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    Plenarprotokoll 16/143 Reform des Erbschaftsteuer- und Bewer- der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Finanzmärkte stabilisieren (Drucksache 16/7531) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Axel Troost, Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Aktionsplan „Finanzmärkte demokratisch kontrollieren, Konjunk- tur und Beschäftigung stärken“ – Aus den internationalen Finanzturbulenzen Konsequenzen ziehen (Drucksache 16/7191) . . . . . . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . tungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz – ErbStRG) (Drucksache 16/7918) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carl-Ludwig Thiele (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . Carl-Ludwig Thiele (FDP) . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Pronold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . 15079 B 15079 C 15079 D 15085 A 15086 B 15103 D 15103 D 15106 D 15108 B 15109 B 15111 B 15113 A 15114 D 15117 D Deutscher B Stenografisc 143. Si Berlin, Freitag, den I n h a Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Laurenz Meyer (Hamm) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen: Lage der Finanzmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 24: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Christine Scheel, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und 15079 A 15079 B Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ludwig Stiegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15088 D 15091 A undestag her Bericht tzung 15. Februar 2008 l t : Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eduard Oswald (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ortwin Runde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Bernhardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Jörg-Otto Spiller (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur 15093 B 15095 A 15096 C 15098 A 15099 D 15101 A 15102 C Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Norbert Schindler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 15118 D 15120 A 15120 C II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: b) Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zwangsverheiratung durch Verbesserung des Opferschutzes wirk- sam bekämpfen (Drucksache 16/7680) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Josef Philip Winkler, Ekin Deligöz, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Zwangsverheira- tung bekämpfen – Opfer schützen – zu dem Antrag der Abgeordneten Sibylle Laurischk, Otto Fricke, Ina Lenke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Zwangsheirat wirksam bekämpfen – Opfer stär- ken und schützen – Gleichstellung durch Integration und Bildung för- dern – zu dem Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Karin Binder, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für einen Schutz der Opfer von Zwangsver- heiratungen, für die Stärkung ihrer Rechte und die längerfristige Be- kämpfung der Ursachen patriarcha- ler Gewalt (Drucksachen 16/61, 16/1156, 16/1564, 16/4910) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15121 D 15122 D 15123 B 15123 C 15123 D 15125 B 15126 B 15127 D 15129 A 15130 A 15131 A 15132 A 15132 D Tagesordnungspunkt 25: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Tierschutzbericht 2007 (Drucksache 16/5044) . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Zwei- ten Gesetzes zur Änderung des Tier- schutzgesetzes (Drucksache 16/7413) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Jahr (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Antrag der Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Bevölkerungsschutzsystem reformieren – Zuständigkeiten klar regeln (Drucksache 16/7520) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem An- trag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Katrin Kunert, Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rechtsan- spruch auf Mieterberatung für Menschen mit geringem Einkommen (Drucksachen 16/5247, 16/7171) . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für ein Gesamtkonzept zur Einrichtung von EU- Agenturen (Drucksache 16/7746) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit 15134 C 15134 D 15134 D 15136 C 15138 B 15139 D 15141 A 15142 A 15143 D 15145 B 15145 C 15145 C 15146 D 15147 C 15148 D 15149 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 III Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Markus Löning, Michael Link (Heilbronn), Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gerichtliche und parlamentarische Kontrolle von EU-Agenturen (Drucksache 16/8049) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Beatrix Philipp (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Rechtsanspruch auf Mieterberatung für Men- 15149 C 15149 D 15151 A 15152 B 15153 D 15155 A 15156 A 15156 D Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Stammzellgesetzes – Entwurf eines Gesetzes für eine men- schenfreundliche Medizin – Gesetz zur Änderung des Stammzellgesetzes – Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicherstellung des Em- bryonenschutzes im Zusammenhang mit menschlichen embryonalen Stammzellen (Stammzellgesetz – StZG) – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Stammzellgesetzes – Antrag: Keine Änderung des Stichtages im Stammzellgesetz – Adulte Stammzell- forschung fördern (142. Sitzung, Tagesordnungspunkt 4 a bis e) Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Bevölkerungsschutzsystem re- formieren – Zuständigkeiten klar regeln (Ta- gesordnungspunkt 26) 15151 D schen mit geringem Einkommen (Tagesord- nungspunkt 27) Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Für ein Gesamtkonzept zur Einrichtung von EU-Agenturen – Gerichtliche und parlamentarische Kon- trolle von EU-Agenturen (Tagesordnungspunkt 28 und Zusatztagesord- nungspunkt 7) Veronika Bellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Eduard Lintner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . Markus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15147 C 15148 B 15149 B 15160 A 15160 D 15161 C 15162 B 15163 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 15079 (A) (C) (B) (D) 143. Si Berlin, Freitag, den Beginn: 9
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    2) Anlage 5 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 15151 (A) (C) (B) (D) ein erheblicher Standortfaktor für den Forschungsstand- ort Bundesrepublik Deutschland.Schily, Otto SPD 15.02.2008 Deutschland zu betreiben. Die Forschung an embryona- len Stammzellen ist eine große Chance, der Medizin neue Erkenntnisse zu verschaffen und der Klärung der Humangenese näher zu kommen, und nicht zuletzt auch Paula, Heinz SPD 15.02.2008 Poß, Joachim SPD 15.02.2008 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 15.02.2008 Anlage 1 Liste der entschuldi Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Bartsch, Dietmar DIE LINKE 15.02.2008 Blumentritt, Volker SPD 15.02.2008 Bodewig, Kurt SPD 15.02.2008 Brand, Michael CDU/CSU 15.02.2008 Burchardt, Ulla SPD 15.02.2008 Eichel, Hans SPD 15.02.2008 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 15.02.2008 Grosse-Brömer, Michael CDU/CSU 15.02.2008 Dr. Hemker, Reinhold SPD 15.02.2008 Hinz (Essen), Petra SPD 15.02.2008 Hoff, Elke FDP 15.02.2008 Hoffmann (Wismar), Iris SPD 15.02.2008 Jelpke, Ulla DIE LINKE 15.02.2008 Jung (Karlsruhe), Johannes SPD 15.02.2008 Kelber, Ulrich SPD 15.02.2008 Kramer, Rolf SPD 15.02.2008 Kramme, Anette SPD 15.02.2008 Kranz, Ernst SPD 15.02.2008 Krichbaum, Gunther CDU/CSU 15.02.2008 Lafontaine, Oskar DIE LINKE 15.02.2008 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.02.2008 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.02.2008 Nitzsche, Henry fraktionslos 15.02.2008 Anlagen zum Stenografischen Bericht gten Abgeordneten Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Stammzellgesetzes – Entwurf eines Gesetzes für eine menschen- freundliche Medizin – Gesetz zur Änderung des Stammzellgesetzes – Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicherstellung des Embryonen- schutzes im Zusammenhang mit menschli- chen embryonalen Stammzellen (Stammzell- gesetz – StZG) – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Stammzellgesetzes – Antrag: Keine Änderung des Stichtages im Stammzellgesetz – Adulte Stammzellfor- schung fördern (142. Sitzung, Tagesordnungspunkt 4 a bis e) Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU): Worüber beraten wir heute? Im Prinzip über die Bereitschaft, politisch der deutschen Forschung – speziell der Gesundheitsfor- schung – zu ermöglichen, Grundlagenforschung hier in Schultz (Everswinkel), Reinhard SPD 15.02.2008 Schwabe, Frank SPD 15.02.2008 Dr. Stadler, Max FDP 15.02.2008 Steinbach, Erika CDU/CSU 15.02.2008 Steppuhn, Andreas SPD 15.02.2008 Strothmann, Lena CDU/CSU 15.02.2008 Wicklein, Andrea SPD 15.02.2008 Zeil, Martin FDP 15.02.2008 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 15152 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 (A) (C) (B) (D) Die öffentliche Diskussion der vergangenen Monate rankte sich ja weitgehend um die Frage nach dem Be- ginn des Lebens und die Frage, ob menschliches Leben durch die embryonale Stammzellforschung vernichtet wird oder ein Anreiz zur Vernichtung menschlichen Le- bens gesetzt wird. Dieser ethische Disput ist wichtig – aber bei der be- stehenden Rechtslage in Deutschland nicht zu Ende ge- dacht. Wenn wir uns tatsächlich auf die Position stellen, dass jede Forschung an embryonalen Stammzellen Le- ben vernichtet, müssen wir konsequenterweise sofort jede Form der Abtreibung, der künstlichen Befruchtung, ja selbst der „Pille danach“ oder der sogenannten Spirale verbieten. Gerade bei letztgenannten Methoden werden in erheblichem Maße embryonale Zellen getötet. Wollen wir dies wirklich? Wollen wir den Abtreibungs-Touris- mus der 60er-Jahre wirklich wiederbeleben? Fakt ist, dass es weltweit ein reichliches Angebot an Stammzelllinien gibt. Keiner kann im Ernst behaupten, dass durch die deutsche Forschung ein Anreiz irgend- welcher Art entsteht, menschliches Leben zu töten. Sol- len deutsche Forscher, die auf diesem Gebiet erhebliche Kompetenz haben, gezwungen werden, ins Ausland zu gehen? Sollen die international gewonnenen Erkennt- nisse und in Zukunft möglichen Therapieformen den deutschen Patienten vorenthalten werden – oder nur per Gesundheits-Tourismus zur Verfügung stehen? Wir haben hier in der Bundesrepublik eine weltweit einmalige, sichere und öffentlich ethisch kontrollierte Forschung. Ich traue unseren Forschern und den sie be- gleitenden Ethikkommisionen zu, verantwortlich mit den Ressourcen umzugehen. Ich bin nicht sicher, ob in- ternational diese Standards überall gewahrt sind. Eines ist sicher: Es wird weltweit an embryonalen Stammzellen geforscht – egal was wir hier beschließen, welche Hürden wir errichten. Die Forschung an diesen Zellen ist erforderlich, um auch die Mechanismen der adulten Stammzellen zu verstehen. Die Frage nach der schon vorhandenen Therapierele- vanz ist nicht fair. Wir befinden uns im Stadium der Grundlagenforschung, erste Erkenntnisse sind sehr viel- versprechend – aber es ist nun mal das Wesen von For- schung, speziell von Grundlagenforschung, dass fest de- finierte Ergebnisse nicht vorformulierbar sind. Wir brauchen diese für unsere Menschen, zur Erklärung un- serer Genese und nicht zuletzt auch zur Weiterentwick- lung unserer Medizin. Vertrauen wir auf unsere Forscher, lassen wir Sie arbeiten, sie haben unser Vertrauen verdient. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Bevölkerungsschutz- system reformieren – Zuständigkeiten klar re- geln (Tagesordnungspunkt 26) Beatrix Philipp (CDU/CSU): Der uns vorliegende Antrag der FDP-Fraktion zur Reformierung des Bevöl- kerungsschutzsystems – eindeutig getragen von dem Wunsch nach klaren Zuständigkeiten – zeigt deutlich, dass der Informationsfluss innerhalb der FDP-Fraktion ausgesprochen gut ist. Aber das trifft natürlich auch auf meine Fraktion zu: Auch wir wissen, was im Haushalts- ausschuss des Deutschen Bundestages am 7. November des vergangenen Jahres beschlossen wurde. Ich will es für uns alle noch einmal ins Gedächtnis rufen: Der Haushaltsausschuss forderte das BMI auf, bis zum 1. Juli 2008 – also bis in circa einem halben Jahr ab heute gerechnet – ein Konzept zum gesamten Bereich des Bevölkerungsschutzes vorzulegen. Dieses Konzept soll die rechtlichen Grundlagen und vor allem die Zu- sammenarbeit bzw. die Kompetenzregelungen zwischen Bund und Ländern ausweisen. Nun kommt der gravierende Unterschied zwischen Ihnen von der FDP und uns: Wir wissen und können uns darauf verlassen, dass das Innenministerium unter Herrn Innenminister Dr. Schäuble einen solchen Auftrag nicht nur zur Kenntnis und ernst nimmt, sondern den Auftrag auch zügig umsetzt. Ich will Ihnen nicht unbedingt un- terstellen, dass Sie mit diesem Antrag den Eindruck erwecken möchten, ohne Sie täte sich nichts, oder es be- dürfe Ihres Antrages, um die Regierung auf Trab zu brin- gen. Aber etwas merkwürdig ist Ihre Einlassung schon: Nach einer „Schamfrist“ von etwa vier Wochen setzen Sie sich hin und schreiben das auf, was bereits beschlos- sen und auf den Weg gebracht worden ist. Aber weil wir nett sind, debattieren wir Ihren Antrag heute und nutzen die Gelegenheit, den Menschen in un- serem Land zu sagen, auf welchem Stand der Verhand- lungen wir derzeit sind. Dabei ist besonders bemerkens- wert, dass hier fast ein Kunststück gelungen ist, zu dem man uns eigentlich beglückwünschen müsste: Dank des Verhandlungsgeschicks unseres Innenministers und sei- ner Beamten ist es tatsächlich gelungen, was kaum noch jemand glauben wollte und der vorigen Regierung aus unterschiedlichen Gründen eben nicht gelungen ist, einen Konsens mit den Ländern zu finden! Dabei geht es um die Ausstattung im Katastrophenschutz und die besondere Berücksichtigung des in diesem Bereich anzutreffenden besonders großen ehrenamtlichen En- gagements. Ich freue mich deshalb ganz besonders darüber, weil gerade dieses Engagement der Ehrenamtli- chen in den vergangenen Jahren erheblich in den Hinter- grund getreten war. Zeitweise gab es sogar erhebliche Befürchtungen in Bezug auf die Zukunftsaussichten der Hilfsorganisatio- nen; ich will das hier nicht weiter ausführen. Wie gesagt, Sie wissen genau, dass das Bundesministerium des In- nern längst an einer Reform des Bevölkerungsschutzes arbeitet. Wer den Mitgliedern des Haushaltsausschusses nicht glauben wollte, konnte dies sogar im Behörden Spiegel im vergangenen November nachlesen. Auch die in ihrem Antrag unter II. formulierten Forderungen sind wenig kreativ: Sie wiederholen – fast gleichlautend – die Anre- gungen, die bereits in den Beschlüssen der Innenminis- terkonferenz vom Frühjahr 2007 zu finden sind. Um es zusammenzufassen: Das Bundesinnenministerium arbei- tet aktuell an Eckwerten für einen Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Zivilschutzgesetzes. Bisher regelt Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 15153 (A) (C) (B) (D) das Zivilschutzgesetz nur den Schutz der Bevölkerung in militärischen Krisen und Lagen. Die bestehende Aufga- benteilung zwischen Bund und Ländern – und zwar auf- seiten des Bundes für den Verteidigungsfall und aufseiten der Länder für den Katastrophenschutz – ist heute über- holt. Das liegt darin begründet, dass einerseits der klassi- sche Verteidigungsfall glücklicherweise eher unwahr- scheinlich geworden ist und andererseits die heutigen Herausforderungen und Bedrohungen eher im Bereich der großen Naturkatastrophen bzw. des internationalen Terro- rismus liegen. Diesen aktuellen Herausforderungen wird das geltende Zivilschutzgesetz aber nicht mehr gerecht. So besteht der Bedarf für eine Anpassung des Gesetzes an die eben genannten neuen Bedrohungslagen, wie zum Beispiel ABC-Lagen oder etwa einem Massenanfall von Verletzten bei Katastrophen jeder Art. Die Leistungen des Bundes haben in den vergangenen Jahren bereits den neuen Bedrohungslagen Rechnung getragen. Dieser Anpassungs- und Umstellungsprozess wurde 2002 durch die Innenministerkonferenz in die Wege geleitet, als diese die sogenannte „Neue Strategie“ beschloss. Auf ihrer Frühjahrssitzung 2007 hat die In- nenministerkonferenz die Neuausrichtung des Bundes im Bevölkerungsschutz ausdrücklich begrüßt. Weiterhin forderte sie, dass der Bund zusätzlich zu seiner Zustän- digkeit für den Schutz der Bevölkerung im Verteidi- gungsfall auch die gesetzliche Befugnis erhalten solle, die Länder beim Schutz der Bevölkerung in Fällen terro- ristischer Anschläge sowie bei Naturkatastrophen und Unglücksfällen, die das Gebiet mehr als eines Landes gefährden, zu unterstützen. Genau diesen Forderungen der Landesinnenminister bzw. den neuen Herausforde- rungen wird das neue Gesetz gerecht werden. Fragen hinsichtlich einer Stärkung der Koordinierungskompe- tenz des Bundes bei der Bewältigung von Großkatastro- phen und länderübergreifenden schweren Unglücksfäl- len befinden sich noch in der Abstimmung mit den Ländern. In diesem Zusammenhang gilt es zu berück- sichtigen, dass eine solche länderübergreifende Gefah- renlage ein einziges Bundesland bei der Gesamtkoordi- nation leicht überfordern kann. Daher könnte eine Koordinierungskompetenz des Bundes durchaus eine sinnvolle Ergänzung sein. Mit dem neuen Ausstattungskonzept ist Folgendes vorgesehen: Der Bund zieht sich aus der bisherigen flä- chendeckenden Grundversorgung, wie sie mit Blick auf den traditionellen Verteidigungsfall geboten war, zurück. Dafür konzentriert er sich angesichts aktuell in den Vor- dergrund gerückter neuer Bedrohungslagen auf Spezial- fähigkeiten mit den Schwerpunkten ABC-Schutz und Bewältigung eines Massenanfalls von Verletzten: weg vom Gießkannenprinzip und hin zu einer gefährdungs- orientierten und damit schwerpunktmäßigen Vorsorge für Sonderlagen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich immer dafür stark gemacht, dass der Bund für den Katastrophenschutz eigene Mittel bereithält, um die Länder in ihren Aufgaben zu unterstützen. Grundsätzlich ist Katastrophenschutz zwar Ländersache und damit auch deren Finanzierung, aber es ist eine jahrelang ge- übte Praxis, dass der Bund sich am Katastrophenschutz beteiligt. Wie gesagt, nach anfänglichen Widerständen sind die Länder nun mit diesem neuen Konzept einver- standen. Ihnen werden selbstverständlich Übergangszei- ten eingeräumt, um sich auf die veränderten Unterstüt- zungsleistungen des Bundes einzustellen und für die Bereiche, die der Bund nicht mehr prioritär ansieht, selbst Vorsorge zu treffen. Ich habe es bereits eingangs erwähnt: Ohne die vielen Menschen, die sich tagtäglich in den verschiedenen Hilfsorganisationen freiwillig engagieren und ihre Frei- zeit in Einsätzen und für Übungen opfern, wären alle Ausstattungskonzepte dieser Welt ohne Wert und unsere Gesellschaft ein deutliches Stück ärmer. Dieses ehren- amtliche Engagement gilt es zu erhalten und zu fördern. Gerade dieser Aufgabe fühlt sich die CDU/CSU-Bun- destagsfraktion in besonderem Maße verbunden und auch verpflichtet. Deshalb möchte ich es an dieser Stelle nicht versäumen, meinen ausdrücklichen Dank und vor allem meine Anerkennung allen Ehrenamtlichen für die geleistete, sehr wertvolle Arbeit auszusprechen. Auch unter diesem Aspekt ist mit dem neuen Ausstattungskon- zept eine gute Lösung gefunden worden. Natürlich ist es jeder Fraktion dieses Hauses unbenommen – und erst recht der Opposition –, mit Anträgen die Regierung zum Handeln aufzufordern. Und natürlich nehmen wir Anre- gungen auf und ernst! Dieser Antrag fällt leider nicht in diese Kategorie, weil er das umständlich fordert, was schon längst in der Mache ist. Aber einem guten parla- mentarischen Brauch folgend überweisen wir auch – ei- gentlich unnötige, weil überflüssige – Anträge in den Ausschuss; also auch diesen. Gerold Reichenbach (SPD): Für die Väter des Grundgesetzes war nur eine Situation vorstellbar, in der Infrastruktur und Aufrechterhaltung eines geregelten öf- fentlichen Lebens bundesweit bedroht sind – nämlich der Kriegs- beziehungsweise Verteidigungsfall. Darum ist im Grundgesetz unser Notfallsystem zwei- geteilt: In Friedenszeiten sind die Länder für den Kata- strophenschutz zuständig. Im Verteidigungsfall ist der Bund für den Schutz der Bevölkerung zuständig. Nach dem Ende der Blockkonfrontation hat sich die Bedrohung der Bundesrepublik durch einen umfassen- den militärischen Angriff drastisch reduziert – und damit die Anforderung an den Zivilschutz des Bundes. Spätestens die Elbeflut 2002 aber machte deutlich: Naturkatastrophen können Dimensionen erreichen, die weit über die Grenzen eines Bundeslandes hinausgreifen und deren Bewältigung die gesamte Republik fordert. Dies sind nicht mehr nur seltene Jahrhundertereignisse. Die Auswirkungen des Klimawandels werden zu einer Häufung und Verschärfung von Naturkatastrophen auch bei uns führen. Der Terroranschlag in den USA 2001 zeigt, auch Ge- walt unterhalb der Kriegsschwelle kann verheerende Schäden verursachen. Neue Bedrohungsszenarien und wachsende Verwund- barkeiten in Friedenszeiten treten ins Bewusstsein: Infra- strukturausfälle etwa in der Stromversorgung oder der IT-Kommunikation, Zusammenbruch der Lieferketten – 15154 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 (A) (C) (B) (D) Katastrophen mit bundesweit oder gar europaweit ver- heerenden Auswirkungen. Dabei sind die Ursachen nicht erheblich. Technisches Versagen, Naturkatastrophen, Terroran- schläge oder eine Pandemie können solche Katastrophen auslösen. Ob bei einer Pandemie nun 10 Prozent der Be- völkerung erkranken oder 30 Prozent oder gar 50 Pro- zent und mehr – das Leben der Menschen, das von Just- in-time-Lieferketten, Stromversorgung und Kommuni- kation abhängig geworden ist, wäre zusätzlich zu der Vielzahl von Erkrankten bedroht. Die Bedrohung ist real. Unter Fachleuten ist es keine Frage mehr, ob eine Pandemie kommt, sondern nur wann. Die bestehende Aufgabenteilung zwischen Zivil- schutz als Bundesaufgabe und Katastrophenschutz als reine Länderaufgabe ist historisch überholt. Sie ist zur Bewältigung dieser neuen Bedrohungen ungeeignet. Wir haben ein bewährtes und gutes System zur Be- wältigung der alltäglichen Gefahrenabwehr und zur Be- wältigung von Großschadensereignissen, die ein oder zwei Bundesländer betreffen. Aber auf die Bewältigung solcher Szenarien, die bundesweite Auswirkungen ha- ben, sind wir völlig unzureichend vorbereitet. Es gibt er- hebliche Defizite, etwa bei der Sanitätsversorgung oder den Management- und Führungsfähigkeiten für solche zivilen Großkatastrophen. Diese Defizite werden wir auf der Länderebene alleine nicht beheben können. Es ist kein Zufall, dass nach der Erfahrung des Elbe- hochwassers im Jahre 2002 von der Innenministerkon- ferenz die „Neuen Strategien zum Schutz der Bevölke- rung“ verabschiedet wurden, um länderübergreifende Katastrophenlagen wie die erlebten Überschwemmun- gen besser bewältigen zu können. Die Koordinierung und Kooperation zwischen Bund und Ländern sollte ver- bessert werden. Die jeweilige Verantwortung sollte sich künftig nicht mehr am Anlass – ob Krieg oder Frieden –, sondern an der Schwere des Ereignisses orientieren. Seitdem wartet diese neue Strategie auf ihre Umsetzung – und zwar sowohl was ihre gesetzliche Basis als auch eine gemeinsam abgestimmte Gefährdungsanalyse be- trifft. Wir Sozialdemokraten haben vielfach auf diese Schutzlücken hingewiesen. Die Bemühungen des Bun- des – insbesondere unter der rot-grünen Regierung –, Verantwortung für zivile Katastrophenlagen zu überneh- men, sind bisher am Beharrungsvermögen der Mehrzahl der Länder gescheitert. Unsere Vorschläge dazu in der Föderalismuskommis- sion hat der Verhandlungsführer der Länder, Edmund Stoiber, brüsk zurückgewiesen. Der niedersächsische In- nenministers Schünemann fordert sogar immer wieder, hier jegliche Verantwortung des Bundes zu streichen und alles auf die Länder zu übertragen. Dennoch ist der Bund unter Rot-Grün mit dem BBK, mit DeNiS, mit ABC- Task-Forces usw. immer wieder in Vorleistung getreten. In den Koalitionsvertrag wurde auf Drängen der SPD aufgenommen, dass wir „die Steuerungs- und Koordinie- rungskompetenz des Bundes für die Bewältigung von Großkatastrophen und länderübergreifenden Katastro- phenlagen“ stärken wollen. Wir wollen auf die neuen zi- vilen Bedrohungen vorbereitet sein. Sie stehen zwar nicht so im Fokus der Öffentlichkeit wie der Terroris- mus, aber sie können in ihren Auswirkungen gleichwohl sehr viel schwerwiegender sein. Leider hat Bundes- innenminister Schäuble bislang dieses gemeinsam ver- abredete Ziel gegenüber den Ländern politisch nicht vo- ranbringen können. Gleichwohl bietet der Bund weiter in freiwilliger Vor- leistung Instrumente zur Koordinierung der Länder an. Mit dem BBK treiben wir die Ausrichtung und Vorberei- tung auf länderübergreifende Katastrophen voran. Ich nenne nur die Pandemieübung im Herbst vergangenen Jahres. In sie waren sowohl Bund und Länder als auch die Privatwirtschaft einbezogen. Wir Sozialdemokraten halten es für erforderlich und richtig, dass der Bund auch im zivilen Katastrophen- schutz Verantwortung für die Bewältigung dieser länder- übergreifenden Gefahren übernimmt. Dazu gehört auch die Bereitstellung zusätzlicher Ausstattung und ein Bei- trag zum Erhalt der ehrenamtlichen Strukturen, so wie dies mit den Innenministern der Länder vereinbart wurde. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass der Bundesrechnungshof deutlich moniert hat, dass dafür die gegenwärtige Rechtsgrundlage nicht ausreicht. Das Grundgesetz beschränkt die Verantwortung des Bundes auf den Schutz der Zivilbevölkerung im Verteidigungs- fall. Damit diese fehlende gesetzliche Kompetenzklärung zwischen Bund und Ländern nicht zulasten der notwen- digen Anstrengung und der betroffenen ehrenamtlichen Helfer geht, hat der Haushaltsausschuss die entsprechen- den Mittel für 2008 in den Haushalt eingestellt; dies aber unter dem Vorbehalt eines Begleitbeschlusses, der die Bundesregierung auffordert, die notwendige gesetzliche Grundlage zu schaffen. Ansonsten ist die Weiterfinan- zierung gefährdet. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat ebenfalls deutlich gemacht: Dazu brauchen wir eine entsprechende Anpassung der Aufgabenzuweisung im Grundgesetz. Wir haben bereits den Auftrag. Das sollten wir ernst nehmen, und dazu bedarf es des Antrages der FDP, dem ich in seiner inhaltlichen Beschreibung ja nur zustimmen kann, nicht! Herr Kollege Wolff, überzeugen Sie Ihren Parteikolle- gen und nordrhein-westfälischen Innenminister von der Notwendigkeit dessen, was sie in Ihrem Antrag be- schreiben! Der Landesinnenminister des bevölkerungs- reichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Dr. Ingo Wolf, partei- und namensgleich mit Ihnen, lehnt dies bis- lang strikt ab. Auf dem Katastrophenschutzkongress des Jahres 2006 verstieg er sich sogar zu der Ansicht, dass der Bund für den Schutz der Bevölkerung überflüssig wäre. Die Bundesregierung dazu aufzufordern und in eige- ner Regierungsverantwortung dagegenzuarbeiten, die- ser Spagat der FDP hilft den Menschen und der Sicher- heit in unserem Land nicht weiter. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 15155 (A) (C) (B) (D) Es geht nicht darum, den Ländern Kompetenzen zu entziehen. Sie sollen weiterhin die volle Verantwortung für den Katastrophenschutz tragen, und zwar nicht nur rechtlich, sondern auch materiell. Der Bund soll nicht in die Länder hineinregieren. Er soll vielmehr in die be- währte subsidiäre Systematik des zivilen Katastrophen- schutzes eingebunden werden – mit eigenen Anstren- gungen und klarer Verantwortung. Es ist auch und gerade im Interesse der vielen ehren- und hauptamtlichen Helferinnen und Helfer und der Hilfsorganisationen, dass die Verantwortung des Bundes für zivile länderübergreifende Katastrophenlagen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird, die auch für sie verlässlich ist. Sie leisten eine hervorragende Arbeit, allein ausge- richtet an dem Ziel eines bestmöglichen Schutzes der Bevölkerung. Die Helferinnen und Helfer sowie unsere Bevölkerung haben wenig Verständnis dafür, dass dieses Ziel unter der Verteidigung von Kompetenzerbhöfen lei- det. Wir haben die Pflicht, den Bevölkerungs- und Kata- strophenschutz auf die neuen Bedrohungslagen auszu- richten und dies entsprechend im Grundgesetz abzusi- chern. Die volle Unterstützung der SPD haben Sie dazu. Lassen Sie uns das gemeinsam angehen! Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Der Schutz der Bevölkerung vor Katastrophen und Unglücksfällen ist eine der grundlegenden Aufgaben des Staates. Dies darf in der aktuellen Debatte um immer neue Sicherheitsge- setze nicht vergessen werden. Im Gegenteil: Wir brau- chen im Bevölkerungsschutz dringend eine Modernisie- rung, um den Herausforderungen besser Herr werden zu können. Sicherheit entsteht nicht durch Gesetze, sondern durch gut ausgebildete und ausgerüstete Kräfte. Nach dem Sommerhochwasser 2002 sowie aufgrund der Risiken bei kritischen Infrastrukturen ist es offen- sichtlich: Bei bestimmten überregionalen Naturereignis- sen oder von Menschen verursachten Unglücksfällen können Gefahren für die Bevölkerung auftreten, denen mit gesamtstaatlichen Maßnahmen begegnet werden muss. Die bestehende Zweiteilung in den Zivilschutz im Verteidigungsfall und Katastrophenschutz im Frieden bedarf einer Neuordnung. Der bisherige Dualismus von Zivil- und Katastrophenschutz muss überwunden und die Zuständigkeit klar geregelt werden. Hierfür am bes- ten geeignet ist ein von Bund und Ländern gemeinsam getragenes, einheitliches Bevölkerungsschutzsystem mit allein am Schadensausmaß und an den schnellsten und besten Reaktionsmöglichkeiten ausgerichteten Zustän- digkeiten und Verantwortlichkeiten. Die bislang praktizierte Zuweisung von Zuständigkei- ten nach der Schadensursache wird der Lage nicht länger gerecht. Zum Zeitpunkt einer notwendigen Gefahren- abwehr kann nicht die Ursachenforschung höchste Prio- rität haben, um Zuständigkeitsfragen zu klären. Hier muss einfach und schnell geholfen werden. Daher ist eine Aufgabenverteilung anzustreben, bei der die Zuständigkeit für lokale Schadensereignisse im Rahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr bei den Kom- munen bzw. beim Land, die Zuständigkeit für Großscha- densereignisse innerhalb eines Bundeslandes ohne wei- tere Auswirkungen auf das Bundesgebiet bei den Ländern und die Zuständigkeit für außerordentliche bun- desweite Schadenslagen sowie für länderübergreifende Großschadenslagen beim Bund liegt. Innerhalb dieses Rahmens ist die Ressourcenverantwortung zu regeln, um effektiv und schnellstmöglich helfen zu können. Ein neues, zeitgemäßes Ausstattungskonzept ist dabei ohne einen schlagkräftigen und wirkungsvollen Beitrag des Bundes nicht denkbar. Die Konzentration des Bun- des auf die Bereitstellung von Spezialressourcen für „Sonderlagen“ darf nicht zu einem schleichenden Rück- zug des Bundes aus der Fläche führen. Die Verteilung der Ressourcen hat vielmehr dergestalt zu erfolgen, dass eine zeitnahe Reaktion auf Ereignisse an jedem Ort in Deutschland sichergestellt ist. Dabei ist die Frage nach der Rechtsgrundlage auch für die Bundesleistungen im Bereich Ausstattung, wie sie vom Deutschen Bundestag und dem Bundesrechnungshof aufgeworfen worden ist, abschließend und eindeutig zu klären. Darüber hinaus sind die ehrenamtlichen Strukturen im Katastrophenschutz mindestens im bisherigen Umfange unbedingt aufrecht zu erhalten. Das ehrenamtliche En- gagement ist die bürgerschaftliche Grundlage für die Si- cherheit aller Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und die tragende personelle Infrastrukturkomponente des Bevölkerungsschutzes. Zur langfristigen Sicherung und Stärkung des ehrenamtlichen Engagements bedarf es eines zukunftsorientierten, tragfähigen Konzepts. Hier müssen alle Träger, Bund, Land und Kommunen, zu- sammenarbeiten. Hierzu zählen insbesondere eine Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit für die Förderung des Ehrenamtes, die Harmonisierung und Verbesserung helferrechtlicher, auch steuerrechtlicher Regelungen in Bund und Ländern sowie die verstärkte Zusammenarbeit mit den Arbeitge- bern ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer. Ein weiteres Ziel ist es, mehr Frauen und auch mehr Migrantinnen und Migranten für das Ehrenamt im Zivil- und Katastrophenschutz zu gewinnen. Ich begrüße nach- drücklich, dass der Präsident des Deutschen Feuerwehr- verbandes, Kröger, nach der tragischen Brandkatastro- phe in Ludwigshafen sich zu diesem Ziel bekannt hat. Zur weiteren Qualitätssteigerung muss die Ausbil- dung im Bevölkerungsschutz verbessert werden. Auch die Forschung zum Bevölkerungsschutz kann zur Ver- besserung der Vorsorge im Katastrophenfall beitragen. Hier wäre etwa neuen Risikomanagementmethoden be- sondere Aufmerksamkeit zu schenken. Dabei können auch betriebswirtschaftliche Methoden zur Vermeidung von Geschäftsrisiken geeignet sein, das Katastrophen- verwaltungsrecht zu optimieren. Die FDP ist überzeugt: Die ehrenamtlichen und die professionellen Helferinnen von THW und Feuerweh- 15156 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 (A) (C) (B) (D) ren, von Rettungsdiensten und anderen Hilfsorganisatio- nen leisten ausgezeichnete Arbeit. Wir als Parlamentarier sind aufgefordert, die rechtli- chen Rahmenbedingungen für ein zukunftsorientiertes Bevölkerungsschutzsystem zu setzen. Jan Korte (DIE LINKE): Ich begrüße es ausdrück- lich, dass wir durch den Antrag der FDP-Fraktion einmal die Möglichkeit haben, über den Bevölkerungs- und Ka- tastrophenschutz zu debattieren, ohne gleich über den Einsatz der Bundeswehr im Innern streiten zu müssen. Zum Antrag: Aus Sicht der Linken ist der vorliegende Antrag sinnvoll und in seiner Zielstellung zu unterstüt- zen. Es ist richtig, ein einheitliches Bevölkerungsschutz- system einzurichten und Zuständigkeiten endlich ein- deutig zu regeln. Dies ist bisher nicht der Fall. Die Kolleginnen und Kollegen stellen vollkommen richtig dar, dass es notwendig ist, zukünftig ein einheitliches Bevölkerungsschutzsystem mit allein am Schadensmaß ausgerichteten Zuständigkeiten und Verantwortlichkei- ten aufzubauen. Die bislang vorgenommene Zuweisung von Verantwortlichkeiten nach der Schadensursache muss der Vergangenheit angehören. Es ist deshalb wichtig, diese Fragen breit zu diskutie- ren, mit den Kommunen, den Ländern und dem Bund so- wie den Verbänden und Vereinen. Ergebnis dieser Neu- justierung des Bevölkerungsschutzes darf jedoch nicht sein, dass sich der Bund aus der Verantwortung stiehlt, vielmehr muss es darum gehen, die Mitfinanzierung des Bevölkerungsschutzes durch den Bund klar zu regeln und die Basisausstattungen der Bevölkerungsschutzein- richtungen zu verbessern. Im Vordergrund müssen dabei folgende Parameter stehen: Erstens muss die Einsatzbereitschaft vor Ort er- halten und ausgebaut werden. Zum Zweiten müssen wir uns darum bemühen, wieder mehr junge Menschen an den ehrenamtlichen Bevölkerungsschutz heranzuführen. In den vielen Gesprächen, die ich vor Ort in meinem Wahlkreis und in Sachsen-Anhalt mit freiwilligen Feuer- wehren, dem THW und weiteren Einrichtungen geführt habe, wurde mir immer wieder bedeutet, dass die derzei- tigen Kernprobleme neben den Regelungen der Zustän- digkeiten vor allem in der materiellen und finanziellen Ausstattung und dem nachlassenden ehrenamtlichen Engagement der Menschen vor Ort liegen. Und die Probleme sind uns doch seit langem bekannt. Vor wenigen Wochen haben wir hier im Bundestag über die Neuordnung der Wahlkreise debattiert. Darin wurde unter anderem entschieden, dass das Bundesland Sach- sen-Anhalt aufgrund der sinkenden Bevölkerungsent- wicklung einen Wahlkreis verliert. Die Abwanderung vor allem junger Menschen aus dem Osten der Republik hält an. Es mag ja sein, dass mit der Beschlussfassung über die neue Wahlkreisstruktur eine Übergangslösung für die Abwanderung aus dem Osten gefunden wurde. Für den Bevölkerungsschutz und die Strukturen vor Ort freilich ist dies natürlich keine Lösung. Hier müssen an- dere, langfristige Lösungen gefunden und neue Anreize für ehrenamtliches Engagement gegeben werden. Die Linke hat dieses Thema mehrfach auch in diesem Hause wie auch in allen ostdeutschen Landtagen angesprochen und mit Anfragen und Anträgen inhaltlich untersetzt. Es ist also an der Zeit, partei- und fraktionsübergreifend endlich praktikable Lösungen hierfür zu finden. Aber auch das spricht der vorliegende Antrag an. Deshalb sollte aus unserer Sicht diesem auch entsprochen wer- den. Die Stärkung des Bevölkerungsschutzes und des eh- renamtlichen Engagements in diesem wird aber immer dann ad absurdum geführt, wenn unser Sicherheitsminis- ter ohne Uniform den Einsatz selbiger zu Hunderten im Innern fordert. Es ist eben nicht nachvollziehbar, die Bundeswehr im Innern einsetzen zu wollen. Weder aus Sicht des Bevölkerungsschutzes noch aus Sicht der Stär- kung und der Finanzierung des ehrenamtlichen Engage- ments oder im Hinblick auf das deutsche Grundgesetz. Zum Schluss noch eine Bemerkung, die leider in dem Antrag der FDP keinen Eingang gefunden hat, aber viel- leicht hätte dies auch zu weit geführt. Gerade an dem Beispiel des Bevölkerungsschutzes und des ehrenamtli- chen Engagements in diesem wird deutlich, wie sehr doch die Verteidigung sozialer und politischer Rechte zusammenhängen. Man kann meiner Meinung nach nicht über die Stärkung des Ehrenamts debattieren und gleichzeitig über Hartz IV das persönliche und indivi- duelle Engagement ver- oder zumindest behindern. Ein Diskurs über das Ehrenamt und über die Sicherheit in Deutschland muss deshalb auch vor dem Hintergrund der deutschen Sozialpolitik geführt werden. Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Thema Bevölkerungsschutz braucht ei- nen gesamtgesellschaftlichen Ansatz, und wir sind uns alle einig: Angesichts der zunehmenden Risiken braucht der Bevölkerungsschutz in Deutschland aber auch in Eu- ropa neue Strategien. Die Zunahme extremer Wetterla- gen, bedingt durch den Klimawandel, die Gefahren von Pandemien durch aggressive Viren, die Gefahren durch Risikotechnologien wie die Atomkraft oder die Bedro- hung durch den internationalen Terrorismus fordern von einer verantwortlichen Politik nicht nur neue Konzepte im Bereich der inneren Sicherheit, sondern auch im Be- reich der öffentlichen Sicherheit. Ein moderner Bevölkerungsschutz muss auf drei Säu- len gestellt werden: Erstens. Die Selbsthilfekräfte der Bevölkerung müssen gestärkt werden, und angesichts des demografischen Wandels brauchen wir Konzepte, die das ehrenamtliche Engagement fördern und stärken. Zweitens. Die staatlichen Ressourcen müssen gebündelt werden; wir brauchen ein modernes Bevölkerungs- schutzgesetz und den Abbau der föderalen Hemmnisse. Drittens. Kritische Infrastrukturen wie Mobilität, Ener- gieversorgung und Kommunikation sind weitgehend pri- vatisiert. Der Sicherstellungsauftrag der Wirtschaft muss neu definiert werden. Wir haben im Bundestag ein fraktionsübergreifendes Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit eingerichtet. Hier arbeiten Politiker, Experten und Verbände aus dem Be- völkerungsschutz und die Wirtschaft in Arbeitsgruppen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 15157 (A) (C) (B) (D) und Foren zusammen, um in einem Konsensverfahren neue Strategien im Bereich der öffentlichen Sicherheit zu entwickeln. Noch vor der Sommerpause soll ein „Grünbuch öffentliche Sicherheit“ mit Analysen, Leit- fragen und Lösungsansätzen der Öffentlichkeit vorge- stellt werden. Lassen Sie mich sagen: Ich bedaure, dass die Bundes- tagsfraktion der FDP zu diesem Zeitpunkt mit einem An- trag zum Bevölkerungsschutz kommt. Lassen Sie uns doch fair miteinander umgehen und die Vorstellung des Grünbuches abwarten! Danach ist der richtige Zeitpunkt, aus den Bundestagsfraktionen zu erklären, welche Ant- worten wir aus der Politik geben. In der FDP heulen ja bekanntlich mehrere Wölfe: Hartfrid Wolff, der MdB, der hier heute den Antrag der Bundestagsfraktion der FDP mit der Forderung nach ei- nem einheitlichen Bevölkerungsschutzgesetz vorstellt, und Ingo Wolf, der Innenminister der FDP aus NRW, der genau dies vehement behindert. Genau hier liegt das Hauptproblem. Der Föderalismus in Deutschland ist ein Hemmnis für den Aufbau eines modernen Bevölke- rungsschutzes in Deutschland. Ohne Grundgesetzände- rung werden wir nicht zu einer vernünftigen Lösung kommen. Wir sind seit Jahren nicht in der Lage, die völlig ver- alteten Katastrophenschutz- und Zivilschutzgesetze in ein einheitliches Bevölkerungsschutzgesetz umzuwan- deln, weil die Länder hier aus machtpolitischen Gründen in unverantwortlicher Weise mauern. Dies hat zur Folge, dass es keinen Überblick über die vorhandenen Kapazi- täten gibt. Dies hat auch zur Folge, dass die Anschaffung von Feuerwehrfahrzeugen zu einem permanenten Fi- nanzstreit zwischen Kommunen, Ländern und Bund führt. Eine gemeinsame Kommunikation bei länderüber- greifenden Großlagen existiert nach wie vor nur auf dem Papier. Am Beispiel BOS-Digitalfunk wird deutlich, wie teuer und unsinnig der Föderalismus im Bereich der öf- fentlichen Sicherheit ist. In keinem europäischen Land hat die Einführung des BOS-Digitalfunks so lange ge- dauert wie in Deutschland, und in keinem anderen euro- päischen Land ist die Umsetzung so teuer wie in Deutschland. Die Länder zwingen den Bund zu völlig unsinnigen Organisationsstrukturen, wie die Einrichtung einer Bund-Länder-Anstalt. Jedes Bundesland entwickelt ein eigenes Leitstellen- konzept. Aber damit nicht genug: Es gibt auch Bundes- länder, die mehrere Leitstellenkonzepte haben. Die tech- nischen Systeme sind nicht miteinander kompatibel. Diese Kleinstaaterei führt nicht nur zu erheblichen Schutzlücken, sie ist auch ein gravierender Nachteil für die deutsche Wirtschaft. Auf dem Sicherheitsmarkt, der einer der am stärksten wachsenden Märkte weltweit ist, spielen deutsche Unternehmen keine Rolle, weil es keine vernünftigen Referenzanwendungen im eigenen Land gibt. Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Der FDP-Antrag trifft nur einen kleinen, allen bekannten Teilbereich des umfassenden Problems. Die FDP in den Landesregierun- gen ist Teil des Problems. Einen Lösungsansatz hat die FDP nicht zu bieten. Die Debatte um den Antrag ist so überflüssig wie der Antrag selbst. Wir werden uns weiter konstruktiv an dem Prozess im Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit beteiligen und das Grünbuch abwarten, um dann auf einer fundierten Grundlage Konzepte für die Modernisierung des Bevöl- kerungsschutzes in Deutschland vorzulegen. Wir werden auch die Analysen und Strategien aufgreifen, die im April auf der RisiKA, der Messe für Krisenmanagement von Naturereignissen, vorgestellt werden. Zu vernünfti- gen Lösungen werden wir nur mit einem gesamtgesell- schaftlichen Ansatz kommen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Rechtsanspruch auf Mieterberatung für Menschen mit geringem Einkommen (Ta- gesordnungspunkt 27) Heinz-Peter Haustein (FDP): In dem Antrag der Linken, der hier zur Debatte steht, wird ein Rechtsan- spruch auf Mieterberatung für Menschen mit geringem Einkommen verlangt. Die Linken begründen die Not- wendigkeit zur Einführung dieser Regelung damit, dass die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Nebenkosten- abrechnungen oder Mieterhöhungen häufig bei den Kos- tenträgern nicht vorgenommen wird, sondern dass die Mieterhöhungen oder Nebenkostenabrechnungen ein- fach so übernommen werden. Insofern, so die Logik der Linken, würde der gesetzlich verankerte Anspruch auf eine Mieterberatung zu einem effizienten Einsatz staatli- cher Mittel beitragen. Man mag ja geneigt sein, dem zuzustimmen; denn „effizient“ klingt ja gut. Und einen wirtschaftlichen Staat, der effizient arbeitet, findet jeder gut. Nur ist es so, dass uns die Erfahrung gelehrt hat, dass wir immer auf der Hut sein müssen, wenn uns die Linken etwas von effizientem Wirtschaften vorträgt. So auch hier: Was uns nämlich als notwendige Maßnahme der Steigerung der Effizienz verkauft wird, ist ja tatsächlich doch wieder eine Ausweitung der Staatstätigkeit. So eine Regelung brauchen wir nicht. Der Staat und mit ihm die Träger der „Kosten der Un- terkunft“ sind ohnehin schon zur Effizienz verpflichtet. Wo nicht auf Minimierung der Ausgaben geachtet wird, ist dies höchstens ein Fall für die die Fachaufsicht aus- übende Stelle und letztlich für die Rechnungshöfe. Ferner führen die Linken in ihrem Antrag zur Begrün- dung an, der Anspruch auf eine Mietrechtsberatung sei „aus rechtsstaatlichen Gründen“ zu befürworten. Es wird suggeriert, es gäbe eine „Gerechtigkeitslücke“. Dem ist jedoch nicht so. Wie ausgeführt, sind die Kostenträger ohnehin zu wirtschaftlichem Handeln verpflichtet. Da- rüber hinaus schreiben die Linken in ihrem Antrag selbst, dass es längst Praxis der Sozialämter ist, für die Mieter den Mitgliedsbeitrag für den Mieterverein zu 15158 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 (A) (C) (B) (D) übernehmen. Wenn also der Mieter Interesse an der Überprüfung seiner Nebenkostenabrechnung oder seiner Mieterhöhung hat, so kann er sich auch heute schon Hilfe beim Mieterverein holen. Völlig kostenlos aber kann er auch beim Kostenträger auf eine Überprüfung drängen. Das müsste der erste Schritt sein. Der Mieter kann sich auch kostenlos in zahlreichen Internetforen informieren. Auch auf die Möglichkeit, Prozesskosten- hilfe zu erhalten, muss hier ausdrücklich hingewiesen werden. Von einem Mangel kann hier also nicht gespro- chen werden. Dem mündigen Bürger sind also längst ausreichend Möglichkeiten an die Hand gegeben. Und wo der Staat bei der Überprüfung von Mieterhöhungen und Sonsti- gem untätig bleibt, also unwirtschaftlich handelt, ist das der Beweis dafür, dass staatliches Handeln immer teurer ist als alles andere. Es ist nicht die Begründung für eine neue gesetzliche Regelung. Die Logik der Linken ist ja grotesk: Weil der Staat versagt, brauchen wir mehr Staat. So ja nicht, meine Damen und Herren. Wo es so ist, wie die Linken sagen, wo die Nebenkostenabrechnungen und Mieterhöhungen nicht ausreichend überprüft wer- den, muss den Verantwortlichen auf die Finger geklopft werden und auf die Einhaltung der Vorschriften gedrängt werden. Nichts anderes. Das Gegenteil ist der Fall: Nicht momentan besteht eine Gerechtigkeitslücke, sondern es würde eine ge- schaffen, wenn man jetzt diesen Anspruch auf Miet- rechtsberatung einführte, wie von den Linken beantragt. Wo will man die Grenze ziehen? Wer soll denn die Bera- tung erhalten und wer nicht, und warum? Es müsste doch der schwer arbeitende Geringverdiener fragen, wa- rum er nun wieder gerade nicht mehr in den Genuss des Anspruchs auf Beratung kommt? Selbst wenn ich einen Mangel anerkennen würde, könnte der Vorschlag der Linken nicht die Lösung sein. Die einzige Lösung ist und bleibt der mündige Bürger, der sich über die Korrektheit seiner Mieterhöhungen und Nebenkostenabrechnungen informiert. Und die Lösung ist nach wie vor der Staat, der wirtschaftlich arbeitet und seiner Pflicht nachkommt, seine Ausgaben niedrig zu halten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Insofern können wir den Antrag der Linken nur ablehnen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Für ein Gesamtkonzept zur Einrichtung von EU-Agenturen – Gerichtliche und parlamentarische Kon- trolle von EU-Agenturen (Tagesordnungspunkt 28 und Zusatztagesord- nungspunkt 7) Veronika Bellmann (CDU/CSU): Die in den letzten Jahren drastisch gestiegene Anzahl von europäischen Agenturen bereitet Anlass zu großer Besorgnis. Ich halte es für unbedingt erforderlich, dass wir diesbezüglich die Bundesregierung in die Pflicht nehmen und in unserer Rolle als nationales Parlament unmissverständlich Stel- lung beziehen. Daher begrüße ich die heutige Debatte zum Thema ausdrücklich. Es ist unbestritten, dass mit der Übertragung von na- tionalen Kompetenzen auf die europäische Ebene gleich- zeitig ein gesteigertes Maß an Koordination innerhalb der EU notwendig geworden ist. Daher mag auch die Auslagerung der Wahrnehmung europäischer Aufgaben auf dezentral errichtete Agenturen in einzelnen Teilbe- reichen sinnvoll und auch effizient sein. Der inflationären Art und Weise jedoch, wie in jüngs- ter Vergangenheit diverse Agenturen und Beobachtungs- stellen beschlossen und EU-weit aus dem Boden ge- stampft worden sind, müssen wir entschieden entgegentreten. Vielfach ist die Einrichtung von Agentu- ren eben nicht durch ein Aufgabenbedürfnis der EU zu begründen, sondern entspringt dem Wunsch nach geo- grafischer Streuung von EU-Einrichtungen in den Mit- gliedstaaten. Eine grundlegende Konzeption ist bei die- sem „Agenturunwesen“ nicht erkennbar. Ich nenne an dieser Stelle nur das Stichwort „Agentur für Grund- rechte“. Vielfach sind mit der Einrichtung derartiger Institu- tionen Doppelstrukturen entstanden, die unter finanziel- len und bürokratischen Gesichtspunkten nicht zu recht- fertigen sind. Komplizierte Organisationsformen tragen zur wachsenden Unübersichtlichkeit bei, und Kollisio- nen mit dem Subsidiaritätsprinzip bleiben völlig unge- ahndet. Wir geben uns zudem einem uferlosen Unterfangen hin, wenn wir die Schaffung von neuen Agenturen und Beobachtungsstellen, verstreut über das gesamte Gebiet der EU, mit einer größeren Bürgernähe begründen wol- len. Wie viele Agenturen soll dann jeder Mitgliedstaat erhalten? Die Resonanz bei der Bevölkerung sieht dage- gen völlig anders aus. Wenn solche Einrichtungen von den Bürgern überhaupt wahrgenommen werden, dann als bürokratischer „Monsterapparat“, der mit Geldern aus den einzelnen Mitgliedstaaten in beliebigem Aus- maß gefüttert wird. Der Appell geht in erster Linie auch an den Europäischen Rat, in welchem sich die Mitglied- staaten mit der Einrichtung solcher Institutionen so man- che Zustimmung zu bestimmten Paketlösungen versüßen lassen. Das kann nicht der Stil transparenter demokrati- scher Politik sein! Da die Gemeinschaftsagenturen lediglich zur Entlas- tung ihrer Verwaltungshaushalte rechenschaftspflichtig sind, entziehen sich die Sinnhaftigkeit ihrer Mandats- wahrnehmung sowie die Details ihrer Finanzierung allzu oft einer gründlichen Überprüfung. Ich stimme mit den Antragstellern in ihrem Anliegen insoweit überein, dass die Agenturen einer wesentlich effizienteren und restrik- tiveren Kontrolle unterliegen müssen. Die Forderung an die Bundesregierung, dem Deut- schen Bundestag ein Gesamtkonzept zu EU-Agenturen vorzulegen, löst jedoch nicht das eigentliche Problem. Für eine solche Vorlage fehlt der Regierung auch das Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 15159 (A) (C) (B) (D) Initiativrecht im Europäischen Rat. Vielmehr hat uns das Beispiel Grundrechteagentur eines deutlich vor Augen geführt: dass es nämlich an einem Konzept fehlt, wie Bundesregierung und Parlament bei solchen Fragenstel- lungen zusammenarbeiten sollten. Die Position des Deutschen Bundestages muss in den Verhandlungen auf europäischer Ebene eine deutlich größere Berücksichti- gung finden. Dazu müssen wir die Bundesregierung in die Pflicht nehmen. Sie muss ihrem eigenen, immer wie- der betonten Bedenken gegenüber den EU-Agenturen endlich auch Taten folgen lassen. Der Beschluss zur Er- richtung der Grundrechteagentur muss eine absolute Ausnahme bleiben. Als Grundlage für ein erfolgreiches Vorgehen bedarf es einer gründlichen und transparenten Kosten-Nutzen- Analyse für alle zur Gründung anstehenden EU-Agentu- ren. Bereits bestehende Verwaltungsstellen müssen re- gelmäßig hinsichtlich der effizienten Erfüllung ihrer Zielvorgaben überprüft werden und bei negativen Ergeb- nissen wieder abgebaut werden. Ein von der Bundesre- gierung einseitig entwickeltes Gesamtkonzept hingegen führt uns nicht ans Ziel. Aus diesem Grunde werden wir diese Forderung aus dem zur Debatte stehenden Antrag der Grünen nicht unterstützen. Zu vielen anderen Aspek- ten könnte ich mir vorstellen, zu einem Konsens mit an- deren Fraktionen zu kommen. Ein fraktionsübergreifen- der Antrag wäre eine sehr starke Antwort des Deutschen Bundestages auf die Frage nach den Agenturen. Eduard Lintner (CDU/CSU): Es ist schon bemer- kenswert, was sich in der EU über die Jahre hinweg alles an Agenturen angesammelt hat. Man kann schon, ohne polemisch zu sein, von einem „Wildwuchs“ sprechen, denn offenbar ist es schon nicht mehr möglich, sich auf die genaue Zahl der vorhandenen Agenturen zu einigen. In der Tageszeitung Die Welt war am 10. Januar zu lesen, es gebe 23 EU-Agenturen, häufig hört man die Zahl 31, und zählt man die im Internet unter dem Stichwort „Agenturen der EU“ aufgezählten Einrichtungen zusam- men, so kommt man auf sage und schreibe 36 Agentu- ren. Es ist also durchaus berechtigt, wie es der Kollege Silberhorn einmal formuliert hat, von einer „Agenturi- tis“ der EU zu sprechen. Und weil es sich dabei um Ein- richtungen handelt, die immerhin einen jährlichen Fi- nanzaufwand von etwa 1,3 Milliarden Euro erfordern und mittlerweile fast 4 000 Mitarbeiter zählen, ist es durchaus berechtigt, dass sich der Deutsche Bundestag heute des Themas annimmt. Natürlich ist nicht jede Agentur eine Fehlkonstruktion oder überflüssig, aber viele Agenturen befassen sich mit eng benachbarten oder sogar gleichgerichteten Tätig- keitsfeldern. Hier wäre Konzentration und Präzisierung wünschenswert. So gibt es eine europäische „Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz“ und zugleich eine „Europäische Stiftung zur Verbesse- rung der Lebens- und Arbeitsbedingungen“, oder neben- einander existieren zum Beispiel eine „Europäische Stif- tung für Berufsbildung“ und ein „Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung“. Darüber hinaus, und hier wird es kontraproduktiv und damit bedenklich, sind Agenturen eingerichtet worden, deren Tätigkeit zwangsläufig in die über Jahre hin be- währte Arbeit von anderen europäischen Institutionen eingreift, die sich durch gute Arbeit große und weltweite Reputation erarbeitet haben. Das gilt zum Beispiel für die erst kürzlich gegen den heftigen Widerstand des Deutschen Bundestages in Wien etablierte „Europäische Agentur für Grundrechte“. Sie soll auf einem Feld tätig werden, das bislang vom Europarat und insbesondere von seinem Europäischen Gerichtshof für Menschen- rechte in Straßburg abgedeckt worden ist, mit großem Echo in den 47 Mitgliedstaaten des Europarats. Der Ge- richtshof ist für viele der insgesamt ca. 800 Millionen Menschen in diesen Ländern ein echter Hoffnungsträger. der häufig der letzte Rettungsanker im Kampf um die Beachtung der Menschenrechte ist. Seit seinem Beste- hen sind Hunderttausende von Klagen beim Gerichtshof eingereicht worden. Und dass heute ein Rückstau von etwa 100 000 Fällen besteht, an dem der Gerichtshof zu ersticken droht, zeigt seine große konkrete Bedeutung. Es wäre deshalb sinnvoller gewesen, die EU hätte sich beim Gerichtshof finanziell und gegebenenfalls perso- nell engagiert, um ihm und damit den betroffenen Men- schen aus der Bredouille zu helfen, statt mit der Grün- dung einer Agentur unnötige und teure Doppelstrukturen zu schaffen. Zwar wird jetzt durch vertragliche Verein- barungen versucht, das Nebeneinander reibungslos zu gestalten, aber dennoch besteht die Gefahr der Verwäs- serung von Standards durch unterschiedliche Akzentuie- rungen. Sorgen bereiten muss auch die Tatsache, dass die EU- Agenturen als selbstständige Institutionen konstruiert sind, sodass sie sich praktisch einer unmittelbaren Kon- trolle durch das Europäische Parlament oder den Rat ent- ziehen. Sie nehmen also an der staatsrechtlich gebotenen Gewaltenteilung gar nicht teil. Sie sind Instrumente der Kommission, entfalten ihr Wirken am Parlament vorbei und sind längst über die ursprüngliche Zielsetzung einer Agentur, nämlich der „Ausübung ganz bestimmter tech- nischer, wissenschaftlicher und verwaltungstechnischer Aufgaben“ zu dienen, hinausgewachsen, treiben konkret Politik oder gestalten sie inhaltlich und sind an der Um- setzung beteiligt, ohne einer wirksamen Kontrolle unter- worfen zu sein. Zwar sind die Rechte des Parlaments in diesem Zusammenhang kürzlich gestärkt worden, aber von einer „parlamentarischen Kontrolle“ kann dennoch nicht gesprochen werden. Leider gilt auch hier die alte Lebenserfahrung, dass einmal Geschaffenes nicht so leicht wieder abgeschafft werden kann. Dennoch sollte sich die EU dazu durchrin- gen, zu überprüfen, ob nicht manche dieser Agenturen wieder aufgegeben werden können und ob Zusammen- fassungen möglich sind. In jedem Fall sollte aber der mittlerweile leider verfestigte unselige Brauch schnells- tens unterbunden werden, dass jede Ratspräsidentschaft sich eine neue Agentur ausdenkt und die übrigen Mit- gliedsländer dies solidarisch abnicken. Ein solcher Um- gang mit Prinzipien und vor allem auch eine solch groß- zügige Umgangsweise mit dem Geld der Bürger ist nicht zu rechtfertigen und trägt nur zur Verstärkung der Aver- 15160 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 (A) (C) (B) (D) sionen gegen die schon heute allgemein als ausufernd verschriene europäische Bürokratie bei. Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Komplizierte euro- päische Zusammenhänge erfordern eine differenzierte Betrachtungsweise, um angemessene Antworten zu ge- ben. Die Frage der EU-Agenturen ist dafür ein Beispiel – und zwar in jeder Hinsicht. Es zeigt, dass leider einige in diesem Hause das Ganze populistisch verpacken und deutsche Sichtweisen voranstellen, während Betroffen- heiten anderer EU-Mitgliedstaaten völlig außen vor ge- lassen werden. Im Einzelnen: Erstens. Wir wollen ein föderales Europa, keine „Zen- trale“ in Brüssel. Damit ist völlig klar, dass auch die Ver- waltung sachlich wie örtlich nicht an einer Stelle kon- zentriert werden kann. Ein Prinzip, das für uns in Deutschland gilt und das wir im Rahmen eines über sechs Jahrzehnte insgesamt erfolgreichen Föderalismus praktiziert haben, muss auch ein Maßstab für unsere europäische Beurteilung sein. Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Staat wie Deutschland mit insgesamt 83 obersten Bundesbehörden und Bundesoberbehörden darf nicht in der EU so auftreten, als würden wir jede neue EU-Agentur rundweg ablehnen. Ganz im Gegen- teil: Wir sind die Letzten, die dazu moralisch legitimiert wären! Da Politik eine Frage des guten Gedächtnisses ist – wie Kurt Schumacher schon zu Recht bemerkte –, soll- ten wir uns anständigerweise ins Gedächtnis rufen: Die wichtigste institutionelle Neugründung in der EG/EU war das europäische Währungsinstitut – daraus entstand die Europäische Zentralbank; heute eine mäch- tige Institution in Europa. Ihr Sitz: Frankfurt am Main. Keine Partei in Deutschland hätte dem Euro zugestimmt, wenn dies anders wäre. Die europäische Agentur für Flugsicherung erfüllt un- bestreitbar wichtige Aufgaben. Unser Land hatte auch aus verkehrspolitischen Gründen ein großes Interesse daran, diese Behörde in Deutschland anzusiedeln. Sie residiert in Köln, wie jeder weiß. Das zeigt: Wir dürfen keinesfalls den Eindruck ver- mitteln, nachdem Deutschland zu den Mitgliedsländern mit der besten Infrastruktur an EU-Einrichtungen gehört, dass es jetzt das Mitglied ist, welches anderen Ländern eine gerechte Teilhabe an der dezentralen Organisation Europas mit einer sichtbaren Repräsentanz an vielen Or- ten des Kontinents entgegensteht. Zweitens. Es ist gut, dass wir uns vor diesem Hinter- grund kritisch mit bestehenden Entwicklungen auseinan- dersetzen. Die entscheidenden Fragen sind zum Teil von den Kolleginnen und Kollegen der Grünen sowie der FDP in ihren Anträgen aufgeworfen worden. Aber an ei- nigen Stellen ist ein völlig falscher Ansatz zu erkennen: Es kann zum Beispiel meines Erachtens nicht sein, dass die nationalen Parlamente in Zukunft über die EU-Agen- turen entscheiden – wie das die FDP will –, genauso we- nig kann die deutsche Bundesregierung ein Gesamtkon- zept für EU-Agenturen vorlegen, wie es die Grünen fordern. Beides verkennt die europäischen Strukturen völlig. Was aber viel schlimmer ist: Die geschätzten Kol- leginnen und Kollegen dieser Fraktion nehmen mit kei- nem Wort Bezug auf die tatsächlich schon erreichte Situation in der EU, wo der Entwurf für eine „Interinsti- tutionelle Vereinbarung zur Festlegung von Rahmenbe- dingungen für die europäischen Regulierungsagenturen“ von der Kommission vorgelegt worden ist, vom Europä- ischen Parlament unterstützt wird und im Rat allerdings noch nicht vorangebracht worden ist. Drittens. Da wir in Europa zusammenarbeiten wollen und auch voneinander lernen können, sollten in diesem Zusammenhang durchaus Fragen einer besseren Aufga- bentrennung – auch in der Kommission – angesprochen werden. Ich halte es für problematisch, dass die EU- Kommission als ein politisches Organ selbst unmittelbar für die Wettbewerbskontrolle zuständig ist, während in Deutschland ein unabhängiges Kartellamt viele Bei- spiele guter Arbeit vorweisen kann. Also: Auch über mehrere Richtungen, nicht nur über Einbahnstraßen nachdenken. Viertens. Ich bin davon überzeugt, dass wir jetzt be- ginnen, zu fraktionsübergreifenden gemeinsamen Ent- schließungen zu kommen – aber nicht ad hoc und übers Knie gebrochen und vor allen Dingen nicht nur mit der deutschen Sicht auf Europa, sondern auch mit europäi- scher Gesinnung in Deutschland. Deshalb ist es wichtig, dass sowohl der Bundestag in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament als auch die einzelnen Fraktio- nen dieses Hauses im Rahmen ihrer europäischen Partei- familien die Diskussion führen. Europäische Sichtweise darf nicht durch nationale Scheuklappen eingeengt wer- den. Das Ergebnis eines integrativen Ansatzes könnte auch sein, die Bundesregierung im Rat zu unterstützen, damit Blockaden überwunden und die interinstitutionelle Vereinbarung vorangebracht werden kann. Markus Löning (FDP): „Das haben wir den Part- nern zugesagt, diese Zusage können wir nicht mehr zu- rücknehmen, wir können das Paket nicht noch einmal aufschnüren.“ Wohl keine Ausrede haben wir bei der Debatte um die Grundrechtsagentur im letzten Jahr öfter gehört, als diese. Die Bundesregierung hat im Europäi- schen Rat eine – zunächst informelle – Zusage zu einem bestimmten institutionellen Paket gemacht und benutzt anschließend diese Zusage als Argument gegenüber den gewählten Vertretern des Volkes, warum sie nicht mitre- den können. Bei der Grundrechteagentur war der Anlass, nämlich die Grundrechtecharta, entfallen. Die Fraktionen des Bundestages waren sich in ihrer Kritik weitgehend einig, dass die Agentur, wenn über- haupt, dann zumindest nicht in der ursprünglich geplan- ten Größe an den Start gehen sollte. Es gab sehr ernste Bedenken hinsichtlich der gerichtlichen und parlamenta- rischen Kontrolle der Agentur. Dennoch konnten weder Ochs noch Esel das Projekt in seinem Lauf aufhalten. Die Agentur wurde gegründet. Die Planstellen wurden geschaffen. Das Budget wurde genehmigt. Dies war ein Beispiel dafür, wie es in Zukunft nicht mehr laufen soll. In Zukunft soll die Bundesregierung den Bundestag einbeziehen, bevor sie Zusagen macht. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 15161 (A) (C) (B) (D) Es gibt ja durchaus auch sinnvolle Aufgaben für Agentu- ren. Auch in Deutschland lagern wir ja manche Aufga- ben in Anstalten, wie zum Beispiel die Bundesanstalt für Materialforschung oder das Robert-Koch-Institut, aus. Die EU-Agentur zur Umsetzung der Chemikalien- richtlinie war sicher eine sinnvolle Gründung, denn sie bündelt sehr spezifischen Sachverstand und ist der eine Ansprechpartner für die betroffene Wirtschaft. Ich ver- stehe nicht, warum die Bundesregierung bei solch sinn- vollen Gründungen Angst vor dem Deutschen Bundes- tag hat. Es stärkt doch auch die Position der Bundesregierung, wenn die Sinnhaftigkeit einer Agentur in der Debatte mit den Abgeordneten Bestand hat. Wir wollen, dass vor einer Zusage die Zustimmung des Bundestages eingeholt wird, und wir wollen, dass es vor der Errichtung einer Agentur ein transparentes Ver- fahren gibt. Der Bundestag muss in einem geordneten Verfahren einbezogen werden. Die Mitteilung, dass man den Bundestag natürlich gerne informiere, die Entschei- dung aber längst gefallen sei, ist ein Schlag ins Gesicht der Parlamentarier. Wir wollen ein geordnetes Verfah- ren, bei dem der EU-Ausschuss, betroffene Fachaus- schüsse und gegebenenfalls das Plenum Gelegenheit zur Stellungsnahme bekommen, bevor die Entscheidung über die Errichtung endgültig fällt. Die Prinzipien von Rechtsstaat und Demokratie gehö- ren zur gemeinsamen Wertegrundlage der EU. Sie müs- sen in allen Aspekten des Handelns der EU berücksich- tig werden. Es kann nicht sein, dass für jede EU-Agentur ein neuer Rechtsweg beschlossen werden muss, und es kann erst Recht nicht sein, dass nicht sichergestellt ist, dass es für die Bürgerinnen und Bürger immer einen Rechtsweg gibt. Hoheitliche Akte der Agenturen können schwerwiegende Eingriffe in Rechte von Personen oder Unternehmen darstellen. Jeder betroffene Bürger, jedes betroffene Unternehmen muss alle Akte von EU-Agen- turen rechtlich überprüfen lassen können. Es ist nach un- serem Rechtsstaatsverständnis schlicht inakzeptabel, wenn der Rechtsweg nicht klar – oder noch schlimmer – nicht vorhanden ist. Die Freien Demokraten fordern daher eine Rechtswe- gegarantie für alle Bürgerinnen und Bürger gegenüber allen EU-Agenturen. Genauso wichtig ist die demokrati- sche Kontrolle. Dies betrifft die Budgets, den Haushalts- vollzug und bei einigen Agenturen die inhaltliche Ar- beit. Der Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlamentes verweigert zurzeit wegen einer Reihe von ungeklärten Fragen einigen Agenturen die Entlastung. Ich kann die Kollegen im EP nur bestärken, ihre Rechte wahrzunehmen und im Sinne der europäischen Steuer- zahler auf einem transparenten und ordentlichen Haus- haltsvollzug zu bestehen. Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt der demo- kratischen Kontrolle. Die Agentur für Grundrechte oder die Agentur für Gleichstellungsfragen werden gutachter- lich tätig sein. Sie werden Stellungnahmen auf Anfrage oder aus eigenem Antrieb erarbeiten und verbreiten. Da- mit sind sie Teilnehmer einer öffentlichen politischen oder juristischen Debatte. Wer legitimiert sie dazu? Sie sind weder unabhängige Gerichte, die das Recht ausle- gen und durchsetzen, noch gewählte Vertreter des Vol- kes, die der Kontrolle durch Wahl unterliegen. Dies wi- derspricht dem Prinzip der Gewaltenteilung in einem demokratischen Rechtsstaat. Es muss hier eine klare Zu- ordnung geben. Auch dies stellen wir daher mit unserem Antrag klar: Alle Agenturen müssen der vollen parla- mentarischen Kontrolle unterworfen sein. Lieber Kollege Schäfer, lieber Kollege Stübgen, ich denkte, wir sind uns in den Kernanliegen auch weiterhin einig. Ich freue mich, dass die Koalitionsfraktionen in dieser Frage einen gemeinsamen Antrag mit FDP und Grünen machen wollen. Das wäre ein weiterer Schritt zur Stärkung des Deutschen Bundestages in EU-Fragen. Heike Hänsel (DIE LINKE): Die heutige Debatte ist überfällig. Die Zahl der Aufgaben der Europäischen Union nimmt seit dem Vertrag von Amsterdam ständig zu, ohne dass eine wirkliche Gewaltenteilung und demo- kratische Kontrolle über diese Aufgaben möglich ist. Heute wird durch die Europäische Union in vielen Poli- tikbereichen eine faktische Entparlamentarisierung be- schleunigt. Ein Beispiel für diese Entparlamentarisierung und damit auch einer zunehmenden Entdemokratisie- rung von politischen Prozessen in der Europäischen Union ist die massive Zunahme von EU-Agenturen. Heute gibt es in der Europäischen Union 35 Agentu- ren, die von der Gemeinsamen Außen- und Sicherheits- politik bis zur Frage der Grundrechte hochsensible poli- tische Bereiche bearbeiten. Diese Agenturen unterliegen keinem Einfluss vonseiten eines demokratisch gewähl- ten Parlaments. Auch ist dem Haushaltsausschuss des Europäischen Parlaments zuzustimmen, wenn er auch auf die mangelhafte budgetäre Kontrolle der EU-Agen- turen hinweist. Die Struktur der Europäischen Agenturen hält einer kritischen demokratischen Betrachtung nicht stand. In der Bundesrepublik Deutschland würden sie vom Bun- desverfassungsgericht als mit dem Grundgesetz nicht vereinbar aufgehoben, da sie zu einer Verwischung der Gewaltenteilung führen. Die Entwicklung der EU-Struk- turen führt zu einem Rückfall in vordemokratische Strukturen, indem die Gewaltenteilung zwischen Exeku- tive und Legislative immer weiter aufgehoben wird. Die Exekutive übernimmt in der Europäischen Union immer mehr Macht- und Entscheidungsbefugnisse. Eine solche Entwicklung dürfen Demokraten nicht weiter unwider- sprochen hinnehmen. Nehmen wir als Beispiel die sogenannte Europäische Verteidigungsagentur, bei der es sich in Realität um eine Rüstungsagentur handelt. Die Agentur ist organisato- risch direkt unterhalb des Rates für Allgemeine Angele- genheiten und Außenbeziehungen angesiedelt. Die Ver- teidigungsminister – und damit die jeweilige Exekutive der Nationalstaaten – erhalten durch die Agentur unmit- telbar die Möglichkeit, eine bessere europäische Koordi- nation der Rüstungszusammenarbeit und den beschleu- nigten Aufbau für militärische Kapazitäten für weltweite Militäreinsätze durchzusetzen. Ein demokratisches Mit- 15162 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 (A) (C) (B) (D) spracherecht oder wenigstens eine demokratisch-parla- mentarische Kontrolle der Militär- und Rüstungspolitik auf europäischer Ebene wird dadurch fast unmöglich. Im Rahmen der Europäischen Verteidigungsagentur wird weder dem Europäischen Parlament noch den nationalen Parlamenten eine politische oder fiskalische Kontroll- möglichkeit eingeräumt. Gleichzeitig nimmt der Deutsche Bundestag durch die organisatorische Entwicklung der Europäischen Union hin, dass sich in der Europäischen Union immer mehr undemokratische Strukturen durchsetzen und ver- festigen. Die beiden Anträge können hier eine Grund- lage sein, diesen Prozess zu beenden. Wir müssen die zunehmende Entdemokratisierung von politischen Ent- scheidungsprozessen stoppen. Deshalb fordern wir eine grundsätzliche Debatte über die Notwendigkeit von EU- Agenturen. Unsere Position ist dabei klar: Wir setzen uns dafür ein, dass alle Entscheidungen und daraus fol- gend die exekutiven Umsetzungen solcher Entscheidun- gen nach demokratischen Gesichtspunkten organisiert werden müssen. Wir müssen auch auf europäischer Ebene die demokratische Gewaltenteilung und Kontrolle durchsetzen. Deshalb stehen wir dem Instrument von Europäischen Agenturen skeptisch gegenüber. Natürlich können wir uns vorstellen, dass in spezifischen Bereichen wie zum Beispiel der Sicherheit des See- und Luftverkehrs oder der Organisation von Übersetzungsarbeiten Agenturen als Umsetzungsinstrument von politischen Entscheidun- gen geschaffen werden. In allen grundsätzlichen politi- schen Bereichen haben Agenturen jedoch nichts verlo- ren. Wir wollen die heutige Debatte und die beiden An- träge als Aufschlag für eine grundsätzliche Debatte zur Durchsetzung von demokratischen Strukturen auf euro- päischer Ebene verstanden wissen. Eine solche grundle- gende Debatte können wir nur über die Grenzen von par- teipolitischen Diskussionen zum Erfolg führen. Deshalb steht Die Linke für die Ausarbeitung eines gemeinsamen Antrages aller Fraktionen gerne zur Verfügung. Alleine in der Zeit von 2005 bis 2007 – hier weisen Sie in Ihrem Antrag richtigerweise darauf hin – ist der Gesamthaushalt der Europäischen Agenturen auf fast 1,3 Milliarden Euro angewachsen. Wir wollen, dass diese Mittel, die alle von den Bürgerinnen und Bürgern der Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgebracht werden, demokratisch vergeben und vor allem auch de- mokratisch kontrolliert werden. Deshalb unterstützen wir das Anliegen, mit allen Parlamenten der europäi- schen Mitgliedstaaten, aber auch in enger Kooperation mit dem Europäischen Parlament, in eine Diskussion über eine Gesamtkonzeption der zukünftigen Ausgestal- tung von Europäischen Agenturen einzutreten. Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Europäische Arzneimittelagentur in London, die Europäische Umweltagentur in Kopenhagen oder die Europäische Eisenbahnagentur in Valenciennes – diese zufällig herausgegriffenen Beispiele zeigen, dass zu zahlreichen und unterschiedlichsten Themen und überall verteilt in der Europäischen Union sogenannte EU- Agenturen bestehen. Zur Ausführung ihrer Aufgaben sind die EU-Agenturen nicht weisungsgebunden, ledig- lich zur Entlastung ihres Verwaltungshaushalts dem Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlamen- tes rechenschaftspflichtig. Insgesamt sind es derzeit 22 Gemeinschaftsagenturen, drei Agenturen für die Ge- meinsame Außen- und Sicherheitspolitik und drei Exe- kutivagenturen. Weitere Agenturen wie beispielsweise zur Koordinierung von nationalen Regelungsbehörden im Bereich Telekommunikation oder Energie sind in Planung. Wir Grünen unterstützen EU-Agenturen, die sinnvoll und notwendig sind und die durch ihre dezentrale Ein- richtung der Europäischen Union auch vor Ort ein weite- res Gesicht geben. Teilweise leisten die Agenturen eine sehr gute Arbeit; dies steht außer Frage. Aber mit den EU-Agenturen hat sich parallel zu den Arbeitsstrukturen in Brüssel ein riesiger Apparat zur Bewältigung neuer Aufgaben rechtlicher, technischer und wissenschaftli- cher Art aufgebaut. Gerade in den letzten Jahren ist ihre Zahl dramatisch gestiegen: So hat sich die Anzahl seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt, die Personalplan- stellen sind im selben Zeitraum um 148 Prozent ange- wachsen, und der Gesamthaushalt hatte allein in den letzten beiden Jahren einen Aufwuchs von 20 Prozent. Wir kritisieren, dass dabei nicht alle EU-Agenturen notwendig und sinnvoll sind. Mitunter werden über sie sogar Aufgaben erledigt, die bereits an anderer Stelle be- arbeitet werden. In einigen Fällen sind die Mandate der Agenturen nicht eindeutig und Doppelstrukturen zwi- schen unterschiedlichen Agenturen erkennbar. Weiterhin beanstanden wir, dass bei einigen Agenturen lange Zeit ein klar erkennbares Konzept fehlte oder sogar das Di- rektorium nicht eingesetzt wird. Und schließlich lässt die Finanzverwaltung zu wünschen übrig und wird auch vom Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Par- lamentes als mangelhaft kritisiert. Diese Mängel müssen abgeschafft werden. Die EU- Strukturen müssen genauso wie nationale Strukturen ef- fizient und effektiv arbeiten. Mit unserem Antrag for- dern wir die Bundesregierung auf, sich in den EU-Gre- mien dafür einzusetzen, dass diese Mängel abgeschafft werden. Hierzu fordern wir erstens, uns ein Gesamtkon- zept zur Einrichtung von EU-Agenturen vorzulegen, in dem klare Kriterien für die Einrichtung von EU-Agen- turen genannt werden, und zweitens, sich für die Vermei- dung von Doppelstrukturen zwischen den jeweiligen Agenturen, aber auch zwischen Agenturen und den Ge- neraldirektionen der Europäischen Kommission einzu- setzen. Schließlich fordern wir die Bundesregierung dazu auf, uns eine Stellungnahme vorzulegen, aus der ersicht- lich wird, inwieweit eine effiziente und transparente Kontrolle der Finanzverwaltung der EU-Agenturen ge- währleistet ist. Wir freuen uns sehr, wenn uns auch die anderen Frak- tionen im Deutschen Bundestag in dieser wichtigen Frage unterstützen, und fordern Sie auf, unseren Antrag zu unterstützen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 15163 (A) (C) (B) (D) Anlage 6 Amtliche Mitteilungen Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD haben mit Schreiben vom 25. Januar 2008 mitgeteilt, dass sie den Antrag Die UN-Vertragsstaatenkonferenz in Bali – Den Grundstein für ein Kyoto-Nachfolgeabkommen legen auf Drucksache 16/7281 zurückziehen. Der Abgeordnete Gerhard Wächter hat mitgeteilt, dass er seine Unterschrift auf dem Entwurf eines Geset- zes für eine menschenfreundliche Medizin – Gesetz zur Änderung des Stammzellgesetzes auf Drucksache 16/7982 zurückzieht. Die Abgeordneten Johannes Jung (Karlsruhe) und Heidi Wright haben darum gebeten, bei dem Entwurf ei- nes Gesetzes für eine menschenfreundliche Medizin – Gesetz zur Änderung des Stammzellgesetzes auf Drucksache 16/7982 nachträglich in die Liste der An- tragsteller aufgenommen zu werden. Die Abgeordnete Ingrid Fischbach hat darum gebe- ten, bei dem Antrag Keine Änderung des Stichtages im Stammzellgesetz – Adulte Stammzellforschung för- dern auf Drucksache 16/7985 nachträglich in die Liste der Antragsteller aufgenommen zu werden. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühun- gen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtver- breitung sowie über die Entwicklung der Streitkräfte- potenziale (Jahresabrüstungsbericht 2004) – Drucksache 15/5801 – Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2007 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 17 10 Titel 632 07 – Ausgaben nach § 8 Abs. 2 des Unterhaltsvorschuss- gesetzes – – Drucksachen 16/7681, 16/7793 Nr. 1.6 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2007 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 17 10 Titel 681 01 – Erziehungsgeld – sowie Kapitel 17 10 Titel 681 02 – Elterngeld – – Drucksachen 16/7723, 16/7793 Nr. 1.8 – Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht zum Ausbau der Schienenwege 2006 – Drucksache 16/3000 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht zum Ausbau der Schienenwege 2007 – Drucksache 16/6385 – Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Erster Fortschrittsbericht zur Hightechstrategie für Deutschland – Drucksache 16/6900 – Ausschuss für Kultur und Medien – Unterrichtung durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Bericht über das Prüfergebnis zur Sicherung eines ziel- gruppengerechten und qualitativ hochwertigen Ange- bots an interaktiven Unterhaltungsmedien – Drucksachen 16/7081, 16/7376 Nr. 1 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- tung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 16/7070 Nr. A.4 Drucksache 16/7070 Nr. A.6 Drucksache 16/7223 Nr. A.10 Drucksache 16/7393 Nr. A.27 Drucksache 16/7393 Nr. A.28 Drucksache 16/7575 Nr. A.1 Drucksache 16/7575 Nr. A.3 Drucksache 16/7575 Nr. A.16 Drucksache 16/7575 Nr. A.17 Drucksache 16/7575 Nr. A.18 Drucksache 16/7575 Nr. A.19 Drucksache 16/7575 Nr. A.23 Innenausschuss Drucksache 16/6041 Nr. 2.16 Drucksache 16/6041 Nr. 2.18 Drucksache 16/6715 Nr. 1.5 Drucksache 16/6715 Nr. 1.19 Rechtsausschuss Drucksache 16/901 Nr. 2.5 Drucksache 16/993 Nr. 2.15 Drucksache 16/3382 Nr. 2.1 Drucksache 16/4819 Nr. 1.1 Drucksache 16/4939 Nr. 3.1 Drucksache 16/5199 Nr. 2.15 Drucksache 16/5681 Nr. 1.2 Drucksache 16/6389 Nr. 1.78 Drucksache 16/6715 Nr. 1.14 Drucksache 16/6715 Nr. 1.15 Haushaltsausschuss Drucksache 16/7070 Nr. A.5 Drucksache 16/7070 Nr. A.11 15164 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 (A) (C) (B) (D) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 16/820 Nr. 1.32 Drucksache 16/1748 Nr. 2.5 Drucksache 16/4105 Nr. 2.9 Drucksache 16/4105 Nr. 2.22 Drucksache 16/4105 Nr. 2.64 Drucksache 16/4501 Nr. 2.49 Drucksache 16/4635 Nr. 2.23 Drucksache 16/4635 Nr. 2.24 Drucksache 16/6389 Nr. 1.52 Drucksache 16/6715 Nr. 1.7 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 16/4501 Nr. 2.18 Drucksache 16/4501 Nr. 2.33 Drucksache 16/4501 Nr. 2.34 Drucksache 16/4501 Nr. 2.42 Drucksache 16/4501 Nr. 2.45 Drucksache 16/4635 Nr. 2.5 Drucksache 16/4635 Nr. 2.8 Drucksache 16/4635 Nr. 2.9 Drucksache 16/4635 Nr. 2.10 Drucksache 16/6389 Nr. 1.9 Drucksache 16/7393 Nr. A.8 Drucksache 16/7393 Nr. A.9 Drucksache 16/7393 Nr. A.20 Drucksache 16/7393 Nr. A.21 Drucksache 16/7393 Nr. A.29 Drucksache 16/7393 Nr. A.30 Drucksache 16/7575 Nr. 1.45 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 16/6389 Nr. 1.27 Drucksache 16/6389 Nr. 1.28 Drucksache 16/6389 Nr. 1.33 Drucksache 16/6501 Nr. 1.2 Drucksache 16/7223 Nr. A.1 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 16/7070 Nr. A.14 Drucksache 16/7070 Nr. A.15 Drucksache 16/7070 Nr. A.16 Drucksache 16/7223 Nr. A.2 Drucksache 16/7223 Nr. A.9 Drucksache 16/7223 Nr. A.11 Drucksache 16/7393 Nr. A.11 Drucksache 16/7393 Nr. A.16 Drucksache 16/7393 Nr. A.18 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 16/150 Nr. 1.42 Drucksache 16/820 Nr. 1.49 Drucksache 16/5681 Nr. 1.27 Drucksache 16/5681 Nr. 1.28 Drucksache 16/6389 Nr. 2.28 Drucksache 16/6865 Nr. 1.26 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 16/1101 Nr. 2.16 Drucksache 16/7575 Nr. A.24 143. Sitzung Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Christine Scheel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

    sollten auch darüber reden, dass maßgebliche Kräfte in
    dieser Gesellschaft das Ziel haben, die Erbschaftsteuer
    abzuschaffen. Diese Kräfte finden sich in der FDP, und
    da hilft es nichts, wenn Herr Thiele feststellt, die FDP
    wolle zwar, dass die Erbschaftsteuer erhoben wird, aber
    in Verantwortung der einzelnen Bundesländer, das heißt,
    nicht durch ein Rahmengesetz des Bundes, sondern in
    ausschließlicher Zuständigkeit der Länder. Ich behaupte,
    dass es sich dabei um ein Ablenkungsmanöver handelt.
    Denn Sie weisen bei jeder Gelegenheit darauf hin, in
    welchen Ländern die Erbschaftsteuer nicht mehr erho-
    ben wird, dass sie hochbürokratisch


    (Dr. Volker Wissing [FDP]: Das ist ja auch so!)


    und im Übrigen unnötig ist. Deswegen plädiere ich für
    mehr Ehrlichkeit und Offenheit, statt so zu tun, als ob
    man für ein anderes Modell wäre, obwohl man in Wirk-
    lichkeit die Erbschaftsteuer abschaffen will.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Volker Wissing [FDP]: Das stimmt ja gar nicht!)


    Das gilt übrigens auch für einzelne in der Union und
    für diejenigen, die wir als Wirtschaftselite bezeichnen.
    Auch dort findet die Debatte statt. In der Diskussion
    muss bei allem, was sich in der heutigen Zeit ereignet
    – Herr Zumwinkel hat wohl zwischenzeitlich seinen
    Rücktritt angeboten –,


    (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Die Regierung hat ihn angenommen!)


    auch berücksichtigt werden, wie sich ein solches Vorha-
    ben auf das Gerechtigkeitsgefühl in dieser Gesellschaft
    auswirkt. Wie wirkt sich eine solche Diskussion auf den
    sozialen Zusammenhalt aus, den wir in unserer Bundes-
    republik dringend brauchen?


    (Dr. Volker Wissing [FDP]: Fragen Sie mal Frau Höll!)


    Wir alle haben Verantwortung, wenn es um den Zusam-
    menhalt in dieser Gesellschaft geht. Hierzu gehört eine
    vernünftig ausgestaltete Erbschaftsteuer.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Die soziale Kluft in der Gesellschaft vergrößert sich.
    Die reichsten 10 Prozent der Deutschen besitzen zwei
    Drittel des gesamten Volksvermögens, die ärmste Hälfte
    dagegen fast gar nichts. Wir wissen, dass Deutschland so
    wohlhabend wie noch nie ist. Das Gesamtvermögen der
    Bundesrepublik Deutschland beträgt 5,4 Billionen Euro.
    Das zeigt, dass Deutschland ein reiches Land ist, und das
    ist auch gut so. Bei gleichmäßiger Verteilung wären das
    81 000 Euro pro Kopf. Realität ist aber, dass immer
    mehr Menschen immer weniger und einige immer mehr
    haben. Die Ungleichheit bei der Vermögensverteilung
    verharrt nicht beim Status quo, sondern nimmt zu. In
    diesem Kontext bedeutet die geplante Ausgestaltung der
    Erbschaftsteuer, die eine stärkere Entlastung der Vermö-
    genden zur Folge hätte, dass sich diese Schere noch wei-
    ter öffnet. Genau das wollen wir nicht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Laut einer in der FAZ veröffentlichten Allensbach-
    Untersuchung sehen nur 15 Prozent der Deutschen die
    wirtschaftlichen Verhältnisse als gerecht an. Man muss
    insbesondere von den Leistungsträgern und Leistungs-
    trägerinnen in dieser Gesellschaft mehr Geld verlangen,
    um das zu tun, was wir für die Zukunft brauchen. Nicht
    nur meine Fraktion stellt die Bildung immer wieder in
    den Vordergrund. Bildung wird von allen als Himmels-
    leiter für den sozialen Aufstieg beschworen. Doch der
    Zugang zu dieser Leiter hängt zunehmend davon ab, ob
    Familien Vermögen haben, ob Kinder von den Bildungs-
    investitionen der Familie profitieren können. Begüterte
    Familien vererben praktisch die Bildungschancen, die
    für einen höheren sozialen Status entscheidend sind, an
    die nächste Generation. Wir brauchen aber Einnahmen,
    um etwas für Kinder und Jugendliche aus bildungsarmen
    Schichten zu tun. Das Ganze hat schließlich einen mate-
    riellen Hintergrund.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wir alle wollen mehr Ganztagsbetreuung und mehr
    Bildungsinvestitionen. Deshalb brauchen die Bundeslän-
    der – die Erbschaftsteuer ist eine Ländersteuer – Einnah-
    men, um Bildungsinvestitionen tätigen zu können. Wir
    können auf der Bundesebene nur an die Bundesländer
    appellieren: Kommt auch ihr eurer Verantwortung nach
    und sorgt dafür, dass die Einnahmen aus der Erbschaft-
    steuer für Bildungsinvestitionen in die Zukunft unserer
    Kinder verwendet werden und nicht zum Beispiel für
    den Straßenbau!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Dann verstehen die Menschen auch, warum es diese
    Steuer gibt und dass die Einnahmen daraus einen Beitrag
    zur Umverteilung des Vermögens zwischen den Genera-
    tionen leisten kann. Das ist der Kern der Überlegungen.

    In einem weiteren Schritt müssen wir darüber nach-
    denken, wie wir die Erbschaftsteuer nach den Vorgaben
    des Bundesverfassungsgerichts so ausgestalten können,
    dass es gesellschaftspolitisch stimmig ist. Herr Finanz-
    minister, die Entscheidung des Bundesverfassungsge-
    richts erzwingt eine gleichmäßige Besteuerung aller
    Vermögensarten. Gleichzeitig müssen aber die Bewer-
    tungsregeln geändert werden. In der letzten Woche gab
    es erste Vorschläge, wie die Bewertungsregeln in ver-
    schiedene Rechtsverordnungen überführt werden kön-
    nen und wie sie ausgestaltet werden sollen. Ich kann für
    unsere Fraktion nur sagen: Weil das Parlament zu ent-
    scheiden hat, ist es zwingend, dass wenigstens die we-
    sentlichen Eckwerte dieses Verfahrens für die Ermittlung
    der Verkehrswerte von Betrieben und Immobilien im
    Gesetz geregelt werden und nicht lediglich in einer
    Rechtsverordnung.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])







    (A) (C)



    (B) (D)


    Christine Scheel
    Wir als Parlament wollen darüber entscheiden. Wir wol-
    len die Regelung der Eckwerte für die Ermittlung nicht
    der Exekutive überlassen. Auch das muss ich an dieser
    Stelle ganz klar sagen. Ich habe da ein anderes Parla-
    mentsverständnis als anscheinend viele in der Großen
    Koalition.

    Unsere Kritik richtet sich auch dagegen, dass Sie von
    einem sehr antiquierten Gesellschaftsbild ausgehen.
    Das hehre Bild intakter Familienverhältnisse wird in
    dem Gesetzentwurf festgeschrieben. Die Freibeträge und
    die drei Steuerklassen sind nach dem Verwandtschafts-
    grad geordnet. Begünstigt werden nahe Verwandte
    – Kollegen haben bereits darauf hingewiesen –, alle an-
    deren werden sehr hoch belastet. Das passt nicht in die
    heutige Zeit. Wir haben Wahlverwandtschaften, die stän-
    dig zunehmen, wir haben Patchworkfamilien, in denen
    die Menschen zusammenhalten, wir haben einen demo-
    grafischen Wandel in dieser Gesellschaft, und wir haben
    ein stetig steigendes durchschnittliches Lebensalter, was
    dazu führt, dass das solidarische Helfen im Alter einen
    immer größeren Stellenwert bekommt. Wenn man diese
    Fakten zugrunde legt, dann stellt man fest, dass dieser
    Gesetzentwurf auf eine solche Lebensrealität überhaupt
    nicht reagiert.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Es reicht nicht, wenn man die geplante Erbrechts-
    reform ein bisschen daran anpasst, aber die Erbschaft-
    steuerreform diese Realität außen vor lässt. Deswegen
    brauchen wir eine Zusammenführung der Überlegungen
    zur Erbrechtsreform und zur Erbschaftsteuerreform, da-
    mit die beiden zusammenpassen. Alles andere ergibt kei-
    nen Sinn.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Es ist nicht einzusehen, dass Menschen, die im hohen
    Alter nicht verheiratet zusammenleben, derartig stark
    durch diesen Regierungsvorschlag belastet werden. Es
    ist doch oft so, dass hochbetagte Geschwister, von denen
    einer bzw. eine noch fit ist und die in einem gemeinsa-
    men Haushalt leben, den Bruder bzw. die Schwester
    pflegen können. Die werden durch diese Erbschaftsteu-
    erreform gegenüber der heutigen Gesetzgebung enorm
    benachteiligt.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!)


    Das kann es nicht sein.

    Vielmehr müssen wir uns überlegen, ob Ihr Vorschlag
    mit den Steuerklassen, die Sie vorgelegt haben, richtig
    ist. Wir sagen: Nein. Wir müssen uns überlegen, ob so
    viele Steuerklassen überhaupt Sinn machen oder ob es
    besser ist, diese Steuerklassen auf eine oder zwei zu re-
    duzieren und zum Ausgleich der Verwandtschaftsver-
    hältnisse Freibeträge einzuführen. Letzteres wäre eine
    moderne Herangehensweise, mit der man auch die wirt-
    schaftliche Leistungsfähigkeit bzw. die Größe des Ver-
    mögens berücksichtigen könnte. Es sollte also nicht nur
    der Verwandtschaftsgrad entscheidend sein, sondern
    auch die Art und Weise des Zusammenlebens in dieser
    Gesellschaft und die Verantwortung, die im Einzelnen
    für die jeweiligen Personen übernommen wird.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ein weiterer Punkt, den wir kritisieren, ist, dass Verer-
    ben und Schenken hochkompliziert werden. Das wird
    eine Spielwiese – das garantiere ich Ihnen – für Berater
    und Beraterinnen. Das betrifft vor allen Dingen Be-
    triebsinhaber und Betriebsinhaberinnen, die ihren Be-
    trieb einem Nachfolger übergeben. Es stehen Zehntau-
    sende von Betriebsübergaben an.

    Ich glaube, dass es keinen Sinn ergibt, jahrelang zu
    warten, bis die Verschonungsregelung greift. Das zu-
    ständige Finanzamt muss nämlich die Betriebsfortfüh-
    rung über 15 Jahre überwachen – das muss man sich ein-
    mal überlegen –, bei land- und forstwirtschaftlichen
    Betrieben sind es sogar 20 Jahre. Wir hingegen sagen
    – übrigens genauso wie der Bundesrat –, dass diese Ver-
    schonungsregelung einen zu langen Zeitraum umfasst und
    zu bürokratisch ist. Wir brauchen kein Arbeitsbeschaf-
    fungsprogramm für Finanzbehörden und explodierende
    Bürokratiekosten für Finanzämter und Unternehmen. Wir
    haben von einem Bürokratiemonster gesprochen. Es
    werden auch viele Streitigkeiten entstehen.


    (Florian Pronold [SPD]: Was bleibt jetzt von deiner Erbschaftsteuer übrig?)


    Ich habe kein Interesse daran, dass hier Gesetze verab-
    schiedet werden, die die Finanzgerichte lahmlegen. Wir
    sollten vielmehr alles dafür tun, damit im Gesetz Klar-
    heit, Transparenz und eine einfache Anwendung geregelt
    werden. Wir dürfen das nicht erneut der Rechtsprechung
    zur Nachjustierung überlassen.

    In dem Sinne hoffe ich, dass wir im laufenden Verfah-
    ren in den Ausschüssen einen Schritt weiterkommen.

    Ich bin gespannt darauf, wie die Diskussionen vonsei-
    ten der Koalition geführt werden. Anscheinend ist man
    sich in vielen Punkten überhaupt noch nicht einig. Wir
    werden jedenfalls unseren Beitrag leisten und Vor-
    schläge zu dem Gesetzentwurf einbringen, um zu einem
    fairen Ausgleich zwischen den Generationen zu kom-
    men, damit unser Land für die Zukunft vernünftig aufge-
    stellt ist.

    Danke schön.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Das Wort hat nun Florian Pronold für die SPD-Frak-

tion.


(Beifall bei der SPD)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Florian Pronold


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

    Kollegen! Die Debatte über die Erbschaftsteuer erinnert
    mich ein bisschen an die Debatte über die Abgeltung-
    steuer. Die Banken haben jahrelang die Einführung der
    Abgeltungsteuer gefordert, um zu verhindern, dass das
    Kapital ins Ausland flüchtet. Dann hat man die Abgel-
    tungsteuer nach langen politischen Debatten eingeführt


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Aber wie!)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Florian Pronold
    mit dem Ergebnis, dass den Bürgerinnen und Bürgern
    pro Jahr 1,7 Milliarden Euro Steuern geschenkt werden.


    (Ortwin Runde [SPD]: Ein Skandal!)


    Das trifft überwiegend diejenigen, die bisher stark belas-
    tet sind. Bei denjenigen, die nicht so stark belastet sind,
    ändert sich im Prinzip nichts; Stichworte „Steuerfrei-
    betrag“ und „Nachveranlagung mit dem persönlichen
    Steuersatz“.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Für wen spricht er gerade?)


    Anstatt die Banken nun die Einführung der Abgel-
    tungsteuer gelobt hätten, machen sie nun in jedem
    Schaufenster und in vielen Werbebriefen darauf auf-
    merksam, dass man von der Abgeltungsteuer bedroht
    wird und dringend zur Bank gehen sollte, um sich bera-
    ten zu lassen. Damit wird das, was wir mit der Einfüh-
    rung der Abgeltungsteuer erreichen wollten, sozusagen
    auf den Kopf gestellt. Die Banken führen die Beratungs-
    gespräche nur aus Eigeninteresse; denn sie müssen nicht
    vor der Abgeltungsteuer warnen. Sie wollen in diesen
    Gesprächen mit den Leuten Geschäfte machen.

    Ähnlich läuft es jetzt bei der Erbschaftsteuerreform.
    Aus der Wirtschaft kamen Forderungen nach einem Ab-
    schmelzmodell. Über zehn Jahre soll abgeschmolzen
    werden. Das bedeutet aber – egal wie die Regelungen
    sind –, dass die Fortführung des Betriebes zehn Jahre
    lang überprüft und an bestimmte Kriterien gebunden
    werden muss. Die öffentliche Verwaltung muss das zehn
    Jahre lang überprüfen; das bezieht sich auf das alte Mo-
    dell. Zur Frage, wie sich das auf die Banken auswirkt, ist
    anzumerken: Wenn man die Kriterien des Abschmelz-
    modells nicht einhält, dann muss man später Steuern
    nachzahlen, und die Banken werden selbstverständlich
    in ihrem Rating die Kreditwürdigkeit bewerten. Wie ge-
    sagt, die Forderung nach diesem Modell kam aus der
    Wirtschaft, das hat sich nicht die Politik ausgedacht.

    Jetzt beginnt die Rosinenpickerei. Man will nur die
    Rosinen, aber nichts vom Rest des Kuchens. Aber einen
    Kuchen, der nur aus Rosinen besteht, gibt es nicht.


    (Ute Kumpf [SPD]: Der schmeckt auch gar nicht!)


    Die öffentliche Debatte wird genauso geführt. Man will
    nur die Rosinen herauspicken. So macht man den Men-
    schen Angst, obwohl es dafür überhaupt keine Grund-
    lage gibt.

    Wir als Sozialdemokraten hätten sehr gerne mehr
    Erbschaftsteuer eingenommen. Wir finden, nur 2 Pro-
    zent des gesamten zu vererbenden Vermögens in mehr
    Forschung, mehr Bildung, mehr Kinderbetreuung zu in-
    vestieren, ist zu wenig. Aber wir haben einen Koalitions-
    partner, der zwar auch die Kinderarmut bekämpfen will,
    aber offensichtlich nicht über die Erbschaftsteuereinnah-
    men. Wir mussten uns einigen und haben einen Betrag
    von 4 Milliarden Euro errechnet.

    Es gibt in diesem Zusammenhang allerdings eine
    spannende Differenz. Die Linkspartei meint, das Erb-
    schaftsteueraufkommen wird viel geringer sein als
    4 Milliarden Euro. Die FDP sagt, es wird viel höher sein.
    Das ist ein spannendes Thema, das müssen wir uns ge-
    nauer anschauen. Aus meiner Sicht könnten dann auch
    bestimmte Ängste beseitigt werden. Bisher liegt das Erb-
    schaftsteueraufkommen bei 4 Milliarden Euro. Herr
    Thiele, für dieses Jahr sind übrigens 4,2 Milliarden Euro
    prognostiziert. Man kann nicht so rechnen und sagen:
    Der Durchschnitt der letzten zehn Jahre liegt bei
    3,2 Milliarden Euro, jetzt werden es 4 Milliarden Euro
    sein, das ist dann eine Steuererhöhung um 800 000 Euro.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Es waren zweimal über vier!)


    Was Sie hier verbreiten, ist wahnwitziger Unsinn.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – CarlLudwig Thiele [FDP]: Nein!)


    Wir haben für das nächste Jahr 4,2 Milliarden Euro ein-
    geplant. Wenn man sich jetzt 4 Milliarden Euro als Ziel
    setzt, ist das mit Sicherheit keine Mehreinnahme.


    (Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Haben Sie schon mal gehört, dass eine Schätzung gestimmt hat?)


    – Eine Schätzung von der FDP hat noch nie gestimmt;
    da bin ich mir relativ sicher.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Wir haben bisher Einnahmen von 300 Millionen Euro
    aus Betriebsvermögen. Das wird nicht mehr. Wir haben
    bisher 20 Millionen Euro aus dem Bereich Landwirt-
    schaft. Auch das wird nicht mehr.

    Jetzt bin ich überrascht, wie anhand dieser Zahlen sol-
    che Horrorszenarien und Untergangsszenarien an die
    Wand gemalt werden können. Die sind schlichtweg
    falsch.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Wer sagt das denn? Wieso das denn?)


    – Wir können gern in die Bereiche gehen.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Gern!)


    – Gern.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Wir als Parlament haben die nie gesehen! Wir haben nie eine Berechnung vorgelegt bekommen! Das können Sie mal machen! Wir sollen es glauben!)


    Gehen wir zu der Frage über, über die jetzt öffentlich
    mit Spannung diskutiert wird: Wie lang sollen die Halte-
    fristen sein? Über diese Frage kann man durchaus re-
    den. Wir haben auch in der Koch/Steinbrück-Arbeits-
    gruppe ausführlich über diese Frage gesprochen. Peer
    Steinbrück hat dargelegt, warum wir von einem reinen
    Abschmelzmodell zu einem pauschalierten Ansatz ge-
    kommen sind. Wenn ich das in Erinnerung rufen darf:
    Der erste Vorschlag war übrigens, 30 Prozent pauschal
    zu besteuern.


    (Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Das wäre fatal gewesen, Herr Pronold!)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Florian Pronold
    – Deshalb hat die Union auch darauf gedrängt, dass das
    niedriger wird.


    (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Mit Recht!)


    – Ja. – Weil die Union die verfassungsrechtlichen Pro-
    bleme hinsichtlich der Gleichbehandlung sehr wohl
    sieht, hat sie aber zugestanden, dass man im Gegenzug
    die Haltefristen verlängern und auch die Frage der ver-
    mögensverwaltenden Gesellschaften beantworten muss.
    Diese beiden Parameter, die im Entwurf zunächst anders
    waren, sind verschärft worden, um dem Gleichbehand-
    lungsgrundsatz der Verfassung und dem Aufkommens-
    aspekt Rechnung zu tragen.

    Natürlich kann man über die Frist von 15 Jahren dis-
    kutieren. Damit habe ich überhaupt kein Problem. Aber
    man muss wissen, dass dann an anderer Stelle Änderun-
    gen erforderlich werden, erstens um das Aufkommen si-
    cherzustellen und zweitens um die Verfassungsgemäß-
    heit hinsichtlich der Behandlung der unterschiedlichen
    Vermögensarten sicherzustellen.

    Jetzt darf ich denjenigen in der Union und anderswo,
    die immer Zweifel an der Regelung haben, einmal etwas
    vorlesen. Günter Weber, Herausgeber des Steuertip
    – kein Freund der Erbschaftsteuer –, schreibt:

    Kaum zu glauben aber, dass ausgerechnet aus Krei-
    sen der CDU und vor allem der CSU verlangt wird,
    dass die 15-Jahre-Haltefrist auf 10 Jahre gesenkt
    werden soll. Spielt doch jede Verkürzung den Play-
    boys der jungen Generation in die Karten, die mög-
    lichst schnell das in jahrzehntelanger Arbeit von
    den Eltern Aufgebaute auf Ibiza, den Seychellen
    oder in Spielerparadiesen verjuxen wollen.


    (Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


    – Das habe nicht ich gesagt.

    Ich darf daran erinnern, wie die Debatte war. Es ging
    darum, dass wir etwas für Familienunternehmen tun
    wollen, die das Vermögen an die nächste Generation
    übergeben wollen, bei denen das Vermögen nicht aus
    dem Betrieb genommen werden soll, um es zu verjuxen.


    (Beifall bei der SPD)


    Was diese Frist von 15 Jahren angeht, so sehen wir
    – das ist vielleicht noch nicht bekannt – eine Reinvesti-
    tionsklausel vor. Es geht dabei nicht um die Fälle, in de-
    nen der Betrieb aufgelöst werden soll, sondern um die, in
    denen er umstrukturiert werden soll, wobei vielleicht ein
    Teil zu verkaufen ist. Wenn das Geld im Betrieb bleibt,
    ist das nach der jetzt vorgesehenen Regelung alles kein
    Problem. Aber wenn das Geld entnommen wird, das zu-
    vor zu 85 Prozent verschont worden ist, dann müssen
    Steuern gezahlt werden, und nur darum geht es. Das ist
    keine Behinderung wirtschaftlicher Aktivitäten, sondern
    das trägt genau dem Grundsatz Rechnung, mit dem wir
    angetreten sind,


    (Klaus Uwe Benneter [SPD]: Das ist Mittelstandsförderung!)

    nämlich die Familienunternehmen zu stärken. Das muss
    man einfach einmal zur Kenntnis nehmen.


    (Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Keine Ahnung hat der Mann!)


    – Herr Michelbach, entschuldigen Sie! Lesen Sie halt
    den Gesetzentwurf, und reden Sie mit den Kollegen, die
    in der Koch/Steinbrück-Arbeitsgruppe dabei waren!


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Vielleicht können wir mal im Parlament reden!)


    Wir haben uns das alles wirklich im Detail angeschaut.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das ist ja eine Käseglocke! Das ist doch keine Transparenz!)


    Wir haben eine gemeinsame Zielsetzung, nämlich die
    Betriebsfortführung, und zwar wegen des Erhalts der Ar-
    beitsplätze und wegen der Gemeinwohlverpflichtung.
    Deswegen soll das begünstigt werden, deshalb die
    85 Prozent. Das ist ein ordentliches Steuergeschenk;
    aber es gibt dieses Steuergeschenk nur, wenn im Gegen-
    zug dazu auch eine Gemeinwohlorientierung vorhanden
    ist.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das war doch eine reine Verwaltungskäseglocke!)


    Darüber werden wir nicht mit uns reden lassen: Darüber
    können wir auch gar nicht mehr mit uns reden lassen,
    weil wir ansonsten Gefahr laufen, dass diese Regelung
    als verfassungswidrig eingestuft wird.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Ansonsten stellt ja derjenige, der privat erbt, mit Recht
    die Frage, warum er mehr Erbschaftsteuer zahlen soll als
    andere.

    Lassen Sie mich auch noch etwas zu einem Punkt sa-
    gen, über den wir in diesem Hause schon diskutiert ha-
    ben, der aber heute noch gar nicht zur Sprache gekom-
    men ist, obwohl sich damals fast alle einig waren. Kurz
    vor dem Christopher Street Day haben wir darüber ge-
    sprochen, dass wir Menschen, die Verantwortung für-
    einander übernehmen, zum Beispiel in Lebenspartner-
    schaften, besserstellen wollen. Wir waren uns einig, dass
    die bisherigen Regelungen zur Erbschaftsteuer nicht ge-
    recht sind. In diesem Gesetzentwurf haben wir dieses
    Vorhaben nun umgesetzt. Wir geben Menschen in Le-
    benspartnerschaften dieselben Freibeträge wie Eheleu-
    ten. Dabei handelt es sich um 500 000 Euro, wobei der
    durchschnittliche Wert von Einfamilienhäusern, die in
    Deutschland vererbt werden, bei 160 000 Euro liegt.
    Meistens geht es dann auch nur um den halben Wert ei-
    nes Hauses, weil es gemeinsam angeschafft wurde. Hier
    reichen 500 000 Euro also locker aus.

    Nun haben wir in diesem Gesetz also für eine Gleich-
    stellung von Menschen in Lebenspartnerschaften und
    Eheleuten gesorgt. Aber was passiert? In dieser Debatte
    werden wieder neue Haare in der Suppe gesucht. Mir
    kommt es manchmal so vor, als ob sich Leute, die beim
    Friseur waren, einige der abgeschnittenen Haare einste-
    cken und sie dann in die Suppe werfen, um noch etwas






    (A) (C)



    (B) (D)


    Florian Pronold
    zu finden. Dabei haben wir für die Lebenspartnerschaf-
    ten wirklich etwas Gutes und Richtiges umgesetzt.

    Nun zur Frage der nahen Angehörigen: Die durch-
    schnittliche Steigerung des Wertes von Grundstücken
    aufgrund des neuen Wertermittlungsverfahrens wird bei
    etwa 40 Prozent liegen. Zugleich haben wir die Freibe-
    träge für die nahen Angehörigen praktisch verdoppelt.
    Aber wenn wir insgesamt 4 Milliarden Euro an Erb-
    schaftsteuer einnehmen wollen – das sieht die Vereinba-
    rung ja vor –, dann muss es auch irgendjemanden geben,
    der für dieses Aufkommen sorgt. Da beißt doch die
    Maus keinen Faden ab. Deswegen haben wir die Ent-
    scheidung getroffen, entferntere Verwandte und Nicht-
    verwandte mit höheren Steuern zu belegen.

    Das ist eine politische Entscheidung. Natürlich kann
    man diese wieder revidieren. Aber wenn man sie revi-
    diert, dann heißt das, dass die Begünstigung für Fami-
    lienmitglieder geringer ausfallen müsste. Das kann man
    alles machen. Darüber kann man diskutieren. Ich bitte
    aber, immer ehrlich die beiden Seiten ein und derselben
    Medaille zu benennen und nicht immer so zu tun, als
    wäre die Welt erst dann in Ordnung, wenn man jede
    Menge Änderungen vorgenommen hat. Das mag sein.
    Aber dann, wenn wir all diese Änderungen berücksichti-
    gen, rutschen wahrscheinlich die Einnahmen aus der
    Erbschaftsteuer ins Minus und wir müssten am Ende
    noch etwas auszahlen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ein weiteres Beispiel, Frau Kollegin Scheel. Für die
    Landwirtschaft haben wir folgendes Modell gefunden:
    Wir übernehmen die langen Haltezeiten aus dem Zivil-
    recht, und zwar aus dem Grund, weil wir ganz bewusst
    festgeschrieben haben, dass die Bewertung einer Land-
    wirtschaft auf Basis der Ertragswerte vorgenommen
    wird. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in seinem
    Beschluss ziemlich eindeutig gesagt, das sei eigentlich
    vom Grundsatz her nicht möglich. Wir machen das aber
    trotzdem, weil es bei landwirtschaftlichen Betrieben
    häufig geringe Ertragswerte und hohe Substanzwerte
    gibt. Für weichende Hoferben gilt nun folgende Rege-
    lung: Wenn die Landwirtschaft fortgeführt wird, ist alles
    in Ordnung. Sobald aber innerhalb der Haltefrist von
    20 Jahren Anteile verkauft werden, müssen die weichen-
    den Hoferben beteiligt werden, und dementsprechend er-
    zielt der Staat dann auch entsprechende Erbschaftsteuer.
    Das ist ein wirklich gutes Modell.

    Ich will hier nicht verschweigen, dass mir ein hoher
    Funktionär des Deutschen Bauernverbandes einen Ge-
    denkstein für mein Engagement bei dieser Regelung ver-
    sprochen hat.


    (Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist doch peinlich! – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Direkt hier einen Gedenkstein aufstellen!)


    – Ja, damit hätte ich nicht gerechnet.

    Ich möchte nun aber alle ermahnen, nicht das, was er-
    reicht worden ist, infrage zu stellen, indem man auf ein-
    mal andere Probleme, die eigentlich gar nicht vorhanden
    sind, aufbläst. Ich halte die gefundene Regelung für rich-
    tig. Unser Interesse muss es doch sein, dass die Land-
    wirtschaft fortgeführt wird. Es gibt ja einen deutlichen
    Unterschied zwischen einer Villa am Starnberger See
    und einem Betrieb bzw. einer Landwirtschaft. Denn bei
    Letzterem geht es um Arbeitsplätze und um gemein-
    wohlverpflichtende Elemente. Das ist die einzige Be-
    gründung, warum wir diese Ausnahme machen können.

    Der Grundsatz ist: Erbschaftsteuer müssen alle zah-
    len. Wenn man nachlassen will, dann muss man das be-
    gründen. – Das haben wir für die Landwirtschaft und
    auch für das Betriebsvermögen gut geregelt. Trotzdem
    haben wir jetzt im Wege der Verordnungen ein Bewer-
    tungsgesetz auf den Weg gebracht. Damit werden die
    Verfassungsvorgaben erfüllt, und wir werden zukünftig
    – vielleicht mit anderen politischen Mehrheiten – die
    Möglichkeit haben, die Erbschaftsteuer so zu erheben,
    dass man sie besser zur Bekämpfung von Bildungs- und
    Kinderarmut einsetzen kann.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Otto Bernhardt [CDU/CSU])