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ID1612309000

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    Plenarprotokoll 16/123 griffe gegen die USA auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Vereinten Na- tionen und des Artikels 5 des Nordatlantik- vertrags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (Drucksache 16/6939) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oskar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartmut Koschyk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Dr. Michael Bürsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 42: a) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- 12726 C 12726 D 12728 A 12729 B 12730 B 12731 A 12742 A 12743 D 12745 C 12746 C 12748 C 12749 B 12750 B 12751 C 12753 B Deutscher B Stenografisc 123. Si Berlin, Donnerstag, de I n h a Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Dr. Konrad Schily . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl des Abgeordneten Michael Link (Heil- bronn) als Schriftführer . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Ablauf der Tagesordnung . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 8, 23, 28, 30, 34, 35 a, 36, 38, 39 und 40 . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streit- kräfte bei der Unterstützung der gemein- samen Reaktion auf terroristische An- 12723 A 12723 B 12723 B 12726 B 12726 B Detlef Dzembritzki (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 12732 B 12733 B undestag her Bericht tzung n 8. November 2007 l t : Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Nationale Integrationsplan Neue Wege – Neue Chancen (Drucksache 16/6281) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin BK . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Rudolf Körper (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ 12734 A 12734 C 12734 D 12735 A 12737 B 12738 C 12740 B brachten Entwurfs eines … Gesetzes zu Änderung des Staatsangehörigkeitsg setzes (StAG) (Drucksache 16/5107) . . . . . . . . . . . . . . . r e- . 12754 B II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Umsetzung des Rahmenbe- schlusses des Rates vom 22. Juli 2003 über die Vollstreckung von Entschei- dungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweis- mitteln in der Europäischen Union (Drucksache 16/6563) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting- Uhl, Dr. Harald Terpe, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schutz vor Emissionen aus Laserdruckern, Laserfax- und Kopiergeräten (Drucksache 16/5776) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Cornelia Hirsch, Volker Schneider (Saar- brücken), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Indisch-Deutschen Studierenden- und Wissenschaftleraus- tausch fördern – Mobilitätsprogramm zum Jahr der Geisteswissenschaften in Deutschland (Drucksache 16/5811) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Kai Gehring, Krista Sager, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Indisch- Deutschen Studierenden- und Wissen- schaftleraustausch fördern – Mobili- tätsprogramm zum Jahr der Geistes- wissenschaften in Deutschland (Drucksache 16/5968) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Marcus Weinberg, Ilse Aigner, Bernward Müller (Gera), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Ulla Burchardt, Jörg Tauss, Willi Brase, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Indisch-Deutschen Studierenden- und Wissenschaftleraus- tausch fördern – Mobilitätsprogramm zum Jahr der Geisteswissenschaften in Deutschland (Drucksache 16/6945) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 43: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Drucksachen 16/6540, 16/6986) . . . . 12754 C 12754 C 12754 C 12754 D 12755 A 12755 B – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/6992) . . . . . . . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Februar 2007 zwischen der Bundes- republik Deutschland und Australien über die Soziale Sicherheit von vorü- bergehend im Hoheitsgebiet des ande- ren Staates beschäftigten Personen („Ergänzungsabkommen“) (Drucksachen 16/6567, 16/6829) . . . . . . . c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Ju- gendgerichtsgesetzes und anderer Ge- setze (Drucksachen 16/6293, 16/6568, 16/6978) d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Finanzverwaltungsgesetzes und an- derer Gesetze (Drucksachen 16/6560, 16/6740, 16/6993) Namentliche Abstimmung (zu Tagesordnungs- punkt 43 d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 43: e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Legehennenbetriebsregistergesetzes (Drucksachen 16/6559, 16/6862) . . . . . . . f) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Gisela Piltz, Dr. Max Stadler, Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Kein zu- sätzlicher Bundeswehreinsatz im In- neren – Die Polizei kann durch die Bundeswehr nicht ersetzt werden – zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Volker Beck (Köln), Jerzy Montag, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Bun- deswehr vor öffentlichen Gebäuden und Stadien für die Fußballwelt- meisterschaft 2006 (Drucksachen 16/563, 16/359, 16/1510) g) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie zu dem Antrag der Abgeordneten 12755 C 12755 D 12756 A 12756 B 12759 B 12759 C 12756 C 12757 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 III Florian Toncar, Burkhardt Müller- Sönksen, Dr. Werner Hoyer, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: EU- Waffenembargo gegen China beibehal- ten (Drucksachen 16/969, 16/2574) . . . . . . . . h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Brunkhorst, Michael Kauch, Horst Meierhofer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Exportaktivi- täten deutscher Unternehmen im Tech- nologiebereich erneuerbarer Energien sachgerecht unterstützen (Drucksachen 16/1565, 16/3587) . . . . . . . i) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu der Unter- richtung durch die Bundesregierung: Vor- schlag für eine Verordnung des Europäi- schen Parlaments und des Rates zu Ge- meinschaftsstatistiken über öffentliche Gesundheit und über Gesundheits- schutz und Sicherheit am Arbeitsplatz KOM (2007) 46 endg.; Ratsdok. 6622/07 (Drucksachen 16/4819 Nr. 11, 16/5949) j) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz zu der Un- terrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Verordnung des Ra- tes über die gemeinsame Marktorgani- sation für Wein und zur Änderung be- stimmter Verordnungen (inkl. 11361/07 ADD 1 und 11361/07 ADD 2) KOM (2007) 372 endg.; Ratsdok. 11361/07 (Drucksachen 16/6389 Nr. 1.49, 16/6863) k)–u) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 286, 287, 288, 289, 290, 291, 292, 293, 294, 295 und 296 zu Petitionen (Drucksachen 16/6801, 16/6802, 16/6803, 16/6804, 16/6805, 16/6806, 16/6807, 16/6808, 16/6809, 16/6810, 16/6811) . . . . Tagesordnungspunkt 35: b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes (Drucksachen 16/6309, 16/6828) . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- nen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE 12757 B 12757 C 12757 C 12757 D 12758 A 12759 A GRÜNEN: Jüngste Entwicklungen in Pa- kistan Walter Kolbow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckart von Klaeden (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Werner Hoyer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Norman Paech (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ruprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Johannes Pflug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Uta Zapf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Sebastian Edathy (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel, Dr. Heinrich L. Kolb, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Beschäftigungschancen Älte- rer verbessern – Reformen der Agenda 2010 nicht zurücknehmen (Drucksache 16/6644) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Volker Schneider (Saarbrücken), Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Beschäfti- gungssituation Älterer verbessern – Übergang vom Erwerbsleben in die Rente sozial gestalten (Drucksache 16/6929) . . . . . . . . . . . . . . . Jörg Rohde (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU) . . . . . . . . Uwe Barth (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Grotthaus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Jörg Rohde (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12761 D 12763 A 12763 D 12764 D 12765 C 12766 C 12768 A 12769 A 12770 A 12771 A 12772 A 12773 A 12773 D 12775 A 12775 A 12775 B 12776 B 12776 B 12779 A 12779 C 12780 C 12781 A 12783 C IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 Tagesordnungspunkt 6: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Erster Fortschrittsbericht zur High- tech-Strategie für Deutschland (Drucksache 16/6900) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Johann-Henrich Krummacher, Ilse Aigner, Dorothee Bär, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Jörg Tauss, René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: IKT 2020: ge- zielte Forschungsförderung für zu- kunftsträchtige Innovationen und Wachstumsfelder im Bereich der Informations- und Kommunika- tionstechnologien (IKT) – zu dem Antrag der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Grietje Bettin, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Innovationsfähigkeit stär- ken durch Bildungs- und For- schungsoffensive (Drucksachen 16/5900, 16/5899, 16/6923) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Pieper (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ilse Aigner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dieter Grasedieck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU) . . . . . . . Jörg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008) (Drucksachen 16/6290, 16/6739, 16/6981, 16/7036) . . . . . . . . . . . . . . . 12784 D 12785 A 12785 B 12787 A 12787 D 12789 A 12790 A 12791 C 12793 A 12794 B 12795 B 12796 A 12798 A 12798 B 12798 D – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/6988) . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Steuer- klasse V abschaffen – Lohnsteuerab- zug neu ordnen – zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE: Entfernungspauschale voll- ständig anerkennen – Verfassungs- mäßigkeit und Steuergerechtigkeit herstellen – zu dem Antrag der Abgeordneten Christine Scheel, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Steuervereinfachung – Lohnsteuerklassen III, IV und V ab- schaffen (Drucksachen 16/6396, 16/6374, 16/3023, 16/6981, 16/7036) . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Oskar Lafontaine, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion DIE LINKE: Verbesse- rung der Statistik zur Lohn- und Ein- kommensteuer, Umsatzsteuer und Erb- schaft- und Schenkungsteuer (Drucksachen 16/3025, 16/4274) . . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Oskar Lafontaine, Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Steu- erpflichtige mit mehr als 500 000 Euro Einkommen gleichmäßig und regelmä- ßig prüfen (Drucksachen 16/3699, 16/5693) . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Frechen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Bernhardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12800 A 12800 A 12800 B 12800 B 12800 C 12801 C 12803 A 12804 A 12805 C 12806 C 12807 D 12812 B 12812 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 V Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Volker Schneider (Saarbrücken), Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rentenabschläge für Langzeit- erwerbslose verhindern (Drucksache 16/6933) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Weiter- verwendung nach Einsatzunfällen (Ein- satz-Weiterverwendungsgesetz – Ein- satzWVG) (Drucksachen 16/6564, 16/6650, 16/6896) – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/6909) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Heß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Brüning (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: a) Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Irmingard Schewe-Gerigk, Christine Scheel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für ein transparentes, mit- telstandsfreundliches, innovationsoffe- nes und soziales Vergaberecht (Drucksache 16/6786) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Dr. Thea Dückert, Margareta Wolf (Frankfurt), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ökoeffiziente Beschaffung auf Bundesebene durchsetzen (Drucksache 16/6791) . . . . . . . . . . . . . . . . 12809 D 12810 A 12811 A 12811 B 12814 B 12815 D 12817 B 12818 B 12818 B 12818 C 12819 B 12820 A 12821 C 12822 B 12823 A 12823 D 12823 D c) Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, Werner Dreibus, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bei öffentlichen Aufträgen so- zial-ökologische Anliegen und Tarif- treue durchsetzen (Drucksache 16/6930) . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martin Zeil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD) . . . . . Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Invest- mentgesetzes und zur Anpassung ande- rer Vorschriften (Investmentände- rungsgesetz) (Drucksachen 16/5576, 16/5848, 16/6874) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Dr. Gerhard Schick, Christine Scheel, Kerstin Andreae, Bärbel Höhn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Offene Immobilienfonds – Markt- stabilität sichern, Anlegervertrauen stärken (Drucksachen 16/661, 16/6874) . . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nina Hauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Beschlussempfehlung und Bericht des Sport- ausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Detlef Parr, Joachim Günther (Plauen), Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Recht der Sport- wetten neu ordnen und Finanzierung des Sports sowie anderer Gemeinwohl- belange sichern – zu dem Antrag der Abgeordneten Detlef Parr, Joachim Günther (Plauen), Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und 12824 A 12824 A 12825 A 12826 D 12827 D 12829 B 12830 A 12830 B 12830 C 12831 A 12832 B 12833 D 12834 D VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 der Fraktion der FDP: Liberalisierung des Sportwettenmarkts in Deutschland einleiten und europakonformes Konzes- sionsmodell vorlegen (Drucksachen 16/1674, 16/3506, 16/6838) Klaus Riegert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Riegert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung (Drucksachen 16/6539, 16/6983) . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/6989) . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Abgabenfreie Entgeltum- wandlung über 2008 hinaus fortfüh- ren und ausbauen – zu dem Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Birgitt Bender, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bei- tragsfreie Entgeltumwandlung – Erst prüfen, dann entscheiden (Drucksachen 16/6433, 16/6606, 16/6983) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem An- trag der Abgeordneten Dirk Niebel, Dr. Heinrich L. Kolb, Christian Ahrendt, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Vermittlungsgutscheine der Bundesagen- 12836 B 12836 C 12837 B 12838 B 12839 B 12840 A 12841 A 12841 D 12842 B 12843 A 12844 B 12844 C 12844 C tur für Arbeit marktgerecht ausgestalten – private Arbeitsvermittlung stärken (Drucksachen 16/1675, 16/6987) . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Große Anfrage der Abgeordneten Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, Sabine Zimmermann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Stärkung der sozialen und ökologi- schen Verantwortung von Unternehmen (Drucksachen 16/3557, 16/5844) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozial- versicherung (LSVMG) (Drucksachen 16/6520, 16/6738, 16/6984) – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/7018) . . . . . . . . . . . . . . . . Rolf Stöckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . . Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe- Gerigk, Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ge- schlechtersensible und effiziente Haus- haltspolitik einführen (Drucksache 16/6792) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12844 D 12845 A 12846 D 12847 D 12849 B 12850 A 12850 C 12852 B 12852 B 12852 C 12852 D 12853 D 12854 C 12855 C 12856 B 12857 A 12857 C 12858 B 12859 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 VII Tagesordnungspunkt 17: a) Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung deutscher Streitkräfte an der Friedensmission der Vereinten Nationen im Sudan (UNMIS) auf Grundlage der Resolution 1590 (2005) des Sicherheitsrats der Vereinten Natio- nen vom 24. März 2005 und weiterer Mandatsverlängerungen durch den Si- cherheitsrat der Vereinten Nationen (Drucksache 16/6940) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der AU/UN Hybrid Operation in Dar- fur (UNAMID) auf Grundlage der Re- solution 1769 (2007) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 31. Juli 2007 (Drucksache 16/6941) . . . . . . . . . . . . . . . . Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Sibylle Laurischk, Horst Friedrich (Bay- reuth), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Integrierte Planung für Schiene und Straße im Rheingraben – Ge- samtverkehrskonzept Südbaden (Drucksache 16/6638) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bei der 62. Generalversammlung der Vereinten Nationen ein Zeichen für die weltweite Ab- schaffung der Todesstrafe setzen (Drucksache 16/6942) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Katja Kipping, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Finanzierung von Frauenhäusern bundesweit sicherstellen und losgelöst vom SGB II regeln (Drucksache 16/6928) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12860 A 12860 A 12860 B 12861 B 12862 A 12862 D 12863 D 12864 D 12865 C 12865 D 12866 B Tagesordnungspunkt 21: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Finanzie- rung der Beendigung des subventio- nierten Steinkohlenbergbaus zum Jahr 2018 (Steinkohlefinanzierungs- gesetz) (Drucksache 16/6566) . . . . . . . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Finanzierung der Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus zum Jahr 2018 (Steinkohlefinanzierungsgesetz) (Drucksachen 16/6384, 16/6972) . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/6973) . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie: – zu dem Antrag der Abgeordneten Paul K. Friedhoff, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Ausstieg aus der Steinkohle zügig und zu- kunftsgerichtet gestalten – RAG- Börsengang an marktwirtschaftli- chen Grundsätzen ausrichten – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, Hans-Kurt Hill, Dr. Barbara Höll, Dr. Gesine Lötzsch und der Frak- tion DIE LINKE: Ruhrkohle AG in eine Stiftung öffentlichen Rechts überführen – Börsengang verhin- dern (Drucksachen 16/5422, 16/6392, 16/6972) Paul K. Friedhoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Sylvia Kotting-Uhl, Winfried Hermann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Umweltqualitäts- normen im Bereich Wasserpolitik – Forderungen des Europäischen Parlaments aufgreifen und ausweiten (Drucksache 16/6636) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der 12866 C 12866 C 12866 C 12866 D 12867 A 12868 D VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 Heimkehrerstiftung und zur Finanzie- rung der Stiftung für ehemalige politi- sche Häftlinge (Heimkehrerstiftungs- aufhebungsgesetz – HKStAufhG) (Drucksachen 16/5845, 16/6956) . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/6990) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für die Angelegenheiten der Europäi- schen Union zu dem Antrag der Abgeordne- ten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union weiter entwickeln (Drucksachen 16/5425, 16/6977) . . . . . . . . . . Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit – zu der Verordnung der Bundesregierung: Fünfte Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung – zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Meierhofer, Michael Kauch, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Verpackungsver- ordnung sachgerecht novellieren – Wei- chen stellen für eine moderne Abfall- und Verpackungswirtschaft in Deutsch- land – zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weg vom Öl im Kunststoffbereich – Chance der Novelle der Verpackungs- verordnung nutzen und mit Biokunst- stoffen echte Kreisläufe schließen (Drucksachen 16/6400, 16/6487 Nr. 2.2, 16/6598, 16/3140, 16/6982) . . . . . . . . . . . . . . Michael Müller, Parl. Staatssekretär BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . 12869 A 12869 A 12869 C 12869 D 12871 B 12872 B 12872 D 12873 C 12874 C 12875 A 12876 A Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerd Bollmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Regionalisierungsge- setzes (Drucksachen 16/6310, 16/6975) . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/6991) . . . . . . . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Peter Hettlich, weite- ren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur effizien- teren Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs (Regionalisierungsre- formgesetz) (Drucksachen 16/1435, 16/2807) . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu dem Antrag der Abgeord- neten Winfried Hermann, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verwen- dung der Regionalisierungsmittel offen- legen (Drucksachen 16/652, 16/2807) . . . . . . . . d) – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Heidrun Bluhm, Katrin Kunert, Dorothee Menzner, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion DIE LINKE eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes (Drucksachen 16/4858, 16/5771) . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/5772) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der gesetz- lichen Berichtspflichten im Zuständig- keitsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Drucksachen 16/6737, 16/6957) . . . . . . . 12877 B 12878 D 12879 C 12880 D 12881 A 12881 A 12881 B 12881 B 12881 C 12882 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 IX b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz zu dem An- trag der Abgeordneten Peter Bleser, Ursula Heinen, Uda Carmen Freia Heller, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier, Volker Blumentritt, Dr. Gerhard Botz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Neuordnung des Berichtswesens (Drucksachen 16/5421, 16/6492) . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversor- gungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts (Drucksachen 16/6541, 16/6985) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Vier- ten Gesetzes zur Änderung des Gen- technikgesetzes (Drucksache 16/6814) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des EG-Gen- technik-Durchführungsgesetzes (Drucksache 16/6557) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Nicole Maisch, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Kennzeichnung gentech- nikfreier Fütterung bei tierischen Produk- ten ermöglichen (Drucksache 16/6944) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Nicole Maisch, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Schutz von Mensch, Um- welt und gentechnikfreier Produktion im Gentechnikrecht bewahren (Drucksache 16/6943) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12882 B 12882 D 12883 A 12883 B 12883 B 12883 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Klaus Brähmig (CDU/CSU) zur Abstim- mung über den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der landwirt- schaftlichen Sozialversicherung (LSVMG) (Tagesordnungspunkt 15) . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Peter Jahr, Katharina Landgraf und Volkmar Uwe Vogel (alle CDU/CSU) zur Ab- stimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der landwirt- schaftlichen Sozialversicherung (LSVMG) (Tagesordnungspunkt 15) . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Maria Michalk (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Moder- nisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSVMG) (Tagesord- nungspunkt 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Florian Toncar, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Ernst Burgbacher, Rainer Brüderle, Patrick Döring, Jörg van Essen, Miriam Gruß, Michael Kauch, Harald Leibrecht, Michael Link (Heil- bronn), Markus Löning, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Dirk Niebel, Detlef Parr, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Carl-Ludwig Thiele und Christoph Waitz (alle FDP) zur Abstimmung über den Antrag: Bei der 62. Generalversammlung der Vereinten Nationen ein Zeichen für die weltweite Ab- schaffung der Todesstrafe setzen (Tagesord- nungspunkt 19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Axel Berg (SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Finanzierung 12883 D 12883 B 12885 A 12885 C 12886 B 12887 A 12887 B X Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 der Beendigung des subventionierten Stein- kohlenbergbaus zum Jahr 2018 (Steinkohlefi- nanzierungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 21) Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Alexander Dobrindt, Rita Pawelski, Andreas G. Lämmel, Eckhardt Rehberg, Dr. Georg Nüßlein und Hartmut Koschyk (alle CDU/ CSU) zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung zu der Verordnung der Bundesre- gierung: Fünfte Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung (Tagesordnungs- punkt 26) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Großen Anfrage: Stärkung der sozialen und ökologischen Verantwortung von Unter- nehmen (Tagesordnungspunkt 14) Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Garrelt Duin (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Geschlechtersensible und effizi- ente Haushaltspolitik einführen (Tagesord- nungspunkt 16) Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Anträge: – Fortsetzung der Beteiligung deutscher Streitkräfte an der Friedensmission der Vereinten Nationen im Sudan (UNMIS) auf Grundlage der Resolution 1590 (2005) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 24. März 2005 und weiterer Man- 12887 D 12889 B 12889 C 12891 A 12891 C 12892 B 12892 D 12893 C 12894 A 12895 C 12896 D 12897 B 12898 A datsverlängerungen durch den Sicherheits- rat der Vereinten Nationen – Beteiligung bewaffneter deutscher Streit- kräfte an der AU/UN Hybrid Operation in Darfur (UNAMID) auf Grundlage der Re- solution 1769 (2007) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 31. Juli 2007 (Tagesordnungspunkt 17 a und b) Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Integrierte Planung für Schiene und Straße im Rheingraben – Gesamt- verkehrskonzept Südbaden (Tagesordnungs- punkt 18) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Bei der 62. Generalversammlung der Vereinten Nationen ein Zeichen für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe setzen (Tagesordnungspunkt 19) Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) . . . . . . . . . Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Finanzierung von Frauenhäusern bundesweit sicherstellen und losgelöst vom SGB II regeln (Tagesordnungspunkt 20) Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Renate Gradistanac (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12898 D 12899 C 12900 D 12902 B 12903 A 12903 C 12904 D 12906 C 12907 B 12908 C 12909 A 12909 D 12911 A 12911 C 12912 A 12913 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 XI Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Finanzierung der Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus zum Jahr 2018 (Steinkohlefinanzierungsgesetz) – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Ausstieg aus der Steinkohle zügig und zukunftsgerichtet gestalten – RAG- Börsengang an marktwirtschaftlichen Grundsätzen ausrichten – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Ruhrkohle AG in eine Stiftung öf- fentlichen Rechts überführen – Börsen- gang verhindern (Tagesordnungspunkt 21 a und b) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Umweltqualitätsnormen im Be- reich Wasserpolitik – Forderungen des Euro- päischen Parlaments aufgreifen und auswei- ten (Tagesordnungspunkt 22) Ulrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Petra Bierwirth (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Heimkehrerstiftung und zur Finanzierung der Stiftung für ehemalige politische Häft- linge (Heimkehrerstiftungsaufhebungsgesetz – HKStAufhG) (Tagesordnungspunkt 25) Klaus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) . . . . . . Maik Reichel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12914 A 12914 D 12915 D 12916 C 12918 C 12920 B 12921 D 12922 C 12923 A 12923 D 12924 C 12925 C 12926 B 12927 A 12927 B Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Die Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union weiter entwickeln (Ta- gesordnungspunkt 24) Michael Link (Heilbronn) (FDP) . . . . . . . . . . Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: – zu der Verordnung der Bundesregierung: Fünfte Verordnung zur Änderung der Ver- packungsverordnung – zu dem Antrag: Verpackungsverordnung sachgerecht novellieren – Weichen stellen für eine moderne Abfall- und Verpa- ckungswirtschaft in Deutschland – zu dem Antrag: Weg vom Öl im Kunst- stoffbereich – Chance der Novelle der Verpackungsverordnung nutzen und mit Biokunststoffen echte Kreisläufe schlie- ßen (Tagesordnungspunkt 26) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Än- derung des Regionalisierungsgesetzes – Entwurf eines Gesetzes zur effizienteren Finanzierung des öffentlichen Nahver- kehrs (Regionalisierungsreformgesetz) – Beschlussempfehlung und Bericht: Ver- wendung der Regionalisierungsmittel of- fenlegen – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 27 a bis d) Klaus Hofbauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12928 A 12929 B 12930 A 12931 A 12931 D 12932 D 12933 D 12934 C XII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der gesetzlichen Berichtspflichten im Zustän- digkeitsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Ver- braucherschutz – Beschlussempfehlung und Bericht: Neu- ordnung des Berichtswesens (Tagesordnungspunkt 29 a und b) Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursula Heinen, Parl. Staatssekretärin BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Ände- rung des Gentechnikgesetzes – Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ände- rung des EG-Gentechnik-Durchführungs- gesetzes Antrag: Kennzeichnung gentechnikfreier Fütterung bei tierischen Produkten ermög- lichen Antrag: Schutz von Mensch, Umwelt und gentechnikfreier Produktion im Gentech- nikrecht bewahren (Tagesordnungspunkt 32 und Zusatztagesord- nungspunkte 9 und 10) Dr. Max Lehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 12935 B 12936 C 12936 D 12937 D 12938 C 12942 A 12942 C 12943 B des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungs- rechts (Tagesordnungspunkt 31) Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg Rohde (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12939 D 12940 C 12941 B Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12944 C 12945 C 12946 D 12947 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12723 (A) (C) (B) (D) 123. Si Berlin, Donnerstag, de Beginn: 9
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    2) Anlage 22 igung 7 (D), letzter Absatz, der lesen: „Deswegen machen genau das verhindern soll, t benutzt wird, um Preise dnis 90/Die Grünen zu Pro- stimmung über den von der ten Gesetzentwurf zur Än- ungsgesetzes und anderer tschädigungsrechts. it und Soziales empfiehlt in g auf Drucksache 16/6985, ndesregierung auf Druck- Abgeordneter und de DIE GRÜNEN Kennzeichnung gente tierischen Produkten – Drucksache 16/6944 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, L Verbraucherschutz (f) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12885 (A) (C) (B) (D) Wieczorek-Zeul, SPD 08.11.2007 nicht nur rund 400 000 zuschussberechtigte Landwirte am Bundeszuschuss partizipieren würden, sondern alleHeidemarie die von Verbänden und Trägern erstellt wurden und die Gegenstand einer Anhörung waren, der Bundeszuschuss als Einnahmeposten in das Lastenausgleichsverfahren eingebracht. Das hätte zur Folge, dass – anders als bisher – Thönnes, Franz SPD 08.11.2007 Wicklein, Andrea SPD 08.11.2007 Anlage 1 Liste der entschuldi Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Akgün, Lale SPD 08.11.2007 Amann, Gregor SPD 08.11.2007 Andres, Gerd SPD 08.11.2007 Beckmeyer, Uwe SPD 08.11.2007 Bismarck, Carl-Eduard von CDU/CSU 08.11.2007 Connemann, Gitta CDU/CSU 08.11.2007 Dreibus, Werner DIE LINKE 08.11.2007 Ernst, Klaus DIE LINKE 08.11.2007 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 08.11.2007 Irber, Brunhilde SPD 08.11.2007 Knoche, Monika DIE LINKE 08.11.2007 Kotting-Uhl, Sylvia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 08.11.2007 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 08.11.2007 Kunert, Katrin DIE LINKE 08.11.2007 Dr. Lauterbach, Karl SPD 08.11.2007 Müntefering, Franz SPD 08.11.2007 Nitzsche, Henry fraktionslos 08.11.2007 Reichenbach, Gerold SPD 08.11.2007 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 08.11.2007 Dr. Seifert, Ilja DIE LINKE 08.11.2007 Strothmann, Lena CDU/CSU 08.11.2007 Anlagen zum Stenografischen Bericht gten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Klaus Brähmig (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zur Modernisierung des Rechts der land- wirtschaftlichen Sozialversicherung (LSVMG) (Tagesordnungspunkt 15) Dem von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung werde ich zu- stimmen. Es sind dringende Anpassungen vorzunehmen, um das System der agrarsozialen Sicherungen zukunftsfest zu gestalten. Trotz der 3,65 Milliarden Euro, mit denen der Bund die LSV im Jahre 2006 unterstützte, klagen die Versicherten über eine zu hohe Beitragsbelastung. Der Bundesrechnungshof stellt fest, dass der Strukturwandel in der LSV unvermindert anhält, und die Zahl der akti- ven Versicherten und der landwirtschaftlichen Betriebe nimmt jedes Jahr ab. Des Weiteren wurden die Ziele der Organisationsreform des Jahres 2001 nicht erreicht, die LSV arbeitet nicht wirksam und wirtschaftlich. Mit der Reform wurde ein tragfähiger Kompromiss gefunden, der es ermöglicht, die Zukunft der LSV zu vertretbaren Beiträgen zu sichern. Die Einführung und Ausgestaltung des Lastenaus- gleichs ist ein Kernelement dieser Reform. Auch wenn es auf den ersten Blick so scheint, dass die nord- und ost- deutschen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften am stärksten davon betroffen sind, müssen dennoch alle Beteiligten in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau über den Lastenausgleich, von dem mittelfris- tig alle profitieren werden, innergemeinschaftliche Soli- darität im Berufsstand üben. Ferner wurde in einer Reihe von Modellrechnungen, Winkelmeier-Becker, Elisabeth CDU/CSU 08.11.2007 Wolf (Frankfurt), Margareta BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 08.11.2007 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 12886 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Beitragszahler der landwirtschaftlichen Unfallversiche- rung. Der ohnehin ab 2010 abgesenkte Bundeszuschuss müsste also auf eine sehr viel größer werdende Zahl Be- rechtigter verteilt werden. Für die Arbeitsgruppe Ernäh- rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der CDU/ CSU- und SPD-Bundestagsfraktion steht fest, dass zu- nächst der im Gesetz festgeschriebene Lastenausgleich ohne den Bundeszuschuss umgesetzt werden muss. Erst im Anschluss daran kommt es wie bisher zu einer Bei- tragssenkung für die zuschussberechtigten Landwirte durch die Gewährung des Bundeszuschusses, der auch weiterhin auf Basis der beitragsbelastbaren Ertragswerte errechnet werden soll und aus dem Beitragsbescheid er- sichtlich sein muss. Diesen Sachverhalt haben beide Ar- beitsgruppen in der Schlussberatung des Ausschusses Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am Mittwoch, dem 7. November 2007, im Rahmen einer Protokollnotiz noch einmal herausgestellt. Damit es nicht zu übermäßigen Belastungen einzelner Regionen kommt, wurde ein Kompromiss gefunden, der vorsieht, dass ein Übergangszeitraum für die Jahre 2010 bis 2014 festgelegt wird, in dem das Umlagevolumen schrittweise erhöht wird. Aufgrund dieses Kompromisses kann ich trotz meiner Bedenken diesem Gesetzentwurf zustimmen, da dadurch die Belastungen der Berufsgenossenschaften und Unter- nehmer in Nord- und Ostdeutschland auf ein angemesse- nes Niveau reduziert werden und die zukunftssichere Ausgestaltung der landwirtschaftlichen Sozialversiche- rungen mit stabilen Beiträgen erreicht wird. Vor allem zeigt der Kompromiss aber auch, dass die Solidarität des Berufsstandes noch funktioniert. Selbstverständlich wer- den sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit den Auswirkungen der befristeten Abfindungsaktion für Kleinrenten im Jahre 2010 noch einmal beschäftigen müssen, da von ihrer Inanspruchnahme der Erfolg der Reform der LSV abhängt. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Peter Jahr, Katharina Landgraf und Volkmar Uwe Vogel (alle CDU/ CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der land- wirtschaftlichen Sozialversicherung (LSVMG) (Tagesordnungspunkt 15) Am Donnerstag, den 8. November, werde ich dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der landwirt- schaftlichen Sozialversicherung zustimmen. Es sind dringende Anpassungen vorzunehmen, um das System der agrarsozialen Sicherungen zukunftsfest zu gestalten. Trotz der 3,65 Milliarden Euro, mit denen der Bund die LSV im Jahre 2006 unterstützte, klagen die Versicherten über eine zu hohe Beitragsbelastung. Der Bundesrechnungshof stellt fest, dass der Strukturwandel in der LSV unvermindert anhält und die Zahl der aktiven Versicherten und der landwirtschaftlichen Betriebe jedes Jahr abnimmt. Des Weiteren wurden die Ziele der Orga- nisationsreform des Jahres 2001 nicht erreicht; die LSV arbeitet nicht wirksam und wirtschaftlich. Mit der Reform wurde ein tragfähiger Kompromiss gefunden, der es ermöglicht, die Zukunft der LSV zu vertretbaren Beiträgen, zu sichern. Die Einführung und Ausgestaltung des Lastenausgleichs ist ein Kernelement dieser Reform. Auch wenn es auf den ersten Blick so scheint, dass die nord- und ostdeutschen landwirtschaft- lichen Berufsgenossenschaften am stärksten davon be- troffen sind, müssen dennoch alle Beteiligten in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau über den Lastenausgleich, von dem mittelfristig alle profitieren werden, innergemeinschaftliche Solidarität im Berufs- stand üben. Ferner wurde in einer Reihe von Modellrechnungen, die von Verbänden und Trägern erstellt wurden und die Gegenstand einer Anhörung waren, der Bundeszuschuss als Einnahmeposten in das Lastenausgleichsverfahren eingebracht. Das hätte zur Folge, dass – anders als bisher – nicht nur rund 400 000 zuschussberechtigte Landwirte am Bundeszuschuss partizipieren würden, sondern alle Beitragszahler der landwirtschaftlichen Unfallversiche- rung. Der ohnehin ab 2010 abgesenkte Bundeszuschuss müsste also auf eine sehr viel größer werdende Zahl Be- rechtigter verteilt werden. Für die Arbeitsgruppe Ernäh- rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der CDU/ CSU- und SPD-Bundestagsfraktion steht fest, dass zu- nächst der im Gesetz festgeschriebene Lastenausgleich ohne den Bundeszuschuss umgesetzt werden muss. Erst im Anschluss daran kommt es wie bisher zu einer Bei- tragssenkung für die zuschussberechtigten Landwirte durch die Gewährung des Bundeszuschusses, der auch weiterhin auf Basis der beitragsbelastbaren Ertragswerte errechnet werden soll und aus dem Beitragsbescheid er- sichtlich sein muss. Diesen Sachverhalt haben beide Ar- beitsgruppen in der Schlussberatung des Ausschusses Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am Mittwoch, dem 7. November 2007, im Rahmen einer Protokollnotiz noch einmal herausgestellt. Damit es nicht zu übermäßigen Belastungen einzelner Regionen kommt, wurde ein Kompromiss gefunden, der vorsieht, dass ein Übergangszeitraum für die Jahre 2010 bis 2014 festgelegt wird, in dem das Umlagevolumen schrittweise erhöht wird. Aufgrund dieses Kompromisses kann ich trotz meiner Bedenken diesem Gesetzentwurf zustimmen, da dadurch die Belastungen der Berufsgenossenschaften und Unter- nehmer in Nord- und Ostdeutschland auf ein angemesse- nes Niveau reduziert werden und die zukunftssichere Ausgestaltung der landwirtschaftlichen Sozialversiche- rungen mit stabilen Beiträgen erreicht wird. Vor allem zeigt der Kompromiss aber auch, dass die Solidarität des Berufsstandes noch funktioniert. Selbstverständlich wer- den sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit den Auswirkungen der befristeten Abfindungsaktion für Kleinrenten im Jahre 2010 noch einmal beschäftigen müssen, da von ihrer Inanspruchnahme der Erfolg der Reform der LSV abhängt. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12887 (A) (C) (B) (D) Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Maria Michalk (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zur Modernisierung des Rechts der land- wirtschaftlichen Sozialversicherung (LSVMG) (Tagesordnungspunkt 15) Am Donnerstag, dem 8. November, werde ich dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der landwirt- schaftlichen Sozialversicherung zustimmen. Es sind dringende Anpassungen vorzunehmen, um das System der agrarsozialen Sicherungen zukunftsfest zu gestalten. Trotz der 3,65 Milliarden Euro, mit denen der Bund die LSV im Jahre 2006 unterstützte, klagen die Versicherten über eine zu hohe Beitragsbelastung. Der Bundesrech- nungshof stellt fest, dass der Strukturwandel in der LSV unvermindert anhält. Die Zahl der aktiven Versicherten und der landwirtschaftlichen Betriebe nimmt jedes Jahr ab. Des Weiteren wurden die Ziele der Organisationsre- form des Jahres 2001 nicht erreicht. Die LSV arbeitet nicht wirksam und wirtschaftlich. Mit der Reform wurde ein tragfähiger Kompromiss gefunden, der es ermöglicht, die Zukunft der LSV zu vertretbaren Beiträgen zu sichern. Die Einführung und Ausgestaltung des Lastenausgleichs ist ein Kernelement dieser Reform. Auch wenn es auf den ersten Blick so scheint, dass die nord- und ostdeutschen landwirtschaft- lichen Berufsgenossenschaften am stärksten davon be- troffen sind, müssen dennoch alle Beteiligten in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau über den Lastenausgleich, von dem mittelfristig alle profitieren werden, innergemeinschaftliche Solidarität im Berufs- stand üben. Damit es nicht zu übermäßigen Belastungen einzelner Regionen kommt, wurde ein Kompromiss ge- funden, der vorsieht, dass ein Übergangszeitraum für die Jahre 2010 bis 2014 festgelegt wird, in dem das Umlage- volumen schrittweise erhöht wird. Dadurch werden die Belastungen der Berufsgenossenschaften und Unterneh- mer in Nord- und Ostdeutschland auf ein angemessenes Niveau reduziert. Aufgrund dieses Kompromisses kann ich trotz meiner Bedenken diesem Gesetzentwurf zu- stimmen. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Florian Toncar, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Ernst Burgbacher, Rainer Brüderle, Patrick Döring, Jörg van Essen, Miriam Gruß, Michael Kauch, Harald Leibrecht, Michael Link (Heilbronn), Markus Löning, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Dirk Niebel, Detlef Parr, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Carl-Ludwig Thiele und Christoph Waitz (alle FDP) zur Abstim- mung über den Antrag: Bei der 62. Generalver- sammlung der Vereinten Nationen ein Zeichen für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe setzen (Tagesordnungspunkt 19) Die Todesstrafe ist eine grausame und unmenschliche Bestrafung, die durch nichts zu rechtfertigen ist. Das Eintreten für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ist ein wichtiger Bestandteil deutscher und europäischer Politik. Ich unterstütze ausdrücklich den Inhalt des Antrags „Bei der 62. Generalversammlung der Vereinten Natio- nen ein Zeichen für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe setzen“. Die Forderung Nr. 9 ist allerdings missverständlich und daher kontraproduktiv. Der aus- drückliche Verweis auf Polen als einziges direkt anzu- sprechendes Land erweckt den Anschein, als ob Polen die Ablehnung der Todesstrafe als Fundament der europäischen Werteordnung anzweifle. Dies ist nicht der Fall. Zwar ist richtig, dass die alte polnische Regierung eine Einigung auf europäischer Ebene für einen „Euro- päischen Tag gegen die Todesstrafe“ verhinderte. Dieses Verhalten war ausgesprochen kritikwürdig, da so die Ge- legenheit für ein klares europäisches Signal gegen die Todesstrafe ungenutzt verstrich. Jedoch hat in Polen mittlerweile eine neue Regie- rung ihr Amt angetreten, die bereits jetzt erkennen lässt, dass sich ein solches Vorgehen nicht wiederholen wird. Aus heutiger Sicht ist daher keine weitere geson- derte Einflussnahme auf Polen notwendig. Eine ent- sprechende Initiative gegenüber der neu gewählten pol- nischen Regierung ist daher nicht angezeigt. Sie könnte deren erklärte Bemühungen im Hinblick auf eine Ver- besserung der Beziehungen erschweren. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Axel Berg (SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Finanzierung der Beendigung des subven- tionierten Steinkohlebergbaus zum Jahr 2018 (Steinkohlefinanzierungsgesetz) (Tagesordnungs- punkt 21 a) Die Abstimmung über den zwischen den Regierungen der Länder Nordrhein-Westfalen und Saarland und der Bundesregierung sowie der IG Chemie und der Ruhr- kohle AG gefundenen Kompromiss, der in Form des so- genannten Steinkohlefinanzierungsgesetzes in den Deut- schen Bundestages eingebracht worden ist, bringt mich in ein Dilemma. Grundsätzlich ist die Beendigung der Subventionie- rung des Steinkohlebergbaus zu begrüßen. Ich werde den Gesetzentwurf mit beschließen und die beiden Anträge der Oppositionsparteien ablehnen, bin aber persönlich der Ansicht, dass nur der technisch schnellstmögliche Ausstieg sinnvoll ist, denn jede Förderung weiterer 12888 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Tonnen Kohle ist sowohl ökonomisch als auch ökolo- gisch nicht zu verantworten. Die beim Abbau der Steinkohle entstehenden CO2- Emissionen ergeben beinahe ein Viertel der von der In- dustrie und dem Stromerzeugungssektor in der zweiten Handelsperiode des Emissionshandels (2008 bis 2012) zu erbringenden Reduktionsmengen. Beim Abbau von Steinkohle im Tagebau fallen deutlich weniger Emissio- nen an. Damit würde eine absolute Reduktion im globa- len Maßstab bei einem frühzeitigen Ausstieg möglich sein. Bedenkt man, dass mit demselben Finanzierungs- aufwand zur Erschließung einer Tonne heimischer Stein- kohle drei Tonnen Irnportkohle gekauft werden können, erschließt sich auch die ökonomische Sinnhaftigkeit des Abbaus von heimischer Steinkohle nicht. Die im Gesetzentwurf festgeschriebene Vollkostende- ckung der heimisch geförderten Steinkohle entspricht nicht mehr einer modernen Förderung. Es sollte – wenn man die Maßgabe nimmt, dass das Ende des Bergbaus in Deutschland 2018 wirklich stattfindet – über ein „Benchmarksystem“ diskutiert werden, das sich an den durchschnittlichen Förderkosten in diesem Sektor orien- tiert. Damit wäre gewährleistet, dass die Bergbaube- triebe mit den höchsten Förderkosten als erste geschlos- sen werden. Dem Bund entstünden dadurch deutlich weniger Förderkosten. Nach der dem Gesetzentwurf vorausgegangenen KPMG-Studie sind die vollständigen Ewigkeitskosten überhaupt nicht berechnet, die für eine solche Entschei- dung zu berücksichtigen sind. Das geht auch gar nicht, weil sie ihren Namen zu Recht tragen. Beispielsweise das Flöz unter dem Rhein, in das Wasser einbricht, das permanent herausgepumpt werden muss. Hört man auf mit Pumpen, fällt der Rhein herunter mit der Folge, dass halb Nordrhein-Westfalen unter Wasser liegt. Man muss pumpen, solange der Rhein fließt – also ewig. Von über 2 000 ehemaligen Bergwerken weiß man nicht mal mehr, wo genau sie sind und welche Bergschäden von ihnen noch ausgehen werden. Die durch den Börsengang des weißen Bereichs der früheren RAG in Form der Evo- nik AG erzielten Erlöse werden in der RAG-Stiftung nicht ausreichen, um diese Kosten zu tragen. Damit ist die Konstruktion nicht nachhaltig, denn sie bedeutet nur den einmaligen Aufbau eines Kapitalstocks, der zudem kaum in der notwendigen Weise wachsen kann. Es reicht schon rein rechnerisch nicht aus, die werthaltigen Bestandteile der ehemaligen RAG und den Bergbau ge- geneinander so aufzurechnen, dass im Endeffekt eine positive Zahl herauskommt. Damit ist der residuale Be- zahler, der für die Zahlungen im Endeffekt geradestehen muss, wenn die Summen nicht ausreichen, natürlich der Steuerzahler. Das Unternehmen Evonik wird so mit die- ser einmaligen Zahlung aus der unternehmerischen Ver- antwortung entlassen. Als allererste Prämisse hätte nicht das Herstellen ei- nes Konzerns im Ruhrgebiet angestrebt werden müssen. Es gibt überhaupt keine wirtschaftliche Erkenntnis, die darauf hindeutet, dass es ein werthaltiger Weg für eine Region sein soll, einen starken Spieler künstlich zu er- zeugen. Die starken Unternehmen, die wirklich von Weltruf in unserer und vielen anderen Volkswirtschaften sind, haben das selbst auf die Beine gestellt. Das Silicon Valley beispielsweise, das immer herangezogen wird für die Clusteridee, ist endogen entstanden und gerade nicht künstlich durch eine Clusterstrategie erzeugt worden. Ein Unternehmen, das selbst zu einem Weltmarktführer wird, ist eine gute Anlage für eine Region. Aber einfach zu sagen, wir stellen ein großes Unternehmen her und dann geht es der Region besser, ist volkswirtschaftlich nicht durch Argumente gedeckt. Deshalb hätte es sich angeboten zu sagen, man verfolgt ernsthaft auch die Überlegungen des Einzelverkaufs der werthaltigen Be- standteile, um den Anfangserlös so gut als möglich zu maximieren. Deshalb hat die Frage nach der Sozialisie- rung der Kosten bei gleichzeitiger Privatisierung der Ge- winne ihre Berechtigung, solange nicht durch den An- fangserlös versucht wird, alles an Geld herauszuholen, was man hätte rausholen können. Zusätzlich kommen hierzu die Schäden, die durch den fortgesetzten Bergbau angerichtet werden. Es ist keines- wegs so, dass die Förderung der Arbeitnehmer, gleichbe- deutend sein muss mit einer Förderung der Produktion von Steinkohle. Beide Arten von Förderungen haben nichts miteinander zu tun. Wenn man die heimische Steinkohleförderung bis 2012 einstellen würde, könnte man rein rechnerisch Klimagase einsparen in einer Höhe von ungefähr 7,5 Millionen Tonnen CO2. Das ist ein er- heblicher Teil dessen, wozu wir uns im Kioto-Protokoll an volkswirtschaftlichen Einsparungen verpflichtet ha- ben, selbst wenn man von Immobilienschäden und ande- ren Schäden absieht, die der fortgesetzte subventionierte Steinkohlebergbau anrichtet. Allein beim Punkt Klima könnte man schon einiges gewinnen, wenn man einfach die beiden Dinge Förderung und Forderung trennen würde. Es ist eine politische Entscheidung, die noch existierenden Unternehmen in eine privatrechtliche Struktur zu überführen und diese aus ihrer unternehmeri- schen Verantwortung zu entlassen. Der Bergbau hat in den beiden Bundesländern Nord- rhein-Westfalen und Saarland eine lange Tradition; dies darf bei einem Ausstieg nicht vergessen werden. Den be- troffenen Regionen eine zukunftsorientierte, zeitnahe und nachhaltige Perspektive zu eröffnen, ist Aufgabe der Politik. Vor allem die im Bergbau tätigen Menschen sol- len eine in die Zukunft orientierte Perspektive erhalten. Eine Überführung in innovative und nachhaltige Be- schäftigung sollte eigentlich Grundbestreben des Aus- stiegsbeschlusses sein. Selbst wenn man der Annahme folgt, dass nicht alle durch betriebsbedingte Kündigungen arbeitslos werden- den Beschäftigten wieder in den Arbeitsmarkt zu inte- grieren wären, blieben den öffentlichen Kassen ca. 1 Million Euro pro Arbeitnehmer, die für Ausgleichs- maßnahmen verwendet werden könnten, wenn wir uns schneller aus dem Steinkohlebergbau zurückzögen. Dies würde sich aus den wegfallenden Subventionen ergeben. Hier mangelte es an dem Willen der Politik, einen sol- chen Schritt konsequent zu gehen. Es bliebe genügend, um den Arbeitnehmern im Bergbau eine Perspektive zu schaffen – insbesondere auch beim Reparaturbergbau – und gleichzeitig noch Geld freizusetzen für die Förde- rung erneuerbarer Energien, insbesondere für die For- schung in erneuerbaren Energien oder in Bildung und Forschung allgemein und in Wissenstransfer. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12889 (A) (C) (B) (D) Nach Aussage der Bundesregierung (Bundestags- drucksache 16/4393) werden von der bisherigen RAG derzeit noch 1 500 Personen im sogenannten „Schwar- zen Bereich“ ausgebildet. Hier sollte der notwendige Wissenstransfer an kommende Generationen zur Ein- schätzung und Bewirtschaftung der alten Bergwerke als Maß für die Anzahl der bereitzustellenden Ausbildungs- plätze angelegt werden. Der Rest der in der Branche täti- gen oder zurzeit in Ausbildung befindlichen Arbeitneh- mer sollte in zukunftsträchtige Industrien im Bereich Effizienz- oder Erneuerbare-Energien-Technologien überführt werden. Die von den Kompromissparteien geäußerten Ab- sichtserklärungen, gemeinsam an einem zukunftsfähigen Strukturwandel zu arbeiten, ist in meinen Augen zu we- nig. Schließlich wissen wir seit vierzig Jahren, dass der deutsche Steinkohleabbau weder umweltfreundlich noch wirtschaftlich ist. Hier sollten konkrete Zahlen die Ab- sichten unterstreichen. So könnten die Politik und die beteiligten Unternehmen den Sorgen der Betroffenen, die bei einem Strukturwandel entstehen, mit einer positi- ven zukunftsfähigen Perspektive begegnen. Die Region Ruhrgebiet ist deswegen so weit hinten- dran, weil sie den Umschwung nicht rechtzeitig ge- schafft hat und der Strukturwandel so lange dauert. Das nicht trotz, sondern wegen der Bemühungen, das Ende lange hinauszuzögern. Es handelt sich bei der Steinkoh- leförderung rein technisch um nichts anderes als um eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Wir wissen sehr gut aus vielfältigen empirischen Untersuchungen in verschie- densten Bereichen, dass Arbeitsbeschaffungsmaßnah- men schon mittelfristig schlecht sind. Hier setzt bei- spielsweise auch die Agenda 2010 an. Sie sind schlecht für die Beteiligten, weil sie selbst vom Markt ferngehal- ten werden. Sie sind schlecht für die jeweilige Region, weil sie sich dem Strukturwandel nicht schnell genug stellen, sie sind schlecht für die Volkswirtschaft, weil sie bezahlt werden müssen. Die beste Strategie, um eine langfristige sozialver- trägliche Entwicklung zu erreichen, ist, Investitionen in neue rentable Arbeitsplätze zu generieren und zu unter- stützen. Das sind Investitionen in Bildung und in Infra- struktur, die dann entsprechend auch zusätzliche Be- schäftigungsmöglichkeiten nach sich ziehen. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Alexander Dobrindt, Rita Pawelski, Andreas G. Lämmel, Eckhardt Rehberg, Dr. Georg Nüßlein und Hartmut Koschyk (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu der Verord- nung der Bundesregierung: Fünfte Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung (Tagesordnungspunkt 26) Wir unterstützen das Ziel der Novelle, die „Trittbrett- fahrerei“ einzudämmen, dass heißt, durch die Vollstän- digkeitserklärung werden künftig auch die Unternehmen eingebunden, die sich bisher überhaupt nicht oder nur teilweise an den Entsorgungskosten ihrer Verkaufsver- packungen beteiligt haben. Die Anhörung am 10. Oktober 2007 hat allerdings ge- zeigt, dass dem sogenannten Trennungsmodell nur mit Bedenken zugestimmt werden kann. Die vorgesehene „Zwangsmitgliedschaft“ in einem der dualen Systeme für Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen, die beim privaten Endverbraucher anfallen, widerspricht dem Grundsatz der individuellen Produktverantwortung und stellt insofern einen Systembruch dar, der rechtlich und ordnungspolitisch bedenklich ist. Es ist auch zu be- fürchten, dass der Anschluss- und Benutzungszwang zu einer Oligopolbildung dualer Systeme mit entsprechen- den Kostensteigerungen für die Verbraucher führt. Wir bitten deshalb die Bundesregierung, die sektora- len und gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Novelle sorgfältig zu beobachten und bei sich abzeich- nenden Fehlentwicklungen eine grundsätzliche Neuaus- richtung der Verpackungsentsorgung vorzuschlagen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Großen Anfrage: Stärkung der sozialen und ökologischen Verantwortung von Unternehmen (Tagesordnungspunkt 14) Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Diese Debatte bietet eine gute Gelegenheit, einmal grundsätzlich über die Aufgabe und das Selbstverständnis von Unternehmern in unserer Wirtschaftsordnung zu sprechen. Denn da – das merkt man der Linken in ihrer Großen Anfrage deutlich an – bestehen zwischen Ihnen und den übrigen Fraktio- nen dieses Hauses doch gewaltige Unterschiede in der Auffassung. Das verwundert nicht: Wer unsere Wirt- schaftsordnung im Grunde ablehnt, wessen Programm es ist, Unternehmen zu enteignen, und wer wie Ihr Partei- vorsitzender Bisky auf Ihrem Vereinigungsparteitag die Systemfrage gestellt hat, der hat ein grundlegend fal- sches Bild von der Verantwortung des Unternehmers in der freien Marktwirtschaft. Halten wir fest: Die zentrale Funktion des Unterneh- mers in der Marktwirtschaft ist es, unter Wettbewerbsbe- dingungen Gewinne zu erwirtschaften. Genau diese Hauptaufgabe ist die zentrale Voraussetzung dafür, dass sichere Arbeitsplätze entstehen und Wohlstand geschaf- fen wird. Und um sichere Arbeitsplätze zu schaffen, müs- sen Unternehmen schon sehr genau darauf schauen, dass sie nicht durch Umweltverschmutzung, Bilanzfälschung, die Ausbeutung ihrer Mitarbeiter, durch Kinderarbeit oder Ähnliches ihr eigenes Geschäftsmodell gefährden. Das ist Teil eines verantwortungsvollen Unternehmer- tums, denn die Verbraucher reagieren heute sehr sensibel auf negative Schlagzeilen aus Unternehmen: Ich nenne als jüngstes Beispiel nur den amerikanischen Beklei- dungshersteller GAP, dessen Zulieferer Kinder in Indien beschäftigte und der daraufhin zehntausende Kleidungs- stücke mit der Begründung vom Markt genommen hat, 12890 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) man wolle nicht riskieren, Produkte aus Kinderarbeit zu verkaufen. Es zeigt sich also, dass Imageprobleme gerade bei Markenherstellern gravierende unternehmerische Folgen haben. Einmal wird das Vertrauen der Marke beschädigt, aber auch Investoren wenden sich ab, was die Entwick- lung einer Firma noch viel mehr beeinträchtigen kann. Gewinnabsicht und gesellschaftliche sowie ökologische Verantwortung von Unternehmen sind somit keine Wi- dersprüche. Es zeigt sich sogar, dass sich Unternehmen, die ihr gesellschaftliches Umfeld im Blick haben, meis- tens besser als ihre Wettbewerber entwickeln. Der Fall GAP – andere Beispiele möchte ich hier gar nicht anführen – hat gezeigt, dass sich die soziale und ökologische Verantwortung von Unternehmen am besten im einem marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen stär- ken lässt. Und dabei haben selbstverständlich Nichtregie- rungsorganisationen, aber besonders die eigenen Mitar- beiter und deren Interessenvertreter eine ganz besondere Aufgabe der Kontrolle und Aufsicht. Es ist zumindest wirksamer, als ständig nach neuen gesetzlichen Regelun- gen zu rufen: Es zeigt sich bei sozialen und ökologischen Fragen, dass die Selbstreinigungskräfte des Marktes auch hier am besten funktionieren. Ich will das anhand einiger Beispiele, die aus der Ant- wort der Bundesregierung stammen, erläutern. Denn es zeigt sich immer stärker, welche Vorteile die Globalisie- rung gerade auch für Entwicklungs- und Schwellenlän- der bringt. Auch Sie von den Linken sollten endlich die Vorteile der Globalisierung anerkennen und nicht die bü- rokratische und ineffiziente Planwirtschaft ohne privates Unternehmertum als Abschluss und Glanzstück aller ökonomischen Entwicklung sehen. Denn wenn es feh- lendes Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Men- schen und der Natur gegeben hat, dann in den Planwirt- schaften des Ostblockes. Dort herrschten unmenschliche Arbeitsbedingungen, und dort wurde ohne Rücksicht auf die natürlichen Ressourcen alles in Grund und Boden ge- wirtschaftet. Die Folgen sehen wir heute noch. Sie ler- nen einfach nichts dazu! Ich will Ihnen das einfach hier zur Kenntnis geben: Der weltweite Wohlstand steigt gegenwärtig, und es sind zu einem großen Teil multinationale Unternehmen, die daran einen Anteil haben: Multinationale Unternehmen bringen Kapital in Entwicklungsländer, das dort drin- gend gebraucht wird. Die gesamten Investitionen nur der deutschen Unternehmen in Entwicklungsländern lagen 2005 bei über 32 Milliarden Euro. Multinationale Unter- nehmen schaffen Arbeitsplätze: Deutsche Unternehmen beschäftigten 2005 in Entwicklungsländern rund 640 000 Arbeitnehmer. Deren Lohn liegt dabei auch noch häufig über dem landesüblichen Niveau, was in der Wertschöpfungskette wiederum Einkommen für weite Millionen von Menschen schafft. Multinationale Unter- nehmen fördern die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitar- beiter und tragen damit zur allgemeinen Verbesserung des Ausbildungsstandes vor Ort bei. Und multinationale Unternehmen ermöglichen ihren Gastländern Zugang zu dringend benötigtem Know-how. Damit werden auch Umwelt- und Energiespartechnologien in diesen Län- dern verbreitet. Man könnte diese Aufzählung fortsetzen, aber es zeigt sich schon hier: Als lokale Partner engagieren sich die Unternehmen in den allermeisten Fällen für die Ge- sellschaft am Investitionsstandort. Da sie sowohl zu Hause als auch im Gastland unter der Beobachtung einer kritischen Öffentlichkeit stehen, können sie sich gar keine Fehler erlauben. Das ist die Realität. Nichtsdestoweniger gibt es noch Entwicklungen, die ein zwischenstaatliches Eingreifen erfordern. Und hier hat die deutsche Ratspräsidentschaft und der G-8-Vorsitz unter unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel wichtige Signale gesetzt: Auf dem G-8-Gipfel vom 6. bis 8. Juni dieses Jahres in Heiligendamm wurde beschlossen, das Thema Corporate Social Responsibility (CSR), also gute Unternehmensführung, zu einem Zukunftsthema gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern zu machen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle festhalten: Das Be- wusstsein, dass ökonomischer Erfolg und die soziale und ökologisch verträgliche Gestaltung der Globalisierung eng zusammengehören, wächst sowohl bei den jeweili- gen nationalen Regierungen als auch bei den internatio- nal tätigen Konzernen. Das hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Anfrage auch klar festgestellt. Ich möchte noch auf einen innenpolitischen Aspekt dieser Anfrage eingehen, den ich in der aktuellen Lage für besonders erwähnenswert halte. Es geht um Entlas- sungen, Firmenschließungen und Firmenverlagerungen ins Ausland sowie um die damit verbundene hohe Ar- beitslosigkeit in der Vergangenheit. Indem Ihre Anfrage schon vor etwa einem Jahr geschrieben wurde, geht sie noch von ganz anderen Erfahrungen und Erwartungen aus, als wir sie heute bei uns in Deutschland vorfinden. Ich unterstelle das jetzt einmal: Diese Große Anfrage ist wahrscheinlich noch unter dem starken Eindruck der ver- gangenen rot-grünen Bundesregierung geschrieben wor- den: Mit 5 Millionen Arbeitslosen, einer bisher nicht gekannten Staatsverschuldung, Abwanderung hochquali- fizierter Wissenschaftler und Zukunftsangst weiter Teile der Bevölkerung. Seit die Union die Bundesregierung führt, hat sich inzwischen viel getan. Die Arbeitslosigkeit sinkt, wir haben einen ausgeglichenen Haushalt vor Au- gen, die Beschäftigungsquote befindet sich auf einem historischen Höchststand. Das ist erfreulich und das Er- gebnis richtiger Politik. Vor allem ist es aber nicht das Er- gebnis staatlicher Regulierung. Wie Politik auf dem Ver- ordnungsweg soziale Verantwortung diktieren soll, das bleibt das Geheimnis der Linken. Aber wahrscheinlich wollen Sie immer noch den „Neuen Menschen“ schaffen. Dass Ihnen dabei jedes Mittel recht ist, hat das Spitzel- und Unterdrückungssystem im real existierenden Sozia- lismus gezeigt. Wir stellen uns den Herausforderungen der Globali- sierung und sind davon überzeugt, dass gerade der Pri- vatsektor und die Wirtschaft in partnerschaftlicher Zu- sammenarbeit dazu beitragen werden, eine nachhaltige und gerechte Weltwirtschaft zu verwirklichen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12891 (A) (C) (B) (D) Garrelt Duin (SPD): Die Forderung der Linken nach einer CSR-Pflicht für Unternehmen steht konträr zu dem Bestreben der Bundesregierung, die Bürokratie in Deutschland abzubauen. Damit würde ein Bürokra- tiemonster geschaffen werden, das die gelebte Politik in unserem Land lähmen würde. Wir brauchen keine CSR-Knebelverträge für die Un- ternehmen. Das gesellschaftliche Potenzial von CSR muss allgemein mehr Anerkennung erfahren und ausge- baut werden, und das auf freiwilliger Basis. Denn für ein Unternehmen gibt es kein besseres Aushängeschild, als soziale Verantwortung zu übernehmen, ihr Engagement für gesellschaftspolitische Verantwortung zu stärken und regen Austausch zu pflegen. Genau das passiert. Gerade die vielen kleineren und mittelständischen Unternehmen leben die gesellschaftli- che Verantwortung vor Ort. Der Mittelstand hinkt hier aber leider in seiner Kommunikation gelebter gesell- schaftlicher Unternehmensverantwortung den Groß- unternehmen hinterher. Das Engagement der mittelständischen Unternehmen wird allzu oft von den Negativschlagzeilen der Großun- ternehmen überschattet. Es geschieht viel Gutes im „stil- len Kämmerlein“; denn gerade im Mittelstand nehmen viele Unternehmer ihre gesellschaftliche Verantwortung mit viel Herz wahr. Das CSR-Engagement des Mittel- stands beginnt hier bei den Mitarbeitern. Dabei geht es um Punkte wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Beschäftigung älterer Arbeitnehmer, dem soge- nannten Altersmix der Belegschaften in den Unterneh- men. Als Beispiel möchte ich an dieser Stelle den Famili- enservice Weser-Ems nennen: Seit 1997 setzt sich dieser Verein für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein. In Kooperation mit dem Mittelstand vor Ort werden hier Kinderbetreuungsmöglichkeiten für die Beschäftigten vermittelt. Der Familienservice hatte damals eine Vorrei- terrolle inne und hat gezeigt, dass gerade von einer strukturschwachen Region wie Ostfriesland Innovatio- nen ausgehen können. Mittlerweile haben sich 95 Unternehmen und öffentliche Verwaltungen diesem Projekt angeschlossen. Ein weiteres Beispiel: das Volks- wagenwerk in Emden. Auch hier wird den Mitarbeiterin- nen und Mitarbeitern Tagesbetreuung für ihre Kinder an- geboten. Oder das Emder Unternehmen „Anker Schifffahrt“. Dort werden seit Jahren sehr gute Erfahrun- gen mit der Einstellung älterer Arbeitnehmer gemacht. Das Unternehmen hat gerade wieder fünf Arbeitnehmer über 50 eingestellt. Das macht immerhin 10 Prozent der gesamten Belegschaft aus. Diese Beispiele, die wahr- scheinlich stellvertretend für viele mittelständische Un- ternehmen bundesweit stehen, machen eines deutlich: Staat, Bürger und Unternehmen sind Partner, die zusam- mengehören und die gemeinsam handeln sollten. Soziale Verantwortung von Unternehmen heißt Engagement nach Innen wie nach Außen und darf nicht zu einem reinen Imageträger verkommen. Soziale Ver- antwortung ist für diese mittelständischen Betriebe kein Marketinggag. Hier wird CSR in die Praxis umgesetzt. Wichtiger als die blinde Forderung nach mehr Geset- zen ist das praktische Zusammenwirken der Akteure vor Ort. Diese brauchen unsere Unterstützung, aber keine neue Bürokratie! Katja Mast (SPD): Als Landeskind Baden-Württem- bergs weiß ich: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Bei uns im Ländle kommt hinzu: Aber joh nit drüber schwätze! Trotzdem engagieren sich Unternehmen über das nor- male Maß hinaus. Vor Ort kennt man die auch, zum Bei- spiel bei mir zu Hause: Der Bäcker Wiskandt ermöglicht eine Lesebibliothek in Huchenfeld, die Metallschlauch- firma Witzenmann fördert die Kletterhalle, der Schmuck- etuihersteller Wild gründet eine Kulturstiftung mit 5 Millionen Euro Startkapital, die Nieferner Elektro- firma Pretema fördert Schüler im Enzkreis, die es schwerer haben als andere. Das Technikunternehmen Seuffer in Calw setzt sich für die musische Jugendbil- dung im Verein Obenauf ein. Erst gestern hat es einem Gymnasium im Nordschwarzwald Musikinstrumente zur Verfügung gestellt. Ob die Firmen wissen, dass ihr gesellschaftliches Engagement neudeutsch „Corporate Social Responsibi- lity“, CSR, heißt und Kofi Annan den Global Compact gegründet hat, glaube ich eher nicht. Aber das ist hier auch egal. Wichtig ist: Sie machen mehr als andere, und das gilt es zu fördern und transparent zu machen – auch vonseiten der Politik. Aber gerade für uns Parlamentarier ist doch klar: Das soziale und ökologische Gesicht der Globalisierung müssen wir in einer Doppelstrategie gestalten. Ich be- tone Doppelstrategie – mit einem Pflicht- und einem Kürteil: Pflicht ist unser Engagement in internationalen Organisationen, wie den Vereinten Nationen und der Eu- ropäischen Union. Dort begegnen wir der Globalisierung mit demokratischen Strukturen und setzen ökologische und soziale Mindeststandards, beispielsweise bei der EU-Dienstleistungsrichtlinie, der ILO-Kernarbeitsnorm oder dem Seearbeitsübereinkommen. Wir setzen damit bewusst ein demokratisches Gegengewicht zum freien Spiel der Kräfte. Damit demokratisieren wir täglich ein Stück mehr die Globalisierung, wenngleich wir wissen: Es dauert noch lange, bis überall die gleichen Sozialstan- dards gelten. Oder glaubt irgendjemand hier an ein bal- diges Elterngeld auf Madagaskar? Hier ein gutes Beispiel für sozialdemokratisches Ar- beiten in übernationalen Gremien: Walter Riester hat für die parlamentarische Versammlung des Europarates die Weiterentwicklung der Sozialcharta vorangetrieben, Franz Müntefering hat dafür gesorgt, dass die deutsche Regierung diese am Ende der EU-Ratspräsidentschaft unterzeichnete. Wir als Parlament können nun bald dafür sorgen, dass sie ratifiziert wird. Dann haben wir wieder ein Stück mehr an internationaler Verbindlichkeit herge- stellt, übrigens – alle Parteien haben diese europäische Sozialcharta unterstützt – auch ihre Vertreter. Ich sagte: Wir brauchen eine Doppelstrategie, um das soziale und ökologische Gesicht der Globalisierung zu 12892 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) gestalten: Die Kür ist neben bundesweiten Gesetzen, Richtlinien in der EU und Abkommen in den Vereinten Nationen Freiwilligkeit. Zum Glück gab es schon immer Unternehmen, die mehr tun als gesetzlich vorgeschrie- ben ist. Denn nur dadurch sind doch auch unsere sozia- len Errungenschaften durchsetzbar gewesen. Ich weiß nicht, wie lange wir heute arbeiten müssten, hätte es Robert Bosch nicht gegeben, der schon 1906 den acht- stündigen Arbeitstag eingeführt hat. Wir Sozialdemokraten finden es gut, wenn ein Unter- nehmen wie Faber-Castell darauf besteht, in China im Werk eine Arbeitnehmervertretung zu wählen, obwohl es dort keine gesetzliche Grundlage dafür gibt. Das ist ein Leuchtturm, den wir nach vorne stellen müssen. Denn nur so verändern wir die Realität. Und genau das ist das Ziel des Corporate-Social-Responsibility-Forums von Franz Müntefering, das im nächsten Jahr startet. Spannend ist doch: Was verstehen wir hier in Deutschland unter gesellschaftlich verantwortlichem Verhalten von Unternehmen? Was ist gut? Wo sind die Lücken beim Handeln? Sind nun die Produkte bei uns alle so produziert, dass sie den internationalen Ab- kommen entsprechen? So weit sind wir leider noch nicht – aber wir arbeiten dran – mit unserer Doppelstrategie: Pflicht und Kür. Gesetze erlassen, das können wir gut als Politik, ver- walten auch. Aber Politik als gestaltender Moderator, um global und lokal Dinge zu verändern, Freiwilligkeit zu fördern und Transparenz herzustellen, das ist das qua- litativ Neue an der CSR-Strategie. Diese Herausforde- rung nehmen wir von der ältesten Partei Deutschlands, der SPD, gerne an. Wir wollen gestalten. Heinz-Peter Haustein (FDP): „Nicht die Tatsachen machen das Leben schwer, sondern unsere Bewertung der Tatsachen.“ – Dieser Ausspruch des griechischen Philosophen Epiktet brachte mich unwillkürlich gedank- lich an die große Anfrage der Linken heran: „Stärkung der sozialen und ökologischen Verantwortung der Unter- nehmen.“ Als ich dann mal näher reingeschaut habe, ist mir klar geworden: Es geht hier um eine pauschale Ver- urteilung der Konzerne und letztlich auch des Mittel- stands. Mit Ihrer Geißelung der Unternehmen als verant- wortungslose Heuschrecken helfen Sie niemandem. Im Gegenteil: Sie täuschen die Menschen über die Wirk- lichkeit hinweg. Sie vergessen immer wieder, dass Globalisierung nichts ist, was uns irgendjemand gegen unseren Willen aufnötigt. Die Globalisierung, das Zu- sammenwachsen und der Wettbewerb der weltweiten Volkswirtschaften, hat schon vor Jahrhunderten begon- nen und wird auch künftig weiter voranschreiten. Als spanische Seefahrer Südamerika erschlossen, war es bil- liger, Erze von dort nach Europa zu bringen als sie selbst zu fördern. Dies brachte den Erzbergbau zum Erliegen. Die Eisenbahn machte die Menschen mobil, verfestigte die Globalisierung. Sie werden die Globalisierung auch nicht aufhalten, aus einem einfachen Grund: Die Menschen sehen die Vorteile der Globalisierung, sie nutzen die sich bieten- den Möglichkeiten größerer Mobilität. Man kauft eben in der Regel das billigere Gerät, ohne zu fragen wo und wie es hergestellt wurde. Natürlich hat das Grenzen, zeigt aber: Globalisierung ist Realität. Wir können sie nicht stoppen, es sei denn, sie wollen wieder Mauer und Stacheldraht um unser Land ziehen. Und wie bei jeder Sache gibt es auch hier zwei Seiten: Da entwickelt Deutschland den Transrapid und rein zufällig kommt ein ähnliches Fahrzeug in China auf den Markt. Bei mir im Erzgebirge im Raum Seiffen, Deutschneudorf, werden Räuchermännchen, Nussknacker, Pyramiden und Schwibbögen mit viel Herz und künstlerischem Ge- schick produziert. Ein halbes Jahr später kommen diese Artikel baugleich aus China auf den deutschen Markt, nicht in gleicher Qualität, aber um 80 Prozent billiger. Bitter! Doch ich bin sicher, dass sich selbst in diesem schwierigen Umfeld Original gegen Plagiat durchsetzten wird. Die andere Seite sind Chancen und Möglichkeiten, die ein internationaler Markt bietet. Denken wir an die Automobilindustrie: Nur weil Zulieferer aus Tschechien Teile an VW liefern, kann Volkswagen noch mit der Konkurrenz aus Japan und Korea mithalten. Deutsche Unternehmen müssen also Teile der Produktion ins Aus- land verlagern, um insgesamt wettbewerbsfähig zu blei- ben. Dies schafft und erhält Arbeitsplätze. Um aber bei diesen Herausforderungen mithalten zu können, muss es auch große international arbeitende Konzerne geben. Die fallen nicht vom Himmel. Sie entwickeln sich nach und nach, wie sich auch die Globalisierung entwickelt. Es ist auch eine gewisse Größe notwendig, um im inter- nationalen Wettbewerb bestehen zu können. Ein Global Player, wie diese Unternehmen genannt werden, hat auch eine sehr lokale Wirkung. Er ist im Wirtschaftspro- zess integriert. Viele Mittelständler und Handwerker profitieren als Subunternehmer und/oder Partner von den Aufträgen der Konzerne, auch von ausländischen Kon- zernen, die in Deutschland arbeiten. Es ist also ein Ge- ben und Nehmen zwischen Konzernen und kleinen Be- trieben. Und deshalb ist es unfair, den Konzernen soziale und ökologische Kälte vorzuwerfen. Vor diesem Hintergrund muss es unsere Aufgabe als Parlament sein, den Boden dafür zu bereiten, dass sich noch mehr große Konzerne in unserem Land ansiedeln, mehr Unternehmen gründen. Der Dünger dafür sind zum Beispiel ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuer- system, Senkung der Lohnnebenkosten, ein beweglicher Arbeitsmarkt und weniger Bürokratie. Das funktioniert, wenn man es will. Doch leider redet die Regierung nur darüber, anstatt endlich mal zu handeln. Ulla Lötzer (DIE LINKE): Die Antwort der Bundes- regierung auf die Große Anfrage der Linken zur sozialen und ökologischen Unternehmensverantwortung ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich für wirksame sozi- ale und ökologische Regeln gegen den globalen Share- holder-Value-Kapitalismus einsetzen. Zwar formuliert die Regierung Bekenntnisse zur sozialen Verantwortung und auch zur Regelungspflicht des Gesetzgebers. Doch bei jeder einzelnen Maßnahme beharrt sie auf der Frei- willigkeit der Unternehmen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12893 (A) (C) (B) (D) Gerade für die Kolleginnen und Kollegen der SPD, ist dies ein politisches Armutszeugnis. In ihrem neuen Pro- gramm heißt es: Damit der Markt seine positive Wir- kung entfalten kann, bedarf es Regeln, eines sanktionsfä- higen Staates, wirkungsvoller Gesetze und einer fairen Preisbildung. – Davon findet man in Antwort der Regie- rung nichts. Im Gegenteil: Nehmen Sie zum Beispiel OECD-Leitlinien für Unternehmen: Sie werden in der Antwort immer wieder als wichtiges Instrument ge- nannt. Mit den Stimmen der SPD hatte sich die Enquete- Kommission „Globalisierung“ für Rechtsverbindlichkeit und bessere Verfahren zur Überprüfung ausgesprochen. Die Regierung beharrt wieder auf der Freiwilligkeit. Hier wie bei vielen ihrer Antworten auf Forderungen von Gremien der Vereinten Nationen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorgansationen gilt: Solange Sie am Mythos freiwilliger Unternehmensverantwortung fest- halten, ist Ihr Gerede von „gerechter Globalisierung“ nicht mehr wert als die vielen bunten Broschüren trans- nationaler Konzerne zu ihrer sozialen und ideologischen Verantwortung. Geradezu armselig sind Ihre Antworten auf die mit dem globalen Kapitalismus gewachsene Machtstellung der transnationalen Konzerne: Ob Telekom, Allianz, Opel oder Deutsche Bank – stellvertretend für viele ha- ben sie sich in den letzten Jahren vor allem mit Massen- entlassungen oder Ausgliederungen einen Namen ge- macht. Mit der Androhung von Produktionsverlagerung oder konzerninterner Konkurrenz um die Produktion neuer Modelle – erzwingen Konzerne einen Unterbie- tungswettlauf um die schlechtesten sozialen und auch ökologischen Standards. Trotzdem sieht Herr Müntefering, keinen Bedarf an gesetzlichen Schritten. Da heißt es: „Der Arbeitgeber kann grundsätzlich frei entscheiden, ob und wie er das Unternehmen umgestaltet oder Betriebsteile oder das Unternehmen insgesamt ver- äußert oder schließt.“ Angesichts der Realität von Zehn- tausenden von Beschäftigten ist das blanker Zynismus. Wir fordern sie auf, hier die Mitbestimmungsrechte von Gewerkschaften und Betriebsräten gegenüber Mas- senentlassungen, bei Ausgliederungen und Verkäufen zu erweitern. Grotesk und lächerlich wirken dann Ihre Ant- worten zur Rolle der Finanzmarktakteure, der Heuschre- cken und anderer. Mit ihrem Einfluss hat sich die Shareholder-Value- Orientierung, also die alleinige Orientierung an hohen Renditewerten in den Unternehmen durchgesetzt. Men- schenrechte, soziale und ökologische Interessen, aber auch langfristige Investitionen in die Zukunft des Unter- nehmens geraten mehr und mehr ins Abseits. Unterneh- men selbst sind zum Handelsobjekt geworden, aus deren An- und Verkauf Profit gezogen wird. Sie streiten zwar gewisse Probleme nicht völlig ab, wollen diese aber vom Markt selbst über „verantwortungsvolle Investments“ sowie durch freundliche Dialogrunden lösen lassen. Er- zählen Sie das alles den Telekom-Beschäftigten, die fünf Wochen gegen Lohnsenkungen, Arbeitszeitverlängerung und Ausgliederung streiken mussten. Wahrlich stumpfe Waffen, die Sie den Menschen an- bieten. Mit fairer Arbeit und ökologischer Erneuerung hat das alles nichts zu tun. Mit Weiterentwicklung des Sozialstaats und seiner Anpassung an die Globalisierung erst rechts nicht. Sie machen die Menschen hilflos und die Politik unmündig. Sie setzen die Menschen der Er- pressung durch transnationale Konzerne aus. Sie machen sogar Regierungen demgegenüber machtlos. Stattdessen brauchen wir Reformen, die Konzerne und Finanz- marktakteure wieder in soziale und ökologische Verant- wortung einbinden. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Staat ist in der Lage, die soziale und ökologische Verantwortung von Unternehmen zu stärken. Er muss dies allerdings, damit dies zielgerichtet geschieht, im Rahmen ordnungspolitischer Grundsätze und durch das Setzen von Anreizen machen. Eine Volkswirtschaft ohne soziale und ökologische Verantwortung beraubt sich ihrer eigenen Grundlagen. Viele Unternehmen haben das erkannt und setzen mit der Corporate Social Responsibility, CSR, diese Verantwor- tung in konkrete Unternehmensziele um. Der Global Compact, zu dem sich international 3 100 Unternehmen verpflichtet haben, definiert zehn solcher Ziele: von der Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nehmer bis hin zu ökologischen Zielen, zum Verbot der Kinderarbeit, zur Absage an Korruption und zur Beseiti- gung von Diskriminierung bei Anstellung und Beschäfti- gung. Bündnis 90/Die Grünen wollen die soziale und ökolo- gische Verantwortung der Unternehmen fördern. Zu ei- ner solchen Förderung gehört auch die Vernetzung und Betreuung der entsprechenden Projekte. Wir haben heute bereits über unseren Antrag zum Vergaberecht debattiert, den wir Grünen in den Bundestag eingebracht haben. Dieser enthält einerseits eine Entbürokratisierung der Vorgaben zu den Vergabeverfahren. Andererseits schafft er entsprechend dem von der EU vorgegebenen Rahmen die Möglichkeit für die verschiedenen staatlichen Ebe- nen, bei der Vergabe selbst Ziele im Sinne der CSR zu definieren. Im Ergebnis können Städte, Gemeinden und der Bund dadurch die Nachfrage für solche Unternehmen stärken, die CSR umsetzen. Hiermit begegnen wir auch der Ge- fahr, dass Unternehmen durch die mit CSR verbundenen Kosten und Standards Vergabenachteile entstehen. Eine solche Reform des Vergaberechtes ist nicht zu unter- schätzen. Die Marktmacht der öffentlichen Hand ist groß: Die Aufträge der öffentlichen Verwaltung und öf- fentlicher Unternehmen an die private Wirtschaft ma- chen in Deutschland rund 17 Prozent des Bruttoinlands- produkts aus, etwa 360 Milliarden Euro pro Jahr. Politik muss aber auch Regeln setzen, wo eine Selbst- kontrolle nachweislich nicht weiterführt. Zur Bekämp- fung von Korruption schlagen wir die Einführung eines Korruptionsregisters vor. Unternehmen, die sich der Korruption schuldig gemacht haben, sollen so keine öf- fentlichen Aufträge mehr erhalten. Und: Die Zahl der Aufsichtsratsmandate muss auf fünf pro Person be- grenzt, der Übergang vom Vorstand in den Aufsichtsrat desselben Unternehmens untersagt werden. 12894 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) CSR wächst aus der Eigeninitiative der Unternehmen. Es wäre falsch, bis ins Detail Unternehmensziele vorge- ben zu wollen und Eigendynamik zu verhindern. Dem Staat kommt hier neben der Ordnungsfunktion gegen Korruption und der Schaffung von Anreizen durch die Vergabe eine aktive Ermutigungsfunktion zu, zum Bei- spiel durch die Förderung entsprechender Initiativen. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Geschlechtersensible und effiziente Haushaltspolitik einführen (Tagesordnungspunkt 16) Ingrid Fischbach (CDU/CSU): Wir debattieren heute über einen Antrag zum geschlechtergerechten Ma- nagement öffentlicher Finanzen, der von Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Grünen-Fraktion, impli- ziert, dass die Bundesregierung sich auf dieses Thema nicht einlassen würde. Diesem Vorwurf trete ich ent- schieden entgegen. Das Bundesfamilienministerium hat im Auftrag der letzten Bundesregierung eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, um Möglichkeiten der Einführung von Gender Budgeting – oder besser: geschlechtergerechtem Management öffentlicher Finanzen – zu identifizieren. Diese liegt dem Bundesministerium vor und wird zurzeit geprüft. Das wissen Sie, verehrte Kolleginnen und Kol- legen der Grünen, sehr wohl. Das Prinzip der Gleichstellung von Frauen und Män- nern als durchgängiges Leitprinzip des öffentlichen Han- delns bedeutet, die unterschiedlichen Interessen von Frauen und Männern von vornherein zu berücksichtigen, um das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern effektiv umsetzen zu können. Dazu gehört natürlich auch die geschlechterdifferen- zierte Analyse der öffentlichen Haushalte. Gemeint ist ein Bündel von Instrumenten, mit denen der Haushalt auf seine Wirkungen für die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern hin überprüft werden kann. Dem Haushalt kommt der Umsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern als durchgängiges Leitprinzip des öffentlichen Handelns besondere Bedeutung zu: Er muss die unterschiedlichen Effekte auf Männer und Frauen in ihren unterschiedlichen Lebenslagen und mit ihren viel- fältigen Erwartungen und Bedürfnissen in den Blick nehmen. Dazu gehören natürlich auch die unterschied- lichen Effekte auf die verschiedenen Generationen im Sinne von Genarationenbilanzen. Mit der Verteilung der Ressourcen im Haushaltsplan werden Aufgabenstellungen definiert und Prioritäten ge- setzt, und somit das Ziel Gleichstellung im Bereich der Finanz- und Haushaltspolitik. Wir stehen vor großen Herausforderungen: Gerade in Zeiten, in denen das wirtschaftliche Wachstum zunimmt, die Prognosen für Deutschland günstig sind und der Staat wieder mehr Geld einnimmt, reden wir sofort über die Verteilung. Auf der anderen Seite steht immer noch die Haushaltskonsolidierung im Mittelpunkt. Wir dürfen zukünftige Generationen nicht mit Schuldenbergen be- lasten. Gender Budgeting kann dabei als Analyse- und Controllinginstrument helfen, Prioritätensetzungen zu erarbeiten und ihre Umsetzung zu kontrollieren, aber es darf allerdings auch nicht überbewertet werden. Auch auf europäischer Ebene sind die Veränderungen in unserer Gesellschaft vielfältig: Demografischer Wan- del, Mobilität, Migration – hier sind Reaktionen und zum Teil massives Gegensteuern gefragt. Die Auswir- kungen dieser Themenfelder beeinflussen auch die Rol- lenverteilung zwischen Frauen und Männern in der Fa- milie und im Beruf sowie die Sozialsysteme. Auch soll unser Handeln Wirkung zeigen. Mehr denn je sind deshalb Wirkungsanalysen und Steuerungsinstrumente gefragt, um ohne Bürokratie oder zumindest ohne ein Mehr an Bürokratie mit effizientem Mitteleinsatz den Bedürfnissen von Frauen und von Männern in diesen Veränderungsprozessen nachhaltig und zielgerichtet Rechnung zu tragen. Eine zielgenauere Verwendung von Mitteln kann auch ein Weg sein, ver- nünftige und durchsetzbare Sparvorschläge zu entwi- ckeln und umzusetzen. Bei der Verteilung von Geldern sollten wir darauf achten, dass Frauen und Männer Gewinn und Nutzen von der Verwendung von Haushaltsmitteln haben. Ein gutes Beispiel hierfür sind das neue Elterngeld, bei dem neben den regulären zwölf Monaten auch zwei weitere Partnermonate eingeführt wurden, oder auch die Diskus- sion zum Ausbau der Kinderbetreuung von unter Drei- jährigen, die zugleich eine Diskussion um den Einsatz von öffentlichen Mitteln zur Schaffung von mehr Wahl- freiheit und damit für mehr Chancengerechtigkeit für Frauen und Männer ist. In Deutschland hat man sich 2002 dazu entschlos- sen, den Haushalt gleichstellungsorientiert zu planen. Für die Durchführung der gleichstellungspolitischen, geschlechterdifferenzierten Abschätzung der Gesetzes- folgen – § 2 in Verbindung mit § 44 GGO – hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Ergänzung der geschäftsordnungsrechtlichen Vorgaben eine Arbeitshilfe erstellt. Danach ist in einer ersten Verfahrensstufe eine gleichstellungspolitische Relevanzprüfung vorzunehmen. Sofern diese zu dem Ergebnis führt, dass Gleichstellungsrelevanz vorliegt, folgt eine vertiefte Hauptprüfung; ergibt die Vorprü- fung hingegen, dass keine Gleichstellungsrelevanz ge- geben ist, folgt keine weitere Untersuchung. Letzteres konnte zum Beispiel für den Haushalt 2007 bejaht wer- den, sodass eine weitere Prüfung entfallen konnte. Neben der praktischen Umsetzung, die also schon jetzt erfolgt, liegt dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wie bereits erwähnt, die Machbarkeitsstudie mittlerweile vor und wird gegenwär- tig geprüft. Es ist geplant, ihre Ergebnisse und weitere Konsequenzen im Ressortkreis zu diskutieren. Dabei wird auch die Frage ihrer Veröffentlichung entschieden werden. Dass sowohl die Ergebnisse als auch eine mög- liche Veröffentlichung erst von der Bundesregierung or- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12895 (A) (C) (B) (D) dentlich und ressortübergreifend geprüft werden, bevor sie zur öffentlichen Disposition stehen, wird meines Er- achtens gerade der hohen Wertigkeit dieses sensiblen Themas gerecht. Gender Budgeting betrifft alle an der Haushaltsauf- stellung Beteiligten. Daher muss der Nutzen für mög- lichst viele klar erkennbar sein. Es darf kein bürokrati- sches Monstrum geschaffen werden. Aufgeblähte komplizierte Verfahren wären das Ende von Gender Budgeting, bevor es überhaupt begonnen hat. Die Bundesregierung fördert seit einigen Jahren das Gender-Kompetenz-Zentrum an der Humboldt-Univer- sität in Berlin, weil sich gezeigt hat, dass externe Unter- stützung bei der Gewinnung von Gender-Kompetenz sinnvoll und erforderlich ist. Die Website des Zentrums ist nach Sachgebieten und Handlungsfeldern unterteilt. Damit bieten sich gezielt Möglichkeiten, für bestimmte Themen- und/oder Arbeitsbereiche zumindest Grundin- formationen zu erhalten. Die Bundesregierung hat außerdem auf ihrer Website ein Wissensnetz eingerichtet und bietet dort ihre Arbeits- hilfen, zum Beispiel die zur Rechtsetzung. Mit dem „Fahrplan der Europäischen Kommission für die Gleich- stellung von Frauen und Männern 2006–2010“ wurde das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen ver- ankert, das Expertisen bereitstellen, den Wissensstand erhöhen und das Thema Gleichstellung stärker ins öf- fentliche Blickfeld rücken soll. Wie die Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen in ih- rem Antrag außerdem anerkannt haben, hat die Bundes- regierung im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft mit einer Fachkonferenz mit dem Titel „Die Verteilung machts – Gleichstellung und soziale Gerechtigkeit durch geschlechtersensible Haushalte“ dieses Thema ausge- leuchtet. Auch andere europäische Länder haben eine gleich- stellungsorientierte Haushaltsplanung eingeführt. Welt- weit existieren bereits in 50 Ländern Gender-Budgeting- Initiativen. Trotzdem steckt das geschlechtergerechte Management öffentlicher Finanzen noch in den Kinder- schuhen, aus denen es zum Beispiel mit Hilfe der Fach- tagung herauswachsen soll. Mit Fachteilnehmern aus unterschiedlichen Ländern wurden die Konzepte und Erfolge dieser Länder als Best-Practice-Beispiele vorgestellt und diskutiert. Die Mitgliedstaaten der EU und die europäische Ebene kön- nen sich beim Thema Gleichstellungspolitik den Ball ge- genseitig zuspielen. Gleichstellungsorientiertes Manage- ment öffentlicher Finanzen müssen auf allen Ebenen öffentlicher Haushalte erprobt und seine Chancen und Grenzen genau sondiert werden. Dabei sind auf Ebene der Kommunen andere Möglichkeiten gegeben als auf der Ebene der nationalen Haushalte oder bei der Aufstel- lung und beim Controlling der Haushalte der Europäi- schen Union. Eine erste und sehr wichtige Schlussfolgerung der Diskussionen auf der Tagung war jedoch auch, dass Ge- schwindigkeit nicht das Hauptkriterium bei den Umset- zungsvorschlägen sein darf. Verbindlichkeit, Seriosität, Passgenauigkeit, Angemessenheit, Nutzenorientierung – das sind Kriterien, die bei der Implementierung von Gender Budgeting vor allem zu beachten sind. Auch müssen die Aspekte des geschlechtergerechten Manage- ments öffentlicher Haushalte in die bestehenden Abläufe integriert werden, die in Politik und Verwaltung bekannt sind. Die Dokumentation zur Tagung soll demnächst veröffentlicht werden, dann können wir einzelne Punkte gerne diskutieren. Viele der Forderungen aus Ihrem Antrag sind jedoch durch das Handeln der Bundesregierung obsolet, und be- vor jetzt die Bundesregierung im Schnellschuss zu ei- nem bestimmten Handeln verpflichtet wird, sollten wir diese Dokumentation mit den Schlussfolgerungen ab- warten. Christel Humme (SPD): Haushaltsentscheidungen sind immer auch ein Ausdruck von Machtverhältnissen. Das war die Feststellung einer österreichischen Profes- sorin im Rahmen einer Konferenz der FES. Das sehe ich auch so. Deshalb ist für uns Frauen interessant: Wohin fließt das Geld im Bundeshaushalt? Wer profitiert da- von? Wird damit die Gleichstellung von Männern und Frauen gefördert? Oder werden Rollen zugewiesen oder gar strukturell verfestigt? Auf europäischer Ebene sind diese Fragestellungen schon seit Jahren ein wichtiges Thema. Es geht um die zentrale Frage: Wie können ge- schlechtersensible Haushalte entwickelt und umgesetzt werden? Das ist ein Thema, das unter der Überschrift „Gender-Budgeting“ diskutiert wird. Es gibt auch schon erste Schritte, die die Umsetzung einleiten sollen. So haben sich die Finanzminister der EU-Länder bereits im Herbst 2001 auf ein gemeinsames Vorgehen verständig, bis zum Jahr 2015 Gender-Budge- ting europaweit umzusetzen. In der Bundesrepublik steckt dieses Thema auf Bundesebene allerdings immer noch in den Kinderschuhen und kommt erst langsam ins Bewusstsein. Daran muss sich etwas ändern; die heutige Debatte kann dazu einen Beitrag leisten. Die rot-grüne Bundesregierung unter der zuständigen Ministerin Renate Schmidt hat im April 2005 eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, wie ein ge- schlechtergerechter Haushalt auf Bundesebene realisiert werden könnte. Jetzt – nach zwei Jahren – liegen die Er- gebnisse der Studie endlich vor und sind auf der Home- page des Familienministeriums zu lesen. Die meiner An- sicht nach hervorragenden umfangreichen Analysen und Vorschläge, die dort gemacht werden, dürfen natürlich nicht in der Schublade verschwinden, sondern müssen genutzt werden. Im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft hat Frau Ministerin von der Leyen dankenswerterweise eine europäische Fachkonferenz zu dem Thema „Die Vertei- lung macht's – Gleichstellung und soziale Gerechtigkeit durch geschlechtersensible Haushalte“ organisiert und sich so dem Thema genähert. Das Fazit der Veranstal- tung ist dokumentiert und lautet: 12896 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Geschlechterorientierte Haushalte sind Abbild und Voraussetzung erfolgreicher, gleichstellungsorien- tierter Politik. Sie dokumentieren, dass Reformen Diskriminierungen abbauen wollen und wo dies noch nicht gelingt. Ein soziales Europa stellt sich der Aufgabe, den gesellschaftlichen Wandel mit seinen Folgen für Frauen, für Frauen und Männer, für das Verhältnis der Geschlechter und für die Gleichberechtigung aufzunehmen und zu gestalten. Das ist aus unserer Sicht nur zu unterstreichen. Mittlerweile müsste es sich eigentlich von selbst ver- stehen, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern als durchgängiges Prinzip auf allen Entscheidungsebe- nen beachtet wird. Ein Prinzip, das unter dem Begriff „Gender-Mainstreaming“ bekannt geworden ist. Wir haben dafür viele eindeutige Rechtsgrundlagen, von denen ich die drei wichtigsten in diesem Zusammen- hang nenne: Seit 1994 verpflichtet sich der Staat in Art. 3 Abs. 2 GG für die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung zu sorgen. 1999 hat die damalige Bun- desregierung auf europäischer Ebene den Amsterdamer Vertrag ratifiziert und sich verpflichtet, das Gender- Mainstreaming-Prinzip einzuführen. Das hat dazu ge- führt, dass es seit September 2000 eine Gemeinsame Ge- schäftsordnung, GGO, der Bundesministerien gibt, in der sich die Ministerien verpflichten, alle Maßnahmen daraufhin zu prüfen, wie sie unter dem Aspekt der För- derung der Gleichstellung auf Männer und Frauen wirken. Eine geschlechtergerechte Sprache gehört im Übrigen dazu. Dieses vereinbarte Prinzip des Gender- Mainstreaming hat mittlerweile zu vielen Erfolgen ge- führt. Geschlechtersensible Haushalte, das heißt „Gender- Budgeting“ ist nichts anderes als die konsequente An- wendung des Gender-Mainstreaming im Haushaltspro- zess. Es sollen geschlechterbezogene Informationen für den Haushalt auf allen Ebenen konkret nutzbar gemacht werden. Damit können alle haushaltsrelevanten Maß- nahmen daraufhin untersucht werden, wie konsequent sie tatsächlich zur Gleichstellung von Frauen und Män- nern beitragen. Es soll damit auch die Frage nach den gesellschaftlichen Geschlechterverhältnissen beantwor- tet werden. Das heißt auch: Wie sieht die gesellschaft- liche Verteilung von Geld und Zeit, von bezahlter und unbezahlter Arbeit aus? Mit diesem Verfahren erreichen wir eine sehr hohe Transparenz. So leicht die Formulierung des Ziels eines geschlech- tergerechten Haushalts ist, umso schwieriger scheint eine konkrete und schnelle Umsetzung. Deshalb kann die Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie nicht gleich der unmittelbare Startschuss für die konkrete Umsetzung sein. Um was es aber gehen muss, ist die Einleitung eines Denk-, aber auch Umsetzungsprozesses. Dabei sind die aktuellen Ergebnisse der europäischen Fachkonferenz des Ministeriums genauso hilfreich wie die umfangrei- che Machbarkeitsstudie. Die Tatsache, dass sich die Ministerien bereits mit Gender-Mainstreaming auseinandergesetzt und Instru- mente zum Beispiel der Gesetzesfolgenabschätzung ent- wickelt haben, zeigt, dass wir nicht bei null anfangen müssen, wenn wir Gender-Budgeting einführen wollen. Gerade wenn es um Gleichstellung geht, wird oft das Argument angeführt, das Ganze sei zu bürokratisch. Das lassen wir nicht gelten. Denn wir wissen, es geht: Vorrei- ter auf diesem Gebiet war Australien. Dort wurde 1984 damit begonnen, durch ein Women’s-Budget herauszu- finden, wie sich Haushalt und Regierungshandeln kon- kret auf Frauen und Mädchen auswirken. Glücklicherweise hat sich inzwischen auch in Europa viel getan. Österreich ist mit gutem Beispiel vorange- gangen. Dort beschäftigt sich derzeit beispielsweise eine Arbeitsgruppe mit der Einführung eines Gender-Budge- ting-Prüfverfahrens im Finanzministerium. In Schweden wurde bereits vor fünf Jahren mit der Umsetzung eines gleichstellungsorientierten Haushalts begonnen. In Großbritannien engagiert sich seit 1989 die Women’s Budget Group. Frankreich, Belgien und die nordischen Staaten haben Schritte zum Gender-Budgeting eingelei- tet. In der Schweiz wird in einem ersten Schritt die unbe- zahlte Arbeit, die nicht nur dort überwiegend von Frauen geleistet wird, in die volkswirtschaftliche Gesamtrech- nung mit einbezogen. Berlin hat als erstes und bisher einziges Bundesland das Prinzip des geschlechtersensiblen Haushalts mit dem Doppelhaushalt 2006/07 konsequent umgesetzt. Kom- munen wie München haben sich ebenfalls dieser Heraus- forderung gestellt. Wir sollten all diese Erfahrungen nutzen und uns auch auf Bundesebene schrittweise auf den Weg machen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück brachte es bei der eingangs erwähnten Konferenz der FES treffend auf den Punkt: Wir brauchen ein sehr viel stärkeres Bewusstsein für Gleichstellungsbelange in allen Fachpolitiken, im Gegensatz zu einer alleinigen Zuständigkeit des Ressorts für Frauen- oder Gleichstellungspolitik. Dem ist im noch bestehenden Jahr der Chancen- gleichheit nichts hinzuzufügen. Ina Lenke (FDP): In Deutschland bezahlen Steuer- bürger und -bürgerinnen und Unternehmen im Jahr 540 Milliarden Euro, aufgeteilt auf Bund, Länder und Kommunen. Das Geld wird ausgegeben. Wir alle kennen die vielfältigen Aufgaben und Verpflichtungen, die der Staat hat. Aber werden sie auch für die größte Gruppe der Gesellschaft – die Frauen – und deren besondere Aufgaben in der Gesellschaft, wie zum Beispiel Kinder- erziehung und -betreuung und Strukturen für die Verein- barkeit von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit gerecht verteilt? Auf der kommunalen Ebene höre ich mehr von den hohen Kosten für Kinderbetreuung, nie aber vom politischen Auftrag des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG, in dem allen staatlichen Ebenen die Aufgabe zukommt, die tat- sächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12897 (A) (C) (B) (D) Die Grünen hatten in ihrer Regierungszeit von 1998 bis 2005 mit der SPD eine gute Möglichkeit, geschlech- tersensible Haushaltspolitik einzuführen. Warum hat das nicht geklappt? Interessant ist die Aussage in dem Antrag der Grünen, dass die EU eine Entschließung „Gender Budgeting“ verabschiedet hat, die in den Ländern auf lokaler, regio- naler und nationaler Ebene umgesetzt werden soll. Die Aussage, dass auf EU-Ebene lediglich „die Möglichkei- ten geprüft werden sollen, auch Gender Budgeting ein- zuführen“, ist doch sehr vage. Deshalb fehlt in Ihrem Antrag die Forderung an die EU-Kommission, erst ein- mal selbst für bessere gendergerechte Verhältnisse zu sorgen und nicht einfach einen Beschluss für die Mit- gliedsländer zu verabschieden. Die politischen Forderungen der Grünen sind in dem Antrag sehr weich formuliert. Was mich bei Ihnen wun- dert! Da soll eine Studie öffentlich diskutiert werden, da sollen konkrete Schritte geprüft werden, da soll sicher- gestellt werden, dass ein Austausch der Ressorts ermög- licht wird. Wo bleiben die konkreten Vorschläge von Ih- nen? Die vermisse ich in Ihrem Antrag. Meine Zustimmung haben Sie bei Ihrer Kritik, dass eine Machbarkeitsstudie zur Umsetzung von Gender Budgeting in Auftrag gegeben wurde, die jetzt von der Bundesregierung immer noch unter Verschluss gehalten wird. Beim Verteidigungshaushalt ist die Frage nach Gen- der Budgeting für manche nicht nachvollziehbar. Wenn ich dazu ein Beispiel nenne, wird es klarer: Seit 2001 ha- ben Frauen das Recht, bei der Bundeswehr Dienst zu tun. Damit einher geht natürlich auch die Vereinbarkeit von Dienst und Familie. Ende 2006 wurde das Soldatinnen- und Soldaten- Gleichbehandlungsgesetz verabschiedet und zusätzlich noch durch den Generalinspekteur der Bundeswehr mit einer „Teilkonzeption Vereinbarkeit von Familie und Dienst in den Streitkräften“ unterfüttert. Wie heißt es in der Teilkonzeption? „Sofern die rechtlichen, finanziellen und materiellen Rahmenbedingungen gegeben sind, sol- len (…)“. Im Budget des Verteidigungshaushaltes spie- gelt sich dies nicht wider. Als frauenpolitische Sprecherin der Bundestagsfrak- tion der FDP bin ich für eine geschlechtersensible und effektive Haushaltspolitik und die Umsetzung von der Theorie in die Praxis. Dabei muss Balance gehalten wer- den zwischen dem Anspruch und der Umsetzung einer gendergerechten Haushaltsführung und der Frage nach dem bürokratischen Aufwand, den Kosten und der Wir- kung der Maßnahme. Österreich hat zum Beispiel dieses Prinzip eingeführt, um seinen Staatshaushalt auf seine Wirkung für Gleich- stellung zwischen den Geschlechtern zu überprüfen. Weltweit existieren bereits in 50 Ländern Gender-Bud- geting-Initiativen. Das sollte auch bei uns möglich sein. Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Die Linke unter- stützt den Antrag der Grünen. Ich möchte auch gleich ei- nen Verbesserungsvorschlag einbringen, damit der An- trag noch etwas konkreter und anschaulicher wird. Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass gute Beispiele anderer Länder einbezogen werden sollen. Da sollten wir nicht den gleichen Umweg machen wie in der Bildungspolitik. Sie erinnern sich, dass Heerscharen von Bildungspoli- tiker nach Finnland fuhren, um das dortige Schulsystem kennenzulernen. Dabei hätte man sich bloß die POS – die Polytechnische Oberschule – aus DDR-Zeiten et- was unvoreingenommener anschauen müssen. So hätte man Reisekosten gespart und wäre zu ähnlichen Ergeb- nissen gekommen. Bauer Korl, ein Mecklenburger Ka- barettist, hat die Abkürzung POS als „Pisa ohne Schwie- rigkeiten“ übersetzt. Da hat er den Nagel auf den Kopf getroffen! Wenn Herr Steinbrück wissen will, wie ein geschlech- tergerechter Haushalt funktioniert, muss er nur eine Fahrkarte nach Berlin-Lichtenberg lösen. In meinem Wahlkreis können die Bürgerinnen und Bürger direkt über die Verwendung ihrer Steuergelder entscheiden. Im Rahmen des Bürgerhaushaltes ist Gender Budgeting be- reits integriert. Was heißt das konkret? Die Haushaltsanalyse hat zum Beispiel ergeben, dass Mädchen und Frauen die Sportan- lagen des Bezirkes unterdurchschnittlich nutzen. Durch gezielte Investitionen und gezielte Vergabe von Sport- stätten gibt es jetzt viel mehr aktive Sportlerinnen in Lichtenberg. Das ist für mich geschlechtersensible Haus- haltspolitik. Mir ist klar, dass Herr Steinbrück die Erfahrungen der Lichtenberger Bürgermeisterin, Christina Emmrich, nicht eins zu eins umsetzen kann, doch die Budgetanaly- sen zeigen, dass es eine Benachteiligung von Frauen bei der Verwendung von Steuergeldern gibt. Der geschlech- terblinde Haushalt verstärkt regelmäßig bestehende Un- gleichheiten. Das haben Politikerinnen und Politiker in über 40 Ländern erkannt, bloß die Bundesregierung hat sich auf diese Entwicklung noch nicht eingestellt. Die Bundesregierung ist untätig, obwohl sich die EU-Fi- nanzminister verpflichtet haben, bis 2015 Gender Bud- geting in allen EU-Ländern umzusetzen. Warum ist diese Koalition immer so schwerfällig und unwillig, wenn es um mehr Gerechtigkeit bei der Vertei- lung von Steuergeldern geht? Auf eine kleine Anfrage der Linken zu dem Thema antwortete die Bundesregie- rung, dass das Haushaltsgesetz 2007 keine Gleichstel- lungsrelevanz habe. Das ist doch borniert und hinter- wäldlerisch. Ich hoffe, dass die Frauen in der SPD- und in der CDU-Fraktion sich des Themas Geschlechtergerechtig- keit im Bundeshaushalt annehmen. Im Haushaltsaus- schuss ist von 15 Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion nur eine Frau in dem Ausschuss. Die SPD hat immerhin fünf Frauen. Es wird Zeit, dass mehr Frauen sich mit der Verteilung der Steuergelder beschäftigen. Ich würde mich freuen, wenn die Ministerinnen dem Finanzminis- ter vormachen, wie aus einem geschlechtsblinden Haus- halt ein geschlechtergerechter Haushalt werden kann. Die Unterstützung der Linken haben Sie. 12898 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Geschlechtersensible Haushaltspolitik – vielleicht fragen Sie sich, was das denn sein könnte? Nun, es ist der Versuch, den Begriff „Gender Budgeting“ ins Deutsche zu übertragen. Wir hören ja des Öfteren von den Schwierigkeiten mit den Anglizismen – allerdings nur, wenn es um Gleich- stellung geht; die Hedgefonds und das Benchmarking sind davon unbehelligt. Gender Budgeting ist wiederum, einfach gesagt, Gender Mainstreaming auf den Haushalt angewandt. Gender Mainstreaming muss ich in diesem Kreis wohl nicht erklären; das kennt ja inzwischen selbst Bundestagspräsident Dr. Lammert. Der Haushalt legt die politischen Prioritäten fest und ist damit auch ein wichtiger Ansatzpunkt für Geschlech- tergerechtigkeit. Es muss analysiert werden, wohin die Mittel fließen, wem sie zugute kommen und ob das von uns politisch so gewollt ist. Wahrscheinlich werden wir dann Prioritäten verändern und Mittel anders verteilen. Ich glaube nämlich nicht, dass der Bundeshaushalt ge- schlechtsneutral ist. Gender Budgeting kann mehr Gerechtigkeit schaffen und mehr Zielgenauigkeit. Wir werden mit den gleichen Mitteln effizienter und transparenter arbeiten können. Darin liegt für mich der Charme von Gender Budgeting. Wir haben ja nun endlich die Machbarkeitsstudie in den Händen. Noch unter Rot-Grün in Auftrag gegeben, verbrachte sie viele Monate in Schubladen, ehe sich die Ministerin dazu durchringen konnte, sie ans Licht der Öffentlichkeit zu lassen. Aber sie scheint lichtscheu ge- blieben zu sein, veröffentlicht nur im Internet, allerdings nur auffindbar, wenn man genau weiß, wo sie liegt – keine Pressemitteilung, kein Begleittext, nichts. Beim Finanzministerium: keine Spur. Schade, als Herr Steinbrück Ministerpräsident war, hat NRW die Auf- nahme von Gender Budgeting ins Haushaltsgesetz be- schlossen; da hätten wir uns ein wenig mehr Einsatz ge- wünscht. Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie versuchen offensichtlich, die Studie so schnell und un- auffällig wie möglich wieder in die Schublade zurückzu- legen. Dabei finden sich auf den 234 Seiten interessante Vorschläge. Am leichtesten lassen sich personenbezo- gene Förderungen analysieren: Fördert das Auswärtige Amt Schulen in Regionen, in denen Koedukation nicht erwünscht ist, müssen neben Jungenschulen auch Mäd- chenschulen finanziert werden. Wenn Sie mich fragen, müssten oft sogar mehr Mädchenschulen gefördert wer- den. Darüber könnten wir dann diskutieren. Die Forschungsgruppe macht auf eine wesentliche Voraussetzung für Gender Budgeting aufmerksam: die Akzeptanz. Einige Häuser haben sich der Zusammen- arbeit sogar komplett verweigert, wie das Verteidigungs- ministerium, und da wäre es nötig. Es nützt doch nichts, wenn zwar Konzepte zur Vereinbarkeit von Familie und Dienst in den Streitkräften geschrieben werden, aber dann keinerlei Mittel eingestellt werden. Die der Studie vorangestellten „Anmerkungen der Bundesregierung“ sind nicht sonderlich motivierend. Da heißt es, es bedürfe „noch der Klärung grundsätzlicher Fragen“. Die Vorschläge seien „zum Teil mit erhebli- chem bürokratischem Aufwand verbunden“. Vielleicht verstehe ich hier etwas falsch, aber ein engagierter Auf- bruch klingt anders. Dabei müssen Sie aktiv werden. Die EU verlangt das von ihren Mitgliedstaaten, und viele Länder haben be- reits konkrete Maßnahmen entwickelt. Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gab es als einziges gleichstellungspolitisches Projekt eine Konferenz zu Gender Budgeting. Ergebnis: eineinhalb Seiten unver- bindlichster „Schlussfolgerungen“. Wo wir gerade beim Thema Finanzen sind: Ein verantwortungsvoller Um- gang mit Steuergeldern sieht anders aus. Wir fordern Sie auf, die Ergebnisse der Studie öffent- lich zu diskutieren. Suchen Sie den Austausch mit ande- ren EU-Ländern! Unterziehen Sie ausgewählte Ausga- ben- und Einnahmenarten der Ressorts einer Gender- Budgeting-Analyse! Beginnen Sie! Die Einführung von Gender Budgeting wird ein längerfristiger Prozess sein. Fangen wir damit an! Eine Studie zu verbergen, eine große Konferenz fast klandestin abzuhalten und sich ansonsten mit dem Bloß- keine-Bürokratie-Mantra der Debatte zu entziehen, ist kein sinnvoller Politikstil. Unterstützen Sie ein Instru- ment, das zu mehr Zielgenauigkeit, mehr Transparenz und mehr Gerechtigkeit führen wird! Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Anträge: – Fortsetzung der Beteiligung deutscher Streitkräfte an der Friedensmission der Ver- einten Nationen im Sudan (UNMIS) auf Grundlage der Resolution 1590 (2005) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 24. März 2005 und weiterer Mandatsverlän- gerungen durch den Sicherheitsrat der Ver- einten Nationen – Beteiligung bewaffneter deutscher Streit- kräfte an der AU/UN Hybrid Operation in Darfur (UNAMID) auf Grundlage der Reso- lution 1769 (2007) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 31. Juli 2007 (Tagesordnungspunkt 17 a und b) Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD): Wir beraten heute Abend über die Fortsetzung der Beteiligung deut- scher Soldaten an der Friedensmission der Vereinten Na- tionen im Sudan – UNMIS –, an der auch deutsche Streitkräfte seit mehr als zwei Jahren beteiligt sind und über die – neue – Beteiligung von deutschen Soldaten an einer zweiten Mission, dieses Mal einer Mission aus Vereinten Nationen und Afrikanischer Union in Darfur, UNAMID. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12899 (A) (C) (B) (D) Herr Staatsminister Erler hat vorgetragen, wie es zu diesen Missionen gekommen ist; er hat die mit der UN-Charta und den Beschlüssen des UN-Sicherheits- rates übereinstimmende völkerrechtliche Grundlage dar- gelegt und auch begründet, warum beide Missionen poli- tisch notwendig und sinnvoll sind. Wir teilen diese Auffassung und unterstützen beide Anträge auch ange- sichts der schwerwiegenden Risiken für Leben und Ge- sundheit der beteiligten Soldaten, die dem Deutschen Bundestag bei der Entscheidung über solche Missionen immer vor Augen stehen müssen. Die Lage im Sudan ist – wir hören und sehen das täg- lich in den Nachrichten – außerordentlich problematisch. Die politischen Spannungen zwischen dem Norden und dem Süden drohen wieder in offene gewaltsame Ausein- andersetzungen zurückzufallen. Die Gewalt und Über- fälle, Unrecht, schwerste Menschenrechtsverletzungen und Vertreibungen in Darfur wie auch die häufig schreckliche Lage der vielen Flüchtlinge und IDPs im Darfur und jenseits der Grenzen im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik verlangen die Aufmerk- samkeit und auch die Hilfe der Weltöffentlichkeit. Bei meinem Besuch in Lagern für Darfur-Flüchtlinge, aber auch IDPs im Tschad an der Grenze zu Darfur vor eini- gen Wochen haben das Elend und auch die begründeten Ängste der Menschen dort mit ihren schrecklichen Schicksalen einen bleibenden Eindruck bei mir hinter- lassen. Ihnen muss geholfen werden. Das versuchen die Vereinten Nationen auf ganz unterschiedlichen Wegen: durch Hilfen für die Flüchtlinge, durch Appelle und die Unterstützung von Verhandlungen unter Einbeziehung erfahrener Sonderberichterstatter und durch die Ein- schaltung des Internationalen Strafgerichtshofs. Es muss darum gehen, auf dem Verhandlungsweg Lösungen für die komplexen Problemen zu finden, die den Menschen in der Region das friedliche Miteinanderleben ermögli- chen. Dazu ist auch der Beitrag der Länder erforderlich, die – wie etwa die Volksrepublik China, aber auch an- dere Staaten – wirtschaftliche Interessen in der Region verfolgen. UNMIS versucht seit mehreren Jahren nicht ohne Er- folg, dazu beizutragen, das Abgleiten des trotz Friedens- abkommens weiter bestehenden Konflikts zwischen der Zentralregierung in Khartoum und dem Südsudan in er- neute gewaltsame Auseinandersetzungen zu verhindern. Das ist auch weiterhin erforderlich. Die deutsche Beteili- gung an UNMIS hat sich in den vergangenen Jahren als notwendig und nützlich erwiesen. Herr Staatsminister Erler hat uns das Ausmaß und die Kosten der jetzt zu verlängernden Beteiligung vor Augen geführt. Die müs- sen wir tragen. Die zweite Mission in Verantwortung von UN und AU, die sogenannte Hybridmission UNAMID auf der Grundlage der Resolution 1769/2007 des UN-Sicher- heitsrates, braucht die Beteiligung der deutschen Solda- ten in dem dargelegten Umfang ebenfalls, um dabei zu helfen, wenigstens das an Zurückdrängung von Gewalt und damit an Vorbereitung politischer Verhandlungen über die komplexen Konflikte in Darfur und darüber hi- naus in der Region sicherzustellen, was mit militärischen Möglichkeiten erreicht werden kann. Wir hoffen, dass UNAMID zum Ziel führen kann, und halten die Beteiligung deutscher Soldaten insbeson- dere beim Lufttransport im Einsatzgebiet von UNAMID, aber auch für Beratungs- und Hilfsaufgaben für sinnvoll. Zugleich allerdings unterstreichen wir, was auch die Bundesregierung mehrfach zum Ausdruck gebracht hat, dass nämlich der Schwerpunkt des Engagements der Weltöffentlichkeit für die gequälten Menschen in Darfur in der Ermöglichung und Unterstützung tragfähiger poli- tischer Lösungen liegen muss. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Integrierte Planung für Schiene und Straße im Rheingraben – Gesamtverkehrskonzept Südbaden (Tagesord- nungspunkt 18) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Die Bahn- strecke durch den Oberrheingraben von Mannheim bis Basel ist Teil einer der bedeutendsten und am stärksten genutzten Nord-Süd-Verbindungen im europäischen Eisenbahnverkehr. Schon heute ist diese Strecke mit 130 Prozent Auslastung überbelastet. Und für die Zu- kunft wird ein weiterer deutlich ansteigender Bedarf für diese Schienenstrecke prognostiziert. So soll bis zum Jahr 2025 der Verkehr gegenüber heute um rund 50 Pro- zent zunehmen. Dies betrifft vor allem die Güterver- kehre. Diese bedeutende Eisenbahnstrecke muss und soll da- her von heute zwei auf künftig vier Gleise ausgebaut werden. Teilweise ist dieser Ausbau bereits erfolgt. Für den Streckenabschnitt von Offenburg bis Basel sind die Planrechtsverfahren eingeleitet. In einem Abschnitt be- steht bereits Baurecht und kürzlich wurde für den in die- sem Abschnitt liegenden Katzenbergtunnel erfolgreich der Tunneldurchstich gefeiert. Zwischen Offenburg und Karlsruhe ist der Rastatter Tunnel bestandskräftig plan- festgestellt und sollte möglichst bald realisiert werden. Ab der deutsch-schweizerischen Grenze Richtung Süden betreibt die Schweiz mit der Neuen Eisenbahn- Alpentransversale ihrerseits ein großes Schienenver- kehrsbauprojekt, zu dem vor allem zwei neue Eisen- bahntunnel unter dem Lötschberg und unter dem Gotthard gehören. Im Vertrag von Lugano haben die Bundesrepublik Deutschland und die Schweizer Eidge- nossenschaft sich zu einem gemeinsam abgestimmten Schienenausbau verpflichtet. Im dichtbesiedelten Oberrheingraben stellt der Aus- bau von bislang zwei auf vier Bahngleise eine große He- rausforderung für eine umwelt- und anwohnergerechte Planung dar. Die Städte und Gemeinden entlang der Rheintalbahn fordern ebenso wie die betroffenen Bürge- rinnen und Bürger, dass beim Bahnausbau auf ihre städ- tebaulichen Belange, auf den Schutz der Menschen vor Lärm und anderen Beeinträchtigungen in besonderer Weise Rücksicht genommen wird. Dieses Anliegen ist voll und ganz zu unterstützen. 12900 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Nun hat die FDP zu einigen Anliegen der Region am Oberrhein einen Antrag im Deutschen Bundestag vorge- legt. Erlauben Sie mir den Hinweis: Dieser FDP-Antrag, der sich an die Bundesregierung wendet, kommt etwas spät. Denn wir befinden uns in allen im Antrag erwähn- ten Streckenabschnitten in bereits eingeleiteten Plan- rechtsverfahren, in die politisch zurzeit gar nicht einge- griffen werden darf. Vielmehr geht es jetzt darum, dass die Trassenalternativen und Änderungswünsche in den Verfahren sachgerecht bearbeitet werden. Und dazu gibt es konkrete Ansatzpunkte und Initiativen, die leider im FDP-Antrag überhaupt nicht erwähnt werden: Erstens. Auf meine Initiative hin haben im August dieses Jahres das für die Infrastruktur zuständige Vor- standsmitglied der DB AG, Stefan Garber, und der Vor- stand der DB-Netz, Oliver Kraft, die Region am Ober- rhein besucht und mit Abgeordneten des Landes und des Bundes, Vertretern der Landesregierung von Baden- Württemberg, dem Regierungspräsidium von Freiburg und den Bürgermeistern die Forderungen und Anregun- gen zur Bahnplanung besprochen. Zuvor fand zum glei- chen Thema ein Gespräch mit den Bürgerinitiativen in Berlin statt. Ergebnis ist: Die Bahn prüft jetzt im Detail die Vorschläge für einen Güterzugtunnel in Offenburg, für eine autobahnparallele Führung einer Güterzugtrasse im Bereich zwischen Offenburg und Freiburg und die so genannte Bürgertrasse im Markgräflerland. Es ist ein großer Erfolg, dass nicht nur eine Abschichtung der Planvarianten erfolgt, sondern endlich zu den von den Städten und Gemeinden vorgeschlagenen Alternativen konkrete Untersuchungen und Planungen durchgeführt werden. Zweitens. Für den Lärm- und Erschütterungsschutz und ebenso für die Beurteilung von Trassenvarianten ist von größter Bedeutung, welche Zugzahlen den Planun- gen zugrunde gelegt werden. Es ist der Initiative ver- schiedener Abgeordneter und des Regierungspräsidenten von Freiburg zu verdanken, dass jetzt die Zugzahlen für das Jahr 2025 erhoben werden. Dieses Gutachten wird demnächst vorgelegt. Ab dann wird die Bahn nicht mehr wie bisher die Zugzahlen für das Jahr 2015, sondern die voraussichtlich höheren Zahlen für 2025 den Planungen zugrunde legen müssen. Das ist ein wichtiger Erfolg, um Veränderungen bei den Planungen bewirken zu können. Der Landesregierung von Baden-Württemberg ist zu danken, dass sie die Finanzierung dieses Gutachtens übernommen hat. Drittens. Die Landesregierung von Baden-Württem- berg hat die Einsetzung einer Projektarbeitsgruppe unter dem Vorsitz des für die Verkehrspolitik zuständigen In- nenministers Heribert Rech beschlossen, die die Forde- rungen und Anregungen der Städte und Gemeinden so- wie der Bürgerinitiativen zusammenstellen soll und ein Spitzengespräch von Ministerpräsident Günter Oettinger mit Herrn Mehdorn und Herrn Tiefensee vorbereiten soll. Ich freue mich, dass die Landesregierung und vor allem der Ministerpräsident des Landes Baden-Württem- berg sich mit einer eigenen Arbeitsgruppe für die Be- lange der Städte und Gemeinden an der Rheintalbahn engagiert. Da die FDP an der Landesregierung von Ba- den-Württemberg beteiligt ist, gehe ich davon aus, dass sie ihre Vorstellungen und Anregungen in diese Arbeits- gruppe einbringt und nicht nur Anträge im Bundestag stellt. Es wäre schön, wenn seitens der FDP dazu auch etwas zu hören oder zu lesen wäre. Die Bewährungs- probe, ob man eine Sache wirklich ernst nimmt, muss man zuerst dort bestehen, wo man regiert. Viertens. Die von den Städten und Gemeinden sowie den Bürgerinitiativen vorgeschlagenen Trassenalternati- ven werden auch zu Mehrkosten beim Aus- und Neubau der Rheintalstrecke führen. Leider sagt die FDP dazu in ihrem Antrag gar nichts. Und damit ist dieser Antrag ei- gentlich nichts wert, denn die politische Nagelprobe ist nicht beim Abfassen lyrisch schöner Anträge zu beste- hen, sondern beim Haushalt. Die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD wissen, dass wir mehr Finanz- mittel für den Ausbau der Schieneninfrastruktur benöti- gen. Dass wir es auch ernst meinen, zeigt unser Antrag bei den derzeit laufenden Beratungen über den Bundes- haushalt 2008, die Schienenausbaumittel allein für das kommende Jahr deutlich zu erhöhen. Zusammenfassend zeigen diese Aktivitäten, dass auch ohne Bundestagsanträge gute Fortschritte erzielt wurden, um den Belangen der Städte und Gemeinden im Planungsprozess besser gerecht zu werden. Ich finde, dass wir Abgeordneten aus der Region am Oberrhein ge- meinsam mit den Städten, Gemeinden und Bürgerinitia- tiven an einem Strang ziehen sollten. Wir sollten uns nicht mit ständig neuen Presseerklärungen oder Ankün- digungen gegenseitig die Show stehlen wollen. Gemes- sen werden wir an dem, was wir konkret in unserer je- weiligen Verantwortung tun und dann auch tatsächlich erreichen. Die Region am Oberrhein ist eine der schöns- ten Gegenden Deutschlands mit lebens- und liebenswer- ten Städten und Gemeinden. Wir wollen, dass das so auch in Zukunft bleibt. Dafür arbeiten wir. Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): Lärm stresst. Lärm kann krank machen. Ruhezonen sind rar. Über 80 Prozent der Bevölkerung Deutschlands fühlen sich durch Lärm belästigt. Die Belastung durch Verkehrslärm wird stärker als in der Vergangenheit als gravierende Einschränkung der Lebensqualität empfunden. In unse- rer hektischen und lauten Welt wird Lärm zunehmend als störend und als Beeinträchtigung der Kommunika- tion, der Konzentration und der Erholung wahrgenom- men. Trotz einer positiven Einstellung zur Mobilität sind die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr bereit, Ver- kehrslärm hinzunehmen. Verkehrslärm ist zu einer zentralen Akzeptanzfrage für die Verkehrsentwicklung aller Verkehrsträger gewor- den. Bei jeder geplanten Infrastrukturmaßnahme gibt es dieses Dilemma: Auf der einen Seite wollen wir die Ver- kehrsinfrastruktur ausbauen, um dem Zuwachs an Ver- kehr gerecht zu werden und wie im Rheingraben mehr Güterverkehr auf die Schiene zu bringen. Das macht auch ökologisch und ökonomisch Sinn. Zum anderen müssen die Belastungen der Anwohner möglichst gering gehalten werden. Ein wichtiges Ziel unserer Verkehrs- politik ist es, mehr Transport auf die Schiene zu bringen. Das gilt sowohl für Personen als auch für Güter. Aber Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12901 (A) (C) (B) (D) mit jedem Wagen und jedem zusätzlichen Container, der mit dem Zug transportiert wird, steigt der Lärm an der Schiene. Die Forderung der Bürgerinitiativen und der Anwohner nach ausreichendem Lärmschutz ist gut nach- vollziehbar. Deshalb wollen wir mehr Lärmschutz an Verkehrswegen und besonders an der Schiene! Wir wollen auch eine Verbesserung der Trasse entlang der Neu- und Ausbaustrecke Karlsruhe–Basel. Die Tras- sierung der Neubaustrecke ist durch die raumordnerische Entscheidung des Landes im Grunde vorgegeben. Das Vorhaben hat die gesamten vorgelagerten Verfahren wie auch die Raumordnung durchlaufen. Von den zuständi- gen Landesbehörden sind in diesem Verfahren autobahn- parallele Varianten verworfen worden. Der Bund hat keine Möglichkeit, in die laufenden Planfeststellungs- verfahren einzugreifen. Eine politische Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Lösung ist im laufenden Ver- fahren nicht möglich. Die Prüfung einer Maßnahme wird durch das Eisenbahnbundesamt durchgeführt. Innerhalb der Planfeststellung müssen immer Varianten untersucht werden. Es stehen derzeit zwei Gutachten aus. Die Lan- desregierung von Baden-Württemberg hat eine neue Verkehrsprognose in Auftrag gegeben. Neue Ergebnisse können Anhaltspunkte für vertiefende Untersuchungen sein. Wir warten die Ergebnisse ab. Wir haben dafür gesorgt, dass alle neuen relevanten Daten in die laufenden Planfeststellungsverfahren einge- hen werden. Das bedeutet: Wenn bei dem Prognosehori- zont 2025 höhere Zugzahlen zu erwarten sind, müssen diese Zahlen Grundlage für die Variantenuntersuchun- gen sein. Kommt das Eisenbahnbundesamt bei dieser Prüfung zu dem Schluss, dass eine bestimmte Investition notwendig ist, um das Projektziel zu erreichen, und dass sie dazu noch wirtschaftlich ist, so finanziert der Bund diese Investitionen. Ich begrüße es sehr, dass der Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee zugesagt hat, eine gleichrangige und gleichtiefe Untersuchung der Varianten in Offen- burg, nämlich die A-3-Trasse und den Tunnel, zu ge- währleisten. Ich begrüße auch, dass die DB Netz AG sich bereit erklärt hat, Alternativplanungen vertieft zu untersuchen, um damit für die laufenden Planfeststel- lungsverfahren eine solide Entscheidungsgrundlage zu schaffen. Die Bürgerinnen und Bürger sowie die Kommunen können sich unmittelbar an den Anhörungen in Rahmen der Planfeststellungsverfahren beteiligen. Diese Einwen- dungen müssen im laufenden Planfeststellungsverfahren abgearbeitet werden. Ich sage es noch einmal: Wir wol- len eine Verbesserung der Trassenführung. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratischen Bundestagsfraktion pflegen wir den Dialog mit den Bürgerinitiativen und den betrof- fenen Anwohnern vor Ort. Wir haben in vielen Gesprä- chen mit dem Bundesverkehrsministerium, mit dem Ei- senbahnbundesamt und mit der Deutschen Bahn AG die Problematik entlang der Rheintalbahn von Karlsruhe nach Basel deutlich gemacht und die besondere Situation geschildert. Die Sensibilisierung zu dem Thema ist all- gemein sehr hoch. Wir werden die betroffenen Anwoh- ner auch weiterhin unterstützen. Die von der FDP in ihrem Antrag vorgeschlagenen Alternativen, wie die Parallelführung entlang der Auto- bahn, würden dazu führen, dass die Planungsverfahren neu aufgerollt werden müssten. Das würde einen völli- gen Planungsstopp der laufenden Verfahren bedeuten. Haben Sie sich diese Konsequenzen Ihrer Forderungen eigentlich bewusst gemacht? Die Verzögerungen, die da- durch entstehen würden, sind verkehrspolitisch nicht zu vernachlässigen. Sie brächten die Bundesrepublik Deutschland in die Situation, dass sie ihren vertraglichen Verpflichtungen gegen über der Schweiz, nämlich ge- mäß dem Vertrag von Lugano den NEAT-Zulauf zu ge- währleisten, nicht nachkäme. Der Antrag, den die FDP-Fraktion in den Deutschen Bundestag eingebracht hat, trägt den hochtrabenden Titel „Integrierte Planung für Schiene und Straße im Rheingraben – Gesamtverkehrskonzept Südbaden“. Un- ter einem Gesamtverkehrskonzept stelle ich mir einen integrierten Ansatz vor, der alle Verkehrsträger ein- schließt und miteinander verknüpft. Der Inhalt des FDP- Antrages auf anderthalb Seiten verdient noch nicht ein- mal den Namen „Konzeptchen“, geschweige denn die Titulierung „Gesamtverkehrskonzept Südbaden“. Die FDP fordert den Bund in ihrem Antrag auf, in ein laufendes Planfeststellungsverfahren einzugreifen. Hät- ten die Antragsschreiber ein Einführungsseminar zum Thema „Wie plant der Bund Schienenwegen?“ besucht, wüssten sie, dass der Bund keine Möglichkeit hat, in ein laufendes Planfeststellungsverfahren einzugreifen. Dass die von der FDP vorgeschlagenen Alternativen Mehrkosten voraussichtlich in Höhe von über 1 Milli- arde Euro bedeuten, soll auch nicht unerwähnt bleiben. So viel zu der Qualität des FDP-Antrages. Wir schreiben keine kläglichen Anträge wie die FDP, sondern setzen uns aktiv für Verkehrslärmschutz ein. Die Belastung durch Verkehrslärm nehmen wir sehr ernst. So haben wir zum Beispiel die Mittel für das Lärmsanie- rungsprogramm an bestehenden Schienenwegen von 50 Millionen Euro auf 100 Millionen Euro angehoben und legen im Haushalt für 2008 nochmals zu. Das ist eine Mittel-Erhöhung um 100 Prozent und ein deutliches Zeichen. Im Bundeshaushalt 2008 fördern wir erstmals lärmmindernde Maßnahmen zur Umrüstung von Schie- nengüterfahrzeugen. Wir wollen einen schnelleren Ein- bau von leiseren Kunststoff-Bremsen erreichen. Die he- rausragende Lärmquelle ist das Rollgeräusch, das im Rad-Schiene-Kontakt bei Güterwagen entsteht. Im Ge- gensatz zu den herkömmlichen Grauguss-Bremssohlen werden die Radlaufflächen der Güterwagen von Ver- bundstoff-Bremssohlen nicht aufgeraut, so dass ein er- heblich ruhigerer Radlauf erzielt wird. Die vollständige Umrüstung aller Güterfahrzeuge wird einige Zeit in An- spruch nehmen, aber die Lärmminderung, die wir damit erreichen werden, ist enorm. Dies wird die Anwohner an Schienenstrecken in ganz Deutschland erheblich von Lärm entlasten. Darüber hinaus muss eine europäische Lösung angestrebt werden, damit auch die ausländischen 12902 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Güterwagen auf unserem Schienennetz diesen Anforde- rungen gerecht werden. Der Aus- und Neubau der Schienenstrecke von Karls- ruhe nach Basel ist ein wichtiges Infrastrukturprojekt für Baden-Württemberg. Ziel der Baumaßnahme ist die Ka- pazitätserhöhung und Qualitätsverbesserung dieser Hauptabfuhrstrecke. Sie ist Teil einer ersten durchgehen- den Nord-Süd-Verbindung im Hochleistungsnetz der Deutschen Bahn AG und zugleich ein wichtiges Binde- glied für den weiterführenden Verkehr in die Schweiz sowie zur Schnellbahn Paris-Ostfrankreich-Südwest- deutschland. Die Maßnahme steht in engem Zusammen- hang mit der Inbetriebnahme des Lötschberg-Basis- tunnels und des Gotthard-Basistunnels in der Schweiz. Beide Strecken, Basel–Mailand via Bern und Basel–Mailand via Chiasso, müssen wir ertüchtigen, um der zu erwartenden Steigerung des Güterverkehrs zu be- gegnen. Die kapazitätsmäßige und qualitative Verbesserung der Strecke wird durch den Bau einer zweigleisigen Neubaustrecke mit einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 250 Stundenkilometer weitgehend parallel zu der be- stehenden Strecke erreicht. Eine Ausnahme bildet hier die Strecke Karlsruhe–Rastatt und die Güterumfahrung Freiburg. Der viergleisige Ausbau stellt für die Rheintal- bahn eine wesentliche Änderung nach § 1 der 16. Bun- des-Immissionsschutzverordnung dar. Damit haben die Anwohner einen Rechtsanspruch auf Schallschutzmaß- nahmen für alle vier Gleise. Einige Probleme halte ich bei der Autobahnvariante für ungeklärt. So ist zum Beispiel der Flächenbedarf des Trassenverlaufs noch größer als bereits 1992 angenom- men. Die Umfahrung von Autobahnauffahrten und Rast- plätzen ist genauso schwierig wie die Kreuzung zum Beispiel von Baggerseen, die ein wichtiges Naherho- lungsgebiet für die Region darstellen. Ich warne davor, großzügig andere Trassenverläufe vorzuschlagen und damit die Belastungssituation nur zu verlagern. Unser Ziel ist ein umweltgerechter und scho- nender Ausbau der Rheintalbahn sowie ein möglichst hoher Schutz der Anwohner vor Lärm. Populistische Anträge der Opposition helfen in der Sache nicht weiter. Ernst Burgbacher (FDP): Nachdem auf verschiede- nen Veranstaltungen, insbesondere auf der Großkundge- bung in Freiburg am 7. Oktober, auch von Vertretern von CDU und SPD Unterstützung für die Forderungen der Bürgerinitiativen zugesichert wurde, ist es jetzt an der Zeit, auch im Parlament Farbe zu bekennen. Zu Recht hat die IG Bohr, die Interessengemeinschaft Bahnprotest an Ober- und Hochrhein, eindringlich den Primat der Po- litik angemahnt. Die Politik muss ihre Verantwortung wahrnehmen; daher legt die FDP-Bundestagsfraktion heute den Antrag „Integrierte Planung für Schiene und Straße im Rheingraben – Gesamtverkehrskonzept Süd- baden“ vor. Wenn die Mehrheit des Hauses diesem Kon- zept zustimmt, wird die Umsetzung der Forderungen deutlich erleichtert werden. Ausdrücklich will ich den in der IG Bohr vereinten Bürgerinitiativen für ihre Arbeit und ihren Einsatz dan- ken. Ihnen geht es nicht darum, einfach etwas zu verhin- dern, sondern sie legen konstruktive Vorschläge vor. Dies verdient unseren großen Respekt. Beim Ausbau der Rheintalbahn handelt es sich nicht nur um ein Jahrhundertbauwerk, diese Trasse wird noch viel länger Bestand haben. Umso wichtiger ist es, die be- rechtigten Sorgen der Menschen in der Region ernst zu nehmen und eine für Mensch und Natur zukunftsfähige Lösung zu finden. Das viergleisige Trassenteilstück Of- fenburg–Basel ist Teil einer Hauptverkehrsader Europas, die Rotterdam mit Genua, die Nordsee mit dem Mittel- meer verbindet. Es handelt sich also keineswegs um ein rein südbadisches, sondern um ein deutsches, ja europäi- sches Problem. Der Verkehrskorridor im Rheingraben ist Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes. Da- her ist der Bundestag hier in der Pflicht. Die Trasse, so wie sie derzeit geplant ist, wird für die Menschen in der Rheinebene unzumutbare Lärmbelästigungen mit sich bringen, sie wird auch die wertvollen Kulturlandschaften am Oberrhein in ihrem Wert deutlich mindern. Um zu ei- nem menschen- und umweltverträglichen Bahnausbau zu kommen, muss die vorgesehene Trassenführung ge- ändert werden. Wir anerkennen – nach dem ökologisch und ökono- misch richtigen Grundsatz: Personen und Güter von der Straße auf die Schiene! – ausdrücklich die Notwendig- keit der Optimierung der Strecke Karlsruhe–Basel als Teil der europäischen Nord-Süd-Magistrale und damit auch die Notwendigkeit des dritten und vierten Gleises zwischen Offenburg und Weil. Wir wollen die Verträge mit der Schweiz erfüllen. Deshalb sind jetzt rasche Ent- scheidungen vonnöten. Die Menschen in Südbaden erwarten zu Recht, dass ihren Bedürfnissen nach Lärmschutz und nach einer landschaftsverträglichen Verkehrsplanung Rechnung ge- tragen wird. Eine Beeinträchtigung der Anwohner durch Lärm, Flächenverbrauch und gegebenenfalls auch Ein- griffe in das Eigentumsrecht werden unvermeidbar sein. Die Akzeptanz dieser Eingriffe kann jedoch in entschei- dender Weise erhöht werden, wenn auf die Bedürfnisse des Umwelt- und Lärmschutzes mit integrierten Lö- sungsansätzen bei der Verkehrswegeplanung und insbe- sondere der Trassenführung geantwortet wird. Um eine Zerschneidung der Stadt Offenburg zu ver- hindern, ist die Unterfahrung in einem Tunnel erforder- lich. Für den Rheingraben südlich von Offenburg bis zur Einmündung in die Westumfahrung Freiburgs ist die Verlagerung der Neubautrasse an die Bundesautobahn 5, also eine Bündelung von Schiene und Straße, die beste Lösung. Durch die Bündelung der Linienführung von Straße und Schiene werden die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt am wirkungsvollsten reduziert. Im Westen Freiburgs bis zum Nordportal des Mengener Tunnels muss eine Trassenabsenkung angestrebt werden. Vom Südportal des Mengener Tunnels bis südlich von Buggingen ist eine teilgedeckelte Tieflage notwendig. Die FDP-Bundestagsfraktion setzt sich mit allem Nachdruck für eine menschen- und umweltgerechte Pla- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12903 (A) (C) (B) (D) nung der neuen Trasse ein, aber auch für die generelle Lärmreduktion im gesamten Schienennetz nach dem ak- tuellen Stand der Bahntechnik. Die FDP fordert alle Fraktionen, insbesondere aber die Regierungsfraktionen, auf, der Bundesregierung einen Prüfauftrag, in Abstim- mung mit der Landesregierung Baden-Württemberg, der Deutschen Bahn AG und dem Eisenbahnbundesamt, für die genannten Maßnahmen zu erteilen. Außerdem for- dern wir zeitnah einen Bericht über den Planungsstand und die Vorstellungen der Bundesregierung zur Realisie- rung einer landschaftsgerechten Trassenführung und ei- nes größtmöglichen Lärmschutzes für die Anwohner- schaft. Ich hoffe sehr, dass Union und SPD nicht nur bei Großkundgebungen mit den betroffenen Anwohnern schöne Reden halten, sondern hier im Parlament ihren Worten auch die entsprechenden Taten folgen lassen und dem Antrag der FDP-Bundestagsfraktion zustimmen werden. Dorothée Menzner (DIE LINKE): Wir kommen nicht daran vorbei und auch die Linke wiederholt es in- zwischen gebetsmühlenartig: Der Güterverkehr wird sich in den nächsten Jahren verdoppeln! Und wie die FDP in ihrem Antrag schreibt: Das Mengenwachstum des Güterverkehrs übertrifft alle Erwartungen. Der Wa- renfluss nimmt zu. Konsumenten – sofern sie Arbeit ha- ben und sich die Produkte leisten können – freuen sich über Elektronik, Haushaltswaren und Spielzeug und über das, was da in unzähligen Containern zu uns he- rüberschwappt. Es landet in den Seehäfen an und muss im Land ver- teilt werden, vorzugsweise auf der Schiene, die wieder im Wachstumstrend liegt. Deshalb sagt es auch die Linke immer wieder: Wir müssen unsere Schienen für diese Transportmengen fit machen. Dazu gehört es, die Schie- nenwege auszubauen. Dies ist auch im badischen Ober- rheingraben bei der Strecke Karlsruhe–Offenburg–Weil am Rhein–Basel geplant. Sie ist die wichtigste Verbin- dung von der Nordsee in die Schweiz und nach Italien. Sie soll künftig von zwei Gleisen auf vier erweitert wer- den. Doch mehr Züge bedeuten auch mehr Lärm. Davon betroffen sind wiederum die Anrainer solcher Strecken wie der Oberrhein-Linie. Die alte Strecke windet sich mitten durch Ortschaften und Städte. Und mit dem Bau der weiteren Gleise ver- schärft sich das Problem. Viele Bürgerinitiativen wenden sich nun gegen die offiziellen Ausbaupläne. Sie fordern – zu Recht – eine Alternativplanung, bei der weniger Menschen betroffen wären. Die in der „IG Bahn-Protest am Ober- und Hochrhein“ vereinten Initiativen haben ihre Vorschläge erst kürzlich in der baden-württembergi- schen Landesvertretung vorgestellt. Diese sind kurz zu- sammengefasst: eine Tunnellösung für Offenburg, die Bündelung von Schiene und Autobahn auf einer Alterna- tivtrasse und Trassenabsenkungen in Freiburg und bei Mengen. Diese Vorschläge beinhalten vor allem die Auswir- kungen von Verkehrslärm auf so wenig Menschen wie möglich. Trotzdem sollte nicht verhehlt werden, dass all das, was von den Initiativen gefordert wird, die Baukosten von heute schon 4,6 Milliarden Euro um weitere 720 Millionen Euro nach oben treibt. Zwar können wir das Geld auf mehrere Jahre verteilen. Doch woher neh- men? Die Koalition und Bündnis 90/Die Grünen fordern mehr Geld für Lärmschutz, CDU/CSU und SPD 50 Mil- lionen Euro, die Grünen das Doppelte. Ich denke, es werden sich Töpfe finden, um auch die lärmmindernde Alternativplanung im Rheingraben zu finanzieren, auch wenn schon für einige Abschnitte das Planfeststellungs- verfahren läuft. Auf der erwähnten Veranstaltung in der Landesvertre- tung sagte es Staatssekretär Kasparick deutlich: Im Ab- wägeverfahren der Bürgereinsprüche ist es durchaus möglich, die vorgeschlagenen Änderungen in die Plan- feststellung zu nehmen. Diese Vorschläge der Initiativen vor Ort haben die Freien Demokraten in ihrem Antrag aufgenommen. Für diese Politik, sich im Sinne der be- troffenen Bürger einzusetzen, möchte ich Sie loben, liebe Kolleginnen und Kollegen vom liberalen Bahn- steig. Da ist die Linke mit Ihnen ausnahmsweise mal ei- ner Meinung, und daher tragen wir Ihren Antrag mit. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sprechen hier heute über einen Antrag der FDP zum Ausbau der Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel. Mit dem Bau des 3. und 4. Gleises für den Güterverkehr auf der Schiene wird ein europäisches Großprojekt in Angriff genommen. Die Bundesrepublik hat sich zu die- sem Kapazitätsausbau verpflichtet. Mit dem Staatsver- trag von Lugano 1996 stehen wir der Schweiz gegenüber im Wort, den Ausbau der Zulaufstrecke zum Lötschberg- und Gotthardtunnel sicherzustellen. Dieser Ausbau ist dringend erforderlich – aus verkehrspolitischen Gründen wie aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes. Kann der geplante Güterverkehr nicht auf der Schiene stattfin- den, dann wird er über die Straße rollen. Damit würden die Menschen, die Umwelt und die Landschaft viel stär- ker belastet. Bündnis 90/Die Grünen haben ein zentrales Anliegen: Wir wollen möglichst schnell möglichst viel Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagern. Dazu brauchen wir den Kapazitätsausbau im Rheingra- ben dringend. Der Ausbau der Rheintalbahn wird auch zu einer deutlichen Entlastung der Anwohner an der Alt- strecke führen. Diese Entlastung begrüßen wir sehr, da sie Tausenden von Anwohnern zugutekommt. Zurzeit wird gerade in der Region Freiburg mit dem Lärmsanie- rungsprogramm des Bundes die Situation an einzelnen, besonders belasteten Punkten der Altstrecke entschärft. Das ist im Sinne des Lärmschutzes sehr zu begrüßen. Letztlich ist das aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein, weil es sich hier um freiwillige „Reparaturmaß- nahmen“ ohne gesetzlichen Anspruch handelt. Auch mit dem vergleichsweise umweltfreundlichen Transportmittel Bahn kommen große Belastungen auf Mensch und Umwelt im Rheingraben zu. Was können wir realistischerweise tun, um diese Belastungen so ge- ring wie möglich zu gestalten? 12904 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Der beste und auch günstigste Weg beim Lärmschutz ist die Vermeidung der Entstehung von Lärm. Die Ver- meidung der Lärmentstehung durch neue leisere Wagen und durch Umrüsten des Altmaterials ist der effizienteste und günstigste Weg, die Güterzüge leiser zu machen. Ein europaweites Umrüstprogramm nach dem heutigen Stand der Technik würde eine Halbierung des Lärms be- deuten. Für relativ wenig Geld lässt sich das Bremssys- tem jedes alten Waggons umrüsten. So entsteht ein Lärm, der vom menschlichen Ohr nur noch halb so laut wahrgenommen wird. Im Juni wurde dieses Umrüstpro- gramm hier im Bundestag beschlossen. Da sind wir alle dafür. Für diesen sehr sinnvollen Weg haben wir uns er- folgreich eingesetzt. Für die tatsächliche und europa- weite Umsetzung bis zur Inbetriebnahme des 3. und 4. Gleises der Rheintalbahn – u. a. durch die Einführung lärmabhängiger Trassenpreise – werden wir kämpfen. Nun zu den vier Forderungen zu einzelnen Streckenab- schnitten im Antrag der FDP. Diese vier Forderungen übernimmt die FDP von den Bürgerinitiativen im Rhein- graben. Da die in Absatz 2 an die Bundesregierung ge- richteten Forderungen in der Gesamttendenz richtig sind, werden wir dem FDP-Antrag zustimmen. Wir schließen uns einer sorgfältigen Prüfung der einzelnen Forderungen generell an, auch wenn wir manche Details anders sehen. Nun noch eine Bewertung im Detail: Zu Forderung eins: Die bisherige Planung zu Offenburg kann so nicht bleiben, da die bereits hohe Belastung der Offenburger Innenstadt sich noch drastisch verschärft. Offenburg ist ohne Zweifel der problematischste Punkt der gesamten Neubaustrecke mit den meisten direkt betroffenen An- wohnern. Wir fordern eine detaillierte Prüfung einer Tunnel-Lösung für Offenburg unter Berücksichtigung des Lärm- und Erschütterungsschutzes sowie des inner- städtischen Flächenverbrauchs. Zu Forderung zwei: Eine Bündelung der Linienführung von Offenburg bis Frei- burg von Neubaustrecke und A 5 halten wir Grünen für die sinnvollste Variante der Trassenführung. Diese muss im Planfeststellungsverfahren gleichrangig mit anderen Varianten im Hinblick auf Landschaftsverbrauch, Lärm- schutz und Betriebssicherheit geprüft werden. Zu Forde- rung drei: Die zusammen mit anderen baulichen Maß- nahmen vorgeschlagene teilweise Trassenabsenkung im Freiburger Streckenabschnitt soll geprüft werden. Dieses für eine deutliche Lärmreduzierung vorgeschlagene Maßnahmenbündel stellt eine klare Verbesserung der bisherigen Bahnplanungen dar. Das Maßnahmenpaket, das in einer von den betroffenen Kommunen finanzier- ten Ingenieursstudie im Detail erarbeitet wurde, verdient eine sorgfältige Prüfung im Planfeststellungsverfahren. Zu Forderung vier: Auch eine Trassenabsenkung mit Teildeckelung des Streckenabschnitts vom Südportal des Mengener Tunnels bis südlich von Buggingen soll ge- prüft werden. Die ursprüngliche Maximalforderung, die- sen Streckenabschnitt ganz zu untertunneln, wird nicht mehr erhoben. Das begrüßen wir. Unser abschließendes Fazit: Wir begrüßen das Nach- hintenziehen des Prognosehorizonts aufs Jahr 2025, weil das ein realistischerer Zeitpunkt für den tatsächlichen Güterverkehr auf der Strecke ist. Sollten von Land oder Bund zusätzliche Mittel für den baulichen Lärmschutz bereitgestellt werden, – also Gelder, die über die gesetz- lichen Verpflichtungen hinaus fließen – so sollte dieses Geld an den kritischsten Punkten eingesetzt werden. Der kritischste Punkt ist für uns Offenburg, weil dort die meisten Menschen am härtesten und am direktesten be- troffen sind. Was wird aus den großen Versprechungen, die die Abgeordneten der Großen Koalition in der Region in den letzten Jahren gemacht haben? Regionale Abgeordnete der CDU und der SPD aus dem Bundestag und aus dem Stuttgarter Landtag haben vor Ort immer viel mehr Lärmschutz versprochen als er gesetzlich vorgeschrie- ben ist. Das Land Baden-Württemberg verschleudert beim Projekt Stuttgart 21 ohne Not eine Milliarde Euro. Wir sind sehr gespannt, wie viel Geld die CDU/FDP- Landesregierung für das Projekt Ausbau der Rheintal- bahn zur Verfügung stellen wird. Und wir sind sehr neu- gierig, was aus den forschen Worten der SPD-Opposi- tion im Ländle in Berlin wird. Dort ist man mit an der Regierung, dort will man dann häufig nichts mehr von dem wissen, was man – wie zum Beispiel die Abschaf- fung des Schienenbonus – vor Ort bei den Betroffenen gefordert hat. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Bei der 62. General- versammlung der Vereinten Nationen ein Zei- chen für die weltweite Abschaffung der Todes- strafe setzen (Tagesordnungspunkt 19) Erika Steinbach (CDU/CSU): Abscheu ist das vor- herrschende Gefühl, das die Menschen gegenüber den schwersten Verbrechen empfinden. Carl Großmann, die Bestie vom Schlesischen Bahn- hof – dem heutigen Berliner Ostbahnhof –, hat mindes- tens drei Frauen ermordet, die geschätzte Zahl seiner Opfer liegt zwischen 20 und 100 Frauen. Niemand weiß, ob dieser Mann, Besitzer eines Wurststandes, seine Op- fer zu Wurst und Dosenfleisch verarbeitet hat. Hans Erwin Hagedorn, Sexualtäter und mehrfacher Kindesmörder, wurde 1972 durch unerwarteten Nah- schuss in der Strafvollzugseinrichtung Leipzig hinge- richtet. Die Opfer von Friedrich Haarmann wurden nach ei- nem mehrjährigen Kampf der Eltern der von ihm getöte- ten Kinder in Hannover in einem Ehrengrab bestattet. Haarmann wurde 1925 in Hannover enthauptet. Der eine oder andere unter Ihnen wird den Film mit Götz George kennen: Der Totmacher. Die Emotionen in der Bevölkerung und bei den Hin- terbliebenen sind eindeutig. Wer so kaltblütig quält und tötet, hat sein Recht auf Leben verwirkt. Solche und ähn- liche Einträge finden sich auch heute in den Diskus- sionsforen des Internets. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12905 (A) (C) (B) (D) Wer aber vermag hier eine Grenze zwischen dem Schrei nach Gerechtigkeit, Vergeltung oder Rache zu ziehen? Darf der Staat selbst töten, um die Emotionen der Bevölkerung zu befriedigen? Wer kontrolliert diese Emotionen? Darf der Staat die Gesellschaft durch Elimi- nierung vor solchen Menschen schützen? Die Todes- strafe als gerechte Vergeltung für geschehenes Leid ge- treu dem biblischen Motto: „Aug um Aug, Zahn um Zahn“? Auf den ersten Blick mag dies einleuchten. Doch der Rechtsstaat beweist seine moralische Überlegenheit ja gerade dadurch, dass er sich nicht auf das Niveau der Täter hinablässt. Unrecht darf nicht mit Unrecht vergol- ten werden. Alles andere würde die moralische Instanz des Staates untergraben. Allein das Argument des Justizirrtums wiegt so schwer, dass viele Staaten der Welt von der Todesstrafe Abstand genommen haben. Wer kann wiedergutmachen, dass ein Unschuldiger getötet wurde? Was, wenn sich später herausstellt, dass die Taten ganz anders abliefen, als dies die Richter und vielleicht auch die Angeklagten selbst glaubten? Was, wenn der Angeklagte aufgrund ei- nes erpressten Geständnisses verurteilt wurde? Man stelle sich vor, ein Angeklagter gesteht, weil eine Struk- tur organisierter Kriminalität eine geliebte Person in ihre Hände bekommen hat? Einmal beschlossen und voll- streckt, kann eine Todesstrafe nicht mehr aufgehoben werden. Dieses Argument sollte jedem noch so emotio- nalen Betrachter einsichtig sein. Niemand unter den Menschen ist vor Irrtum gefeit. Justizirrtum – meines Erachtens das überzeugendste Argument gegen die Todesstrafe: Selbst in Rechtsstaaten kommt das vor. Seit 1973 sind allein in den USA 124 Menschen in 25 Staaten aus dem Todestrakt entlas- sen worden, nachdem ihre Unschuld nachträglich festge- stellt wurde. Diese Zahl lässt mich erschaudern. Wie viele hatten nicht das Glück, dass ihre Unschuld noch vor der Exekution festgestellt wurde? Die Todesstrafe ist eine Verletzung des Grundrechts auf Leben, das systematisch stärkste Argument gegen die Todesstrafe. Menschenrechte sind unteilbar. Men- schenrechte sind nicht aberkennbar, auch nicht für übelste Täter. Davon losgelöst ist die Tötung aus Not- wehr und Nothilfe. Dabei ist zu beachten, dass eine Staatsnothilfe, also eine Nothilfe zugunsten der Interes- sen der Allgemeinheit, grundsätzlich unzulässig ist. Der Täter – so die Lesart von Befürwortern der To- desstrafe – müsse zum Tode verurteilt werden, um wei- tere Verbrechen derselben Person ein für alle Male aus- zuschließen, das Todesrisiko von den möglichen zukünftigen Opfern an den Täter zurückzuschieben. Das Ziel, die Allgemeinheit vor gefährlichen Schwerstkrimi- nellen zu schützen, teile ich ausdrücklich. Dennoch ver- fügt der Staat auch ohne die Todesstrafe grundsätzlich über Mittel und Wege, die Bürgerinnen und Bürger unse- res Landes vor gefährlichen Verbrechern zu schützen. Er muss sie aber auch anwenden. Auch die zunehmenden Fälle von Ausbrüchen aus Haftanstalten tragen leider nicht dazu bei, das Vertrauen der Bevölkerung in unse- ren Justizapparat zu stärken. Aber wir dürfen nicht für die Illusion eines gerechten und starken Staates unseren starken Rechtsstaat über Bord werfen. Das Bekenntnis zu den Menschenrechten ist der wichtigste Grundpfeiler unserer Verfassung. Dieses Be- kenntnis kann und darf nicht an den deutschen Grenzen enden, sondern bildet einen wichtigen Aspekt unserer Außenpolitik. Der Einsatz für die Menschenrechte kennt keine Ländergrenzen. Der Einsatz für Menschenrechte kann übrigens auch nicht durch gekappte Telefonleitungen und abgeschaltete Computerserver aufgehalten werden. Die Todesstrafe kann auch kein legitimes Selbstver- teidigungsmittel des Staates sein: Sie erlaubt es dem Staat, Personen zu töten, die, da bereits inhaftiert, keinen Schaden mehr anrichten können. Die von der Todesstrafe erhoffte abschreckende Wir- kung gegen schwere Kriminalität ist statistisch kaum nachweisbar. Die Hoffnung auf eine abschreckende Wir- kung verkennt die Umstände, unter denen die meisten Verbrechen begangen werden. Es handelt sich ja gerade nicht um Täter, die rational denken, sondern um Men- schen, die hochemotional handeln. Sie kalkulieren die Folgen eines Misslingens ihrer Tat oft nicht ein. Man- chen ist ihr persönliches Schicksal sogar gleichgültig. Auf solche Menschen hat die Todesstrafe keine abschre- ckende Wirkung. Wäre dies anders, müsste die Krimina- litätsrate in Ländern mit Todesstrafe eigentlich niedriger sein als in Ländern ohne Todesstrafe. Es gibt hingegen Studien, die sogar davon ausgehen, dass die Todesstrafe eher zu einer Verrohung der Gesellschaft und damit zu einer erhöhten Gewaltbereitschaft führt. All diese Argumente gegen die Todesstrafe treffen auch auf Länder zu, in denen rechtstaatliche Verfahren grundsätzlich garantiert sind. Die Bundesrepublik Deutschland hat bereits 1949 als erster Flächenstaat auf dem europäischen Festland die Todesstrafe vollkommen abgeschafft. Es ist leicht, den Zeigefinger zu erheben, wenn der ei- gene Staat bereits mit gutem Beispiel vorangegangen ist. Doch rechtsstaatliche Verfahren sind längst nicht überall auf der Welt gegeben. In Ländern ohne rechtsstaatliche Verfahren kommt noch die Gefahr hinzu, dass die Todes- strafe aus politischen Motiven vollstreckt wird. Es sind keine Einzelschicksale, über die wir hier reden: Die Zahlen über die weltweite Verhängung und Voll- streckung der Todesstrafe sind erschreckend. Im Jahr 2006 wurden nach offiziellen Angaben mehr als 3 800 Menschen zum Tode verurteilt; über 1 500 Men- schen wurden hingerichtet. Die tatsächlichen Zahlen dürften noch viel höher liegen, vor allem in China. Offiziell kam es in der Volksrepublik China im letzten Jahr zu 1 010 Hinrichtungen. Angaben von Nichtregie- rungsorganisationen zufolge ist jedoch anzunehmen, dass die Zahl von 8 000 Exekutionen näher an der Reali- tät ist. Damit wäre China Schauplatz von etwa zwei Drit- tel aller Hinrichtungen weltweit. In China können 68 Straftaten, darunter auch völlig gewaltfreie Delikte wie Betrug, Steuerhinterziehung und Bestechung zu 12906 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) einem Todesurteil führen. Selbst für das Erlegen eines Pandabären kann die Todesstrafe verhängt werden. Dabei ist China kein Einzelfall. Auch in einer Reihe anderer Staaten werden Menschen für gewaltfreie De- likte hingerichtet: So wurde erst im Juli dieses Jahres ein Mann im Iran wegen Ehebruchs gesteinigt. Die Steini- gung der Frau wurde in letzter Minute auf unbestimmte Zeit vertagt, nachdem der Fall international Aufsehen er- regte. Im September wurden in Vietnam drei Männer wegen Drogenhandels zum Tode verurteilt. Einen Monat vorher wurden fünf Pakistani und ein Nigerianer in Saudi-Arabien wegen desselben Delikts exekutiert. Aber nicht nur die Anwendung der Todesstrafe an sich, sondern auch die angewandten Exekutionsmetho- den erfüllen einen mit Empörung und Abscheu. Ent- hauptungen wie in Saudi-Arabien, Steinigungen wie im Iran, Erhängungen oder Erschießungskommandos – all dies sind Methoden, die nur als barbarisch bezeichnet werden können. Auch die vermeintlich humaneren Exekutionsmetho- den Giftspritze und elektrischer Stuhl sind grausame Mittel zu einem nicht minder grausamen Zweck. Eine Vielzahl von erschütternden Beispielen hat in der Ver- gangenheit gezeigt, dass auch hier die zum Tode Verur- teilten erheblich leiden: So rang der in den USA exeku- tierte Häftling Angel Diaz im letzten Jahr ganze 34 Minuten mit dem Tod und verzog bis kurz vor seinem Ende das Gesicht vor Schmerzen. Dass dieser Fall in den USA inzwischen auch den Obersten Gerichtshof erreicht hat, ist erfreulich. Es stimmt mich vorsichtig hoffnungsvoll, dass es in den Vereinigten Staaten zu einer breiteren Debatte über die Todesstrafe kommt. Es bleibt zu hoffen, dass die Verei- nigten Staaten, die sonst eine Vielzahl von Werten mit uns teilen, einlenken und die Todesstrafe abschaffen. Nicht weniger bedrückend als die Exekutionsmetho- den sind die Missstände in Bezug auf den Kreis der zum Tode Verurteilten. Immer wieder kommt es zur Verurtei- lung und Exekution von Minderjährigen, zuletzt im April im Iran. Überhaupt hält der Iran in dieser Frage ei- nen traurigen Rekord. In keinem anderen Land der Welt wurden so viele Menschen hingerichtet, die zur Tatzeit nicht volljährig waren, wie im Iran. Insgesamt sitzen im- mer noch 71 zur Tatzeit minderjährige Straftäter in den Todestrakten iranischer Gefängnisse. Darüber hinaus sind zwölf der Todeskandidaten sogar minderjährig zu Tode verurteilt worden. Die Gefahr ist groß, dass sie noch vor ihrem 18. Lebensjahr hingerichtet werden. Genauso verabscheuungswürdig ist die Hinrichtung von geistig kranken Menschen. Amnesty International berichtet von fünf Staaten, in denen es zur Hinrichtung von geistig Kranken gekommen ist: Kirgisistan, Usbe- kistan, USA, Japan und Iran. Ich möchte nicht missverstanden werden: Die Todes- strafe ist auch dann nicht human, wenn all die eben auf- gelisteten Missstände behoben wären. Dennoch verdeut- lichen sie, dass es eine Reihe von Staaten gibt, die sich nicht einmal an die Mindeststandards halten. Vor ein paar Tagen wurde in New York eine Resolu- tion zur Ächtung der Todesstrafe in die UN-Generalver- sammlung eingebracht. Die Chancen stehen gut, noch im Laufe des Novembers ein zustimmendes Votum zu errei- chen. Mich freut, dass die Europäische Union in dieser Frage geschlossen zusammensteht. Ich hoffe, dass die Resolution auch bei der abschlie- ßenden Beratung eine überzeugende Mehrheit finden wird. Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD): Wir Sozialdemo- kraten begrüßen sehr, dass der Deutsche Bundestag heute anhand des interfraktionellen Antrags von Union und SPD, von FDP und Bündnis 90 über die Notwendig- keit und die Möglichkeit zur weltweiten Ächtung der To- desstrafe diskutiert. Wir begrüßen den gemeinsamen Antrag, der die Ini- tiative der Europäischen Union unterstützt, bei der 62. Generalversammlung der Vereinten Nationen durch die Verabschiedung eines Moratoriums ein Zeichen für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe zu setzen, und wir unterstreichen die elf konkreten Forderungen zur Bekräftigung der Politik der Bundesregierung gegen die Todesstrafe, die in dem Antrag enthalten sind. Es ist gut, dass der Deutsche Bundestag diesen Antrag mit einer so breiten Mehrheit seiner Mitglieder einbringt und heute auch gleich beschließen will; das zeigt, dass hier im Deutschen Bundestag unbestritten die Überzeu- gung besteht, dass es weder eine moralisch-ethische, noch eine pragmatische Rechtfertigung für die Todes- strafe gibt. In der Tat ist das Gegenteil der Fall: Weder vom mo- ralisch-ethischen Standpunkt her, noch von der Ver- pflichtung jedes zivilisierten Staates zum Schutz seiner Bürgerinnen und Bürger vor Kriminalität und Terroris- mus, das zu tun, was nötig und von der Verfassung ge- deckt ist, die ja die Bindung an Menschenwürde, Men- schenrechte und Rechtsstaatlichkeit sicherstellt, kann eine Rechtfertigung der Todesstrafe hergeleitet werden. Es gibt nicht das selbstverständliche Recht eines Staates, Gewalt und Kriminalität zu Strafzwecken mit der Tö- tung eines Verurteilten zu beantworten. Auch der häufig zitierte „Wille des Volkes“, der zumeist nur fehlende oder bewusst vorenthaltene Informationen über Straf- zwecke und Beitrag und Möglichkeiten eines rationalen Strafverfahrens und Strafvollzuges zu Schutz und Siche- rung der Bevölkerung widerspiegelt, ändert daran nichts. Das deutsche Grundgesetz schließt die Todesstrafe ausdrücklich aus. Grundgedanke und Begründung dieses Verbotes gelten jedoch über die Grenzen der Bundesre- publik Deutschland hinaus. Die gesamte Europäische Union, aber auch die meisten Mitgliedstaaten des Euro- parates haben die Todesstrafe bereits abgeschafft; andere Staaten, wie etwa Usbekistan, planen, dies mit Beginn des Jahres 2008 zu tun. Das sind ermutigende Zeichen, die mit dazu beitragen können, die Initiative der Europäi- schen Union in der 62. Generalversammlung zu der not- wendigen Mehrheit zu verhelfen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12907 (A) (C) (B) (D) Die Todesstrafe hilft aber auch nicht bei der Siche- rung und dem Schutz der Bevölkerung vor Schwerstkri- minalität, wie häufig fälschlich behauptet wird: Ab- schreckung und damit ein Beitrag zur Verhütung von Kriminalität kann vielmehr durch die Gewissheit einer hohen Aufklärungsquote und einer zuverlässigen profes- sionellen Strafverfolgung unter Einbeziehung des Straf- vollzugs erreicht werden. Das zeigt die Entwicklung der Schwerst- und Gewaltkriminalität in den neuen Mit- gliedstaaten des Europarats; neuere Untersuchungen von Gesellschaften mit im Übrigen vergleichbaren Verhält- nissen zeigen sogar, dass ein negativer Zusammenhang zwischen der Existenz, der Verhängung, Verurteilung und Vollstreckung der Todesstrafe und einem hohem Pe- gel an Gewaltkriminalität bestehen könnte. Ganz sicher aber ist, dass die Ekel erregenden Propa- ganda-Bilder von der öffentlichen Zelebrierung von Hin- richtungen, die in letzter Zeit insbesondere aus dem Iran, aber auch aus anderen Ländern bekannt werden – mit ei- nem rationalen Strafsystem wenig zu tun haben. Sie sind vielmehr Zeichen der Gewaltbereitschaft der Machtha- ber, die sich negativ auf die gesamte Gesellschaft aus- wirken muss; sie sind Ausdruck von Machtwillen durch Einschüchterung und sollen zur Absicherung der Macht- haber den falschen Eindruck verfestigen, die Todesstrafe könne zu mehr Sicherheit und Schutz für die Bevölke- rung führen. Die begrüßenswerte Initiative der Europäischen Union bei der 62. Generalversammlung der Vereinten Nationen hat schon bis heute die Unterstützung von vie- len anderen Staaten erhalten, bis gestern beläuft sich ihre Zahl auf insgesamt 78. Damit rückt die Mehrheit der Mitgliedstaaten der Generalversammlung der Vereinten Nationen in sichtbare Nähe. Sie zu erreichen ist das Ziel. Deshalb fordert der Deutsche Bundestag nicht nur die Bundesregierung auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Mehrheit der Mitglieder der Generalver- sammlung für diese Initiative zu erhalten. Vielmehr wer- den alle Mitglieder des Deutschen Bundestages die Ver- pflichtung übernehmen, in Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen anderer Parlamente auf diese Initiative hinzuweisen und sie inhaltlich zu unterstützen. Florian Toncar (FDP): Wir beraten heute einen in- terfraktionellen Antrag, der ein sichtbares Zeichen für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe setzen soll. Ich freue mich, dass wir uns auf ein interfraktionelles Vorgehen einigen konnten und so ein Signal der Ge- schlossenheit des Deutschen Bundestags zur Erreichung dieses wichtigen Ziels senden. Die Todesstrafe ist eine grausame und unmenschliche Bestrafung, die durch nichts zu rechtfertigen ist. Die Fol- gen von möglichen Justizirrtümern, gegen die kein Jus- tizsystem gefeit ist, lassen einen erschaudern. Laut Am- nesty International wurden allein in den Vereinigten Staaten von Amerika seit dem Jahr 1900 über 450 Perso- nen zum Tode verurteilt, bei denen später festgestellt wurde, dass sie unschuldig waren oder ihre Verurteilung auf schweren Verfahrensfehlern beruhte. Bei einigen Personen konnte ihre Unschuld nur posthum ermittelt werden. Ferner ist die Todesstrafe schon allein deshalb verabscheuenswürdig, weil sie dem Verurteilten wegen seiner Gewissheit um den immer näher rückenden Tod psychische und seelische Grausamkeit zufügt. Es gibt keinen logisch nachvollziehbaren Grund, der die Todesstrafe rechtfertigen könnte. Vielmehr ist sie das Instrument einer irrationalen Rechtspflege. Daher lehnt die FDP die Todesstrafe seit jeher strikt ab. In diesem Sinne begrüße ich den Antrag sehr, den wir heute beraten, und hoffe, dass er seine Wirkung auf die Verhandlungen in der 62. VN-Generalversammlung ent- falten wird. Eine in den Vereinten Nationen verabschie- dete Resolution wird hoffentlich die öffentliche Mei- nung in den Staaten, die die Todesstrafe noch anwenden, dahin gehend beeinflussen, von der Todesstrafe Abstand zu nehmen. Weltweit ist bereits eine deutliche Tendenz zur Aussetzung oder vollständigen Abschaffung der To- desstrafe zu beobachten. Es wäre wünschenswert, wenn eine erfolgreiche VN-Resolution dieser Entwicklung ei- nen neuen kräftigen Impuls verleihen könnte. Ich möchte jedoch auch meine Enttäuschung über ei- nige Kollegen, vor allem in der CDU/CSU-Fraktion nicht verbergen, die selbst bei einem so wichtigen An- trag nicht der Versuchung widerstehen konnten, ihre ganz persönliche politische Agenda zu propagieren, die mit der eigentlichen Kernfrage der weltweiten Abschaf- fung der Todesstrafe nichts zu tun hat. Offenbar waren Sie, Frau Steinbach, nicht bereit, darauf zu verzichten, einen Seitenhieb gegen Polen in den Antrag einzufügen, der in der Sache überholt ist und zudem das Verhältnis zur neuen polnischen Regierung von Anfang an zu be- lasten droht. Ich meine den gesonderten Verweis auf Polen in Forderung Nr. 9. Dieser erweckt fälschlicher- weise den Eindruck, als ob Polen die Abschaffung der Todesstrafe als Fundament der europäischen Werteord- nung anzweifle und deshalb einer herausgehobenen deutschen Belehrung bedürfe. Dem ist nicht so. Einerseits stimmt es, dass die abgewählte polnische Regierung Kaczynski eine Einigung auf europäischer Ebene für einen „Europäischen Tag gegen die Todes- strafe“ verhinderte. Dieses – auf eine abstruse Argumen- tation gestellte – Verhalten war sehr kritikwürdig, da es eine Chance für ein klares Signal Europas gegen die To- desstrafe vergab. Wir alle haben dazu deutliche Worte gefunden; unser heutiger Antrag nimmt im Einleitungs- teil nochmals darauf Bezug. Andererseits hat mittlerweile eine neue Regierung die Amtsgeschäfte in Warschau übernommen, die wir nicht für die Fehler ihrer Vorgänger verantwortlich machen sollten. Der neue polnische Regierungschef Donald Tusk hat bereits einen anderen Politikstil angekündigt, der die Fehler der Vorgängerregierung nicht wiederholen wird. Zudem hat Tusk erklärt, dass er an einer Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland sehr interessiert ist. Da- her sind Belehrungen von deutscher Seite an Polen – zu- mal obsolete – nicht nur unnötig, sondern sogar kontra- produktiv. Nebenbei bemerkt: Ich kann nicht verstehen, dass die Union ihre eigene Schwesterpartei PO, mit der sie gemeinsam in der EVP-Fraktion im EP sitzt, über 12908 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) europäische Grundrechte belehren will. Aus diesem Grund werden einige Kollegen und ich heute einen ge- meinsamen Änderungsantrag zu dem vorliegenden inter- fraktionellen Antrag einbringen, der die Streichung dieses gesonderten Verweises auf Polen fordert, um au- ßenpolitischen Schaden abzuwenden. Auch wenn es bedauerlich ist, dass bei einer so wich- tigen Frage wie der Todesstrafe ein sachfremdes Thema mit transportiert wurde, kann dies nicht den Blick dafür verstellen, dass hier insgesamt ein sehr guter interfrak- tioneller Antrag vorliegt. Neben der Unterstützung für eine Resolution in der VN-Generalversammlung für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe greift er wichtige Aspekte deutscher und europäischer Außenpolitik im Umgang mit einigen der Staaten auf, die für einen Groß- teil der Hinrichtungen weltweit verantwortlich sind. Da allein China etwa die Hälfte aller Hinrichtungen weltweit durchführt, ist besonders Forderung Nr. 5, die Todesstrafe im Rahmen des EU-China-Menschenrechts- dialogs sowie beim deutsch-chinesischen Rechtsstaats- dialog zu problematisieren, von besonderer Bedeutung. Obwohl die offizielle Zahl der Hinrichtungen in China im vergangen Jahr bei 1 010 lag, gehen Menschenrechts- organisationen von einer hohen Dunkelziffer aus. Offen- bar auch aus diesem Grund hat China im Herbst letzten Jahres verfügt, dass alle Todesurteile einer höchstrichter- lichen Prüfung unterzogen werden müssen. Auch wenn dies natürlich nicht ausreichen kann, so ist es wenigstens nicht mehr möglich, dass entlegene Provinzgerichte un- kontrolliert Todesurteile vollstrecken lassen. Im Iran ist in den letzten Monaten eine deutliche Zu- nahme von Hinrichtungen zu vermelden. Dabei ist be- sonders bizarr, dass eine hohe Zahl an Straftätern betrof- fen ist, die zur Tatzeit noch minderjährig waren. Auch hier muss die EU in einen Menschenrechtsdialog eintre- ten, um die Regierung in Teheran von einer Abschaffung der Todesstrafe zu überzeugen. In den USA gab es jüngst zahlreiche Fälle über tech- nische Pannen bei Hinrichtungen, die den Opfern zusätz- liche, unsägliche Qualen bereiteten. Es bleibt zu hoffen, dass diese Berichte über die tatsächliche Grausamkeit auch vermeintlich humaner, technisierter Hinrichtungs- methoden wie der Giftspritze ein Umdenken in der US- Öffentlichkeit bewirken. Hier setzt die Forderung Nr. 7 des Antrags an, um auf die Abschaffung der Todesstrafe in sämtlichen Bundesstaaten der USA einzuwirken. Insgesamt liegt mit diesem Antrag ein sehr breites Spektrum an vorgeschlagenen Maßnahmen vor, die sehr gute Ansatzpunkte für die deutsche und europäische Au- ßenpolitik bei ihrem Anliegen der weltweiten Abschaf- fung der Todesstrafe bieten. Ich freue mich, dass der Deutsche Bundestag sich über die Parteigrenzen hinweg zu einem geschlossenen Vorgehen in diese Richtung zu- sammengefunden hat. Daher ist es für meine Fraktion und mich selbstver- ständlich, im Interesse des übergeordneten Ziels der weltweiten Abschaffung der Todesstrafe diesen Antrag zu unterstützen. Ich möchte schließen mit dem Wunsch, dass die deut- schen Diplomaten um Botschafter Thomas Matussek zu- sammen mit ihren europäischen Kollegen in den Ver- handlungen in der VN-Generalversammlung erfolgreich sein mögen und diese Resolution zur weltweiten Ab- schaffung mit einer breiten Mehrheit der Staaten auf den Weg bringen. Michael Leutert (DIE LINKE): Zu Anfang möchte ich gleich klarstellen, dass meine Fraktion diesem An- trag zustimmen wird. Bedauerlich ist allerdings, dass meine Fraktion mal wieder – wie so oft leider – außen vor gelassen wurde. Man kann und sollte ja im Parla- ment über vieles streiten. Meinungen über das, was gut und richtig ist, können auseinandergehen. Das ist konsti- tuierend für Demokratie und davon lebt eine Demokra- tie. Aber bei einem so fundamentalen Thema wie der To- desstrafe gibt es in diesem hohen Hause keinen Grund für Streit. Meine Fraktion und auch ich als Obmann für Menschenrechte nehmen dazu eine klare politische Hal- tung ein. Das ist Ihnen allen sehr wohl bekannt. Dass be- züglich einer gemeinsamen parlamentarischen Initiative noch nicht einmal angefragt wurde, empfinde ich als eine politische, vor allem aber auch persönliche Enttäu- schung. Kommen wir zum Antrag selbst. Die Ziffern 5 bis 7 zeigen deutlich, dass die Bundesregierung selbst in die- ser Frage gegenüber den Adressaten differenziert, ob- wohl, da es wie hier um das Leben Einzelner geht, eine Differenzierung politisch und menschlich völlig verfehlt ist. Ich zitiere aus ihrem Antrag: 5. beim Menschenrechtsdialog der EU mit China sowie beim deutsch-chinesischen Rechtsstaatsdia- log weiterhin die Todesstrafe zu problematisieren; 6. sich für eine Wiederbelebung des EU-Menschen- rechtsdialogs mit Iran einzusetzen, die Todesstrafe zu einem ständigen Tagesordnungspunkt zu ma- chen und dabei insbesondere auf die Einhaltung der Mindestnormen zu drängen; 7. die guten transatlan- tischen Beziehungen zu nutzen, um bilateral sowie im Rahmen der EU auf die Abschaffung der Todes- strafe in sämtlichen Bundesstaaten der USA hinzu- wirken; Im Grundsatz alles richtige Sätze. Deshalb ja auch unsere Zustimmung zum Antrag in seiner Gesamtheit. Die länderspezifischen Abstufungen – also: gegenüber China die Todesstrafe problematisieren, gegenüber dem Iran zu einem ständigen Tagesordnungspunkt zu machen und gegenüber den USA auf eine Abschaffung hinzuwirken – sind unserer Ansicht nach aber verfehlt, und zwar zum einen politisch, weil es den Staaten zeigt, dass einige – selbst bei der Abschaffung der To- desstrafe – immer noch gleicher sind als andere. Menschlich erscheinen uns diese sprachlichen Diffe- renzierungen verfehlt und vor allem auch pietätlos. Wenn Menschen die Todesstrafe droht, dann sollten wir uns für diese Menschen in jeweils gleicher Form – und damit eben auch in der Wortwahl – einsetzen, unabhän- gig von ihrer Staatsangehörigkeit. Wie soll sich denn ein in Amerika zum Tode Verurteilter fühlen, wenn die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12909 (A) (C) (B) (D) Bundesregierung gegenüber China und dem Iran we- sentlich stärkere Formulierungen wählt als gegenüber den USA. Wie gesagt, wir werden dem Antrag zustimmen, möchten die Bundesregierung und die Fraktionen aber auf Art. 3 des Grundgesetzes hinweisen, welcher eine solche Ungleichbehandlung verbietet. Sollten meine Be- denken bei Ihnen doch ein gewisses Unwohlsein hervor- gerufen haben, dann bieten wir als Fraktion natürlich an, die Abstimmung zu verschieben und mitzuhelfen eine treffendere Formulierung zu finden. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Albert Camus hat einmal gesagt, dass man, um das rechte Verhältnis herzustellen, die Todesstrafe gegen ei- nen Verbrecher verhängen müsste, der sein Opfer zu- nächst warnt, dass er es an einem bestimmten Tag auf schreckliche Weise ermorden würde und es von diesem Moment an monatelang in seiner Gewalt gefangen hielte. Ein solches Ungeheuer würde man im privaten Bereich nicht finden. Und doch sitzen in den USA und in anderen Ländern zum Tode Verurteilte nicht selten jahrelang in den To- deszellen, in der Ungewissheit, wann das Todesurteil vollstreckt wird. Ich rate übrigens an dieser Stelle beson- ders bei den Linken zur Aufmerksamkeit, damit es nicht wieder heißt, die USA würden im Deutschen Bundestag nicht für ihre Menschenrechtsverletzungen kritisiert. Ein Staat, der die gesamte Gesellschaft repräsentiert und die Aufgabe hat, die Gesellschaft zu schützen, darf sich nicht selbst auf eine Stufe mit einem Mörder stellen. Gleichwohl erscheinen einem aber die USA in diesem Punkt als Hort der Menschlichkeit, wenn man sich ein- mal die Vollstreckung der Todesstrafe in Ländern wie dem Iran, Saudi-Arabien und China anschaut. Dort wird die Todesstrafe oft auch bei minderschweren Delikten verhängt und macht auch vor behinderten Menschen und Minderjährigen nicht halt. Sie wird nicht selten öffent- lich als blutiges Schauspiel zelebriert. Die Verhängung und Vollstreckung von Todesurteilen gegen Minderjährige verstoßen gegen die im Internatio- nalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte fest- gelegten Mindeststandards und gegen Bestimmungen des Übereinkommens über die Rechte des Kindes. Der- zeit warten alleine im Iran über 70 zur Tatzeit Minder- jährige auf die Vollstreckung ihres Todesurteils. In Saudi-Arabien soll in einem aktuellen Fall ein zur Tat- zeit erst 13-Jähriger hingerichtet werden, wegen angebli- chem sexuellen Missbrauchs. In einer Veröffentlichung der Gesellschaft für be- drohte Völker ist ein Augenzeugenbericht der Steini- gung einer Minderjährigen zu lesen: Eines Tages musste ich mit meiner Schulklasse ins Stadion kommen. Es sollte eine Steinigung vollzo- gen werden, bei der wir zuschauen mussten. Wir sa- ßen auf den Tribünen und warteten. Sandwichver- käufer gingen durch die Reihen und boten ihre Waren an. Dann endlich wurde ein Mädchen ins Stadion geführt. Ich erschrak, denn ich erkannte dieses siebzehnjährige Mädchen. Sie wohnte in un- serer Straße, und als Kinder hatten wir miteinander gespielt. Ein Mullah las ihr das Urteil vor: „Im Namen Allahs, des Barmherzigen, wirst du zum Tode ver- urteilt durch Steinigung.“ Das Mädchen weinte, aber es wirkte wie benommen. Sie wurde in ein Loch gestellt, das man in die Erde gegraben hatte. Dann schaufelte man dieses Loch bis zur Brusthöhe des Mädchens zu. Auf den Tribünen johlte der Mob. Dann flogen die ersten Steine, die gezielt ne- ben dem Mädchen auf den Boden fielen. Jedes Mal, wenn der Oberkörper des Mädchens zuckte, um ei- nem Stein auszuweichen, begann das Johlen der jungen Männer von neuem. Es war wie bei einem Fußballspiel, wenn ein ganzes Stadion „Tor“ schreit. Dann trafen die ersten Steine. Das ganze Spektakel zog sich hin, bis das Mädchen endlich tot war. Mit einem barmherzigen Gott, ob im Islam oder Christentum, haben solche Schauspiele und die Todes- strafe insgesamt nichts, aber auch gar nichts zu tun. Der Iran und Saudi-Arabien unterschieden sich in dieser Hin- sicht leider so gut wie gar nicht. Umso verwunderlicher ist es, dass bisher nicht zu vernehmen war, dass die Bun- deskanzlerin oder der Außenminister anlässlich des ge- rade stattfindenden Besuchs des saudischen Königs Abdullah die katastrophale Menschenrechtslage in Saudi-Arabien angesprochen haben. Wir erwarten hier von der Bundesregierung klare Worte und hoffen, dass das Thema auch in Gesprächen mit dem Iran nicht hinter anderen Fragen zurücksteht. Die Einbringung der Resolution zur Abschaffung der Todesstrafe in die 62. Generalversammlung ist ein wich- tiges Signal, und wir hoffen, das möglichst viele der 192 Mitgliedstaaten der Resolution zustimmen. Gleich- wohl ist ein Moratorium noch keine Abschaffung der To- desstrafe. Die Bundesregierung muss auf allen Ebenen nachdrücklich in Gesprächen mit den betroffenen Ländern darauf hinwirken, dass es nicht nur zu einem Moratorium bei der Vollstreckung der Todesstrafe kommt, sondern diese unwiederbringlich abgeschafft gehört. Als einziges Mitglied des Europarats hat Russland das 6. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschen- rechtskonvention noch nicht ratifiziert. Die Bundesre- gierung muss sich hierfür in ihren Gesprächen mit der russischen Regierung einsetzen; denn für die Todesstrafe gibt es in Europa keinen Platz. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Finanzierung von Frauenhäusern bundesweit sicherstellen und losgelöst vom SGB II regeln (Tagesordnungs- punkt 20) Maria Michalk (CDU/CSU): Gewalt gegen Frauen ist kein Problem am Rande unserer Gesellschaft. Leider! 12910 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Sie findet mitten unter uns statt. Wir haben gemeinsam die Aufgabe, Gewalt in jeglicher Form zu verhindern. Unbestritten ist, dass Gewalt, die in unterschiedlichen Erscheinungsformen ausgeübt wird, die Betroffenen in ihrer Entfaltung und Lebensgestaltung einschränkt. Sie beeinflusst extrem negativ vor allem auch die Kinder. Deshalb ist der Schutz vor Gewalt ein gesamtgesell- schaftliches Anliegen. Ich bedanke mich ausdrücklich bei der Bundesregie- rung, die ihren zweiten Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen als abgestimmtes Handlungs- konzept vorgelegt hat. In diesem Kontext sehen wir auch die Frauenhäuser. Sie sind seit mehr als 30 Jahren unverzichtbarer Be- standteil der Unterstützungsangebote für Gewaltopfer. Nach wie vor ist es notwendig, in Form von bundeswei- ter Vernetzung, durch Medieninformationen und mehr Informationsmaterial für Angehörige und Bekannte der betroffenen Frauen die Arbeit der Frauenhäuser zu stär- ken. Das bedeutet aber nicht, dass wir gesetzliche Rege- lungen, die systematisch die finanzielle und soziale Ab- sicherung der Grundbedürfnisse der Menschen garantieren, instrumentalisieren und quasi im Schlepptau die Finanzierung der Frauenhäuser in die Bundeszustän- digkeit überführen. Das ist ja letztlich der Kern und das Ziel des Antrages der Fraktion Die Linke, den wir hier diskutieren. Richtig ist, dass eine Frau, die dem Grunde nach nach dem SGB II leistungsberechtigt ist, also ein Alter zwi- schen 15 und 65 Jahren hat, erwerbsfähig und hilfebe- dürftig ist und ihren Aufenthalt in Deutschland hat, ma- terielle Hilfeleistungen zum Lebensunterhalt nach den §§ 27 bis 40 des SGB XII erhält. Gezahlt werden zum Beispiel auch Grundsicherungsleistungen bei Erwerbs- minderung. Nach dem SGB II haben diese Vorrang. Im §16 Abs. 2 des SGB II ist vorgesehen, dass psy- chosoziale Betreuungsleistungen erbracht werden kön- nen, wenn diese für die Eingliederung in das Erwerbsle- ben erforderlich sind. Auch im Frauenhaus ist das Endziel der Betreuungsleistungen die spätere vollstän- dige Selbstständigkeit durch ein selbst erarbeitetes Ein- kommen. Dazu gehört sehr wohl die Überwindung der gewaltgeprägten Lebenssituation. Ob von dieser Eingliederungsleistung im Ermessen abgewichen wird, entscheidet sich im konkreten Fall. Das ist auch sinnvoll. Auch wenn alle Bewohnerinnen eines Frauenhauses die Gewalterfahrung eint, ist ihre konkrete Lebenssituation jeweils sehr unterschiedlich. Deshalb ist die individuelle Betrachtung durch nichts zu ersetzen. Allerdings sind wir uns einig, dass gerade hier keine bürokratischen Hürden aufgebaut werden dürfen. Ich mahne diesbezüglich auch eine jeweils zeitnahe Ent- scheidung an. Erinnern möchte ich des Weiteren daran, dass der Be- zug von Leistungen materieller und nichtmaterieller Art nach dem SGB XII nicht auf einen konkreten Personen- kreis beschränkt ist. Wie in SGB II wird auch hier von Leistungsberechtigten gesprochen. Deshalb können Be- ratung und Unterstützung erbracht werden, auch wenn die Hilfe zum Lebensunterhalt nicht nach dem SGB XII, sondern nach dem SGB II erbracht wird. Die Sozialhilfe- gewährung in Form von Beratungs- und Unterstützungs- leistungen dient damit also auch dem Ziel der Beendi- gung der Gewaltsituation sowie der Gewährung von Schutz und Zuflucht. Damit sehen Sie, dass unsere Re- gelungen so differenziert sind, dass auf die jeweilige Si- tuation reagiert werden kann. Das Komplizierte in dieser von Gewalt und Leid ge- prägten Situation der Frau ist allerdings in der Tat, das Spannungsfeld zwischen Schutz im räumlichen Bereich und aktiver Lebensgestaltung mit dem Ziel der künftigen dauerhaften Selbstständigkeit zu gestalten. So empfiehlt die Rechtsinfo des Frauenhaus-Koordinierungs e. V. zum Beispiel den § 27 Abs. 2 BSHG als Rechtsgrund- lage für einen über die Hilfe zum Lebensunterhalt hi- nausgehenden, zu deckenden Bedarf auf Beratung und Unterstützung heranzuziehen. Maßstab ist bei der Leistungsgewährung allgemein immer, dass der Einsatz von öffentlichen Mitteln ge- rechtfertigt ist. Bei der Flucht in ein Frauenhaus ist das unbestritten. Das bekräftigt zum Beispiel die Durchfüh- rungsverordnung zum § 72 BSHG, wonach gewaltge- prägte Lebensumstände als besondere Lebensumstände im Sinne des § 72 Abs. l BSHG benannt sind. Die Behauptung der Linken, dass die Einführung der Grundsicherung ursächlich für zunehmende Gewalt ist, kann so nicht stehen bleiben. Ja, Arbeitslosigkeit und Geldsorgen sind sehr belastend. Aber von häuslicher Ge- walt und Zuflucht im Frauenhaus sind leider auch Frauen betroffen, die keine finanziellen Sorgen haben. Die Missachtung der Menschenwürde ist ein viel zu breit gefächertes Erscheinungsbild, als dass es auf ein be- stimmtes Klientel beschränkt werden kann. Die Gesamtfinanzierung der Frauenhäuser zu regeln ist dezidiert Aufgabe der Länder. So ist zu erklären, dass die Finanzierung in den Ländern unterschiedlich ge- handhabt wird. Einige finanzieren sich über Tagessätze, andere über Zuschüsse von Kommunen und/oder Län- dern. Dass zufluchtsuchende Frauen von Frauenhäusern mitunter abgewiesen werden, weil sie nicht in der Lage sind, die Tagessätze zu finanzieren, ist hier und da vor- gekommen und bedauerlich. Aber bei gemeinsamen Lö- sungsbestrebungen vor Ort gibt es auch für solche Kon- stellationen einen Ausweg. Zum Beispiel arbeitet ein Frauenhaus in meinem Wahlkreis mit Tagessätzen von 6 bzw. 7 Euro. Für Frauen mit Leistungsbezug nach SGB II werden vom Träger für Grundsicherung die Kos- ten für Tagessätze vollständig übernommen. Da gibt es gar keine Probleme. Trotzdem ist die Einrichtung chro- nisch in finanziellen Nöten und muss auf die Spendenbe- reitschaft der Bevölkerung bauen. Uns nützt keine zentrale Regelung und diese wollen wir auch nicht. Wir setzen auf die Grundsicherung für den Lebensunterhalt und das mitmenschliche Miteinan- der. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12911 (A) (C) (B) (D) Renate Gradistanac (SPD): Frauenhäuser sind Schutzhäuser für Frauen und ihre Kinder. Sie schützen Frauen, die Gewalt erfahren haben und Frauen, die vor einer Gewaltandrohung Schutz suchen. Ich selbst habe vor 15 Jahren ein Frauenhaus im Schwarzwald gegrün- det und war Vorsitzende. Der Bedarf an Frauenhausplät- zen ist trotz des Platzverweises nach dem Gewaltschutz- gesetz unvermindert hoch. Sie sind eine zentrale und notwendige Anlaufstelle für von Gewalt betroffenen Frauen und ihre Kinder. Solange es Gewalt gegen Frauen gibt, werden wir unsere Frauenhäuser brauchen. In Deutschland gibt es etwa 400 Frauenhäuser, in de- nen jährlich mehr als 40 000 Frauen Schutz suchen. 5 722 Frauen und Kinder haben im Jahr 2003 in den 41 Frauenhäusern in Baden-Württemberg um Schutz nachgesucht. Nicht nur in Baden-Württemberg sind die Frauenhäuser in unterschiedlicher Trägerschaft organi- siert und nicht nur in Baden-Württemberg ist ihre Finan- zierung landesweit sehr uneinheitlich. So sind auch die Tagessätze unterschiedlich hoch. In der Entstehungsge- schichte und dem Selbstverständnis der Frauenhäuser liegt ein Grund für die uneinheitliche Finanzierungs- struktur. Uneinheitlich ist die Finanzierung bundesweit aber vor allem deshalb, weil die Verantwortung für die Finanzierung bei den Ländern und Kommunen liegt. Die Länder und Kommunen sind gefordert, die Frauenhäuser finanziell sicherzustellen, anstatt sie durch Kürzungen zu beeinträchtigen. Nicht nur in Baden-Württemberg werden die Landes- zuschüsse für Frauenhäuser seit Jahren kontinuierlich gekürzt. Zudem ist in den Ländern leider auch ein zu- nehmender Ausstieg aus der institutionellen Förderung der Frauenhäuser und ein Umstieg auf eine pauschalierte Finanzierung nach Tagessätzen feststellbar. Dies hat gra- vierende Auswirkungen auf die Frauenhäuser. Die Kos- ten für Beratung, Unterkunft und Sachkosten werden da- durch von der Belegung der Plätze abhängig. Es gibt keine Planungssicherheit mehr und es gibt darum kaum mehr Mittel für die präventive und nachsorgende Arbeit. Ich bin der Meinung, dass die Frauenhausfinanzierung für die Länder und Kommunen zur Pflichtaufgabe wer- den muss. Alle unsere Frauenhäuser brauchen eine Fi- nanzierungsstruktur, die ihnen Planungssicherheit gibt. In den Bundesländern sind diese Defizite hinreichend bekannt. Im Übrigen sind die Länder und Kommunen auch für die Beratungsstellen für Frauen zuständig, die leider zunehmend abgebaut werden. Für eine bundesein- heitliche Regelung käme ein abgestimmtes Vorgehen der Länder auf der Grundlage einer Vereinbarung in Be- tracht. Auch wenn alternativ eine bundesgesetzliche Re- gelung initiiert würde, bedürfte diese der Zustimmung der Bundesländer. Bisher haben sich die Länder aber überwiegend gegen eine bundeseinheitliche Regelung ausgesprochen. Dagegen waren in der Vergangenheit im Übrigen auch der Teil der Frauenhäuser, die dadurch eine Verschlechterung ihrer Finanzierungsstruktur er- wartet haben. Ich bin froh, dass die Unklarheiten der Kostenerstat- tung für Bezieherinnen von Arbeitslosengeld II im Jahr 2005 im Sinne der Frauenhäuser geregelt wurden. Der kommunale Träger am Herkunftsort eines Gewaltopfers hat die Kostenerstattung für die Zeit des Aufenthalts im Frauenhaus zu übernehmen. So wird eine einseitige Kos- tenbelastung derjenigen kommunalen Träger, die ein Frauenhaus unterhalten, nach dem SGB II vermieden. Damit haben wir das für die Frauen unzumutbare Hin und Her zwischen den betroffenen kommunalen Trägern beendet. Nach dem ersten Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen stehen wir vor der Umsetzung des zweiten Aktionsplans, der am 12. Oktober in den Bun- destag eingebracht wurde. Ich bin froh, dass bei der Eva- luation der Umsetzung des SGB II auch die Gruppe der von Gewalt betroffenen Frauen Berücksichtigung finden wird. Das Forschungsprojekt soll auch Handlungsemp- fehlungen zur Beseitigung möglicher Defizite geben. Mit den beiden Aktionsplänen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, dem Gewaltschutzgesetz und dem Gesetz gegen Stalking hat der Bund in den letzten Jahren viel für die Opfer von häuslicher Gewalt getan. Der Bund entlastet die Länder und Kommunen durch die Zu- sammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Die Länder müssen diese Entlastung nicht nur an die Kommunen weitergeben, sondern gemeinsam müssen sie diese Entlastung unter anderem auch zur Sicherung und Unterstützung der Frauenhäuser einsetzen. Ina Lenke (FDP): Gewalt gegen Frauen in Deutsch- land ist leider immer noch ein drückendes Problem. Jede vierte Frau hat mindestens einmal im Leben körperliche Gewalt durch ihren Partner erlebt, und Familie ist nicht immer ein Hort der Geborgenheit. Die Bundesregierung hat im September dieses Jahres „einen Aktionsplan II zur Bekämpfung von Gewalt ge- gen Frauen“ verabschiedet, der ein Bündel von Maßnah- men vorsieht. Die Bedeutung von Frauenhäusern mit ih- ren vielfältigen Hilfsangeboten kommt darin leider nicht vor. Auch der Antrag der Regierungsfraktionen vom Sep- tember dieses Jahres mit dem Titel „Häusliche Gewalt gegen Frauen konsequent weiter bekämpfen“ hilft da nicht weiter. Zwar wird positiv vermerkt, dass gerade für von Gewalt betroffene Migrantinnen Frauenhäuser von besonderer Bedeutung sind, dieses Hilfsangebot würde diese Frauen besser erreichen als andere Hilfsangebote. Dann folgt lediglich die Aussage. „Nach wie vor sind die Zufluchtsstätten der Frauenhäuser notwendig“ und dass der Deutsche Bundestag die klarstellenden Regelung zur Kostenerstattung zwischen den örtlichen Trägern im Freibetragsregelungsgesetz begrüßt, wonach die bishe- rige Wohnortkommune der Kommune am Ort des Frau- enhauses stets die betreffenden Kosten für die Dauer des Aufenthalts der Frau zu erstatten hat. Gut ist aber, dass aus dem Bundeshaushalt ein bun- desweites Vernetzungssystem mitfinanziert wird. Die Frauenhauskoordinierungsstelle leistet einen erheblichen Beitrag zur Qualitätssicherung und zur qualitativen Wei- terentwicklung der professionellen Arbeit der Frauen- häuser. 12912 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Für die Bundesregierung sind die Bundesländer und die Kommunen zuständig, wie zum Beispiel in Sachsen- Anhalt, wo die Frauenhäuser pauschal nach den vorge- haltenen Plätzen einen Zuschuss erhalten. Diese Mei- nung teile ich. Deshalb ist die Forderung der Linken, Frauenhäuser zu einer öffentlichen Pflichtaufgabe des Bundes zu machen, nach der Föderalismusreform nicht zustimmungsfähig. Die weitere Aussage in dem Antrag, „dass Frauen in einer Notlage aus Kostengründen nicht in eine Frauen- haus gehen können“ ist nicht real. Auch die Aussage, dass sogar „Frauen, die jünger als 25 Jahre alt sind, zu ihren Eltern zurückgeschickt werden“, als allgemeingül- tige Aussage in einen Antrag an den Deutschen Bundes- tag aufzunehmen, ist nicht richtig. Ich habe mich einge- hend erkundigt. Es hat keine gravierenden Probleme gegeben. Die Frauen sind durchweg ALG-II-Empfänge- rinnen oder aber verfügten über eigenes Einkommen. Klar ist: Die Frauenhäuser nehmen jede Hilfesu- chende auf und klären im Rahmen der sozialpädagogi- schen Arbeit die weitere Finanzierung. Eine Abweisung einer Schutzsuchenden aus Kostengründen hat es zum Beispiel in Sachsen-Anhalt nicht gegeben. Auch meine Nachfrage in Niedersachsen führte zu denselben Ergeb- nissen. Weitere Diskussionen werden wir im Familien- ausschuss führen und sicher auch einen Sachstandsbe- richt des Ministeriums über die Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Frauenhaus“ und deren Empfehlungen erhalten. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Gewalt gegen Frauen ist kein gesellschaftliches Randproblem, sondern findet inmitten der Gesellschaft statt. Dabei geht es nicht nur um körperliche Misshandlungen, Vergewaltigung oder sexualisierte Gewalt. Teil des Alltags von Frauen und Mädchen sind Belästigung, Missachtung, Beleidi- gung, Nachstellungen usw. Mit dem Gewaltschutzgesetz von 2002 wurden unbe- stritten Fortschritte erzielt. Es versagt aber, wenn nicht für jede von Gewalt betroffene Frau zur Not die Tür ei- nes Frauenhauses offen steht, und zwar unabhängig von ihrer sozialen Situation, ihrer Herkunft und ihres Aufent- haltsstatus. Die Erfüllung dieses Anspruchs ist jedoch durch das SGB II in weite Ferne gerückt. Der Zugang ist nur dort abgesichert, wo die Kosten für den Aufenthalt in eine pauschale Förderung der Frauenhäuser einbezo- gen sind. Wo das nicht der Fall ist, türmen sich unterdes- sen die Probleme. Ganzen Gruppen betroffener Frauen wird der Zugang erschwert. Dazu gehören alle Frauen, die keinen An- spruch auf Leistungen nach dem SGB II haben, aber die Kosten des Frauenhausaufenthalts auch nicht selbst übernehmen können: also Frauen ohne oder mit zu ge- ringem Einkommen, Auszubildende, Studentinnen und Asylbewerberinnen. Wer also nicht selbst zahlen kann, muss in der unmit- telbaren Fluchtsituation erst mal ins Grundsicherungs- amt und einen ALG-II-Antrag stellen! Das bedeutet zu- sätzlichen psychischen Druck und erhöht die Zugangshürden. Das Aufnahmeverfahren wird zudem weiter bürokratisiert. Die für flüchtende Frauen so wich- tige Anonymität kann kaum bewahrt werden. Außerdem wird vielfach über eine schleichende Mittelkürzung und eine wachsende Einmischung in die inhaltliche Arbeit der Frauenhäuser berichtet. Als Teil des Sozialsektors werden die Frauenhäuser schrittweise nach den Glaubenssätzen neoliberaler Wirt- schaftspolitik umgestaltet. Das heißt: – von einem bedarfsorientierten Zuschuss wird umge- stellt auf die Bezahlung erbrachter Leistungen. Aller- dings nach künstlich reduzierter Nachfrage – die Ermittlung des realen Bedarfs an Frauenhausplät- zen wird ersetzt durch die Ermittlung von „Kundin- nen“ mit abrechenbarem Leistungsanspruch – Qualitätsmanagements mit standardisierten Vorgaben werden eingeführt, die allerdings mehr auf Kostenre- duzierung als an konkreten Notwendigkeiten orien- tiert sind – die Frauenhäuser werden in einen Wettbewerb um immer weniger Zuwendungsgelder gedrängt, den im- mer mehr verlieren. Das Ergebnis der Entwicklung in Thüringen: 10 von 25 Frauenhäusern wurden in den vergangenen 3, 4 Jah- ren geschlossen. Glaubt jemand wirklich, dass der Zu- fluchtsbedarf in diesem Maß zurückgegangen wäre? Aber neben diesen finanziellen Schwierigkeiten gibt es eine Reihe weiterer struktureller Probleme durch das SGB II: – durch die oft lange Zeit zwischen Beantragung und ALG-II-Bescheid besteht eine akute Gefahr der Ver- armung, von fehlerhaften Bescheiden einmal ganz abgesehen – Kurzaufenthalte, zum Beispiel über das Wochen- ende, werden nicht finanziert – es gibt keine einmaligen Beihilfen mehr wie noch nach Bundessozialhilfegesetz – es fehlt eine bedarfsorientierte, spezifische Förde- rung von Gewalt betroffener Frauen; „Fordern und Fördern“ hat gerade im Kontext Frauenhaus einen besonders faden Beigeschmack – es fehlen individuell ausgestaltete, auf die besondere Situation von Gewalt betroffener Frauen eingehende Eingliederungsvereinbarungen zur Integration in den Arbeitsmarkt – es fehlen kontinuierliche, speziell geschulte An- sprechpartner/innen bei den Grundsicherungsämtern – es fehlen Sonderregelungen für Gewaltopfer im Un- terhalts-, Umgangs- und Sorgerecht. Die erschwerten Bedingungen auf der Seite der Frauen stehen der Tatsache gegenüber, dass durch das Gewaltschutzgesetz die Arbeitsbelastung der Frauen- hausmitarbeiterinnen deutlich gestiegen ist: es werden mehr Beratungen für Migrantinnen und deren spezielle Situation notwendig; es ist mehr Unterstützung notwen- dig bei Antragstellungen und Behördengängen; es ist ein großer Fortschritt, dass die Interventionsketten unter Einbeziehung von Polizei, Gerichten, Jugendamt ausge- baut wurden; aber auch das bedeutet Mehrarbeit für die Frauenhausmitarbeiterinnen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12913 (A) (C) (B) (D) Die Arbeit der Mitarbeiterinnen wird also einerseits aufgestockt und andererseits weiter bürokratisiert. Gleichzeitig wird sie inhaltlich komplexer. Hinzu kommt eine Vielzahl von Finanzanträgen, die erarbeitet und schließlich auch wieder abgerechnet werden müs- sen, damit das Frauenhaus überhaupt Bestand hat. Im Durchschnitt müssen 50 Prozent des Etats über Mittel- einwerbung finanziert werden. Letztlich geht es in unserem Antrag um die 30 Jahre alte Forderung der Frauenhausbewegung nach einer in- stitutionellen und bundesweiten Förderung der Frauen- häuser. Nach Auffassung der Linken muss bundesweit gesichert werden, dass: alle von Gewalt betroffenen Frauen eine Zuflucht finden, unabhängig von ihrer so- zialen Situation, ihrer Herkunft und ihres Aufenthaltssta- tus; die Zufluchtstätten verlässlich und unabhängig von Tages- und Pflegesätzen finanziert sind, die Arbeit der Frauenhausmitarbeiterinnen tatsächlich ihren Schwer- punkt auf dem Gebiet der psycho-sozialen Betreuung der betroffenen Frauen hat. Die Ernsthaftigkeit aller Bemühungen um das Thema Gewalt gegen Frauen werden daran gemessen werden, ob diese drängenden Probleme gelöst werden. Dabei ist die Einbeziehung der Mitarbeiterinnen der bundesweit vernetzten Frauenhäuser unerlässlich, um eine erfolgrei- che Lösung zu suchen – den politischen Willen dazu vo- rausgesetzt. Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist schon seltsam: Zu nachtschlafender Zeit setzt die Linke einen wichtigen frauenpolitischen Antrag auf und wundert sich dann, wenn alle anderen Fraktionen die Reden zu Protokoll geben wollen. Wenn Ihnen das Thema wichtig ist, sehr geehrte Damen und Herren von der Linken, warum legen sie es dann nicht in eine vernünftige Zeit? Ich glaube: Weil der Großteil der älteren Herren in Ihrer Fraktion das Thema eben für irre- levant hält. So ist das heute mit der Gewalt gegen Frauen: Ober- flächlich gibt es einen breiten Konsens für die Notwen- digkeit, diese Gewalt zu bekämpfen und ausreichend Schutzeinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Wie auch heute hier. Wenn es aber um die Frage geht: „Wer soll das bezahlen?“, wird das Problem auf den Prioritätenlisten ziemlich schnell nach hinten durchge- reicht. Wir Grünen waren es, die die Bekämpfung häuslicher Gewalt von Frauen in die Politik getragen und dafür ge- sorgt haben, dass sie nicht länger nur ein Problem der Opfer ist. Gewalt durch den Partner ist eine der ernsthaf- testen Bedrohungen für Leib und Leben von Frauen – jede vierte Frau erlebt sie mindestens einmal in ihrem Leben. Aufgrund einer solchen Bedrohung müssen wir schon von einem Problem der inneren Sicherheit spre- chen. Es ist niemand anderer als der Staat selbst, der sich für den Schutz der Frauen ausdrücklich verantwortlich zeichnen muss. Bedauerlich finde ich es deshalb, wenn es der Bun- desregierung in ihrem kürzlich vorgestellten zweiten Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen nicht einmal eine Erwähnung wert ist, dass die Frauen- häuser sich derzeit wachsende Sorgen um ihre Finanzie- rung machen. Natürlich liegt die Finanzierung in den Händen der Länder. Aber ignorieren können wir es auf Bundesebene nicht, wenn die Hilfestandards der Frauen- häuser und Beratungsstellen absinken. Deshalb begrüße ich, dass die Linke diesen Antrag eingebracht hat. Ich bin allerdings skeptisch, was die Aussage betrifft, die Finanzierungsprobleme würden alle nur vom neuen SGB II herrühren. So schwarz-weiß sind die Dinge wieder einmal nicht, liebe Fraktion Die Linke. Die Länder versuchen seit Jahren, an der Finanzierung sowohl der Frauenhäuser als auch der Beratungsstellen zu sparen, bis nichts mehr übrig bleibt. Übrigens: Auch Sie sind dabei nicht unbeteiligt: In Berlin haben Sie vor gar nicht langer Zeit das Geld für neun Plätze in einem Frauenhaus gestrichen. Erzählen Sie mir nicht, dass das die PDS war und Sie damit nicht verantwortlich sind. Aber ich gebe zu, auch das SGB II hat neue Proble- matiken geschaffen. Viele haben wir – die Frauenpoliti- kerinnen der rot-grünen Koalition – sofort in Angriff ge- nommen. Zum Beispiel über Handlungsempfehlungen der BA. Damit sind aber nicht alle Probleme gelöst. Das für mich Schlimmste ist, dass mit der in vielen Ländern eingeführten kostendeckenden Tagessatzfinanzierung in Verbindung mit der Vermögensprüfung bei Arbeitslosen- geld-II-Empfängerinnen die Verantwortung für die Finanzierung eines Frauenhausaufenthalts auf die Frauen selbst verlagert wird. Wenn sie genügend Erspar- nisse haben, müssen sie persönlich für die Kosten auf- kommen. Damit werden die Opfer selbst für die Folgen der erlebten Gewalt verantwortlich gemacht. Ich sehe allerdings Probleme bei der bundeseinheitli- chen Lösung – der Föderalismus macht uns da einen Strich durch die Rechnung. Vor ein paar Stunden erst ha- ben wir über Gender Budgeting diskutiert. Das hier ist ein gelebtes Beispiel. Wenn wir die Entwicklungen in Ländern und Kommunen nicht aufhalten, ist die finan- zielle Verteilung zukünftig: Die Männer begehen die häuslichen Gewalttaten, und die Frauen kommen für die wirtschaftlichen Kosten auf – persönlich und mit ihrem Vermögen. Das kann es nicht sein, was wir wollen. Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Finanzierung der Beendigung des subventionierten Stein- kohlenbergbaus zum Jahr 2018 (Steinkohle- finanzierungsgesetz) – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Ausstieg aus der Steinkohle zügig und zukunftsgerichtet gestalten – RAG-Bör- sengang an marktwirtschaftlichen Grund- sätzen ausrichten 12914 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Ruhrkohle AG in eine Stiftung öffentlichen Rechts überführen – Börsen- gang verhindern (Tagesordnungspunkt 21 a und b) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Die Koalition bringt heute ein bedeutendes Element einer klugen und zukunftsorientierten Wirtschafts- und Energiepolitik auf den Weg. Dieses ist umstritten, aber aus meiner Sicht dringend notwendig. Die Anhörung am 22. Oktober hat dies nochmals deutlich gemacht, doch hat sie auch ge- zeigt, dass ein Ausstieg aus der Steinkohlesubventionie- rung bereits 2012 möglich ist. Den betriebsbedingten Kündigungen stünden 12 Milliarden Euro eingesparter Haushaltsmittel gegenüber, die zur Förderung neuer und innovativer Arbeitsplätze genutzt werden könnten, eine Tatsache, über die wir ja in rund vier Jahren im Bundes- tag nochmals beraten werden. Das Steinkohlefinanzierungsgesetz ist ordnungspoli- tisch eine wichtige Grundsatzentscheidung. Damit wird der größte Subventionsabbau in der Geschichte der Bun- desrepublik auf den Weg gebracht. Gleichzeitig ist es ge- lungen, einen sozialverträglichen Rahmen zu vereinba- ren. Die Große Koalition hat mit diesem historischen Beschluss einmal mehr ihre Handlungsfähigkeit bewie- sen. Die betroffenen Bergbauregionen haben jetzt den Startschuss für einen zukunftsgerichteten Strukturwan- del, für den nun auch neue Mittel frei werden. Es ist weise und eine demokratische Selbstverständlichkeit, dass der Deutsche Bundestag zum festgeschriebenen Zeitpunkt 2012 überprüft, ob die heutigen energiewirt- schaftlichen Rahmenbedingungen weiterhin Bestand ha- ben. In den letzten 50 Jahren hat die Subventionspolitik im Steinkohlebereich den Steuerzahler rund 125 Milliar- den Euro gekostet. Statt weiter Jahr für Jahr mehr als 2 Milliarden Euro in Erhaltungssubventionen zu stecken, setzen wir ein strategisches Signal für die Zukunft. Dies ist eine Entscheidung für den Standort Deutschland. Sie zeigt, dass wir in der Lage sind, moderne und zukunfts- gerichtete Strukturen in unserem Land zu schaffen. Mir ist es wichtig hervorzuheben, dass wir die Entscheidung über die Zukunft der deutschen Steinkohle in einem brei- ten Konsens mit allen Beteiligten – einschließlich der Gewerkschaft – getroffen haben. Die subventionierte Förderung der Steinkohle in Deutschland wird bis spä- testens 2018 sozialverträglich beendet. Falsch ist – das möchte ich in dieser Runde nochmals betonen – dass der Steinkohlebergbau politisch nicht mehr gewollt ist, wie es vonseiten der Gewerkschaften bei der Anhörung verkündet wurde. Wir, die Union, ha- ben nichts Grundsätzliches gegen Steinkohlebergbau. Wir sind nur dagegen, einen Industriebereich durch staatliche Subventionen am Leben zu halten, vor allem dann, wenn die Förderung nicht dazu beiträgt, dass er in- ternational konkurrenzfähig wird. Wenn in Deutschland ein Unternehmen wieder wettbewerbsfähig Kohle aus der Erde holt, dann soll es das gerne machen. Diesem wirtschaftlichen Beitrag zur Versorgungssicherheit werde ich mich nicht verschließen. Beim Stichwort Versorgungssicherheit möchte ich Folgendes klarstellen. Einen Sockelbergbau, der die Subventionspolitik ohne Rücksicht auf die Wettbewerbs- fähigkeit festschreibt, darf und wird es nicht geben. Eine Grundfördermenge heimischer Steinkohle ist nach jetzi- ger Lage im Vergleich zum Weltmarktpreisniveau für Kraftwerkskohle ohne Subventionen nicht darstellbar. Der gewünschte Sockel von 6 bis 8 Millionen Tonnen Förderung jährlich würde den Steuerzahler 1,5 Milliar- den Euro kosten, wobei der Beitrag der deutschen Kohle am PEV auf 2 Prozent – von derzeit 5 Prozent – sinken würde. Diese 6 bis 8 Millionen Tonnen lassen sich ohne weiteres auf dem weltweiten Kohlemarkt mit einem Vo- lumen von 790 Millionen Tonnen beschaffen. Die deut- sche Bergbaumaschinenindustrie und deren Zulieferer sind nicht auf einen Sockelbergbau angewiesen. Die Bergbaumaschinenindustrie hat ihre Referenzen schon heute überwiegend durch Aktivitäten im Ausland und braucht keinen Sockelbergbau, um ihre Zukunft abzusi- chern. Der Weg für die Umstrukturierung des ehemaligen RAG-Konzerns ist nun endlich frei geworden. Den Spar- ten des weißen Bereichs wurde in seinem neuen Outfit als Evonik die nötige Perspektive für die weitere Ent- wicklung gegeben. Der Börsengang ist hierzu ein wichti- ger Schritt. Damit erhält der Konzern Zugang zum Kapi- talmarkt. Gleichzeitig werden über die Stiftung die Mittel für die Finanzierung der Ewigkeitslasten des Bergbaus wie Dauerbergschäden und Wasserhaltung aufgebracht und durch die Revierländer abgesichert. Fazit: Deutschland blickt auf 800 Jahre Geschichte und Tradition im Steinkohlebergbau zurück. Doch seit 50 Jahren ist der Betrieb nicht mehr kostendeckend, ob- wohl in dieser Zeit rund 125 Milliarden Euro an staatli- cher Unterstützung geflossen sind. Auch wenn ein Aus- stieg 2012 möglich wäre, kommt es auf weitere sechs Jahre am Ende auch nicht mehr an. Wichtig ist, dass wir einen Konsens mit allen Beteiligten – Beschäftigten, Un- ternehmen und der Politik – erreicht haben und auch ein klares Ziel festgelegt haben. Deutschland steigt aus ei- nem subventionierten Steinkohlebergbau aus. Mit der heutigen abschließenden Lesung ist der Weg endlich frei und wir billigen allen Beteiligten die notwendige Flexi- bilität bei der betriebswirtschaftlichen Umsetzung zu. Glück auf! Rolf Hempelmann (SPD): Der heute anstehenden Verabschiedung des Steinkohlefinanzierungsgesetzes beweist diese Koalition auf einem schwierigen Feld ihre Handlungsfähigkeit. Wir haben hier im Bundestag den vorliegenden Gesetzentwurf zügig, konzentriert und vor allem ergebnisorientiert beraten und damit die Weichen dafür gestellt, dass der anspruchsvolle Zeitplan eingehal- ten und auch der Bundesrat noch in diesem Jahr befasst werden kann. Trotz des engen Termingerüsts haben wir uns die Zeit für eine gründliche Beratung unter anderem in einer Öffentlichen Anhörung genommen. Ich denke, dass die Diskussion mit den Sachverständigen sehr deut- lich gemacht hat, dass wir mit dem Steinkohlefinanzie- rungsgesetz einen vernünftigen Weg beschreiten. Einen Weg, der einen geregelten Anpassungsprozess für die im Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12915 (A) (C) (B) (D) Bergbau Beschäftigten garantiert und zugleich neue in- dustrielle Wachstumsperspektiven eröffnet. Ich möchte diese Einschätzung anhand von vier Punkten begründen: 1. Fragen wir uns doch zunächst einmal ganz grund- sätzlich, was denn die Alternative zu der jetzt gefun- denen Regelung gewesen wäre. Ein schlichtes Wei- ter-so? Mit Sicherheit nicht. Angesichts einer NRW- Koalitionsvereinbarung mit einem Ausstiegsdatum 2010 hätte ein Nichthandeln unweigerlich dazu füh- ren müssen, dass die frühere RAG – jetzt Evonik In- dustries – für den Bergbaubereich finanziell in die Bresche hätte springen müssen. Man muss kein Pro- phet sein, um zu erkennen, dass dies sehr rasch zu ei- nem Selbstverzehr des Unternehmens, zur Vernich- tung des Wertes des weißen Bereichs geführt hätte. Allerdings ohne dass damit die Alt- und Ewigkeits- lasten des Bergbaus gedeckt gewesen wären. Diese Lasten wären der öffentlichen Hand überlassen wor- den – eine Scheinlösung, die bei rationaler Betrach- tung kaum als sinnvoll erscheinen dürfte. 2. Schon im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zwi- schen CDU/CSU und SPD – und ich erinnere mich sehr genau daran – haben wir gemeinsam festgelegt, den weiteren Anpassungsprozess im subventionier- ten deutschen Steinkohlenbergbau sozialverträglich auszugestalten. Dieser Vorgabe kommen wir mit dem vorliegenden Gesetz nach. Wir sehen vor, den sub- ventionierten Steinkohlenbergbau im Jahr 2018 zu beenden und behalten uns gleichzeitig vor, diese Ent- scheidung 2012 auf der Grundlage der dann aktuel- len energiewirtschaftlichen Erkenntnisse – das schließt übrigens Preisaspekte ebenso ein wie den Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit – noch ein- mal zu überprüfen. Beide Daten – 2012 und 2018 – sind mit Bedacht gewählt. Das Jahr 2012, weil zu diesem Zeitpunkt noch eine echte Korrekturmöglich- keit existiert und der Zugang zu den Lagerstätten tat- sächlich noch offen steht. Und auch das Datum 2018 ist keinesfalls zufällig gewählt. Es gibt ja auch hier im Hause einige, die meinen, ein weitaus früherer Ausstieg, zum Beispiel schon 2012, wäre auch mög- lich gewesen. Gutachten haben in diesem Punkt sehr klar gezeigt, dass diese Einschätzung neben der Re- alität liegt. Wer den Kurs der Sozialverträglichkeit nicht verlassen und betriebsbedingte Kündigungen vermeiden will, für den erübrigen sich alle Spekula- tionen mit mehr oder weniger willkürlich gegriffenen Jahreszahlen. Wir stehen deshalb zu der im Februar zwischen dem Bund, den Kohleländern, der IGBCE und der RAG getroffenen Rahmenvereinbarung, ge- rade weil sie den Bergleuten und ihren Familien die Planungssicherheit bis 2018 gibt, die sie auch ver- dient haben. 3. Wir schaffen aber mit dem Steinkohlefinanzierungs- gesetz nicht nur die Grundlage für eine verantwortli- che Ausgestaltung des weiteren Auslaufprozesses im Bergbau. Wir eröffnen zugleich eine Chance für in- dustrielles Wachstum und Beschäftigung in unserem Land. Durch die Auflösung des Haftungsverbundes wird für das Unternehmen das Tor für einen Börsen- gang aufgestoßen und damit der für die weitere Un- ternehmensentwicklung wichtige Zugang zum Kapi- talmarkt ermöglicht. Ganz wichtig war, dass dabei die Weichen so gestellt worden sind, dass ein inte- grierter Börsengang möglich wird und eine Zerschla- gung des Unternehmens, die möglicherweise nur die Vorstufe etwaiger Marktbereinigungsprozesse gewe- sen wäre, vom Tisch ist. Es mag sein, dass bei einer Einzelverwertung der Unternehmensteile Chemie, Energie und Immobilien ein etwas höherer Verwer- tungserlös zu erzielen wäre. Aber auch an diesem Punkt haben alle, die in der Anhörung gewesen sind, dazulernen können. Denn diesen leicht höheren er- warteten Erlösen – nach begründeten Schätzungen stehen 5,9 Milliarden Euro im Falle einer Einzelver- wertung 5,1 Milliarden Euro bei einer Konglomerats- betrachtung entgegen – stehen gewichtige regional- und industriepolitische Erwägungen entgegen. Der integrierte Börsengang erhöht gegenüber anderen Modellen die Überlebensgarantie des Unternehmens, schafft am ehesten die Voraussetzungen für eine er- folgreiche und dauerhafte Etablierung am Markt. Und genau deshalb liegt eine Politik, die Rahmenbe- dingungen für einen Börsengang des Gesamtkon- zerns schafft, im fundamentalen Interesse der knapp 50 000 Beschäftigten des neuen Unternehmens – ein Zusammenhang, der übrigens im vorliegenden An- trag der Linken vollständig verkannt wird. 4. Nicht zuletzt stellen wir auf der Grundlage des Mo- dells integrierter Börsengang sicher, dass der zu er- zielende Kapitalisierungserlös zur Absicherung der Ewigkeitslasten des Bergbaus ausreicht. Die Finan- zierung der Ewigkeitslasten, also der Kosten in erster Linie für die Grubenwasserhaltung, den Bereich der Dauerbergschäden, und die Grundwasserreinigung wird im Rahmen eines Erblastenvertrags zwischen der RAG-Stiftung und den Ländern NRW und Saar- land geregelt. Die notwendigen Mittel werden aus dem durch den Börsengang des weißen Konzernbe- reichs gespeisten Stiftungsvermögen bestritten. In diesem Zusammenhang hat die Anhörung keine An- haltspunkte dafür ergeben, dass dieses Ziel auf der Grundlage der vorgesehenen Regelung verfehlt würde. Nach dem Urteil der Experten ist also eine mit zusätzlichen Belastungen verbundene Gewähr- leistungshaftung der Kohleländer und mittelbar des Bundes nicht zu befürchten. Auch dies ist ein wichti- ges Ergebnis der Anhörung. Alles in allem liegt damit ein mehr als brauchbarer Entwurf vor, mit dem es gelungen ist, die verschiedenen industrie-, sozial- und finanzpolitischen Zielsetzungen miteinander zu verbinden. Wir sollten ihn deshalb heute mit großer Mehrheit verabschieden. Ulla Lötzer (DIE LINKE): Die Folgen des heutigen Beschlusses für das Steinkohlefinanzierungsgesetz sind klar absehbar: Arbeitsplätze werden abgebaut, Ausbil- dungsplätze werden vernichtet, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler werden mit Kosten in noch unabsehba- rer Höhe belastet, nur einige wenige private Investoren 12916 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) werden satte Gewinne einfahren. Das ist Ihre Politik, meine Damen und Herren von der Koalition, eine Politik für den Profit Weniger zulasten der Allgemeinheit. Der Evonik-Chef und frühere Wirtschaftsminister Müller erklärte dazu in der Anhörung des Wirtschafts- ausschusses lapidar: Wenn Unternehmen abgebaut wür- den, gingen eben auch die damit verbundenen Wohlfahr- ten flöten. Evonik jedenfalls sehe keine Veranlassung, einen Ausgleich zum Beispiel für den Ausbildungsplatz- abbau bei der Deutschen Steinkohle AG zu schaffen. Durch den Börsengang der RAG werden so Unter- nehmen geschaffen, die keine Sozialverpflichtung mehr kennen. Die Folge ist, dass im Ruhrgebiet 2 400 Ausbil- dungsplätze und unzählige Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Hier wird die Zukunft vieler junger Leute ver- spielt, in einer Zeit in der es so wichtig wäre, gerade den jungen Menschen eine tragfähige Perspektive zu bieten. Auch die Landesregierung und die Bundesregierung stehlen sich aus der Verantwortung, mit dem Konzern Verhandlungen zu führen, die diese Ausbildungsplätze sichern. Als Begründung für den Börsengang wird immer wie- der herangezogen, dass der Konzern Evonik damit einer tollen Zukunft zugehe und damit auch Nordrhein-West- falen. Doch dies wurde in der Anhörung widerlegt. Auf die Frage, ob sich diese glänzenden Aussichten in Ar- beitsplätzen für das Ruhrgebiet niederschlage, konnte Herr Müller nichts Positives vermelden. Ersatzarbeits- plätze seien nicht absehbar, außer einigen Hundert im Chemiepark Marl. Nicht zuletzt daran zeigt sich, dass es falsch ist, zu- gunsten des Börsengangs auf eine öffentlich-rechtliche Stiftung zu verzichten. In der Anhörung des Wirtschafts- ausschusses wurde deutlich, dass in der Debatte war, eine öffentlich-rechtliche Stiftung, wie wir sie fordern, einzurichten. Aber die Beteiligten haben dies letztlich abgelehnt mit der Begründung, dass die Aufrechterhal- tung eines staatlicher Einfluss auf die RAG den Preis von Evonik an der Börse geschmälert hätte. Eine kurz- sichtige Sichtweise von Politikern, die vor lauter Euros vor Augen, die vielleicht kurzfristig in die Kasse kom- men, die Gesamtkosten, die letztlich von allen zu tragen sein werden, beiseite schieben. Ihre Verantwortung, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, ist es jedoch, wenn Sie schon diesen falschen Weg einschlagen, wenigstens die negati- ven Folgen abzumildern. Deshalb fordern wir Sie auf, sich wenigstens jetzt gemeinsam mit dem Land Nord- rhein-Westfalen für ein Konzept für eine Verbundausbil- dung einzusetzen. Alle bergbaufremden Betriebe in den Bergbauregionen, die bisher von den hoch qualifizierten Fachkräften der DSK profitiert haben müssen jetzt in die Pflicht genommen werden. Dies gilt auch für Evonik und die RAG-Stiftung. Als Partner für die Verbundaus- bildung sind auch die Gewerkschaften, Handwerkskam- mern, regionale Industrie- und Handelskammern, die Agentur für Arbeit und die Kommunen aktiv zu beteili- gen. Auch aus der Kritik des Bundesrechnungshofes, dass Bund und Länder zu wenig Einfluss auf die Stiftung ha- ben, werden nach wie vor keine Konsequenzen gezogen. Es bleibt dabei, Staatsferne für die Gewinne und bei den Entscheidungen, bei der Haftung aber ist die Allgemein- heit dran. Und wir fordern Sie auf, eine tragfähige Strukturpoli- tik für die Bergbauregionen zu entwickeln. Trotz einge- sparter 8 Milliarden bei den Subventionen bis 2018 sol- len im Ruhrgebiet nicht nur die Zechen dicht gemacht werden, sondern auch keine Ersatzarbeitsplätze geschaf- fen werden. Hier gäbe es große Chancen und Potenziale, aber nur wenn man sie nutzt und fördert. Deshalb brau- chen wir ein Strukturprogramm, das die vorhandenen Kompetenzen in den Bergbauregionen, zum Beispiel im Maschinenbau nutzt. Wir brauchen eine gezielte Ansied- lungsstrategie für Energieeffizienztechniken und den Anlagenbau im Bereich erneuerbarer Energie. Nieder- sachsen hat längst die Zeichen erkannt und profitiert inzwischen enorm vom Windanlagenbau. Die Bergbau- regionen müssen nun versuchen, da Anschluss zu be- kommen. Solange, bis ausreichend Ersatzarbeitsplätze geschaffen worden sind, dafür die Gelder zu nutzen, die durch die Reduzierung der Steinkohlesubventionen frei werden. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nun hat es auch die Bundesregierung endlich verstanden, Steinkohle hat in Deutschland keine Perspektive. Mit rund 21 Millionen Tonnen deckt deutsche Steinkohle heute gerade noch vier Prozent des gesamten Primärener- gieverbrauchs in der Bundesrepublik. Selbst Frau Thoben, immerhin CDU Mitglied und Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes Nord- rhein-Westfalen hat in ihrer Stellungnahme zur Anhörung am 22. Oktober festgestellt: Der heimische Steinkohlen- bergbau hat bei realistischer Betrachtung wirtschaftlich keine Zukunft. Wegen der niedrigen internationalen Ge- stehungskosten ist die Förderung deutscher Kohle schon lange nicht mehr wettbewerbsfähig, es ist nicht absehbar, dass die Schwelle der Wirtschaftlichkeit auch nur im An- satz erreicht werden könnte. Anstatt eine Tonne deutscher Kohle zu fördern, können mit demselben Geld rund drei Tonnen Importkohle erworben werden. Es hat leider sehr lange gedauert, bis diese Einsicht gekommen ist und unsere Bürgerinnen und Bürger hat das sehr viele Steuergelder gekostet. Nach Berechnun- gen des Forums für Wirtschafts- und Finanzpolitik wa- ren das in den Jahren 1958 bis 2002 rund 128 Milliarden Euro. Es gibt kaum andere Subventionsarten in Deutsch- land, die über einen so langen Zeitraum auf einem derart hohen Niveau aufrechterhalten wurden. Noch heute füh- ren die Steinkohlensubventionen mit Abstand die Liste der 20 größten Finanzhilfen an, die regelmäßig im Sub- ventionsbericht der Bundesregierung veröffentlicht wer- den. Bis 2018 soll der unwirtschaftliche deutsche Stein- kohlenbergbau mit weiteren 38 Milliarden Euro aus Bundesmitteln unterstützt werden. Das ist nichts anderes als hoch subventionierte Klimazerstörung und Geldver- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12917 (A) (C) (B) (D) schwendung. Diese Gelder fehlen für mehr Zukunfts- energien, Klimaschutz und so auch für neue verlässliche Arbeitsplätze der Beschäftigten im Kohlenbergbau. Ein konsequentes Programm für Erneuerbare Energien ge- rade in den Kohleregionen böte die Möglichkeit auch für diese letzten Beschäftigten verlässliche und zukunftssi- chere Arbeitsplätze zu schaffen. Wir von Bündnis 90/ Die Grünen fordern daher einen Ausstieg bereits 2012 und haben hierzu einen Entschließungsantrag einge- bracht, über den heute ebenfalls abgestimmt wird. Aber noch nicht einmal zu dem Ziel des Ausstiegs 2018 steht die Bundesregierung verbindlich. Im Entwurf des Steinkohlefinanzierungsgesetz steht eine erneute Be- gutachtung und Überprüfung des Ausstiegsbeschlusses im Jahr 2012. Dabei wollte sogar das Land Nordrhein- Westfalen in den Verhandlungen die Kohlensubventio- nen bereits 2014 beenden. Die Bundesregierung kannte die Begutachtung und Überprüfung des Ausstiegsbe- schlusses im Jahr 2012. Dabei wollte sogar das Land Nordrhein-Westfalen in den Verhandlungen die Kohlen- subventionen bereits 2014 beenden. Die Bundesregie- rung konnte die Verlängerung der Kohlenförderung aber nur durchsetzen, indem sie den Anteil des Landes Nord- rhein-Westfalen an den Subventionen von 2015 bis 2018 übernimmt. Ohne Not hat der Bund zusätzliche Belas- tungen übernommen, weil sich die SPD erneut als Schutzmacht der Kohle profilieren will. Es ist illusorisch zu glauben, dass sich der Wettbewerbsnachteil heimi- scher Kohle in den nächsten Jahrzehnten aufheben wird. Die geologischen Nachteile Deutschlands bleiben ein dauerhaftes Handicap. Das können auch unsere Kohlebarone nicht ignorie- ren, vorneweg Herr Müller von EVONIK und Herr Tönjes von der Deutschen Steinkohle AG die uns in der Anhörung allen Ernstes glaubhaft machen wollten, deut- sche Steinkohle hätte eine Zukunft. Selbst die Kollegin- nen und Kollegen der Regierungsfraktionen machen im Wirtschaftsausschuss keinen Hehl mehr daraus, dass der Zug der Deutschen Steinkohle endgültig abgelaufen ist. Es macht ökologisch und ökonomisch überhaupt kei- nen Sinn, die Subventionen bis 2018 weiterlaufen zu las- sen. Nach einem Gutachten von KPMG zur Bewertung der Stillsetzungskosten und der Ewigkeitslasten liegen die Kosten der Stilllegung für 2012, 2014, 2016 und 2018 in gleicher Höhe nämlich bei knapp 14 Milliarden Euro. In keinem der Fälle wird es zu betriebsbedingten Kündigungen kommen. Selbst der geplante Börsengang von EVONIK birgt erhebliche Risiken für die öffentliche Hand. Die neu ge- schaffene Steinkohlenstiftung trägt zwar die Ewigkeits- kosten und für den Fall, dass das Vermögen nicht aus- reicht, treten die Kohlenländer in Haftung. Der Bund hat sich aber auch hier wieder ohne Not bereit erklärt, 30 Prozent der Kostenrisiken zu übernehmen. Es ist gut, dass entsprechend unserer Forderungen keine dauerhafte Sperrminorität der Steinkohlenstiftung an den Unterneh- men des weißen Bereichs festgeschrieben wurde. We- sentlich ist, dass die Risiken für die öffentliche Hand re- duziert werden und die Unternehmen des weißen Bereichs strukturpolitisch sinnvoll weiterentwickelt wer- den. Es sollte noch einmal sehr genau geprüft werden, ob es nicht mehr Sinn macht, Degussa, STEAG und RAG- Immobilien einzeln zu veräußern und sie nicht, wie ge- plant, im Paket an die Börse zu bringen. Da passt es ja auch ins Bild, dass der Bundesrech- nungshof für die Steinkohlestiftung keine Prüfbefugnis erhalten soll. Hier schaffen Sie einmal mehr Intranspa- renz statt Klarheit. Der Deutsche Bundestag sollte alle diese Fragen noch einmal sehr genau untersuchen. Wir sprechen hier heute über einen Antrag der FDP zum Ausbau der Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel. Mit dem Bau des 3. und 4. Gleises für den Güter- verkehr auf der Schiene wird ein europäisches Großpro- jekt in Angriff genommen. Die Bundesrepublik hat sich zu diesem Kapazitätsausbau verpflichtet. Mit dem Staats- vertrag von Lugano 1996 stehen wir der Schweiz gegen- über im Wort, den Ausbau der Zulaufstrecke zum Lötsch- berg- und Gotthardtunnel sicherzustellen. Dieser Ausbau ist dringend erforderlich – aus ver- kehrspolitischen Gründen wie aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes. Kann der geplante Güterverkehr nicht auf der Schiene stattfinden, dann wird er über die Straße rollen. Damit würden die Menschen, die Umwelt und die Landschaft viel stärker belastet. Bündnis 90/ Die Grünen haben ein zentrales Anliegen: Wir wollen möglichst schnell möglichst viel Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagern. Dazu brauchen wir den Kapazitätsausbau im Rheingraben dringend. Der Ausbau der Rheintalbahn wird auch zu einer deutlichen Entlas- tung der Anwohner an der Altstrecke führen. Diese Ent- lastung begrüßen wir sehr, da sie Tausenden von An- wohnern zugute kommt. Zurzeit wird gerade in der Region Freiburg mit dem Lärmsanierungsprogramm des Bundes die Situation an einzelnen, besonders belasteten Punkten der Altstrecke entschärft. Das ist im Sinne des Lärmschutzes sehr zu begrüßen. Letztlich ist das aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein, weil es sich hier um freiwillige „Reparaturmaßnahmen“ ohne gesetzli- chen Anspruch handelt. Auch mit dem vergleichsweise umweltfreundlichen Transportmittel Bahn kommen große Belastungen auf Mensch und Umwelt im Rheingraben zu. Was können wir realistischerweise tun, um diese Belastungen so ge- ring wie möglich zu gestalten? Der beste und auch günstigste Weg beim Lärmschutz ist die Vermeidung der Entstehung von Lärm. Die Ver- meidung der Lärmentstehung durch neue leisere Wagen und durch Umrüsten des Altmaterials ist der effizienteste und günstigste Weg, die Güterzüge leiser zu machen. Ein europaweites Umrüstprogramm nach dem heutigen Stand der Technik würde eine Halbierung des Lärms be- deuten. Für relativ wenig Geld lässt sich das Bremssys- tem jedes alten Waggons umrüsten. So entsteht ein Lärm, der vom menschlichen Ohr nur noch halb so laut wahrgenommen wird. Im Juni wurde dieses Umrüstprogramm hier im Bun- destag beschlossen. Da sind wir alle dafür. Für diesen sehr sinnvollen Weg haben wir uns erfolgreich einge- setzt. Für die tatsächliche und europaweite Umsetzung 12918 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) bis zur Inbetriebnahme des 3. und 4. Gleises der Rhein- talbahn – unter anderem durch die Einführung lärm- abhängiger Trassenpreise – werden wir kämpfen. Nun zu den vier Forderungen zu einzelnen Strecken- abschnitten im Antrag der FDP. Diese vier Forderungen übernimmt die FDP von den Bürgerinitiativen im Rhein- graben. Da die in Abs. II an die Bundesregierung gerich- teten Forderungen in der Gesamttendenz richtig sind, werden wir dem FDP-Antrag zustimmen. Wir schließen uns einer sorgfältigen Prüfung der einzelnen Forderun- gen generell an, auch wenn wir manche Details anders sehen. Nun noch eine Bewertung im Detail: Zu Forderung eins: Die bisherige Planung zu Offen- burg kann so nicht bleiben, da die bereits hohe Belastung der Offenburger Innenstadt sich noch drastisch ver- schärft. Offenburg ist ohne Zweifel der problematischste Punkt der gesamten Neubaustrecke mit den meisten di- rekt betroffenen Anwohnern. Wir fordern eine detail- lierte Prüfung einer Tunnel-Lösung für Offenburg unter Berücksichtigung des Lärm- und Erschütterungsschutzes sowie des innerstädtischen Flächenverbrauchs. Zu Forderung zwei: Eine Bündelung der Linienfüh- rung von Offenburg bis Freiburg von Neubaustrecke und A 5 halten wir Grünen für die sinnvollste Variante der Trassenführung. Diese muss im Planfeststellungsverfah- ren gleichrangig mit anderen Varianten im Hinblick auf Landschaftsverbrauch, Lärmschutz und Betriebssicher- heit geprüft werden. Zu Forderung drei: Die zusammen mit anderen bauli- chen Maßnahmen vorgeschlagene teilweise Trassenab- senkung im Freiburger Streckenabschnitt soll geprüft werden Dieses für eine deutliche Lärmreduzierung vor- geschlagene Maßnahmenbündel stellt eine klare Verbes- serung der bisherigen Bahnplanungen dar. Das Maßnah- menpaket, das in einer von den betroffenen Kommunen finanzierten Ingenieursstudie im Detail erarbeitet wurde, verdient eine sorgfältige Prüfung im Planfeststellungs- verfahren. Zu Forderung vier: Auch eine Trassenabsenkung mit Teildeckelung des Streckenabschnitts vom Südportal des Mengener Tunnels bis südlich von Buggingen soll ge- prüft werden. Die ursprüngliche Maximalforderung, die- sen Streckenabschnitt ganz zu untertunneln, wird nicht mehr erhoben. Das begrüßen wir. Unser abschließendes Fazit: Wir begrüßen das Nach- hintenziehen des Prognosehorizonts aufs Jahr 2025, weil das ein realistischerer Zeitpunkt für den tatsächlichen Güterverkehr auf der Strecke ist. Sollten von Land oder Bund zusätzliche Mittel für den baulichen Lärmschutz bereitgestellt werden, – also Gelder, die über die gesetz- lichen Verpflichtungen hinaus fließen – so sollte dieses Geld an den kritischsten Punkten eingesetzt werden. Der kritischste Punkt ist für uns Offenburg, weil dort die meisten Menschen am härtesten und am direktesten be- troffen sind. Was wird aus den großen Versprechungen, die die Abgeordneten der Großen Koalition in der Region in den letzten Jahren gemacht haben? Regionale Abgeordnete der CDU und der SPD aus dem Bundestag und aus dem Stuttgarter Landtag haben vor Ort immer viel mehr Lärmschutz versprochen als er gesetzlich vorgeschrie- ben ist. Das Land Baden-Württemberg verschleudert beim Projekt Stuttgart 21 ohne Not eine Milliarde Euro. Wir sind sehr gespannt, wie viel Geld die CDU/FDP- Landesregierung für das Projekt Ausbau der Rheintal- bahn zur Verfügung stellen wird. Und wir sind sehr neu- gierig, was aus den forschen Worten der SPD-Opposi- tion im Ländle in Berlin wird. Dort ist man mit an der Regierung, dort will man dann häufig nichts mehr von dem wissen, was man – wie zum Beispiel die Abschaf- fung des Schienenbonus – vor Ort bei den Betroffenen gefordert hat. Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrages: Umweltqualitäts- normen im Bereich Wasserpolitik – Forderun- gen des Europäischen Parlaments aufgreifen und ausweiten (Tagesordnungspunkt 22) Ulrich Petzold (CDU/CSU): Von alters her und wohl in jeder Kultur gilt das Vergiften eines Brunnens als ein außerordentlich schweres Verbrechen. In der Zeit der In- dustrialisierung ist das diesbezügliche Unrechtsbewusst- sein leider zurückgegangen. Doch Brunnenvergifter im ursprünglichen Sinn – gibt es die noch? Der Verbrauch von Wasser in beliebiger Menge und in höchster Qualität ist in den Industrieländern eine Selbstverständlichkeit, und nur wenige machen sich Ge- danken um ihr Handeln, wenn es gilt, ihre Wünsche mit ihrem Handeln in Übereinstimmung zu bringen. Dass das persönliche Verhalten bei der Entsorgung von Abfäl- len oder Abwasser, ihr Wirtschaften oder sonstiges Ver- halten in der Natur direkten Einfluss auf das Wasser hat, das sie wie selbstverständlich aus der Wasserleitung konsumieren und entnehmen, ist vielen Menschen leider gar nicht richtig bewusst. Nein, es stellt sich heute nie- mand mehr hin und verschmutzt oder vergiftet wissent- lich und zielgerichtet Trinkwasserbrunnen. Die Vergif- tung erfolgt viel subtiler und nicht am Brunnen selbst. Der Landwirt, der Felder überdüngt, der Unternehmer, der bei wassergefährdenden Prozessen nicht auf eine ordnungsgemäße Sperrschicht achtet, die achtlos wegge- worfene Farbbüchse oder Batterie oder das in die Toi- lette gespülte Medikament – das sind die modernen Brunnenvergifter. Meist Unachtsamkeit, oft aber auch übersteigertes Gewinnstreben oder pure Bequemlichkeit gefährden das Wasser, das wir als Grundwasser in unse- ren Brunnen wiederfinden. Auf der anderen Seite schaf- fen modernste Messmethoden die Voraussetzung, Stoff- konzentrationen zu messen, die noch vor wenigen Jahren um Potenzen unter den messbaren Konzentrationen la- gen. Letztendlich war es die Sorge um unsere natürlichen Lebensgrundlagen, die das Europäische Parlament im Mai 2007 bewogen hat, dafür zu stimmen, dass 28 wei- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12919 (A) (C) (B) (D) tere Stoffe in die Liste der prioritären Stoffe der Euro- päischen Wasserrahmenrichtlinie aufgenommen werden sollen. Umweltverbände hatten ihre Wünsche und Er- kenntnisse zu der Gefährlichkeit von Stoffen an die EU- Abgeordneten herangetragen. Daraus war dann die Liste von 28 Stoffen entstanden, die die 33 bisherigen prioritä- ren Stoffe ergänzen sollten. Doch genau das war nicht der Weg, der in der Europäischen Union verabredet war. Wie in dem vorliegenden Antrag richtig vermerkt ist, müssen die bestehenden Auflagen und Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie ergänzt und überarbeitet werden. Dazu hat die Europäische Union eine Arbeits- gruppe gebildet, die sich intensiv und wissenschaftlich exakt mit Stoffen beschäftigt, deren Gefährlichkeit in- frage steht. Die Dosis macht das Gift – diese Weisheit des Paracelsus gilt auch bei den Umweltgiften. Es ist ex- akt zu arbeiten, und gut gemeint ersetzt auch in diesem Fall keine fachliche Arbeit. Deshalb ist die Entscheidung der EU-Umweltminister vom 28. Juni dieses Jahres, die vom EU-Parlament vor- geschlagenen 28 Stoffe nicht kurzfristig in die Liste der gefährlichen Substanzen aufzunehmen, so nicht zu kriti- sieren. Auch wenn die fachlich exakte Arbeit mit allen notwendigen Diskussionen und Abstimmungen etwas länger dauert als von Umweltverbänden gewünscht, ist sie doch übereilten Entscheidungen vorzuziehen. Die da- ran im Antrag geübte Kritik ist daher fachlich und sach- lich nicht begründet. Bedenklich sind hingegen Beschlüsse, die im Antrag als „Aufweichung der Prioritäre-Stoffe-Richtlinie“ be- zeichnet werden. So ist es auch unserer Meinung nach falsch, dass man sich nicht auf EU-einheitliche Emis- sionsregelungen geeinigt hat. Schon allein mögliche Wettbewerbsverzerrungen hätten damit eingedämmt werden können, geschweige denn, dass in vielen Fällen nur so ein guter chemischer Zustand von Oberflächenge- wässern hergestellt werden kann. Deswegen sind wir si- cher, dass vonseiten der Bundesregierung alles Erdenkli- che getan wird, die europäischen Partner vom Wert von Emissionsgrenzwerten zu überzeugen. Eines eigenen Antrages, um die Bundesregierung zum Handeln zu ver- anlassen, hätte es, wie Sie selbst wissen, dazu nicht be- durft. Anders sehen wir das bei der Möglichkeit, die die EU-Mitgliedstaaten in Zukunft haben, bei Schadstoffbe- stimmungen in Gewässern flexibler vorzugehen. Wir sind es in Deutschland gewöhnt, Schadstoffkonzentratio- nen im Wasser direkt zu messen. Insbesondere Großbri- tannien, aber auch Frankreich bevorzugen Biota-Mes- sungen. Dazu werden die Schadstoffkonzentrationen in Gewässerorganismen oder auch Sedimenten gemessen. Unserer Auffassung nach kommt es indes nicht darauf an, wie Schadstoffkonzentrationen gemessen werden, sondern es muss eine Vergleichbarkeit der Messergeb- nisse erreicht werden. Nach Aussage der Fachleute ist auch nach der Flexibilisierung die geforderte Vergleich- barkeit in jedem Fall gegeben. Im Gegenteil darf sogar angenommen werden, dass die vorgeschriebenen Kon- zentrationsgrenzen bei den Messungen in Biota und Se- dimenten strenger ausfallen. Die Forderung, PCB und Dioxine in die Liste der prioritären Stoffe aufzunehmen, ist zwar aufgrund deren hoher Schadwirkungen verständlich. Es muss jedoch festgestellt werden, dass diese Stoffe zurzeit kein Ge- wässerproblem darstellen. Nur in einigen alten Transfor- matoren ist noch PCB enthalten, und es darf in Deutsch- land schon längst nicht mehr neu eingesetzt werden. Somit ist PCB ein Auslaufproblem. Bei Dioxinen muss man wissen, dass dieses bei Verrottungsvorgängen natür- lich entsteht und somit immer auch eine Hintergrundbe- lastung vorhanden ist. Dass trotzdem die Einhaltung von Schadstoffgrenzwerten auch bei Dioxinen kein Problem darstellt, sollte bei den überbordenden Forderungen auch wieder etwas Vernunft einziehen lassen. Die gleiche Vernunft und auch Augenmaß fordern wir bei den im Antrag als „neuartige Problemstoffe“ benann- ten Substanzen ein. Es handelt sich hierbei um pharma- zeutisch aktive Wirkstoffe, die von Organismen natür- lich oder nach Einnahme von Präparaten verändert oder unverändert wieder ausgeschieden werden. So neuartig, wie der Antrag den Eindruck erwecken will, sind uns Auswirkungen von Arzneimittelrückständen und hormo- nell wirksamen Stoffen nicht. Zahlreiche Kongresse, Kolloquien und Untersuchungen haben sich mit dem Problem befasst. Im April dieses Jahres hat sich auch wieder der Sachverständigenrat für Umweltfragen zum Thema Arzneimittelrückstände geäußert und festgestellt, „dass viele der eingesetzten Wirkstoffe nur in geringen Konzentrationen in die Umwelt gelangen und meist sehr kurzlebig sind“. Von 3 000 eingesetzten Wirkstoffen sind circa 80 in Kläranlagen zu finden. Dort erfolgt ein weitgehender Abbau, bevor das gereinigte Abwasser in die Vorfluter entlassen wird. Die im Grundwasser aufge- fundenen Spuren von Arzneimittelrückständen liegen meist um mehrere Zehnerpotenzen unterhalb von Kon- zentrationen, die für eine lebenslange Aufnahme beim Menschen toxikologisch ableitbar gesundheitlich duld- bar sind. Wir wissen jedoch, dass die pharmazeutisch ak- tiven Wirkstoffe, aber auch solche Substanzen wie das 17α-Ethinyl-Estradiol, welches Sie in Ihrem Antrag an- sprechen, auf diverse Organismen unterschiedliche Ef- fekte haben können. Hier können schon bei geringsten Konzentrationen Wirkungen auftreten, wie sie uns si- cherlich allen von der Auswirkung minimaler Spuren humaner weiblicher Hormone auf Krallenfrösche be- kannt sind. Daher ist es richtig, dass im Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln 2006 eine Umweltverträglichkeitsbe- wertung eingeführt bzw. erweitert wurde. Auch die Euro- päische Arzneimittelagentur hat mit der am 1. Dezember 2006 in Kraft getretenen „Guideline on the environmental risk assessment of medicinal products for human use“ diesbezüglich das richtige Signal bereits gesetzt. Dass wir gerade auch hier Augenmaß einfordern, geschieht allein vor dem Hintergrund einer hohen Verunsicherung der Menschen. Wenn im Jahr 2005 bei Google 531 000 meist besorgten Einträgen zu Arzneimittelrückständen gerade einmal 34 wissenschaftliche Beiträge gegenüberstehen, dann kann man nur vor Panikmache warnen. Insgesamt ist festzustellen: Wir haben zum Beispiel gerade auch mit REACH einen sehr guten Ansatz, 12920 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Schadstoffemissionen in den Griff zu bekommen. Es wäre wichtig, zwischen den prioritären Stoffen der Was- serrahmenrichtlinie und solchen Eingruppierungen wie der von REACH eine Abstimmung zu entwickeln. Un- terschiede in der Bewertung könnten die Glaubwürdig- keit unserer Chemikalien- und Umweltpolitik schädigen. Das sollte, ja, das darf uns nicht passieren. Deswegen sind auch Schnellschüsse auf dem Gebiet sehr problema- tisch. Die fundierte, fachlich gute Arbeit der Bundesre- gierung im Bereich des Wasserschutzes sollte deshalb von uns unterstützt und nicht kritisiert werden. Ich gebe zu, dass ich mich in einem Punkt sehr über den Antrag geärgert habe. Wenn es darin heißt: „Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Wasserrahmenrichtlinie nicht aufge- weicht wird“, oder „dafür Sorge zu tragen, dass neue prioritäre Stoffe von der EU aufgenommen werden“, so zeugt diese Formulierung von keinem großen Demokra- tieverständnis. Dafür Sorge zu tragen, heißt: „hat durch- zusetzen“. Der Antrag fordert die Bundesregierung apo- diktisch auf, ihre Ziele in der EU durchzusetzen. Auch wenn es das Richtige in der Sache ist: Eine Zwangsbe- glückung ist immer falsch. Zu einer Zwangsbeglückung aufzurufen oder sie, wie in dem Antrag, einzufordern, ist nicht unsere Sache. Die Nachhaltigkeit gerade im Um- weltschutz ist umso größer, je mehr auch der Partner vom richtigen Handeln überzeugt ist. Dieses Handeln zwangsweise von anderen Staaten streng und intolerant einzufordern, ist etwas, was wir nicht unterstützen kön- nen. Ich habe eingangs etwas über Brunnenvergiften ge- sagt. Im übertragenen Sinn kann man dieses auf Ihre apodiktische Formulierung anwenden. Wir werden uns daher im Ausschuss sehr kritisch mit dem Antrag auseinandersetzen. Petra Bierwirth (SPD): Wir beraten heute den An- trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. In diesem An- trag wird die Bundesregierung gebeten, die Forderungen des Europäischen Parlamentes zur Richtlinie über Um- weltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik zu übernehmen. Mit dem vorliegenden Richtlinienvor- schlag sollen die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie in EU-Recht umgesetzt werden. Des Weiteren schlägt die Kommission Qualitätsnormen für die Konzentration der prioritären Stoffe in Oberflächenwasser, Sedimenten und Biota vor. Gemäß dem sechsten Umweltaktionsprogramm gehö- ren Maßnahmen zur Begrenzung prioritärer Stoffe zu den vorrangigen Aktionsbereichen. Der vorliegende Vor- schlag dient dem Schutz und der Verbesserung der Qua- lität der Umwelt. Dies geschieht in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung. Gleichzeitig wird mit dem Vorschlag die Harmonisie- rung der Wirtschaftsbedingungen auf dem Binnenmarkt sichergestellt. Das war unbedingt erforderlich, da die bislang geltenden Umweltqualitätsnormen sehr unter- schiedlich sind. Ferner tragen der Vorschlag und die bei- gefügten Mitteilungen zur Kohärenz mit anderen ge- meinschaftlichen Rechtsvorschriften bei. Als Beispiel möchte ich hier insbesondere die Chemikalienpolitik, einschließlich REACH, anführen. Der Richtlinienvorschlag stellt einen wesentlichen Beitrag zur Verminderung der Gewässerbelastung durch Festlegung von gemeinschaftlichen Umweltqualitätsnor- men für prioritäre Stoffe dar. Er leistet auch einen we- sentlichen Beitrag zur Umsetzung der Ziele der OSPAR- Konvention. Der Richtlinienvorschlag ist in der EU intensiv bera- ten worden. Deutschland konnte während seiner EU- Präsidentschaft die politische Einigung im Rat erreichen. Das ist eine gute Ausgangslage für einen gemeinsamen Standpunkt von Rat und Europäischem Parlament zur harmonisierten Sicherung des Gewässerschutzes in Eu- ropa. Der erreichte Kompromiss ist gekennzeichnet von großer Flexibilität der Anwendung der Umweltqualitäts- normen und geringem Verwaltungsaufwand. Um die Effizienz der Umsetzung in den Mitgliedstaaten weiter zu verbessern, hat die Kommission eine Erklärung abge- geben, in der sie sich verpflichtet, so rasch wie möglich nach Inkrafttreten der Richtlinie Leitlinien für ihre Um- setzung festzulegen. Die von der Präsidentschaft zur Frage der Emissions- minderungsmaßnahmen vorgeschlagene Überprüfungs- klausel sehe ich positiv. Auf der Grundlage der Berichte der Mitgliedstaaten wird die Notwendigkeit zusätzlicher spezifischer Emissionsbegrenzungen geprüft. Die gemeinschaftsweiten festgelegten Umweltquali- tätsnormen für prioritäre Stoffe tragen dazu bei, die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu schützen. Die Mitgliedstaaten sind gefordert, Maßnahmen zu ent- wickeln und umzusetzen, die geeignet sind, die Gewäs- ser von gefährlichen Stoffen so weit wie möglich frei zu halten und gleichzeitig die Einhaltung des in der Richtli- nie vorgegebenen zeitlichen Rahmens zu gewährleisten. Bis spätestens 2025 wird sich die Kommission Gewiss- heit darüber verschafft haben, ob die erfassten Emissio- nen und Einleitungen die festgelegten Reduzierungsziele bzw. Beendigung der Einleitung prioritärer gefährlicher Stoffe, entsprechend den Regelungen der Wasserrah- menrichtlinie, nach 20 Jahren erreicht worden sind. Damit soll das wichtige Ziel für den europäischen Ge- wässerschutz erreicht werden, die Gewässer von gefähr- lichen Stoffen so weit wie möglich frei zu halten. Ent- sprechend dem Ratsvorschlag muss die Kommission auf der Grundlage der erstellten Berichte für die Bestands- aufnahmen auch eine Überprüfung durchführen, ob zu- sätzliche gemeinschaftsweite Maßnahmen, wie etwa Emissionsbegrenzungen, notwendig sind und gegebe- nenfalls entsprechende Vorschläge unterbreiten. Natürlich kann man mehr fordern, wie es das Europäi- sche Parlament auch getan hat, und natürlich ist es legi- tim, diese Forderungen in einen Oppositionsantrag aufzunehmen. Man muss aber sehen, dass der jetzt vor- liegende Richtlinien-Vorschlag einen Kompromiss dar- stellt, der von allen Mitgliedstaaten getragen wird. Der vorliegende Antrag von Bündnis 90/Die Grünen folgt ei- ner Argumentation, die für mich nicht vollständig nach- vollziehbar ist. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12921 (A) (C) (B) (D) Der Beschluss des Rates zum Richtlinienvorschlag entspricht in den wesentlichen Punkten auch der Haltung der Bundesregierung und der Länder. Er berücksichtigt auch Forderungen des Europäischen Parlaments. Der Richtlinienvorschlag weicht nicht, wie im Antrag be- hauptet wird, die bestehenden Verpflichtungen der Was- serrahmenrichtlinie auf. Die Forderung der Bundesregierung zum Beispiel nach gemeinschaftsweiten Maßnahmen für Emissions- begrenzungen nach den besten verfügbaren Techniken, wie auch im Antrag der Opposition gefordert, konnten nicht vollständig durchgesetzt werden. Diese fanden aber durch eine strenge Überprüfungsklausel weitgehend Berücksichtigung. Insofern werden auch die weiterge- henden Forderungen des Europäischen Parlaments nach Emissionsanforderungen auf der Grundlage der besten verfügbaren Techniken im weiteren Abstimmungsver- fahren unterstützt. In Deutschland gilt die Abwasserver- ordnung, die die Anforderungen an die Rückhaltung be- stimmter prioritärer Stoffe als beste verfügbare Technik festlegt. Ich möchte noch auf einige Punkte des Antrages ein- gehen. In ihrem Antrag sagen Sie: „EU-weite Qualifizie- rungsziele für Sedimente und Biota sind nicht verpflich- tend, und das Monitoring ist ebenfalls zu unverbindlich und großzügig geregelt.“ Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass die Forde- rung einiger Mitgliedstaaten nach unverbindlichen Refe- renzwerten für die Umweltqualitätsnormen verhindert werden konnte. Der Kompromiss sieht zwar beim Ge- wässer-Monitoring die flexible Möglichkeit vor, statt der gesetzlich verbindlichen Wasser-Umweltqualitätsnor- men auch Biota und Sediment-Umweltqualitätsnormen zu verwenden. Allerdings müssen diese vom Schutzni- veau gleichwertig sein und die angewandten Methoden bei der Kommission notifiziert werden. Sie wollen die Bundesregierung auffordern „dafür Sorge zu tragen, dass die vom Europäischen Parlament vorgeschlagenen 28 weiteren prioritären Stoffe in die Tochterrichtlinie der Wasserrahmenrichtlinie aufgenom- men werden“. Der Europäische Rat und das Europäische Parlament haben sich bei der Verabschiedung der Was- serrahmenrichtlinie und der Liste der prioritären Stoffe im Jahre 2000/2001 auf eine Verfahrensweise bei der Stoffauswahl geeinigt. Die Wasserrahmenrichtlinie sieht in Art. 16 die Erarbeitung einer Liste von prioritären und prioritären gefährlichen Stoffen vor. Hierzu wird in Art. 16(2) ein transparentes, auf wissenschaftlichen Grundlagen beruhendes Auswahlverfahren verankert. Dieses Verfahren wurde auch bei der Verabschiedung der ersten Liste der 33 prioritären Stoffe im Jahre 2001 angewandt. Daneben sieht Art. 16(4) der Wasserrahmen- richtlinie einen regelmäßigen vierjährigen Überprü- fungs- und Aktualisierungszyklus für die Liste der prio- ritären Stoffe vor. Für die derzeitige laufende Überprüfung gemäß der Wasserrahmenrichtlinie ist eine Arbeitsgruppe von der Kommission eingesetzt, mit deren Hilfe ein Vorschlag für die Aktualisierung der Stoffliste bis Ende 2008 vor- gelegt werden soll. Die Auswahl zusätzlicher Stoffe er- folgt gemäß Wasserrahmenrichtlinie zum einem nach wissenschaftlichen Kriterien, zum anderen nach der Be- deutung und dem Vorkommen der Stoffe in den Gewäs- sern der Gemeinschaft. Die zusätzlichen 28 neuen Stoffe sind Bestandteil der Prüfung bei der Aktualisierung der Liste. Darüber hinaus fordern Sie die Erarbeitung einer na- tionalen Strategie zur Emissionsbegrenzung bis 2008. Hier muss ich Ihnen ins Buch schreiben, liebe Kolle- ginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, dass eine nationale Strategie zur Emissionsbegrenzung und Vermeidung prioritärer bzw. prioritäre gefährliche Stoffe bis spätestens 2008 nicht erforderlich ist. In Deutschland sind mit der Abwasserverordnung nach § 7 a des Was- serhaushaltsgesetzes strenge Emissionsforderungen an das Einleiten in Gewässer festgelegt. Weitergehende ein- schränkende Maßnahmen, wie Anwendungsbeschrän- kungen oder Stoffverbote, sind nur gemeinschaftlich zielführend. Fazit: Die Wasserrahmenrichtlinie stellt uns vor eine große Herausforderung. Zur Koordination der Bewirt- schaftungsmaßnahmen sind nicht nur Abstimmungen mit den Nachbarstaaten, sondern auch der Bundesländer untereinander erforderlich. Um die festgeschriebenen Ziele der Richtlinie in dem gesetzten Zeitrahmen reali- sieren zu können, müssen die erforderlichen finanziel- len, personellen und organisatorischen Entscheidungen verantwortungsvoll und zügig getroffen werden. Um die erforderlichen Arbeiten in Angriff zu nehmen, müssen diese auf einer sicheren Grundlage gestellt werden. Das bedeutet, dass die rechtlichen und fachlichen Vorgaben zur Umsetzung der Richtlinie zeitgerecht vorliegen müs- sen. Durch eine enge und gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, die schon bei den Beratungen der Richtlinie und bei der Vorbereitung der Umsetzungsar- beiten sehr hilfreich gewesen ist, kann eine zeitlich und inhaltlich ordnungsgemäße Umsetzung der Wasserrah- menrichtlinie gelingen. Horst Meierhofer (FDP): Wasser ist unverzichtbare Lebensgrundlage. Die Sicherung der Wasserqualität ist deshalb von immenser Bedeutung. Hinzu kommt: Ge- wässerverschmutzungen machen nicht an irgendwelchen Ländergrenzen halt. Umso wichtiger ist es, dass Europa an einem Strang zieht. Dem Ziel der Europäischen Was- serpolitik, einen guten ökologischen und chemischen Zustandes der Gewässer zu erreichen, kann die FDP- Fraktion deshalb nur zustimmen. In diesem Kontext hat die Europäische Kommission einen Richtlinienentwurf vorgelegt, der darauf abzielt, das Umweltschutzniveau europäischer Gewässer zu ver- einheitlichen. Dazu sollen europaweit Höchstwerte für Pestizide, Schwermetalle und andere chemische Stoffe festgelegt werden, die eine spezielle Gefährdung für Tiere und Pflanzen in Gewässern sowie für die mensch- liche Gesundheit bedeuten. Besonders gefährliche Stoffe sollen langfristig sogar ganz verboten werden. 12922 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Doch sobald es um Details geht, scheiden sich in Brüssel die Geister: Während der Rat unter der deutschen Präsidentschaft die von der Kommission vorgeschlagenen Umweltqualitätsnormen einstimmig bestätigte, hat das EP in seiner ersten Lesung mit 672 Stimmen für substanzielle Änderungen gestimmt. Ginge es nach unseren Europäischen Kollegen, so soll- ten vor allem die Wasserqualitätsstandards für 28 wei- tere Stoffe verschärft werden. Ob in Brüssel angesichts der doch sehr unterschiedlichen Positionen zwischen Rat und Parlament in zweiter Lesung eine Einigung möglich ist, oder ob das Ganze in einen Vermittlungsausschuss geht, bleibt abzuwarten. Der Antrag, den wir heute beraten, will die Forderun- gen des Europäischen Parlaments aufgreifen und aus- weiten. Lassen Sie mich dazu folgende Bemerkungen machen. Erstens. Allen Unstimmigkeiten zum Trotz darf man nicht vergessen: Auch der Kommissionsvorschlag führt zu mehr Gewässerschutz als der Status quo. Das gilt nach Aussage der Bundesregierung auch für Deutsch- land. Auch bei uns gibt es derzeit noch einige wenige Stoffe, die die vorgegebenen Qualitätsziele noch deut- lich überschreiten. Zweitens. Aus unserer Sicht ist die Art und Weise, wie das Europäischen Parlament weitere Stoffe als prio- ritär bzw. prioritär gefährlich einstuft, äußerst fragwür- dig, und das sowohl rechtlich als auch in der Sache. Schließlich ergibt sich aus den Erwägungsgründen der Richtlinie, dass die Festlegung der Liste der prioritären Stoffe nach einem festgelegten Verfahren zu erfolgen hat. Genau dieses ist jedoch im Rahmen der Entschei- dung des Europäischen Parlaments augenscheinlich nicht berücksichtigt worden. Drittens. Auch die FDP hält die Renationalisierung bereits EU-weit festgelegter Emissionsgrenzwerte nicht für zielführend. Wir bedauern, dass die Bundesregierung sich hier im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft nicht weiter durchsetzen konnte. Geht es nach der Kom- mission, so sollen nur immissionsseitige Umweltquali- tätsnormen europaweit festgelegt werden. Emissionen interessieren Brüssel scheinbar nicht. Dies ist aus unse- rer Sicht sowohl ökologisch als auch ökonomisch nicht akzeptabel. Wirksamer Gewässerschutz fängt beim Ver- ursacher an. Hinzu kommt: Würde sich die Richtlinie ausschließlich mit Umweltqualitätsnormen begnügen, hätten Mitgliedstaaten ohne entsprechende Emissions- regelungen einen Wettbewerbsvorteil. Auch bin ich der Meinung, europaweit einheitliche Emissionsgrenzwerte wären allemal besser als die von EP und den Grünen vorgeschlagenen nationalen Pläne zur Emissionsbegrenzung. Zum Schluss möchte ich noch sagen: Ich warne da- vor, die Bundesregierung schon jetzt zu verpflichten, die Forderungen des Europaparlaments zu übernehmen, ohne Rücksicht darauf, was auf europäischer Ebene be- schlossen wird. Denn sollten sich die Parlamentarier in Brüssel nicht mit ihren Maximalforderungen durchset- zen – das halte ich für ziemlich realistisch –, haben wir in Deutschland wieder einmal einen Wettbewerbsnach- teil im Vergleich zum Rest Europas. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Die Linke un- terstützt den Antrag der Grünen. Er beschreibt zutreffend den Rückschritt in der europäischen Wasserpolitik be- züglich des Schutzes der Gewässer vor Schadstoffen. Es ist an sich schon ein Skandal, dass die Umweltqua- litätsrichtlinie für den Wasserbereich erst drei Jahre nach Ablauf der in Art. 16 der Wasserrahmenrichtlinie festge- legten Frist vorgelegt wurde. Das Hauptproblem der politischen Einigung dazu ist jedoch, dass das Ganze weiterhin nur auf Qualitätsnormen aufgebaut ist, die Oberflächengewässer haben sollen. Für die prioritären Stoffe sind dort die zulässigen Höchstkonzentrationen in Gewässern definiert. Ein Immissionsansatz also. Grenz- werte für Einleitungen im klassischen Emissionsansatz soll es demnach – zumindest EU-weit – nicht geben. Der kombinierte Ansatz im Art. 16 der Wasserrahmenrichtli- nie wurde damit versenkt. In der Folge dürfte eine Firma an einem großen Fluss mehr Schadstoffe in das Gewäs- ser lassen als eine Firma an einem kleinen Fluss, jeden- falls sofern nationale Gesetzgebungen nichts anderes festgelegen. Angesichts der immer noch unakzeptabel hohen Belastung beispielsweise von Nordsee und Ostsee ist dies vollkommen unverständlich. Gegenwärtig sind zwar noch einige Stoffe und Stoff- gruppen EU-weit über die noch geltende „Gefährliche- Stoffe-Richtlinie“ mit Emissionsgrenzen belegt. Doch dieses Gesetz wird bekanntlich ersatzlos aufgehoben. Danach werden wir nur noch für große Anlagen EU-weit gültige Emissionsgrenzen haben, und zwar über die IVU-Richtlinie. Sämtliche kleinen Anlagen bleiben ab diesem Zeitpunkt auf Ebene der EU ungeregelt. Ob und wie die einzelnen Mitgliedstaaten diese Lü- cke durch eigene Gesetzgebung schließen, ist ungewiss. Letztlich läuft dies auf eine Renationalisierung der ur- sprünglichen Gemeinschaftsmaßnahmen hinaus, ähn- lich wie bei der Meeresstrategierichtlinie. Doch gerade für Deutschland mit seinen vielfach fortschrittlichen Emissionsstandards könnte es problematisch werden, wenn andere Länder ihrem Firmen erlauben sollten, fortan niedrigeren Standards zu folgen. Die Bundesregierung war darum nicht ohne Grund der Auffassung, dass Umweltqualitätsziele für Oberflä- chengewässer mit Emissionsstandards für die Anlagen verknüpft werden müssen. Natürlich hat Deutschland diese Forderung in erster Linie aus Wettbewerbsgründen erhoben. Aber damit wird sie ja nicht falsch. Es ist auch die Forderung von Umweltverbänden. Die Linke ist ebenfalls der Meinung, dass ein vorsor- gender Umweltschutz keinesfalls auf Emissionsstan- dards nach dem Stand der Technik verzichten kann. Nur so ist Distanz- und Summationsschäden vorzubeugen. Umweltqualitätsziele können dies nur ergänzen, nicht aber ersetzen. In der Substanz fehlt neben dem eben beschriebenen Problemen auch ein sachgerechter Umgang mit den prio- ritären Stoffen. Von den 33 Stoffen und Stoffgruppen des Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12923 (A) (C) (B) (D) 2001 verabschiedeten Anhangs X der WRR sind nun- mehr lediglich 13 Stoffe und Stoffgruppen als prioritär gefährlich eingestuft. Ihre Einleitung, Emission oder ihr Verlust soll wegen ihrer besonderen Schädlichkeit been- det bzw. schrittweise eingestellt werden. Als prioritär oder prioritär gefährlich gelten jedoch viel zu wenige Stoffe. Die entsprechenden Listen bei den Meeresschutzabkommen OSPAR oder HELCOM sind bedeutend länger. Selbst das UBA sprach einmal von rund 10 000 problematischen Stoffen. Das Parlament hatte in der ersten Lesung die Anzahl der Stoffe der Liste X wenigstens verdoppelt. Der Rat hat davon je- doch nichts in die politische Einigung übernommen. Es ist aber nicht nur diese Blockade, es ist auch der Einzelstoffansatz an sich, welcher der enormen Zahl pro- blematischer Stoffe nicht gerecht wird. Er müsste drin- gend ergänzt werden durch Höchstgrenzen für Summen- parameter, vergleichbar mit den Regelungen in der Grundwasserrichtlinie. Aber offenbar hatte die Wirtschaft an solchen Rege- lungen kein Interesse, und sie hat sich wieder einmal durchgesetzt. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben in Deutschland im internationalen Vergleich zwar einen hohen Standard bei der Gewässerqualität, dennoch besteht auch bei uns Handlungsbedarf. Unsere Gewässer sind mit Schwermetallen, Pestiziden und Arzneimittel- rückständen belastet. Allein 5 000 Tonnen Schwerme- talle landen jährlich in unserem Wasser. Jede fünfte Grundwasserprobe enthält Pestizide. Außerdem tauchen in unseren Gewässern immer wieder neue gefährliche Stoffe auf, seien es Hormone oder Arzneimittelrück- stände, die sich nicht oder nur schwer herausfiltern las- sen. Die beobachteten Auswirkungen auf die Tierwelt in den belasteten Flüssen geben Anlass zur Sorge um die Gesundheit der Menschen. Diese Fakten sind alarmie- rend und zudem nur die Spitze des Eisberges, denn wir haben nach wie vor zu wenig Daten und Informationen über die mehr als 1 Millionen Stoffe und Stoffmischun- gen, die direkt oder über Umwege in unser Wasser ge- langen. Hier wäre rascher, vorsorgender Schutz für Mensch und Umwelt angebracht. Umso bedauerlicher ist es daher, dass die EU-Um- weltminister die Empfehlungen des Europäischen Parla- mentes zur Verbesserung der Umweltqualitätsnormen in der Wasserpolitik nicht aufgegriffen haben und sich stattdessen sogar auf eine Aufweichung der Wasserrah- menrichtlinie geeinigt haben. Das Parlament hatte unter anderem gefordert, dass 28 weitere schädliche Stoffe in die bereits bestehende Liste prioritär gefährlicher Stoffe der Wasserrahmenrichtlinie aufgenommen werden. Diese besonders gefährlichen Stoffe müssen bis 2015 komplett aus unseren Gewässern verschwinden, und das mit gutem Grund, denn viele von ihnen haben erhebliche negative Wirkung auf Mensch und Umwelt. Statt den sinnvollen Vorschlägen des Europaparlamentes zu fol- gen und weitere Umweltgifte auf die Liste zu setzen, wurden für die bestehende Liste sogar zusätzliche Aus- nahmeregelungen geschaffen. Ein guter Wasserzustand wird so weder in Deutsch- land noch im Rest Europas erreicht. Wieder einmal bleibt ein Ratsentwurf im Umweltbereich deutlich hinter den Forderungen des Parlaments und der Kommission zurück, und die Bundesregierung sieht untätig zu. Wenn, wie es die Wasserrahmenrichtlinie vorsieht, der „gute chemische Wasserzustand“ der Binnengewäs- ser und des Grundwassers bis zum Jahre 2015 tatsäch- lich realisiert werden soll und auch die Meere ab 2020 weitgehend giftfrei sein sollen, dann muss das zentrale Ziel der Wasserrahmenrichtlinie und der OSPAR- und Helsinkikonvention in allen Verursacherbereichen kon- sequent umgesetzt werden: Die Gewässerverschmutzung durch Stoffe mit hohem Umweltrisiko muss kontinuier- lich verringert werden, und dafür muss sich die Bundes- regierung im weiteren Gesetzgebungsverfahren in Brüs- sel einsetzen. Aber Deutschland muss noch mehr tun. Die Bundes- regierung sollte in der Wasserpolitik mit gutem Beispiel vorangehen und die notwendigen Vorgaben zur Bekämp- fung der Wasserverschmutzung in das Wasserwirt- schaftskapitel des geplanten Umweltgesetzbuches auf- nehmen. Wiederholte Anfragen unserer Fraktion haben gezeigt, dass die Anforderungen der Wasserrahmenricht- linie von den Ländern nur unbefriedigend erfüllt werden. Hier sollte die Bundesregierung endlich selbst aktiv wer- den und ihre Gesetzgebungskompetenz nutzen, statt un- tätig die Hände in den Schoß zu legen. Darüber hinaus brauchen wir dringend eine sektorübergreifende natio- nale Strategie zur Emissionsbegrenzung und -Vermei- dung von gefährlichen Stoffen. Insbesondere in der Landwirtschaft und im Verkehr ist hier unter den Minis- tern Tiefensee und Seehofer so gut wie gar nichts pas- siert. Statt die Warnungen von Opposition und Umwelt- verbänden zu ignorieren, sollte die Bundesregierung endlich hier in Deutschland Verantwortung für die Um- setzung internationaler Umweltqualitätsnormen über- nehmen und ihren Einfluss in Brüssel geltend machen, um ein Absenken von Standards zu unterbinden. Wir brauchen deutschland- und europaweit eine nach- haltige Wasserpolitik, die sich an den Kriterien eines vorbeugenden Umwelt- und Gesundheitsschutzes orien- tiert. Sauberes Trinkwasser ist ein Menschenrecht, das unter allen Umständen geschützt werden muss. Lippen- bekenntnisse auf internationalen Konferenzen sind nicht genug! Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gestzes zur Aufhebung der Heimkehrerstiftung und zur Finanzierung der Stiftung für ehemalige politi- sche Häftlinge (Heimkehrerstiftungsaufhe- bungsgesetz – HKStAufhG) (Tagesordnungs- punkt 25) Klaus Brähmig (CDU/CSU): „Politik bedeutet ein starkes, langsames Durchbohren von harten Brettern mit 12924 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Leidenschaft und Augenmaß.“ Dieses Zitat von Max Weber passt sehr gut zu der heutigen Verabschiedung des Heimkehrerstiftungsaufhebungsgesetzes, HKStAufhG. Denn ich erinnere mich noch genau, als im Sommer 2000 in meinem Büro der erste Entwurf für ein Heim- kehrerentschädigungsgesetz erarbeitet wurde. Bis zum Tag der Gesetzesverabschiedung sind nunmehr also sie- ben Jahre verstrichen. Durch das beharrliche Verhandeln der Union erhal- ten etwa 12 200 ehemalige deutsche Kriegsgefangene und circa 3 000 Zivilverschleppte aus Ostdeutschland eine symbolische Anerkennung für ihr damals erlitte- nes Schicksal. Die Opfergruppe der zivildeportierten Frauen aus dem Gebiet jenseits von Oder und Neiße bekommt eine einmalige Zahlung von 3 000 Euro. Ferner wird den ehemaligen ostdeutschen Kriegsgefan- genen eine Entschädigung, gestaffelt nach der Dauer des Gewahrsams, in Höhe von 500 Euro, 1 000 Euro und 1 500 Euro gewährt. Das Gesetz sorgt mehr als 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges dafür, dass die ostdeutschen Kriegsheimkehrer und Zivilverschleppten ihren west- deutschen Leidensgefährten gleichgestellt werden. Die beiden genannten Opfergruppen erhalten eine späte, wenn auch symbolische Entschädigung für das ihnen wi- derfahrene Unrecht. Als Vorsitzender des Parlamentarischen Beirates des Verbandes der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Ver- misstenangehörigen Deutschlands e.V., VdH, bedanke ich mich ganz herzlich bei allen Kolleginnen und Kollegen dieses Gremiums für die Zusammenarbeit. Mit dem vorliegenden Gesetz wurden die wichtigsten politischen Ziele des VdH noch Realität. Trotz der all- mählichen Auflösung des Bundesverbandes sind viele Landesverbände des VdH sehr aktiv. Aus dem direkten Kontakt mit dem Präsidenten des VdH-Bundesverban- des, Herrn Günter Berndt, kann ich Ihnen versichern, dass alle Landesverbände diese abschließende Gesetzge- bung begrüßen. Einige werden nun bemängeln, dass durch die jetzige Einigung die Entschädigung für viele Betroffen zu spät kommt. Da kann ich nur sagen: Ja, die Anerkennung kommt spät und für viele auch zu spät. Aber auch hier wurde mir aus der Verbandsspitze signalisiert, dass viele Familien zu schätzen wissen, dass die großen demokrati- schen Parteien Deutschlands noch zu einer einvernehm- lichen Lösung gefunden haben. Diese Lösung steht da- mit in der Tradition des Parlamentarischen Beirates des VdH. In den letzten 55 Jahren seines Bestehens wurde dort über Fraktionsgrenzen hinweg eine Politik gestaltet, die eine besondere Verantwortung für die Menschen aus der Kriegsgeneration anerkannt hat. Mit dem heutigen Gesetz senden wir das Zeichen: Es gab keine ehemaligen Krieggefangenen und Zivildepor- tierten erster und zweiter Klasse. Eine weitere Gerech- tigkeitslücke zwischen Ost und West wird mit diesem Gesetz geschlossen. Abschließend möchte ich noch eine Bitte an meine Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen Koalitionsfraktion richten. Wir haben heute durch diesen Kompromiss eine gute Lösung erreicht. Lassen Sie uns nun auch beherzt die Arbeitsgruppe Kriegsfolgenberei- nigung in Angriff nehmen. Der Wähler hat der Großen Koalition einen klaren Regierungsauftrag gegeben. Wir sollten diesen Wählerauftrag nutzen, um noch offene Probleme aus vergangener Zeit abzuarbeiten und eine gute Zukunft für unser Land zu gewinnen. Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Mit dem heute zu beschließenden Gesetzentwurf über ein Heim- kehrerstiftungsaufhebungsgesetz verbindet sich eine gute Perspektive für all die Kriegsheimkehrer im Bei- trittsgebiet, die bis heute keinerlei Entschädigung erhal- ten haben. Es ist das gute Signal, dass unsere Gesell- schaft sie nicht vergessen hat und auch ihr Schicksal würdigt. So wird mit dem vorliegenden Gesetz zwar die Heimkehrerstiftung aufgelöst, das ist aber nur eine orga- nisatorische Änderung. Inhaltlich ist mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz ein neuer Akzent gesetzt. Für geschätzt 12 000 Heimkehrer, die nicht nur Ge- fangenschaft erdulden mussten, sondern über deren Schicksal in der SBZ und späteren DDR einfach hinweg- gegangen wurde, ist eine gute Lösung gefunden worden. Wir haben eine gesellschaftliche Anerkennung in das Gesetz geschrieben. Das ist ein Akt historischer und ge- sellschaftlicher Gerechtigkeit, ein Beitrag zum Zusam- menwachsen unseres Vaterlandes, ein Beitrag zur inne- ren Einheit Deutschlands. Über acht Jahre haben wir von CDU und CSU uns dafür eingesetzt, dass den Kriegs- heimkehrern im Osten das zuteil werden kann, was im Westen ganz selbstverständlich war: eine Würdigung ih- res Schicksals. Daher freue ich mich, dass unser Koali- tionspartner von der SPD sich, wenn auch spät, hat über- zeugen lassen. Es ist auch gut, dass es mit den Änderungsanträgen ferner gelungen ist, eine dauerhafte Auszahlung der Rentenleistungen für den Berechtigtenkreis bis zum Le- bensende sicherzustellen. Alles andere wäre auch wür- delos gewesen. Somit verbindet sich mit der Auflösung der Heimkehrerstiftung für alle Betroffenen eine gute Perspektive. Im Übrigen – das sei in Richtung der Linksfraktion gesagt – verbindet sich mit der von uns seit Jahren gefor- derten und nun gefundenen Lösung auch eine gute Per- spektive für die Mitarbeiter der Heimkehrerstiftung. Für die Umsetzung dieses Beschlusses bedarf es qualifizier- ten Personals. Daher bin ich sicher, dass sich für die Be- schäftigten der Heimkehrerstiftung eine adäquate Wei- terbeschäftigung finden wird. Mit der gefundenen Einigung für die Heimkehrer Ost konnte ein weiteres Kapitel im Kriegsfolgenrecht einer guten, sozialverträglichen Lösung zugeführt werden. Al- lerdings sind auch mit dieser gefundenen Lösung noch nicht alle Fragen beantwortet, es sind Schicksale auch weiterhin bis heute unberücksichtigt und unbeachtet ge- blieben. Daher ist es unbedingt notwendig, dass wir so- wohl bei der Aufarbeitung der Kriegsfolgen als auch bei der Aufarbeitung des SED-Unrechts das bisher Geleis- tete überprüfen, um festzustellen, wo noch lösungsbe- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12925 (A) (C) (B) (D) dürftige Fragen bestehen, wo noch Schicksale bis heute offen sind. In beiden historischen Bereichen, beim SED- Unrecht und beim Kriegsfolgenrecht, sollten wir uns dieser Mühe unterziehen, um mit einer Schlussgesetzge- bung unserer historischen Verantwortung in Bezug auf die Opfer gerecht zu werden. Sechs Jahrzehnte nach Kriegsende sind auch im Be- reich des Kriegsfolgenrechts, so meinen wir von CDU und CSU, noch nicht alle Fragen gelöst, Menschen- schicksale oftmals ohne Würdigung geblieben. In der Bundesrepublik Deutschland und auch in den ehemali- gen deutschen Gebieten leben heute noch viele Men- schen, die als Zivilisten, häufig im jugendlichen Alter, verschleppt und zu Zwangsarbeit herangezogen worden sind. Viele von ihnen mussten unter härtesten, men- schenunwürdigen Bedingungen, vor allem im Bergbau, Zwangsarbeit verrichten. Besonders bei den Frauen gin- gen damit nicht selten körperliche Übergriffe einher. Viele Menschen verloren im Zusammenhang mit Zwangsarbeit ihr Leben. Diejenigen, die überlebt haben, leiden auch heute häufig noch unter den Spätfolgen. Im Jahr 2001 hat der Deutsche Bundestag für die aus- ländischen Opfer von Zwangsarbeit die Stiftung „Erin- nerung, Verantwortung und Zukunft“ beschlossen, die in diesem Jahr ihre Auszahlungen abgeschlossen hat. Dies war gut und richtig. Es wäre aber auch richtig, für die deutschen zivilen Opfer von Zwangsarbeit, von denen ja heute im Wesentlichen nur noch die zum damaligen Zeitpunkt jüngsten Opfer leben, eine humanitäre Geste zur Würdigung ihres schweren Schicksals bereitstellen zu können. Denn das, was viele Menschen als Zwangs- arbeiter erdulden mussten, lässt sich eben nicht unter den Begriff eines allgemeinen Kriegsfolgenschicksals fas- sen. Das gerne angeführte Gegenargument, 60 Jahre da- nach sei es für eine solche Geste zu spät, verfängt nicht. Für die ausländischen Opfer von Zwangsarbeit, die wäh- rend des Krieges nach Deutschland Verschleppten, haben wir auch erst sehr spät eine Lösung gefunden. Zeitablauf kann kein Argument dafür sein, bisher Ver- säumtes nicht nachzuholen. Das gilt nicht nur für die zi- vilen, deutschen Opfer von Zwangsarbeit. Das gilt auch für die sogenannten „Wolfskinder“: keine große Gruppe, aber eine besonders schwer geschädigte. Die histori- schen Ereignisse, die sich damit verbinden, sind herzzer- reißend. Allein die Beschäftigung und ehrliche Ausein- andersetzung mit diesem Kapitel liefert einen wichtigen Beitrag zu einem verantwortlichen Umgang mit unserer Geschichte. Mit dem Inkrafttreten des 3. SED-Unrechtsbereini- gungsgesetzes in diesem Sommer wurde die Opferpen- sion für politische Häftlinge der SBZ/DDR geschaffen. Das war ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung des SED-Unrechts. Aber auch hier sind noch Fragen offen. Beispielhaft nenne ich hier die Zwangsausgesiedelten aus dem Bereich der ehemaligen innerdeutschen Grenze und das Schicksal verfolgter Schüler, deren berufliche Benachteiligung nicht durch das Berufliche Rehabilitie- rungsgesetz erfasst worden ist. Ein Außerachtlassen die- ser Schicksale wäre ein schlimmes historisches Ver- säumnis. Daher freue ich mich, dass sich unser Koalitionspart- ner von der SPD nun doch, nach langem Zögern, dazu bereitgefunden hat, die bisherigen Gesetze im Bereich des Kriegsfolgenrechts und zur Aufarbeitung des SED- Unrechts zu analysieren, um festzustellen, in welchen Bereichen noch offene und lösungsbedürftige Fragen be- stehen. Daher werbe ich nochmals für Schlussgesetzge- bungen in beiden Bereichen. Das wäre ein großer Bei- trag zu historischer Verantwortung und Gerechtigkeit. Maik Reichel (SPD): Wir beraten heute abschließend den Gesetzentwurf zur Aufhebung der Heimkehrerstif- tung und zur Finanzierung der Stiftung für politische Häftlinge einschließlich eines Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen. Wir behandeln damit auch ein Ka- pitel deutscher und europäischer Geschichte. Die Grund- lagen für die Heimkehrerstiftung liegen im 1954 be- schlossenen Gesetz über die Entschädigung ehemaliger Kriegsgefangener. Dieses heute zu beschließende Gesetz sieht vor, die Heimkehrerstiftung, eine bundesunmittelbare Stiftung des öffentlichen Rechts, zum 31. Dezember 2007 aufzu- heben. Damit ist aber die Aufgabe immer noch nicht be- endet. Die Zuständigkeit für die Leistungsgewährung wird auf das Bundesverwaltungsamt übertragen. Wir re- geln mit diesem Gesetz, dass die einmaligen Unterstüt- zungsleistungen nach § 3 Abs. 1 HKStAufhG mit Ablauf des Jahres 2009 enden. Das Antragsende wird auf den Tag der Gesetzesverkündung geschoben. Dagegen ge- währen wir weiterhin nach § 3 Abs. 2 und 3 HKStAufhG die Rentenzusatzleistung ohne Befristung. Ich möchte mich an dieser Stelle bei meinem Berichterstatterkolle- gen Dieter Baumann und bei Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Christoph Bergner für die konstrukti- ven Gespräche bedanken, und dafür, dass sie diese von der SPD-Fraktion gewünschte Weiterzahlung der Ren- tenzusatzleistungen mittragen. Damit wollen wir weiter- hin zu unserer Verantwortung stehen, denen Hilfe zu- kommen zu lassen, die durch einen der schrecklichsten Kriege in der Menschheitsgeschichte in Haft gekommen sind und dort Not und Leid erfahren und in ihrer weite- ren persönlichen Entwicklung Entbehrungen erlitten ha- ben. Mehr als 300 Millionen Euro wurden durch die Heim- kehrerstiftung an Betroffene ausgezahlt. Noch heute er- halten etwa 11 500 Personen Rentenzusatzleistungen. Weitere Anträge liegen für Rentenzusatzleistungen und die einmalige Unterstützung noch vor. Daran sehen wir, dass die Aufgabe der Stiftung noch nicht ganz beendet ist. Das Bundesverwaltungsamt wird aber die Weiterfüh- rung dieser Aufgaben in der jetzigen bzw. in der heute zu beschließenden Gesetzeslage weiterhin gut ausführen. Im Weiteren regeln wir die Finanzierung der Unter- stützungsleistungen nach dem Häftlingshilfegesetz. Jetzt stehen in den Jahren 2007 bis 2009 jeweils 2,18 Millio- nen Euro zur Verfügung, jährlich circa l,4 Millionen Euro mehr als ursprünglich vorgesehen. Diese zusätz- lichen Mittel sollen vor allem Zivilinternierten und -de- portierten jenseits von Oder und Neiße zur Verfügung stehen. Empfänger sind außerdem ehemalige politische 12926 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Häftlinge aus dem kommunistischen Machtbereich so- wie deren hinterbliebene Ehegatten, Kinder und Eltern, um deren Notlage zu lindem. Die Aufstockung der Mit- tel liegt aber auch darin begründet, dass die nunmehrige Hauptaufgabe der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge nicht mehr in den Ausführungen des Häft- lingshilfegesetzes liegt, sondern in der Ausführung des strafrechtlichen Rehabilitationsgesetzes. Darauf reagie- ren wir. Neu eingeführt wird im Art. 3 eine einmalige Ent- schädigung an die Heimkehrer aus dem Beitrittsgebiet, der einstigen Sowjetischen Besatzungszone und der spä- teren Deutschen Demokratischen Republik. Das sie bis 1989/90 keine Entschädigung nach den Richtlinien der Häftlingshilfestiftung erhalten konnten, sollen sie zum Ausgleich für den erlittenen Gewahrsam eine einmalige Entschädigung erhalten. Die Höhe der einmaligen Ent- schädigung für jeden Berechtigten beträgt nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die einmalige Entschädigung, gestaffelt nach der Dauer des Gewahrsams: für die Ent- lassungsjahrgänge 1947 und 1948 500 Euro, für die Ent- lassungsjahrgänge 1949 und 1950 1 000 Euro und für die Entlassungsjahrgänge ab 1951 1 500 Euro. Der An- spruch bleibt bei Sozialleistungen, deren Gewährung von anderen Einkünften abhängig ist, unberücksichtigt. Auch mehr als 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bleiben die Folgen immer noch erkennbar. Dessen sind wir uns auch mit diesem Gesetz bewusst. Ich möchte mich im Namen meiner Fraktion bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Heimkehrerstif- tung für ihre Arbeit, die ein Teil der Aufarbeitung der deutschen Geschichte ist, bedanken und ihnen in ihren neuen Verwendungen, die durch das Bundesinnenminis- terium angekündigt wurde und durch meine Fraktion nachdrücklich unterstützt wird, alles Gute wünschen. Dr. Max Stadler (FDP): Mit dem Gesetzentwurf greift die Bundesregierung eine nunmehr zehn Jahre alte Prüfmitteilung des Bundesrechnungshofs auf. Dieser war seinerzeit zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der Zweck der Heimkehrerstiftung, die wirtschaftliche und soziale Förderung ehemaliger Kriegsgefangener, „im Wesentlichen erledigt“ habe. Deshalb sei eine Aufhe- bung der Stiftung zu erwägen. Die FDP-Bundestagsfraktion hält diese Auffassung grundsätzlich für zutreffend. Die noch vorhandenen Auf- gaben rechtfertigen in der Tat keine eigenständige Stif- tung mehr. Es ist daher richtig, die Aufgaben auf das Bundesverwaltungsamt zu übertragen. Die FDP-Bun- destagsfraktion übersieht nicht, dass hiermit ein Wegfall der Vertretung der Opferverbände bei der Mittelvergabe verbunden ist. Sie vertraut aber auf die Richtigkeit der Einschätzung der Bundesregierung, dass aus demografi- schen Gründen die Repräsentation der Betroffenen in den Stiftungsgremien praktisch kaum mehr zu verwirkli- chen sei. Zu begrüßen ist, dass mit der Aufhebung der Stiftung nunmehr nicht, wie von der Bundesregierung ursprüng- lich beabsichtigt, die ersatzlose Streichung der Renten- zusatzleistungen für bedürftige Kriegsheimkehrer und Kriegerwitwen mit Ablauf des Jahres 2009 verbunden sein wird. Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktio- nen sieht vor, bewilligte Rentenzusatzleistungen bis zum Versterben des Begünstigten weiter zu gewähren. Eine solche ersatzlose Streichung der Leistungen wäre im Hinblick auf die Rechtsstaatsgarantie und das Sozial- staatsprinzip sowie das Recht auf Eigentum zumindest bedenklich gewesen. Möglicherweise hätten sich auch Mehrbelastungen für die Sozialhilfeträger ergeben. Auf jeden Fall wären hiermit Härten für die Betroffenen ver- bunden gewesen, die so vermieden werden. Es erscheint mir wirklich nicht zumutbar, Menschen, die vielleicht schon in ihrem achten oder neunten Lebensjahrzehnt ste- hen, auf die Möglichkeit zu verweisen, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Die Mehrbelastungen für den Bundeshaushalt, die sich aus der Weitergewährung der Rentenzusatzleistungen über das Jahr 2009 hinaus erge- ben, halten sich zudem in vertretbaren Grenzen. Das Ziel, den Haushalt zu konsolidieren, wird hierdurch nicht gefährdet. Ebenfalls zu begrüßen ist die Unterstützung der Zi- vilinternierten und -deportierten aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten jenseits von Oder und Neiße, wie sie ebenfalls Gegenstand des Änderungsantrags der Ko- alitionsfraktionen ist. Damit wird nunmehr endlich ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag eingelöst und eine bislang „vergessene“ Opfergruppe in den Kreis der Anspruchsberechtigten einbezogen. Die FDP-Bundes- tagsfraktion hat sich hierfür stets eingesetzt, zuletzt im Zusammenhang mit der Beratung des 3. SED-Unrechts- bereinigungsgesetzes. Ob die hierfür vorgesehenen Mit- tel ausreichen werden, bleibt abzuwarten. Die FDP-Bun- destagsfraktion wird dies sehr genau im Auge behalten. Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen sieht darüber hinaus eine Einmalleistung für Kriegsgefangene und Geltungskriegsgefangene vor, die nach ihrer Gefan- genschaft in die Sowjetische Besatzungszone, SBZ, bzw. Deutsche Demokratische Republik, DDR, heimkehrten. Die FDP-Bundestagsfraktion sieht hierin ein überfälliges Symbol der Anerkennung und eine Geste der Wiedergut- machung gegenüber ostdeutschen Heimkehrern. Zu kri- tisieren ist allerdings, dass Mittel hierfür erst im Haus- haltsjahr 2009 zur Verfügung gestellt werden sollen. Diese Kritik mag man als kleinlich abtun. Für uns ist sie das nicht. Im Hinblick auf das weit fortgeschrittene Alter der noch lebenden ehemaligen Kriegsgefangenen hätte man sich hier eine großzügigere Lösung gewünscht. Unsere weitere Kritik gilt dem Ablauf des Gesetzge- bungsverfahrens. Der eigentliche Beratungs- und Ab- stimmungsgegenstand ergibt sich nicht aus dem Gesetz- entwurf der Bundesregierung vom 27. Juni 2007, sondern aus dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktio- nen vom 1. November 2007. Offensichtlich haben CDU/ CSU und SPD so lange gebraucht, um sich auf eine halb- wegs vertretbare Lösung zu verständigen. Wofür die Koalition vier Monate braucht, soll die Opposition dann in vier Tagen nachvollziehen. Ordnungsgemäße Gesetz- gebung sieht anders aus. Noch schlechter als den Oppositionsfraktionen ergeht es den Beschäftigten der Heimkehrerstiftung. Diese wer- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12927 (A) (C) (B) (D) den bis zum heutigen Tage darüber im Unklaren gelas- sen, wo sie ab dem 1. Januar 2008 ihren Dienst versehen dürfen. Im Gesetzentwurf heißt es lapidar: „Das Stif- tungspersonal soll vom Bund übernommen werden.“ Was dies genau heißt, konnte die Bundesregierung auch auf meine Nachfrage hin nicht mitteilen. In ihrer Ant- wort auf eine schriftliche Frage vom 23. Oktober 2007 heißt es sogar, die „Absichtserklärung einer Personal- übernahme entbinde die Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter der Heimkehrerstiftung nicht davon, sich bereits jetzt und auch in Zukunft zusätzlich selbst aktiv um eine berufliche Tätigkeit innerhalb und außerhalb des öffent- lichen Dienstes zu bemühen“. Eine Informations- veranstaltung über die künftigen Beschäftigungsmög- lichkeiten werde voraussichtlich im Dezember 2007 durchgeführt werden. So sollte man mit Beschäftigten nicht umgehen. Ein Dienstherr, der sich so verhält, wird seiner Fürsorgepflicht nicht gerecht und setzt die Moti- vation seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leichtfer- tig aufs Spiel. Die FDP-Bundestagsfraktion kritisiert dies nachdrücklich und fordert die Bundesregierung auf, nunmehr endlich Klarheit zu schaffen und das Verspre- chen, das Personal zu übernehmen, unverzüglich einzu- lösen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die FDP-Bun- destagsfraktion dem Gesetzentwurf unter diesen Um- ständen nicht zustimmen kann, sondern sich der Stimme enthalten wird. Petra Pau (DIE LINKE): Erstens. Wir entscheiden heute über das „Heimkehrerstiftungsaufhebungsgesetz“. Ich merke erneut an: Kein zweiter Berufstand vermag solche Wortungetüme zu schöpfen wie die Gesetzes- schreiber im Bundestag. Deshalb für Normalbürger: Es gibt seit 1969 eine Bundesstiftung, die sich um Kriegs- heimkehrer kümmert. Sie hat nunmehr ihren Sinn erfüllt. Deshalb kann und soll sie ihre Arbeit Ende 2007 einstel- len. Das muss der Bundestag beschließen und zwar per Gesetz. Die Linke stimmt dem zu. Zweitens. Bleibt die Frage: Was wird mit den Mitar- beiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung? Bisher hat die Bundesregierung stets geantwortet, das könne sie erst entscheiden, wenn die Schließung der Stiftung beschlos- sen sei. Das wird in wenigen Minuten geschehen. Und deshalb hat die Linke einen weiteren Antrag gestellt. Wir wollen, dass der Bundestag die Bundesregierung auffor- dert, das Stiftungspersonal im Raum Bonn und Umge- bung in Bundesbehörden zu übernehmen. Denn es reicht nicht, dem Stiftungspersonal zu danken. Man muss ihm auch eine Zukunft eröffnen. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die heute beschlossene Reform der Heimkehrerstiftung ist eine gute Entscheidung; denn diese Reform findet den Mittelweg zwischen der Fortsetzung einer wichtigen und richtigen Arbeit und dem schrittweisen Abbau ei- ner in dieser Form mittelfristig nicht mehr benötigten Behörde. Es muss aber auch gesagt werden, dass der ursprüng- lich von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf die- sen Ansprüchen nicht genügt hat. Er sah die Abwicklung der Stiftung und die Einstellung der Leistungen zum Jah- resende 2009 vor. Damit hätten die ehemaligen Kriegs- gefangenen und ihre Hinterbliebenen nicht mehr auf die finanzielle Unterstützung durch die Stiftung zählen kön- nen. Häufig finanziell sehr schlecht gestellten Menschen wäre eine in absoluten Zahlen zwar nicht besonders hohe, für sie aber individuell sehr wichtige Unterstüt- zung verloren gegangen. Neben dieser finanziellen Ein- buße hätten sicher nicht wenige Betroffene auch den Eindruck gehabt, dass ihnen eine Anerkennung nicht nur nicht gewährt, sondern ausdrücklich wieder entzogen wird. Warum die Große Koalition zwei Anläufe gebraucht hat, um diese offensichtlichen Probleme zu erkennen, bleibt ihr Geheimnis. Es bleibt auch ihr Geheimnis, wa- rum sie zum Bürokratieabbau und zur Haushaltskonsoli- dierung ausgerechnet auf die Heimkehrerstiftung verfal- len ist. Der Bund hat der Stiftung für die Gewährung von Leistungen zuletzt jährlich circa 2 Millionen Euro für einmalige Zahlungen zur Unterstützung in Notfällen und weitere circa 4 Millionen Euro für Rentenzusatzleistun- gen zur Verfügung gestellt. Rechnet man noch die circa 1 Million Euro für Verwaltungskosten hinzu, ergibt sich ein jährlicher Aufwand von 7 Millionen Euro. Das ist nicht wenig Geld, und der Anteil der Verwaltungskosten ist sicher zu hoch. Setzt man diese 7 Millionen Euro mit dem Gesamthaushalt des Bundes in Relation, handelt es sich um einen Anteil von weniger als 0,03 Promille. Dann stellt sich schon die Frage, ob dies die richtige Stelle zum Sparen ist, zumal es sich bei den Empfängern ja zumeist um sehr alte Menschen handelt, die ihre Ren- tenzusatzleistungen nur noch für wenige Jahre erhalten werden. In ihrer Rechnung im Änderungsantrag gehen die Koalitionsfraktionen auch davon aus, dass bis 2015 für die Rentenzusatzleistungen nur noch Kosten von circa 13 Millionen Euro anfallen werden, pro Jahr also durchschnittlich gerade einmal 1,6 Millionen Euro. Des- halb war es der falsche Ansatz, gerade hier den Rotstift anzusetzen und die Stiftung und die Zahlungen schon bis 2010 abwickeln zu wollen. Da dieser Mangel aber nun korrigiert ist, werden Bündnis 90/Die Grünen dem Ge- setzentwurf der Bundesregierung zustimmen. Vier wichtige Punkte seien noch kurz angesprochen: Zum einen ist es gut, dass mit dem Heimkehrerentschä- digungsgesetz eine gut handhabbare Regelung für die Menschen gefunden wurde, die bisher nicht von den Leistungen der Heimkehrerstiftung profitieren konnten. Zweitens freut es mich, dass auch für die Leistungen nach dem Häftlingshilfegesetz erhöhte Finanzzuweisun- gen vorgesehen sind. Es ist drittens zu begrüßen, dass die Stiftung als solche schon vor dem Ende ihrer Auf- gabe aufgelöst wird und ihre Aufgaben dem Bundesver- waltungsamt übertragen werden; denn es ist ja absehbar, dass der Verwaltungsaufwand spürbar zurückgehen und in den nächsten Jahren immer weiter abnehmen wird. Die Übertragung der Aufgaben erlaubt es, das Personal der Stiftung zunächst mit der gleichen Aufgabe unter dem Dach des Bundesverwaltungsamtes zu betrauen, um dann nach und nach neue Aufgaben zu finden. 12928 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Das bringt mich zum letzten, aber nicht unwichtigsten Punkt. In ihrem Gesetzentwurf erklärt die Bundesregie- rung ihre Absicht, die Angestellten der Stiftung weiter zu beschäftigen. Das ist auch nur recht und billig. Diese Menschen haben ihre Aufgabe über Jahre gewissenhaft erfüllt, und es sollte ihnen nun nicht zum Nachteil gerei- chen, dass sie bei einer Stiftung mit nur einer Aufgabe und nicht bei einer Behörde mit einem breiteren Spek- trum an Zuständigkeiten gearbeitet haben. Aber natür- lich gilt auch für sie, dass sie sich nach dem absehbaren Wegfall ihres jetzigen Arbeitsfeldes neuen Aufgaben in der Bundesverwaltung zuwenden. Ihnen diese Möglich- keit nicht zu geben, hieße, ihre bisherige Leistung nicht anzuerkennen. Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Die Erweiterungs- und Nachbar- schaftspolitik der Europäischen Union weiter entwickeln (Tagesordnungspunkt 24) Michael Link (Heilbronn) (FDP): Als Folge der letz- ten Erweiterungsrunde 2004/2007 grenzt die Europäi- sche Union heute an mehr Nachbarn und Großräume als je zuvor in ihrer Geschichte. Wir reden hier heute insbe- sondere über unsere Nachbarn im Süden und im Osten der EU. Beide Gruppen verfügen zum heutigen Zeit- punkt über keine EU-Beitrittsperspektive, lediglich die Nachbarn im Osten haben die sehr vage Perspektive ge- mäß Art. 49 EU-Vertrag, wonach die Union allen euro- päischen Staaten offen steht, die die Aufnahmekriterien erfüllen. Doch ob Beitrittsperspektive oder nicht: Diese Nachbarn existieren, und die EU braucht eine überzeu- gende Strategie für den Umgang mit ihren Nachbarn. Deshalb brauchen wir die Europäische Nachbarschafts- politik, ENP. Die ENP wurde 2003 von der Europäischen Kommis- sion ins Leben gerufen, um sowohl der Union wie auch ihren unmittelbaren Nachbarstaaten die Möglichkeit für den Ausbau ihrer politischen, ökonomischen wie auch kulturellen Beziehungen zu bieten. Ihr ausdrückliches Ziel ist es, in einem vereinigten Europa die Entstehung neuer Trennlinien zu verhindern und einen gemeinsamen Raum des Wohlstands, des Frie- dens und der Stabilität zu schaffen. Die Nachbarschafts- politik ist ein klarer Ausdruck des politischen Willens der Union, auf der Grundlage gemeinsamer Werte die Partnerstaaten wesentlich auf ihrem Weg zu nachhalti- gen politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Reformen zu stärken und zu unterstützen. Diese Reformpartnerschaft gründet wesentlich auf ei- nen verstärkten politischen Dialog zwischen den Part- nern, technische und finanzielle Aufbauhilfen im Rah- men des Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrumentes, ENPI, und eine verstärkte bilaterale wie regionale Kooperation in den Bereichen Handel, Energie, Sicherheit und Umwelt. Die politische und wirtschaftliche Kooperation wird begleitet durch eine dritte Dimension, die menschliche Dimension. Bila- terale und regionale Austauschprogramme im wissen- schaftlichen und kulturellen Bereich sowie die Förde- rung des Kontaktes zwischen den Bürgern der Union und der Nachbarstaaten bzw. -regionen sollen die gegen- seitigen Kenntnisse bereichern und so das Verständnis und die Toleranz gegenüber anderen Kulturen stärken. Dies ist besonders wichtig im Zusammenhang der ge- waltsamen Konflikte in den Nachbarregionen, deren Lö- sung ein wichtiges Anliegen der Union ist. Mir ist bewusst, dass viele unter Ihnen die Logik einer Politik infrage stellen, die für sich beansprucht, Länder und Regionen mit so unterschiedlichen geschichtlichen Erfahrungen, Gesellschaften und Traditionen in einem gemeinsamen Ansatz zu verbinden. Auch wurde die Be- deutung der Nachbarschaftspolitik im Hinblick auf eine Beitrittsperspektive schon oft diskutiert. Aber diese Ein- lasse verkennen einen wichtigen Punkt: Die Zusammen- führung der vormals isolierten Politiken gegenüber den Staaten der südlichen und östlichen Nachbarregion in ei- nem kohärenten und integrativen Konzept ist eine essen- zielle Voraussetzung für die Lösung der Herausforderun- gen, denen wir heute gegenüberstehen. Herausforderungen wie die Bekämpfung von organi- sierter Kriminalität in den Bereichen Geldwäsche, Men- schen- und Drogenhandel, die Eindämmung der kata- strophalen Folgen illegaler Migration und schließlich auch der Kampf gegen die Bedrohung durch fundamen- talistische Terrororganisationen – mögen sie religiös oder politisch motiviert sein – können nur durch eine verstärkte regionale Kooperation und den konsistenten Einsatz von Mitteln und Ressourcen der EU wie der Mit- gliedstaaten bewältigt werden. Die ENP bietet eben die Möglichkeit für eine gemeinschaftliche Politik, die so- wohl die Interessen der EU sowie ihrer Mitgliedstaaten vertritt, aber Antwort auf die politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Herausforderungen gibt. Deshalb ist es unerlässlich, daß die ENP ein eigen- ständiger Politikansatz bleibt, der konzeptionell unab- hängig von der Erweiterungspolitik wie auch der klassi- schen Entwicklungspolitik der Union ist. Die Nachbarschaftspolitik ist weder ein Ersatz für die Erwei- terung, eine Art Abstellgleis für unerwünschte oder ge- scheiterte Mitgliedskandidaten, noch darf sie als Vor- stufe zur Aufnahme in die nächste Erweiterungsrunde verstanden werden. Auch wenn eine Mitgliedschaft für alle heutigen Part- ner der ENP kurz- und mittelfristig ausgeschlossen ist, so bleibt die Differenzierung der Partnerstaaten in „Nachbarn Europas“ in Bezug auf die südliche Dimen- sion und „Europäische Nachbarn“ in Bezug auf die östli- che Dimension, wie Sie im Kommissionspapier von 2003 vorgenommen wurde, aus unserer Sicht bedeut- sam. Die Mitgliedsperspektive darf jedoch nicht als Au- tomatismus begriffen werden. Im Gegenteil, sie ist ab- hängig von den Reformfortschritten des jeweiligen Landes und dem glaubwürdigen politischen Willen, die wirtschaftlichen und politischen Kriterien des Gipfels von Kopenhagen zu verwirklichen. Will sie auch in Zu- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12929 (A) (C) (B) (D) kunft erfolgreich sein, muss das Prinzip der Differenzie- rung ein wichtiges Element der ENP bleiben. Hier gilt das Prinzip des Tüchtigen, Reformfortschritte sollen mit einem deutlichen Mehr an europäischem Engagement belohnt, Reformverzögerungen und Verletzungen der essenziellen Prinzipien der Partnerschaft soll mit geeig- neten Maßnahmen begegnet werden. Die ENP muss da- her mit Blick auf die Partnerstaaten differenzieren. Diese Differenzierung ist auch bedeutend im Hinblick auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Partnerstaaten. Ins- besondere wir als Europäische Union, eine politische Union, die aus der Vielfalt 27 unterschiedlicher Staaten zusammengesetzt ist, darf die Verschiedenheit unserer ENP-Partner nicht ignorieren. Die ENP muss eine bilaterale Kooperationspartner- schaft ermöglichen, die den beiderseitigen Anforderun- gen und Bedürfnissen gerecht wird. Nichtsdestotrotz muss es eine Differenzierung innerhalb eines kohärenten Politikkonzeptes sein. Nicht nur die Annäherung des je- weiligen Partnerstaates an die Union, sondern auch die Förderung der regionalen Zusammenarbeit, ja wo mög- lich der regionalen Integration innerhalb der Partnerregi- onen, ist ein wichtiges Ziel der ENP. Aus diesem Grund plädieren wir für einen stärkeren Ausbau der regionalen Komponenten der Europäischen Nachbarschaftspolitik, vor allem bezüglich der beiden regionalen Großräume Schwarzmeerregion und Mittelmeeranrainer, Stich- wort „Schwarzmeersynergie“ und der sogenannte Bar- celona-Prozess. In diesem Sinne sieht die FDP übrigens in der von Präsident Sarkozy angemahnten neuen Mit- telmeerpartnerschaft durchaus positive und konstruk- tive Zeichen. Die Kooperation innerhalb wie auch zwischen diesen beiden Sparten einer regional ausdif- ferenzierten und maßgeschneiderten ENP ist nach Mei- nung der FDP essenziell für die Fortentwicklung und den Erfolg der ENP. Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: – zu der Verordnung der Bundesregierung: Fünfte Verordnung zur Änderung der Ver- packungsverordnung – zu dem Antrag: Verpackungsverordnung sachgerecht novellieren – Weichen stellen für eine moderne Abfall- und Verpackungs- wirtschaft in Deutschland – zu dem Antrag: Weg vom Öl im Kunststoff- bereich – Chance der Novelle der Verpa- ckungsverordnung nutzen und mit Bio- kunststoffen echte Kreisläufe schließen (Tagesordnungspunkt 26) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Die Linke be- grüßt, dass die Novelle der Verpackungsverordnung mehr Gerechtigkeit schafften will. Künftig müssen sich nun alle Inverkehrbringer von Verpackungen an der Finanzierung der Sammlung und Verwertung ihrer Ver- packungen beteiligen. Die Trittbrettfahrerei über das Schlupfloch der sogenannten Selbstentsorger ist dann hoffentlich Geschichte. Zu begrüßen ist auch die Strei- chung der Ausnahme von der Pfandpflicht für Verpa- ckungen diätetischer Getränke. Sie wurde vielfach mit fantasievoller Namensgebung missbraucht. Hier hört das Lob aber auch auf, denn die Novelle hat zwei gravie- rende Schwächen: Zum einen dürfen stoffgleiche Nichtverpackungen auch mit dieser Novelle nicht in den gelben Sack. Aber Kunststoffgieskannen oder Quietscheentchen wären vielleicht besser zu recyceln als verklebte Yoghurt- becher. Darum tritt die Linke dafür ein, die Produktver- antwortung der Verpackungsverordnung auf stoffglei- che Nichtverpackungen auszudehnen. Umweltminister Gabriel hat eine solche Erweiterung ja angekündigt. Wir fragen uns, warum sie nicht Bestandteil der neuen Ver- ordnung ist. Zum anderen hat die Novelle für das gegenwärtig größte Problem – zumindest aus umweltpolitischer Sicht – überhaupt keine Lösung: Trotz des Pflichtpfandes für Einwegflaschen und -dosen sinkt die Mehrwegquote un- aufhörlich. Nur noch 31 Prozent der alkoholfreien Ge- tränke werden in wiederbefüllbaren Verpackungen ver- kauft. In den 90er-Jahren waren es über 70 Prozent. Wir denken, dass eine zusätzliche Einwegabgabe die Händler vom ökologischen Vorteil der Mehrwegverpackungen überzeugen könnte. Noch ein Wort zu Wirtschaftsminister Michael Glos, der ja das Duale System mittelfristig abschaffen will und dafür alternativ eine gemeinsame Entsorgung aller Haushaltsabfälle einführen möchte. Die Anhörung des Umweltausschusses hat noch einmal klar gemacht, dass die haushaltsnahe Trennung der Abfallfraktionen gegen- wärtig noch die beste und preiswerteste Art ist, um zu qualitativ hochwertigen Abfallfraktionen zu kommen. Und nur Sekundärrohstoffe in solch hohen Qualitäten lassen sich auch in der Industrie sinnvoll einsetzen. Zwar gibt es inzwischen auch Technik, die Gemischtabfall trennen kann. Diese ist aber noch nicht ausgereift und teuer. Großtechnisch für die gesamte Siedlungsabfall- wirtschaft ist sie noch nicht einsetzbar. Sie rechnet sich wohl nur, wenn ein Großteil der wertvollen Sekundär- rohstoffe in Verbrennungsöfen landet. Genau dies ist ja das Ziel von Minister Glos. Das lehnen wir natürlich ab. Aus Sicht des Ressourcen- und Klimaschutzes muss an erster Stelle ohnehin die Abfallvermeidung treten. Aus diesem Blickwinkel birgt die Gemischttonne die Gefahr, dass sich die Gesellschaft vorgaukelt, Abfall sei kein Problem mehr. Die FDP wiederum will mit dem in ihrem Antrag vor- geschlagenen Zertifikatesystem mehr Markt und Flexibi- lität. Grundsätzlich könnte ein Zertifikatesystem viel- leicht tatsächlich zu besseren Verwertungsqualitäten und weniger Bürokratie beitragen. Schließlich würde der Staat die Zertifikate direkt für eine nachgewiesene Ver- wertung an die Recycling- und Verwertungsbetriebe aus- geben. Das könnte die zunehmende Intransparenz beim 12930 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Verwertungsnachweis über die Kaskade von Verpflichte- ten über Beauftragte hin zu Sub- und Sub-Sub-Unterneh- men an dieser Stelle beenden. Dies wäre der Charme ei- ner solchen Lösung. Allerdings will die FDP ja gar kein hochwertiges Recycling. Denn auch für die simple Ver- brennung soll es ja die wunderschönen Verwertungszer- tifikate geben. Das ist dann auch der Grund für unsere Ablehnung des Antrags, denn wir stehen für den Gedan- ken einer Kreislaufwirtschaft. Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Ände- rung des Regionalisierungsgesetzes – Entwurf eines Gesetzes zur effizienteren Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs (Regionalisierungsreformgesetz) – Beschlussempfehlung und Bericht: Verwen- dung der Regionalisierungsmittel offenlegen – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 27 a bis d) Klaus Hofbauer (CDU/CSU): Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist ein wesentliches Ziel in dieser Legislaturperiode. Zu diesem Ziel steht die Große Koalition. Auf die Regionalisierungsmittel haben sich im Zu- sammenhang mit dem Ziel der Haushaltskonsolidierung Auswirkungen ergeben. Wir sind jetzt bemüht, die nöti- gen Angleichungen vorzunehmen. Die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr ist eine Aufgabe der Daseinsvor- sorge. Die Daseinsvorsorge und damit der Personennah- verkehr gehören zu den Grundbedürfnissen der Men- schen, auf die sie einen grundgesetzlich verankerten Anspruch haben. Diesem Anspruch müssen wir als Ge- setzgeber gerecht werden. ÖPNV und SPNV sind die tragenden Säulen des öf- fentlichen Verkehrssystems. Sie sichern gleiche Lebens- verhältnisse von Stadt und ländlichem Raum und leisten einen ebenso wichtigen Beitrag zum Umwelt- und Kli- maschutz. Ohne einen effizienten ÖPNV bzw. SPNV lassen sich die verkehrs- und umweltpolitischen Heraus- forderungen der heutigen Zeit nicht bewältigen. Das Regionalisierungsgesetz hat die Aufgaben für den öffentlichen Personennahverkehr bzw. Schienenper- sonennahverkehr auf die Bundesländer übertragen. Da- durch müssen die Länder einer großen Verantwortung nachkommen, die nicht einfach zu schultern ist und viele Herausforderungen mit sich bringt. Dass die Länder dieser Verantwortung verkehrs-, wirtschafts- und umweltpolitisch durchaus gewachsen sind, haben sie über die Jahre eindrucksvoll bewiesen. Die Passagierzahlen haben sich deutlich erhöht, die Kos- ten konnten durch zunehmenden Wettbewerb gesenkt werden. Wir können stolz auf das sein, was sich im öf- fentlichen Nahverkehr getan hat. Um diese Erfolgsgeschichte auch weiterhin fortsetzen zu können, steht es außer Frage, dass der Bund den ÖPNV und damit die Ausübung der Verantwortung der Länder für den SPNV mit einem hinreichenden Finanz- beitrag auf hohem Niveau fördern muss. Diesem Um- stand trägt das heute zur Beratung und Verabschiedung stehende Gesetz Rechnung. Zugleich kommt die Große Koalition damit ihrer im Koalitionsvertrag festgeschrie- benen Verantwortung nach und hält Kurs auf ihr großes Ziel. Die Regelungen des vorliegenden Gesetzentwurfs schaffen eine Grundlage dafür, dass die Länder finan- ziell nun gut aufgestellt und ausreichend in der Lage sind, den ÖPNV bzw. SPNV angemessen zu bestellen. Für 2006 und 2007 bleibt es bei den nach dem Haus- haltsbegleitgesetz vorgesehenen Regionalisierungsmit- teln. Für die Jahre 2008 bis 2010 wird den Ländern für die Absenkung der Regionalisierungsmittel eine Kom- pensation von insgesamt 500 Millionen Euro auf gesetz- licher Grundlage gegeben, die sie zur Aufrechterhaltung der Bestellung von schienengebundenen Nahverkehren einsetzen können. Um den Ländern auch in Zukunft In- vestitionen in den Regionalverkehr zu ermöglichen, wird ab 2009 eine Dynamisierungslinie für die Regionalisie- rungsmittel vereinbart. Im Jahr 2008 erhalten die Länder Regionalisierungs- mittel in Höhe von 6 675,0 Millionen Euro aus dem Mi- neralölsteueraufkommen des Bundes. Ab dem Jahr 2009 steigt dieser Betrag jährlich um 1,5 Prozent. Bis zum Jahr 2014 erreicht er eine Höhe von 7 298,7 Millionen Euro. Es ist erfreulich, dass es gelungen ist, die ur- sprünglich im Koalitionsvertrag vorgesehene Einspa- rungssumme von 3,1 Milliarden auf 1,8 Milliarden Euro zu reduzieren. Im Jahr 2014 ist eine erneute Überprüfung der Höhe der Mittel und der Finanzierungsquelle mit Wirkung ab dem Jahr 2015 vorgesehen. Die Länder sollen jährlich die Verwendung der Mittel jeweils nach gemeinsam vereinbarten Kriterien transpa- rent darstellen. Wir brauchen diese vollständige Transpa- renz, denn nur so lässt sich ein hoher und effizienter Mit- teleinsatz politisch legitimieren. Als Vertreter des ländlichen Raumes hat mich die Thematik Regionalisierungsmittel in besonderem Maße beschäftigt. Das erzielte Ergebnis halte ich für einen gu- ten Kompromiss zwischen Bund und Ländern, sowohl aus verkehrspolitischer als auch aus haushaltspolitischer Sicht. Ich glaube auch, dass hier eine Lösung mit Per- spektive für die Zukunft aufgebaut werden kann. Die Länder erhalten Planungssicherheit und genügend Spiel- raum, um mit den zusätzlichen Einnahmen aus der Mehrwertsteuer bei der Förderung des öffentlichen Ver- kehrs eigene Prioritäten zu setzen. Für den Bund leistet das Ergebnis zugleich einen notwendigen Beitrag, das Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12931 (A) (C) (B) (D) Ziel der Haushaltskonsolidierung weiter verfolgen zu können. Dies war so beabsichtigt. Den Bundesländern gebührt großer Dank, dass sie bereit waren, dies mitzu- tragen. Den mit dem Regionalisierungsgesetz eingeschlage- nen erfolgreichen Weg wollen wir mit dem vorliegenden Gesetz weiter gehen. Der Bund ist bereit, finanziell wei- terhin einen hohen Beitrag zu leisten. Die Länder müs- sen im Gegenzug für eine effiziente und transparente Mittelverwendung sorgen und in ihren Haushalten Prio- ritäten für den ÖPNV setzen. Sie haben dafür ausrei- chend Spielraum. Unser Ziel ist die Sicherstellung einer bedarfsgerech- ten, zielgenauen und effizienten Finanzierung des öffent- lichen Nahverkehrs. Mit dem vorliegenden Gesetz tra- gen wir als Bund weiterhin zur Gewährleistung eines attraktiven Nahverkehrsangebots bei. Sören Bartol (SPD): Der Regionalverkehr ist unbe- stritten das Zugpferd des öffentlichen Personenverkehrs. Seine Bedeutung für die Erschließung der Fläche und als Zubringer zu den Städten und Ballungszentren ist in den letzten zehn Jahren deutlich gewachsen. Seit 1994 ist das Gesamtangebot über 25 Prozent gestiegen, die Zahl der beförderten Personen von 1,5 auf über 2 Milliarden. Der Schienenpersonennahverkehr hat zudem seinen Modal- Split-Anteil um 10 Prozent von 3,3 auf 3,7 Prozent aus- bauen können. Wenn man weiß, wie schwierig auch nur kleine Be- wegungen des Modal Split zu erkämpfen sind, zeigen diese Zahlen, dass das Regionalisierungsgesetz ein Er- folgsmodell ist. Der Bund hat eine über die Jahre solide finanzielle Basis geschaffen. Sie ist die Grundlage für die verbesserte Angebotsqualität im SPNV. In den gut zehn Jahren seit Inkrafttreten des Regionalisierungsge- setzes haben die Länder über 77 Milliarden Euro für den Regionalverkehr erhalten. Allein in den drei Jahren bis 2010 werden es weitere 21 Milliarden Euro sein. Heute wollen wir ein Gesetz beschließen, das diese Finanzierungsbasis auch für die Zukunft sichert. Es ist die Umsetzung der Zusagen, die die Bundesregierung den Ländern bei der Verabschiedung des Haushaltsbe- gleitgesetzes 2006 gegeben hat. Rückblickend möchte ich noch einmal betonen: Wir Verkehrspolitiker waren über die Kürzungen bei den Regionalisierungsmitteln nicht glücklich. Wir waren froh, dass es uns gelungen ist, im Laufe des parlamen- tarischen Verfahrens deutliche Verbesserungen zu er- zielen: Die ursprünglich zur Haushaltskonsolidierung geforderte Summe von rund 3,1 Milliarden konnte auf 2,3 Milliarden Euro reduziert werden. Mit dem vorlie- genden Gesetzentwurf erhalten die Länder nun die zu- sätzlich vereinbarte Kompensation. Erstens. Die Kürzungen werden um eine halbe Mil- liarde verringert. Zweitens. Die Regionalisierungsmittel werden ab 2008 wieder dynamisiert. Sie wachsen jähr- lich um 1,5 Prozent. Die Länder bekommen damit eine solide Planungsgrundlage für die nächsten sieben Jahre. Im Gegenzug fordern wir von ihnen mehr Transparenz bei der Mittelverwendung. Ich sage ganz klar: Die einmalige Information der Länder über die Mittelverwendung reicht uns nicht aus. Mehr Transparenz ist im Interesse von Bund und Län- dern, denn sie hilft uns, den Verdacht zu widerlegen, dass nicht alle Mittel zielgerichtet eingesetzt werden. Mehr Transparenz erleichtert es uns in Zukunft, andere fiskalpolitische Begehrlichkeiten abzuwehren. Wir wollen mehr Transparenz, lassen aber den Län- dern die Möglichkeit, die Kriterien selbst festzulegen. So wie die Grünen es in ihrem Antrag vorschlagen, geht es nicht. Eine jährliche Rechtsverordnung über die Krite- rien führt zu Endlosdiskussionen. Ihr Antrag schießt über das Ziel hinaus: Eine engere Zweckbindung, mehr Kontrolle und Sanktionen sind auf den ersten Blick sinn- volle Instrumente, um den effizienten Mitteleinsatz zu gewährleisten. Sie berücksichtigen aber nicht die finanz- verfassungsrechtlichen Grundlagen: Grundgesetzartikel 106 a begründet eine Zahlungspflicht des Bundes. Die Länder aber sind für die bestimmungsgemäße Verwen- dung der Mittel verantwortlich. Wenn wir mehr Transpa- renz wollen, dann geht das nur mit ihnen. Ich halte nichts davon, den Revisionszeitpunkt – wie es der Bundesrat will – auf 2019 zu verschieben. Die von der Bundesregierung vorgesehenen sieben Jahre bis zur Überprüfung geben einerseits genügend Planungssicher- heit auch für Investitionen, andererseits die Möglichkeit, auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren. Die sollten wir uns nicht nehmen lassen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist eine gute Grundlage dafür, den Regionalverkehr in den nächsten Jahren weiter zu stärken. Wenn die Länder argumentieren, dass ange- sichts steigender Trassenentgelte 1,5 Prozent Aufwuchs im Jahr zu wenig sind, dann ist das nur die halbe Wahr- heit, denn die Trassenentgelte machen nur 40 Prozent der Bestellentgelte aus. Die Erfahrungen zeigen zudem, dass die Länder reichlich Potenzial haben, die Regionalisie- rungsmittel noch zielgerichteter und effizienter einzuset- zen. Inzwischen werden 20 Prozent der bestellten Leitun- gen im Wettbewerb vergeben, in einzelnen Ländern wie NRW sogar 50 Prozent. Zwar dominiert immer noch deut- lich die DB AG, aber auch sie muss mehr Effizienz und Qualität bringen. Unser ist Ziel eine bedarfsgerechte, aber auch zielgenaue und effiziente Finanzierung des SPNV. Der Bund ist weiterhin bereit, einen hohen Finanzbeitrag zu leisten. Die Länder müssen im Gegenzug für eine effi- ziente und transparente Verwendung der Mittel sorgen. Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung für den Gesetzent- wurf der Bundesregierung. Patrick Döring (FDP): Zuerst einmal möchte ich an dieser Stelle – zum wiederholten Male – mein Bedauern darüber ausdrücken, dass die Koalitionsfraktionen wich- tigste politische Themen im Parlament mit Vorliebe bei Nacht und Nebel verhandeln. Man tut dem Parlament und der Demokratie einen Tort an, wenn politische und gesellschaftliche Fragen nicht mehr lebendig ausdisku- tiert, sondern nur noch als nächtliche Papierschlacht aus- gefochten werden. Im vorliegenden Fall verstehe ich es 12932 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) noch viel weniger, weil die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen noch nicht einmal wirklich et- was richtig falsch gemacht haben. Im Gegensatz zu frü- heren Debatten kann ich ihnen daher nicht einmal vor- werfen, dass sie wie in so vielen anderen Fällen bloß schnell irgendeine Gesetzesschimäre nach Beginn der Sperrstunde um die Ecke bringen wollten. Umso mehr verrät dieses Verhalten aber in meinen Augen über die fehlende Wertschätzung in ihren Reihen für dieses Hohe Haus. Wir bringen hier und heute, ver- teilt auf sieben Jahre, 48,881 Milliarden Euro unter die Leute – oder besser gesagt: unter die Länder. Lauschen Sie noch einmal dem Klang meiner Worte: Achtund- vierzigmilliardenundachthunderteinundachtzigmillionen Euro! Nach der plötzlichen und unerwarteten Kürzung im letzten Jahr stocken Sie die Mittel in den nächsten Jahren um 1,5 Prozent per anno auf. Die Länder haben sich hier durchgesetzt, auch weil Bundesminister Tiefen- see die vorherigen Vereinbarungen mit den Ländern für den Haushalt 2006 und 2007 gebrochen hat. Die Regio- nalisierungsmittel steigen von 6,675 Milliar-den im kommenden Jahr auf 7,3 Milliarden Euro im Jahr 2014. Ich finde, über solche Summen hätte man auch zu einer sonnigeren Zeit reden dürfen und an sich auch reden müssen. Es geht hier schließlich nicht um irgendwelche Peanuts, zumindest sofern Sie sich nicht die Einstellung des Herrn Kopper, seligen Angedenkens, zu eigen ge- macht haben sollten. Es wäre daher in meinen Augen durchaus angebracht, an dieser Stelle einmal darüber zu diskutieren, ob und wie diese Mittel effizient eingesetzt werden. Es ist schließlich ein offenes Geheimnis, dass nicht jedes Land diese Gelder so einsetzt, wie es der Wunsch des Bundes wäre. Immerhin haben Sie deshalb bereits eine kleine Klausel in das Gesetz geschrieben, dass die Länder über die Mittelverwendung Bericht erstatten sollen. Ob dies den gewünschten Effekt erbringt, bleibt abzuwarten. Leider haben die Bundesregierung und Minister Tiefensee, wie auch schon bei den Verhandlungen zur ÖPNV-Richtlinie auf europäischer Ebene, aber wieder einmal die Gelegenheit verstreichen lassen, für mehr Wettbewerb im Nahverkehr zu sorgen. Aufträge aus Re- gionalisierungsmitteln werden auch in Zukunft nicht ei- nem Ausschreibungszwang unterworfen. Die meisten Länder werden also weitermachen wie bisher. Das heißt: Die weit überwiegende Zahl der Aufträge wird per In- house-Vergabe an die DB Regio AG gehen. Die Konkur- renz erhält gar nicht erst Gelegenheit, bessere und billi- gere Angebote vorzulegen. Damit vergibt sich die Poli- tik ein wichtiges Instrument, um mehr Wettbewerb und damit auch mehr Service und Angebot zu schaffen. Da- bei sieht man zum Beispiel in Niedersachsen und Schles- wig-Holstein, die in den letzten Jahren verstärkt ausge- schrieben haben, wie positiv sich dies auf die Angebotssituation im SPNV auswirkt. Stattdessen wer- den die Regionalisierungsmittel auch in Zukunft in erster Linie zu einer Daueralimentation für die Deutsche Bahn. Offenbar haben die fortlaufenden Preiserhöhungen durch die DB im Nahverkehr bei der Mehrheit noch im- mer keinen Lerneffekt ausgelöst: Wir brauchen mehr Wettbewerb! Nur so können wir die Preise senken und erhöhen die Effizienz. Ohne Veränderung der in weiten Teilen immer noch bestehenden Monopolstrukturen wird die DB die sicheren Einkünfte aus dem SPNV weiterhin nutzen, um die Expansion in anderen Geschäftsfeldern voranzutreiben. Das nützt vielleicht der DB, aber nicht dem Nahverkehr. Nicht ohne Grund hat die DB Regio bisher kaum eine Ausschreibung gewonnen. Es kann also noch einiges verbessert werden. Das soll uns aber nicht vergessen lassen, dass die Geschichte des Regionalisierungsgesetzes, seitdem es 1994 von der da- maligen schwarz-gelben Mehrheit durch- und umgesetzt wurde, in weiten Teilen eine große Erfolgsgeschichte ge- wesen ist. Die Anbindung vieler Regionen konnte nach- haltig verbessert werden. Service, Takt und Komfort wurden erheblich gesteigert. Durch die Regionalisierung wurden verkrustete Strukturen aufgebrochen und der Wettbewerb überhaupt ermöglicht. Strecken, die von der Deutschen Bahn de facto schon lange aufgegeben wor- den waren, sind heute wieder zu Verkehrswegen für ganze Regionen geworden. Man sehe sich dazu nur zum Beispiel die Geschichte der Nord-West-Bahn an. Noch vor einigen Jahren verkehrten auf diesen Trassen täglich höchstens drei oder vier Züge. An Sonn- oder Feiertagen bekam man von der Bahnauskunft auch schon einmal zu hören, man solle sich doch einen anderen Tag für die Anreise aussuchen. Heute hingegen verkehren die Bah- nen im Stundentakt, die Bahnhöfe und Waggons sind in einem ansprechenden Zustand, und die Züge sind voll. Jede einzelne dieser Entwicklungen hätte mancher in diesem Haus – vor allem vermutlich in den Reihen der mehrheitlich hier anwesenden Marktskeptiker – wohl für unmöglich gehalten. Gerade diese bisherige Erfolgsgeschichte lehrt uns aber, wie wichtig der Wettbewerb für eine Verbesserung der Nahverkehrssituation ist. Es gilt auch hier: Konkur- renz belebt das Geschäft. Das sieht man übrigens auch bei der Deutschen Bahn. Denn – um an dieser Stelle dem Eindruck vorzubeugen, ich hielte dieses Unternehmen von vornherein für die institutionalisierte Ineffizienz – auch die DB verhält sich nur rational. Wo man von dem Konzern keine Anstrengungen verlangt, um einen Auf- trag zu erhalten, da wird er auch keine unternehmen. In anderen Geschäftsfeldern hat die DB sich hingegen durchaus als flexibel und wettbewerbsfähig präsentiert. Dieses Verhalten ist keineswegs Bösartigkeit der DB. Es ist vollkommen ökonomisch und vernünftig, nicht mehr zu tun, als von einem verlangt wird. Irrational und un- vernünftig handelt nur die Politik, wenn sie keine Aus- schreibungen vornimmt und dadurch alle Unternehmen zu Höchstleistungen anspornt. Von daher bleibt mir an dieser Stelle abschließend nur zu sagen: Gerne unterstützt die FDP-Fraktion das von der Regierung vorgelegte Regionalisierungsgesetz. Für die Zukunft sehe ich allerdings weiterhin Verbesserungs- bedarf. Aus den bisherigen Erfolgen sollten wir lernen und diese Lehren auch im politischen Handeln beherzi- gen. Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Mit dem Haushalts- begleitgesetz zum Haushaltsplan 2007 hatte die Bundesre- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12933 (A) (C) (B) (D) gierung die Gelder für Bahn und Bus drastisch gekappt – so sehr, dass die Schmerzgrenze durchbrochen worden war. Die Linke hatte daraufhin die enormen Auswirkun- gen dieser Kappung öffentlich gemacht. Aufgrund des entstandenen öffentlichen Drucks erklärte sich die Bun- desregierung wenn auch spät bereit, die Kürzung der Gelder mindern zu wollen. Was nun dabei herauskam, ist eine Reduzierung der Kürzung um immerhin knapp 500 Millionen Euro. Das begrüßen wir. Zu kritisieren bleibt jedoch, dass der 500-Millionen-Euro-Nachschlag bis 2011 gestreckt wird. Die Rückkehr zur jährlichen Steigerung um 1,5 Prozent sowie die zuletzt eingearbeitete Änderung in § 6 Abs. 2, die Geldverwendung nach gemeinsamen Kri- terien der Länder darzustellen, ist ebenfalls zu begrüßen. Leider ist es nicht gelungen, wie von uns in den Aus- schussberatungen beantragt, die jährliche Dynamisie- rung an steigende Verkehrsleistungen im Verhältnis zu vorangegangenen Jahren zu binden. Dies hätte nach Auffassung meiner Fraktion stärkere Anreize für attrak- tive Tarifangebote geschaffen. Und es schwebt das Da- moklesschwert der Bahnprivatisierung nach wie vor über diesem Gesetz. Steigt privates Kapital bei der Deut- schen Bahn AG ein, dann bietet dieses Gesetz den Län- dern nach wie vor zu wenig Geld. Deshalb kann es von der Fraktion Die Linke nur eine Enthaltung geben. Förderung von Schienenverkehrsleistungen macht nur Sinn, wenn die entsprechende Schieneninfrastruk- tur vorhanden ist. Die Fraktion Die Linke ergreift mit ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des Eisenbahnkreu- zungsgesetzes zur Einführung eines Verursacherprin- zips eine wichtige, weil notwendige Initiative. Die bun- deseigene Deutsche Bahn AG muss sich vermehrt den Vorwurf gefallen lassen, durch fehlende Instandset- zungsmaßnahmen den schienengebundenen Nahver- kehr und damit ein wichtiges Element der öffentlichen Daseinsvorsorge zu gefährden. Zugleich sind viele Kommunen mit der Finanzierung von Baumaßnahmen nach Eisenbahnkreuzungsgesetz gnadenlos überfordert. Die Kosten von solchen Baumaßnahmen sowie die Er- höhung von Sicherheitsstandards an Bahnübergängen und die Auflassung von Bahnübergängen können durch Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) bezuschusst werden. Jedoch ist auch hier ein oft das Gemeindebudget übersteigender Anteil zu leis- ten, und dringend benötigte Investitionen in den kom- munalen öffentlichen Personennahverkehr und im Stra- ßenbau werden geschmälert. Mehr als die Hälfte aller Landkreise in der Bundesre- publik hat mittlerweile unausgeglichene Haushalte. Als einziger Ausweg blieb vielen Städten und Gemeinden nur, ihre Investitionen drastisch zurückzuführen. Anga- ben der KfW besagen, dass 1999 durch die Kommunen Investitionen in Höhe von 19 Milliarden Euro, im Jahre 2004 aber nur noch in Höhe von 15 Milliarden Euro aus- gelöst worden sind. Das ist in fünf Jahren ein Fünftel weniger. Diese traurigen Zahlen zeigen: Eine verantwor- tungsvolle kommunale Selbstverwaltung ist zusehends nicht mehr möglich. Ein Beispiel: Die Gemeinde Dornbock im Landkreis Köthen in Sachsen-Anhalt hat 2004 auf Grundlage des Eisenbahnkreuzungsgesetzes für Maßnahmen der In- standsetzung und Modernisierung einer auf ihrem Terri- torium gelegenen Bahnanlage eine Rechnung von knapp 250 000 Euro erhalten. Der Investitionshaushalt jedoch umfasste nur ganze 80 000 Euro in diesem Jahr. Damit war die Gemeinde zahlungsunfähig. Dies ist kein Einzel- fall. Dieses Schicksal widerfuhr der Gemeinde übrigens nach 1994 und damaligen langwierigen juristischen Aus- einandersetzungen zum zweiten Mal; das ist schon ein Skandal an sich. Es besteht Handlungsbedarf, und die meisten Kommunen sind schon seit Jahren mit der Über- nahme eines Drittels der Kosten, wie es das Eisenbahn- kreuzungsgesetz aktuell vorsieht, finanziell absolut überfordert. Verkehrspolitisch bedeuten marode Kreuzungsanla- gen im Bahnstraßennetz das Ziel, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu holen, da bei fehlender In- standhaltung und Modernisierung sogar Streckenstillle- gungen drohen. Das kann auch vor dem Hintergrund der momentan sehr intensiv geführten Klimaschutzde- batte und der Diskussion um die Reduzierung des CO2- Ausstoßes nicht unser Anspruch sein. Mit dem Antrag meiner Fraktion Die Linke werden durch Änderung des § 13, Abs. 1 die Kostenübernahme für kommunale Brü- ckenbauwerke, welche Bahnanlagen betreffen, neu ge- regelt und die Gemeinden entlastet. Wir sind der festen Überzeugung, dass die Gemein- den von der Mischfinanzierung befreit werden und zu- gleich verantwortungsvoll mit der Infrastruktur umge- gangen wird, und zwar nach dem Verursacherprinzip. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Am 16. Juni 2006 hat der Bundesrat die Kürzung der Re- gionalisierungsmittel beschlossen. Der Bundesfinanz- minister hat den Ländern damals zugesagt, die Kürzung der Regionalisierungsmittel im Zeitraum 2006 bis 2009 in einer Größenordnung von 500 Millionen Euro zu ver- mindern. Mehr als ein Jahr später wird diese Zusage mit dem vorliegenden Gesetzentwurf für ein zweites Gesetz zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes eingelöst. Die teilweise Rücknahme der Kürzung der Regionali- sierungsmittel lehnen wir zwar nicht ab; die Kürzung ha- ben wir aber abgelehnt und halten sie auch heute noch für falsch. Die vorausgesagten Streichungen im Schienen- personennahverkehr als Folge der Kürzung der Regiona- lisierungsmittel sind in vielen Bundesländern eingetre- ten. Nur ein Bundesland hat die Kürzung zu 100 Prozent durch Landesmittel kompensiert. Nach dem bisherigen § 7 RegG war für den Bund nicht überprüfbar, ob die Mittel zweckentsprechend ver- wendet wurden. Die im Gesetzentwurf der Bundesregie- rung in § 6 Abs. 2 enthaltene Berichtspflicht der Länder gegenüber dem Bund über die Verwendung der Regiona- lisierungsmittel ist zu begrüßen; sie greift aber viel zu kurz, weil sie nicht näher beschreibt, was einheitliche Kriterien sind. Damit ist nicht sichergestellt, dass die jährliche Mittelverwendung transparent dargestellt wer- den kann. 12934 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) So wie es jetzt im Gesetzentwurf steht, wird bei dem Bericht nicht mehr herauskommen als beim GVFG-Be- richt. Aus unserer Sicht sollten zumindest einige Krite- rien bzw. Ausgabenarten angegeben werden, damit der Bericht wenigstens etwas aussagen kann. Man sollte aus dem Bericht schon entnehmen können, in welcher Höhe Zuschüsse für Bestellungen von Zugleistungen im SPNV, für Bestellungen von Verkehrsleistungen im ÖPNV außerhalb des SPNV, sonstige Zuwendungen an Aufgabenträger und Verkehrsbünde im SPNV/ÖPNV, Zuschüsse für Investitionen in Fahrzeuge des SPNV, Zu- schüsse für Investitionen in Fahrzeuge des ÖPNV außer- halb des SPNV, Zuschüsse für Investitionen in bauliche Anlagen des ÖPNV und des SPNV und Zuschüsse für sonstige Projekte geflossen sind. Was auf jeden Fall versäumt wurde, ist die Präzisie- rung der Zweckbindung. Regionalisierungsmittel kön- nen nach wie vor für Aufgaben verwendet werden, die vor dem Regionalisierungsgesetz die Länder aus eigenen Mitteln bestritten haben. Genannt seien hier beispiels- weise Ausgleichsleistungen bei der Schüler- und Schwerbehindertenbeförderung. Das war sicher nicht In- tention des Gesetzgebers. Intention des Gesetzgebers war, Fahrgastzuwächse beim öffentlichen Personannah- verkehr zu erzielen, und nicht, die Länder durch das Re- gionalisierungsgesetz finanziell zu entlasten. Es kann auch nicht sein, dass der Verkehrsminister den Ländern Fehlverwendung der Regionalisierungsmit- tel vorwirft, was er in der Debatte der letztjährigen Kür- zung getan hat, es aber dann unterlässt, Fehlverwen- dungsmöglichkeiten im Gesetz auszuschließen. Der Gesetzentwurf enthält auch keinen Anreiz, dass die Länder die Regionalisierungsmittel effizient ausge- ben. Für die Verteilung der Mittel spielt es keine Rolle, ob ein Bundesland Fahrgastzuwächse erreicht hat oder nicht. Das Geld wird einfach überwiesen. Wenn man über ein Jahr für ein Änderungsgesetz braucht, hätte man also schon etwas mehr hineinschrei- ben können als eine Teilrücknahme einer falschen Kür- zung und eine unzureichende Berichtspflicht. Vorschläge unsererseits liegen in Gesetzes- und Antragsform vor. Beim Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ei- senbahnkreuzungsgesetzes der Linken wurde ein frühe- rer Antrag der Linken in Gesetzesform gegossen. Im Ge- gensatz zum Antrag enthält der Gesetzentwurf immerhin einen Finanzierungsvorschlag. Trotzdem ist einiges un- verständlich: Der Gesetzentwurf stellt alle Straßenbaulastträger und nicht nur die Kommunen frei. Die Linke problematisiert aber nur die Kommunen. Warum soll die DB AG die Hälfte des bisherigen An- teils des Straßenbaulastträgers bezahlen? Bisher bezahlt sie ein Drittel, nach dem Gesetzentwurf die Hälfte. Die NE-Bahnen bezahlen nichts mehr. Damit werden sie besser behandelt als die DB. Der Bund soll nun auch für Bahnübergänge von NE-Bahnen bezahlen, bei denen er bisher – außer im Falle der Straßenbaulastträgerschaft – nichts bezahlt. Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Än- derung des Regionalisierungsgesetzes wurde in den Aus- schussberatungen durchaus kontrovers diskutiert. Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen, um noch einmal das Ziel dieser Gesetzesänderung zu verdeutlichen: Es ist ein dringendes Anliegen der Bundesregierung, die Qualität des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) weiter zu verbessern und ein bedarfsgerechtes Angebot im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) auch in der Fläche sicherzustellen. Den Ländern stehen nach dieser Gesetzesänderung auch künftig ausreichend Mittel für die Bestellung von Nahverkehrsleistungen und für qualitative Verbesserun- gen des ÖPNV zur Verfügung. Im Rückblick ist festzustellen, dass der Nahverkehr vor 1994 ein ungeliebtes und hochdefizitäres Aufgaben- gebiet der Bahn war. Ziel der Bahnstrukturreform 1994 war es daher auch, eine zukunftsfähige Grundlage für den SPNV zu schaffen. Im Zusammenhang mit den gesetzlichen Änderungen zur Bahnreform wurde das Grundgesetz um einen neuen Art. 106 a ergänzt. Den Ländern steht damit für den ÖPNV aus dem Steueraufkommen des Bundes ein Be- trag zu. Einzelheiten werden im Regionalisierungsge- setz, RegG, geregelt, welches ebenfalls im Rahmen der Bahnreform verabschiedet wurde und am 1. Januar 1996 in Kraft trat. Dies bedeutete eine vollständige Neuordnung des Ordnungsrahmens: der SPNV wurde zur Landesaufgabe; die verschiedenen Zuständigkeiten wurden zusammen- geführt; die bisher vom Bund für den SPNV aufgewen- deten Mittel wurden auf die Länder übertragen; Länder und Aufgabenträger wurden an der Finanzierung betei- ligt und der Verkehr wurde für den Wettbewerb geöffnet. All dies brachte seit Inkrafttreten des Regionalisie- rungsgesetzes zum 1. Januar 1996 eine neue Dynamik in die jahrzehntelange statische Eisenbahnlandschaft. Über das Regionalisierungsgesetz werden den Ländern umfas- sende Finanzmittel aus dem Steueraufkommen des Bun- des zur Verfügung gestellt, die sie in erster Linie zur Finanzierung der Verkehrsleistungen im SPNV, aber auch investiv zur Verbesserung des ÖPNV einsetzen können. Dennoch ist die Schaffung eines attraktiven ÖPNV nicht unabhängig von anderen politisch vereinbarten Zielen, wie etwa der Haushaltskonsolidierung zu sehen. So wurde durch das Haushaltsbegleitgesetz 2006 vom 29. Juni 2006 der in der Koalitionsvereinbarung veran- kerte Auftrag einer Kürzung der Mittel des Bundes für den Nahverkehr umgesetzt. Mit der jetzt anstehenden Änderung des Regionali- sierungsgesetzes werden die zwischen dem Bund und den Ländern im Rahmen der Verabschiedung des Haus- haltsbegleitgesetzes (HBeglG) 2006 am 16. Juni 2006 vereinbarten Eckpunkte umgesetzt. Die mit dem Haus- haltsbegleitgesetz 2006 vorgenommenen Kürzungen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12935 (A) (C) (B) (D) der Regionalisierungsmittel (im Zeitraum 2006 bis 2009 ergab sich daraus eine Minderung der Regionalisie- rungsmittel für die Länder von insgesamt rund 2,3 Mil- liarden Euro) sollen so teilweise kompensiert werden. Die Belastung wird dadurch um rund 500 Millionen Euro vermindert und es wird eine Dynamisierungslinie für die Regionalisierungsmittel eingeführt. Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung setzt diese Vorgaben um: Die Länder werden im Jahr 2008 Regionalisierungsmittel in Höhe von 6 675,0 Mil- lionen Euro aus dem Mineralölsteueraufkommen des Bundes erhalten. Ab dem Jahr 2009 wird dieser Betrag dynamisiert und steigt jährlich um 1,5 vom Hundert. Die jährlichen Beträge werden im Sinne einer verlässlichen Planungsgrundlage bis 2014 festgelegt. Im Jahr 2014 ist eine erneute Überprüfung der Höhe der Mittel und der Finanzierungsquelle mit Wirkung ab dem Jahr 2015 vorgesehen. Darüber hinaus sollen die Länder dem Bund jährlich die Verwendung der Mittel je- weils nach gemeinsam vereinbarten Kriterien transpa- rent darstellen. Mit diesen Neuregelungen wird die Finanzierungs- grundlage für den öffentlichen Personennahverkehr auch weiterhin gesichert. Gleichzeitig wird in geeigneter Form und unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Artikels 106 a Grundgesetz Transparenz über die Verwendung der Mittel hergestellt. Die Bundes- regierung will mit dieser Gesetzesänderung die Voraus- setzungen dafür schaffen, dass die Erfolgsgeschichte der Regionalisierung weitergeht. Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der gesetzlichen Berichtspflichten im Zuständig- keitsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz – Beschlussempfehlung und des Bericht: Neu- ordnung des Berichtswesens (Tagesordnungspunkt 29 a und b) Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): „Totgesagte leben länger.“ Dieser Spruch gilt im übertragenen Sinne auch für das Landwirtschaftsgesetz von 1955. Mit vereinten Kräften der Koalition und durch den entschiedenen Widerstand der SPD-Fraktion mit entsprechender Unter- stützung der CDU-Kollegen ist es uns gelungen, Minis- ter Seehofer davon zu überzeugen, das Landwirtschafts- gesetz nicht abzuschaffen. Wir machen in der heutigen Plenardebatte zunächst einen wichtigen Schritt in Richtung Entbürokratisierung des Berichtswesens des BMELV. Auf der Basis des Entschließungsantrags aus dem Sommer dieses Jahres werden wir mit der jetzigen Regelung unnütze Bürokratiekosten vermeiden und gleichzeitig die Möglichkeit schaffen, die Informations- bereitstellung effektiver zu gestalten. Der Agrarbericht inklusive seines forstwirtschaftlichen Teils und der Tier- schutzbericht werden in Zukunft nur noch alle vier Jahre vorgelegt werden. Ich teile die Kritik des nationalen Normenkontrollaus- schusses: Der bisherige Aufwand zur Berichterstellung steht in keinem angemessenen Verhältnis zum Informa- tionsgehalt. Vielfach sind bereits vor der Veröffentlichung des Agrarberichtes oder des Tierschutzberichtes aktuellere Daten und entsprechende Bewertungen dieser Daten aus anderen Quellen verfügbar. Diese Kritik gilt im Übrigen auch für Berichte in anderen Politikfeldern. Das vorliegende Gesetz macht auch Sinn angesichts der enormen Weiterentwicklung der technischen Mög- lichkeiten zur Informationsaufbereitung und -bereitstel- lung. Innerhalb der letzten Jahre sind in allen Bereichen des täglichen Lebens durch das Internet neue und umfas- sende Informationsmöglichkeiten geschaffen worden. Diese Entwicklung hat sich auch im Verantwortungsbe- reich des BMELV vollzogen. Als Ergebnis kann heute jede Bundesbürgerin und jeder Bundesbürger auf ein breites und aktuelles Informationsangebot und die dazu- gehörigen Daten zu allen wichtigen Themenbereichen der Agrar- und Verbraucherpolitik zugreifen. Dieses An- gebot beschränkt sich dabei nicht nur auf originäre In- halte aus dem Kernbereich der Agrar-, Verbraucher- und Tierschutzpolitik. Es wird ergänzt durch eine Vielzahl zusätzlicher Informationen wie zum Beispiel der ZMP, des Bundesinstituts für Risikobewertung oder auch des Friedrich-Loeffler-lnstituts, um nur einige Beispiele zu nennen. So werden schon heute die gesetzlichen Infor- mationspflichten des Bundesministeriums durch viele weitere Informationsquellen ergänzt und vervollständigt. Aktuelle Markt- und Strukturdaten, die für die For- schung und Wissenschaft relevant sind, sind jederzeit und überall abrufbar. Darüber hinaus informiert das Bundes- ministerium die Abgeordneten des Deutschen Bundesta- ges durch aktuelle Berichte sowie durch schriftliche und mündliche Antworten auf parlamentarische Anfragen. So- mit haben die bisherigen Routineberichte in Papierform weitgehend ihren ursprünglichen Zweck verloren, und die Verlängerung der Veröffentlichungsintervalle ist somit ge- rechtfertigt. Selbstverständlich wird es nicht, wie die Opposition behauptet, unweigerlich zu einer Abwertung der genann- ten Politikbereiche kommen. Die Änderungen im Be- richtswesen des BMELV werden auch nicht dazu führen, wie die Kollegin Behm im Ausschuss behauptet hat, dass wir ab sofort nur noch alle vier Jahre über Agrar-, Forst- oder Tierschutzpolitik sprechen werden. Ich bin sicher, dass wir als Parlamentarier in Zukunft auf der Grundlage eigener Anträge ausreichend Gelegenheit fin- den werden, zur aktuellen Agrar- und Tierschutzpolitik zu debattieren. Der vorliegende Gesetzentwurf kann nur im Zusam- menhang mit dem heute zu beschließenden Entschlie- ßungsantrag der Koalition gesehen werden. Er bestimmt den Rahmen der zukünftigen Berichterstattung und ent- hält zwei wichtige Prüfaufträge an die Bundesregierung, die in einem zweiten Schritt konsequent umgesetzt 12936 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) werden müssen. Es gilt, die Agrarpolitik grundsätzlich neu auszurichten. Sie muss zum integralen Bestandteil einer nachhaltigen Politik für den ländlichen Raum wer- den. Die Entwicklung des Landwirtschaftsgesetzes zu einem modernen Landwirtschaftsgesetzbuch kann dafür wesentliche Voraussetzungen schaffen. Jeder von uns weiß, dass sich die Agrarpolitik mit ih- rem Anspruch als eigenständiges Politikfeld in unserer Gesellschaft ständig neu legitimieren muss. Die natio- nale wie auch die internationale Agrarpolitik stehen da- bei vor tiefgreifenden Herausforderungen. Ich nenne nur drei Beispiele, um zu verdeutlichen, was uns erwartet: erstens die Zunahme der Weltbevöl- kerung um drei Milliarden Menschen bis zum Jahr 2050, für die es gilt, die Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln sicherzustellen; zweitens der Beitrag, den die Landwirtschaft und somit auch die Agrarpolitik in Hinblick auf die Herausforderungen des weltweiten Klimawandels leisten muss; drittens wird sich der Strukturwandel in den landwirtschaftlichen Betrieben unvermindert fortsetzen, sodass wir spätestens für das Jahr 2020 nur noch von 100 000 Vollerwerbsbetrieben ausgehen müssen. Angesichts dieser Herausforderungen darf sich Agrarpolitik heute nicht mehr als Klientelpolitik verste- hen. Für Sozialdemokraten steht der Mensch im Vorder- grund der Politik. Daraus leitet sich auch die Zielbestim- mung für eine sozialdemokratische Agrarpolitik ab, die zukünftig integraler Bestandteil einer Politik für die Ent- wicklung ländlicher Räume und die dort lebenden und arbeitenden Menschen sein wird. Agrarpolitik muss neu gedacht und definiert werden. Das heißt, dass wir die Agrarpolitik als Querschnittspolitik denken müssen, die viel stärker mit der Beschäftigungspolitik, der Infra- strukturpolitik aber auch der Umweltpolitik verzahnt wird. Im Hinblick auf den multifunktionalen Charakter ländlicher Räume wird die Landwirtschaft dann das starke Rückgrat im ländlichen Raum bilden. Es heißt Abschiednehmen vom allseits so geliebten Förder- und Subventionsmodellen wie zum Beispiel der Flächenprä- mie. Niemand in dieser Gesellschaft hat ein ererbtes An- recht auf dauerhafte Zahlungen aus dem Steuersack. Es gilt, die Rahmenbedingungen für die Agrarpolitik so zu gestalten, dass die Bewertung und Honorierung der Leis- tungen einer wettbewerbsorientierten Landwirtschaft im Vordergrund stehen. Nur so lässt sich Agrarpolitik auch langfristig legitimieren. Daher hat der im Entschlie- ßungsantrag formulierte Prüfauftrag an das BMELV für mich besondere Bedeutung. Für die Weiterentwicklung des Landwirtschaftsgesetzes zum Landwirtschaftsge- setzbuch habe ich den politischen Rahmen bereits skiz- ziert. Konkret bedeutet dies, dass wir die Vorgaben so gestalten, dass die Wertschöpfung und die Arbeitsplätze im ländlichen Raum ausgebaut, die soziale Absicherung der in der Landwirtschaft Tätigen angemessen berück- sichtigt, die Innovations- und Wettbewerbskraft der Landwirtschaft gefördert und die hohen Qualitäts-, Pro- dukt- sowie Tierschutzstandards weiterentwickelt wer- den. Ich wünsche mir, dass auch die Grundsätze der gu- ten fachlichen Praxis und das die Landwirtschaft betreffende Fachrecht zum Bestandteil eines neuen Landwirtschaftsgesetzbuches werden. Diese kann auch die Arbeit eines neu einzurichtenden Rates für die ländli- chen Räume entscheidend erleichtern. Die deutschen Landwirte stellen sich den Herausforderungen einer glo- balisierten Welt. Dafür müssen wir die politischen Rah- menbedingungen schaffen. Ich bitte Sie, daher dem vor- liegenden Gesetzentwurf und dem Entschließungsantrag zuzustimmen. Hans-Michael Goldmann (FDP): Natürlich begrüßt die FDP grundsätzlich alle Maßnahmen der Bundes- regierung, die dazu führen, Bürokratie abzubauen. Doch Minister Seehofer neigt dazu, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Auch die Änderungen beim Fleischge- setz wurden uns verkauft als Beitrag zum Bürokratie- abbau. Deshalb ist es notwendig, solche Argumente kri- tisch zu hinterfragen. Unbestreitbar würde es die Verwaltung entlasten, wenn sie die vier Berichte, die in die Verantwortung des BMELV fallen, nur noch alle vier Jahre anstatt jedes Jahr vorzulegen hätte. Und in der Tat, die jährlichen Berichte waren nicht zweckdienlich. Doch wir befürchten, dass diese Initiative leider wiederum der Geringschätzung des Ministers für den Agrarbereich geschuldet ist. Den letz- ten Agrarbericht hat Herr Seehofer ja nicht einmal mehr selber auf der Bundespressekonferenz vorgestellt. Der geplante Zeitraum von vier Jahren für das Be- richtswesen im Bereich des BMELV ist zu lang bemes- sen. Bei dieser Zeitspanne fehlt die Aktualität von Ent- wicklungen. Im ersten Jahr einer Legislaturperiode einer neuen Regierung würde man im Wesentlichen auf Zah- len der Vorgängerregierung zurückgreifen, und im letz- ten Jahr haben wir Wahlkampfzahlen. Gerade beim Agrarbericht geht es darum, Tendenzen zu erkennen, um politische Weichenstellungen vorneh- men zu können. Da hilft dann auch nicht der Verweis aufs Internet, denn die Zahlen und Informationen müs- sen doch in einen gewichteten sachlichen Zusammen- hang gebracht werden. Nehmen wir zum Beispiel die Entwicklung der Milch- und Getreidepreise. Diese Ent- wicklung hat vor sechs bis neun Monaten in dieser Form niemand vorhersehen können. Wir könnten uns nun im nächsten Jahr beim nächsten Agrarbericht parlamenta- risch mit diesen Entwicklungen beschäftigen und Konse- quenzen ableiten. Der Agrarbericht gibt uns einen Auf- trag für eine parlamentarische Auseinandersetzung. Es gilt, einen Mittelweg zwischen dem Wunsch und der Notwendigkeit nach mehr Effizienz und unserem In- formationsbedürfnis zu finden. Die FDP hielte deshalb einen Zweijahresrhythmus für angemessen. Auch die Verbraucherzentrale schlägt für den Bericht zum Ver- braucherschutz einen Zeitintervall von zwei Jahren vor. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Seit 1956 er- scheint jährlich der Agrarbericht der Bundesregierung zur Lage der Landwirtschaft, zur nationalen und interna- tionalen Agrarpolitik und zu deren Finanzierung. Die Landwirtschaft ist seit jeher ein Wirtschaftssektor mit engster politischer Verflechtung. Agrarpolitische Ent- scheidungen in Deutschland und Europa prägen wie Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12937 (A) (C) (B) (D) kaum ein anderer Faktor das Bild und das Geschehen in der Landwirtschaft. Der jährliche Agrarbericht bietet da- bei die besondere Möglichkeit, nicht nur die Gesamtbe- wertung des Wirtschaftssektors Land- und Agrarwirt- schaft in die Betrachtung zu nehmen, sondern auch die getroffenen agrarpolitischen Entscheidungen auf natio- naler und europäischer Ebene zu bewerten. Sie können quasi Rechenschaftsbericht und Frühwarnsystem in ei- nem sein. Gerade die vergangenen Jahre haben deutlich gezeigt, welchen Einfluss die Agrarpolitik auf die wirtschaftliche Lage der landwirtschaftlichen Betriebe haben kann. Als Beispiel sei die Einführung der Förderung der energeti- schen Biomassenutzung genannt. Damit sind völlig neue Einkommensmöglichkeiten für landwirtschaftliche Be- triebe entstanden. Die politische Entscheidung für Straf- steuer und Zwangsbeimischung bei Biokraftstoffen hat dagegen diese Quelle gleich wieder zum Rinnsal ge- macht. Das zeigt, dass politische Entscheidungen oft sehr viel schneller wirken als eine Legislaturperiode dauert. Hinzu kommt eine deutliche Dynamisierung der Veränderungsprozesse infolge neoliberaler Globalisie- rung der Märkte. Die Koalition schafft mit dem Gesetzentwurf zur Ver- längerung der Berichtszeiträume die Möglichkeit einer zeitnahen Bewertung und Diskussion der Agrarpolitik schlichtweg ab. Die Linke hält angesichts der hohen Dy- namik der Entwicklung ein Zweijahresintervall für die Bewertung agrarpolitischer Entscheidungen für eine Mindestforderung und lehnt daher den Antrag ab. Es gibt viele Gründe, Agrar-, Waldzustands-, Tierschutz- und Verbraucherschutzbericht weiter regelmäßig in den Fokus öffentlichen Interesses zu stellen. Manche mögen denken, dass die Landwirtschaft an Bedeutung verliert. Der Agrarbericht selber bringt ja auch Zahlen, die das nahelegen mögen. So beträgt der Anteil der Landwirt- schaft am Bruttoinlandsprodukt gerade einmal 1 Pro- zent, die Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe ist rückläufig und die Zahl der in der Landwirtschaft Be- schäftigten, und Selbstständigen sinkt kontinuierlich. Nur: Eine Reduktion unserer Sicht auf diese volkswirt- schaftlichen Kriterien ist falsch. Die Erzeugung von Nahrungsmitteln gehört zur De- ckung der Grundbedürfnisse des Menschen und bleibt damit wesentlich. Die Entwicklung in jüngerer Zeit bringt gerade diese Diskussion wieder in eine neue Ak- tualität: Durch Klimawandel, die dynamische Entwick- lung der sogenannten Schwellenländer, die steigende Weltbevölkerung und neue Aufgaben für die Landwirt- schaft wie zum Beispiel die Erzeugung von Bioenergie wird die Agrarerzeugung im nationalen, europäischen und internationalen Kontext sogar wieder wichtiger. Die Anzahl potenzieller Krisenfaktoren hat sich deutlich er- höht. Dabei sind heute nicht nur die Bedingungen der hiesigen Landwirtschaft von Bedeutung, sondern der weltweite Kontext. Zudem werden weltweit die sozialen und ökologischen Folgen der beschleunigten neolibera- len Globalisierung immer deutlicher sichtbar. Mit dem Agrarbericht und den weiteren Ressortberichten werden die Auswirkungen dieser Prozesse in den Fokus öffentli- chen Interesses gerückt. Dieses ist und bleibt eine der wichtigsten Funktionen der politischen Berichterstat- tung. Im Antrag der Koalition wird auf die Datenverfügbar- keit aus dem Berichtswesen der Testbetriebe im Internet hingewiesen. Für eine reine Expertendiskussion wäre das vielleicht ausreichend. Aber genau diese Reduktion der Debatte kann nicht unser parlamentarischer Wille sein. Für die Linke ist der öffentliche Bezug gerade bei der agrarpolitischen Debatte wichtig. Die vor uns liegen- den Entscheidungen zur Weiterentwicklung der europäi- schen Förderpolitik, zum Umgang mit der Agrogentech- nik, zu Vermeidungs- und Anpassungsstrategien auf den heute schon spürbaren Klimawandel, zur Entwicklung auf den Weltmärkten usw. bedürfen der regelmäßigen Bewertung. Allerdings sind wir auch der Auffassung, dass die Be- richte inhaltlich qualifiziert werden müssen. Zum Bei- spiel fehlen aus Sicht der Linken Indikatoren für die Be- wertung der sozialen Situation und zur Gleichstellung. Ebenfalls sehr sensibel ist in der öffentlichen deutschen und auch europäischen Diskussion der Tierschutzbe- richt. Die millionenfache Haltung, Züchtung und Nut- zung von Tieren in der Landwirtschaft, in der Forschung oder in der privaten Hobbyhaltung setzt die Politik in be- sondere Verantwortung. Der alle zwei Jahre erschei- nende Tierschutzbericht hat bislang effizient dazu beige- tragen, das Thema Tierschutz im Blick zu behalten und die Diskussion um ihn zu befördern. Hier gilt im Grunde dasselbe wie zur Agrarberichterstattung: Dem öffentli- che Interesse an der Thematik ist mit einer Verlängerung der Abstände der Berichterstattung nicht gedient. Das wirkliche Ziel des Gesetzentwurfs liegt auf der Hand. Wo keine Berichte sind, da ist kein Anlass zu poli- tischen Diskussionen. Aber genau das hält Die Linke für den falschen Weg. Wir brauchen gerade auch für die Landwirtschaft mehr Debatte in einer größeren gesell- schaftlichen Breite. Dazu werden keine Rohdaten im In- ternet gebraucht, sondern die Positionierung der Regie- rung zur Situation, das mindestens alle zwei Jahre und nicht einmal pro Legislatur. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir Grüne lehnen die Verlängerung der Berichtsintervalle für den Agrar- und Tierschutzbericht sowie für den Waldzu- standsbericht auf alle vier Jahre mit aller Entschieden- heit ab. Mindestens alle zwei Jahre sollte getrennt über die Agrarpolitik, über die Tierschutzpolilik, über die Verbraucherschutzpolitik und über den Waldzustand be- richtet werden, um der politischen Bedeutung dieser Themen gerecht zu werden. Der Hauptgrund für unsere Ablehnung ist, dass die Verlängerung auf einen vierjährlichen Zyklus diese Poli- tikbereiche deutlich schwächen wird. Denn die Berichte und die Diskussionen darüber im Bundestag lenken re- gelmäßig die Aufmerksamkeit von Politik, Presse und Öffentlichkeit auf diese Politikfelder. Agrar-, Tierschutz- und Vcrbraucherpolitischer Bericht bieten Politikern und der Branche den Anlass, sich regelmäßig mit den Grund- satzfragen der Agrar-, der Tierschutz- und der Verbrau- cherpolitik auseinanderzusetzen, statt immer nur ein- 12938 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) zelne Spezialfragen zu bearbeiten. Speziell der Agrarbericht bietet die Möglichkeit, der Gesellschaft die im Vergleich zu ihrem Anteil am BIP große Bedeutung von Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft für gesunde Ernährung und den Erhalt der Kulturlandschaft darzule- gen. Durch die fehlenden jährlichen Berichte werden aber zukünftig nicht nur diese Grundsatzdebatten deutlich seltener stattfinden. Zukünftig werden auch einfach zu- gängliche Daten- und Wissensgrundlagen nicht mehr so einfach zur Verfügung stehen, und zwar nicht nur für uns Abgeordnete, sondern auch für die Fachöffentlichkeit. Die Koalition nennt als Hauptgrund für diese Ein- griffe den Abbau von Bürokratie. Dieser Abbau hält sich aber in Grenzen, wenn man bedenkt, dass die statisti- schen Daten nach wie vor im unveränderten Rhythmus erhoben werden müssen. Es wird also vor allem Auf- wand bei der Zusammenstellung, Formulierung und der Abstimmung der Fakten eingespart. Rechtfertigt dieser etwas geringe Aufwand tatsächlich diesen Bedeutungs- verlust für die Agrar- und Tierschutzpolitik? Nein, das tut er nicht. Deswegen muss man annehmen, dass der mit der Ver- längerung des Berichtszyklus verbundene Bedeutungs- verlust für die Ticrschutzpolilik und für die Verbraucher- politik von der Großen Koalition billigend in Kauf genommen wird. Warum die Agrarpolitiker der Union dies auch für die Agrarpolitik akzeptieren, bleibt mir al- lerdings verborgen; denn die so nötige Imageverbesse- rung der Landwirtschaft erreicht man dadurch ganz si- cher nicht. Besonders drastisch wird der Bedeutungsverlust für den Waldzustandsbericht sein: Mit seinem Wegfall wird auch die Aufmerksamkeit für die Waldschäden in der Öffentlichkeit entfallen. Das ist ganz eindeutig; denn derzeit findet der Wald ohnehin nur einmal jährlich in den Medien statt, nämlich dann, wenn der Waldzu- standsbericht vorgelegt wird. Die Beseitigung der öffentlichen Aufmerksamkeit für die Waldschäden ist aber offensichtlich die wesentliche Motivation für den Wegfall der jährlichen Waldzustands- berichte. Politisch erwünscht sind im Rahmen der Charta für Holz nur noch gute Nachrichten aus dem Wald. Schlechte Nachrichten soll die Gesellschaft nicht mehr hören. Denn es wird in der Forst- und Holzbranche viel- fach befürchtet, dass schlechte Nachrichten über kranke Wälder die Zustimmung der Gesellschaft zur sinnvollen verstärkten Holznutzung untergraben. Deswegen soll der jährliche Waldzustandsbericht weg. Dass sich die große Koalition so eindeutig dieser Lobby beugt, ist beschä- mend. Gravierend ist auch, dass nach dem Willen der Koali- tionsfraktionen nicht mehr jährlich über die künftige Ge- staltung der GAK berichtet werden soll, sondern dass dieser Bericht laut Koalitionsantrag im vierjährlichen Agrarbericht aufgehen soll. Allerdings ist dem Gesetz- entwurf der Koalition zu entnehmen, dass sich am Zu- schnitt des Agrarberichtes nichts ändern wird. Entfällt dann die Berichterstattung über die GAK zukünftig ganz, oder wird sie, und wenn wie, in den Agrarbericht aufgenommen? Ihre Beschlussvorlagen geben dazu keine klare Auskunft. Ich erinnere daran, dass sich auch Parlamentarier der Union im Rahmen der Haushaltsberatungen darüber be- klagten, dass der Bundestag zwar jedes Jahr über 600 Millionen Euro für die GAK bereitstellt, dass der Bundestag aber in keiner Weise an den Entscheidungen über die konkrete Mittelverwendung beteiligt wird. Wol- len Sie jetzt nicht einmal mehr wissen, was mit dem Geld gemacht wurde? Herr Schirmbeck, Ihre Fraktion will plötzlich dafür sorgen, dass dem Bundestag nicht einmal mehr jährlich über die Mittelverwendung und über die Veränderungen bei den Fördergrundsätzen berichtet wird, und das, ob- wohl der PLANAK jedes Jahr über Änderungen der För- dergrundsätze entscheidet. Sieht so die Stärkung parla- mentarischer Beteiligungsrechte aus? Der Koalitionsantrag zur Neuordnung des Berichts- wesens im Bereich Ernährung, Landwirtschaft und Ver- braucherschutz ist ein einziger Murks. Er wird durch seine gesetzliche Umsetzung nicht besser. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag und Ihr Gesetz ab. Ursula Heinen, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher- schutz: Vereinfachung und Bürokratieabbau sind erklärte Ziele der Bundesregierung. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz setzt die entsprechende Vereinbarung des Koalitionsvertrages mit dem „Aktionsplan zur Verringerung bürokratischer Hemmnisse“ konsequent um. Zuerst geht es uns dabei um Erleichterungen für Landwirte und Unternehmen. Zusätzlich überprüfen wir Routinevorgänge in der Verwaltung. Dabei hinterfragen wir sowohl die Notwendigkeit als auch die Art und Weise des Vollzugs unseres Verwaltungshandelns. Ein wichtiger Punkt unseres Aktionsplans ist die Straffung und die Konzentration unseres Berichtswe- sens. Wir wollen die starre Routine jährlich wiederkeh- render Berichte aufbrechen. Hier wird bisher viel Auf- wand betrieben – unabhängig davon, ob es überhaupt Neues zu berichten gibt. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung den Ent- wurf eines Gesetzes zur Änderung der Berichtspflichten im Zuständigkeitsbereich des BMELV vorgelegt. Wir verfolgen damit zwei Ziele: Routineberichte soll es künftig seltener geben. Dafür werden sie stärker län- gerfristige Entwicklungen und Perspektiven aufgreifen. Die notwendigen Informationen wollen wir dagegen ak- tueller, schneller und sachbezogener zur Verfügung stel- len. Ein praktisches Beispiel: Der Agrarbericht 2007 do- kumentiert die Lage der Landwirtschaft im vorletzten Wirtschaftsjahr 2005/2006 und Maßnahmen der Agrar- politik für das Jahr 2006. Nach Abstimmung zwischen den beteiligten Bundesministerien wurde er am 31. Ja- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12939 (A) (C) (B) (D) nuar 2007 beschlossen. Ende Oktober 2007 beriet schließlich der federführende Ausschuss darüber. Ich glaube, dass dieses Verfahren 1955 – das ist das Jahr, in dem erstmals ein entsprechender Bericht dem Deutschen Bundestag zugeleitet wurde – angemessen war. Den heutigen Anforderungen einer modernen Infor- mationsgesellschaft wird diese Art und Weise der Be- richterstattung nicht gerecht. Die kurzen Berichtsintervalle waren damals sinnvoll, denn es standen vergleichsweise wenige andere Informa- tionsquellen zur Verfügung. Mit Blick auf die inzwi- schen für alle und jederzeit zugänglichen Informationen wird hier jedoch eine Arbeit geleistet, deren Nutzen für die Interessenten immer geringer geworden ist. Die Verwendung älterer – teilweise veralteter – Daten mindert die Aktualität der Berichte, schwächt das Inte- resse der Öffentlichkeit und verkleinert die Basis für Entscheidungen aufgrund der Berichte. Das heißt: Kurze Berichtsintervalle führen nicht automatisch zu besserer Information. Deshalb sieht unser Gesetzentwurf vor, den Agrarbe- richt und den Tierschutzbericht im Vierjahresturnus ab- zugeben. Wir wissen uns dabei im Einklang mit der Mehrheit des Bundestages. Mit dem heute ebenfalls ab- zustimmenden Entschließungsantrag erhalten wir den Auftrag, auch die anderen Routineberichte unseres Hau- ses thematisch zu ordnen und künftig einmal in der Le- gislaturperiode herauszugeben. Künftig wird das BMELV vier Themenberichte vorle- gen. Erstens. Der bisherige Agrarbericht wird sich neben der Lage der Landwirtschaft und der Fischerei verstärkt den ländlichen Räumen widmen und hierzu auch die Mittelverwendung der Gemeinschaftsaufgabe „Agrar- struktur und Küstenschutz“ wiedergeben. Zweitens. Für den Schwerpunkt „Wald und Forst“ ist ein Gesamtbe- richt vorgesehen, in dem auch Informationen zum Wald- zustand ihren angemessenen Platz finden werden. Drit- tens wird es einen Tierschutzbericht und viertens einen verbraucherpolitischen Bericht geben. Im Übrigen verweise ich darauf, dass es bisher für ei- nen regelmäßig erscheinenden verbraucherpolitischen Bericht keine Grundlage gab und diese Lücke jetzt ge- schlossen wird. In Ergänzung zu den periodischen Berichten wird das BMELV in zeitgemäßer Form aktuell und sachbezogen informieren, ohne dass Jahrzehnte alte Routinen dabei im Weg stehen. Wir werden verstärkt das Internet nut- zen, daneben auch Pressemitteilungen und Broschüren. Mit diesem Wandel in der Form der Berichterstattung können wir schneller auf aktuelle Entwicklungen reagie- ren. Sensible Politikfelder mit hoher öffentlicher Wahr- nehmung sollen besonders berücksichtigt werden. Hier denke ich zum Beispiel an den Tierschutz oder auch den Waldzustandsbericht. Für uns gilt der Grundsatz: Wenn es etwas zu berich- ten gibt, werden wir dies umgehend tun. In den Sitzungen der Ausschüsse des Bundestages sowie durch parlamentarische Anfragen machen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, darüber hinaus umfassend von Ihrem Auskunftsrecht gegenüber der Bundesregierung Gebrauch. Die Basis jeder Berichterstattung sind die Erhebun- gen und deren Ergebnisse. Diese bleiben von unserem Vorhaben unberührt: Im Agrarbereich werden Daten auch künftig jährlich erhoben und veröffentlicht, und zwar unmittelbar nach der Erhebung. Mit der Neuordnung des Berichtswesens können wir einen Teil des Personals – übrigens nicht nur im Land- wirtschaftsministerium – von jährlich wiederkehrenden Routineaufgaben befreien und künftig effektiver einset- zen. In seiner Stellungnahme hat uns der nationale Nor- menkontrollrat seine Auffassung übermittelt, dass der derzeitige Aufwand für die Erstellung der Berichte in keinem angemessenen Verhältnis zum daraus resultie- renden Informationsgehalt steht. Er begrüßt daher die Verlängerung der Berichtszeiträume. Mehr noch: Er empfiehlt auch anderen Bundesressorts die Überprüfung ihres Berichtswesens unter diesem Gesichtspunkt. Auch der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme den Ansatz begrüßt, mit der Neuordnung des Berichtswesens den Verwaltungsaufwand zu verringern und in den Rou- tineberichten künftig politisch bedeutsame Zusammen- hänge und Entwicklungen zu betrachten. Zusammengefasst lässt sich sagen: Das Gesetz dient dem Bürokratieabbau, ohne dass die Transparenz dabei verlorengeht. Daher bitte ich Sie um Ihre Zustimmung. Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädi- gungsrechts (Tagesordnungspunkt 31) Max Straubinger (CDU/CSU): Wir behandeln hier und heute in zweiter und dritter Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsge- setzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädi- gungsrechts der Bundesregierung. Kernpunkte des Gesetzentwurfs sind: die Schaffung einer materiellen Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Rechtsverordnung in § 30 des Bundesversorgungs- gesetzes, auf deren Grundlage die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädi- gungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“, kurz AHP genannt, zukünftig ohne verfassungsrechtli- che Bedenken erlassen werden können; der Ausdruck „Minderung der Erwerbsfähigkeit“, MdE, wird durch die Bezeichnung „Grad der Schädigungsfolgen“, GdS, er- setzt, der aus sich heraus das Kausalitätserfordernis zwi- schen der Schädigung und dem zu entschädigenden Ge- sundheitsschaden deutlich macht; Änderung im Bereich 12940 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) der Kriegsopferfürsorge, die überwiegend bereits Ein- gang in die Praxis gefunden hat; Änderung im Bereich der Heil- und Krankenbehandlung; Umsetzung der not- wendigen Korrekturen und Anpassungen im Sozialen Entschädigungsrecht und in Gesetzen, die auf das So- ziale Entschädigungsrecht unmittelbar Bezug nehmen. Bei den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertä- tigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, AHP, handelt es sich nach der Rechtsprechung um antizipierte Sachverständigengut- achten, die im Einzelfall nicht widerlegbar sind. Den- noch existierte bisher keine gesetzliche Ermächtigungs- grundlage sowohl für die AHP selbst als auch für die Organisation, das Verfahren und die Zusammensetzung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats beim BMAS, das dieses Regelwerk erarbeitet und ständig überprüft. Dies rügte mehrmals auch die höchstrichterliche Recht- sprechung. Mit der Änderung des Bundesversorgungsge- setzes kommt die Bundesregierung dieser Forderung nun endlich nach. Beim zweiten Kernschwerpunkt ist die Änderung in- sofern nötig, da der Begriff „Minderung der Erwerbsfä- higkeit“, MdE, der im Sozialen Entschädigungsrecht zur Feststellung des schädigungsbedingten Gesundheits- schadens verwendet wird, irreführend ist und dort, wie auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung, wo er ebenfalls verwendet wird, von den Betroffenen oftmals falsch verstanden wird. Dieser Ausdruck würde nämlich aus sich heraus und ohne nähere Erläuterung auch nichtursächliche Gesund- heitsschäden mit umfassen, die nach Sinn und Zweck des Sozialen Entschädigungsrechts nicht entschädigt werden können. Aus diesem Grunde ist die neue Be- zeichnung „Grad der Schädigungsfolgen“, GdS, insbe- sondere für die Betroffenen besser gewählt und damit verständlicher. Auch die Änderung im Bereich der Kriegsopferfür- sorge wird der schon jetzt gängigen Praxis angeglichen. Beispielsweise werden die Vorschriften zum Einsatz von Einkommen und Vermögen Beschädigter, die für ihr volljähriges Kind Hilfe zur Pflege oder Eingliederungs- hilfe erhalten, an die Vorschrift zur Heranziehung Unter- haltspflichtiger angeglichen. Beim vorletzten Kernpunkt der Änderung im Bereich der Heil- und Krankenbehandlung ergab sich Ände- rungsbedarf durch die bis zum Jahre 2004 erlassenen Re- formgesetze zur gesetzlichen Krankenversicherung und die Änderungen in Gesetzen, die in das Bundesversor- gungsgesetz einstrahlen und bis zum Jahre 2005 vorge- nommen wurden. Zu nennen ist hier insbesondere die Berücksichtigung von Hospizleistungen. Vor allem erfüllt dieser Gesetzentwurf die Aufgabe der Umsetzung der notwendigen Korrekturen und An- passungen im Sozialen Entschädigungsrecht und in Ge- setzen, die auf das Soziale Entschädigungsrecht unmit- telbar Bezug nehmen. Hier wird nun höchstrichterliche Rechtsprechnung in gesetzliche Vorschriften umgesetzt. Die vom Bundesrat in seinem Beschluss vom 21. Sep- tember 2007 geforderte Streichung von Art. 1 Nr. 48 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc – „Wird Versorgung abweichend von § 7 Abs. 2 erbracht, werden mit Zustim- mung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ausländische Rentenleistungen aus derselben Ursache angerechnet“ – wurde Rechnung getragen. Hier wurden vom Bundesrat dazu verfassungsrechtliche und rechts- systematische Bedenken angeführt. Insgesamt erfüllt dieser Gesetzentwurf die gesteckten Ziele bezüglich der Umsetzung der notwendigen Kor- rekturen und Anpassungen sowohl im Bundesversor- gungsgesetz als auch im Sozialen Entschädigungsgesetz und in Gesetzen, die auf das Soziale Entschädigungs- recht unmittelbar Bezug nehmen. Insofern stimmt die Fraktion CDU/CSU dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts der Bundesregierung zu. Anton Schaaf (SPD): Wir beraten heute abschlie- ßend über zahlreiche Änderungen des Bundesversor- gungsgesetzes und anderer Vorschriften. Mit den vorgese- henen Regelungen wird das Soziale Entschädigungsrecht konsequent weiterentwickelt. So organisieren wir den nötigen sozialen Ausgleich, um Menschen zu befähigen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Dies ist eine un- serer grundlegenden Aufgaben. Dieser Aufgabe stellen wir uns mit dem zur Beratung stehenden Gesetzentwurf. Im Wesentlichen schaffen wir eine demokratisch legi- timierte Grundlage für die medizinische Begutachtung im Bereich des Sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts. Zugleich führen wir den Be- griff „Grad der Schädigungsfolgen“ ein. Damit erfolgt eine Präzisierung des Bundesversorgungsgesetzes. Da- rüber hinaus enthält der Gesetzentwurf eine Reihe weite- rer notwendig gewordener Gesetzesänderungen, die von eher redaktioneller Natur sind. Das Gesetz verankert rechtlich die Vorlage der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im So- zialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehin- dertenrecht, AHP. Bundesverfassungsgericht und Bun- dessozialgericht haben mehrfach die Schaffung solch einer materiellen Rechtsgrundlage gefordert. Bisher fehlt diese für die sogenannten Anhaltspunkte als auch für das Verfahren zu deren Erarbeitung. Auch die Zu- sammensetzung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, des Expertengremiums, das dieses Regelwerk erarbeitet und ständig überprüft, ist bislang nicht gesetzlich geregelt. Das wird nun durch die Änderung des Bundesversor- gungsgesetzes und den Verweis im Schwerbehinderten- recht, im SGB IX, erreicht. Auf dieser Basis wird das Bundesministerium für Ar- beit und Soziales dann kurzfristig den Entwurf einer Rechtsverordnung erarbeiten, auf deren Grundlage die Anhaltspunkte laufend nach medizinisch-wissenschaftli- chen Kriterien zu überprüfen und zu aktualisieren sind. Diese Aufgabe wird der neu gegründete Medizinische Sachverständigenbeirat übernehmen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12941 (A) (C) (B) (D) Für die Betroffenen wird sich also zunächst nichts än- dern. Inhaltliche Änderungen wird es nur mit neuen wis- senschaftlichen Erkenntnissen in der Medizin geben. Daneben sorgen wir mit dem vorliegenden Gesetzent- wurf für eine begriffliche Klarstellung im Bereich der Sozialen Entschädigung. Der bisher verwendete Begriff „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ führt in der Praxis immer wieder zu Missverständnissen. Kinder, die Opfer von Gewalt geworden sind, oder Kriegsopfer, die sich heute im Rentenalter befinden, sind kaum über ihre Erwerbsfähigkeit zu beurteilen, da sie schon aufgrund ihres Alters noch nicht oder nicht mehr erwerbsfähig sind. Darum führen wir den Begriff „Grad der Schädi- gungsfolgen“ ein. Damit haben wir für den Bereich des Sozialen Entschädigungsrechts eine deutlich zutreffen- dere Bezeichnung als bisher. Der Begriff „Grad der Schädigungsfolgen“ soll aber vor allem verdeutlichen, dass ein Gesundheitsschaden direkt aus einer Schädi- gung herrühren muss, um in diesem Rahmen Entschädi- gungsansprüche zu begründen. Es geht uns also allein um eine begriffliche Klarstellung. Substanziell ändert sich an der bisherigen Bewertung gesundheitlicher Schä- digungsfolgen nichts. Darüber hinaus werden einige Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts an den veränderten Sprachgebrauch angepasst. Außerdem ha- ben sich aufgrund von Änderungen in anderen Gesetzen einige redaktionelle Änderungen ergeben. Des Weiteren werden Rechtsfortentwicklungen durch höchstrichterliche Rechtsprechung, die bereits in der Praxis umgesetzt werden, nun auch in die Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts eingefügt. Dies be- trifft vor allem die Kriegsopferfürsorge. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme den Ge- setzentwurf grundsätzlich begrüßt. Allerdings hat er an einer Stelle verfassungsrechtliche und rechtssystemati- sche Einwendungen erhoben. Dabei geht es um die An- rechnung ausländischer Rentenleistungen. Die Bundes- regierung hat in ihrer Gegenäußerung zugesagt, die Einwendungen des Bundesrates zu überprüfen. Bisher konnte allerdings kein Einvernehmen erzielt werden. Die Bedenken des Bundesrates konnten nicht vollständig ausgeräumt werden. Darum haben wir die betreffende Vorschrift aus dem vorliegenden Gesetzesvorhaben herausgenommen. Wir können nun davon ausgehen, dass eine Anrufung des Vermittlungsausschusses und damit eine Verzögerung der unstrittigen Teile nicht mehr notwendig ist. Außer- dem wurden im Ausschuss einige redaktionelle Korrek- turen im Bereich des SGB IX vorgenommen. Jörg Rohde (FDP): Der heute zur Abstimmung ste- hende Gesetzentwurf enthält zahlreiche Vorschläge zu Verbesserungen und Klarstellungen im Bundesversor- gungsgesetz und im Sozialen Entschädigungsrecht. Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt diese notwendigen Korrekturen und unterstützt deshalb den Gesetzentwurf. Mit dem Gesetzentwurf wird eine Vielzahl leistungs- rechtlicher Klarstellungen im Bundesversorgungsgesetz erreicht. So werden zum Beispiel Brillengläser und Kon- taktlinsen für Geschädigte ersetzt, wenn diese gerade schädigungsbedingt eine Sehhilfe benötigen. Dies folgt aus dem Entschädigungsgedanken und rechtfertigt eine Abweichung vom Recht der gesetzlichen Krankenversi- cherung. Auch wird klargestellt, dass für Entschädigungsleis- tungen ambulante Rehabilitationsmaßnahmen möglich sein sollen, auch wenn dies im SGB V nicht mehr vorge- sehen ist. Die FDP begrüßt ferner – die Klarstellung, dass bei Behandlung Beschädigter auch die Reisekosten getragen werden. Dies ent- spricht der gegenwärtigen Verwaltungspraxis, – die Sicherstellung, dass Kriegsopferfürsorgeberech- tigte, die ihr Einkommen zur Bedarfsdeckung einzu- setzen haben, in Hinblick auf die Einkommensgrenze nicht schlechter dastehen als Leistungsberechtigte nach SGB XII (§ 85, 5. bis 9. Kapitel SGB XII), – dass sichergestellt wird, dass die Regelungen über den zusätzlichen Barbetrag auch für Empfänger von Entschädigungsleistungen gelten, – dass die Vorschriften zur Waisenrente im Entschädi- gungsrecht hinsichtlich der Gewährung über das 18. Lebensjahr hinaus, was die Anrechnung von Ein- kommen und Vermögen betrifft, an das Recht der Unfall- und Rentenversicherung angeglichen wer- den. Weiterhin wird im Bundesversorgungsgesetz der Be- griff „Grad der Erwerbsminderung“ durch den Begriff „Grad der Schädigungsfolgen“ ersetzt. Die FDP begrüßt, dass dadurch die Schädigung als Ursache für den Erhalt von Entschädigungsleistungen deutlicher als bisher ge- macht wird. Daneben enthält der Gesetzentwurf eine wesentliche organisatorische Veränderung: Die vom Bundesministe- rium für Arbeit und Soziales, BMAS, herausgegebenen „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbe- hindertenrecht“, AHP, werden auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Bisher gibt es für den Erlass der AHP keine gesetzliche Grundlage; dies läuft im Rahmen des Erlasses von Verwaltungsvorschriften durch das BMAS ab. Künftig regelt das Bundesversorgungsgesetz, wer an der Erstellung der AHP beteiligt wird und in wel- chem Verfahren die Vorschriften erstellt werden. Ferner begrüßt die FDP, dass in der Kriegsopferfür- sorge die Vorschriften über die Beteiligung von Beiräten gestrichen werden. Die Mitwirkung der Beiräte in grundsätzlichen Fragen der Kriegsopferfürsorge hat heute keine wesentliche Bedeutung mehr, da das BMAS hier in Zusammenarbeit mit den Integrationsämtern und Hauptfürsorgestellen „Empfehlungen zur Kriegsopfer- fürsorge“ herausgegeben hat. Eine Beteiligung der Bei- räte beim Erlass von Richtlinien findet nicht mehr statt. Für Entscheidungen in Widerspruchsverfahren treten die Beiräte bereits heute nur noch selten zusammen, und dies ist laut BMAS zeitlich und organisatorisch sehr auf- wendig. 12942 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Die im Ausschuss beratenen Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen haben darüber hinaus allerdings er- neut gezeigt, dass die Sozialgesetzgebung mittlerweile so kompliziert geworden ist, dass selbst das Bundesmi- nisterium für Arbeit und Soziales erst mit Jahren Verspä- tung bemerkt, dass lange zurückliegende Änderungen in den Sozialgesetzbüchern noch immer keinen Eingang in die daran anknüpfende Sozialgesetzgebung gefunden ha- ben. Exemplarisch sei hier nur die bereits 2006 erfolgte Klarstellung des Merkzeichens „B“ genannt, die im Bundesversorgungsgesetz noch nicht übernommen war und jetzt, mit über einem Jahr Verspätung, nachgeholt werden muss. Die FDP ermahnt daher die Bundesregie- rung, weiter an der Vereinfachung und Entflechtung der Sozialgesetzgebung zu arbeiten. Dem heute vorliegen- den Gesetzentwurf stimmt die FDP aber zu. Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE): Das Bundesversorgungsrecht regelt die Versorgung bei Ge- sundheitsschäden, für deren Folgen die staatliche Ge- meinschaft in Abgeltung eines besonderen Opfers oder aus anderen Gründen nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen einzustehen hat. Kernstück der sozialen Entschädigung ist die Kriegsopferversorgung als eines der größten Probleme, die von der Bundesrepublik Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkriegs zu be- wältigen waren. Nach dem letzten Sozialbudget-Bericht der Bundesregierung beliefen sich die Ausgaben für so- ziale Entschädigung auf cirka 3,9 Milliarden Euro – der Großteil Einkommensleistungen/Renten, 2,4 Milliarden Euro sowie 1 Milliarde Sachleistungen. Das vorliegende Änderungsgesetz beinhaltet folgende Schwerpunkte: Erstens. Das Ausmaß einer auszugleichenden Schädi- gung wird nach den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit“ ermittelt. Diese Anhaltspunkte sind in konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu be- achten. Von verschiedenen Gerichten ist die fehlende de- mokratische Legitimation dieser Anhaltspunkte kritisiert worden, da ihnen eine gesetzliche Rechtsgrundlage fehlte. Der Gesetzentwurf führt nunmehr in das Bundes- versorgungsgesetz eine Ermächtigungsgrundlage für eine Rechtsverordnung ein, um eine Rechtsgrundlage zu schaffen. Eine inhaltliche Änderung erfolgt nicht. Die Linke hat hiergegen keine Vorbehalte. Zweitens. Der Begriff „Minderung der Erwerbsfähig- keit“ wird in dem Zusammenhang des Versorgungs- rechts als irreführend interpretiert, da er die Vorausset- zungen für den Leistungsbezug nicht erkennbar macht. Er wird daher systematisch ersetzt durch den Begriff „Grad der Schädigungsfolgen“. Mit der begrifflichen Neufassung sind nach der Begründung keine materiellen Veränderungen verbunden, insofern kann Die Linke auch hier zustimmen. Drittens. Hinzu kommen einige weitere Änderungen im Bereich der Kriegsopferfürsorge sowie im Bereich der Heil und Krankenbehandlung. Dass es dabei auch zu einigen – wenn auch kleineren – Verschlechterungen für die Betroffenen im Rahmen der stationären Eingliede- rungshilfe hinsichtlich der Pflegezulage und im Bereich der Heil- und Krankenbehandlung kommt, können wir nicht mittragen. Auch die Streichung der Beteiligung von Beiräten in der Kriegsopferfürsorge vermögen wir nicht nachzuvollziehen. Die Beteiligung von einschlägi- gen Verbänden ist ein Stück praktizierte Demokratie, welche bewahrt und eher ausgebaut werden sollte. Auf diesem Hintergrund kann meine Fraktion ihrem Entwurf nicht zustimmen, und wir werden uns enthalten. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist im Großen und Ganzen vernünftig, da er viele gesetzliche Klarstellun- gen schafft. Durch eine Verordnungsermächtigung wird eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die „An- haltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbe- hindertenrecht“, AHP, geschafft. Dies fordert die höchst- richterliche Rechtsprechung seit langem. Die Bundes- regierung plant des Weiteren, den neuen Rechtsbegriff „Grad der Schädigungsfolgen“, GdS, einzuführen. Dies soll den bisher geltenden Begriff „Minderung der Er- werbsfähigkeit“, MdE, ablösen. Die MdE beschreibt den Grad der Funktionsbeeinträchtigung in Prozent. Mit dem Begriff „Grad der Schädigungsfolgen“ soll künftig im Sozialen Entschädigungsrecht deutlich gemacht werden, dass das Bundesversorgungsgesetz, BVG, „keinen umfas- senden Ersatz aller Gesundheitsschäden anstrebt und zu- dem auch nicht nur auf das Erwerbsleben beschränkt ist“. Er soll künftig die Auswirkungen von Funktionsbeein- trächtigungen in allen Lebensbereichen abdecken und nicht nur die Einschränkungen im Erwerbsleben. Darüber hinaus setzen wir mit dem Gesetzentwurf die notwendi- gen Korrekturen und Anpassungen im Sozialen Entschä- digungsrecht und in Gesetzen, die auf das Soziale Ent- schädigungsrecht Bezug nehmen, um. Ich möchte Ihnen nun aber kurz erklären, warum die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen dem Ge- setzentwurf trotz seiner vielen Verbesserungen nicht zu- stimmen kann: Die Bundesregierung versäumt es zum wiederholten Male, eine grundsätzliche und einheitliche Diskussion über die Feststellung einer Behinderung vor- zunehmen. Der Behinderungsbegriff muss konsequent nach der „Internationalen Klassifikation von Funk- tionseinschränkungen und Behinderungen“, ICF, be- stimmt werden. Diese unterscheidet Schädigungen, Ak- tivitätseinschränkungen und Partizipationsverluste, die im Wechselverhältnis von Funktionsverlusten und Kon- textfaktoren entstehen. Der Behinderungsbegriff der ICF ist allgemeiner und umfassender als der Begriff gemäß § 2 Abs. 1 Sozialgesetzbuch IX. Wird der allgemeine Behinderungsbegriff der ICF verwandt, sollte daher auch besser von einer „Beeinträchtigung der funktionalen Ge- sundheit“ gesprochen werden. Diese Definition folgt dem Geist der UN-Konvention zu den Rechten von Menschen mit Behinderungen. In einer Übersetzung vom 16. Februar 2007 ist der Personenkreis von „Men- schen mit Behinderungen“ in Art. 1 der Konvention wie folgt definiert: „Der Begriff ,Menschen mit Behinderun- gen‘ umfasst Menschen mit langfristigen körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesschädigungen, die sie im Zusammenwirken mit verschiedenen Barrieren daran Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12943 (A) (C) (B) (D) hindern können, gleichberechtigt mit anderen uneinge- schränkt und wirksam an der Gesellschaft teilzuneh- men.“ Infolge unterschiedlicher Behinderungsbegriffe in den verschiedenen Büchern des Sozialgesetzbuches kommt es darüber hinaus zu enormen Schnittstellenpro- blemen. So knüpft der Behinderungsbegriff des III. Bu- ches Sozialgesetzbuch zwar grundsätzlich an die Defini- tion des IX. Buches Sozialgesetzbuch an, nimmt aber zusätzlich Bezug auf die Teilhabefähigkeit am Arbeitsle- ben und zieht ausdrücklich den Personenkreis der Men- schen mit sogenannten Lernbehinderungen ein. Zwar wird in den Büchern II, V und VI des Sozialgesetzbu- ches ein Behinderungsbegriff verwandt, dieser wird aber weder nach Art noch nach Schwere der Behinderung nä- her konkretisiert. Ähnliche Schwierigkeiten finden wir in den Büchern VIII, XI und XII Sozialgesetzbuch vor. Zurzeit sind noch keine einheitlichen erprobten In- strumente zur Einschätzung und Bewertung einer indivi- duellen Situation entsprechend der ICF vorhanden. Im Rahmen der Beschäftigung mit den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädi- gungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ hätte parallel mit dem Prozess der Umsetzung der UN- Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinde- rungen ebensolche Instrumente diskutiert und entwickelt werden müssen. Es müssen ferner, ähnlich wie beim Pflegebedürftigkeitsbegriff, endlich finanzielle Ressour- cen zur Verfügung gestellt werden, um auch einen Be- hinderungsbegriff entsprechend der ICF zu entwickeln. Da all die von mir genannten Punkte in dem vorlie- genden Gesetzentwurf nicht einmal andiskutiert werden, können meine Fraktion und ich dem Gesamtpaket – trotz überwiegend zu begrüßender Veränderungen – nicht zu- stimmen. Unser Votum lautet: Enthaltung. Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Ände- rung des Gentechnikgesetzes – Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ände- rung des EG-Gentechnik-Durchführungs- gesetzes – Antrag: Kennzeichnung gentechnikfreier Fütterung bei tierischen Produkten ermögli- chen – Antrag: Schutz von Mensch, Umwelt und gentechnikfreier Produktion im Gentechnik- recht bewahren (Tagesordnungspunkt 32 a und b und Zusatz- tagesordnungspunkte 9 und 10) Dr. Max Lehmer (CDU/CSU): Problem und Ziel des Entwurfes der Bundesregierung eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes lauten wie folgt: Das deutsche Gentechnikrecht ist so auszugestalten, dass Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland befördert werden. Der Schutz von Mensch und Umwelt bleibt, entsprechend dem Vorsorgegrund- satz, oberstes Ziel des Gentechnikrechts. Die Wahlfrei- heit der Landwirte sowie der Verbraucher und die Koexistenz der unterschiedlichen Bewirtschaftungsfor- men bleiben gewährleistet. Diese sind die unumstritte- nen Ziele bei der Gestaltung der rechtsverbindlichen Be- dingungen für Forschung und Anwendung der Grünen Gentechnik. Das Dritte Gesetz zur Änderung des Gentechnikge- setzes wurde am 17. März 2006 erlassen und damit die ordnungsgemäße Umsetzung der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG vorgenommen. In der Zwischenzeit wurden zahlreiche Expertengespräche und Anhörungen aller be- teiligten Interessensgruppen durchgeführt, mit dem Ziel, den einzelnen Interessenlagen gerecht zu werden. Auf dieser Grundlage wurde das Eckpunktepapier durch das Bundeskabinett verabschiedet, auf dessen Basis die wei- tere Novellierung des Gentechnikgesetzes vorbereitet wurde. Der vor uns liegende Gesetzentwurf ist ein politi- scher Kompromiss. Lassen Sie mich kurz die vier – aus meiner Sicht – zentralen Punkte bei der anstehenden Novellierung des Gentechnikrechts ansprechen: Erstens. Die Kennzeichnung. Die umfassende Kenn- zeichnung ist die Grundlage für Transparenz und damit die Voraussetzung einer vollen Wahlfreiheit. Die jetzt vorgesehene Kennzeichnung „Ohne Gentechnik“ wird meines Erachtens diesen bisher gesetzten Zielen einer vollständigen und alle Produktionsstufen umfassenden Kennzeichnung keinesfalls gerecht. Die volle Wahlfrei- heit für den Verbraucher wäre damit nicht gewährleistet. Ich plädiere für eine prozessorientierte Kennzeichnung, bei der der Einsatz jedweder gentechnisch veränderter Organismen, also auch von Mikroorganismen, Enzymen oder Tierarzneimitteln, bei der Herstellung von Lebens- mitteln Berücksichtigung findet. Zweitens. Anbauabstände. In dem aktuell gültigen Gentechnikrecht sind Anbauabstände nicht festgelegt. Anbauabstände bilden jedoch einen wichtigen Baustein für den praktischen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen und damit auch für ein geregeltes Nebeneinan- der verschiedener Anbausysteme – der Koexistenz. Ausreichende Abstände dienen dazu, Haftungsfälle möglichst auszuschließen. Allerdings stellen die vorlie- genden Abstände von 150 Meter bzw. 300 Meter rein politische Werte dar. Sie basieren leider nicht auf wis- senschaftlichen Erkenntnissen. Dagegen haben Wissen- schaft und Forschung durch Ihre Versuche einen Anbau- abstand von 50 Meter wiederholt als absolut ausreichend belegt. Ein solches Vorgehen sollte keinesfalls für künftige Festlegungen von Abstandwerten zur Regel werden. Vielmehr sind neue Erkenntnisse aus den vielen laufen- den und geplanten Versuchen als Grundlage zu verwen- den. 12944 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Sehr zu begrüßen ist die im Entwurf vorgesehene Möglichkeit für Landwirte, untereinander Absprachen zur Reduzierung der Abstände zu treffen. Dies ist eine praktikable Möglichkeit, Haftungsfälle von vornherein auszuschließen und das Nebeneinander einvernehmlich zu regeln. Drittens. Standortregister. Wichtig ist: Wir stehen zur Transparenz des GVO-Anbaus. Gesetzlich erlaubter und nach den Regeln der guten fachlichen Praxis erfolgter Anbau ist legitim und muss nicht verborgen werden. An- dererseits gewinnt die Frage nach dem Schutz geneh- migter Anbau- und Versuchsflächen aufgrund der erheb- lichen Zunahme von Feldzerstörungen eine immer größere Bedeutung. Die sich leider häufenden Feldzerstörungen verursa- chen erhebliche Kosten für Unternehmen und For- schungsinstitute und vernichten wissenschaftliche Er- kenntnisse. Sie sind deshalb scharf zu verurteilen. Freilandversuche sind unverzichtbar und dienen der wichtigen Erkenntnisfindung über die ökologischen Auswirkungen des GVO-Anbaus. Praktikable Maßnah- men zur Vermeidung solcher Zerstörungen sind unum- gänglich und umgehend zu entwickeln. Viertens. Haftung. Der Entwurf des Vierten Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes sieht keine Ände- rung der Haftungsregelungen vor. Das ist das Ergebnis eines von Bundesminister Seehofer durchgeführten Fachgesprächs mit Experten aus Wissenschaft, Recht- sprechung und den Bundesministerien. Das Haftungsrecht darf nicht dazu führen, dass Land- wirte von einem Anbau zugelassener und als sicher be- werteter gv-Pflanzen abgeschreckt werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Definition des Scha- densereignisses. Ein solches liegt erst dann vor, wenn durch Auskreuzung einer gv-Pflanze gentechnisch-ver- änderte Pflanzenanteile oberhalb des Schwellenwertes von 0,9 liegen und damit ein Vermarktungsverlust auf- tritt. Aus diesem Grunde kommt dem Schwellenwert eine erhebliche Bedeutung zu. Aus Gründen der Rechts- sicherheit ist dieser vom Gesetzgeber vorzugeben und darf nicht von Dritten – zum Beispiel potenziellen Ab- nehmern – bestimmt werden. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Anbau von gv-Pflan- zen, bei Einhaltung der guten fachlichen Praxis, nicht zu einem unkalkulierbaren Risiko werden darf. Schluss. Alle neuen Regelungen zur Gentechnologie müssen dem Ziel dienen, Forschung und Anwendung er- folgversprechender zugelassener und risikogeprüfter gentechnisch veränderter Pflanzen zu ermöglichen. Wie bei jeder anderen neuen Technologie müssen auch bei der Grünen Gentechnik nach erfolgter konsequenter Ri- sikoabklärung die Chancen und Potenziale genutzt wer- den können. Bei der anstehenden neuen Generation von gentechnisch veränderten Pflanzen geht es um wichtige neue Pflanzeneigenschaften: verbesserte Nährstoffge- halte, höhere Energiedichte zur Energiepflanzennutzung, bessere Eignung für schwierige Standorte und Wider- standsfähigkeit gegen klimatischen Stress sowie größere Resistenz gegen Schädlinge und Krankheiten zur Ver- meidung von Ertrags- und Qualitätsverlusten, um die Wichtigsten zu nennen. Die großen globalen Herausforderungen, gesunde und ausreichende Ernährung sowie sichere Rohstoff- und Energieversorgung durch Pflanzenanbau, machen es dringend erforderlich, die Leistungsfähigkeit der land- wirtschaftlichen Kulturpflanzen in dieser Richtung zu steigern. In diesem Zusammenhang kann die Grüne Gentechnik die bisher praktizierten Züchtungsmethoden erfolgreich ergänzen. Elvira Drobinski-Weiß (SPD): An die 30 000 Mails sind innerhalb von nur drei Tagen beim Bundestag ein- gegangen, in denen Bürgerinnen und Bürger sich da- rüber beschweren, dass diese Debatte zum Gentechnik- gesetz zu nachtschlafender Zeit stattfindet. Das zeigt uns, wie interessiert die Menschen die Entwicklung des Gentechnikrechts verfolgen, und sollte uns gemahnen, sensibel mit dem Thema umzugehen und für Vertrauen zu sorgen, indem wir für rechtliche Rahmenbedingungen eintreten, die durchgehend dem Vorsorgeprinzip gerecht werden. Ein gentechnisch veränderter Organismus ist ein Organismus, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedin- gungen durch Kreuzen oder durch natürliche Rekombi- nation nicht vorkommt. So lautet die in § 3 unter Punkt 3 im Gentechnikgesetz vorgenommene Begriffsbestim- mung für einen GVO. Diese Definition verdeutlicht die Problematik, die sich aus dem Einsatz der Gentechnik im offenen System, auf dem Acker ergibt: Diese Organismen kommen in der Natur nicht vor; einmal freigelassen können sie sich dort aber verbreiten und sind nicht rückholbar. Das kann Auswirkungen haben auf die Umwelt, auf bewirtschaf- tete und auf unbewirtschaftete Flächen. Deshalb müssen für den Einsatz der Gentechnik auf dem Feld ganz an- dere Bedingungen gelten als für Arbeiten mit GVO im geschlossenen System, unter Laborbedingungen. So stellt ein Gentechnikgesetz, welches einerseits den An- bau von GVO-Pflanzen ermöglichen und andererseits Mensch, Umwelt und gentechnikfreie Wirtschaft vor den Auswirkungen des GVO-Anbaus schützen soll, ein we- nig den Versuch der Quadratur des Kreises dar. In meiner bisher noch kurzen Laufbahn im Deutschen Bundestag ist es bereits das zweite Mal, dass ich am Rin- gen um ein neues Gentechnikgesetz beteiligt bin. Die Probleme, die es dabei zu lösen gilt und die Fragen, die sich stellen, sind die gleichen geblieben wie beim ersten Mal. Die Antworten, die wir mit dem noch geltenden Gesetz darauf gefunden haben, waren sehr pragmatisch. Nach meiner Überzeugung werden sie sich am Ende nicht groß unterscheiden können von denen, die wir diesmal finden. Allerdings haben wir die Chance, bereits gewonnenen Erfahrungen einfließen lassen und sich ab- zeichnende Entwicklungen aufnehmen zu können. Der Entwurf des Gentechnikgesetzes, der heute ein- gebracht wird, ist aus unserer Sicht eine gute Beratungs- grundlage. Mit der Beibehaltung der Haftungsregelung und des flurstückgenauen öffentlichen Standortregisters bleiben in ganz zentralen Punkten die Interessen des gentechnikfreien Anbaus und der Verbraucherinnen und Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12945 (A) (C) (B) (D) Verbraucher gesichert: Die Verursacher müssen im Scha- densfall weiterhin Ausgleich leisten, und Bürgerinnen und Bürger können sich weiterhin im Internet darüber informieren, wo gentechnisch veränderte Pflanzen ange- baut werden. Ich bin sehr froh, dass wir uns mit unserem Koalitionspartner darauf geeinigt haben, denn das ist un- bürokratisch, transparent und schafft Vertrauen. Wir werden nun in den Ausschussberatungen und zu- sammen mit den Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung am 26. November noch einige offene Fragen zu diskutieren haben, die sich für uns zum Beispiel im Zusammenhang mit der in § 16 b des Gesetzentwurfs neu geschaffenen Möglichkeit der nachbarschaftlichen Vereinbarungen ergeben. Hier könnte die Gefahr beste- hen, dass dem Nachbarn, der auf die Einhaltung des Mindestabstands zwischen seinem Feld und dem GVO- Anbau verzichtet, nicht alle Folgen bewusst sind, die sich daraus für ihn ergeben, zum Beispiel die Kenn- zeichnung seiner Produkte, die einzuhaltenden Vorsorge- maßnahmen usw. Daraus könnten Schäden, Konflikte und Rechtsstreitigkeiten entstehen. So etwas kann nicht den Gerichten überlassen werden, und wir sollten prü- fen, wie dies von Anfang an klar geregelt werden kann. Wir werden noch einige andere Fragen diskutieren müssen, aber dafür wird es noch reichlich Gelegenheit geben. Ein Punkt, der nicht direkt das Gentechnikgesetz be- trifft, der aber im Zusammenhang mit dem Gentechnik- gesetz vereinbart worden ist, ist die Kennzeichnung tie- rischer Produkte. Ich bin sehr froh darüber, dass wir uns mit Minister Seehofer und dem Koalitionspartner darauf geeinigt haben, hier eine Regelung zu finden, die es Ver- braucherinnen und Verbrauchern möglich machen soll, bei Milch, Eiern, Fleisch und daraus gefertigten Produk- ten zu erkennen, ob diese von gentechnikfrei gefütterten Tieren stammen. Das wird ein enormer Fortschritt sein; denn hier klafft bislang eine Lücke: Nach den EU-Kennzeichnungsrege- lungen müssen gentechnisch veränderte Futtermittel zwar gekennzeichnet werden, aber diese Information findet sich nicht auf dem Endprodukt. Deshalb wissen die Konsumenten bisher nicht, ob zum Beispiel die Milch von mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüt- terten Kühen stammt oder nicht. Mit der Kennzeichnung werden sie endlich auch bei konventionellen Erzeugnis- sen auswählen können; sie werden die Möglichkeit be- kommen, bewusst zu entscheiden, ob sie mit ihrem Kauf den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen unterstüt- zen wollen. Gerade der Anbau von gentechnisch verän- derten Pflanzen, von Organismen, die es in der Natur nicht gibt, die sich dort aber unkontrolliert verbreiten können, ist ein sensibles Thema. Deshalb müssen Ver- braucherinnen und Verbraucher Wahlfreiheit haben; die Produkte dürfen ihnen nicht länger aufgezwungen wer- den. Nur so lassen sich Vertrauen und Akzeptanz gewin- nen. Ein Vorschlag für eine Kennzeichnungsregelung muss nun zügig vorgelegt werden, denn sie ist wichtiger Mosaikstein einer Einigung über gesetzliche Regelungen im Gentechnikbereich. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Die schwarz- rote Koalition hat entschieden, die Einbringung ihrer Novelle des Gentechnikgesetzes als letzten Tagesord- nungspunkt am gestrigen Donnerstag, also am Freitag- morgen um 4.15 Uhr vorzusehen. Damit soll sicherge- stellt werden, dass niemand die Debatte im Fernsehen verfolgen kann. Wie viel Angst hat diese Regierung, dass sie ein Gesetzeswerk, an dem sie angeblich über zwei Jahre gearbeitet hat, zu nachtschlafender Zeit im Bundestag vorstellt? Und ihre Befürchtungen sind be- gründet. Das Gesetzeswerk schadet Deutschland, scha- det den Menschen in diesem Land, und deswegen sollte es nie das Licht der Welt erblicken. In Umfragen äußert sich eine Mehrheit der Menschen ablehnend zu den Produkten der Grünen Gentechnik. Das kann angesichts von Medienkampagnen der Gegner nicht verwundern. Wir wissen von umfangreichen Un- tersuchungen, dass die Ablehnung oder Befürwortung eines Produkts nicht unbedingt einen Niederschlag auch im Kaufverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher findet. Deshalb fürchten die Gegner der Gentechnik nichts mehr, als dass Verbraucherinnen und Verbraucher die Chance erhalten, sich an der Ladentheke selbst zu entscheiden. Verantwortliche Politiker haben die Pflicht, ihr Han- deln nicht an der Stimmung des Augenblicks auszurich- ten, sondern an übergeordneten Erfordernissen: Siche- rung der Lebensgrundlagen, Erhalt und Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die Bundesregierung hat dies mit der Ini- tiierung ihrer Hightechstrategie richtig erkannt. Doch sie ist zu schwach, trotz Großer Koalition, die zielführenden Gesetzesinitiativen auf den Weg zu bringen. Dazu gehört ein innovationsfreundliches Gentechnikgesetz, das er- möglicht, dass im Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern, im Interesse der Landwirte die in Europa zugelassenen transgenen Pflanzensorten ohne Schikane und Furcht vor Zerstörung durch Demonstrationstouris- ten angebaut werden können. Die bestehende Innova- tionsführerschaft deutscher Forschungsinstitute und Un- ternehmen braucht Rahmenbedingungen, die die zügige Entwicklung marktfähiger Produkte ermöglichen. Die FDP hat bereits im Januar einen Entwurf zur No- vellierung des Gentechnikgesetztes vorgelegt – Drucksa- che 16/4143. Unser Entwurf berücksichtigt ausgewogen die unterschiedlichen Positionen und ermöglicht Rechts- sicherheit für alle Marktbeteiligten. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung erreicht nichts von allem. Es ist absurd, nach 20 Jahren Risikoforschung, nach elf Jahren Anbau von GVO auf inzwischen über 100 Millionen Hektar Fläche über hypothetische Risiken zu philosophieren, statt die Chancen dieser Züchtungs- methode entschlossen zu nutzen. Schädlingsresistente Sorten, der Goldene Reis, haben lange bewiesen, dass sie ein erhebliches Potenzial besitzen, die Landwirt- schaft naturnäher zu gestalten, die Gesundheit der ärms- ten Menschen zu fördern. Es sind die satten Europäer, die mit ihren Kassandrarufen verhindern, dass Armut und Hunger in der Welt entschlossen bekämpft werden. All diejenigen, die sich in den vergangenen Jahren als Kassandra betätigt haben und Horrorszenarien an die 12946 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Wand schrieben, sind aufgefordert, zur Realität zurück- zukehren, ihre Position zu korrigieren und die Bevölke- rung wissensbasiert zu informieren. Im jetzigen Novellierungsentwurf der Bundesregie- rung kritisiert die FDP insbesondere folgende Punkte: Der Schwellenwert der Kennzeichnung muss als Haf- tungsschwellenwert festgeschrieben werden. Nur so kann die geforderte Rechtssicherheit für alle Beteiligten – auch die Ökobauern – geschaffen werden. Die Vorstel- lung, dass Landwirte, die GVO anbauen, mit dem Gesetz gezwungen werden könnten, für die Einhaltung privat- rechtlicher Verträge anderer zu haften, mit denen der von der EU vorgegebene Schwellenwert von 0,9 Prozent ausgehebelt werden soll, ist rechtsstaatlich nicht haltbar. Die Bevölkerung hat ein Recht auf umfassende Infor- mationen über die Züchtungsmethode Grüne Gentech- nik. Als Liberale fühlen wir uns dem mündigen Bürger verpflichtet, der eigenverantwortlich entscheiden möchte und dafür wissenschaftlich fundierte Sachinformationen braucht. Wir fühlen uns in gleicher Weise dem Schutz des Eigentums verpflichtet. Deswegen erfüllen uns die zahlreichen Zerstörungen von Feldern, die mit gentech- nisch veränderten Pflanzen bestellt sind, mit Sorge. Die Vorgänge zeigen, dass das öffentliche Standortregister von Demonstrationstouristen als Einladung zur Zerstö- rung von Feldern empfunden wird. Dies muss unterbun- den werden. Volle Transparenz kann nur gewährleistet werden, wenn diese nicht missbraucht wird, um Felder zu zerstören. Es ist schlichte Geldverschwendung, wenn Forschungsinstitute und Unternehmen die knappen For- schungsmittel für die Überwachung ihrer Versuche aus- geben müssen. Der öffentliche Teil des Standortregisters darf somit nur auf die Gemarkung genau Auskunft ge- ben. Mit der flurstücksgenauen Ausweisung der GVO- Flächen leistet der Staat Feldzerstörungen Vorschub. Die Abstandsregelungen dienen der Organisation der Koexistenz. Dadurch wird gewährleistet, dass kein zu- fälliger Polleneintrag auf Felder von Landwirten ge- langt, die auf den Anbau von GVO verzichten wollen. Die Festlegung der Abstände für Mais missachtet die Er- gebnisse der eigenen Ressortforschung. Unterschiedli- che Abstände für konventionelle Landwirtschaft und Ökolandbau sind nicht erforderlich, denn es gilt immer derselbe Schwellenwert von 0,9 Prozent. Wir unterstützen die Regelung, dass auf benachbarten Feldern, auf denen GVO angebaut werden, kein Abstand erforderlich ist. Private Absprachen zwischen Landwir- ten sind üblich und sinnvoll und erleichtern die Organisa- tion der Koexistenz. Es ist nicht verständlich, warum es erforderlich sein soll, das Auskreuzen von GVO-Mais auf einem Feld, auf dem ebenfalls GVO-Mais angebaut wird, zu verhindern. Eine solche Forderung müssen Landwirte, die in den Regionen mit starkem Maiszüns- lerbefall Mais anbauen, als Schikane empfinden. Da- rüber hinaus gibt es auch Nutzungen der Ernte, die keine Kennzeichnung erfordern: Das ist bei der Verwendung als Tierfutter oder Rohstoff für die Biogasanlage auf dem eigenen Hof der Fall. In diesen Fällen sind eventuell Ein- kreuzungen unerheblich, es entsteht kein finanzieller Nachteil. Hinzu kommt, dass benachbarte Landwirte oh- nehin über Nacht eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden können, die die Felder gemeinsam bewirtschaftet. Die Berichterstattung in den führenden Printmedien zeigen die enormen Chancen der Züchtungsmethode Grüne Gentechnik auf. Der Nobelpreisträger Norman Borlaug hat ein überzeugendes Plädoyer für die Anwen- dung der Grünen Gentechnik zur Bekämpfung des Welt- hungers veröffentlicht. Die FDP hat dazu in ihrem An- trag auf Drucksache 16/6714 konkrete Vorschläge unterbreitet und diese mit einer Vielzahl von Beispielen unterlegt. Europa – und insbesondere Deutschland – sollte endlich seine rückwärtsgewandten Träumereien beenden. Nicht die Wünsche satter Europäer sollten Maßstab der Bewertung der Grünen Gentechnik sein, sondern die Erfordernisse der Bekämpfung von Hunger und Armut in den ärmsten Ländern der Erde. Von Horst Seehofer ist keine zukunftsorientierte Poli- tik zu erwarten. Ob Milchquote, Gammelfleisch oder eben Gentechnik: Er duckt sich weg. Die Atmosphäre um die Anwendung der Grünen Gentechnik ist in Deutschland vergiftet – und maßgeblich dazu beigetra- gen haben die vorherige und auch die jetzige Bundesre- gierung. Anstatt mit gutem Beispiel voranzugehen und sichere Innovationen in Deutschland zu begrüßen, wer- den scheinbar gefühlte Risiken vermittelt. Die Quittung für die populistische Politik des Herrn Seehofer wird der Union schneller präsentiert werden, als es CDU und CSU heute bewusst und lieb ist. Denn sobald gentechnisch veränderte Futtermittel aus Übersee nicht mehr nach Europa importiert werden, ist die Vered- lungswirtschaft in Deutschland massiv bedroht. Das gilt ganz besonders für die Schweineproduktion, die auf Soja als Eiweißquelle nicht verzichten kann. Die Fortführung der Anti-Gentechnikpolitik à la Künast durch die vorlie- gende Gentechniknovelle ist eine „Kampfansage“ an die deutsche Schweine- und Geflügelhaltung. Diese dro- hende Vernichtung von Arbeitsplätzen und Wertschöp- fung vor allem im ländlichen Raum ohne erkennbaren Nutzen für die Verbraucher wird die FDP massiv be- kämpfen. Jetzt ist die Führungskraft der Bundeskanzlerin gefor- dert, die nicht weiter nach dem Grundsatz „Da mische ich mich nicht ein“ verfahren darf, sondern die im Koali- tionsvertrag festgelegte Förderung von Forschung und Anbau in Deutschland umsetzen muss. Mit Minister Seehofer ist die CDU/CSU-Fraktion völlig von der zu gemeinsamen Oppositionszeiten getragenen innova- tionsfreundlichen Gentechnikpolitik abgerückt. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Heute ist kein guter Tag für die gentechnikfreie Landwirtschaft und Imkerei in Deutschland. Es wäre aber noch schlimmer gekommen, wenn sich die CDU/CSU durchgesetzt hätte. Zum Beispiel wäre dann das öffentlich zugängliche Standortregister einfach abgeschafft worden. Auf diesem Teilerfolg sollten Sie sich aber nicht ausruhen, liebe Kol- leginnen und Kollegen der SPD. Im Ausschuss sollten wir ernsthaft darüber diskutieren, wie die Risiken des Abenteuers Agrogentechnik weiter deutlich reduziert werden können. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 12947 (A) (C) (B) (D) Die vorliegenden Änderungsvorschläge zum Gen- technikgesetz und der damit verbundene Entwurf der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung werden die gentechnikfreie Landwirtschaft und Imkerei, ob konven- tionell oder ökologisch arbeitend, langfristig nicht si- chern. Aber genau das steht in § 1: die Sicherung der Koexistenz zwischen gentechnisch veränderten und un- veränderten Pflanzen. Was aber tun, wenn die Verschlep- pungsrisiken kaum zu kontrollieren sind? Mit welchen Maßnahmen können dann die gentechnikfreie Landwirt- schaft, die Imkerei und die Verbraucherinnen und Ver- braucher geschützt werden? Der französische Präsident Sarkozy hat darauf eine Antwort: Er hat ein Moratorium des Anbaus von gentechnisch verändertem Mais ver- hängt. Ihr konservativer Kollege hat gute Gründe dafür, Frau Merkel! Aber kommen wir zum Gesetzesentwurf. Ich werde mich auf drei Aspekte konzentrieren: Erstens die Er- leichterungen der Forschung; zweitens die Transparenz und drittens die Haftungsfragen. Erstens: Die Regierung will die Forschung erleichtern. Dafür werden Vorsorge- maßnahmen schlichtweg abgeschafft und Sicherheitsbe- denken beiseite geschoben. Die Worte „Wahlfreiheit“ und „Koexistenz“ aus dem Koalitionsvertrag werden da- mit zur Farce. In § 2 ermächtigen Sie die Bundesregie- rung, bestimmte Genpflanzen von der Kontrolle und der nachträglichen Anordnungen zu befreien. Ich frage Sie warum? Ist der Preis nicht zu hoch für diese Verfahrens- beschleunigung im Namen der Forschungsfreiheit? Die Linke sieht keine sinnvolle Begründung dafür, dieses er- kennbare Risiko einzugehen. Wir lehnen daher einen so riskanten Freifahrschein für den Forschungsstandort Deutschland kategorisch ab. Aber es gibt noch mehr Forschungsförderung dieser Art. Nach § 14 Abs. 4 soll das sogenannte vereinfachte Verfahren, das bereits jetzt aufgeweicht war, weiter er- leichtert werden. Es soll Standard statt Ausnahme wer- den. Das heißt im Klartext: Im Gegensatz zur bisherigen Regelung muss der Antragsteller eine Freisetzung nur für den ersten Standort beantragen, jedoch nicht für wei- tere Freisetzungen – diese sollen nur noch nachgemeldet werden, selbst wenn es andere Standorte betrifft. Da aber bedeutet: keine Anhörung mehr, keine stand- ortbezogene Prüfung, keine Transparenz. Diese undemo- kratische Regelung ist inakzeptabel. Gerade bei dieser Risikotechnologie brauchen wir mehr Transparenz statt weniger. Alles andere ist industriehörige monopolisti- sche Politik und als vertrauensbildende Maßnahme nicht geeignet. Mit Verbraucher- und Umweltschutz hat das alles nichts zu tun. Deshalb lehnt Die Linke diese Rege- lung ab. Zweitens, die Transparenz: Hier sind die privaten Ab- sprachen ein Problem. Künftig sollen die Sicherheitsab- stände der guten fachlichen Praxis durch Absprachen von Gartenzaun zu Gartenzaun unterlaufen werden. Das soll dann zwar noch aufgeschrieben werden, aber: wer bitte erfährt dann noch wie von den Absprachen? Das wird im Gesetzentwurf nicht mal erwähnt. Transparenz ist offensichtlich nicht gewollt. Diese Regelung ist nicht nur ein Kontaminationsrisiko, sondern garantiert sie ge- radezu! Diese Ausnahmeregelung muss ersatzlos gestri- chen werden. Sie ist auch für Außenstehende nicht nach- vollziehbar ist. Die kontrollierenden Behörden können die Einhaltung dieser gesetzlichen Regelung gar nicht wirksam überprüfen. Damit werden die Landesbehörden wieder mal im Regen stehen gelassen! Für Die Linke ist die Einhaltung der Sicherheitsabstände ohne Ausnahmen eine Mindestforderung. Kommen wir zu Punkt drei, der Frage der Haftung. Wer haftet für kontaminierte Felder und Ernten, für indi- rekte Schäden zum Beispiel durch Mehrkosten zur gen- technikfreien Lebensmittelproduktion? Die Linke hat eine Kleine Anfrage zu den volkswirtschaftlichen Kos- ten dieser Risikotechnologie vorgelegt, auf deren Beant- wortung viele Interessierte warten. Doch zurück auf den Bauernhof. Wie läuft die Haftung von Betrieb zu Betrieb? Die Regelung zur gesamtschuld- nerischen Haftung bleibt entgegen der katastrophalen Vorschläge des Eckpunktepapiers aus dem Hause Seehofer vom Februar 2007 im Gesetzentwurf bestehen. Proble- matisch ist auch bei dieser Regelung die Frage der Beein- trächtigung. Nach Auffassung der Bundesregierung ist die 0,9 Prozent Grenze als gesetzlicher Schwellenwert maßgebend. Diese 0,9 Prozent beziehen sich aber nach der EU-Verordnung 1829/2003 auf die Kennzeichnung, wenn es um technisch unvermeidbare oder zufällige Ver- unreinigungen geht. Was aber ist technisch unvermeidbar oder zufällig? Ist ab jetzt jede Verschleppung zufällig oder technisch unvermeidbar, wenn der gesetzlich vorge- schriebene Sicherheitsabstand von 150 Metern eingehal- ten wird? Werden damit die 0,9 Prozent zu einem kalku- lierten und letztlich akzeptierten Risiko, also ohne Haftungsanspruch? Für Die Linke steht fest: Wer gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut, muss für jede nachweisbare Verschlep- pung haften, auch unter 0,9 Prozent! Ein Haftungsan- spruch muss sich also an der Nachweisgrenze orientie- ren! Gleiches muss für den Nachweis im Honig gelten. Die Agrogentechnikindustrie muss für alle gesamtgesell- schaftlichen Mehrkosten durch Anbau oder Freisetzung transgener Pflanzen aufkommen. Wieso sollten die Steu- erzahler für eine Risikotechnologie bezahlen, die nie- mand will und keiner braucht? Der Linken geht es um den Schutz der Interessen der gentechnikfreien Landwirtschaft, der Imkerei und der Verbraucherinnen und Verbraucher. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Fünf Uhr morgens in Deutschland: Für diese Zeit ist die No- velle zum Gentechnikgesetz als letzter Punkt auf die Ta- gesordnung des Bundestages gesetzt worden. Bei allem Verständnis für volle Tagesordnungen, aber hier handelt es sich um ein für Verbraucherinnen und Verbraucher so- wie für die gesamte gentechnikfreie Produktionsweise durchaus bedeutendes Gesetz. Das sollte wirklich nicht zu nachtschlafender Zeit, sondern im Lichte der Öffent- lichkeit diskutiert werden. Die Bundesregierung und die Regierungskoalitionen möchten am liebsten in einer par- lamentarischen Geisterstunde das Agrogentechnikge- setz diskutieren, denn Minister Seehofer hat mit seinem 12948 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 (A) (C) (B) (D) Entwurf das bisherige Gentechnikrecht ausgehölt und seine Schutzwirkungen stark geschwächt. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die große Koalition dieses heftig kritisierte Gesetz am liebsten auch ganz ohne Debatte beschließen würde. Nicht mit uns! In zahlreichen öffentlichen Auftritten mit Landwirten, bei Lebensmittelverarbeitern und bei Verbraucher- und Ernährungsveranstaltungen heuchelt Minister Seehofer nicht nur Verständnis für deren Anliegen, sondern äu- ßerte selbst große Bedenken gegenüber der Agrogen- technik. Mit seinem Gentechnikgesetz hat er sich selbst Lügen gestraft. Mehr als 80 Prozent der Verbraucherin- nen und Verbraucher lehnen die Gentechik in Lebens- mitteln ab. Mehr als 27 000 Landwirte haben in privaten Selbstverpflichtungserklärungen im gesamten Bundes- gebiet auf einer landwirtschaftlichen Fläche von mehr als 980 000 Hektar gentechnikfreie Regionen eingerich- tet, um eine nachhaltige und gentechnikfreie Landbe- Zu Recht läuft eine breite Front aus Verbraucher-, Umwelt-, Wirtschafts- und Agrarverbänden sowie kirch- lichen Gruppen Sturm gegen diese genhofersche Verun- reinigungs-Novelle zum Gentechnikrecht. Letzte Woche zeigte Stern Marken-Profile in einer repräsentativen Stu- die, dass das Bewusstsein der Verbraucher für qualitativ hochwertige Produkte deutlich steigt. Die „Geiz-ist- geil“-Mentalität bei Lebensmittelprodukten ist Schnee von gestern. Unabhängig von allen bisher nur wenig er- forschten gesundheitlichen Risiken hätte eine Ausbrei- tung der Agrogentechnik vor allem weitreichende wirt- schaftliche Folgen. Allein 150 000 Arbeitsplätze in der stark wachsenden Biobranche sind akut durch die Geset- zesnovelle betroffen. Auch im Bereich des konventionel- len Lebensmitteleinzelhandels wächst eine immer grö- ßere Ablehnung gegenüber dieser Risikotechnologie. Deutsche Wirtschaftsunternehmen wie etwa Hipp oder die großen Handelsketten wie Edeka und Rewe haben sich klar gegen die Agrogentechnik ausgesprochen. wirtschaftung zu garantieren. Dies setzt die schwarz-rote Bundesregierung mit der vorgelegten Gesetzesnovelle einfach aufs Spiel. An einem Beispiel möchte ich Ihnen dies näher erläu- tern: Das Vorsorgeprinzip beim Umgang mit gentech- nisch veränderten Organismen ist die Basis des gelten- den Gentechnikgesetzes. Weil gentechnisch veränderte Organismen – einmal in die Natur entlassen – nicht mehr rückholbar sind, muss das Ziel der Regelungen sein, dass Verunreinigungen konsequent vermieden werden müs- sen. Diesem Ziel wird weder der Gesetzentwurf noch die Verordnung zur guten fachlichen Praxis, die derzeit im Bundesrat beraten wird, gerecht. Stattdessen leisten Bundesregierung und Koalitionsfraktionen der schlei- chenden Verunreinigung der Landwirtschaft und Um- welt Vorschub, in dem sie das Gentechnikgesetz so ver- schlechtern, dass gentechnisch veränderte Pflanzen auch dann angebaut werden dürfen, wenn diese die gentech- nikfreie Landwirtschaft gefährden. Und sie wollen Pri- vatabsprachen zulassen, mit denen rechtliche Vorsorge- vorschriften unterwandert werden können, sodass Kontrollen und Schutz vor Verunreinigungen unmöglich werden. Bündnis 90/Die Grünen lehnen die vorgelegte No- velle zum Gentechnikgesetz aus den bereits beschriebe- nen Kriterien kategorisch ab. Wir fordern die Bundesre- gierung auf, statt einer Verschlechterung des geltenden Gentechnikrechts endlich eine Monitoringverordnung sowie Maßnahmen vorzulegen, mit denen die EU-Kenn- zeichnungslücke bei Produkten von Tieren, die mit gen- technisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden, auf nationaler Ebene geschlossen wird, damit Verbrau- cherinnen und Verbraucher zukünftig eine echte Wahl- freiheit haben und zum Beispiel Milchprodukte wählen können von Kühen, die gentechnikfreie Futtermittel er- halten haben. Auch fordern wir bei der Verordnung zur guten fachlichen Praxis, die längst überfällig ist, tatsäch- lich wirksame Abstandsregeln. Als letzten Punkt möchte ich Minister Seehofer auf- fordern, beim EU-Zulassungsprozedere für gentechnisch veränderte Organismen den Kampf gegen Neuzulassun- gen von Gentechpflanzen, wie ihn der derzeitige EU- Umweltminister Dimas führt, voll zu unterstützen. Auch Umweltminister Gabriel lehnte letzte Woche die beiden gentechnisch veränderten Maissorten Bt11 und 1507 zum Anbau ab. 123. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 8. November 2007 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16 Anlage 17 Anlage 18 Anlage 19 Anlage 20 Anlage 21 Anlage 22
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Grotthaus


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

    Herren! Lassen Sie mich vorab zwei Bemerkungen ma-
    chen. Herr Meckelburg, ich finde das gut, was Sie zu der
    Zeit über 2009 hinaus gesagt haben und dass Sie in vie-
    len Dingen dem Antrag der FDP eigentlich zustimmen
    könnten. Die Bundeskanzlerin ist heute auf dem IG-Me-
    tall-Kongress. Wenn sie dort ähnliche Worte wie Sie hier
    finden würde


    (Uwe Barth [FDP]: Das würde auch ich mir wünschen!)


    – das bedeutet nämlich eine Einschränkung von Arbeit-
    nehmerrechten –, dann wäre ich gespannt, wie die dort
    anwesenden Kolleginnen und Kollegen auf solche Aus-
    führungen reagieren würden.


    (Beifall bei der SPD)


    Die Zeit scheint einiges zu verklären, Herr Rohde.
    Die rot-grüne Regierung war es, die die Frühverrentung
    abgeschafft hat.


    (Andrea Nahles [SPD]: Ja! – Rolf Stöckel [SPD]: Gegen die Stimmen der FDP!)


    Sie wurde mit Ihrer Zustimmung vor 1998 eingeführt.
    Ich will zugestehen, dass die Sozialdemokraten dem da-
    mals zugestimmt haben, auch die Gewerkschaften. Sich
    aber heute hier hinzustellen und zu sagen, man habe da-
    mit nichts zu tun, ist schon etwas komisch.


    (Uwe Barth [FDP]: Das hat er gar nicht gesagt!)


    Daran werden Sie die Bürgerinnen und Bürger messen.


    (Beifall bei der SPD)




Rede von Gerda Hasselfeldt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Rohde?






(A) (C)



(B) (D)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Grotthaus


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Ich will den Gedanken noch zu Ende bringen.

    Sie haben gegen die Agenda 2010 gestimmt und ge-
    bärden sich heute hier, als wenn Sie das letzte Bollwerk
    für den Erhalt der Agenda 2010 wären. So nicht, Herr
    Rohde. Da entlassen wir Sie nicht aus der Pflicht. Wir
    werden immer wieder deutlich machen, wo Sie Ihre Alt-
    lasten haben, wir werden aber auch zugestehen, dass wir
    unsere Altlasten haben.


    (Beifall bei der SPD)