Rede:
ID1614300400

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 17
    1. Ich: 1
    2. eröffne: 1
    3. die: 1
    4. Aussprache: 1
    5. und: 1
    6. erteile: 1
    7. das: 1
    8. Wort: 1
    9. zu-nächst: 1
    10. dem: 1
    11. Kollegen: 1
    12. Dr.: 1
    13. Hermann: 1
    14. Otto: 1
    15. Solms: 1
    16. für: 1
    17. dieFDP-Fraktion.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/143 Reform des Erbschaftsteuer- und Bewer- der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Finanzmärkte stabilisieren (Drucksache 16/7531) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Axel Troost, Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Aktionsplan „Finanzmärkte demokratisch kontrollieren, Konjunk- tur und Beschäftigung stärken“ – Aus den internationalen Finanzturbulenzen Konsequenzen ziehen (Drucksache 16/7191) . . . . . . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . tungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz – ErbStRG) (Drucksache 16/7918) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carl-Ludwig Thiele (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . Carl-Ludwig Thiele (FDP) . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Pronold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . 15079 B 15079 C 15079 D 15085 A 15086 B 15103 D 15103 D 15106 D 15108 B 15109 B 15111 B 15113 A 15114 D 15117 D Deutscher B Stenografisc 143. Si Berlin, Freitag, den I n h a Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Laurenz Meyer (Hamm) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen: Lage der Finanzmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 24: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Christine Scheel, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und 15079 A 15079 B Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ludwig Stiegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15088 D 15091 A undestag her Bericht tzung 15. Februar 2008 l t : Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eduard Oswald (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ortwin Runde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Bernhardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Jörg-Otto Spiller (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur 15093 B 15095 A 15096 C 15098 A 15099 D 15101 A 15102 C Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Norbert Schindler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 15118 D 15120 A 15120 C II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: b) Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zwangsverheiratung durch Verbesserung des Opferschutzes wirk- sam bekämpfen (Drucksache 16/7680) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Josef Philip Winkler, Ekin Deligöz, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Zwangsverheira- tung bekämpfen – Opfer schützen – zu dem Antrag der Abgeordneten Sibylle Laurischk, Otto Fricke, Ina Lenke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Zwangsheirat wirksam bekämpfen – Opfer stär- ken und schützen – Gleichstellung durch Integration und Bildung för- dern – zu dem Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Karin Binder, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für einen Schutz der Opfer von Zwangsver- heiratungen, für die Stärkung ihrer Rechte und die längerfristige Be- kämpfung der Ursachen patriarcha- ler Gewalt (Drucksachen 16/61, 16/1156, 16/1564, 16/4910) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15121 D 15122 D 15123 B 15123 C 15123 D 15125 B 15126 B 15127 D 15129 A 15130 A 15131 A 15132 A 15132 D Tagesordnungspunkt 25: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Tierschutzbericht 2007 (Drucksache 16/5044) . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Zwei- ten Gesetzes zur Änderung des Tier- schutzgesetzes (Drucksache 16/7413) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Jahr (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Antrag der Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Bevölkerungsschutzsystem reformieren – Zuständigkeiten klar regeln (Drucksache 16/7520) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem An- trag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Katrin Kunert, Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rechtsan- spruch auf Mieterberatung für Menschen mit geringem Einkommen (Drucksachen 16/5247, 16/7171) . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für ein Gesamtkonzept zur Einrichtung von EU- Agenturen (Drucksache 16/7746) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit 15134 C 15134 D 15134 D 15136 C 15138 B 15139 D 15141 A 15142 A 15143 D 15145 B 15145 C 15145 C 15146 D 15147 C 15148 D 15149 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 III Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Markus Löning, Michael Link (Heilbronn), Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gerichtliche und parlamentarische Kontrolle von EU-Agenturen (Drucksache 16/8049) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Beatrix Philipp (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Rechtsanspruch auf Mieterberatung für Men- 15149 C 15149 D 15151 A 15152 B 15153 D 15155 A 15156 A 15156 D Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Stammzellgesetzes – Entwurf eines Gesetzes für eine men- schenfreundliche Medizin – Gesetz zur Änderung des Stammzellgesetzes – Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicherstellung des Em- bryonenschutzes im Zusammenhang mit menschlichen embryonalen Stammzellen (Stammzellgesetz – StZG) – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Stammzellgesetzes – Antrag: Keine Änderung des Stichtages im Stammzellgesetz – Adulte Stammzell- forschung fördern (142. Sitzung, Tagesordnungspunkt 4 a bis e) Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Bevölkerungsschutzsystem re- formieren – Zuständigkeiten klar regeln (Ta- gesordnungspunkt 26) 15151 D schen mit geringem Einkommen (Tagesord- nungspunkt 27) Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Für ein Gesamtkonzept zur Einrichtung von EU-Agenturen – Gerichtliche und parlamentarische Kon- trolle von EU-Agenturen (Tagesordnungspunkt 28 und Zusatztagesord- nungspunkt 7) Veronika Bellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Eduard Lintner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . Markus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15147 C 15148 B 15149 B 15160 A 15160 D 15161 C 15162 B 15163 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 15079 (A) (C) (B) (D) 143. Si Berlin, Freitag, den Beginn: 9
  • folderAnlagen
    2) Anlage 5 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 15151 (A) (C) (B) (D) ein erheblicher Standortfaktor für den Forschungsstand- ort Bundesrepublik Deutschland.Schily, Otto SPD 15.02.2008 Deutschland zu betreiben. Die Forschung an embryona- len Stammzellen ist eine große Chance, der Medizin neue Erkenntnisse zu verschaffen und der Klärung der Humangenese näher zu kommen, und nicht zuletzt auch Paula, Heinz SPD 15.02.2008 Poß, Joachim SPD 15.02.2008 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 15.02.2008 Anlage 1 Liste der entschuldi Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Bartsch, Dietmar DIE LINKE 15.02.2008 Blumentritt, Volker SPD 15.02.2008 Bodewig, Kurt SPD 15.02.2008 Brand, Michael CDU/CSU 15.02.2008 Burchardt, Ulla SPD 15.02.2008 Eichel, Hans SPD 15.02.2008 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 15.02.2008 Grosse-Brömer, Michael CDU/CSU 15.02.2008 Dr. Hemker, Reinhold SPD 15.02.2008 Hinz (Essen), Petra SPD 15.02.2008 Hoff, Elke FDP 15.02.2008 Hoffmann (Wismar), Iris SPD 15.02.2008 Jelpke, Ulla DIE LINKE 15.02.2008 Jung (Karlsruhe), Johannes SPD 15.02.2008 Kelber, Ulrich SPD 15.02.2008 Kramer, Rolf SPD 15.02.2008 Kramme, Anette SPD 15.02.2008 Kranz, Ernst SPD 15.02.2008 Krichbaum, Gunther CDU/CSU 15.02.2008 Lafontaine, Oskar DIE LINKE 15.02.2008 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.02.2008 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.02.2008 Nitzsche, Henry fraktionslos 15.02.2008 Anlagen zum Stenografischen Bericht gten Abgeordneten Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Stammzellgesetzes – Entwurf eines Gesetzes für eine menschen- freundliche Medizin – Gesetz zur Änderung des Stammzellgesetzes – Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicherstellung des Embryonen- schutzes im Zusammenhang mit menschli- chen embryonalen Stammzellen (Stammzell- gesetz – StZG) – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Stammzellgesetzes – Antrag: Keine Änderung des Stichtages im Stammzellgesetz – Adulte Stammzellfor- schung fördern (142. Sitzung, Tagesordnungspunkt 4 a bis e) Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU): Worüber beraten wir heute? Im Prinzip über die Bereitschaft, politisch der deutschen Forschung – speziell der Gesundheitsfor- schung – zu ermöglichen, Grundlagenforschung hier in Schultz (Everswinkel), Reinhard SPD 15.02.2008 Schwabe, Frank SPD 15.02.2008 Dr. Stadler, Max FDP 15.02.2008 Steinbach, Erika CDU/CSU 15.02.2008 Steppuhn, Andreas SPD 15.02.2008 Strothmann, Lena CDU/CSU 15.02.2008 Wicklein, Andrea SPD 15.02.2008 Zeil, Martin FDP 15.02.2008 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 15152 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 (A) (C) (B) (D) Die öffentliche Diskussion der vergangenen Monate rankte sich ja weitgehend um die Frage nach dem Be- ginn des Lebens und die Frage, ob menschliches Leben durch die embryonale Stammzellforschung vernichtet wird oder ein Anreiz zur Vernichtung menschlichen Le- bens gesetzt wird. Dieser ethische Disput ist wichtig – aber bei der be- stehenden Rechtslage in Deutschland nicht zu Ende ge- dacht. Wenn wir uns tatsächlich auf die Position stellen, dass jede Forschung an embryonalen Stammzellen Le- ben vernichtet, müssen wir konsequenterweise sofort jede Form der Abtreibung, der künstlichen Befruchtung, ja selbst der „Pille danach“ oder der sogenannten Spirale verbieten. Gerade bei letztgenannten Methoden werden in erheblichem Maße embryonale Zellen getötet. Wollen wir dies wirklich? Wollen wir den Abtreibungs-Touris- mus der 60er-Jahre wirklich wiederbeleben? Fakt ist, dass es weltweit ein reichliches Angebot an Stammzelllinien gibt. Keiner kann im Ernst behaupten, dass durch die deutsche Forschung ein Anreiz irgend- welcher Art entsteht, menschliches Leben zu töten. Sol- len deutsche Forscher, die auf diesem Gebiet erhebliche Kompetenz haben, gezwungen werden, ins Ausland zu gehen? Sollen die international gewonnenen Erkennt- nisse und in Zukunft möglichen Therapieformen den deutschen Patienten vorenthalten werden – oder nur per Gesundheits-Tourismus zur Verfügung stehen? Wir haben hier in der Bundesrepublik eine weltweit einmalige, sichere und öffentlich ethisch kontrollierte Forschung. Ich traue unseren Forschern und den sie be- gleitenden Ethikkommisionen zu, verantwortlich mit den Ressourcen umzugehen. Ich bin nicht sicher, ob in- ternational diese Standards überall gewahrt sind. Eines ist sicher: Es wird weltweit an embryonalen Stammzellen geforscht – egal was wir hier beschließen, welche Hürden wir errichten. Die Forschung an diesen Zellen ist erforderlich, um auch die Mechanismen der adulten Stammzellen zu verstehen. Die Frage nach der schon vorhandenen Therapierele- vanz ist nicht fair. Wir befinden uns im Stadium der Grundlagenforschung, erste Erkenntnisse sind sehr viel- versprechend – aber es ist nun mal das Wesen von For- schung, speziell von Grundlagenforschung, dass fest de- finierte Ergebnisse nicht vorformulierbar sind. Wir brauchen diese für unsere Menschen, zur Erklärung un- serer Genese und nicht zuletzt auch zur Weiterentwick- lung unserer Medizin. Vertrauen wir auf unsere Forscher, lassen wir Sie arbeiten, sie haben unser Vertrauen verdient. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Bevölkerungsschutz- system reformieren – Zuständigkeiten klar re- geln (Tagesordnungspunkt 26) Beatrix Philipp (CDU/CSU): Der uns vorliegende Antrag der FDP-Fraktion zur Reformierung des Bevöl- kerungsschutzsystems – eindeutig getragen von dem Wunsch nach klaren Zuständigkeiten – zeigt deutlich, dass der Informationsfluss innerhalb der FDP-Fraktion ausgesprochen gut ist. Aber das trifft natürlich auch auf meine Fraktion zu: Auch wir wissen, was im Haushalts- ausschuss des Deutschen Bundestages am 7. November des vergangenen Jahres beschlossen wurde. Ich will es für uns alle noch einmal ins Gedächtnis rufen: Der Haushaltsausschuss forderte das BMI auf, bis zum 1. Juli 2008 – also bis in circa einem halben Jahr ab heute gerechnet – ein Konzept zum gesamten Bereich des Bevölkerungsschutzes vorzulegen. Dieses Konzept soll die rechtlichen Grundlagen und vor allem die Zu- sammenarbeit bzw. die Kompetenzregelungen zwischen Bund und Ländern ausweisen. Nun kommt der gravierende Unterschied zwischen Ihnen von der FDP und uns: Wir wissen und können uns darauf verlassen, dass das Innenministerium unter Herrn Innenminister Dr. Schäuble einen solchen Auftrag nicht nur zur Kenntnis und ernst nimmt, sondern den Auftrag auch zügig umsetzt. Ich will Ihnen nicht unbedingt un- terstellen, dass Sie mit diesem Antrag den Eindruck erwecken möchten, ohne Sie täte sich nichts, oder es be- dürfe Ihres Antrages, um die Regierung auf Trab zu brin- gen. Aber etwas merkwürdig ist Ihre Einlassung schon: Nach einer „Schamfrist“ von etwa vier Wochen setzen Sie sich hin und schreiben das auf, was bereits beschlos- sen und auf den Weg gebracht worden ist. Aber weil wir nett sind, debattieren wir Ihren Antrag heute und nutzen die Gelegenheit, den Menschen in un- serem Land zu sagen, auf welchem Stand der Verhand- lungen wir derzeit sind. Dabei ist besonders bemerkens- wert, dass hier fast ein Kunststück gelungen ist, zu dem man uns eigentlich beglückwünschen müsste: Dank des Verhandlungsgeschicks unseres Innenministers und sei- ner Beamten ist es tatsächlich gelungen, was kaum noch jemand glauben wollte und der vorigen Regierung aus unterschiedlichen Gründen eben nicht gelungen ist, einen Konsens mit den Ländern zu finden! Dabei geht es um die Ausstattung im Katastrophenschutz und die besondere Berücksichtigung des in diesem Bereich anzutreffenden besonders großen ehrenamtlichen En- gagements. Ich freue mich deshalb ganz besonders darüber, weil gerade dieses Engagement der Ehrenamtli- chen in den vergangenen Jahren erheblich in den Hinter- grund getreten war. Zeitweise gab es sogar erhebliche Befürchtungen in Bezug auf die Zukunftsaussichten der Hilfsorganisatio- nen; ich will das hier nicht weiter ausführen. Wie gesagt, Sie wissen genau, dass das Bundesministerium des In- nern längst an einer Reform des Bevölkerungsschutzes arbeitet. Wer den Mitgliedern des Haushaltsausschusses nicht glauben wollte, konnte dies sogar im Behörden Spiegel im vergangenen November nachlesen. Auch die in ihrem Antrag unter II. formulierten Forderungen sind wenig kreativ: Sie wiederholen – fast gleichlautend – die Anre- gungen, die bereits in den Beschlüssen der Innenminis- terkonferenz vom Frühjahr 2007 zu finden sind. Um es zusammenzufassen: Das Bundesinnenministerium arbei- tet aktuell an Eckwerten für einen Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Zivilschutzgesetzes. Bisher regelt Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 15153 (A) (C) (B) (D) das Zivilschutzgesetz nur den Schutz der Bevölkerung in militärischen Krisen und Lagen. Die bestehende Aufga- benteilung zwischen Bund und Ländern – und zwar auf- seiten des Bundes für den Verteidigungsfall und aufseiten der Länder für den Katastrophenschutz – ist heute über- holt. Das liegt darin begründet, dass einerseits der klassi- sche Verteidigungsfall glücklicherweise eher unwahr- scheinlich geworden ist und andererseits die heutigen Herausforderungen und Bedrohungen eher im Bereich der großen Naturkatastrophen bzw. des internationalen Terro- rismus liegen. Diesen aktuellen Herausforderungen wird das geltende Zivilschutzgesetz aber nicht mehr gerecht. So besteht der Bedarf für eine Anpassung des Gesetzes an die eben genannten neuen Bedrohungslagen, wie zum Beispiel ABC-Lagen oder etwa einem Massenanfall von Verletzten bei Katastrophen jeder Art. Die Leistungen des Bundes haben in den vergangenen Jahren bereits den neuen Bedrohungslagen Rechnung getragen. Dieser Anpassungs- und Umstellungsprozess wurde 2002 durch die Innenministerkonferenz in die Wege geleitet, als diese die sogenannte „Neue Strategie“ beschloss. Auf ihrer Frühjahrssitzung 2007 hat die In- nenministerkonferenz die Neuausrichtung des Bundes im Bevölkerungsschutz ausdrücklich begrüßt. Weiterhin forderte sie, dass der Bund zusätzlich zu seiner Zustän- digkeit für den Schutz der Bevölkerung im Verteidi- gungsfall auch die gesetzliche Befugnis erhalten solle, die Länder beim Schutz der Bevölkerung in Fällen terro- ristischer Anschläge sowie bei Naturkatastrophen und Unglücksfällen, die das Gebiet mehr als eines Landes gefährden, zu unterstützen. Genau diesen Forderungen der Landesinnenminister bzw. den neuen Herausforde- rungen wird das neue Gesetz gerecht werden. Fragen hinsichtlich einer Stärkung der Koordinierungskompe- tenz des Bundes bei der Bewältigung von Großkatastro- phen und länderübergreifenden schweren Unglücksfäl- len befinden sich noch in der Abstimmung mit den Ländern. In diesem Zusammenhang gilt es zu berück- sichtigen, dass eine solche länderübergreifende Gefah- renlage ein einziges Bundesland bei der Gesamtkoordi- nation leicht überfordern kann. Daher könnte eine Koordinierungskompetenz des Bundes durchaus eine sinnvolle Ergänzung sein. Mit dem neuen Ausstattungskonzept ist Folgendes vorgesehen: Der Bund zieht sich aus der bisherigen flä- chendeckenden Grundversorgung, wie sie mit Blick auf den traditionellen Verteidigungsfall geboten war, zurück. Dafür konzentriert er sich angesichts aktuell in den Vor- dergrund gerückter neuer Bedrohungslagen auf Spezial- fähigkeiten mit den Schwerpunkten ABC-Schutz und Bewältigung eines Massenanfalls von Verletzten: weg vom Gießkannenprinzip und hin zu einer gefährdungs- orientierten und damit schwerpunktmäßigen Vorsorge für Sonderlagen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich immer dafür stark gemacht, dass der Bund für den Katastrophenschutz eigene Mittel bereithält, um die Länder in ihren Aufgaben zu unterstützen. Grundsätzlich ist Katastrophenschutz zwar Ländersache und damit auch deren Finanzierung, aber es ist eine jahrelang ge- übte Praxis, dass der Bund sich am Katastrophenschutz beteiligt. Wie gesagt, nach anfänglichen Widerständen sind die Länder nun mit diesem neuen Konzept einver- standen. Ihnen werden selbstverständlich Übergangszei- ten eingeräumt, um sich auf die veränderten Unterstüt- zungsleistungen des Bundes einzustellen und für die Bereiche, die der Bund nicht mehr prioritär ansieht, selbst Vorsorge zu treffen. Ich habe es bereits eingangs erwähnt: Ohne die vielen Menschen, die sich tagtäglich in den verschiedenen Hilfsorganisationen freiwillig engagieren und ihre Frei- zeit in Einsätzen und für Übungen opfern, wären alle Ausstattungskonzepte dieser Welt ohne Wert und unsere Gesellschaft ein deutliches Stück ärmer. Dieses ehren- amtliche Engagement gilt es zu erhalten und zu fördern. Gerade dieser Aufgabe fühlt sich die CDU/CSU-Bun- destagsfraktion in besonderem Maße verbunden und auch verpflichtet. Deshalb möchte ich es an dieser Stelle nicht versäumen, meinen ausdrücklichen Dank und vor allem meine Anerkennung allen Ehrenamtlichen für die geleistete, sehr wertvolle Arbeit auszusprechen. Auch unter diesem Aspekt ist mit dem neuen Ausstattungskon- zept eine gute Lösung gefunden worden. Natürlich ist es jeder Fraktion dieses Hauses unbenommen – und erst recht der Opposition –, mit Anträgen die Regierung zum Handeln aufzufordern. Und natürlich nehmen wir Anre- gungen auf und ernst! Dieser Antrag fällt leider nicht in diese Kategorie, weil er das umständlich fordert, was schon längst in der Mache ist. Aber einem guten parla- mentarischen Brauch folgend überweisen wir auch – ei- gentlich unnötige, weil überflüssige – Anträge in den Ausschuss; also auch diesen. Gerold Reichenbach (SPD): Für die Väter des Grundgesetzes war nur eine Situation vorstellbar, in der Infrastruktur und Aufrechterhaltung eines geregelten öf- fentlichen Lebens bundesweit bedroht sind – nämlich der Kriegs- beziehungsweise Verteidigungsfall. Darum ist im Grundgesetz unser Notfallsystem zwei- geteilt: In Friedenszeiten sind die Länder für den Kata- strophenschutz zuständig. Im Verteidigungsfall ist der Bund für den Schutz der Bevölkerung zuständig. Nach dem Ende der Blockkonfrontation hat sich die Bedrohung der Bundesrepublik durch einen umfassen- den militärischen Angriff drastisch reduziert – und damit die Anforderung an den Zivilschutz des Bundes. Spätestens die Elbeflut 2002 aber machte deutlich: Naturkatastrophen können Dimensionen erreichen, die weit über die Grenzen eines Bundeslandes hinausgreifen und deren Bewältigung die gesamte Republik fordert. Dies sind nicht mehr nur seltene Jahrhundertereignisse. Die Auswirkungen des Klimawandels werden zu einer Häufung und Verschärfung von Naturkatastrophen auch bei uns führen. Der Terroranschlag in den USA 2001 zeigt, auch Ge- walt unterhalb der Kriegsschwelle kann verheerende Schäden verursachen. Neue Bedrohungsszenarien und wachsende Verwund- barkeiten in Friedenszeiten treten ins Bewusstsein: Infra- strukturausfälle etwa in der Stromversorgung oder der IT-Kommunikation, Zusammenbruch der Lieferketten – 15154 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 (A) (C) (B) (D) Katastrophen mit bundesweit oder gar europaweit ver- heerenden Auswirkungen. Dabei sind die Ursachen nicht erheblich. Technisches Versagen, Naturkatastrophen, Terroran- schläge oder eine Pandemie können solche Katastrophen auslösen. Ob bei einer Pandemie nun 10 Prozent der Be- völkerung erkranken oder 30 Prozent oder gar 50 Pro- zent und mehr – das Leben der Menschen, das von Just- in-time-Lieferketten, Stromversorgung und Kommuni- kation abhängig geworden ist, wäre zusätzlich zu der Vielzahl von Erkrankten bedroht. Die Bedrohung ist real. Unter Fachleuten ist es keine Frage mehr, ob eine Pandemie kommt, sondern nur wann. Die bestehende Aufgabenteilung zwischen Zivil- schutz als Bundesaufgabe und Katastrophenschutz als reine Länderaufgabe ist historisch überholt. Sie ist zur Bewältigung dieser neuen Bedrohungen ungeeignet. Wir haben ein bewährtes und gutes System zur Be- wältigung der alltäglichen Gefahrenabwehr und zur Be- wältigung von Großschadensereignissen, die ein oder zwei Bundesländer betreffen. Aber auf die Bewältigung solcher Szenarien, die bundesweite Auswirkungen ha- ben, sind wir völlig unzureichend vorbereitet. Es gibt er- hebliche Defizite, etwa bei der Sanitätsversorgung oder den Management- und Führungsfähigkeiten für solche zivilen Großkatastrophen. Diese Defizite werden wir auf der Länderebene alleine nicht beheben können. Es ist kein Zufall, dass nach der Erfahrung des Elbe- hochwassers im Jahre 2002 von der Innenministerkon- ferenz die „Neuen Strategien zum Schutz der Bevölke- rung“ verabschiedet wurden, um länderübergreifende Katastrophenlagen wie die erlebten Überschwemmun- gen besser bewältigen zu können. Die Koordinierung und Kooperation zwischen Bund und Ländern sollte ver- bessert werden. Die jeweilige Verantwortung sollte sich künftig nicht mehr am Anlass – ob Krieg oder Frieden –, sondern an der Schwere des Ereignisses orientieren. Seitdem wartet diese neue Strategie auf ihre Umsetzung – und zwar sowohl was ihre gesetzliche Basis als auch eine gemeinsam abgestimmte Gefährdungsanalyse be- trifft. Wir Sozialdemokraten haben vielfach auf diese Schutzlücken hingewiesen. Die Bemühungen des Bun- des – insbesondere unter der rot-grünen Regierung –, Verantwortung für zivile Katastrophenlagen zu überneh- men, sind bisher am Beharrungsvermögen der Mehrzahl der Länder gescheitert. Unsere Vorschläge dazu in der Föderalismuskommis- sion hat der Verhandlungsführer der Länder, Edmund Stoiber, brüsk zurückgewiesen. Der niedersächsische In- nenministers Schünemann fordert sogar immer wieder, hier jegliche Verantwortung des Bundes zu streichen und alles auf die Länder zu übertragen. Dennoch ist der Bund unter Rot-Grün mit dem BBK, mit DeNiS, mit ABC- Task-Forces usw. immer wieder in Vorleistung getreten. In den Koalitionsvertrag wurde auf Drängen der SPD aufgenommen, dass wir „die Steuerungs- und Koordinie- rungskompetenz des Bundes für die Bewältigung von Großkatastrophen und länderübergreifenden Katastro- phenlagen“ stärken wollen. Wir wollen auf die neuen zi- vilen Bedrohungen vorbereitet sein. Sie stehen zwar nicht so im Fokus der Öffentlichkeit wie der Terroris- mus, aber sie können in ihren Auswirkungen gleichwohl sehr viel schwerwiegender sein. Leider hat Bundes- innenminister Schäuble bislang dieses gemeinsam ver- abredete Ziel gegenüber den Ländern politisch nicht vo- ranbringen können. Gleichwohl bietet der Bund weiter in freiwilliger Vor- leistung Instrumente zur Koordinierung der Länder an. Mit dem BBK treiben wir die Ausrichtung und Vorberei- tung auf länderübergreifende Katastrophen voran. Ich nenne nur die Pandemieübung im Herbst vergangenen Jahres. In sie waren sowohl Bund und Länder als auch die Privatwirtschaft einbezogen. Wir Sozialdemokraten halten es für erforderlich und richtig, dass der Bund auch im zivilen Katastrophen- schutz Verantwortung für die Bewältigung dieser länder- übergreifenden Gefahren übernimmt. Dazu gehört auch die Bereitstellung zusätzlicher Ausstattung und ein Bei- trag zum Erhalt der ehrenamtlichen Strukturen, so wie dies mit den Innenministern der Länder vereinbart wurde. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass der Bundesrechnungshof deutlich moniert hat, dass dafür die gegenwärtige Rechtsgrundlage nicht ausreicht. Das Grundgesetz beschränkt die Verantwortung des Bundes auf den Schutz der Zivilbevölkerung im Verteidigungs- fall. Damit diese fehlende gesetzliche Kompetenzklärung zwischen Bund und Ländern nicht zulasten der notwen- digen Anstrengung und der betroffenen ehrenamtlichen Helfer geht, hat der Haushaltsausschuss die entsprechen- den Mittel für 2008 in den Haushalt eingestellt; dies aber unter dem Vorbehalt eines Begleitbeschlusses, der die Bundesregierung auffordert, die notwendige gesetzliche Grundlage zu schaffen. Ansonsten ist die Weiterfinan- zierung gefährdet. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat ebenfalls deutlich gemacht: Dazu brauchen wir eine entsprechende Anpassung der Aufgabenzuweisung im Grundgesetz. Wir haben bereits den Auftrag. Das sollten wir ernst nehmen, und dazu bedarf es des Antrages der FDP, dem ich in seiner inhaltlichen Beschreibung ja nur zustimmen kann, nicht! Herr Kollege Wolff, überzeugen Sie Ihren Parteikolle- gen und nordrhein-westfälischen Innenminister von der Notwendigkeit dessen, was sie in Ihrem Antrag be- schreiben! Der Landesinnenminister des bevölkerungs- reichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Dr. Ingo Wolf, partei- und namensgleich mit Ihnen, lehnt dies bis- lang strikt ab. Auf dem Katastrophenschutzkongress des Jahres 2006 verstieg er sich sogar zu der Ansicht, dass der Bund für den Schutz der Bevölkerung überflüssig wäre. Die Bundesregierung dazu aufzufordern und in eige- ner Regierungsverantwortung dagegenzuarbeiten, die- ser Spagat der FDP hilft den Menschen und der Sicher- heit in unserem Land nicht weiter. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 15155 (A) (C) (B) (D) Es geht nicht darum, den Ländern Kompetenzen zu entziehen. Sie sollen weiterhin die volle Verantwortung für den Katastrophenschutz tragen, und zwar nicht nur rechtlich, sondern auch materiell. Der Bund soll nicht in die Länder hineinregieren. Er soll vielmehr in die be- währte subsidiäre Systematik des zivilen Katastrophen- schutzes eingebunden werden – mit eigenen Anstren- gungen und klarer Verantwortung. Es ist auch und gerade im Interesse der vielen ehren- und hauptamtlichen Helferinnen und Helfer und der Hilfsorganisationen, dass die Verantwortung des Bundes für zivile länderübergreifende Katastrophenlagen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird, die auch für sie verlässlich ist. Sie leisten eine hervorragende Arbeit, allein ausge- richtet an dem Ziel eines bestmöglichen Schutzes der Bevölkerung. Die Helferinnen und Helfer sowie unsere Bevölkerung haben wenig Verständnis dafür, dass dieses Ziel unter der Verteidigung von Kompetenzerbhöfen lei- det. Wir haben die Pflicht, den Bevölkerungs- und Kata- strophenschutz auf die neuen Bedrohungslagen auszu- richten und dies entsprechend im Grundgesetz abzusi- chern. Die volle Unterstützung der SPD haben Sie dazu. Lassen Sie uns das gemeinsam angehen! Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Der Schutz der Bevölkerung vor Katastrophen und Unglücksfällen ist eine der grundlegenden Aufgaben des Staates. Dies darf in der aktuellen Debatte um immer neue Sicherheitsge- setze nicht vergessen werden. Im Gegenteil: Wir brau- chen im Bevölkerungsschutz dringend eine Modernisie- rung, um den Herausforderungen besser Herr werden zu können. Sicherheit entsteht nicht durch Gesetze, sondern durch gut ausgebildete und ausgerüstete Kräfte. Nach dem Sommerhochwasser 2002 sowie aufgrund der Risiken bei kritischen Infrastrukturen ist es offen- sichtlich: Bei bestimmten überregionalen Naturereignis- sen oder von Menschen verursachten Unglücksfällen können Gefahren für die Bevölkerung auftreten, denen mit gesamtstaatlichen Maßnahmen begegnet werden muss. Die bestehende Zweiteilung in den Zivilschutz im Verteidigungsfall und Katastrophenschutz im Frieden bedarf einer Neuordnung. Der bisherige Dualismus von Zivil- und Katastrophenschutz muss überwunden und die Zuständigkeit klar geregelt werden. Hierfür am bes- ten geeignet ist ein von Bund und Ländern gemeinsam getragenes, einheitliches Bevölkerungsschutzsystem mit allein am Schadensausmaß und an den schnellsten und besten Reaktionsmöglichkeiten ausgerichteten Zustän- digkeiten und Verantwortlichkeiten. Die bislang praktizierte Zuweisung von Zuständigkei- ten nach der Schadensursache wird der Lage nicht länger gerecht. Zum Zeitpunkt einer notwendigen Gefahren- abwehr kann nicht die Ursachenforschung höchste Prio- rität haben, um Zuständigkeitsfragen zu klären. Hier muss einfach und schnell geholfen werden. Daher ist eine Aufgabenverteilung anzustreben, bei der die Zuständigkeit für lokale Schadensereignisse im Rahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr bei den Kom- munen bzw. beim Land, die Zuständigkeit für Großscha- densereignisse innerhalb eines Bundeslandes ohne wei- tere Auswirkungen auf das Bundesgebiet bei den Ländern und die Zuständigkeit für außerordentliche bun- desweite Schadenslagen sowie für länderübergreifende Großschadenslagen beim Bund liegt. Innerhalb dieses Rahmens ist die Ressourcenverantwortung zu regeln, um effektiv und schnellstmöglich helfen zu können. Ein neues, zeitgemäßes Ausstattungskonzept ist dabei ohne einen schlagkräftigen und wirkungsvollen Beitrag des Bundes nicht denkbar. Die Konzentration des Bun- des auf die Bereitstellung von Spezialressourcen für „Sonderlagen“ darf nicht zu einem schleichenden Rück- zug des Bundes aus der Fläche führen. Die Verteilung der Ressourcen hat vielmehr dergestalt zu erfolgen, dass eine zeitnahe Reaktion auf Ereignisse an jedem Ort in Deutschland sichergestellt ist. Dabei ist die Frage nach der Rechtsgrundlage auch für die Bundesleistungen im Bereich Ausstattung, wie sie vom Deutschen Bundestag und dem Bundesrechnungshof aufgeworfen worden ist, abschließend und eindeutig zu klären. Darüber hinaus sind die ehrenamtlichen Strukturen im Katastrophenschutz mindestens im bisherigen Umfange unbedingt aufrecht zu erhalten. Das ehrenamtliche En- gagement ist die bürgerschaftliche Grundlage für die Si- cherheit aller Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und die tragende personelle Infrastrukturkomponente des Bevölkerungsschutzes. Zur langfristigen Sicherung und Stärkung des ehrenamtlichen Engagements bedarf es eines zukunftsorientierten, tragfähigen Konzepts. Hier müssen alle Träger, Bund, Land und Kommunen, zu- sammenarbeiten. Hierzu zählen insbesondere eine Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit für die Förderung des Ehrenamtes, die Harmonisierung und Verbesserung helferrechtlicher, auch steuerrechtlicher Regelungen in Bund und Ländern sowie die verstärkte Zusammenarbeit mit den Arbeitge- bern ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer. Ein weiteres Ziel ist es, mehr Frauen und auch mehr Migrantinnen und Migranten für das Ehrenamt im Zivil- und Katastrophenschutz zu gewinnen. Ich begrüße nach- drücklich, dass der Präsident des Deutschen Feuerwehr- verbandes, Kröger, nach der tragischen Brandkatastro- phe in Ludwigshafen sich zu diesem Ziel bekannt hat. Zur weiteren Qualitätssteigerung muss die Ausbil- dung im Bevölkerungsschutz verbessert werden. Auch die Forschung zum Bevölkerungsschutz kann zur Ver- besserung der Vorsorge im Katastrophenfall beitragen. Hier wäre etwa neuen Risikomanagementmethoden be- sondere Aufmerksamkeit zu schenken. Dabei können auch betriebswirtschaftliche Methoden zur Vermeidung von Geschäftsrisiken geeignet sein, das Katastrophen- verwaltungsrecht zu optimieren. Die FDP ist überzeugt: Die ehrenamtlichen und die professionellen Helferinnen von THW und Feuerweh- 15156 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 (A) (C) (B) (D) ren, von Rettungsdiensten und anderen Hilfsorganisatio- nen leisten ausgezeichnete Arbeit. Wir als Parlamentarier sind aufgefordert, die rechtli- chen Rahmenbedingungen für ein zukunftsorientiertes Bevölkerungsschutzsystem zu setzen. Jan Korte (DIE LINKE): Ich begrüße es ausdrück- lich, dass wir durch den Antrag der FDP-Fraktion einmal die Möglichkeit haben, über den Bevölkerungs- und Ka- tastrophenschutz zu debattieren, ohne gleich über den Einsatz der Bundeswehr im Innern streiten zu müssen. Zum Antrag: Aus Sicht der Linken ist der vorliegende Antrag sinnvoll und in seiner Zielstellung zu unterstüt- zen. Es ist richtig, ein einheitliches Bevölkerungsschutz- system einzurichten und Zuständigkeiten endlich ein- deutig zu regeln. Dies ist bisher nicht der Fall. Die Kolleginnen und Kollegen stellen vollkommen richtig dar, dass es notwendig ist, zukünftig ein einheitliches Bevölkerungsschutzsystem mit allein am Schadensmaß ausgerichteten Zuständigkeiten und Verantwortlichkei- ten aufzubauen. Die bislang vorgenommene Zuweisung von Verantwortlichkeiten nach der Schadensursache muss der Vergangenheit angehören. Es ist deshalb wichtig, diese Fragen breit zu diskutie- ren, mit den Kommunen, den Ländern und dem Bund so- wie den Verbänden und Vereinen. Ergebnis dieser Neu- justierung des Bevölkerungsschutzes darf jedoch nicht sein, dass sich der Bund aus der Verantwortung stiehlt, vielmehr muss es darum gehen, die Mitfinanzierung des Bevölkerungsschutzes durch den Bund klar zu regeln und die Basisausstattungen der Bevölkerungsschutzein- richtungen zu verbessern. Im Vordergrund müssen dabei folgende Parameter stehen: Erstens muss die Einsatzbereitschaft vor Ort er- halten und ausgebaut werden. Zum Zweiten müssen wir uns darum bemühen, wieder mehr junge Menschen an den ehrenamtlichen Bevölkerungsschutz heranzuführen. In den vielen Gesprächen, die ich vor Ort in meinem Wahlkreis und in Sachsen-Anhalt mit freiwilligen Feuer- wehren, dem THW und weiteren Einrichtungen geführt habe, wurde mir immer wieder bedeutet, dass die derzei- tigen Kernprobleme neben den Regelungen der Zustän- digkeiten vor allem in der materiellen und finanziellen Ausstattung und dem nachlassenden ehrenamtlichen Engagement der Menschen vor Ort liegen. Und die Probleme sind uns doch seit langem bekannt. Vor wenigen Wochen haben wir hier im Bundestag über die Neuordnung der Wahlkreise debattiert. Darin wurde unter anderem entschieden, dass das Bundesland Sach- sen-Anhalt aufgrund der sinkenden Bevölkerungsent- wicklung einen Wahlkreis verliert. Die Abwanderung vor allem junger Menschen aus dem Osten der Republik hält an. Es mag ja sein, dass mit der Beschlussfassung über die neue Wahlkreisstruktur eine Übergangslösung für die Abwanderung aus dem Osten gefunden wurde. Für den Bevölkerungsschutz und die Strukturen vor Ort freilich ist dies natürlich keine Lösung. Hier müssen an- dere, langfristige Lösungen gefunden und neue Anreize für ehrenamtliches Engagement gegeben werden. Die Linke hat dieses Thema mehrfach auch in diesem Hause wie auch in allen ostdeutschen Landtagen angesprochen und mit Anfragen und Anträgen inhaltlich untersetzt. Es ist also an der Zeit, partei- und fraktionsübergreifend endlich praktikable Lösungen hierfür zu finden. Aber auch das spricht der vorliegende Antrag an. Deshalb sollte aus unserer Sicht diesem auch entsprochen wer- den. Die Stärkung des Bevölkerungsschutzes und des eh- renamtlichen Engagements in diesem wird aber immer dann ad absurdum geführt, wenn unser Sicherheitsminis- ter ohne Uniform den Einsatz selbiger zu Hunderten im Innern fordert. Es ist eben nicht nachvollziehbar, die Bundeswehr im Innern einsetzen zu wollen. Weder aus Sicht des Bevölkerungsschutzes noch aus Sicht der Stär- kung und der Finanzierung des ehrenamtlichen Engage- ments oder im Hinblick auf das deutsche Grundgesetz. Zum Schluss noch eine Bemerkung, die leider in dem Antrag der FDP keinen Eingang gefunden hat, aber viel- leicht hätte dies auch zu weit geführt. Gerade an dem Beispiel des Bevölkerungsschutzes und des ehrenamtli- chen Engagements in diesem wird deutlich, wie sehr doch die Verteidigung sozialer und politischer Rechte zusammenhängen. Man kann meiner Meinung nach nicht über die Stärkung des Ehrenamts debattieren und gleichzeitig über Hartz IV das persönliche und indivi- duelle Engagement ver- oder zumindest behindern. Ein Diskurs über das Ehrenamt und über die Sicherheit in Deutschland muss deshalb auch vor dem Hintergrund der deutschen Sozialpolitik geführt werden. Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Thema Bevölkerungsschutz braucht ei- nen gesamtgesellschaftlichen Ansatz, und wir sind uns alle einig: Angesichts der zunehmenden Risiken braucht der Bevölkerungsschutz in Deutschland aber auch in Eu- ropa neue Strategien. Die Zunahme extremer Wetterla- gen, bedingt durch den Klimawandel, die Gefahren von Pandemien durch aggressive Viren, die Gefahren durch Risikotechnologien wie die Atomkraft oder die Bedro- hung durch den internationalen Terrorismus fordern von einer verantwortlichen Politik nicht nur neue Konzepte im Bereich der inneren Sicherheit, sondern auch im Be- reich der öffentlichen Sicherheit. Ein moderner Bevölkerungsschutz muss auf drei Säu- len gestellt werden: Erstens. Die Selbsthilfekräfte der Bevölkerung müssen gestärkt werden, und angesichts des demografischen Wandels brauchen wir Konzepte, die das ehrenamtliche Engagement fördern und stärken. Zweitens. Die staatlichen Ressourcen müssen gebündelt werden; wir brauchen ein modernes Bevölkerungs- schutzgesetz und den Abbau der föderalen Hemmnisse. Drittens. Kritische Infrastrukturen wie Mobilität, Ener- gieversorgung und Kommunikation sind weitgehend pri- vatisiert. Der Sicherstellungsauftrag der Wirtschaft muss neu definiert werden. Wir haben im Bundestag ein fraktionsübergreifendes Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit eingerichtet. Hier arbeiten Politiker, Experten und Verbände aus dem Be- völkerungsschutz und die Wirtschaft in Arbeitsgruppen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 15157 (A) (C) (B) (D) und Foren zusammen, um in einem Konsensverfahren neue Strategien im Bereich der öffentlichen Sicherheit zu entwickeln. Noch vor der Sommerpause soll ein „Grünbuch öffentliche Sicherheit“ mit Analysen, Leit- fragen und Lösungsansätzen der Öffentlichkeit vorge- stellt werden. Lassen Sie mich sagen: Ich bedaure, dass die Bundes- tagsfraktion der FDP zu diesem Zeitpunkt mit einem An- trag zum Bevölkerungsschutz kommt. Lassen Sie uns doch fair miteinander umgehen und die Vorstellung des Grünbuches abwarten! Danach ist der richtige Zeitpunkt, aus den Bundestagsfraktionen zu erklären, welche Ant- worten wir aus der Politik geben. In der FDP heulen ja bekanntlich mehrere Wölfe: Hartfrid Wolff, der MdB, der hier heute den Antrag der Bundestagsfraktion der FDP mit der Forderung nach ei- nem einheitlichen Bevölkerungsschutzgesetz vorstellt, und Ingo Wolf, der Innenminister der FDP aus NRW, der genau dies vehement behindert. Genau hier liegt das Hauptproblem. Der Föderalismus in Deutschland ist ein Hemmnis für den Aufbau eines modernen Bevölke- rungsschutzes in Deutschland. Ohne Grundgesetzände- rung werden wir nicht zu einer vernünftigen Lösung kommen. Wir sind seit Jahren nicht in der Lage, die völlig ver- alteten Katastrophenschutz- und Zivilschutzgesetze in ein einheitliches Bevölkerungsschutzgesetz umzuwan- deln, weil die Länder hier aus machtpolitischen Gründen in unverantwortlicher Weise mauern. Dies hat zur Folge, dass es keinen Überblick über die vorhandenen Kapazi- täten gibt. Dies hat auch zur Folge, dass die Anschaffung von Feuerwehrfahrzeugen zu einem permanenten Fi- nanzstreit zwischen Kommunen, Ländern und Bund führt. Eine gemeinsame Kommunikation bei länderüber- greifenden Großlagen existiert nach wie vor nur auf dem Papier. Am Beispiel BOS-Digitalfunk wird deutlich, wie teuer und unsinnig der Föderalismus im Bereich der öf- fentlichen Sicherheit ist. In keinem europäischen Land hat die Einführung des BOS-Digitalfunks so lange ge- dauert wie in Deutschland, und in keinem anderen euro- päischen Land ist die Umsetzung so teuer wie in Deutschland. Die Länder zwingen den Bund zu völlig unsinnigen Organisationsstrukturen, wie die Einrichtung einer Bund-Länder-Anstalt. Jedes Bundesland entwickelt ein eigenes Leitstellen- konzept. Aber damit nicht genug: Es gibt auch Bundes- länder, die mehrere Leitstellenkonzepte haben. Die tech- nischen Systeme sind nicht miteinander kompatibel. Diese Kleinstaaterei führt nicht nur zu erheblichen Schutzlücken, sie ist auch ein gravierender Nachteil für die deutsche Wirtschaft. Auf dem Sicherheitsmarkt, der einer der am stärksten wachsenden Märkte weltweit ist, spielen deutsche Unternehmen keine Rolle, weil es keine vernünftigen Referenzanwendungen im eigenen Land gibt. Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Der FDP-Antrag trifft nur einen kleinen, allen bekannten Teilbereich des umfassenden Problems. Die FDP in den Landesregierun- gen ist Teil des Problems. Einen Lösungsansatz hat die FDP nicht zu bieten. Die Debatte um den Antrag ist so überflüssig wie der Antrag selbst. Wir werden uns weiter konstruktiv an dem Prozess im Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit beteiligen und das Grünbuch abwarten, um dann auf einer fundierten Grundlage Konzepte für die Modernisierung des Bevöl- kerungsschutzes in Deutschland vorzulegen. Wir werden auch die Analysen und Strategien aufgreifen, die im April auf der RisiKA, der Messe für Krisenmanagement von Naturereignissen, vorgestellt werden. Zu vernünfti- gen Lösungen werden wir nur mit einem gesamtgesell- schaftlichen Ansatz kommen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Rechtsanspruch auf Mieterberatung für Menschen mit geringem Einkommen (Ta- gesordnungspunkt 27) Heinz-Peter Haustein (FDP): In dem Antrag der Linken, der hier zur Debatte steht, wird ein Rechtsan- spruch auf Mieterberatung für Menschen mit geringem Einkommen verlangt. Die Linken begründen die Not- wendigkeit zur Einführung dieser Regelung damit, dass die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Nebenkosten- abrechnungen oder Mieterhöhungen häufig bei den Kos- tenträgern nicht vorgenommen wird, sondern dass die Mieterhöhungen oder Nebenkostenabrechnungen ein- fach so übernommen werden. Insofern, so die Logik der Linken, würde der gesetzlich verankerte Anspruch auf eine Mieterberatung zu einem effizienten Einsatz staatli- cher Mittel beitragen. Man mag ja geneigt sein, dem zuzustimmen; denn „effizient“ klingt ja gut. Und einen wirtschaftlichen Staat, der effizient arbeitet, findet jeder gut. Nur ist es so, dass uns die Erfahrung gelehrt hat, dass wir immer auf der Hut sein müssen, wenn uns die Linken etwas von effizientem Wirtschaften vorträgt. So auch hier: Was uns nämlich als notwendige Maßnahme der Steigerung der Effizienz verkauft wird, ist ja tatsächlich doch wieder eine Ausweitung der Staatstätigkeit. So eine Regelung brauchen wir nicht. Der Staat und mit ihm die Träger der „Kosten der Un- terkunft“ sind ohnehin schon zur Effizienz verpflichtet. Wo nicht auf Minimierung der Ausgaben geachtet wird, ist dies höchstens ein Fall für die die Fachaufsicht aus- übende Stelle und letztlich für die Rechnungshöfe. Ferner führen die Linken in ihrem Antrag zur Begrün- dung an, der Anspruch auf eine Mietrechtsberatung sei „aus rechtsstaatlichen Gründen“ zu befürworten. Es wird suggeriert, es gäbe eine „Gerechtigkeitslücke“. Dem ist jedoch nicht so. Wie ausgeführt, sind die Kostenträger ohnehin zu wirtschaftlichem Handeln verpflichtet. Da- rüber hinaus schreiben die Linken in ihrem Antrag selbst, dass es längst Praxis der Sozialämter ist, für die Mieter den Mitgliedsbeitrag für den Mieterverein zu 15158 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 (A) (C) (B) (D) übernehmen. Wenn also der Mieter Interesse an der Überprüfung seiner Nebenkostenabrechnung oder seiner Mieterhöhung hat, so kann er sich auch heute schon Hilfe beim Mieterverein holen. Völlig kostenlos aber kann er auch beim Kostenträger auf eine Überprüfung drängen. Das müsste der erste Schritt sein. Der Mieter kann sich auch kostenlos in zahlreichen Internetforen informieren. Auch auf die Möglichkeit, Prozesskosten- hilfe zu erhalten, muss hier ausdrücklich hingewiesen werden. Von einem Mangel kann hier also nicht gespro- chen werden. Dem mündigen Bürger sind also längst ausreichend Möglichkeiten an die Hand gegeben. Und wo der Staat bei der Überprüfung von Mieterhöhungen und Sonsti- gem untätig bleibt, also unwirtschaftlich handelt, ist das der Beweis dafür, dass staatliches Handeln immer teurer ist als alles andere. Es ist nicht die Begründung für eine neue gesetzliche Regelung. Die Logik der Linken ist ja grotesk: Weil der Staat versagt, brauchen wir mehr Staat. So ja nicht, meine Damen und Herren. Wo es so ist, wie die Linken sagen, wo die Nebenkostenabrechnungen und Mieterhöhungen nicht ausreichend überprüft wer- den, muss den Verantwortlichen auf die Finger geklopft werden und auf die Einhaltung der Vorschriften gedrängt werden. Nichts anderes. Das Gegenteil ist der Fall: Nicht momentan besteht eine Gerechtigkeitslücke, sondern es würde eine ge- schaffen, wenn man jetzt diesen Anspruch auf Miet- rechtsberatung einführte, wie von den Linken beantragt. Wo will man die Grenze ziehen? Wer soll denn die Bera- tung erhalten und wer nicht, und warum? Es müsste doch der schwer arbeitende Geringverdiener fragen, wa- rum er nun wieder gerade nicht mehr in den Genuss des Anspruchs auf Beratung kommt? Selbst wenn ich einen Mangel anerkennen würde, könnte der Vorschlag der Linken nicht die Lösung sein. Die einzige Lösung ist und bleibt der mündige Bürger, der sich über die Korrektheit seiner Mieterhöhungen und Nebenkostenabrechnungen informiert. Und die Lösung ist nach wie vor der Staat, der wirtschaftlich arbeitet und seiner Pflicht nachkommt, seine Ausgaben niedrig zu halten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Insofern können wir den Antrag der Linken nur ablehnen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Für ein Gesamtkonzept zur Einrichtung von EU-Agenturen – Gerichtliche und parlamentarische Kon- trolle von EU-Agenturen (Tagesordnungspunkt 28 und Zusatztagesord- nungspunkt 7) Veronika Bellmann (CDU/CSU): Die in den letzten Jahren drastisch gestiegene Anzahl von europäischen Agenturen bereitet Anlass zu großer Besorgnis. Ich halte es für unbedingt erforderlich, dass wir diesbezüglich die Bundesregierung in die Pflicht nehmen und in unserer Rolle als nationales Parlament unmissverständlich Stel- lung beziehen. Daher begrüße ich die heutige Debatte zum Thema ausdrücklich. Es ist unbestritten, dass mit der Übertragung von na- tionalen Kompetenzen auf die europäische Ebene gleich- zeitig ein gesteigertes Maß an Koordination innerhalb der EU notwendig geworden ist. Daher mag auch die Auslagerung der Wahrnehmung europäischer Aufgaben auf dezentral errichtete Agenturen in einzelnen Teilbe- reichen sinnvoll und auch effizient sein. Der inflationären Art und Weise jedoch, wie in jüngs- ter Vergangenheit diverse Agenturen und Beobachtungs- stellen beschlossen und EU-weit aus dem Boden ge- stampft worden sind, müssen wir entschieden entgegentreten. Vielfach ist die Einrichtung von Agentu- ren eben nicht durch ein Aufgabenbedürfnis der EU zu begründen, sondern entspringt dem Wunsch nach geo- grafischer Streuung von EU-Einrichtungen in den Mit- gliedstaaten. Eine grundlegende Konzeption ist bei die- sem „Agenturunwesen“ nicht erkennbar. Ich nenne an dieser Stelle nur das Stichwort „Agentur für Grund- rechte“. Vielfach sind mit der Einrichtung derartiger Institu- tionen Doppelstrukturen entstanden, die unter finanziel- len und bürokratischen Gesichtspunkten nicht zu recht- fertigen sind. Komplizierte Organisationsformen tragen zur wachsenden Unübersichtlichkeit bei, und Kollisio- nen mit dem Subsidiaritätsprinzip bleiben völlig unge- ahndet. Wir geben uns zudem einem uferlosen Unterfangen hin, wenn wir die Schaffung von neuen Agenturen und Beobachtungsstellen, verstreut über das gesamte Gebiet der EU, mit einer größeren Bürgernähe begründen wol- len. Wie viele Agenturen soll dann jeder Mitgliedstaat erhalten? Die Resonanz bei der Bevölkerung sieht dage- gen völlig anders aus. Wenn solche Einrichtungen von den Bürgern überhaupt wahrgenommen werden, dann als bürokratischer „Monsterapparat“, der mit Geldern aus den einzelnen Mitgliedstaaten in beliebigem Aus- maß gefüttert wird. Der Appell geht in erster Linie auch an den Europäischen Rat, in welchem sich die Mitglied- staaten mit der Einrichtung solcher Institutionen so man- che Zustimmung zu bestimmten Paketlösungen versüßen lassen. Das kann nicht der Stil transparenter demokrati- scher Politik sein! Da die Gemeinschaftsagenturen lediglich zur Entlas- tung ihrer Verwaltungshaushalte rechenschaftspflichtig sind, entziehen sich die Sinnhaftigkeit ihrer Mandats- wahrnehmung sowie die Details ihrer Finanzierung allzu oft einer gründlichen Überprüfung. Ich stimme mit den Antragstellern in ihrem Anliegen insoweit überein, dass die Agenturen einer wesentlich effizienteren und restrik- tiveren Kontrolle unterliegen müssen. Die Forderung an die Bundesregierung, dem Deut- schen Bundestag ein Gesamtkonzept zu EU-Agenturen vorzulegen, löst jedoch nicht das eigentliche Problem. Für eine solche Vorlage fehlt der Regierung auch das Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 15159 (A) (C) (B) (D) Initiativrecht im Europäischen Rat. Vielmehr hat uns das Beispiel Grundrechteagentur eines deutlich vor Augen geführt: dass es nämlich an einem Konzept fehlt, wie Bundesregierung und Parlament bei solchen Fragenstel- lungen zusammenarbeiten sollten. Die Position des Deutschen Bundestages muss in den Verhandlungen auf europäischer Ebene eine deutlich größere Berücksichti- gung finden. Dazu müssen wir die Bundesregierung in die Pflicht nehmen. Sie muss ihrem eigenen, immer wie- der betonten Bedenken gegenüber den EU-Agenturen endlich auch Taten folgen lassen. Der Beschluss zur Er- richtung der Grundrechteagentur muss eine absolute Ausnahme bleiben. Als Grundlage für ein erfolgreiches Vorgehen bedarf es einer gründlichen und transparenten Kosten-Nutzen- Analyse für alle zur Gründung anstehenden EU-Agentu- ren. Bereits bestehende Verwaltungsstellen müssen re- gelmäßig hinsichtlich der effizienten Erfüllung ihrer Zielvorgaben überprüft werden und bei negativen Ergeb- nissen wieder abgebaut werden. Ein von der Bundesre- gierung einseitig entwickeltes Gesamtkonzept hingegen führt uns nicht ans Ziel. Aus diesem Grunde werden wir diese Forderung aus dem zur Debatte stehenden Antrag der Grünen nicht unterstützen. Zu vielen anderen Aspek- ten könnte ich mir vorstellen, zu einem Konsens mit an- deren Fraktionen zu kommen. Ein fraktionsübergreifen- der Antrag wäre eine sehr starke Antwort des Deutschen Bundestages auf die Frage nach den Agenturen. Eduard Lintner (CDU/CSU): Es ist schon bemer- kenswert, was sich in der EU über die Jahre hinweg alles an Agenturen angesammelt hat. Man kann schon, ohne polemisch zu sein, von einem „Wildwuchs“ sprechen, denn offenbar ist es schon nicht mehr möglich, sich auf die genaue Zahl der vorhandenen Agenturen zu einigen. In der Tageszeitung Die Welt war am 10. Januar zu lesen, es gebe 23 EU-Agenturen, häufig hört man die Zahl 31, und zählt man die im Internet unter dem Stichwort „Agenturen der EU“ aufgezählten Einrichtungen zusam- men, so kommt man auf sage und schreibe 36 Agentu- ren. Es ist also durchaus berechtigt, wie es der Kollege Silberhorn einmal formuliert hat, von einer „Agenturi- tis“ der EU zu sprechen. Und weil es sich dabei um Ein- richtungen handelt, die immerhin einen jährlichen Fi- nanzaufwand von etwa 1,3 Milliarden Euro erfordern und mittlerweile fast 4 000 Mitarbeiter zählen, ist es durchaus berechtigt, dass sich der Deutsche Bundestag heute des Themas annimmt. Natürlich ist nicht jede Agentur eine Fehlkonstruktion oder überflüssig, aber viele Agenturen befassen sich mit eng benachbarten oder sogar gleichgerichteten Tätig- keitsfeldern. Hier wäre Konzentration und Präzisierung wünschenswert. So gibt es eine europäische „Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz“ und zugleich eine „Europäische Stiftung zur Verbesse- rung der Lebens- und Arbeitsbedingungen“, oder neben- einander existieren zum Beispiel eine „Europäische Stif- tung für Berufsbildung“ und ein „Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung“. Darüber hinaus, und hier wird es kontraproduktiv und damit bedenklich, sind Agenturen eingerichtet worden, deren Tätigkeit zwangsläufig in die über Jahre hin be- währte Arbeit von anderen europäischen Institutionen eingreift, die sich durch gute Arbeit große und weltweite Reputation erarbeitet haben. Das gilt zum Beispiel für die erst kürzlich gegen den heftigen Widerstand des Deutschen Bundestages in Wien etablierte „Europäische Agentur für Grundrechte“. Sie soll auf einem Feld tätig werden, das bislang vom Europarat und insbesondere von seinem Europäischen Gerichtshof für Menschen- rechte in Straßburg abgedeckt worden ist, mit großem Echo in den 47 Mitgliedstaaten des Europarats. Der Ge- richtshof ist für viele der insgesamt ca. 800 Millionen Menschen in diesen Ländern ein echter Hoffnungsträger. der häufig der letzte Rettungsanker im Kampf um die Beachtung der Menschenrechte ist. Seit seinem Beste- hen sind Hunderttausende von Klagen beim Gerichtshof eingereicht worden. Und dass heute ein Rückstau von etwa 100 000 Fällen besteht, an dem der Gerichtshof zu ersticken droht, zeigt seine große konkrete Bedeutung. Es wäre deshalb sinnvoller gewesen, die EU hätte sich beim Gerichtshof finanziell und gegebenenfalls perso- nell engagiert, um ihm und damit den betroffenen Men- schen aus der Bredouille zu helfen, statt mit der Grün- dung einer Agentur unnötige und teure Doppelstrukturen zu schaffen. Zwar wird jetzt durch vertragliche Verein- barungen versucht, das Nebeneinander reibungslos zu gestalten, aber dennoch besteht die Gefahr der Verwäs- serung von Standards durch unterschiedliche Akzentuie- rungen. Sorgen bereiten muss auch die Tatsache, dass die EU- Agenturen als selbstständige Institutionen konstruiert sind, sodass sie sich praktisch einer unmittelbaren Kon- trolle durch das Europäische Parlament oder den Rat ent- ziehen. Sie nehmen also an der staatsrechtlich gebotenen Gewaltenteilung gar nicht teil. Sie sind Instrumente der Kommission, entfalten ihr Wirken am Parlament vorbei und sind längst über die ursprüngliche Zielsetzung einer Agentur, nämlich der „Ausübung ganz bestimmter tech- nischer, wissenschaftlicher und verwaltungstechnischer Aufgaben“ zu dienen, hinausgewachsen, treiben konkret Politik oder gestalten sie inhaltlich und sind an der Um- setzung beteiligt, ohne einer wirksamen Kontrolle unter- worfen zu sein. Zwar sind die Rechte des Parlaments in diesem Zusammenhang kürzlich gestärkt worden, aber von einer „parlamentarischen Kontrolle“ kann dennoch nicht gesprochen werden. Leider gilt auch hier die alte Lebenserfahrung, dass einmal Geschaffenes nicht so leicht wieder abgeschafft werden kann. Dennoch sollte sich die EU dazu durchrin- gen, zu überprüfen, ob nicht manche dieser Agenturen wieder aufgegeben werden können und ob Zusammen- fassungen möglich sind. In jedem Fall sollte aber der mittlerweile leider verfestigte unselige Brauch schnells- tens unterbunden werden, dass jede Ratspräsidentschaft sich eine neue Agentur ausdenkt und die übrigen Mit- gliedsländer dies solidarisch abnicken. Ein solcher Um- gang mit Prinzipien und vor allem auch eine solch groß- zügige Umgangsweise mit dem Geld der Bürger ist nicht zu rechtfertigen und trägt nur zur Verstärkung der Aver- 15160 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 (A) (C) (B) (D) sionen gegen die schon heute allgemein als ausufernd verschriene europäische Bürokratie bei. Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Komplizierte euro- päische Zusammenhänge erfordern eine differenzierte Betrachtungsweise, um angemessene Antworten zu ge- ben. Die Frage der EU-Agenturen ist dafür ein Beispiel – und zwar in jeder Hinsicht. Es zeigt, dass leider einige in diesem Hause das Ganze populistisch verpacken und deutsche Sichtweisen voranstellen, während Betroffen- heiten anderer EU-Mitgliedstaaten völlig außen vor ge- lassen werden. Im Einzelnen: Erstens. Wir wollen ein föderales Europa, keine „Zen- trale“ in Brüssel. Damit ist völlig klar, dass auch die Ver- waltung sachlich wie örtlich nicht an einer Stelle kon- zentriert werden kann. Ein Prinzip, das für uns in Deutschland gilt und das wir im Rahmen eines über sechs Jahrzehnte insgesamt erfolgreichen Föderalismus praktiziert haben, muss auch ein Maßstab für unsere europäische Beurteilung sein. Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Staat wie Deutschland mit insgesamt 83 obersten Bundesbehörden und Bundesoberbehörden darf nicht in der EU so auftreten, als würden wir jede neue EU-Agentur rundweg ablehnen. Ganz im Gegen- teil: Wir sind die Letzten, die dazu moralisch legitimiert wären! Da Politik eine Frage des guten Gedächtnisses ist – wie Kurt Schumacher schon zu Recht bemerkte –, soll- ten wir uns anständigerweise ins Gedächtnis rufen: Die wichtigste institutionelle Neugründung in der EG/EU war das europäische Währungsinstitut – daraus entstand die Europäische Zentralbank; heute eine mäch- tige Institution in Europa. Ihr Sitz: Frankfurt am Main. Keine Partei in Deutschland hätte dem Euro zugestimmt, wenn dies anders wäre. Die europäische Agentur für Flugsicherung erfüllt un- bestreitbar wichtige Aufgaben. Unser Land hatte auch aus verkehrspolitischen Gründen ein großes Interesse daran, diese Behörde in Deutschland anzusiedeln. Sie residiert in Köln, wie jeder weiß. Das zeigt: Wir dürfen keinesfalls den Eindruck ver- mitteln, nachdem Deutschland zu den Mitgliedsländern mit der besten Infrastruktur an EU-Einrichtungen gehört, dass es jetzt das Mitglied ist, welches anderen Ländern eine gerechte Teilhabe an der dezentralen Organisation Europas mit einer sichtbaren Repräsentanz an vielen Or- ten des Kontinents entgegensteht. Zweitens. Es ist gut, dass wir uns vor diesem Hinter- grund kritisch mit bestehenden Entwicklungen auseinan- dersetzen. Die entscheidenden Fragen sind zum Teil von den Kolleginnen und Kollegen der Grünen sowie der FDP in ihren Anträgen aufgeworfen worden. Aber an ei- nigen Stellen ist ein völlig falscher Ansatz zu erkennen: Es kann zum Beispiel meines Erachtens nicht sein, dass die nationalen Parlamente in Zukunft über die EU-Agen- turen entscheiden – wie das die FDP will –, genauso we- nig kann die deutsche Bundesregierung ein Gesamtkon- zept für EU-Agenturen vorlegen, wie es die Grünen fordern. Beides verkennt die europäischen Strukturen völlig. Was aber viel schlimmer ist: Die geschätzten Kol- leginnen und Kollegen dieser Fraktion nehmen mit kei- nem Wort Bezug auf die tatsächlich schon erreichte Situation in der EU, wo der Entwurf für eine „Interinsti- tutionelle Vereinbarung zur Festlegung von Rahmenbe- dingungen für die europäischen Regulierungsagenturen“ von der Kommission vorgelegt worden ist, vom Europä- ischen Parlament unterstützt wird und im Rat allerdings noch nicht vorangebracht worden ist. Drittens. Da wir in Europa zusammenarbeiten wollen und auch voneinander lernen können, sollten in diesem Zusammenhang durchaus Fragen einer besseren Aufga- bentrennung – auch in der Kommission – angesprochen werden. Ich halte es für problematisch, dass die EU- Kommission als ein politisches Organ selbst unmittelbar für die Wettbewerbskontrolle zuständig ist, während in Deutschland ein unabhängiges Kartellamt viele Bei- spiele guter Arbeit vorweisen kann. Also: Auch über mehrere Richtungen, nicht nur über Einbahnstraßen nachdenken. Viertens. Ich bin davon überzeugt, dass wir jetzt be- ginnen, zu fraktionsübergreifenden gemeinsamen Ent- schließungen zu kommen – aber nicht ad hoc und übers Knie gebrochen und vor allen Dingen nicht nur mit der deutschen Sicht auf Europa, sondern auch mit europäi- scher Gesinnung in Deutschland. Deshalb ist es wichtig, dass sowohl der Bundestag in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament als auch die einzelnen Fraktio- nen dieses Hauses im Rahmen ihrer europäischen Partei- familien die Diskussion führen. Europäische Sichtweise darf nicht durch nationale Scheuklappen eingeengt wer- den. Das Ergebnis eines integrativen Ansatzes könnte auch sein, die Bundesregierung im Rat zu unterstützen, damit Blockaden überwunden und die interinstitutionelle Vereinbarung vorangebracht werden kann. Markus Löning (FDP): „Das haben wir den Part- nern zugesagt, diese Zusage können wir nicht mehr zu- rücknehmen, wir können das Paket nicht noch einmal aufschnüren.“ Wohl keine Ausrede haben wir bei der Debatte um die Grundrechtsagentur im letzten Jahr öfter gehört, als diese. Die Bundesregierung hat im Europäi- schen Rat eine – zunächst informelle – Zusage zu einem bestimmten institutionellen Paket gemacht und benutzt anschließend diese Zusage als Argument gegenüber den gewählten Vertretern des Volkes, warum sie nicht mitre- den können. Bei der Grundrechteagentur war der Anlass, nämlich die Grundrechtecharta, entfallen. Die Fraktionen des Bundestages waren sich in ihrer Kritik weitgehend einig, dass die Agentur, wenn über- haupt, dann zumindest nicht in der ursprünglich geplan- ten Größe an den Start gehen sollte. Es gab sehr ernste Bedenken hinsichtlich der gerichtlichen und parlamenta- rischen Kontrolle der Agentur. Dennoch konnten weder Ochs noch Esel das Projekt in seinem Lauf aufhalten. Die Agentur wurde gegründet. Die Planstellen wurden geschaffen. Das Budget wurde genehmigt. Dies war ein Beispiel dafür, wie es in Zukunft nicht mehr laufen soll. In Zukunft soll die Bundesregierung den Bundestag einbeziehen, bevor sie Zusagen macht. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 15161 (A) (C) (B) (D) Es gibt ja durchaus auch sinnvolle Aufgaben für Agentu- ren. Auch in Deutschland lagern wir ja manche Aufga- ben in Anstalten, wie zum Beispiel die Bundesanstalt für Materialforschung oder das Robert-Koch-Institut, aus. Die EU-Agentur zur Umsetzung der Chemikalien- richtlinie war sicher eine sinnvolle Gründung, denn sie bündelt sehr spezifischen Sachverstand und ist der eine Ansprechpartner für die betroffene Wirtschaft. Ich ver- stehe nicht, warum die Bundesregierung bei solch sinn- vollen Gründungen Angst vor dem Deutschen Bundes- tag hat. Es stärkt doch auch die Position der Bundesregierung, wenn die Sinnhaftigkeit einer Agentur in der Debatte mit den Abgeordneten Bestand hat. Wir wollen, dass vor einer Zusage die Zustimmung des Bundestages eingeholt wird, und wir wollen, dass es vor der Errichtung einer Agentur ein transparentes Ver- fahren gibt. Der Bundestag muss in einem geordneten Verfahren einbezogen werden. Die Mitteilung, dass man den Bundestag natürlich gerne informiere, die Entschei- dung aber längst gefallen sei, ist ein Schlag ins Gesicht der Parlamentarier. Wir wollen ein geordnetes Verfah- ren, bei dem der EU-Ausschuss, betroffene Fachaus- schüsse und gegebenenfalls das Plenum Gelegenheit zur Stellungsnahme bekommen, bevor die Entscheidung über die Errichtung endgültig fällt. Die Prinzipien von Rechtsstaat und Demokratie gehö- ren zur gemeinsamen Wertegrundlage der EU. Sie müs- sen in allen Aspekten des Handelns der EU berücksich- tig werden. Es kann nicht sein, dass für jede EU-Agentur ein neuer Rechtsweg beschlossen werden muss, und es kann erst Recht nicht sein, dass nicht sichergestellt ist, dass es für die Bürgerinnen und Bürger immer einen Rechtsweg gibt. Hoheitliche Akte der Agenturen können schwerwiegende Eingriffe in Rechte von Personen oder Unternehmen darstellen. Jeder betroffene Bürger, jedes betroffene Unternehmen muss alle Akte von EU-Agen- turen rechtlich überprüfen lassen können. Es ist nach un- serem Rechtsstaatsverständnis schlicht inakzeptabel, wenn der Rechtsweg nicht klar – oder noch schlimmer – nicht vorhanden ist. Die Freien Demokraten fordern daher eine Rechtswe- gegarantie für alle Bürgerinnen und Bürger gegenüber allen EU-Agenturen. Genauso wichtig ist die demokrati- sche Kontrolle. Dies betrifft die Budgets, den Haushalts- vollzug und bei einigen Agenturen die inhaltliche Ar- beit. Der Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlamentes verweigert zurzeit wegen einer Reihe von ungeklärten Fragen einigen Agenturen die Entlastung. Ich kann die Kollegen im EP nur bestärken, ihre Rechte wahrzunehmen und im Sinne der europäischen Steuer- zahler auf einem transparenten und ordentlichen Haus- haltsvollzug zu bestehen. Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt der demo- kratischen Kontrolle. Die Agentur für Grundrechte oder die Agentur für Gleichstellungsfragen werden gutachter- lich tätig sein. Sie werden Stellungnahmen auf Anfrage oder aus eigenem Antrieb erarbeiten und verbreiten. Da- mit sind sie Teilnehmer einer öffentlichen politischen oder juristischen Debatte. Wer legitimiert sie dazu? Sie sind weder unabhängige Gerichte, die das Recht ausle- gen und durchsetzen, noch gewählte Vertreter des Vol- kes, die der Kontrolle durch Wahl unterliegen. Dies wi- derspricht dem Prinzip der Gewaltenteilung in einem demokratischen Rechtsstaat. Es muss hier eine klare Zu- ordnung geben. Auch dies stellen wir daher mit unserem Antrag klar: Alle Agenturen müssen der vollen parla- mentarischen Kontrolle unterworfen sein. Lieber Kollege Schäfer, lieber Kollege Stübgen, ich denkte, wir sind uns in den Kernanliegen auch weiterhin einig. Ich freue mich, dass die Koalitionsfraktionen in dieser Frage einen gemeinsamen Antrag mit FDP und Grünen machen wollen. Das wäre ein weiterer Schritt zur Stärkung des Deutschen Bundestages in EU-Fragen. Heike Hänsel (DIE LINKE): Die heutige Debatte ist überfällig. Die Zahl der Aufgaben der Europäischen Union nimmt seit dem Vertrag von Amsterdam ständig zu, ohne dass eine wirkliche Gewaltenteilung und demo- kratische Kontrolle über diese Aufgaben möglich ist. Heute wird durch die Europäische Union in vielen Poli- tikbereichen eine faktische Entparlamentarisierung be- schleunigt. Ein Beispiel für diese Entparlamentarisierung und damit auch einer zunehmenden Entdemokratisie- rung von politischen Prozessen in der Europäischen Union ist die massive Zunahme von EU-Agenturen. Heute gibt es in der Europäischen Union 35 Agentu- ren, die von der Gemeinsamen Außen- und Sicherheits- politik bis zur Frage der Grundrechte hochsensible poli- tische Bereiche bearbeiten. Diese Agenturen unterliegen keinem Einfluss vonseiten eines demokratisch gewähl- ten Parlaments. Auch ist dem Haushaltsausschuss des Europäischen Parlaments zuzustimmen, wenn er auch auf die mangelhafte budgetäre Kontrolle der EU-Agen- turen hinweist. Die Struktur der Europäischen Agenturen hält einer kritischen demokratischen Betrachtung nicht stand. In der Bundesrepublik Deutschland würden sie vom Bun- desverfassungsgericht als mit dem Grundgesetz nicht vereinbar aufgehoben, da sie zu einer Verwischung der Gewaltenteilung führen. Die Entwicklung der EU-Struk- turen führt zu einem Rückfall in vordemokratische Strukturen, indem die Gewaltenteilung zwischen Exeku- tive und Legislative immer weiter aufgehoben wird. Die Exekutive übernimmt in der Europäischen Union immer mehr Macht- und Entscheidungsbefugnisse. Eine solche Entwicklung dürfen Demokraten nicht weiter unwider- sprochen hinnehmen. Nehmen wir als Beispiel die sogenannte Europäische Verteidigungsagentur, bei der es sich in Realität um eine Rüstungsagentur handelt. Die Agentur ist organisato- risch direkt unterhalb des Rates für Allgemeine Angele- genheiten und Außenbeziehungen angesiedelt. Die Ver- teidigungsminister – und damit die jeweilige Exekutive der Nationalstaaten – erhalten durch die Agentur unmit- telbar die Möglichkeit, eine bessere europäische Koordi- nation der Rüstungszusammenarbeit und den beschleu- nigten Aufbau für militärische Kapazitäten für weltweite Militäreinsätze durchzusetzen. Ein demokratisches Mit- 15162 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 (A) (C) (B) (D) spracherecht oder wenigstens eine demokratisch-parla- mentarische Kontrolle der Militär- und Rüstungspolitik auf europäischer Ebene wird dadurch fast unmöglich. Im Rahmen der Europäischen Verteidigungsagentur wird weder dem Europäischen Parlament noch den nationalen Parlamenten eine politische oder fiskalische Kontroll- möglichkeit eingeräumt. Gleichzeitig nimmt der Deutsche Bundestag durch die organisatorische Entwicklung der Europäischen Union hin, dass sich in der Europäischen Union immer mehr undemokratische Strukturen durchsetzen und ver- festigen. Die beiden Anträge können hier eine Grund- lage sein, diesen Prozess zu beenden. Wir müssen die zunehmende Entdemokratisierung von politischen Ent- scheidungsprozessen stoppen. Deshalb fordern wir eine grundsätzliche Debatte über die Notwendigkeit von EU- Agenturen. Unsere Position ist dabei klar: Wir setzen uns dafür ein, dass alle Entscheidungen und daraus fol- gend die exekutiven Umsetzungen solcher Entscheidun- gen nach demokratischen Gesichtspunkten organisiert werden müssen. Wir müssen auch auf europäischer Ebene die demokratische Gewaltenteilung und Kontrolle durchsetzen. Deshalb stehen wir dem Instrument von Europäischen Agenturen skeptisch gegenüber. Natürlich können wir uns vorstellen, dass in spezifischen Bereichen wie zum Beispiel der Sicherheit des See- und Luftverkehrs oder der Organisation von Übersetzungsarbeiten Agenturen als Umsetzungsinstrument von politischen Entscheidun- gen geschaffen werden. In allen grundsätzlichen politi- schen Bereichen haben Agenturen jedoch nichts verlo- ren. Wir wollen die heutige Debatte und die beiden An- träge als Aufschlag für eine grundsätzliche Debatte zur Durchsetzung von demokratischen Strukturen auf euro- päischer Ebene verstanden wissen. Eine solche grundle- gende Debatte können wir nur über die Grenzen von par- teipolitischen Diskussionen zum Erfolg führen. Deshalb steht Die Linke für die Ausarbeitung eines gemeinsamen Antrages aller Fraktionen gerne zur Verfügung. Alleine in der Zeit von 2005 bis 2007 – hier weisen Sie in Ihrem Antrag richtigerweise darauf hin – ist der Gesamthaushalt der Europäischen Agenturen auf fast 1,3 Milliarden Euro angewachsen. Wir wollen, dass diese Mittel, die alle von den Bürgerinnen und Bürgern der Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgebracht werden, demokratisch vergeben und vor allem auch de- mokratisch kontrolliert werden. Deshalb unterstützen wir das Anliegen, mit allen Parlamenten der europäi- schen Mitgliedstaaten, aber auch in enger Kooperation mit dem Europäischen Parlament, in eine Diskussion über eine Gesamtkonzeption der zukünftigen Ausgestal- tung von Europäischen Agenturen einzutreten. Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Europäische Arzneimittelagentur in London, die Europäische Umweltagentur in Kopenhagen oder die Europäische Eisenbahnagentur in Valenciennes – diese zufällig herausgegriffenen Beispiele zeigen, dass zu zahlreichen und unterschiedlichsten Themen und überall verteilt in der Europäischen Union sogenannte EU- Agenturen bestehen. Zur Ausführung ihrer Aufgaben sind die EU-Agenturen nicht weisungsgebunden, ledig- lich zur Entlastung ihres Verwaltungshaushalts dem Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlamen- tes rechenschaftspflichtig. Insgesamt sind es derzeit 22 Gemeinschaftsagenturen, drei Agenturen für die Ge- meinsame Außen- und Sicherheitspolitik und drei Exe- kutivagenturen. Weitere Agenturen wie beispielsweise zur Koordinierung von nationalen Regelungsbehörden im Bereich Telekommunikation oder Energie sind in Planung. Wir Grünen unterstützen EU-Agenturen, die sinnvoll und notwendig sind und die durch ihre dezentrale Ein- richtung der Europäischen Union auch vor Ort ein weite- res Gesicht geben. Teilweise leisten die Agenturen eine sehr gute Arbeit; dies steht außer Frage. Aber mit den EU-Agenturen hat sich parallel zu den Arbeitsstrukturen in Brüssel ein riesiger Apparat zur Bewältigung neuer Aufgaben rechtlicher, technischer und wissenschaftli- cher Art aufgebaut. Gerade in den letzten Jahren ist ihre Zahl dramatisch gestiegen: So hat sich die Anzahl seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt, die Personalplan- stellen sind im selben Zeitraum um 148 Prozent ange- wachsen, und der Gesamthaushalt hatte allein in den letzten beiden Jahren einen Aufwuchs von 20 Prozent. Wir kritisieren, dass dabei nicht alle EU-Agenturen notwendig und sinnvoll sind. Mitunter werden über sie sogar Aufgaben erledigt, die bereits an anderer Stelle be- arbeitet werden. In einigen Fällen sind die Mandate der Agenturen nicht eindeutig und Doppelstrukturen zwi- schen unterschiedlichen Agenturen erkennbar. Weiterhin beanstanden wir, dass bei einigen Agenturen lange Zeit ein klar erkennbares Konzept fehlte oder sogar das Di- rektorium nicht eingesetzt wird. Und schließlich lässt die Finanzverwaltung zu wünschen übrig und wird auch vom Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Par- lamentes als mangelhaft kritisiert. Diese Mängel müssen abgeschafft werden. Die EU- Strukturen müssen genauso wie nationale Strukturen ef- fizient und effektiv arbeiten. Mit unserem Antrag for- dern wir die Bundesregierung auf, sich in den EU-Gre- mien dafür einzusetzen, dass diese Mängel abgeschafft werden. Hierzu fordern wir erstens, uns ein Gesamtkon- zept zur Einrichtung von EU-Agenturen vorzulegen, in dem klare Kriterien für die Einrichtung von EU-Agen- turen genannt werden, und zweitens, sich für die Vermei- dung von Doppelstrukturen zwischen den jeweiligen Agenturen, aber auch zwischen Agenturen und den Ge- neraldirektionen der Europäischen Kommission einzu- setzen. Schließlich fordern wir die Bundesregierung dazu auf, uns eine Stellungnahme vorzulegen, aus der ersicht- lich wird, inwieweit eine effiziente und transparente Kontrolle der Finanzverwaltung der EU-Agenturen ge- währleistet ist. Wir freuen uns sehr, wenn uns auch die anderen Frak- tionen im Deutschen Bundestag in dieser wichtigen Frage unterstützen, und fordern Sie auf, unseren Antrag zu unterstützen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 15163 (A) (C) (B) (D) Anlage 6 Amtliche Mitteilungen Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD haben mit Schreiben vom 25. Januar 2008 mitgeteilt, dass sie den Antrag Die UN-Vertragsstaatenkonferenz in Bali – Den Grundstein für ein Kyoto-Nachfolgeabkommen legen auf Drucksache 16/7281 zurückziehen. Der Abgeordnete Gerhard Wächter hat mitgeteilt, dass er seine Unterschrift auf dem Entwurf eines Geset- zes für eine menschenfreundliche Medizin – Gesetz zur Änderung des Stammzellgesetzes auf Drucksache 16/7982 zurückzieht. Die Abgeordneten Johannes Jung (Karlsruhe) und Heidi Wright haben darum gebeten, bei dem Entwurf ei- nes Gesetzes für eine menschenfreundliche Medizin – Gesetz zur Änderung des Stammzellgesetzes auf Drucksache 16/7982 nachträglich in die Liste der An- tragsteller aufgenommen zu werden. Die Abgeordnete Ingrid Fischbach hat darum gebe- ten, bei dem Antrag Keine Änderung des Stichtages im Stammzellgesetz – Adulte Stammzellforschung för- dern auf Drucksache 16/7985 nachträglich in die Liste der Antragsteller aufgenommen zu werden. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühun- gen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtver- breitung sowie über die Entwicklung der Streitkräfte- potenziale (Jahresabrüstungsbericht 2004) – Drucksache 15/5801 – Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2007 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 17 10 Titel 632 07 – Ausgaben nach § 8 Abs. 2 des Unterhaltsvorschuss- gesetzes – – Drucksachen 16/7681, 16/7793 Nr. 1.6 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2007 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 17 10 Titel 681 01 – Erziehungsgeld – sowie Kapitel 17 10 Titel 681 02 – Elterngeld – – Drucksachen 16/7723, 16/7793 Nr. 1.8 – Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht zum Ausbau der Schienenwege 2006 – Drucksache 16/3000 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht zum Ausbau der Schienenwege 2007 – Drucksache 16/6385 – Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Erster Fortschrittsbericht zur Hightechstrategie für Deutschland – Drucksache 16/6900 – Ausschuss für Kultur und Medien – Unterrichtung durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Bericht über das Prüfergebnis zur Sicherung eines ziel- gruppengerechten und qualitativ hochwertigen Ange- bots an interaktiven Unterhaltungsmedien – Drucksachen 16/7081, 16/7376 Nr. 1 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- tung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 16/7070 Nr. A.4 Drucksache 16/7070 Nr. A.6 Drucksache 16/7223 Nr. A.10 Drucksache 16/7393 Nr. A.27 Drucksache 16/7393 Nr. A.28 Drucksache 16/7575 Nr. A.1 Drucksache 16/7575 Nr. A.3 Drucksache 16/7575 Nr. A.16 Drucksache 16/7575 Nr. A.17 Drucksache 16/7575 Nr. A.18 Drucksache 16/7575 Nr. A.19 Drucksache 16/7575 Nr. A.23 Innenausschuss Drucksache 16/6041 Nr. 2.16 Drucksache 16/6041 Nr. 2.18 Drucksache 16/6715 Nr. 1.5 Drucksache 16/6715 Nr. 1.19 Rechtsausschuss Drucksache 16/901 Nr. 2.5 Drucksache 16/993 Nr. 2.15 Drucksache 16/3382 Nr. 2.1 Drucksache 16/4819 Nr. 1.1 Drucksache 16/4939 Nr. 3.1 Drucksache 16/5199 Nr. 2.15 Drucksache 16/5681 Nr. 1.2 Drucksache 16/6389 Nr. 1.78 Drucksache 16/6715 Nr. 1.14 Drucksache 16/6715 Nr. 1.15 Haushaltsausschuss Drucksache 16/7070 Nr. A.5 Drucksache 16/7070 Nr. A.11 15164 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 (A) (C) (B) (D) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 16/820 Nr. 1.32 Drucksache 16/1748 Nr. 2.5 Drucksache 16/4105 Nr. 2.9 Drucksache 16/4105 Nr. 2.22 Drucksache 16/4105 Nr. 2.64 Drucksache 16/4501 Nr. 2.49 Drucksache 16/4635 Nr. 2.23 Drucksache 16/4635 Nr. 2.24 Drucksache 16/6389 Nr. 1.52 Drucksache 16/6715 Nr. 1.7 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 16/4501 Nr. 2.18 Drucksache 16/4501 Nr. 2.33 Drucksache 16/4501 Nr. 2.34 Drucksache 16/4501 Nr. 2.42 Drucksache 16/4501 Nr. 2.45 Drucksache 16/4635 Nr. 2.5 Drucksache 16/4635 Nr. 2.8 Drucksache 16/4635 Nr. 2.9 Drucksache 16/4635 Nr. 2.10 Drucksache 16/6389 Nr. 1.9 Drucksache 16/7393 Nr. A.8 Drucksache 16/7393 Nr. A.9 Drucksache 16/7393 Nr. A.20 Drucksache 16/7393 Nr. A.21 Drucksache 16/7393 Nr. A.29 Drucksache 16/7393 Nr. A.30 Drucksache 16/7575 Nr. 1.45 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 16/6389 Nr. 1.27 Drucksache 16/6389 Nr. 1.28 Drucksache 16/6389 Nr. 1.33 Drucksache 16/6501 Nr. 1.2 Drucksache 16/7223 Nr. A.1 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 16/7070 Nr. A.14 Drucksache 16/7070 Nr. A.15 Drucksache 16/7070 Nr. A.16 Drucksache 16/7223 Nr. A.2 Drucksache 16/7223 Nr. A.9 Drucksache 16/7223 Nr. A.11 Drucksache 16/7393 Nr. A.11 Drucksache 16/7393 Nr. A.16 Drucksache 16/7393 Nr. A.18 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 16/150 Nr. 1.42 Drucksache 16/820 Nr. 1.49 Drucksache 16/5681 Nr. 1.27 Drucksache 16/5681 Nr. 1.28 Drucksache 16/6389 Nr. 2.28 Drucksache 16/6865 Nr. 1.26 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 16/1101 Nr. 2.16 Drucksache 16/7575 Nr. A.24 143. Sitzung Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()


    Herr Präsident, können Sie die Uhr anhalten?


    (Heiterkeit – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Nichts da! Die läuft auch bei uns weiter!)


    – Gut. Dann ist meine Rede beendet, meine Damen und
    Herren.

    Um ernsthaft auf dieses wirklich schwergewichtige
    Thema zurückzukommen: Es ist richtig, dass wir es in
    weiten Teilen der Welt und zulasten weiter Teile der
    Welt mit einer ernsthaften, ausgemachten Finanzmarkt-
    krise zu tun haben. Nicht alle Teile der Welt sind von ihr
    betroffen, Ostasien zum Beispiel nicht bzw. kaum, insbe-
    sondere aber Nordamerika und weite Teile Europas. Sie
    wird uns das ganze Jahr 2008 beschäftigen. Sie ist kein
    deutsches Spezifikum. Sie birgt weitere, noch nicht be-
    hobene Risiken. Infektionsgefahren für die weltweite
    Konjunktur und die weltweite Wachstumsentwicklung
    sind nicht zu übersehen.

    Aber, meine Damen und Herren, so wenig Grund es
    zur Verharmlosung gibt, so unangebracht wäre auch jede
    Hysterie. Nötig ist ein professionelles Krisenmanage-
    ment aller infrage kommenden Partner, das sich auf die
    Stabilisierung der Finanzmärkte konzentriert und sich
    nicht durch Empörungen und Reflexe ablenken lässt.

    Es ist ferner notwendig, die Ursachen dieser Krise
    herauszuarbeiten, sie klar beim Namen zu nennen und
    die sich daraus abzuleitenden Konsequenzen insbeson-
    dere im internationalen Kontext zu ziehen. Denn nur so
    werden wir verlorengegangenes Vertrauen auf den Fi-
    nanzmärkten und bei vielen Bürgerinnen und Bürgern
    zurückgewinnen.

    Ich warne ausdrücklich davor, in jedem Durchsacken
    des DAX im Verlauf eines einzigen Handelstages das
    untrügliche Vorzeichen des Beginns einer ausgeprägten
    Rezession in Deutschland zu sehen;


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    denn dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Im Gegen-
    teil, wir sollten versuchen, einen kühlen Kopf zu bewah-
    ren. Es gibt keinen Grund für politische Schnellschüsse,
    mit denen man sich lediglich den Beifall einer zugegebe-
    nermaßen verunsicherten Öffentlichkeit sichern würde.

    Um die Situation richtig zu erfassen, ist es wichtig, zu
    wissen, wo die Ursachen der Finanzmarktkrise liegen.
    Knapp gefasst: im US-amerikanischen Markt für zweit-
    klassige Hypothekenkredite, den die Experten, von we-
    nigen Ausnahmen abgesehen, lange Zeit offenbar nicht
    auf ihrem Radar hatten, zumindest nicht, was sein Poten-
    zial anbelangt, zu einer echten Belastungsprobe für das
    globale Finanzsystem zu werden.

    Salopp gesprochen haben US-Banken auf der Jagd
    nach der schnellen Rendite ihre Anforderungen an die
    Qualität von Krediten deutlich verringert und kräftig ri-
    sikoreiche, weil schlecht gesicherte Hypothekenkredite
    vergeben, meist an Eigenheimkäufer mit geringer Boni-
    tät. Die damit verbundenen hohen Kreditrisiken wurden
    von den Banken auch deshalb in Kauf genommen, weil
    man die Möglichkeit hatte, diese Risiken über soge-
    nannte Verbriefungstransaktionen und strukturierte Pro-
    dukte lieber jetzt als gleich aus den eigenen Büchern, aus
    den eigenen Bilanzen zu bekommen, indem man sie auf
    dem Markt verkauft. Ich will sagen: Eine ursprünglich
    defensive Strategie, Risiken zu verteilen, wurde zu einer
    spekulativen Blase, zu einer spekulativen Welle.

    Die Käufer dieser hochkomplexen Produkte – ein Teil
    von ihnen hat Namen, die ich gar nicht kannte – haben
    diesen verpackten Sprengstoff vornehmlich außerhalb
    ihrer Bilanzen geführt und damit auch außerhalb des
    Einblickes von Wirtschaftsprüfern, von Aufsichtsbehör-
    den, von Verwaltungsräten und von Aufsichtsräten.

    Dass diese Papiere mit gebündelten Kreditrisiken bei
    renditehungrigen Investoren weltweit auf große Nach-
    frage stießen, auch und gerade in Deutschland, ist nicht
    zuletzt den Ratingagenturen zu verdanken. Sie waren
    es, die in einer fragwürdigen Doppelrolle an beiden En-
    den beteiligt gewesen sind. Auf der einen Seite haben sie
    diese Papiere häufig mit der höchsten Bonität bewertet,
    auf der anderen Seite haben sie die Banken bei der Ver-
    briefung und Vermarktung der Kreditrisiken beraten.
    Das ist so ähnlich, als ob die Stiftung Warentest ein Pro-
    dukt testen würde, an dessen Umsatz sie anschließend
    beteiligt ist.


    (Beifall des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU])


    Auch hier müsste man damit rechnen, dass der Informa-
    tionsgehalt des Testergebnisses, gelinde gesagt, einge-
    schränkt ist.

    Das Ganze ging so lange gut, wie der Markt in den
    USA expandierte. Aber irgendwann ist jeder Boom zu
    Ende. Steigende Zinsen und fallende Immobilienpreise
    in den USA haben seit dem letzten Jahr immer mehr die-
    ser Hypothekenkredite in Not gebracht. Bei den Banken,
    die weltweit, auch in Deutschland, die Risiken aus die-
    sen Krediten gekauft hatten, wurden Abschreibungen in
    Milliardenhöhe notwendig.

    Da diese Risiken nicht oder erst sehr spät auf dem Ra-
    darschirm der verantwortlichen Bankmanager und
    Bankaufseher aufgetaucht sind, stellt sich als Erstes die
    Frage nach der Qualität des jeweiligen bankeninternen
    Risikomanagements. Damit müsste die Suche nach Ver-
    antwortlichen eigentlich anfangen – wenn denn diese
    Suche nicht nur dem üblichen und durchsichtigen Ruf
    „Haltet den Dieb!“ folgen sollte. Darin, meine Damen
    und Herren, liegt auch meine sehr kritische Einlassung
    über ein verbreitetes Bankmanagerversagen begründet,
    an der ich festhalte.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Jürgen Koppelin [FDP])







    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundesminister Peer Steinbrück
    Fern einer Kollektivschelte darf ausgesprochen werden,
    dass es einzelne Bankmanager gibt, die in dem Rennen
    nach höherer Marge, höherem Profit auf der Grundlage
    unzureichender Geschäftsmodelle, ohne ausreichende
    Expertise, in einem Missverhältnis zum Eigenkapital ih-
    rer Institute und unter Vernachlässigung des bankenin-
    ternen Risikomanagements ein Milliardenrad gedreht
    haben.

    Diese Entwicklung liegt auch an der Unzulänglichkeit
    der aktuellen Bilanzierungsregelungen; das gilt nicht
    nur in Deutschland, das ist weit verbreitet. Sie ermögli-
    chen es den Banken, eigene Risiken eigenkapitalscho-
    nend außerhalb ihrer Bilanzen zu führen, sie auf spezi-
    elle Zweckgesellschaften zu übertragen oder, besser
    ausgedrückt, sie zu verstecken vor denjenigen, die Kon-
    trollfunktionen wahrzunehmen haben.

    Wie Sie wissen, haben die Probleme an den interna-
    tionalen Finanzmärkten auch deutsche Kreditinstitute
    in Mitleidenschaft gezogen. Hier in Deutschland gehö-
    ren die Landesbanken Sachsen LB und West-LB sowie
    die Privatbank IKB mit den von ihnen finanzierten
    Zweckgesellschaften zu den ersten und zu den spektaku-
    lärsten Opfern der sogenannten Subprime-Krise. Weitere
    Institute – über die gesamte Bandbreite des deutschen
    Bankensektors – sind auch betroffen, aber weniger exis-
    tenziell.

    Vor allem die IKB hat uns in den letzten Tagen in
    Atem gehalten – nicht das erste Mal –, weil neuer Ab-
    schreibungsbedarf bzw. Eigenmittelbedarf in Milliarden-
    höhe erforderlich wurde. Wir haben sehr intensive De-
    batten geführt, wie es mit der IKB weitergehen soll.
    Wichtig war meinem Kollegen Glos und mir, dass es
    über den konkreten Fall der IKB zu keiner Verschärfung
    der Bankenkrise in Deutschland kommt.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


    Darüber waren und sind wir uns in der Bundesregierung
    einig. Wir haben die Verantwortung, Schaden vom Fi-
    nanzplatz Deutschland abzuwenden.

    Wir haben uns diese Entscheidung gewiss nicht ein-
    fach gemacht. Sie war auch nicht einfach, weil wir nicht
    einfach Vorteile gegen Nachteile, sondern nur jeweilige
    Nachteile gegeneinander abwägen konnten. Der Nachteil
    einer drohenden Insolvenz verbunden mit einer drohen-
    den Erschütterungsdynamik für den gesamten Finanz-
    platz Deutschland war gegen den Nachteil abzuwägen,
    auch mit Steuergeldern ein Institut zu stützen, das sich
    am Markt verzockt hat und eigentlich vom Markt bestraft
    werden müsste.

    Im Rahmen dieser schwierigen Abwägung zwischen
    der Situation bei der IKB und den Risiken für den deut-
    schen Bankenmarkt haben wir uns im Verwaltungsrat
    der KfW am Mittwoch entschieden, dass die KfW der
    IKB mit einer Zuweisung nach dem KfW-Gesetz ein
    weiteres Mal unterstützend behilflich ist, und zwar mit
    1,5 Milliarden Euro.

    Der Bund wird davon mindestens 1 Milliarde Euro
    tragen, die aus Dividendenerträgen stammt. Dadurch
    wird die bisherige Finanzplanung nicht belastet. Die Ehr-
    lichkeit gebietet es aber, zu sagen, dass diese 1 Milliar-
    de Euro eines Tages als nicht eingegangene Einnahmen
    zu Buche schlagen wird. Der Bundesverband deutscher
    Banken hat unter der Bedingung einer letztmaligen Inan-
    spruchnahme zugesagt, mit 300 Millionen Euro einen
    weiteren wesentlichen Teil der Stützung zu übernehmen.
    Für die restlichen 200 Millionen Euro wird es eine Lö-
    sung geben. Im Zweifelsfall müssen sie im laufenden
    Haushalt eingesammelt werden.

    Sie können sich vorstellen, dass ich über diese Belas-
    tung des Bundeshaushaltes alles andere als begeistert
    bin. Auch wenn Sie mich deshalb hier mit zusammenge-
    bissenen Zähnen stehen sehen – jedenfalls dann, wenn
    ich nicht rede –,


    (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    ist die Entscheidung richtig, die IKB nochmals zu stüt-
    zen.

    Erstens ist uns wichtig, dass die IKB verkaufsfähig
    gemacht wird und dass der bereits angelaufene Verkaufs-
    prozess der Bank – das betone ich – weitergehen kann
    und so schnell wie möglich abgeschlossen wird. Damit
    das gut funktioniert, werden das Management der IKB
    und auch der KfW personell verstärkt.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Stärken ist eine gute Sache!)


    Zweitens ist uns wichtig, dass wir im Ergebnis ver-
    meiden können, dass die Mittelstandsförderung und
    der Substanzerhalt des ERP-Sondervermögens – mit
    Blick auf diejenigen, die im Hohen Hause in dieser Frage
    sehr engagiert sind, ist mir an dieser Aussage sehr gele-
    gen – durch neue Sanierungsbeiträge beeinträchtigt wer-
    den. Ich wiederhole: weder die Mittelstandsförderung
    noch der Substanzerhalt des ERP-Sondervermögens. Um
    diesbezügliche Fragen an dieser Stelle abschließend zu
    beantworten: Das ist sichergestellt.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Drittens ist unsere Entscheidung für die IKB ein klares
    Signal an den Markt. Wir verhindern damit, dass andere
    Banken durch die Krise bei der IKB in Mitleidenschaft
    gezogen werden, und zwar, indem wir verhindern, dass
    Einlagen der IKB in zweistelliger Milliardenhöhe – um
    Ihnen eine Zahl zu nennen: knapp oberhalb von 24 Mil-
    liarden Euro – verlorengehen. Diese Einlagen stammen
    nicht nur von anderen Bankinstituten aus dem öffentlich-
    rechtlichen, dem genossenschaftlichen und dem privaten
    Bereich, sondern es handelt sich auch um Einlagen von
    Nichtbanken bis hin zu Versicherungen. Wir verhindern
    damit, dass diese Einlagen möglicherweise bzw. wahr-
    scheinlich verlorengehen und dass damit auch der frei-
    willige Einlagensicherungsfonds der privaten Geschäfts-
    banken in Anspruch genommen wird, den sie dringend
    brauchen, um Vorsorge für ihren eigenen Bereich zu
    schaffen.

    Viertens gilt es zu verhindern, dass auf dem Markt für
    Hybridkapital die Preise für lang laufende Anleihen
    deutlich steigen, was andere Banken, die sich mit






    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundesminister Peer Steinbrück
    solchen Anleihen refinanzieren, ausgesprochen negativ
    treffen würde.

    Fünftens wäre die IKB – an dieser Aussage ist mir
    sehr gelegen – die erste europäische Bank, die in der di-
    rekten Folge der US-Subprime-Krise pleiteginge. Das
    sollten wir uns nicht als Symbol des deutschen Banken-
    marktes leisten – auch nicht im Verhältnis zu anderen eu-
    ropäischen Ländern.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sechstens hat ein Finanzminister sehr genau über die
    steuerlichen Folgen eines solchen Risikoszenarios bzw.
    unterschiedlicher Risikoszenarien nachzudenken. In wel-
    chem Verhältnis stehen zu erwartende Einnahmeverluste
    gegenüber dem Einsatz von Haushaltsmitteln zur Ret-
    tung einer Bank? Dass es auch in diesem Hause einzelne
    Personen gibt, die mit ihren technischen Mitteln schon
    eine sehr genaue Summe hinsichtlich der steuerlichen
    Folgen der Finanzmarktkrise errechnen und der Presse
    mitteilen konnten, findet meine Bewunderung. Der deut-
    schen Steuerverwaltung ist dies mit ihrer Datenverarbei-
    tung bisher nicht gelungen.

    Ich erwähne diese Gründe so ausführlich, meine Da-
    men und Herren, damit Sie und die deutsche Öffentlich-
    keit einen Einblick in die Abwägung der Bundesregie-
    rung bekommen und Sie sich damit vielleicht auch etwas
    stärker gegen eilfertige, undifferenzierte Urteile und Be-
    wertungen immunisieren können. Uns allen sollte klar
    sein: Die Bankenkrise ist noch lange nicht zu Ende. Wir
    haben es hier nicht nur mit einer Bank zu tun, die sich in
    unverantwortlicher Weise verzockt hat. Alle Kreditinsti-
    tute, die mit Subprime-Marktpapieren gehandelt haben,
    sind von dieser Krise betroffen. Schlecht ist, dass nach
    wie vor niemand ganz genau weiß, welches Institut in
    welchem Ausmaß betroffen ist.

    Fest steht: Die teils deutlichen Abschläge bei den Ak-
    tienkursen der Kreditinstitute zeigen, dass der Markt von
    einem höheren Wertberichtigungsbedarf ausgeht, als
    bisher transparent ist. Weltweit, so habe ich in Tokio
    während des Treffens der G-7-Finanzminister erfahren,
    schätzt der IMF den Wertberichtigungsbedarf auf
    400 Milliarden US-Dollar, wobei die Experten sagen,
    das bisher ungefähr ein Drittel davon tatsächlich wertbe-
    richtigt worden ist.

    Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren,
    kann das Gebot der Stunde nur lauten, dass die Banken
    in ihren Bilanzen klar Schiff machen müssen, und zwar
    ohne langen Aufschub. Wer glaubt, mögliche Wertbe-
    richtigungen oder Verluste nur in Häppchen nach der
    Salamitaktik offenbaren zu müssen, der provoziert nicht
    nur eine eigene Abstrafung durch den Markt, sondern
    der handelt zum Schaden des gesamten Finanzsektors in
    der Bundesrepublik Deutschland. Um verlorenes Ver-
    trauen zurückzugewinnen, dürfen wir es uns nicht leicht
    machen und nur die akute Krisenbewältigung sehen, die
    auch dank des entschlossenen Handelns großer Zentral-
    banken bisher insgesamt gut gelungen ist. Ich möchte
    der Europäischen Zentralbank ein ausdrückliches
    Kompliment machen, die eine dieser Zentralbanken ge-
    wesen ist, die den Markt in einer sehr angespannten
    Lage mit Liquidität versorgt haben, anders als zum Bei-
    spiel eine andere europäische Zentralbank.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


    Ebenso bedanke ich mich insbesondere beim Präsiden-
    ten der Deutschen Bundesbank und beim Präsidenten der
    BaFin, die in diesem Krisenmanagement eine wichtige,
    eine verlässliche und eine unterstützende Rolle gespielt
    haben.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zuruf von der FDP: Frau Matthäus-Maier auch?)


    Wir müssen uns auch mit der Frage beschäftigen,
    welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Natürlich
    spielt das Eigeninteresse der Finanzmarktteilnehmer,
    Finanzkrisen zu vermeiden, hierbei eine zentrale Rolle.
    Der Markt sorgt derzeit, wenn auch schmerzlich, für eine
    Anpassung: Risiken werden jetzt wieder anders einge-
    preist als vor dieser Blase. Aber dieses Marktinteresse
    allein wird nicht ausreichen, um Inkompetenzen, Fehl-
    verhalten und Übertreibungen dieses Marktes, Exzesse
    durch diesen Markt wirklich zu verhindern. Es hat ja
    auch nicht gereicht, um die bisherige Krise abzuwenden.

    Ich bin deshalb überzeugt, dass die Krise eine politi-
    sche Reaktion erfordert und wir zu besseren, internatio-
    nal abgestimmten Spielregeln kommen müssen. Beim
    Treffen der G-7-Finanzminister in Tokio vom vergan-
    genen Wochenende wurden deshalb auch auf deutsche
    Initiative hin Vorschläge diskutiert und in dem Kommu-
    nique festgehalten, mit dem wir in drei zentralen Berei-
    chen das Vertrauen an den Märkten nachhaltig stärken
    wollen: die Eigenkapitalunterlegung der Banken, ein
    besseres Liquiditätsmanagement und eine höhere Trans-
    parenz. Es versteht sich von selbst, dass für alle Maßnah-
    men eine Umsetzung auf internationaler Ebene der Kö-
    nigsweg ist, allein schon deshalb, um darüber einseitige
    Wettbewerbsnachteile für einen einzelnen Finanzplatz
    wie beispielsweise Deutschland zu vermeiden. Das heißt
    aber umgekehrt nicht, dass wir nicht auch auf europäi-
    scher und ebenso auf deutscher Ebene aktiv werden
    müssen, zum Beispiel auch dann, wenn bei einer interna-
    tionalen Umsetzung Schwierigkeiten auftauchten.

    Aus Zeitgründen möchte ich hier nur die wichtigsten
    Maßnahmen anreißen; ich bin sicher, dass sich nächste
    Woche sowohl im Finanzausschuss wie im Haushalts-
    ausschuss die Gelegenheit für eine intensivere Erörte-
    rung ergeben wird.

    Erstens geht es um eine verbesserte Eigenkapital-
    unterlegung. Die Finanzmarktturbulenzen haben ge-
    zeigt, dass wir mehr Risikovorsorge für Stressphasen am
    Markt brauchen, allerdings erst nach Überwindung die-
    ser Krise, um die Kreditinstitute aktuell nicht noch mehr
    zu überfordern, als sie es ohnehin schon sind. Eine Mög-
    lichkeit hierzu ist, im Zuge einer Nachjustierung von
    Basel II von den Banken einen zusätzlichen Eigenkapi-
    talpuffer zu verlangen, und zwar zusätzlich zu dem, was
    nach den jetzt seit wenigen Wochen geltenden Basel-II-
    Regeln für den gewöhnlichen Fall reibungslos funktio-






    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundesminister Peer Steinbrück
    nierender Märkte ermittelt wird. Aber die Märkte funk-
    tionieren eben nicht immer reibungslos und so wie ge-
    wöhnlich.

    Hinsichtlich der Verbriefungen, einem der Dreh- und
    Angelpunkte der derzeitigen Krise, empfiehlt sich da-
    rüber hinaus eine Erhöhung der Risikogewichte dieser
    Verbriefungen zur Bestimmung der nötigen Eigenkapi-
    talunterlegung nach Basel II. Dies könnte zum einen
    durch eine andere Ausübung bereits bestehender Wahl-
    rechte oder zum anderen durch eine Neuberechnung der
    Risikogewichte erfolgen, die bisher immer nur in Schön-
    wetterzeiten erarbeitet worden sind. Je nach einer daraus
    resultierenden neuen Risikogewichtung müsste dann
    mehr Eigenkapital von den Instituten bereitgehalten wer-
    den, was wiederum bei Investmentmanagern den Anreiz
    verstärken würde, in den Bewertungen stärker auf die
    wirtschaftlichen als auf die spekulativen Rahmenbedin-
    gungen ihres Engagements zu achten.

    Zweitens wollen wir das Liquiditätsmanagement
    verbessern. Die Finanzmarktturbulenzen machen deut-
    lich, dass die globalen bankaufsichtsrechtlichen Liquidi-
    tätsvorschriften dringend ausgebaut werden müssen.
    Handlungsbedarf sehe ich hierbei vor allem in zweierlei
    Hinsicht: Erstens sprechen gute Gründe für eine Ausdeh-
    nung des Anwendungsbereiches der Vorschriften über
    die einzelne Bank hinaus auf einen Bankkonzern. Zwei-
    tens sind Belastungstests – oder auf neudeutsch Stress-
    tests – unter der Annahme einer nur eingeschränkten
    Marktliquidität geboten. Die bislang übliche Annahme
    liquider Märkte ist ungenügend und wird von den von
    uns gemachten Erfahrungen falsifiziert.

    Drittens wollen wir mehr Transparenz auf den Märk-
    ten schaffen. Dies ist eine zentrale Aufgabe für die inter-
    nationale Politik. Alle Marktteilnehmer – auch Anleger
    und Aufsichtsgremien – müssen die Chance haben, be-
    stehende Risiken angemessen bewerten zu können. Dies
    ist derzeit nicht gewährleistet. Die Marktteilnehmer kön-
    nen keine eigenen Risikoprofile erstellen.

    Ich möchte heute nicht näher auf das Thema Hedge-
    fonds eingehen, zumal diese definitiv nicht die derzeiti-
    gen Finanzmarktturbulenzen verursacht haben. Aber ich
    möchte daran erinnern, dass es von manchen im Inland
    wie auch im Ausland – insbesondere im angloamerikani-
    schen Bereich – belächelt worden ist, dass wir unter der
    deutschen EU-Rats- und G-7-Präsidentschaft vor unge-
    fähr einem Jahr das Thema Transparenz auf die Tages-
    ordnung gesetzt haben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich hätte mir damals in ihrem eigenen Interesse etwas
    mehr Unterstützung aus der Branche selber gewünscht.
    Inzwischen ist, wie Sie wissen, einiges in Gang gekom-
    men, und zwar in Großbritannien durch die Kommis-
    sion, die Andrew Large, der frühere Vizepräsident der
    Bank of England, in Gang gesetzt hat, wie auch in der
    sogenannten President’s Working Group on Financial
    Markets in den USA. Das alles sind wichtige Initiativen
    im Ergebnis dessen, was wir vor einem Jahr initiiert ha-
    ben. Diese Initiativen werden uns im Financial Stability
    Forum und schon während des G-7-Treffens im April
    stark beschäftigen.

    Es wäre zu wünschen, will ich hinzufügen, dass wir
    dieses Mal insbesondere von der Ratingbranche Unter-
    stützung bekommen, von der wir die Schaffung eines
    „set of best practices“ für strukturierte Produkte erwar-
    ten. Mir ist wichtig, dass wir in Zukunft verhindern, dass
    die Agenturen, wie gesagt, erst beratend an der Struktu-
    rierung beteiligt sind und anschließend an der Bewer-
    tung.

    Unter dem Stichwort der Transparenz werden wir
    auch eine eventuelle Ergänzung des Bilanzrechtes dis-
    kutieren müssen, um bislang außerbilanziell durchge-
    führte Transaktionen zukünftig besser sichtbar zu ma-
    chen. Ich möchte an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen,
    dass der von der Kollegin Zypries bereits vorgelegte Re-
    ferentenentwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgeset-
    zes vorsieht, die Kriterien enger zu fassen, nach denen
    Zweckgesellschaften bilanziert werden müssen.

    Wenn es um nachhaltige und wirkungsvolle Konse-
    quenzen aus den Finanzmarktturbulenzen geht, dann
    sprechen wir automatisch auch über die Arbeit der Auf-
    sichtsbehörden bei uns. Das ist sowohl national als
    auch in der grenzüberschreitenden Kooperation ein
    wichtiges Thema in der Eurogruppe und im Ecofin-Rat.

    Vor diesem Hintergrund begrüße ich ausdrücklich die
    zwischen der BaFin und der Bundesbank gefundene Ver-
    ständigung auf eine transparentere und reibungslosere
    Aufgabenverteilung bei der Bankenaufsicht. Sie ist ein
    wichtiger Beitrag zu einer handlungsfähigen stabilen
    deutschen Bankenaufsicht. Nähere Auskünfte darüber
    werden mit Gewissheit auch in den beiden Ausschüssen
    gegeben.

    Ich bin überzeugt, dass die von mir beschriebenen
    Maßnahmen – vor allem, wenn sie auch im internationa-
    len Kontext umgesetzt werden – eine gute Basis für eine
    nachhaltige Beruhigung und Stabilisierung der Finanz-
    märkte darstellen. Genauso überzeugt bin ich allerdings
    davon, dass kurzfristige Konjunkturprogramme, wie sie
    derzeit auch unter Verweis auf die Situation in den USA
    gelegentlich reflexartig wie lautstark in Europa und in
    Deutschland propagiert werden, definitiv nicht die rich-
    tige und angemessene Antwort auf die jetzige Situation
    sind.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


    Das gilt – um es gleichermaßen vorweg zu sagen – für
    etwaige zusätzliche und nach Lage der Dinge wohl auch
    kreditfinanzierte Ausgabenprogramme wie auch für
    die von mancher Seite vorgetragene Forderung nach
    Steuersenkungen auf Pump. Es gibt eine Reihe von
    Gründen, die gegen beides sprechen. Erstens haben wir
    es im Unterschied zu den Amerikanern in Europa und
    speziell in Deutschland immer noch mit einer starken
    konjunkturellen Grunddynamik zu tun. Die Finanz-
    marktturbulenzen treffen auf eine wesentlich robustere
    deutsche Wirtschaft als noch vor zwei oder drei Jahren.
    Auch die stabilen Fundamentaldaten deuten nicht auf
    eine stärkere konjunkturelle Abkühlung und erst recht






    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundesminister Peer Steinbrück
    nicht auf eine rezessive Entwicklung in Deutschland hin.
    So haben wir es beispielsweise aktuell mit einer aufwärts
    gerichteten Tendenz bei den Auftragseingängen und mit
    einem entsprechend positiven Ausblick für die Entwick-
    lung der Industrieproduktion in den nächsten Monaten
    zu tun. Einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesell-
    schaft KPMG zufolge blickten die deutschen Industrie-
    unternehmen im vermeintlich schwierigen Monat Januar
    optimistischer in die Zukunft als vor einem halben Jahr.
    Das ist ein Ausschnitt aus der aktuellen Lage. Ich könnte
    das fortsetzen. Aus Zeitgründen will ich das nicht tun.

    Auf der Basis der jetzt vorliegenden Erkenntnisse
    rechnet die Bundesregierung, unterstützt von fast allen,
    die man dazu befragen kann, mit einem gesamtwirt-
    schaftlichen Wachstum in Höhe von 1,7 Prozent in die-
    sem Jahr. Damit können wir trotz unbestreitbarer Risi-
    ken – diese negiere ich gar nicht – zufrieden sein, wenn
    es denn so kommt. Wir sollten die Kirche allerdings im
    Dorf lassen. 1,7 Prozent Wachstum bedeuten nicht mehr
    und nicht weniger, als dass wir damit ungefähr unser
    derzeit geschätztes Wachstumspotenzial in Deutschland
    ausschöpfen können. Sie alle wissen, dass das 2003 und
    2004 nicht so war. Damals hätten wir bei 1,7 Prozent
    Wachstum die Sektkorken knallen lassen.

    Zweitens haben wir keinerlei Veranlassung, unseren
    bisher so erfolgreichen wirtschafts- und finanzpoliti-
    schen Kurs, eben die Kombination aus dauerhafter Wirt-
    schaftsförderung und Wachstumsförderung sowie einer
    soliden Haushaltspolitik, zu verlassen. Die gegenwärtig
    wirksamen Strukturreformen helfen uns auch im aktuell
    schwieriger werdenden konjunkturellen Fahrwasser;
    denn sie wirken konjunkturunterstützend. So wird sich
    im laufenden Jahr allein der Gesamteffekt durch die För-
    derung von Wachstum, Beschäftigung und Familien
    – Sie können sich sicherlich erinnern, dass es sich um
    ein 25-Milliarden-Euro-Programm handelt, 12,5 Milliar-
    den Euro ergänzt durch die Bundesländer; hinzu kamen
    im letzten Jahr 10 Milliarden Euro zusätzlich –, die Sen-
    kung des Beitragssatzes in der Arbeitslosenversicherung
    und die Entlastung der Wirtschaft durch die seit dem
    1. Januar dieses Jahres gültige Unternehmensteuer-
    reform auf rund 18 Milliarden Euro belaufen. Um Ihnen
    eine Relation zu geben: Diese 18 Milliarden Euro ent-
    sprechen spitz gerechnet 0,75 Prozent des deutschen
    Bruttosozialproduktes. Das, was der Präsident der USA
    in seiner State of the Union erklärt hat, entspricht unge-
    fähr 1 Prozent des amerikanischen Bruttosozialprodukts.
    Das heißt, mit diesen Impulsen bewegen wir uns in etwa
    in der Relation dessen, was der amerikanische Präsident
    in seiner State of the Union als konjunkturfördernde
    Maßnahmen angekündigt hat.

    Drittens würde jede Abkehr vom notwendigen Kon-
    solidierungskurs, die mit einem Konjunkturprogramm
    verbunden wäre, zwangsläufig zu gegenläufigen Ent-
    wicklungen führen. Es wäre sehr wahrscheinlich, dass
    ein Verlassen des Konsolidierungspfades in der jetzigen
    Situation nicht nur ein sträflicher Wiederholungstatbe-
    stand wäre, der uns im Hinblick auf das Ziel der Genera-
    tionengerechtigkeit Lügen strafen würde und der vor
    allen Dingen dem verbreiteten Verdacht Vorschub leis-
    tete, dass die Politik im Zweifelsfall immer bereit ist,
    sich leichtfüßig in eine höhere Staatsverschuldung zu
    flüchten. Diese Abkehr könnte gerade angesichts des
    derzeitigen Inflationsdrucks viel mehr auch die europäi-
    sche Geldpolitik betreffen. Sie könnte zu einer restrikti-
    veren Geldpolitik, also zu Zinserhöhungen durch die
    EZB führen. Je nach Ausmaß würde die Konjunktur da-
    durch stärker belastet, als ein Konjunkturprogramm be-
    schleunigend wirken könnte.

    Bisher sind die Auswirkungen der globalen Finanz-
    marktturbulenzen auf die deutsche Konjunktur und da-
    mit auf den aktuellen Bundeshaushalt verkraftbar. Bis-
    her! Es besteht Grund zu der Annahme, dass dies
    weiterhin so bleibt. Aber ich rate dringend, sich von der
    lieb gewordenen Vorstellung zu verabschieden, dass wir
    künftig – genauso wie 2006 und 2007 – mit unerwarteten
    Steuermehreinnahmen rechnen könnten, die wir bisher
    zu zwei Dritteln in die Absenkung der Nettokreditauf-
    nahme und zu einem Drittel in zusätzliche Investitionen
    für Wachstum und Beschäftigung gesteckt haben. Ich
    sage an dieser Stelle sehr prononciert: Auf unerwartete
    zusätzliche Steuermehreinnahmen kann in diesem Jahr
    niemand hoffen. Das Gegenteil ist nicht auszuschließen.

    Vor diesem Hintergrund sehe ich die hauptsächliche
    Gefahr für den weiteren notwendigen Konsolidierungs-
    kurs nicht in der konjunkturellen Entwicklung, sondern
    in den trotz schwieriger Rahmenbedingungen unge-
    bremsten politischen Begehrlichkeiten gegenüber dem
    Haushalt.


    (Beifall des Abg. Otto Fricke [FDP])


    Die Gleichzeitigkeit unverträglicher politischer Forde-
    rungen und Vorschläge verwirrt nicht nur die Bürgerin-
    nen und Bürger, sondern behindert auch die Stetigkeit
    unseres Kurses. Runter von der Staatsverschuldung, aber
    rauf mit diversen Ausgaben und runter mit den Steuer-
    sätzen und das alles gleichzeitig, dies funktioniert nicht.
    Das sollte endlich Common Sense in diesem Haus wer-
    den.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich betreibe keine Schwarzmalerei, aber die haus-
    haltsbelastenden politischen Wünsche übersteigen die
    gegenwärtig sichtbaren und beherrschbaren Einnah-
    meausfälle durch die etwas schwächer werdende Kon-
    junktur um ein Vielfaches. Deshalb sage ich: Vorsicht an
    der Bahnsteigkante! Die Große Koalition hat keinerlei
    Anlass, von ihrer erfolgreichen, soliden Haushaltspolitik
    abzuweichen, weder durch ökonomisch fragwürdige
    Programme noch durch zusätzliche steuerliche Entlas-
    tungen nach einer Serie bereits erfolgter Steuersenkun-
    gen.


    (Zuruf des Abg. Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE])


    Die jüngste ist gerade einmal sieben oder acht Wochen
    her. Für die anstehenden Verhandlungen zum Bundes-
    haushalt 2009 kann dies nur zweierlei bedeuten: Erstens.
    Die Verhandlungen werden von uns allen sehr große
    Disziplin und Konzentration auf das wirklich Notwen-






    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundesminister Peer Steinbrück
    dige verlangen. Zweitens. Sie werden noch weniger ver-
    gnügungssteuerpflichtig sein, als sie es je waren.

    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-

nächst dem Kollegen Dr. Hermann Otto Solms für die
FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Otto Solms


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren! Es kann gar kein Zweifel sein, dass diese
    aktuelle Krise am Finanzmarkt ihren Ausgang in den
    Vereinigten Staaten genommen hat, dass dort Fehler ge-
    macht worden sind und dass dies zu kritisieren ist. Es ist
    aber nicht Sache eines Oppositionspolitikers, sich mit
    den Fehlern in den Vereinigten Staaten zu befassen, son-
    dern meine Aufgabe ist es, zu prüfen, was die Bundes-
    regierung getan hat, ob sie Fehler gemacht hat und wer
    für diese Fehler verantwortlich ist. Darüber müssen wir
    heute reden.


    (Beifall bei der FDP)


    Ich halte es auch für richtig, Herr Bundesfinanzminister,
    und ich unterstütze – das sage ich jetzt persönlich, weil
    wir das in der Fraktion nicht abgestimmt haben –, dass
    Sie jetzt in einer erneuten Runde öffentliche Finanzmit-
    tel beiziehen, um den endgültigen Untergang der IKB zu
    vermeiden, insbesondere um Schaden vom deutschen
    Finanzmarkt abzuwenden.

    Aber: Wer ist verantwortlich für den riesigen Verlust
    an öffentlichen Mitteln, der nun eingetreten ist? Ich will
    auf die Fehler hinweisen.

    Erstens. Ihr Vorgänger Hans Eichel hat die ersten
    Fehler gemacht. 2001 hat er entschieden – der Bundes-
    tag war mit dieser Angelegenheit nicht befasst –, dass
    die KfW als Eigentümerin bei der IKB eintritt. Es war
    immer unsere Auffassung, dass sich eine staatliche För-
    derbank nicht an privaten, riskanten Spekulationsge-
    schäften beteiligen darf.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Ich habe dies, Herr Bundesfinanzminister, auch im
    Wahlkampf 2005 öffentlich gesagt. In der WiWo ist das
    zitiert. Ich habe Herrn Eichel und Frau Matthäus-Maier
    auch persönlich gesagt: Wenn wir 2005 Verantwortung
    übernommen hätten, wäre diese Beteiligung unverzüg-
    lich veräußert worden. – Dann hätten wir uns den Scha-
    den erspart.


    (Beifall bei der FDP – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wer es glaubt, wird selig!)


    Sie haben nun 2005 den Fehler begangen, das zu über-
    nehmen und das Engagement fortzusetzen. Sie haben die
    Verantwortung dafür, dass der Staat, also der Steuerzah-
    ler, an diesen riskanten Spekulationsgeschäften beteiligt
    geblieben ist.
    Zweiter Fehler. Herr Eichel hat die Bankenaufsicht
    unzureichend geregelt. Er hat einen Kompetenzwirrwarr
    zwischen Bundesbank und BaFin mit Streitigkeiten bis
    jetzt ausgelöst. Jetzt soll es angeblich einen vorläufigen
    Kompromiss zwischen beiden Instituten geben. Wir ha-
    ben damals gefordert, die Kompetenz auf eine Institution
    zu konzentrieren, und zwar am besten auf die Deutsche
    Bundesbank, weil diese unabhängig ist und nicht unter
    Ihrer Aufsicht steht. Sie würde Ihnen dafür aber auch die
    Verantwortung ersparen.


    (Beifall bei der FDP)


    Auch das ist nicht gemacht worden.

    Was ist dabei herausgekommen? Nicht nur Kompe-
    tenzwirrwarr bei der Bankenaufsicht, sondern auch
    Kompetenzwirrwarr bei der Aufsicht durch den Bundes-
    finanzminister; denn Sie sind an der Aufsicht der IKB
    direkt und indirekt geradezu dreifach beteiligt, nämlich
    durch den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden
    Herrn Leinberger, der im Vorstand der KfW sitzt, und
    durch Herrn Asmussen, Abteilungsleiter im Finanz-
    ministerium, der gleichzeitig im Verwaltungsrat der
    BaFin und im Aufsichtsrat der IKB sitzt, sich also sozu-
    sagen selbst kontrolliert. Auch das liegt in Ihrer Verant-
    wortung. Schließlich hat die BaFin beansprucht, die
    Überwachung der IKB selbst durchzuführen und die
    Bundesbank herauszuhalten, sodass die Überwachungs-
    fehler eindeutig der BaFin zuzuschreiben sind. Diese
    dreifache Überwachung hat zu dem Versagen geführt.
    Jetzt soll mir aber niemand erklären, das alles wäre ge-
    heimnisvoll und vertuscht worden. Ich habe mir – wie es
    jeder tun kann – den Geschäftsbericht der IKB aus dem
    Internet heruntergeladen und ausgedruckt. Dort sind ja
    alle Zahlen aufgeführt; jeder kann sie sich anschauen.
    Zumindest Fachleute hätten doch aufmerksam werden
    müssen.


    (Zuruf von der FDP: Genau so ist es!)


    Ich möchte eine Passage zitieren; das ist etwas, was
    man sich nur auf der Zunge zergehen lassen kann. In
    dem Geschäftsbericht steht: Unsere Investments konzen-
    trieren sich zu zwei Dritteln auf US-Portfolios, insbeson-
    dere auf Hypothekenkreditforderungen. – Dann kommt
    das Schönste:

    Wir nutzen unsere große Expertise … in diesem Be-
    reich aber auch, um auf Provisionsbasis externe Ge-
    sellschaften bei deren Investments in internationale
    Kreditportfolien zu beraten. Dies bezieht sich ins-
    besondere auf das Conduit „Rhineland Funding Ca-
    pital Corporation“ in den USA.

    Das ist ja eine Tochtergesellschaft der IKB. Die haben
    sie beraten, damit der gleiche Mist, der bei der IKB
    durchgeführt wird, auch bei dem Conduit durchgeführt
    wird.

    „Unsere große Expertise“ – und das hat bei Ihnen nie-
    mand gemerkt? Das steht doch alles im Geschäftsbe-
    richt! Der Aufsichtsrat bestätigt das ja.


    (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE])







    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Hermann Otto Solms
    Der nächste Fehler: das Krisenmanagement, das Sie
    durchgeführt haben – jetzt wird ja schon die dritte Hilfs-
    aktion durchgeführt. Die erste Hilfsaktion fand im August
    statt: 3,5 Milliarden Euro sind zur Verfügung gestellt wor-
    den. Die zweite Hilfsaktion fand am 30. November statt.
    Dabei sind die Mittel der KfW zur Abschirmung der Ri-
    siken auf 4,8 Milliarden Euro erhöht worden. Vorgestern
    gab es die dritte Runde: 1,2 Milliarden Euro öffentliche
    Mittel sind zur Verfügung gestellt worden. Das sind ins-
    gesamt 6 Milliarden Euro. Ist das jetzt die letzte Runde?
    Sind diese Aktionen jetzt abgeschlossen? Oder wie viele
    Runden haben wir noch vor uns? Kann das jemand sa-
    gen?

    Sie beschimpfen die privaten und die anderen Ban-
    ken. Sie haben in der FAS in einem Interview gesagt:

    Das begründet meine Aufforderung an die anderen
    Banken, jetzt schnell alles offenzulegen, was sie an
    erkennbaren Risiken mitschleppen, damit der Markt
    nicht im Vierzehn-Tage-Rhythmus von Hiobsbot-
    schaften weiter nervös gemacht wird.

    Was passiert denn in Ihrem Bereich? Was haben Sie
    denn jetzt aufgedeckt? – Sie verfahren nach der Salami-
    taktik: Wenn es notwendig ist, dann wird etwas aufge-
    deckt. Dann wartet man bis zur nächsten Krise. Was hier
    vorgeführt wird, ist wirklich dilettantisch.


    (Beifall bei der FDP)


    Meine Damen und Herren, insgesamt sind mindestens
    6 Milliarden Euro öffentliche Mittel verbrannt. Die sind
    verbraucht. Wer ist dafür verantwortlich? Darum geht es
    hier. Wir wollen kein Bauernopfer, etwa das von Frau
    Matthäus-Maier, sehen. Wir wollen wissen, wer für den
    Verlust von 6 Milliarden Euro Steuernmitteln hauptsäch-
    lich verantwortlich ist. In diesem Fall ist das eindeutig
    der Bundesfinanzminister.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der FDP)