für den Förderzeitraum 2007 bis 2013 des uropäischen Fischereifonds. Unabhängig von diesen achargumenten müssen wir uns immer wieder deutlich achen: Der Konflikt zwischen Fischerei und Kormora- en ist kein neues Phänomen. Bereits 1892 schrieb Al- red Brehm im sechsten Band seiner „Allgemeinen unde des Tierreichs“ über den Kormoran: Auf den Gewässern des Binnenlandes sind die Scharben nicht zu dulden, weil sie dem Fischstande unserer Fluß- und Landseen unberechenbaren Scha- den zufügen. Ihre Gefräßigkeit übersteigt unsere Begriffe. Dieses negative Bild durchzieht auch die weitere Be- chreibung Brehms: Die Menge der zu- und abfliegenden Vögel erfüllte die Luft; ihr wildes Geschrei betäubte die Ohren. Die Bäume samt ihrem Laube waren weiß von dem Unrate, die Luft war verpestet durch die aus dem Neste herabgefallenen und faulenden Fische. Schlechtes Image, kurzes Leben: Entsprechend dem amaligen Naturverständnis, das Flora und Fauna nach enschlichen Maßstäben in nützlich und schädlich un- erteilte, wurde der Kormoran als Nahrungskonkurrent es Menschen schonungslos gejagt. Das Ergebnis war, ass die Bestände in ganz Europa am Ende des 19. Jahr- underts bis auf wenige Brutpaare in den Niederlanden nd in Polen ausgerottet waren. Erst durch die konsequente Vogelschutzpolitik auf na- ionaler und europäischer Ebene ist der Kormoran seit itte der 1980er Jahre an unsere Seen und Flüsse zu- ückgekehrt. Heute leben in Deutschland wieder rund 3 000 Brutpaare. Nach einem rasanten Wachstum in en 1980er- und 90er-Jahren, scheinen sich die Bestände n den letzten Jahren auf diesem Niveau zu stabilisieren. Mit der Rückkehr der Kormorane kehrte aber auch der lte Konflikt zurück. Immer vehementer fordern Hobby- nd Berufsfischer in den letzten Jahren eine massive Re- uktion der Kormoranbestände. Die Vogelschützer leh- en dies vehement ab. Die Argumente der beiden Lager tehen sich unvereinbar gegenüber. Ein Beispiel ist die on Brehm angeführte „Gefräßigkeit“ der Kormorane. ie wird heute von der Fischerei für die Schädlichkeit der ögel angeführt: 500 Gramm Fisch und mehr vertilge in Kormoran täglich. Die Naturschützer bestreiten diese ahlen: 300 Gramm betrage der tägliche Nahrungsbe- arf. Lediglich während der dreimonatigen Brutzeit oder n extremen Kälteperioden könne der Bedarf auf mehr als 00 Gramm steigen. Diese Verhärtung der Fronten führt mmer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Vo- elschützern und Fischereiinteressen. Erst in der vergan- enen Woche kam es am Bodensee anlässlich einer Ver- rämungsaktion wieder zu Protesten. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren mmer wieder versucht, Fischereiverbände und Natur- chützer an einen Tisch zu bekommen. Alle Versuche, ie divergierenden Interessen von Fischerei und Vogel- chützern auf europäischer (REDCAFE) und nationaler bene (Kormorankonferenz des Bundesamtes für Natur- 16646 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) schutz 2006) auszugleichen, haben zwar zu guten Ansät- zen, aber noch zu keinem Durchbruch geführt. Trotzdem muss auf diesem Weg weitergegangen wer- den. Wir brauchen kein Kormoranmanagement, sondern ein Konfliktmanagement zwischen Hobby- und Berufs- fischern auf der einen und Naturschützern auf der ande- ren Seite. Dies war auch eines der zentralen Ergebnisse des REDCAFE-Reports von 2003. Ein weiteres Ergeb- nis des REDCAFE-Projektes war übrigens die gemein- same Erkenntnis, dass der massenhafte Abschuss von Kormoranen ineffektiv sei. Der Kormoran ist ein Teil unseres Ökosystems. Wir müssen lernen mit ihm zu le- ben. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Wir leben in einer Kulturlandschaft. Verschiedene Tierarten werden in der vom Menschen geprägten Landschaft begünstigt, vermehren sich so stark, dass eine Bestandsregulierung erforderlich wird. Andere Arten werden benachteiligt, ihr Lebensraum wird so eingeschränkt, dass wir sie durch besondere Schutzgebietsausweisungen vor dem Aussterben schützen müssen. Es besteht ein allgemeines Einverständnis, dass auch aufgrund des Fehlens von Wolf und Bär, Raubtieren, die früher einmal bei uns hei- misch waren, der Mensch Reh-, Rotwild- und Damwild- bestände beschränken muss, um im Wald Schäden durch winterlichen Verbiss zu mindern. Als Anfang der 90er-Jahre der Kormoran wieder bei uns heimisch wurde, hat sich wohl niemand vorstellen können, dass seine Population einmal so stark anwach- sen würde, dass über eine Regulierung der Kormoranbe- stände nachgedacht werden musse. Inzwischen wird die europäische Population des Kormorans auf rund 700 000 erwachsene Brutvögel bzw. eine Gesamtzahl von insge- samt etwa 2 Millionen Vögel geschätzt. Die Zahl der Bartvögel in Deutschland wird von der Bundesregierung – Stand 2005, Bundestagsdrucksache 16/1017 – mit 45 516 angegeben. Unter Berücksichtigung des noch nicht geschlechtsreifen Nachwuchses resultiert hieraus ein Gesamtbestand von etwa 130 000 Vögeln. Es gibt keine Artenschutzmaßnahme, die so erfolgreich war wie der Kormoranschutz. Inzwischen ist es an der Zeit, über eine Regulierung nachzudenken, damit die Artenvielfalt in den Gewässern nicht unter dem enormen Fraßdruck des Kormorans zu leiden hat. Die EU hat inzwischen re- agiert und den Kormoran aus der höchsten Schutzkate- gorie abgestuft. Die Bundesländer haben reagiert und Kormoran-Verordnungen erlassen. Insgesamt brauchen wir jedoch einen europäischen Plan für das Kormoran- management, denn nur so lässt sich der Bestand nachhal- tig regulieren. Der Kormoran ist nicht nur für die Arten- vielfalt in den Gewässern, sondern auch für die Fischerei ein Problem. Ein ausgewachsener Kormoran frisst täg- lich etwa 500 Gramm Fisch. Anders als der Graureiher kann er nicht auf Mäuse oder andere Beute ausweichen. Mecklenburg-Vorpommern ist das Bundesland, das am meisten unter dem Kormoran zu leiden hat. 85 Prozent der rund 12 000 Kormoranbrutpaare von Mecklenburg- Vorpommern – etwa die Hälfte des deutschen Gesamtbe- standes – leben an der Ostseeküste. Seit 1982 hat sich d m w s o s e K 7 t L A F Ä w L h e z d g s z S A s t F z c R E z n h k r v t z g e n z d Z g s d z d v d w (C (D er Kormoranbestand von damals 1 050 Brutpaaren ehr als verzehnfacht. Aus Sicht der Küstenfischerei äre eine Reduzierung auf 50 Prozent des Kormoranbe- tandes sinnvoll. Seit 2007 gibt es eine Kormoran-Ver- rdnung, die aber nicht sehr wirkungsvoll ist, da Ab- chüsse oder Vergrämungen nur an Binnengewässern rlaubt sind. Die Verluste in der Teichwirtschaft durch ormoranfraß – zum Beispiel Karpfen – betragen etwa 0 bis 90 Prozent. In Brandenburg und Schleswig-Holstein zeigen Un- ersuchungen, dass der Kormoran gern Aal frisst. Für das and Brandenburg wird in aktuellen Untersuchungen ein alverlust von 77 Tonnen angegeben, gegenüber einer angmenge von 100 Tonnen durch die Fischerei. In Nordrhein-Westfalen und Thüringen sind die schenbestände durch den Kormoran extrem reduziert orden. Die Äsche ist eine Fischart, die auf der Roten iste steht, und damit zu den gefährdeten Fischarten ge- ört. Sie ist für die Berufsfischerei ohne Bedeutung. Die Konferenz des Deutschen Fischereiverbandes . V. im vergangenen Jahr in Bonn „Kormoran, Wege um europäischen Bestandsmanagement“ hat festgestellt, ass die Kormoranbestände in Europa auf ein Niveau an- estiegen sind, das wichtige Bestandteile der Kulturland- chaft stark beeinträchtigt; dass die Kormoranbestände unehmend Schaden an der Fischfauna in Flüssen und een, Küstengewässern und künstlichen Gewässern aller rt in ganz Europa verursachen; dass viele teichwirt- chaftlichen Betriebe durch Kormoranbefall ihre Exis- enzgrundlage verloren haben, dass die Bemühungen der ischerei zur Hege und Erhaltung gefährdeter Fischarten unichtegemacht werden; dass die Maßnahmen zur Si- herung des europäischen Aales ohne eine nachhaltige eduzierung des Fraßdruckes durch Kormoran keinen rfolg haben können; dass lokale Abwehrmaßnahmen ur Vergrämung nur zur Schadensminderung bei einzel- en Teichwirtschaften geführt haben, ohne einen nach- altigen Schutz der Fischfauna zu sichern. Die Konferenz fordert von den Bundesländern, die lo- alen Abwehrmaßnahmen sofort durch Bestandreduzie- ende Eingriffe in Brutkolonien zu ergänzen. Sie fordert on der Bundesregierung, sich nachhaltig für ein gesam- europäisches Management des Kormoranbestands ein- usetzen, und von der Europäischen Union, dafür zu sor- en, dass die Kormoranbestände in Europa in einem rsten Schritt um 50 Prozent reduziert werden sowie ei- en europäisch koordinierten Langzeitmanagementplan u etablieren, der die Kormoranbestände langfristig in ie Kulturlandschaft integriert, ohne die Natura-2000- iele im Bereich der Fischarten und die Gewässerökolo- ie zu gefährden. Es werden verschiedene Maßnahmen zur Vergrämung owie zur Bestandsregulierung diskutiert und angewen- et. In jedem Fall ist darauf zu achten, dass Maßnahmen ur Regulierung im Einklang mit den Bestimmungen es Tierschutzes stehen. Kleine Teichanlagen können or dem Kormoran durch weitmaschige Netze aus Stahl- rähten geschützt werden. In Mecklenburg-Vorpommern ird eine neue, vielversprechende Methode der Vergrä- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16647 (A) ) (B) ) mung erprobt: Im Gewässer werden Lautsprecherboxen installiert, die eintauchende Kormorane mit Orca-Rufen beschallen, worauf die Kormorane fliehen und das Ge- wässer verlassen. In der Schweiz existiert seit 1996 ein sehr gut funktio- nierender Kormoran-Wintermanagementplan, der von den nationalen Natur- und Vogelschutzorganisationen mitgetragen wird. Darin wird die Bejagung der Kormo- rane an Gewässern geregelt. Mit dem Kormoran-Som- mermanagementplan 2005 wird geregelt, dass in der ge- samten Schweiz fünf Brutkolonien mit insgesamt maximal 100 Brutpaaren als Zielgröße definiert sind. Wird diese Kormorananzahl überschritten, tritt ein Kon- fliktlösungsausschuss zusammen, der über die Duldung dieser Brutkolonien bis zur Eliminierung der Brutvögel bzw. ihrer Gelege oder die Zerstörung der Lebensräume entscheiden kann. Es gibt viele Beispiele für regionale Aktivitäten, die eine Regulierung des Kormorans bezwecken. Es bleibt unverständlich, dass einzelne Naturschutzverbände sehr viel Engagement dem Schutz des Kormorans und der Ver- hinderung von Regulierungsmaßnahmen widmen, obwohl der Kormoran mit seiner beeindruckenden Bestandsent- wicklung zu den besonders erfolgreichen Tierarten gehört und andere Arten sehr viel mehr der Fürsorge bedürfen. Es wäre wünschenswert, wenn die Verbände insbeson- dere im Interesse des Fischartenschutzes zu einer gemein- samen Position fänden. Die Fachsprecher von CDU/CSU und SPD haben in der Abstimmung des Ausschusses aus ihrer fachlichen Verantwortung heraus dem Antrag der FDP-Bundestags- fraktion zugestimmt. Regionale und nationale Maßnahmen gegen den Kor- moran sind richtig und wichtig, aber ohne eine Koordinie- rung dieser Maßnahmen in den betroffenen europäischen Ländern, also ohne ein europäisches Kormoranmanage- ment, können wir keinen sicheren und dauerhaften Ar- tenschutz gewährleisten und Schaden von unseren hei- mischen Gewässern abwenden. Ich bitte um Zustimmung zum FDP-Antrag. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Die Kormo- ranbestände haben sich in den letzten Jahrzehnten stark vermehrt. Davon betroffen ist nicht nur Deutschland, sondern auch zahlreiche Nachbarstaaten. Die Tatsache, dass Kormorane eine große Menge an Fisch benötigen, um ihren Nahrungsbedarf zu decken, ist nicht zu leug- nen. Dementsprechend können bei hohem Vorkommen von Kormoranpopulationen auch Fischbestände stark dezimiert werden. Wenn aber Fischbestände stark beein- trächtigt werden, dann kann dies den Fortbestand einzel- ner Populationen mit ihrem spezifischen genetischen Po- tenzial akut gefährden. Auch die Fischereiwirtschaft ist davon betroffen. Angelfischer, Teichwirte und Fisch- züchter sehen sich durch den Rückgang der Fischpopula- tionen in ihrer Existenz bedroht. Wir sehen hier ebenfalls eine Notwendigkeit zum Handeln. Die hohen Kormoranvorkommen dürfen weder d E r f „ r R r w s s g d l U b s A t D Ä j g s a G a z c l d s k c u k h v g f E d s K W r w t n G m k d d (C (D ie Umsetzung der FFH-Richtlinie erschweren, noch das rreichen der Zielsetzungen der Europäischen Wasser- ahmenrichtlinie verhindern. Es besteht jedoch die Ge- ahr, dass durch den Fokus auf den Kormoran als Feind“ der Fischbestände und Konkurrent der Fische- eiwirtschaft, der Blick für andere, oftmals in gleichem ahmen für den Fischrückgang verantwortlichen Fakto- en, verloren geht. Was nämlich ebenfalls berücksichtigt erden muss, ist die Tatsache, dass der Mensch durch eine gravierenden Eingriffe in Ökosysteme die Fischbe- tände stark verringert und in machen Fällen sogar aus- erottet hat. Im vergangenen Jahrhundert lag die Hauptgefähr- ungsursache für viele Fischarten vor allem in der Ein- eitung von Nähr- und Schadstoffen in die Gewässer. nd auch die Veränderungen der natürlichen Gewässer- eschaffenheit und der Abflussverhältnisse durch was- erbauliche Eingriffe haben ihren Teil dazu beigetragen. ls Ergebnis sind eine Reihe von Arten oder Lokalvarie- äten, wie zum Beispiel der Atlantische Stör oder der eutsche Lachs ausgestorben. Dass dies oft vergessen wird, ist am Beispiel der sche besonders gut zu sehen. Für deren Rückgang wird a gerne der Kormoran verantwortlich gemacht. Jedoch enau diese Art stellt sehr hohe Ansprüche an die Was- erqualität und benötigt klares kühles Wasser. Zudem re- giert sie empfindlich auf anthropogene Störungen. Die efährdung der Äschenbestände ist somit in erster Linie uf Gewässerverschmutzung und menschliche Eingriffe urückzuführen. Der Kormoran stellt nur eine zusätzli- he Bedrohung dar. Ähnlich steht es mit dem Aal. Es ist sehr wahrschein- ich, dass der Kormoran auch hier einen Beitrag zur Re- uzierung des Bestandes beiträgt. Jedoch spricht in die- em Zusammenhang kaum jemand vom Bau unzähliger leiner Wasserkraftanlagen, die Fisch-Schreddern glei- hen. Gerade Aale, die immer dem Hauptstrom folgen nd dadurch beim Abstieg Richtung Meer natürlich eine Fischtreppen nutzen, sind davon betroffen. Bevor ier der Kormoran für die Dezimierung der Aalbestände erantwortlich gemacht wird, sind solche Faktoren also enauer zu hinterfragen. Ich denke, darin, dass hier Schutzmaßnahmen getrof- en werden müssen, sind wir uns einig, nicht nur zum rhalt der Biodiversität, sondern auch um die Existenz er Fischereiwirtschaft zu sichern. Jedoch kann der Ab- chuss von Kormoranen hier nicht die Lösung sein. Um ormoranpopulationen zu reduzieren, sollte lieber ein eg gewählt werden, der ebenfalls arten- und tierschutz- echtlich zu vertreten ist. Zudem ist es wichtig, die Aus- irkungen auf die Ökosysteme möglichst gering zu hal- en. Aus diesem Grund sind wir gegen Regulierungsmaß- ahmen in Schutzgebieten und auch im Grundsatz an ewässern, die nicht wirtschaftlich genutzt werden. Hier uss die natürliche Räuber-Beute-Beziehung wirken önnen. Besonders in Gebieten mit hohem Schutzstatus ürfen diesbezüglich keine Eingriffe geschehen. Denn er Prozessschutz ist hier dem Artenschutz vorzuziehen. 16648 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) Eine der wichtigsten Maßnahmen ist der Schutz der natürlichen Feinde des Kormorans. Sowohl der Uhu als auch der Seeadler müssen weiterhin massiv geschützt und wiederangesiedelt werden. Auch teilweise Teich- überspannungen haben sich bewährt und sollten finanzi- ell gefördert werden, wie dies beispielsweise in Bayern der Fall ist. Und letztlich wird durch das naturnahe Gestalten von Wirtschaftsgewässern nicht nur den Fischbeständen ein Gefallen getan. Es leistet auch einen Beitrag zur Erhö- hung der Biodiversität. Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zu Beginn erst einmal Grundsätzliches: Der Kormoran ist nach EU- und Bundesrecht geschützt und unterliegt daher nicht dem Jagdrecht. Seine Brut-, Rast- und Überwinterungsgebiete sind zu schützen. Das hin- derte das Regierungspräsidium Freiburg jüngst nicht da- ran, einen grandiosen „Erfolg“ zu vermelden: 50 bis 70 Prozent der geschätzten 160 bis 200 Eier der einzigen bei Radolfzell am Bodensee brütenden Kormorankolo- nie wurden durch Vergrämung der Brutpaare ausgekühlt und zerstört. Beantragt hatten die Aktion vier Fischerei- vereine. Experten haben darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Brutgebiet im „Radolfzeller Aachried“ nicht nur um ein Naturschutzgebiet, sondern auch um ein EU-Vogel- schutzgebiet von internationaler Bedeutung handelt. Die hier vorkommenden gefährdeten Rot- und Schwarzmi- lane, Rohrweihen, Zwergtaucher und Kolbenenten sind mitten im Brutgeschäft, die Eiablage der meisten Arten steht kurz bevor. Vor diesem Hintergrund ist die als Kor- moranmanagement deklarierte Aktion weder ethisch vertretbar noch rechtens; denn sie verstößt gegen das eu- ropäische Naturschutzrecht. Skandalös ist es allerdings auch, dass der vom Natur- schutzbund Deutschland, NABU, mit Unterstützung der Deutschen Umwelthilfe binnen weniger Stunden beim Verwaltungsgericht Freiburg gestellte Eilantrag auf Überprüfung der angeordneten Maßnahme – über den das Regierungspräsidium informiert war – ignoriert wurde. Um vor einer Entscheidung des Gerichts Fakten zu schaffen, wurde die Aktion noch in derselben Nacht durchgeführt. Das ist eines Rechtsstaates unwürdig. Die gesetzlich garantierten Rechte der Naturschutzverbände wurden so durch die baden-württembergische Landesre- gierung missachtet. Unsere Fraktion fordert eine lücken- lose Aufklärung dieses Vorgangs. Leider ist dieser Vorgang nicht ohne Beispiel. Welche Auswüchse eine Bestandsreduktion der Kormoranpopu- lationen erreichen kann, zeigte auch die tierschutzwid- rige Tötungsaktion im Anklamer Stadtbruch im Juli 2005, bei der mehr als 6 000(!) Kormorane in ihren Nes- tern abgeschossen wurde, das Ganze im Übrigen in der Amtszeit eines Umweltministers der PDS – so viel zur „ökologischen Kompetenz“ der Linken in Regierungs- verantwortung. d e la m v g E „ d d m t t e r c v w g e z d t F m ß R s u g A h b d S s S f n D k f d t T m s l g S c d N (C (D Für Bündnis 90/Die Grünen ist die Bestandsreduktion er Kormorane grundsätzlich weder ökologisch noch thisch begründbar oder verantwortbar. Der Kormoran, Pha- crocorax carbo, fällt unter die allgemeinen Schutzbestim- ungen der Vogelschutzrichtlinie, Richtlinie 79/409/EWG om 2. April 1979, und das absichtliche Töten oder Fan- en, die absichtliche Zerstörung von Nestern oder die ntnahme von Eiern ist grundsätzlich verboten. Nur mangels anderweitiger Lösungen“ sind Ausnahmen von iesem Verbot möglich, jedoch dürfen diese Maßnahmen en Bestand der Kormorane nicht gefährden – und sie üssen vor allem begründbar sein. Die Europäische Kommission hat noch 2006 bekräf- igt, dass sie am Schutzstatus des Kormorans festzuhal- en gedenke und ihr keine Gründe bekannt seien, die ine Änderung notwendig machten. Die vorhandenen Instrumente, Konflikte mit Kormo- anpopulationen zu bewältigen, sind mehr als ausrei- hend. Den von der FDP konstatierten Handlungsbedarf ermögen wir nicht zu erkennen, und das nicht etwa, eil wir kurzsichtig wären, sondern weil es ihn nicht ibt. Die FDP greift mit ihrem Antrag einseitig in die Aus- inandersetzungen zwischen Fischern und Naturschüt- ern über die fischereiwirtschaftlichen Schäden durch en Kormoran zugunsten der Fischer ein; denn der An- rag greift im Wesentlichen ungeprüft die Argumente der ischer nach einem europaweiten Kormoranmanage- ent mit dem Ziel einer Bestandsregulierung auf. Au- erdem sollen weitere Maßnahmen zur bundesweiten eduzierung des Kormoranbrutvogelbestandes zugelas- en werden wie die Reduzierung der Zahl der Nistbäume nd Gelegemanipulationen. Neuansiedlungen oder Neu- ründungen von Kolonien sollen verhindert werden. uch in Schutzgebieten sollen Eingriffe in bereits beste- ende Kolonien ermöglicht werden. Der Antrag und seine Forderungen werden dem Pro- lem nicht gerecht und zeigen wieder einmal, wie wenig ie FDP von ökologischen Zusammenhängen versteht. ie agiert auch nicht im vermeintlichen Interesse der Fi- cher. Ja, es stimmt. Es gibt fischereiwirtschaftliche chäden in der Teichwirtschaft und der Fluss- und Seen- ischerei. Dennoch zeigen wissenschaftliche Publikatio- en, dass der Stand der fischereibiologisch-ökologischen iskussion über die im FDP-Antrag vertretene mono- ausale Sicht inzwischen weit hinaus ist. Es ist zu ein- ach gedacht, alles dem Kormoran in die Schuhe bzw. in en Schnabel zu schieben. Bündnis 90/Die Grünen tre- en dafür ein, dass die naturnahe Bewirtschaftung von eichen und Seen gefördert wird. Durch Renaturierungs- aßnahmen und eine Besetzung der Gewässer mit ur- prünglich dort vorkommenden, heimischen Fischarten ässt sich der vermeintlichen Kormorangefahr ökolo- isch, tierschutzgerecht und wirkungsvoll begegnen. Untersuchungen zeigen, dass fischereiwirtschaftliche chäden überwiegend bei intensiv genutzten Fischtei- hen auftreten. In natürlichen Gewässern, an denen sich ie überwiegende Anzahl der Kormorane aufhält und ahrung sucht, konnten keine nennenswerten, ge- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16649 (A) ) (B) ) schweige denn erhebliche fischereiwirtschaftliche Schä- den nachgewiesen werden. Insgesamt brauchen wir für einen nachhaltigen Schutz der Fischbestände eine Wiederherstellung mög- lichst vieler natürlicher Fluss- und Bachläufe. Rückbau von Staustufen und die Renaturierung der Gewässerver- läufe und -betten sollten daher im Rahmen der Umset- zung der EU-Wasserrahmenrichtlinie so zügig wie mög- lich vorgenommen werden. Die Landesanglerverbände beklagen, dass die Kor- morane die von ihnen mit finanziellem Aufwand besetz- ten Gewässer leer fischen und so bedrohte Fischarten wie Quappe, Äsche und Barbe weiter dezimieren. Genau diese Fische leiden aber mit am meisten durch die Ver- bauung der Flüsse. Was wir auch unterstützen, ist der regelmäßige Aus- tausch von europäischen Wissenschaftlern über die Be- standsentwicklung der Kormorane. Das Kormoranmanagement erfolgt in Landeshoheit. Daher kann ich an dieser Stelle nur appellieren: Tut dies aber umso dringlicher: Das Kormoranmanagement soll- ten die Länder in enger Abstimmung mit dem behördli- chen und ehrenamtlichen Naturschutz organisieren – und nicht unter Umgehung dieses oder gar gegen ihn. Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Für die Rücknahme der Vorbehaltserklärung zur UN-Kinderrechts- konvention und eine – hiervon unabhängige – effektive Umsetzung der Kinderrechte im Asyl- und Aufenthaltsrecht (Tagesordnungspunkt 24) Johannes Singhammer (CDU/CSU): Wir debattie- ren heute zum wiederholten Male über ein Thema, das in den letzten Wochen schon öfter auf der Tagesordnung hier im Bundestag stand. Und erneut verlangt die Links- fraktion die Rücknahme der Vorbehalte der Bundesre- gierung gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Lassen Sie mich eines an dieser Stelle klar sagen: Wir wollen doch alle das eine: Kindern zu ihrem Recht ver- helfen. Jeder gutwillige, jeder anständige, jeder vernünf- tige Mensch in Deutschland will, dass Kinder liebevoll umsorgt aufwachsen, ihre Rechte gewahrt, geschützt und beachtet werden. Niemand will Kinder einem notwendi- gen Schutz entziehen und der Gewalttätigkeiten, Ver- nachlässigung, Misshandlung in vorsätzlicher oder nach- lässiger Weise ausliefern. Bezüglich der Vorbehaltserklärung der Bundesregie- rung zur UN-Kinderrechtskonvention stellt der Bunde- sinnenminister fest, – ich zitiere –: Die deutsche Erklärung zur UN-Kinderrechtskon- vention ist kein Vorbehalt im völkerrechtlichen Sinne, sondern soll lediglich denkbare Fehl- oder Überinterpretationen bei der Anwendung des Über- d d d h r P z b s a e f s m m W e S V l t s 1 s u e 4 g f z I n m A e S (C (D einkommens im Rahmen von aufenthalts- und asyl- rechtlichen Entscheidungen ausschließen. Auch in der neueren Rechtsprechung wird eine unmittelbare Anwendung von Bestimmungen des Übereinkom- mens mit weitreichenden asyl- und aufenthalts- rechtlichen Konsequenzen unter anderem unter dem Hinweis auf die deutsche Erklärung ausge- schlossen. Insofern ist die Erklärung nach wie vor von Bedeutung. Ihrer Rücknahme würde das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel der Begrenzung und Steuerung der Migration zuwiderlaufen. Die Bundesländer sind mehrheitlich gegen eine Rück- nahme der Erklärung. Diese waren seinerzeit mit der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention nur einverstanden, weil diese Vorbehaltserklärung abgegeben wurde. Gegen deren ausdrücklichen Willen sollte die deutsche Erklärung daher nicht zu- rückgenommen werden. An dieser Stelle muss man aber auch fragen: Was hat enn die letzte Bundesregierung in Bezug auf die Kin- errechte zuwege gebracht? Offensichtlich hat es auch amals schon Bedenken gegeben. Sonst stünden wir eute ja wohl nicht hier. Wichtiger als endlos wiederkeh- ende Debatten ist ein effektiver Kinderschutz in der raxis: durch frühzeitige Förderung der elterlichen Er- iehungskompetenz, konsequente Vorsorge, besonders ei Untersuchungen, und keine Behinderung des Kinder- chutzes durch überbordenden Datenschutz. Klar ist aber uch: Alle Kinderrechte und staatliche Vorsorge können lterliche Liebe nicht ersetzen. Die Linken stellen hier – wie auch sonst – Anträge ürs Schaufenster mit finanziell völlig utopischen Vor- tellungen. Damit erreichen sie mit Sicherheit nicht ehr für unsere Kinder und Familien! Im Gegenteil: Sie achen Versprechungen, die sie nicht einhalten können. as nützt es denn den Familien, wenn sie ihnen auf der inen Seite Unterstützung zusichern und auf der anderen eite das Geld wieder aus der Tasche ziehen. Denn ihre orschläge gehen letztendlich wieder zulasten der Fami- ien. Es geradezu grotesk, wenn man sich die Zahlen be- rachtet, die sich aus ihren Forderungen ergeben: im Zu- ammenhang mit der Diskussion des 7. Familienberichts: 9 Milliarden Euro mehr; jetzt einen Antrag, den Kinder- chlag auszubauen, der allen Kindern und Jugendlichen nter 18 Jahren in bestimmten Einkommensbereichen in soziokulturelles Existenzminimum von mindestens 20 Euro monatlich gewährleistet: nach einer vorsichti- en Schätzung mindestens 10 Milliarden mehr; ein Stu- enprogramm zur weiteren Ausdehnung öffentlich finan- ierter Beschäftigung: 8,4 Milliarden Euro mehr Hartz V ändern: 18 Milliarden Euro mehr. All ihre Forderungen mal schnell zusammengerech- et, komme ich auf die Summe von 150 Milliarden Euro ehr im Jahr. Aber wie wollen sie das finanzieren? Die ntwort bleiben Sie uns schuldig. So viele Reiche gibt s in Deutschland überhaupt nicht, welche angeblich die teuererhöhungen bezahlen sollen. Bitter bezahlen wer- 16650 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) den am Ende Familien mit Kindern und Durchschnitts- einkommen. Wir dagegen haben in der Familienpolitik Schritt für Schritt Erfolge erzielt, die den Familien und Kindern in unserem Land tatsächlich helfen. Keine utopischen und nicht bezahlbaren Versprechungen, sondern sinnvolles und politisch verantwortliches Handeln ist gefragt. Und dafür steht die erfolgreiche Politik von CDU und CSU. Erst heute haben wir die Ausweitung des Kinderzu- schlags auf den Weg gebracht. Nach langen Verhandlun- gen ist dies ein klarer Erfolg der Union, der die Hand- lungsfähigkeit der Koalition aufzeigt. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Am 20. November 1989 haben die Vereinten Nationen die Kinderrechtskonvention gemeinsam beschlossen. Die Bundesrepublik Deutschland hat sie im Jahr 1992 ratifi- ziert. Bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde hat die Bundesregierung damals fünf Vorbehalte geltend ge- macht, auch weil wir manches in nationalem Recht noch nicht so geregelt hatten, wie es die Konvention vor- schreibt. Diese betrafen das Umgangs- und Sorgerecht, den Rechtsbeistand bei minderschweren Fällen, das Adop- tionsrecht und Kinder in bewaffneten Konflikten. Diese Vorbehalte haben sich erledigt, denn zwischenzeitlich vorgenommene Änderungen im deutschen Recht haben bewirkt, dass nur noch der unter Punkt IV erklärte aus- länderrechtliche Vorbehalt Bestand hat. Dieser Vorbehalt unter Punkt IV, der den Status der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge regelt, betrifft wenige hundert Menschen im Jahr. Es ist mir ein Rätsel und es schadet dem internationalen Ansehen Deutsch- lands, dass wir für diese jungen Menschen nicht zu einer besseren Regelung kommen. Die Vereinten Nationen definieren die Kindheit als Phase zwischen 0 und 18 Jahren. Im Allgemeinen übernehmen wir diese Defi- nition, nur bei diesem Vorbehalt lassen wir die Kindheit bei 16 Jahren aufhören. Das geht nicht. Der Bundestag hat die Bundesregierung mehrfach aufgefordert, die Vorbehaltserklärung zurückzunehmen. Leider ist die Mehrheit der Bundesländer gegen eine Rücknahme des Vorbehalts, und die Bundesregierung spricht sich mit Rücksicht auf die Länder gegen die Rücknahme aus. Die Kinderkommission, in die ja jede Fraktion ein Mitglied entsendet und die somit überpar- teilich arbeitet, hat wiederholt und zuletzt in meiner Vor- sitzzeit im November 2006 an die Bundesländer appel- liert, einer Rücknahme der Vorbehalte zuzustimmen. Die Kinderkommission forderte in dieser Stellungnahme die Bundesregierung auf, andernfalls „die Rücknahme ohne dieses Einvernehmen umgehend zu veranlassen.“ Leider ist uns diese überfällige Rücknahme immer noch nicht gelungen. Es ist höchste Zeit. Denn wir machen ja eine gute Politik für Kinder. Die Vereinten Nationen bescheinigen uns das auch. Wir spie- len weltweit, was Kinder angeht, in der ersten Liga. Mit dem Nationalen Aktionsplan „Für ein kindergerechtes D w f r 8 2 „ a t n N n D n D ü a E m n w d f t s u K m n k i z r d Z r d K s s h m k d w r K k s k i (C (D eutschland 2005 – 2010“ – NAP – wollen und werden ir Deutschland bis zum Jahr 2010 zu einem der kinder- reundlichsten Länder Europas machen. Der Nationale Aktionsplan knüpft an die Sondergene- alversammlung zu Kindern der Vereinten Nationen vom . bis 10. Mai 2002 in New York – Weltkindergipfel 002 – an. Auf dieser Konferenz wurde unter dem Titel A world fit for children“ ein Abschlussdokument ver- bschiedet, das weltweit zur Verbesserung der Lebenssi- uation der Kinder beitragen soll. Wie alle Unterzeich- erstaaten hat sich Deutschland darin verpflichtet, einen ationalen Aktionsplan mit konkreten termingebunde- en und messbaren Zielen und Vorhaben zu erstellen. amit soll die international definierte Zielsetzung auf ationaler Ebene umgesetzt werden. Der Nationale Aktionsplan „Für ein kindergerechtes eutschland 2005 – 2010“ ist ein themen- und ressort- bergreifender Leitfaden, der von der Bundesregierung m 16. Februar 2005 im Kabinett verabschiedet wurde. r ist unter Mitwirkung von Bund, Ländern und Kom- unen, der Wissenschaft, Nichtregierungsorganisatio- en und nicht zuletzt von Kindern und Jugendlichen ent- ickelt worden. Sechs Handlungsfelder stehen dabei im Mittelpunkt, enen in den kommenden Jahren eine Schlüsselstellung ür mehr Kinderfreundlichkeit zukommt. In den Kapi- eln „Chancengerechtigkeit durch Bildung“, „Aufwach- en ohne Gewalt“, „Förderung eines gesunden Lebens nd gesunder Umweltbedingungen“, „Beteiligung von indern und Jugendlichen“, „Entwicklung eines ange- essenen Lebensstandards für alle Kinder“ und „Inter- ationale Verpflichtungen“ werden umfassende und kon- rete Arbeitsziele bis 2010 benannt und Strategien für hre Durchsetzung beschrieben. Ein Monitoringverfahren begleitet derzeit die Umset- ung. Ich selbst bin für die Kinderkommission in mehre- en Arbeitsgruppen daran beteiligt. Es gilt nun, den NAP auf Bundesebene, aber auch in en Ländern und vor Ort Schritt für Schritt umzusetzen. entrales Ziel ist dabei neben der allgemeinen Verbesse- ung der Lebensbedingungen von Kindern auch die For- erung nach der Rücknahme der Vorbehalte zur UN- inderrechtskonvention. Es ist höchste Zeit, diesen Schritt zu gehen. Gemein- am muss es uns endlich gelingen, die letzten Wider- tände gegen diese überfällige Rücknahme der Vorbe- altserklärung zu brechen: für die Rechte der inderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge und für unsere inderpolitische Glaubwürdigkeit. Ein letztes Wort zum NAP: Die Aufnahme von Kin- errechten in die Verfassung wird ausdrücklich ge- ünscht. Meine Fraktion hat die Aufnahme von Kinder- echten in die Verfassung einstimmig beschlossen. Die inderkommission ist einstimmig dafür. Und wir be- ommen positive Signale aus anderen Fraktionen. Las- en Sie uns alle dafür kämpfen, dass wir dieses zentrale inderpolitische Ziel, die Aufnahme der Kinderrechte ns Grundgesetz, schnell erreichen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16651 (A) ) (B) ) Miriam Gruß (FDP): Wie so oft diskutieren wir die- ses wichtige Thema der Rücknahme der Vorbehaltser- klärung zu später Stunde. Unsere Kinder und ihre Rechte sollten es uns eigentlich wert sein, eine Kernzeitdebatte zu führen. Erschwerend kommt hinzu, dass wir, allein seit mei- ner Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag – und dies ist erst seit 2005! – zum x-ten Male über die Rücknahme der Vorbehaltserklärung diskutieren, ohne ein Ergebnis zu erreichen. Wir debattieren hier über eine Erklärung, die ansons- ten die ganze Welt unterschrieben hat. Wobei debattieren in diesem Falle auch des Guten zuviel ist – schließlich wurde von vorneherein festgelegt, die Reden zu Proto- koll zu geben. Die Geschichte um die Rücknahme der Vorbehaltser- klärung ist lang, und wenn man sie genau betrachtet, er- scheint es vollkommen absurd, dass die Vorbehaltserklä- rung überhaupt noch besteht: Am 5. April 1992, vor über 16 Jahren, trat für die Bundesrepublik Deutschland das „Übereinkommen über die Rechte des Kindes“ vom 20. November 1989 in Kraft. Mit diesem Übereinkommen über die Rechte des Kindes wurden erstmals völkerrechtlich verbindlich po- litische Bürgerrechte und soziale Menschenrechte for- muliert, die ihren Ausdruck in der Festschreibung von Mindestanforderungen an die Versorgung, den Schutz und die Beteiligung von Kindern am gesellschaftlichen Leben finden. Die Bundesregierung begrüßte bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde am 6. März 1992 das Übereinkom- men als einen Meilenstein der Entwicklung des Interna- tionalen Rechts und erklärte, sie werde die Ratifizierung des Übereinkommens zum Anlass nehmen, Reformen des innerstaatlichen Rechts in die Wege zu leiten, die dem Geist des Übereinkommens entsprechen und die sie nach Art. 3 Abs. 2 des Übereinkommens für geeignet hält, dem Wohlergehen des Kindes zu dienen. Diese bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde abgegebene Er- klärung enthält ferner Vorbehalte, die sich insbesondere auf das elterliche Sorgerecht, die Anwaltsvertretung so- wie weitere Rechte von Kindern im Strafverfahren, auf die Altersgrenze bei Soldaten sowie in Vorbehalt IV auf die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern sowie die Bedingungen ihres Aufenthalts und Unterschiede zwischen In- und Ausländern beziehen. Durch Änderun- gen im Familienrecht und im Lichte des Zusatzproto- kolls zur UN-Kinderrechtskonvention über die Beteili- gung von Kindern in bewaffneten Konflikten ist der Vorbehalt diesbezüglich obsolet geworden. Auch in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP im Deutschen Bundestag erklärte die damalige Bundesregierung, dass es sich bei der anläss- lich der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde abgege- benen Erklärung um eine die UN-Kinderrechtskonven- tion interpretierende Erklärung handle, die Fehl- oder Überinterpretationen der Konvention vermeiden solle. Die Bundesregierung stellte ferner fest, dass die Ausle- g t w e d A d m d r d d l r s Z k m R E s v r ü l D r h n e f n d l h r t D K u h n K K d g k G c D d V r B (C (D ung der Kinderrechtskonvention in gleichem Maße gel- en würde, wenn die Erklärung nicht abgegeben worden äre. Dies spreche aus Sicht der Bundesregierung für ine vollständige Rücknahme der Erklärung. Die Bun- esregierung sei ebenso wie der Deutsche Bundestag der uffassung, dass die Erklärung zurückgenommen wer- en sollte. Auch stehe das deutsche Recht in Einklang it den völkerrechtlichen Verpflichtungen, die sich für ie Bundesrepublik Deutschland aus der UN-Kinder- echtskonvention ergäben, sodass eine Änderung des eutschen Rechts nicht erforderlich sei. In Anbetracht ieser Rechtslage besteht daher keine Notwendigkeit, änger an der Erklärung festzuhalten. Die Rücknahme der Vorbehaltserklärung ist nicht nur echtlich möglich, sie ist auch politisch geboten. Denn ie ist geeignet, national wie international bestehende weifel am Willen Deutschlands, die UN-Kinderrechts- onvention uneingeschränkt durchzusetzen, auszuräu- en. So hat zum Beispiel der UN-Ausschuss für die echte des Kindes in seinen Schlussbemerkungen zum rstbericht der Bundesregierung 1995 Bedenken hin- ichtlich der Vereinbarkeit der Vorbehalte mit der Kon- ention geäußert. Die Rücknahme der Vorbehaltserklä- ung stellt daher ein dringend notwendiges und berfälliges Signal für ein kinderfreundliches Deutsch- and dar. Sie wird die Position der Bundesrepublik eutschland in der Frage des internationalen Menschen- echtsschutzes stärken und helfen, innerhalb und außer- alb Deutschlands Irritationen zu vermeiden. Die Rück- ahme der Vorbehaltserklärung ist darüber hinaus rforderlich, um anderen Staaten nicht Argumente zu lie- ern, ihrerseits Vorbehalte anzubringen. Durch die Rück- ahme der Erklärung wird sich zudem der Dialog mit en Kinderrechtsorganisationen, die die Rücknahme seit angem fordern, merklich entspannen. Ich fordere die Bundesregierung deshalb zum wieder- olten Male auf, unverzüglich die von der Bundesregie- ung am 6. März 1992 beim Generalsekretär der Verein- en Nationen hinterlegte Erklärung der Bundesrepublik eutschland zum Übereinkommen über die Rechte des indes, UN-Kinderrechtskonvention, zurückzunehmen nd auf die Länder hinzuwirken, die Voraussetzungen ierfür zu schaffen. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Wer das Kindeswohl ernst immt, der muss auch sagen: „Gleiche Rechte für alle inder“, und nicht „Weniger Rechte für ausländische inder.“ Doch genau diese verkehrte Politik betreiben ie Bundesregierungen im Schatten der Vorbehalte ge- en die UN-Kinderrechtskonvention schon seit deren In- rafttreten im Jahr 1992. Daran hat übrigens auch die Koalition aus SPD und rünen nichts geändert, darüber kann auch der wortrei- he Antrag der Grünen-Fraktion nicht hinwegtäuschen. ie FDP-Fraktion hat ebenfalls einen Antrag gestellt, er die Rücknahme des Vorbehaltes fordert. Denn diese orbehalte hätten sich sozusagen erledigt, die Kinder- echtskonvention sei in vollem Umfang umgesetzt. Die undesregierung wiederum argumentiert, der Vorbehalt 16652 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) habe sowieso nur Symbolcharakter. Wenn die Bundesre- gierung behauptet, der Vorbehalt habe nur eine Art Sym- bolcharakter und könne genauso gut auch bestehen blei- ben, ist das eine absolute Irreführung. Denn der vierte Vorbehalt, um den es uns hier geht, legitimiert die Be- nachteiligung nicht-deutscher Kinder. Deswegen fordert die Fraktion Die Linke, diesen Vorbehalt endlich aufzu- geben. Aber wir zeigen mit unserem Antrag auch einen Weg, wie ohne Zurücknahme des Vorbehalts die Situa- tion der betroffenen Kinder ganz konkret verbessert wer- den kann. Benachteiligt werden vor allem Flüchtlingskinder und Kinder, die keinen legalen Aufenthaltsstatus haben. Un- begleitete minderjährige Flüchtlinge müssen in Deutsch- land ein unwürdiges Verfahren zur Altersfeststellung durchlaufen, und sie gelten schon mit 16 als „asylmün- dig“. Sie werden also wie Erwachsene behandelt und in Sammelunterkünften untergebracht. Schon für Erwach- sene ist diese Form der Unterbringung schlicht unwür- dig. Für Kinder sind solche Massenunterkünfte erst recht kein Umfeld, in dem sie aufwachsen sollten. Und sogar in Abschiebe- und Zurückweisungshaft werden Kinder immer noch genommen, wenn auch in abnehmender Zahl. Im Asylverfahrens- und Aufenthaltsrecht muss klargestellt werden: die Unterbringung von Kindern in Massenunterkünften und Gefängnissen muss ausge- schlossen sein. Uns ist bewusst, dass es hier auch eine starke Mitverantwortung der Länder gibt. Sie sind be- sonders bei den sozial- und jugendhilferechtlichen Rege- lungen und Maßnahmen gefordert, sich an der Konven- tion und dem absoluten Vorrang des Kindeswohls zu orientieren. Ihnen obliegen zum Beispiel die kindge- rechte Unterbringung, ausreichende psychotherapeuti- sche Angebote, die Förderung von persönlichen statt amtlichen Vormundschaften. Es wäre beschämend, wenn die damit verbundenen Kosten der tatsächliche Grund sind, warum die Länder den ausländerrechtlichen Vorbe- halt nicht zurücknehmen wollen! Ich will zum Ende meiner Rede noch einen anderen Bereich streifen, in dem es nach wie vor keinen Vorrang des Kindeswohls gibt: Kinder, die unter das Asylbewer- berleistungsgesetz fallen, erhalten nur die medizinische Notfallversorgung. Das reicht nicht aus. Noch schlim- mer ist es aber für Kinder ohne Aufenthaltsstatus. Ihnen wird jeder Anspruch auf medizinische Versorgung ver- wehrt. Das betrifft dann auch Kinder, die hier geboren sind. Kinder ohne Aufenthaltsstatus wachsen hier in völ- liger Rechtlosigkeit auf. Mit unserem Antrag wollen wir dem endlich ein Ende bereiten. Wir wollen, dass Kinder, egal welcher Nationalität und egal mit welchem Aufent- haltsstatus, ihre Rechte, die sich aus der UN-Konvention ergeben, in vollem Umfang wahrnehmen können. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es freut mich, dass auch sie noch einen Versuch unterneh- men und die Rücknahme der Vorbehalte zur UN-Kinder- rechtskonvention fordern. Wenn man in derart dicken Brettern bohren muss, sind gemeinsame Anstrengungen i h m n V M D g u R u n s d n r l l g l s l d t v n s j s s D w n i n d n r w i m m L w k b W d s f (C (D mmer sinnvoll. Wenn es um die Kinderrechte geht, zie- en wir bekanntlich an einem Strang. Auch freut es ich, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage mei- er Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Rücknahme der orbehalte so gut nutzen konnten. Nun diskutieren wir hier wahrlich nicht zum ersten al über die Rücknahme der Vorbehaltserklärung. Der eutsche Bundestag hat bereits viermal die Rücknahme efordert! Bekanntermaßen wurden alle diese Beschlüsse nicht mgesetzt. Wir drehen in diesem Haus folglich die x-te unde zum Thema, und es ist zur befürchten, dass wir ns auch weiterhin im Kreis drehen werden. Es ist mei- es Erachtens nach alles gesagt worden, was man zu die- em Thema sagen kann. Es bleibt im Kern dabei, dass ie Bundesregierung auf die Bundesländer Rücksicht ehmen will. Sie muss dies aber nicht. Die Bundesregie- ung ist politisch rücksichtsvoll gegenüber den Bundes- ändern, dafür ist sie rücksichtslos gegenüber Flücht- ingskindern. Mir scheint überhaupt, dass die Große Koalition ein estörtes Verhältnis zu Kinderrechten hat. Vor langer anger Zeit wurde uns Grünen vermittelt, man müsse un- eren Antrag zur Rücknahme der Vorbehalte zurückstel- en und die Initiative zur Stärkung der Kinderrechte in er Verfassung vonseiten der Kinderkommission abwar- en. Na, wie lange wollen wir denn darauf warten?! Wie iele Geschäftsordnungsanträge müssen wir da wohl och stellen? Hier sehen wir wieder einmal, dass sich chwarz und rot diametral entgegenstehen. Damit auch a nicht noch ein Riss durch die Koalition geht, muss ich die Kinderkommission des Deutschen Bundestages eit mehr als einem halben Jahr in Schweigen hüllen. amit die Große Koalition nicht Farbe bekennen muss, erden die Anträge nach der ersten Lesung schlicht icht mehr beraten. Wenn das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen st, müssten die entsprechenden Anträge eigentlich ei- em Beschleunigungsgebot unterliegen. So vorrangig – wie die Bundesregierung immer wie- er beschwichtigt – kann das Kindeswohl aber für sie icht sein, wenn wir in Deutschland in den Asylverfah- en die 16- und 17-Jährigen wie Volljährige behandeln, enn wir sie in Sammelunterkünfte stecken, wenn wir hnen Jugendhilfemaßnahmen verweigern, die ihnen zu- indest vorübergehend bei der Bewältigung der schlim- en Erlebnisse helfen können, wenn ihnen nicht alle eistungen des Gesundheitssystems zustehen und wenn ir für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge eine Clearing-Stellen haben, die beim Asylverfahren ehilflich sind. Werte Bundesregierung: Mir fehlen langsam die orte. Ich fordere Sie also auf, sich endlich zu entschei- en und zu handeln, nicht nur wegen der außenpoliti- chen und innenpolitischen Glaubwürdigkeit, der betrof- enen Kinder wegen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16653 (A) ) (B) ) Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Entwicklung in Afghanistan – Strategien für eine wirkungsvolle Aufbauarbeit kohärent umsetzen – Afghanistan eine Chance für legalen lizen- zierten Mohnanbau geben – Drogenmafia wirksam bekämpfen (Tagesordnungspunkt 25 a und b) Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Nach wie vor ste- hen wir in Afghanistan vor großen Herausforderungen. Die Anschläge vom gestrigen Tag, bei denen 13 Men- schen, davon zehn afghanische Polizisten, ums Leben kamen, zeugen von der immer noch prekären Sicher- heitslage in einigen Teilen des Landes und verdeutlichen umso mehr, wie dringend unser Engagement in Afgha- nistan gebraucht wird. Zwar konnten wir in den letzten Jahren erste Erfolge beim Wiederaufbau und in der Ent- wicklung Afghanistans verbuchen, sei es hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser und Elektrizi- tät, der Infrastruktur, der öffentlichen Verwaltung, dem Zugang zu Bildung oder den Freiheits- und Gleichheits- rechten. Jedoch bleibt auch die deutsche Entwicklungs- zusammenarbeit bisher leider hinter ihren Möglichkeiten und den Erwartungen der afghanischen Bevölkerung zu- rück. Wir müssen die Entwicklungszusammenarbeit nicht nur fortführen, sondern weiter ausbauen und auf die bis- her entwicklungspolitisch vernachlässigten Provinzen ins- besondere im Süden ausdehnen. Ziviler Aufbau, Entwick- lung und militärische Sicherheit sind gemäß unseres Konzepts der vernetzten Sicherheit untrennbar miteinan- der verbunden. Sie bedingen einander und müssen des- halb gleichermaßen von uns vorangetrieben und unter- stützt werden, wenn wir verhindern wollen, dass Taliban und al-Qaida wieder erstarken und die mühsam errunge- nen Fortschritte verloren gehen. Dabei sollten wir vor al- lem auf die afghanische Eigenverantwortung – das soge- nannte Afghan ownership – setzen. Es ist wichtig, dass sich die Afghanen mit allen Maßnahmen identifizieren können. Planung und Umsetzung sollten in enger Zu- sammenarbeit mit den lokalen Autoritäten erfolgen, vor allem im ländlichen Raum muss dabei auf hohe Beschäf- tigungseffekte der Entwicklungsmaßnahmen geachtet werden. Güter und Dienstleistungen für die Entwick- lungsmaßnahmen sollten nach Möglichkeit in Afghanis- tan eingekauft werden, um die lokale Wirtschaft zu för- dern. Es ist ebenso unverzichtbar, den Aufbau staatlicher Institutionen weiter zu unterstützen. Das gilt insbeson- dere für den Aufbau der ANA – der Afghan National Army – und für den Aufbau der afghanischen Polizei- kräfte, denn die Idee ist ja, die Aufgabe, die wir zurzeit militärisch wahrnehmen, für Sicherheit zu sorgen, die wiederum den Aufbau möglich macht, schrittweise an die Afghanen zu übergeben, sodass sie den Aufbau und die Gewährleistung der Sicherheit für diesen Aufbau in die eigenen Hände nehmen können. Die auf dem NATO- G g m i k w d g s g A t d r d b m j d g z n d u t i k r b S z A ö D w F r d u S b d d s v u z d s v I V w s h t 9 d (C (D ipfel in Bukarest verabschiedete Afghanistan-Strate- ie sieht ebenfalls vor, den afghanischen Institutionen ehr Verantwortung zu übertragen. Ein Beispiel hierfür st die von Präsident Karzai für den Sommer 2008 ange- ündigte Übernahme des Regionalkommandos Zentrum, elches Kabul und die umliegenden Gebiete umfasst, urch afghanische Sicherheitskräfte. Bis jedoch die af- hanischen Sicherheitskräfte in der Lage sind, selbst- tändig die Sicherheit im ganzen Land zu gewährleisten, ibt es zur internationalen Militärpräsenz im Land keine lternative. Darüber hinaus muss der Dialog zu den Nachbarstaa- en Afghanistans gesucht werden, da sich die Probleme es Landes ohne deren Mitwirkung nicht bzw. nur unzu- eichend lösen lassen. Wichtigster Ansprechpartner in iesem Zusammenhang ist Pakistan. Im Grenzgebiet ha- en sich Stammesgebiete, die sogenannte Federally Ad- inistered Tribal Areas oder auch FATAs, traditionell edweder staatlichen Kontrolle entzogen und sind da- urch ein ideales Rückzugsgebiet für die Taliban. Hier ilt es, die notwendige Zusammenarbeit beider Staaten u forcieren und das positive Beispiel der ersten afgha- isch-pakistanischen Friedensjirga fortzuführen. Auch ie Entwicklungsarbeit kann dort ihren Beitrag leisten nd den Einwohnern des Grenzgebiets Bildungsalterna- iven zu den dort ansässigen Koranschulen anbieten und nteressante und vor allem legale Einkommensmöglich- eiten aufzeigen. Neben Pakistan müssen auch die ande- en Nachbarstaaten in den Prozess der afghanischen Sta- ilisierung eingebunden werden. Dazu gehören die taaten Zentralasiens und der Iran, in dem derzeit die weitgrößte afghanische Flüchtlingsgemeinde lebt. Die Flüchtlings- bzw. die Rückkehrerproblematik in fghanistan ist eine politische, gesellschaftliche und konomische Herausforderung, der in der Afghanistan- ebatte bisher viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt urde. Seit 2002 sind circa 5 Millionen afghanische lüchtlinge aus Pakistan und dem Iran in ihre Heimat zu- ückgekehrt, weiteren 3,1 Millionen in Flüchtlingslagern roht die Abschiebung nach Afghanistan. Die Aufnahme nd Integration der Rückkehrer, die größtenteils ohne chulbildung, Berufsqualifikation und aus vom Krieg esonders betroffenen Regionen sind, verkompliziert en ohnehin schon schwierigen Aufbauprozess des Lan- es. Schaut man auf die derzeitige Sicherheitslage, so hat ich diese im Süden und Südosten des Landes weiter erschärft. In erster Linie sind dort regierungsfeindliche nd extremistische Kräfte am Werk, die aufgrund ihrer ahlenmäßigen und waffentechnischen Unterlegenheit ie direkte Konfrontation mit den Alliierten scheuen und tattdessen in einem Partisanenkrieg die afghanische Be- ölkerung tyrannisieren und Staatsbedienstete ermorden. m Norden, wo die Bundeswehr für die Sicherheit in der erantwortung steht, ist die Sicherheitslage vergleichs- eise stabil. Die dortigen Risiken für die Sicherheit und omit auch für den zivilen Aufbau gehen im Norden auptsächlich von der Drogenkriminalität aus. Afghanis- an ist der größte Opiumproduzent weltweit und beliefert 0 Prozent des Weltopiummarktes. Die hohen Gewinne er Drogenökonomie haben außerstaatliche, kriminelle 16654 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) und terroristische Machtsstrukturen etabliert, die in Ge- stalt der Korruption in staatliche Institutionen ranken und die Souveränität der Afghanischen Führung unter- minieren. Darum sollte die Drogenbekämpfung in Af- ghanistan zu einem unserer wesentlichen Anliegen wer- den. Ein solches Unterfangen kann aber nur erfolgreich sein, wenn es gelingt, eine drogenfreie Wirtschaft aufzu- bauen und den Bauern Alternativen zum Schlafmohnan- bau aufzuzeigen und sie bei diesem Wechsel zu unter- stützen, anstatt – wie es die Linke vorschlägt – den Schlafmohnanbau auch noch zu legalisieren. Dass der eingeschlagene Weg der richtige ist, beweisen die Fort- schritte, die in den vergangenen Jahren bei der Drogen- bekämpfung verbucht werden konnten. Hat auch der Drogenanbau – gemessen an ganz Afghanistan – im ver- gangenen Jahr weiter zugenommen, hat sich andererseits die Anzahl der drogenfreien Provinzen von 6 auf 13 mehr als verdoppelt. Zwar hat in den restlichen 21 Pro- vinzen der Drogenanbau weiter zugenommen, jedoch lässt sich – betrachtet man die Sicherheitslage in den ein- zelnen Provinzen – feststellen, dass zwischen Drogenan- bau und Sicherheit eine Verbindung besteht. Je höher die Sicherheit, desto größer der Erfolg der Drogenbekämp- fung und umgekehrt. Detlef Dzembritzki (SPD): Das Afghanistan-En- gagement der Bundesregierung ist immer dann in den Schlagzeilen, wenn es um die jährlichen Mandatsverlän- gerungen im Herbst geht. Dies liegt vor allem an der Tat- sache, dass der Parlamentsvorbehalt für Auslandsein- sätze der Bundeswehr gilt, nicht aber für die zivile Seite unseres Afghanistan-Einsatzes. Dadurch entsteht der Eindruck, wir Parlamentarier seien nur an der militäri- schen Seite der Mission interessiert. Doch liegt im zivi- len Wiederaufbau – hier stimme ich dem Antrag der Grünen zu – der eigentliche Schlüssel für eine langfristig wirkende friedliche Entwicklung Afghanistans. Auch wir sind der Ansicht, „die Gewichtung von Mitteln und Personal kritisch zu hinterfragen und umfassend zu eva- luieren“, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben. Wir haben im Rahmen der Taskforce Afghanistan, unserer Arbeits- gruppe der Fraktion, hierzu Vorschläge gemacht und werden die Arbeit der Regierung auf diesem Wege auch weiter konstruktiv begleiten. Ich lade die Vertreter der Fraktion der Grünen ein, den gemeinsam begonnenen Diskussionsprozess weiterzuführen und gemeinsam um die besten Lösungen zu ringen. Der Wiederaufbau Afghanistans stellt sich gleicher- maßen als sicherheits- und entwicklungspolitische He- rausforderung dar, auch wenn der zivile Beitrag und die militärischen Ausgaben bisher noch in keinem ausgewo- genen Verhältnis zueinander stehen, ich begrüße es aus- drücklich, dass die Bundesregierung ihre Hilfe für das laufende Jahr noch einmal von 100 Millionen – im Jahr 2007 – auf 140 Millionen Euro – im Jahr 2008 – erhöht hat. Auch andere Partner, allen voran übrigens die USA, leisten auf diesem Feld Erhebliches. Nicht zu vergessen das bewundernswerte Engagement vieler Nichtregie- rungsorganisationen, die unter schwierigsten Bedingun- gen dem Land dabei helfen, in eine friedliche Zukunft zu gehen. Auf der Grundlage einer aufgestockten Hilfe m g s A F H e s a s K r d W l J n t p a d m s p f r m s b K r b b w b f d s d u z u s D a n F u n A K a M g h g f t d (C (D üssen die finanziellen Mittel und Instrumente des Af- hanistan-Engagements jedoch besser aufeinander abge- timmt und stärker zweckgebunden vergeben werden. n dieser Stelle muss ich der pauschalen Forderung der raktion der Grünen nach einer Erhöhung der zivilen ilfsmaßnahmen auf 200 Millionen Euro eine Absage rteilen. Wir sind zwar auch der Auffassung, dass es eine chrittweise Anhebung geben muss. Ich verweise aber uch darauf, dass wir die afghanische Regierung auch tärker in die Pflicht nehmen müssen, mehr zu tun gegen orruption und Misswirtschaft. Ich denke, die Konfe- enz in Paris im Juni 2008 ist hierzu der richtige Ort und er richtige Zeitpunkt. Sie stellen in Ihrem Antrag weiterhin fest, dass viele egmarken des Afghanistan Compact kaum mehr rea- istisch seien und daher nachgebessert werden müssten. a, die Ziele waren ambitioniert, teilweise sehr ambitio- iert und in der Zeitperspektive vielleicht zu optimis- isch. Ich nenne nur das Beispiel „Entwaffnung der op- ositionellen militanten Kräfte“, die bis 2007 bgeschlossen werden sollte, oder den Justizaufbau, bei em wir, die internationale Gemeinschaft, gemeinsam it der afghanischen Regierung erheblich zulegen müs- en. Die Tatsache, dass einige der im Afghanistan Com- act niedergelegten Ziele nicht erreicht wurden, bedeutet ür mich, dass diese Themen auf der Konferenz von Pa- is angesprochen werden müssen. In einigen Punkten uss der Afghanistan Compact eben nachjustiert, müs- en Fristen und Ziele verlängert, muss die bisherige Ar- eit überprüft und neu ausgerichtet werden. Die Paris- onferenz darf keine ausschließliche Pledging-Konfe- enz sein. Sie muss Bilanz ziehen und verbindlicher als isher die weitere Umsetzung des Afghanistan Compact eschließen. Dazu gehört, dass man sich über die not- endigen personellen, und materiellen Ressourcen ver- indlich verständigen muss, die bis 2011 zum Beispiel ür den Aufbau von Polizei, Justiz und Armee, aber auch en anderen staatlichen Infrastrukturen zur Daseinvor- orge notwendig sind. Auch wir setzen uns für eine bessere Koordinierung er Hilfe ein, Hier müssen wir auch bestrebt sein, neue nd unkonventionelle Wege zu gehen und pragmatisch u handeln. Es kann nicht sein, dass es Hilfsangebote nd Leistungen en masse gibt und die Mission daran cheitert, dass Koordinierungsprobleme alles überlagern. ass verstehen weder die Menschen in Afghanistan, die uf einen langfristigen Frieden setzen, noch unsere eige- en Wähler. Ich lade die Kolleginnen und Kollegen der raktion der Grünen zu einem Dialog ein: Lassen Sie ns weiter gemeinsam überlegen, was wir hier tun kön- en, um unser Anliegen einer friedlichen Perspektive für fghanistan voranzubringen – auch in puncto bessere oordinierung. Zu einer aufrichtigen Prüfung gehört ber auch, dass wir festhalten müssen: Ein einfaches ehr an finanzieller Unterstützung wird es nicht brin- en. Die Mittel müssen gezielt vergeben werden. Auch ierüber wird in Paris zu reden sein. Die afghanische Re- ierung muss ihren Beitrag für mehr Verbindlichkeit, Ef- ektivität und Transparenz leisten sowie mit der interna- ionalen Gemeinschaft insbesondere das Krebsgeschwür es Drogenproblems angehen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16655 (A) ) (B) ) Überhaupt sollten wir das Problem des Staatsaufbaus stärker in den Fokus rücken. Ein funktionierender Staat, Gewaltenteilung, eine funktionierende Justiz und Polizei dies alles sind Voraussetzungen, die eine Bekämpfung des Drogenproblems erst möglich machen. Dabei ist die scheinbar einfache Lösung, den angebauten Mohn für medizinische Zwecke zu verwenden, ein Vorschlag, mit dem wir uns auch beschäftigt haben, der aber aus unserer Sicht nicht zum Ziel führt. Diese Maßnahme würde das Problem nur verlagern und lediglich zeitlich verschie- ben. Neben einem kleinen, legalen und staatlich kontrol- lierten Markt für Mohn würde der illegale Markt weiter existieren. Es bestünde weiterhin kein Grund, auf alter- native Produkte umzusteigen. Beim Thema Drogenbekämpfung hilft nur eine lang- fristige Strategie, bei der wir aus den positiven Beispie- len wie Thailand lernen können und – lassen Sie mich das gleich dazusagen – bei dem wir einen sehr langen Atem benötigen. Zum Maßnahmenpaket gehört übrigens auch eine Drogenpolitik bei uns. Schließlich werden die verarbeiteten Opiumprodukte vornehmlich hier in den westlichen Industrieländern konsumiert. Wirksam ist al- lein eine langfristige Strategie. Ein staatliches Programm zum legalen Mohnanbau wie von der Linksfraktion ge- fordert, würde nach unseren Erkenntnissen überhaupt nichts an den Abhängigkeiten ändern. Schließlich sind viele Bauern durch die Pacht im Voraus bei Drogenbaro- nen enorm verschuldet und somit auf Jahre gezwungen, Opium anzubauen. Es gehört zu einer umfassenden Stra- tegie, die Drogenbarone zu bekämpfen und auch diejeni- gen, die in Verwaltung, Ministerien, im Parlament Kon- takte zu diesen Händlern unterhalten, ihrer Aufgaben zu entheben. Auch dies werden wir unseren afghanischen Partnern auf allen Ebenen immer wieder sagen: Hier sind sie in der Pflicht, mehr zu tun. Es gibt eine enge Verflechtung der Drogenökonomie mit den Taliban. In einigen Regionen, insbesondere in Helmand, sind die Taliban für die Bauern Erpresser und Schutzmacht zugleich. Deshalb gilt es, auch durch mili- tärische Präsenz Sicherheit zu schaffen. Die Bauern wer- den dauerhaft nur dann auf den Mohnanbau verzichten können, wenn sie Alternativen haben und wenn sie sich sicher sind, dass die internationale Gemeinschaft mittel- fristig für Sicherheit sorgt; eine Aufgabe, die langfristig von der afghanischen Polizei übernommen werden muss. Deshalb ist es so wichtig, Justiz, Polizei und Ar- mee zügig auszubauen. Ein Großteil der Ausbildung der Armee seitens der Vereinigten Staaten läuft übrigens un- ter dem Mandat Operation Enduring Freedom, über das wir hier schon häufig kontrovers diskutiert haben. Die einseitige Vernichtung von Anbauflächen – da sind wir uns einig – führt uns nicht weiter. Sie beraubt die Bauern ihrer Existenz und treibt viele von ihnen in die Arme der Neo-Taliban. Wir sind bei diesem Thema in intensivem Kontakt mit unseren Verbündeten und werden uns dafür einsetzen, dass hier ein Umdenkungs- prozess bei den Amerikanern einsetzt. Lassen Sie mich zum Schluss einen Punkt ansprechen, den auch Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der Grünen, angesprochen haben: die Parti- z o s d e s w t d g s A W A R T k t A t U z n s H s S T b P r n h A u g T k t z S m r J A B 2 D g H k s r ü w (C (D ipation und Eigenverantwortung der Afghanen. Es muss berstes Prinzip aller unserer Bemühungen des afghani- chen Wiederaufbaus sein, die Partner vor Ort einzubin- en, zu fördern, auszubilden und ihnen Stück für Stück igene Verantwortung zu übereignen. Gut bewährt haben ich die Projekte des afghanischen Solidaritätspaktes, eil sie eng mit afghanischen regionalen Verantwor- ungsträgern entwickelt und durchgeführt werden. Neben er Verbreiterung der Entwicklungsprojekte müssen so- enannte Leuchtturmprojekte realisiert werden: Der po- itive Effekt solcher weithin sichtbaren Projekte hat in fghanistan einen nicht zu unterschätzenden Effekt. Das eitererzählen spielt besonders in einem Land mit einer nalphabetenrate von circa 70 Prozent eine wichtige olle. Auch der Wiederaufbau einer Moschee oder eines heaters hat dabei eine große Symbol- und Signalwir- ung. Die Verwirklichung afghanischer Eigenverantwor- ung ist das entscheidende Ziel, so auch festgehalten im fghanistan Pakt. Da die staatlichen afghanischen Insti- utionen wie die Justiz, das Parlament die Schulen und niversitäten, die Ministerien, die Verwaltung, die Poli- ei und Armee trotz einiger beachtlicher Erfolge noch icht aus eigener Kraft tragen, wird Afghanistan auf die- en Feldern noch für einen längeren Zeitraum auf unsere ilfe im zivilen und militärischen Bereich angewiesen ein. Harald Leibrecht (FDP): Die sich selbst tragende tabilisierung Afghanistans, sodass der internationale errorismus dort nie wieder Unterschlupf finden kann, leibt das vorrangige Ziel auch unserer Afghanistan- olitik. Je schneller der Wiederaufbau Afghanistans vo- anschreitet, desto eher kann auch ernsthaft an eine soge- annte Exit-Strategie gedacht werden. Dass Sicherheit und Wiederaufbau Hand in Hand ge- en, ist inzwischen eine Binsenweisheit. Dass es in fghanistan – ich rede hier nicht nur über den Süden nd Osten – landesweit Gebiete gibt, die nicht frei zu- änglich sind, weil dort Warlords, Drogenbarone und aliban herrschen, hat natürlich unmittelbare Auswir- ungen auf die Wiederaufbaubemühungen. Umso wich- iger ist es, dass wir die Afghanen in die Lage versetzen, umindest im polizeilichen Bereich schnellstmöglich die icherheit im eigenen Land zu garantieren. Hier kom- en wir dann eben auch an jenen Punkt, wo die Bundes- egierung endlich handeln muss, wo sie die über die ahre hinweg immer neu aufgelegten Versprechen zum ufbau der afghanischen Polizei auch erfüllen muss. Deutschland ist seit 2001 Führungsnation im diesem ereich. Im Bericht der Bundesregierung aus dem Jahre 004 hieß es zu dem Thema noch: Die USA und eutschland haben mit der Ausbildung des einfachen af- hanischen Polizeidienstes landesweit begonnen. – eute, 2008, beschränkt die Bundesregierung ihre Tätig- eit in diesem Bereich auf die Beratung des afghani- chen Innenministeriums und die Schulung von Füh- ungspersonal. Einzig deutsche Feldjäger, also Soldaten, bernehmen im Norden noch einen kleinen Teil der not- endigen Polizeiausbildung an der Basis. Das ist ein- 16656 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) ) (B) ) deutig zu wenig. „Keine Sicherheit ohne Wiederaufbau und Entwicklung – Kein Wiederaufbau und keine Ent- wicklung ohne Sicherheit“ – leider gibt es diesen ver- netzten Ansatz nur auf dem Papier, nicht jedoch in der Realität. Hinzu kommt: Die Zahlen, die die Bundesregierung im Bereich des Polizeiaufbaus immer wieder vollmundig verkündet, sind im Grunde verschwindend klein, wenn man sie in Relation zur Größe des Landes und im Ge- samtkontext betrachtet. 40 Polizisten schicken wir offi- ziell jedes Jahr nach Afghanistan. Ich wiederhole: 40. Hinzu kommt, dass in der Realität immer nur ein Teil da- von vor Ort ist. Ein eindeutiger Hinweis darauf, dass sich die Bundesregierung mit der Aufgabe der Polizei- ausbildung in Afghanistan ver- und überschätzt hat, liegt in der Übertragung dieser Aufgabe auf die europäische Ebene. Deutschland muss endlich seinen selbst auferleg- ten Verpflichtungen in Afghanistan richtig nachkom- men, sonst machen wir uns unglaubwürdig. Wir brauchen in Afghanistan nicht nur sich selbst tra- gende Sicherheit, sondern auch einen sich selbst tragen- den zivilen Aufbau. Mit unserer Hilfe müssen wir die Afghanen in die Lage versetzten, dass sie zum Beispiel Schulen und eine echte Infrastruktur selbst bauen kön- nen. Wenn im Juni in Paris eine weitere Afghanistan- Konferenz stattfinden wird, dann sollte man sich dort noch einmal kritisch mit dem Afghanistan-Compact aus- einandersetzen und prüfen, ob die genannten Ziele wirk- lich realistisch und erreichbar sind. Es ist zwar richtig, dass mittel- und langfristig die afghanische Regierung die Verantwortung für das Land übernehmen muss, aber wir dürfen uns hinter dem „afghan ownership“ auch nicht verstecken. Insgesamt gibt es leider immer noch weitaus mehr Fragen als Antworten, was die Aufbauarbeit und die Entwicklung in Afghanistan betrifft. Die Zeit drängt. Wie sprach Goethe in seinem Faust so treffend? – Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn! Indes ihr Komplimente drechselt, kann et- was Nützliches geschehn. Heike Hänsel (DIE LINKE): Der Krieg gegen Af- ghanistan, den die Grünen 2001 selbst mit eingeleitet ha- ben, hat nicht zu einer friedlichen Entwicklung des Lan- des geführt, sondern zu anhaltender Gewalt und der Verstetigung von wirtschaftlichem und sozialem Elend. Er hat auch keine breiten gesellschaftlichen Emanzipa- tionsprozesse in Gang gesetzt, wie unter anderem von den Grünen angekündigt, sondern die Menschen in Af- ghanistan vielfach neuen Bedrohungen ausgesetzt. Zu den Taliban – so hat Oxfam jüngst die Wahrnehmung der Afghaninnen und Afghanen im Rahmen der Studie „Communitiy Peacebuilding“ in Afghanistan gemessen – kommt die Bedrohung durch lokale Warlords, Krimi- nelle und Drogendealer, aber auch durch die internatio- nalen Truppen selbst. Immerhin – die Grünen reden in ihrem Antrag die Er- gebnisse der von ihnen ansonsten unterstützten Militär- mission nicht schön und weisen auf die vielen damit ver- bundenen oder zumindest durch sie nicht gelösten P f n s z n f J i s b z l t S l O e d N g d i w b A – D d d „ d r g a B 5 d I d G t r m a u M w z U A 4 g b l a P e (C (D robleme hin. Ich kann da einen Fortschritt gegenüber rüheren Verlautbarungen erkennen. So stellen die Grü- en endlich auch den früher durch ihre eigenen Reprä- entanten vehement vertretenen Ansatz der sogenannten ivil-militärischen Zusammenarbeit und auch die Regio- alen Wiederaufbauteams – PRTs – in Afghanistan in- rage. Das ist mehr als angebracht. Bereits vor anderthalb ahren haben Fachleute von Entwicklungsorganisationen n einer Anhörung im Ausschuss für wirtschaftliche Zu- ammenarbeit und Entwicklung auf die massiven Pro- leme mit diesem Ansatz hingewiesen. In Afghanistan sind die negativen Konsequenzen des ivil-militärischen Ansatzes im Rahmen von ISAF deut- ich erkennbar. Aufgrund der engen Anbindung humani- ärer und ziviler Organisationen an die militärischen trukturen – Bereitstellung von Infrastruktur, Vermitt- ungstätigkeiten, Bereitstellung von Geldern – sind diese rganisationen für die Bevölkerung häufig nicht mehr indeutig von den militärischen Einheiten zu unterschei- en. Zivile Akteure büßen somit Anerkennung und ihre eutralität ein und werden selbst zum Ziel von Anschlä- en. Als Folge dieser „Infizierung“ ziviler Hilfsprojekte urch das Militär haben zahlreiche Hilfsorganisationen hre Arbeit nicht mehr oder nur noch stark eingeschränkt eiterführen können und sich aus Afghanistan bzw. der etreffenden Region zurückziehen müssen. Die Projekte zivil-militärischer Zusammenarbeit in fghanistan, die Provincial Reconstruction Teams PRT –, werden zudem in ihrem Impact überschätzt. as Ergebnis einer Auswertung von 40 Studien zu PRTs urch das Institut für Entwicklung und Frieden – INEF – er Universität Duisburg-Essen und andere attestiert eine schwache oder gar keine feststellbare Effizienz“ er PRTs im Hinblick auf die Ziele Sicherheit, Stabilisie- ung, Institutionenbildung und Wiederaufbau. Die Aus- aben für die zivile und militärische Komponente sind uch hier einseitig zugunsten des Militärs verteilt – zum eispiel beim PRT Kunduz in 2004 im Verhältnis von :1. Es gibt bisher keine Analysen, die den Erfolg, der en PRTs immer wieder unterstellt wird, untermauern. nsbesondere gibt es keine Evaluierung seitens der Bun- esregierung. Hier unterstützen wir die Forderung der rünen, eine solche vorzulegen. Je mehr Geld man in den militärischen Bereich inves- iert, desto weniger bleibt für die zivile Entwicklung üb- ig. Allein die USA haben für ihr militärisches Engage- ent in Afghanistan seit 2001 127 Milliarden US-Dollar usgegeben. Währenddessen warten die Afghaninnen nd Afghanen nach einem Bericht der ARD von Ende ärz auf die Auszahlung eines großen Teils der von den estlichen Gebern versprochenen zivilen Unterstüt- ungsleistungen. Von den versprochenen 25 Milliarden S-Dollar sind bislang nur 15 Milliarden tatsächlich in fghanistan angekommen, und davon flossen 0 Prozent unter anderem in Form von Unternehmens- ewinnen und Beratergehältern wieder zurück in die Ge- erländer. Zivile Krisenbearbeitung muss zivil formu- iert werden. Zivile Instrumente müssen entsprechend usgestattet, oft überhaupt erst entwickelt werden. Zivile rojekte müssen in zivile Hände gelegt werden, wo die ntsprechende Expertise und die langfristige Orientie- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 16657 (A) ) (B) ) rung für das Erreichen struktureller Veränderungen vor- handen sind und nicht tagesaktuelle Interessen und mili- tärstrategische Überlegungen dominieren. Für eine effektive Aufbauhilfe wäre wesentlich, dass lokale Akteurinnen und Akteure viel stärker einbezogen werden, als das im Rahmen der zivil-militärischen Zu- sammenarbeit praktiziert wird bzw. möglich ist. Die un- terschiedlichen vorhandenen Interessen müssen sich arti- kulieren und in einen Austausch gebracht werden. Mehr Partizipation muss organisiert werden. Viel mehr Men- schen müssen in die Suche nach Lösungen für eine zivile Krisenprävention einbezogen werden. Das ist erstens der Anspruch der UN-Resolution 1325 für eine stärkere Beteiligung von Frauen auf allen Ebe- nen der institutionellen Verhütung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten, den es endlich einzulösen gilt, und das ist für Die Linke zweitens auch eine Schlussfolgerung aus der Oxfam-Studie, derzufolge die – potenziell – gewaltträchtigen Konfliktfelder in Afgha- nistan so unterschiedlicher Natur sind wie die Wahrneh- mung der Gewaltakteure durch die Bevölkerung. Großes Konfliktpotenzial wird solchen Auseinandersetzungen zugeschrieben, die auf der lokalen Ebene zum Beispiel um den Zugang zu Wasser und Land oder in bzw. zwi- schen familiären oder Clan-Strukturen ausgetragen wer- den. Zugleich weist Oxfam darauf hin, dass die Afgha- ninnen und Afghanen zur Schlichtung von Konflikten vorzugweise auf traditionelle Schlichtungsformen zu- rückgreifen und sich an ihre lokalen Autoritäten, wie die Ältestenräte, wenden. Hier müssen wir ansetzen. Entwicklung in Afghanistan kann nicht gegen die Af- ghaninnen und Afghanen durchgesetzt werden, sondern nur mit ihnen und vor allem durch sie. Das möchte ich abschließend anhand unseres Vorschlags erläutern, Chancen für einen lizenzierten Mohnanbau zu eröffnen. Angesichts immer neuer Rekordernten ist doch offen- sichtlich, dass die bisherigen Strategien der Drogenbe- kämpfung, die entweder ganz direkt repressiv ausgerich- tet waren – USA – oder Repression mit Substitution verbanden, wie die der EU, gescheitert sind. Aus dem il- legalen Drogenanbau speist sich der anhaltende Krieg. Deshalb schlägt Die Linke vor, Möglichkeiten zu prü- fen, den legalen lizenzierten und kontrollierten Anbau von Mohn zu medizinischen Zwecken zu fördern, und die- sen Anbau in eine Strategie zur diversifizierten regionalen Entwicklung des ländlichen Raums zu integrieren. Es gibt Vorbilder für eine solche Maßnahme; darauf verweisen wir in unserem Antrag. Ziel muss sein, die Bäuerinnen und Bau- ern aus der Abhängigkeit von Drogendealern und Warlords zu befreien, ohne sie ihrer wirtschaftlichen Grundlagen zu berauben. Wenn es stimmt, dass das größte Gewaltpotenzial in Konflikten um lokale ökonomische Ressourcen liegt und in besonderem Maße von den Drogenbaronen ausgeht, wäre der lizenzierte und kontrollierte Mohnanbau in meinen Augen eine lokal angepasste Maßnahme, eine friedliche und sozial nachhaltige Entwicklung in den ländlichen Räumen Afghanistans einzuleiten. f w – L E k A e t P n t n A E M k l a m v i u d g d g S b e g g t u d n D f l f B d z B 2 d f z f d u b d z (C (D Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die öf- entliche Debatte zu Afghanistan verläuft erneut und iederholt in den typischen Bahnen: Die Unionsparteien vorneweg in bajuwarischer Wahlkampflaune CSU- andesgruppenchef Ramsauer – diskutieren über eine xit-Strategie am Hindukusch. Die SPD fordert im Ein- lang mit dem Bundeswehr-Verband mehr Soldaten für fghanistan. Parallel dazu gibt es Nachrichten, dass bei iner Anschlagsserie im Süden und Südosten Afghanis- ans viele Todesopfer zu beklagen sind, darunter viele olizisten. Die Meldung der Hilfsorganisation Care Internatio- al, dass der Mädchenanteil in den Schulen Afghanis- ans viel zu gering ist, geht dabei völlig unter. Care Inter- ational berichtet, dass zwar die Zahl der Schüler in fghanistan insgesamt steigt, was ich als ein positives rgebnis der zivilen Anstrengungen begrüße, jedoch der ädchenanteil nicht mitwächst, sondern bei 35 Prozent onstant verharrt. Hinzu kommt, dass nur 28 Prozent al- er Lehrer in Afghanistan weiblich sind und zumeist uch nur in Städten unterrichten. Viele Eltern in der Isla- ischen Republik Afghanistan zögern aber, ihre Töchter on einem Lehrer unterrichten zu lassen, oder schicken hre Töchter nicht in die Schule, da der Weg zu weit und nsicher ist. Bildungsarbeit und Capacity-Building unter em Aspekt der Geschlechtergerechtigkeit sind aber aus- esprochen wichtig für die Zukunft des Landes und be- ürfen größter Aufmerksamkeit bei unseren Anstrengun- en in Afghanistan. Wir brauchen mehr Mädchen in den chulklassen Afghanistans! Ich möchte drei Dinge feststellen: Erstens. Die De- atte um Afghanistan verengt sich immer wieder auf ine Debatte über militärische Kapazitäten und Mandats- renzen. Zweitens: Nur Schreckensmeldungen aus Af- hanistan werden in Deutschland wahrgenommen. Drit- ens. Eine Auseinandersetzung über die Ziele, Kriterien nd die strategische Ausrichtung der zivilen, insbeson- ere der entwicklungspolitischen Aufbauarbeit findet icht statt. Wir Grünen haben deswegen diesen Antrag in den eutschen Bundestag eingebracht. Wir fordern eine öf- entliche Auseinandersetzung über die entwicklungspo- itischen Möglichkeiten und Ziele und vor allem: Wir ordern einen Wechsel in der Afghanistan-Politik der undesregierung. Wir müssen weg von der Dominanz es militärischen – hin zu einer massiven Stärkung der ivilen Aufbau- und Friedensarbeit. Dazu gehört die sofortige Aufstockung der deutschen eiträge für die zivile Aufbauarbeit auf mindestens 00 Millionen Euro in diesem Jahr. Wir fordern die Bun- esregierung auf, dem Deutschen Bundestag einen Stu- enplan mit klaren, mess- und überprüfbaren Etappen- ielen für die deutsche Aufbauarbeit vorzulegen. Wir ordern auch, einen jährlichen Bericht über die Verwen- ung der entwicklungspolitischen Mittel vorzulegen, nd wir rufen die Bundesregierung auf, dem Parlament is Ende des Jahres eine Evaluierung der Arbeit der eutschen Provincial Reconstruction Teams, PRTs, vor- ulegen. Uns geht es nicht um eine rein quantitative Ver- 16658 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 (A) (C) (B) ) besserung der Aufbauarbeit. Im Zentrum steht für uns die qualitative Verbesserung. Lassen Sie uns über die Strategie und Ziele der Auf- bauarbeit in Afghanistan sprechen. Für uns ist es elementar, dass die afghanische Eigenverantwortung – Ownership – mit allen Maßnahmen gestärkt wird. Es darf nicht länger sein, dass ohne Abstimmung mit und ohne Beteiligung der Bevölkerung Aufbauarbeit durch- geführt wird. Es ist richtig und notwendig, bei allen ak- tuellen Problemen, dass die Afghanen in die Lage ge- bracht werden, selbstständig und eigenverantwortlich zu handeln. Dazu gehört auch, dass stärker als bisher Gel- der der internationalen Gemeinschaft über die afghani- sche Regierung umgesetzt werden. Die Stärkung der af- ghanischen Kapazitäten, der weitere systematische Aufbau effizienter Institutionen dürfen nicht vernachläs- sigt werden. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass dies vor dem Hintergrund mangelnder Kapazitäten und steigen- der Korruption eine schwierige und komplizierte Auf- gabe ist – und dennoch muss das Fernziel immer im Blick bleiben: der afghanischen Bevölkerung ihr Land wieder voll und ganz zurückzugeben. Viele Fehler sind in den letzten fünf Jahren gemacht worden, wertvolle Zeit ist verstrichen. Eine spürbare Verbesserung der Lebenssituation für weite Teile der Be- völkerung in allen Teilen des Landes ist bis heute ausge- Strategie zu bestimmen, eine Strategie, die kohärent, transparent und langfristig angelegt ist. Das heißt aber auch, dass wir nie nachlassen dürfen, den inneren Problemen und Schwierigkeiten in diesem Land unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Wir müssen im entwicklungspolitischen Ausschuss ganz besonders darauf achten, uns regelmäßig über die Lage im Land und die Fortschritte zu informieren. Deswegen wollen wir auch den jährlichen Bericht, weil die Vergangenheit lehrt, dass es ein Trugschluss war, zu glauben, die Dinge in Afghanistan würden sich zum Guten wenden, auch ohne dass wir unsere eigenen Handlungsansätze immer und immer wieder überprüfen. Wenn ich an die Fehler und Mängel in der Polizeiausbildung denke, dann ist höchste Selbstkritik angesagt. Aber auch in anderen Be- reichen des zivilen Aufbaus muss die Lernkurve nach oben zeigen. Kernpunkte müssen aus unserer Sicht sein: erstens Bildung, Bildung und nochmals Bildung, zweitens lang- fristig angelegte Frauen- und Geschlechterpolitik, um Integration und Gleichstellung voranzubringen – hier ist hohe Sensibilität, aber auch Hartnäckigkeit angesagt –, drittens der ökonomische Aufbau des Landes. Deutsch- land hat hier eine Führungsrolle übernommen. Es gibt mit der Zuckerfabrik in Baghlan gute Ansätze, aber den- noch geschieht insgesamt zu wenig. Daher meine Frage: Welche Ziele sollen anvisiert werden, und wie können blieben. Warum? Weil die internationale Gemeinschaft ihr Engagement mit überzogenen Erwartungen, man- gelnder Einsicht in die afghanischen Strukturen und ohne eine einheitliche, kohärente Strategie begonnen hat. Wir stellen fest: Die internationale Staatengemein- schaft ist aufgerufen, aus ihren Fehlern zu lernen und jetzt mit Realismus eine neue entwicklungspolitische d d s k B m a (D ie Aufgaben der Zukunft gestaltet werden? Die Bun- esregierung lässt eine klare Linie für einen Kurswech- el in Afghanistan vermissen. Mit unserem Antrag wird lar: Wir Grüne sind die politische Kraft im Deutschen undestag, die den Kurswechsel hin zum zivilen Engage- ent einfordert, definiert und sich kritisch damit ausein- ndersetzt. 157. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 24. April 2008 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Max Lehmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)




Rede von Katrin Dagmar Göring-Eckardt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Dr. Christel Happach-Kasan für die

DP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Christel Happach-Kasan


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    u meiner ganz großen Überraschung habe ich einen
    nterschied im Handeln von Minister Seehofer im Ver-
    leich zu seiner Vorgängerin festgestellt. Er hat heute
    usdrücklich die Zerstörung von Feldern mit gentech-
    isch veränderten Pflanzen verurteilt.


    (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das haben wir auch! – Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das hat Frau Künast auch immer gemacht!)


    r hat gesagt:

    Solche Zerstörungen fremden Eigentums sind nicht
    akzeptabel und als Sachbeschädigung und Haus-
    friedensbruch strafbar.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    o der Minister recht hat, hat er recht. Ich bedaure, dass
    eder bei der SPD noch bei den Grünen, noch bei der
    inkspartei ein solches Verständnis von Rechtsstaat vor-
    anden ist.


    (Beifall bei der FDP – Widerspruch bei der SPD – Dr. Matthias Miersch [SPD]: Das ist eine Frechheit!)


    einer Vorgängerin sind im Übrigen diese Worte nicht
    ber die Lippen gekommen.

    Der von der Bundesregierung vorgelegte Bericht über
    ie Erfahrungen mit dem Gentechnikgesetz zeigt, dass
    m Bereich der Weißen Biotechnologie entsprechend
    em Bericht „Innovationsstandort Deutschland – quo
    adis?“ Deutschland eine Führungsrolle einnimmt. Das
    st gut so.


    (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Wohl wahr!)


    Die Grüne Gentechnik nutzt dasselbe Züchtungsver-
    ahren. Dennoch kämpft sie mit Akzeptanzproblemen in
    er Gesellschaft und auch bei dem zuständigen Minister,






    (A) )



    (B) )


    Dr. Christel Happach-Kasan
    der jetzt immerhin dem widerrechtlichen Zerstören von
    Feldern entgegentritt.

    Heute war zu lesen: Wir brauchen die Revolution auf
    dem Acker. – Das fordert Arend Oetker, der Präsident
    des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft. Wir
    brauchen eine neue grüne Revolution, sagt Professor
    Joachim von Braun. Er ist Gründungsdirektor des Zen-
    trums für Entwicklungsforschung der Universität Bonn
    und jetzt Direktor des International Food Policy Re-
    search Institutes in Washington. Dies ist ein führendes
    Forschungs- und Beratungsinstitut, das auch von der
    GTZ unterstützt wird. Er erinnert in seinem Beitrag da-
    ran, dass auch der grünen Revolution mit Widerstand be-
    gegnet wurde. Ich glaube, wir sollten auf diese Erfah-
    rung zurückgreifen.

    Die grüne Revolution hat viel erreicht. Wir sollten
    uns daran erinnern. 1950 lebten etwa 2 Milliarden Men-
    schen auf der Erde, fast die Hälfte hungerte. Heute leben
    auf der Erde mehr als 6 Milliarden Menschen, über
    860 Millionen Menschen hungern. Das sind zu viele,
    aber weniger als 15 Prozent. Es werden 4 Milliarden
    Menschen mehr ernährt als 1950. Wer will diesen Erfolg
    kleinreden? Wer hat ein anderes Modell? Wer kann sa-
    gen, wie man es anders hätte besser machen können?
    Niemand von Ihnen kann es. Ich finde es absolut zy-
    nisch, in welcher Weise Sie auf solche Zahlen reagieren.


    (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind zynisch!)


    – Frau Höhn, das gilt für Sie genauso.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie sind zynisch!)


    Die Lebensmittelpreise sind weltweit dramatisch ge-
    stiegen. Die Ursachen sind unterschiedlich – das wissen
    wir –: Missernten, beispielsweise infolge des Klimawan-
    dels, und teilweise die energetische Nutzung von Bio-
    masse. Aber insbesondere ist der erhöhte Lebensstan-
    dard beispielsweise in China eine Ursache. Wir können
    den Chinesen jedoch nicht sagen, beim Reis zu bleiben
    und auf das Schnitzel zu verzichten. Sie werden mit dem
    Finger auf unsere Teller zeigen. Wir müssen akzeptieren,
    dass ihr Wohlstand auch ihre Ernährungsgewohnheiten
    ändert. Das erhöht den Bedarf insbesondere an Futter-
    mitteln.


    (Jörg Rohde [FDP]: Und die Preise!)


    Dies bedeutet, dass – wie es die FAO gefordert hat –
    verstärkt in die Landwirtschaft und in die Züchtung in-
    vestiert werden muss. Was in der Weißen Gentechnik ge-
    lungen ist, sollte auch in der Grünen Gentechnik gelin-
    gen. Kollege Lehmer hat die entsprechenden Zahlen hier
    genannt. Wir haben in Deutschland eine gut aufgestellte
    Grundlagenforschung in Instituten und in Unternehmen.
    Sie könnte wichtige Beiträge leisten. Sie wird aber aus-
    gebremst – so Arend Oetker – von gesellschaftlichen
    Gruppierungen wie auch von dieser Regierung durch das
    restriktive Gentechnikgesetz und durch das konkrete Re-
    gierungshandeln. Es gibt zahlreiche Beispiele, die ich
    aber jetzt nicht aufführen möchte.

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    (C (D Minister Seehofer verurteilt die Zerstörung von genechnisch veränderten Feldern. Ich habe das von Ihnen, Frau Drobinski-Weiß, noch ie gehört. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wurde doch im Ausschuss behandelt!)


    (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Wir auch!)


    s gibt Gruppierungen in Deutschland, die das Standort-
    egister als Einladung für solche Zerstörungen ansehen.
    eswegen müssen wir die Öffentlichkeit von der Kennt-
    is dieses Registers ausschließen.


    (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Genau! Die Menschen wegsperren!)


    nsonsten können wir die Zerstörungen nicht verhin-
    ern. Es wäre ein Schritt zu einer glaubwürdigen Ausge-
    taltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die
    ightech-Strategie der Bundesregierung gewesen, hätte

    ie sich von der Öffentlichkeit des Standortregisters ver-
    bschiedet.

    Inzwischen haben zwei Universitäten vor dem Mob
    apituliert, der ihre Versuchsfelder zerstört hat.


    (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist ja übelst! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie werden immer schlimmer!)


    Es ist ein einmaliger Vorgang, dass der Rektor einer
    niversität seinem Bauchempfinden den Vorrang gibt
    or der Verteidigung der grundgesetzlich geschützten
    orschungsfreiheit; so geschehen in Nürtingen-Geislin-
    en. Wo kommen wir hin, wenn die Straße bestimmt,
    elche Forschung gemacht wird? Wozu ist das Recht

    uf Forschungsfreiheit bei uns im Grundgesetz veran-
    ert?


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Überlegen Sie sich, was Sie sagen!)


    Ich überlege mir sehr gut, was ich sage. Ich habe mit
    ehr vielen Gentechnikgegnern diskutiert und festge-
    tellt, dass bei sehr vielen von ihnen schlicht keine
    rundkenntnisse der Biologie und Botanik vorhanden

    ind.


    (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja unglaublich!)


    In fast jedem Jahr diskutieren wir darüber, dass Mais
    der Reis geringfügige Spuren einer gentechnisch verän-
    erten Sorte enthält, die in der EU nicht zugelassen ist.
    elbst wenn eine Sicherheitsprüfung der zuständigen
    ehörden der USA vorliegt, fordert die in der EU gel-

    ende Nulltoleranz, dass diese Partien hier nicht verkauft
    erden. Sie werden in der Regel vernichtet. Es geht da-
    ei nicht um Sicherheit; es geht um Prinzipienreiterei.

    Ich frage zum Abschluss: Ist das angesichts des Hun-
    ers in der Welt verantwortbar?


    (Jörg Rohde [FDP]: Nein! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unglaublich! – Zurufe von der SPD)







    (A) )



    (B) )


    Dr. Christel Happach-Kasan
    Entspricht diese Vorgehensweise dem Gebot christlicher
    Nächstenliebe?


    (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist jetzt keine Ansprache, oder wie?)


    Müssen wir nicht dringend Schwellenwerte für solche
    Beimengungen definieren, sodass das Vernichten hoch-
    wertiger Nahrungsmittel beendet wird? Ich weiß, dass
    die Bevölkerung so empfindet. Schauen Sie sich die neu-
    esten Umfragen an!