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    Plenarprotokoll 16/119 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. Septem- ber 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicherheits- rates der Vereinten Nationen (Drucksachen 16/6460, 16/6612) . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/6633) . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Ent- schließungsantrag der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Monika Knoche, Hüseyin- Kenan Aydin, weiterer Abgeordneter und Eckart von Klaeden (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . Dr. Lothar Bisky (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . . . 12349 B 12349 C 12353 B 12353 D 12355 C 12357 B 12358 A 12360 A 12360 B 12360 D 12362 B Deutscher B Stenografisc 119. Si Berlin, Freitag, den I n h a Begrüßung des Parlamentspräsidenten von Kanada, Herrn Peter Milliken . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: a) – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut- scher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsun- terstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutio- nen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 12349 A der Fraktion DIE LINKE zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung: Fort- setzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz undestag her Bericht tzung 12. Oktober 2007 l t : der Internationalen Sicherheitsunter- stützungstruppe in Afghanistan (Interna- tional Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grund- lage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. Novem- ber 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. Septem- ber 2007 des Sicherheitsrates der Ver- einten Nationen (Drucksachen 16/6460, 16/6461, 16/6613) Detlef Dzembritzki (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . 12349 D 12350 A 12351 C Ruprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12363 B 12364 A II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 Ursula Mogg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Schmidbauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . . . Hans Raidel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Erklärung nach § 30 GO) Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: Große Anfrage der Abgeordneten Sibylle Laurischk, Rainer Brüderle, Dirk Niebel, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Konsequenzen der Auswanderung Hoch- qualifizierter aus Deutschland (Drucksachen 16/3210, 16/5417) . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Uwe Barth (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Bürsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . Uwe Barth (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Jörg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: a) Antrag der Abgeordneten Michaela Noll, Antje Blumenthal, Thomas Bareiß, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Renate Gradistanac, Clemens Bollen, Angelika Graf (Rosenheim), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Häusliche 12364 D 12366 B 12367 D 12368 C 12369 A 12369 B 12370 B 12371 A 12373 A 12371 B 12371 C 12375 B 12378 A 12378 D 12380 C 12380 D 12381 B 12383 C 12384 D 12387 A 12388 A 12389 D 12391 A 12392 B Gewalt gegen Frauen konsequent wei- ter bekämpfen (Drucksache 16/6429) . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (Drucksache 16/6584) . . . . . . . . . . . . . . . Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Gradistanac (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Eckart von Klaeden, Dr. Wolf Bauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Detlef Dzembritzki, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Niels Annen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Deutsche Personalpräsenz in interna- tionalen Organisationen im nationalen In- teresse konsequent stärken (Drucksache 16/6602) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: Beschlussempfehlung und Bericht des Haus- haltsausschusses zu dem Antrag der Abgeord- neten Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verzicht der Bundes- regierung auf Einnahmen aus Sponsoring (Drucksachen 16/4488, 16/5564) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Alte Atomkraftwerke jetzt vom Netz nehmen (Drucksache 16/6319) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . 12394 C 12394 C 12394 D 12396 A 12397 B 12398 C 12399 C 12400 C 12401 D 12403 A 12403 B 12403 C 12403 D 12404 D 12405 D 12406 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 III Christoph Pries (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 33: a) Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Marieluise Beck (Bremen), Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Auswärtige Kulturpolitik (Drucksachen 16/2233, 16/4024) . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Neujustierung der Auswärtigen Kultur- politik (Drucksache 16/6604) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . . Monika Griefahn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesre- gierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaff- neter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungs- truppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. No- vember 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicher- heitsrates der Vereinten Nationen (Tagesord- nungspunkt 27) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Berg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . . . 12407 D 12408 C 12409 D 12410 C 12410 C 12410 D 12411 D 12413 A 12413 D 12415 D 12417 A 12417 C 12418 A 12418 D Martin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Günther (Plauen) (FDP) . . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Iris Hoffmann (Wismar) (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Peter Jahr (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lothar Mark (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maik Reichel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz Schmitt (Landau) (SPD) . . . . . . . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Spanier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Thea Dückert, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Omid Nouripour, Alexander Bonde, Kerstin Andreae und Margareta Wolf (Frank- furt) (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicher- heitsunterstützungstruppe in Afghanistan (In- ternational Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 12419 A 12419 D 12420 C 12420 D 12421 B 12421 D 12422 A 12422 C 12422 D 12423 A 12423 B 12423 D 12424 A 12424 C 12425 A 12425 C 12426 D 12427 A 12427 C 12427 D 12428 B 12428 C IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. Sep- tember 2006 und 1776 (2007) vom 19. Sep- tember 2007 des Sicherheitsrates der Verein- ten Nationen (Tagesordnungspunkt 27) . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dirk Manzewski, Christine Lambrecht, Dr. Peter Danckert und Dr. Margrit Spielmann (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Be- richt zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut- scher Streitkräfte an dem Einsatz der Interna- tionalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assis- tance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. Novem- ber 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 27) Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Detlef Müller (Chemnitz), Mechthild Rawert und Christoph Strässer (alle SPD) zur na- mentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteili- gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheits- unterstützungstruppe in Afghanistan (Interna- tional Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Reso- lutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. Sep- tember 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen (Tagesordnungspunkt 27) . . . . . . . . . . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Jürgen Trittin, Kerstin Müller (Köln), Rainder Steenblock, Irmingard Schewe-Gerigk, Wolfgang Wieland, Grietje Bettin, Thilo Hoppe, Katrin Göring-Eckardt, Christine Scheel, Ulrike Höfken, Dr. Gerhard Schick, Kai Gehring, Bärbel Höhn und Markus Kurth (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- 12428 D 12430 A 12430 D NEN) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortset- zung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationa- len Sicherheitsunterstützungstruppe in Afgha- nistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 27) Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Lale Akgün, Reinhold Hemker und Renate Gradistanac (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicher- heitsunterstützungstruppe in Afghanistan (In- ternational Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. Sep- tember 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 27) . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Renate Schmidt (Nürnberg), Ortwin Runde, Willi Brase, Ulla Burchardt, Elvira Drobinski- Weiß, Dagmar Freitag, Wolfgang Grotthaus, Angelika Krüger-Leißner, Ute Kumpf, Hilde Mattheis, Petra Merkel (Berlin), Dr. Matthias Miersch, Florian Pronold, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Marlies Volkmer, Lydia Westrich und Swen Schulz (Spandau) (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortset- zung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationa- len Sicherheitsunterstützungstruppe in Afgha- nistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 12432 B 12433 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 V 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. Novem- ber 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 27) 12435 B (2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungs- punkt 27) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Winfried Hermann, Hans-Christian Ströbele, Peter Hettlich, Sylvia Kotting-Uhl, Monika Lazar und Dr. Harald Terpe (alle BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstim- mung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut- scher Streitkräfte an dem Einsatz der Interna- tionalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assis- tance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. Novem- ber 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungs- punkt 27) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Christel Humme, Lothar Binding (Heidelberg), Wolfgang Gunkel, Volker Blumentritt, Ulla Burchardt, Gabriele Hiller-Ohm, Frank Hofmann (Volkach), Dr. Herta Däubler-Gmelin und Waltraud Lehn (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Be- richt zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut- scher Streitkräfte an dem Einsatz der Interna- tionalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assis- tance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. Novem- ber 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) 12434 A 12434 B Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Deutsche Personalpräsenz in in- ternationalen Organisationen im nationalen Interesse konsequent stärken (Tagesordnungs- punkt 30) Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Detlef Dzembritzki (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dr. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Günter Gloser, Staatsminister für Europa . . . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Verzicht der Bundesregierung auf Einnahmen aus Sponsoring (Tagesord- nungspunkt 31) Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Petra Merkel (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Claudia Winterstein (FDP) . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Große Anfrage: Auswärtige Kulturpolitik – Antrag: Neujustierung der Auswärtigen Kulturpolitik (Tagesordnungspunkt 33) Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12436 B 12438 D 12439 C 12440 C 12441 C 12442 A 12442 D 12443 D 12444 D 12446 A 12446 D 12447 B 12448 B 12449 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12349 (A) (C) (B) (D) 119. Si Berlin, Freitag, den Beginn: 9
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    1) Anlage 13 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12417 (A) (C) (B) (D) ist und der zivile Aufbau verstärkt wird, kann ich mir eine Zustimmung zu dem notwendigen, aber so, wie von Toncar, Florian FDP 12.10.2007 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Bergner, Christoph CDU/CSU 12.10.2007 von Bismarck, Carl- Eduard CDU/CSU 12.10.2007 Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.10.2007 Dött, Marie-Luise CDU/CSU 12.10.2007 Dr. Faust, Hans Georg CDU/CSU 12.10.2007 Dr. Happach-Kasan, Christel FDP 12.10.2007 Hüppe, Hubert CDU/CSU 12.10.2007 Dr. Jordan, Hans- Heinrich CDU/CSU 12.10.2007 Lämmel, Andreas G. CDU/CSU 12.10.2007 Lafontaine, Oskar DIE LINKE 12.10.2007 Dr. Lippold, Klaus W. CDU/CSU 12.10.2007 Lopez, Helga SPD 12.10.2007 Merten, Ulrike SPD 12.10.2007 Dr. Müller, Gerd CDU/CSU 12.10.2007 Nitzsche, Henry fraktionslos 12.10.2007 Dr. Pfeiffer, Joachim CDU/CSU 12.10.2007 Rupprecht (Tuchenbach), Marlene SPD 12.10.2007 Schneider (Erfurt), Carsten SPD 12.10.2007 Dr. Schwall-Düren, Angelica SPD 12.10.2007 Strothmann, Lena CDU/CSU 12.10.2007 Thiele, Carl-Ludwig FDP 12.10.2007 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheits- unterstützungstruppe in Afghanistan (Interna- tional Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolu- tionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Okto- ber 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 27) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Einen zivilen Aufbau in Afghanistan kann es gegenwär- tig ohne eine militärische Absicherung durch ISAF nicht geben. Ich stimme dennoch dem Antrag der Bundes- regierung nicht zu, da das, was Deutschland und die in- ternationale Staatengemeinschaft in Afghanistan ma- chen, weder militärisch, polizeilich noch zivil ausreicht, um das Land zu stabilisieren und zu befrieden. Ein mili- tärischer Rückzug ist erst dann vertretbar, wenn afghani- sche Sicherheitskräfte, Polizei und Militär, die Sicher- heit im Land allein herstellen können und wollen. Allerdings ist eine Entsendung von Soldaten auch nur dann für einen Parlamentarier vertretbar, wenn die zivi- len und militärischen Komponenten so angelegt sind, das der Einsatz erfolgreich sein kann. Wenn man dazu politisch nicht in der Lage ist, kann man auch nicht von den Soldaten verlangen, dass sie ihr Leben in diesem ge- fährlichen Einsatz gefährden. Die internationale Staatengemeinschaft muss ihre zi- vilen und militärischen Anstrengungen verstärken und einen Strategiewechsel einleiten: Der Krieg gegen den Terror durch OEF muss beendet werden. Die Taliban- ökonomie des Drogenhandels muss durch Aufkaufen der Mohnernte und der Entwicklung von Alternativen zer- schlagen werden. Der zivile Aufbau muss erheblich ver- stärkt werden. Dem Aufbau einer gut ausgebildeten und anständig bezahlten Polizei kommt dabei eine Schlüssel- rolle zu. Der Einsatz der Tornados ist vor dem Hinter- grund der Defizite bei der Unterstützung des zivilen Aufbaus mindestens die falsche Prioritätensetzung. Ohne eine Lösung der Probleme an der pakistanisch-af- ghanischen Grenze ist eine militärische Stabilisierung im Osten und Süden des Landes nicht möglich. Erst wenn der überfällige Strategiewechsel sichtbar 12418 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) der Regierung vorgelegt, nicht hinreichenden ISAF- Mandat vorstellen. Dr. Axel Berg (SPD): Die Entscheidung, die Man- datsverlängerungen der Internationalen Sicherheitsbei- standtruppe, ISAF, und der Entsendung von RECCE- Tornados gemeinsam abstimmen zu lassen, bringt mich in ein Dilemma, da ich bisher allen ISAF-Einsätzen gu- ten Gewissens zugestimmt habe, die Entsendung von RECCE-Tornados aber für falsch und gefährlich halte und dementsprechend meine Stimme verweigert habe. Ich halte den Einsatz von ISAF nach wie vor für wichtig und richtig. Die ISAF soll eine friedliche, politi- sche Entwicklung Afghanistans gewährleisten und die Regierung Afghanistans bei ihrer Aufgabe, für Sicher- heit, Recht und Ordnung im ganzen Land zu sorgen, un- terstützen. Auch beim Wiederaufbau Afghanistans hat ISAF Erfolge vorzuweisen. Insbesondere die deutsche Bundeswehr hat in ihrem Verantwortungsbereich zu ei- ner Stabilisierung des Nordens Afghanistans beigetra- gen. Dabei muss ISAF klar abgegrenzt werden von der „Operation Enduring Freedom“, OEF, die die Bekämp- fung des internationalen Terrorismus zum Ziel hat. So hat der Einsatz von Tornados der Bundeswehr über ganz Afghanistan meine Befürchtungen vom Frühjahr leider bestätigt. Er hat zu erheblichen Unscharfen bei der Auf- gabenteilung von ISAF und OEF geführt. Ich sehe meine Zweifel von damals, dass es gelingen wird, die Einsatzbedingungen – insbesondere hinsicht- lich der Zusammenarbeit zwischen ISAF und OEF – de- tailliert zu trennen und dies auch der Bevölkerung zu vermitteln, bestätigt. Es scheint, dass Widerstandsgrup- pen in Afghanistan eine solche Differenzierung nicht nachvollziehen und die deutschen Tornados als Flug- zeuge im Kampfeinsatz bzw. zur Vorbereitung von Kampfeinsätzen bewerten. Durch den doppelten Verwendungszweck, Dual Use, der RECCE-Tornados, können sowohl die ISAF- als auch die OEF-Operationen in ihrer ganzen Breite unter- stützt werden. Es geht also weder nur um Schutz noch nur um Kampf, sondern sowohl um Stabilisierungs- als auch um Kampfunterstützung. Zusätzlich sehe ich auch meine Zweifel an der Pro- blematik des Nutzens der Tornados im Sinne ihrer Auf- gabenbestimmung bei weitem nicht ausgeräumt, denn auch die präzisere Aufklärung durch Tornados kann das hohe Risiko ziviler Opfer nicht entscheidend reduzieren, da Kombattanten und Zivilbevölkerung angesichts lan- desüblicher Kleidung und Bewaffnung kaum zu unter- scheiden sind. Da im Süden Afghanistans vorrangig die Strategie verfolgt wird, die Aufständischen zu bekämp- fen, werden nicht nur eigene Soldaten einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sondern es wird auch die Zivilbevöl- kerung massiv in Mitleidenschaft gezogen und Nothilfe und Aufbau werden vernachlässigt. Der Einsatz deutscher Tornados ist für mich damit kein Beitrag zur Stabilisierung der Lage in Afghanistan. Die Tornado-Entsendung hat Afghanistan insgesamt deshalb nicht sicherer gemacht: Das durch Widerstands- aktivitäten verunsicherte Gebiet Afghanistans hat sich nach übereinstimmenden Erkenntnissen der UNO und anderer namhafter Organisationer – Senlis Council, Großbritannien – von der Hälfte auf etwa zwei Drittel des afghanischen Staatsgebiets vergrößert. Der jüngste Anschlag auf BKA-Mitarbeiter in Kabul kann als Zei- chen dafür gewertet werden, dass die Tornado-Entsen- dung den Hass des Widerstandes nun auch auf das deut- sche Personal in Afghanistan gelenkt hat. In dieser Einschätzung fühle ich mich bestärkt durch das Positionspapier des Verbandes Entwicklungspolitik deutscher Nichtorganisationen e.V. – VENRQ –, in dem auch eine zunehmende Vermischung der Aktivitäten von OEF und ISAF beklagt wird, die zunehmend zum Ver- trauensverlust in der afghanischen Bevölkerung führt. Ich teile die Meinung von VENRO, in dem u. a. die in Afghanistan hervorragende Hilfe leistenden Organisatio- nen Caritas International, Deutsche Welthungerhilfe, Malteser International, medico international, medico mondale, Misereor und Afghanistan-Schulen Mitglied sind, dass die internationale Hilfe und Unterstützung bei der Friedenssicherung nur gelingen kann, wenn parallel zum Staatsaufbau, „State-building“, auch der zivilgesell- schaftliche Aufbau vorangetrieben wird. Deshalb unterstütze ich ausdrücklich die Forderung, dass eine Abkehr vom Primat des Militärischen hin zu einer weiteren Stärkung der Zivilgesellschaft und einer konsequenten Fortsetzung der sinnvollen Wiederaufbau- hilfe sich auch in der Bereitstellung von Finanzmitteln widerspiegeln muss: Gegenwärtig werden aus dem Bun- deshaushalt pro Jahr mehr als 530 Millionen Euro für den Militäreinsatz inklusive des Tornado-Einsatzes aus- gegeben. Für den zivilen Aufbau stehen dagegen im Jahr 2007 lediglich 100 Millionen Euro zur Verfügung, ab 2008 sind 125 Millionen Euro vorgesehen. Dieses Miss- verhältnis von Ausgaben für militärische und zivile Zwecke muss zumindest in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht, das heißt, es müssen deutlich mehr Finanzmit- tel für den zivilen Aufbau zur Verfügung gestellt wer- den. Ich fordere meine Kollegen im Haushaltsausschuss bzw. die Kollegen im Verteidigungsausschuss, im Aus- wärtigen Ausschuss und im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit dazu auf, die Bedenken und Wünsche der in Afghanistan tätigen Nichtregierungsorganisationen ernst zu nehmen und die Mittel für den zivilen Aufbau signifikant zu erhöhen. Aus diesen Gründen kann ich weder den weiterhin dringend notwendigen Einsatz der ISAF ablehnen noch dem Einsatz von RECCE-Tornados zustimmen und muss mich leider der Stimme enthalten. Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Ich stimme dem Antrag nicht zu, da ich ihn verfassungs- rechtlich für fragwürdig, ethisch für nicht gerechtfertigt und politisch für falsch halte. Diese Auffassung habe ich bereits in den vergangenen sechs Jahren vertreten und fühle mich durch die zunehmende Radikalisierung in Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12419 (A) (C) (B) (D) diesem Land darin bestärkt. Die Absicht Südkoreas, die eignen Truppen abzuziehen, die deutlichen Überlegun- gen Kanadas einen ähnlichen Schritt vorzunehmen und die aktuelle Diskussion in den Niederlanden belegen, dass es sehr wohl auch internationale ernstzunehmende Ansätze gibt, einen stufenweisen Rückzug vorzuneh- men. Es geht darum, eine Befriedung in diesem Land zu erreichen und die Gefahren durch den Terrorismus zu minimieren. Dazu bedarf es politischer, nicht militäri- scher Lösungen. Martin Burkert (SPD): Die Entscheidung, die Man- datsverlängerungen der Internationalen Sicherheitsbei- standstruppe (ISAF) und der Entsendung von RECCE- Tornados gemeinsam abstimmen zu lassen, bringt mich in eine Hopp- oder Topp-Situation. Dem ISAF-Einsatz hätte ich guten Gewissens zugestimmt. Die Entsendung von RECCE-Tornados hatte ich aber für falsch und ge- fährlich gehalten und habe dementsprechend meine Stimme verweigert. Ich halte den Einsatz von ISAF für wichtig und rich- tig. Die ISAF soll eine friedliche politische Entwicklung Afghanistans gewährleisten und die Regierung Afgha- nistans bei ihrer Aufgabe, für Sicherheit, Recht und Ord- nung im ganzen Land zu sorgen, unterstützen. Auch beim Wiederaufbau Afghanistans hat ISAF Erfolge vor- zuweisen. Insbesondere die deutsche Bundeswehr hat in ihrem Verantwortungsbereich zu einer Stabilisierung des Nordens Afghanistans beigetragen. Dabei muss ISAF klar abgegrenzt werden von der Operation „Enduring Freedom“ (OEF), die die Bekämp- fung des internationalen Terrorismus zum Ziel hat. So hat der Einsatz von Tornados der Bundeswehr über ganz Afghanistan meine Befürchtungen vom Frühjahr leider bestätigt. Er hat zu erheblichen Unschärfen bei der Auf- gabenteilung von ISAF und OEF geführt. Ich sehe meine Zweifel von damals, dass es gelingen wird, die Einsatz- bedingungen – insbesondere hinsichtlich der Zusam- menarbeit zwischen ISAF und OEF – detailliert zu tren- nen und dies auch der Bevölkerung zu vermitteln, bestätigt. Es scheint, dass Widerstandsgruppen in Afgha- nistan eine solche Differenzierung nicht nachvollziehen und die deutschen Tornados als Flugzeuge im Kampfein- satz bzw. zur Vorbereitung von Kampfeinsätzen bewer- ten. Durch den doppelten Verwendungszweck (dual use) der RECCE-Tornados, können sowohl die ISAF- als auch die OEF-Operationen in ihrer ganzen Breite unter- stützt werden. Es geht also weder nur um Schutz noch nur um Kampf, sondern sowohl um Stabilisierungs- als auch um Kampfunterstützung. Zusätzlich sehe ich auch meine Zweifel an der Pro- blematik des Nutzens der Tornados im Sinne ihrer Auf- gabenbestimmung bei weitem nicht ausgeräumt, denn auch die präzisere Aufklärung durch Tornados kann das hohe Risiko ziviler Opfer nicht entscheidend reduzieren, da Kombattanten und Zivilbevölkerung angesichts lan- desüblicher Kleidung und Bewaffnung kaum zu unter- scheiden sind. Da im Süden Afghanistans vorrangig die Strategie verfolgt wird, die Aufständischen zu bekämp- fen, werden nicht nur eigene Soldaten einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sondern auch die Zivilbevölkerung massiv in Mitleidenschaft gezogen und Nothilfe und Aufbau vernachlässigt. Der Einsatz deutscher Tornados ist für mich damit kein Beitrag zur Stabilisierung der Lage in Afghanistan. Die Tornado-Entsendung hat Afghanistan insgesamt deshalb nicht sicherer gemacht: Das durch Widerstands- aktivitäten verunsicherte Gebiet Afghanistans hat sich nach übereinstimmenden Erkenntnissen der UNO und anderer namhafter Organisationen – Senlis Council, Großbritannien – von der Hälfte auf etwa zwei Drittel des afghanischen Staatsgebiets vergrößert. Der jüngste Anschlag auf BKA-Mitarbeiter in Kabul kann als Zei- chen dafür gewertet werden, dass die Tornado-Entsen- dung den Hass des Widerstandes nun auch auf das deut- sche Personal in Afghanistan gelenkt hat. In dieser Einschätzung fühle ich mich bestärkt durch das Posi- tionspapier des Verbandes Entwicklungspolitik deut- scher Nichtorganisationen e. V. (VENRO), in dem auch eine zunehmende Vermischung der Aktivitäten von OEF und ISAF beklagt wird, die zunehmend zum Vertrauens- verlust in der afghanischen Bevölkerung führt. Hinterfragen muss man auch, warum überhaupt noch Tornados gebraucht werden, wenn die USA mittlerweile auch schon mit Flugzeugen eigene Aufklärungsflüge durchführt und damit auf eigenes Datenmaterial zurück- greifen kann. Aus diesen Gründen kann ich weder den weiterhin dringend notwendigen Einsatz der ISAF ablehnen noch dem Einsatz von RECCE-Tornados zustimmen und muss mich leider der Stimme enthalten. Elke Ferner (SPD): Ich stimme mit dem Antrag der Bundesregierung überein, dass ISAF für die Herstellung von Frieden und Sicherheit in Afghanistan einen essen- ziellen Beitrag leistet und stimme deshalb der Verlänge- rung des Einsatzes der deutschen ISAF-Kräfte zu. Bei der Abstimmung über den Einsatz deutscher RECCE- Tornados hatte ich mich im März 2007 der Stimme ent- halten, weil ich – wie noch heute – darin eine Gefähr- dung des ISAF-Einsatzes und der Arbeit der NGOs sehe. Die Zusammenfassung des ISAF- und des Tornado- Mandates im heute vorliegenden Antrag ist der Grund für meine heutige persönliche Erklärung. Ich stimme dem Antrag zu, weil unsere Bundeswehr unter ISAF und die teilweise unter ihrem Schutz arbei- tenden NGOs eine sehr gute und für die Stabilisierung Afghanistans unverzichtbare Arbeit leisten. Ich begrüße das bisherige Engagement der Bundesregierung in die- sem Bereich, aber es muss deutlich ausgeweitet werden. Das Hauptziel muss es sein, staatliche Strukturen weiter aufzubauen und die Armut zu verringern. Viele Erfolge – zum Beispiel im Bereich der Mäd- chenbildung oder der Verbesserung der Infrastruktur – sind durch die Verschlechterung der Sicherheitslage in den meisten Provinzen Afghanistans gefährdet. Die Re- gierung Karzai wird zudem in weiten Teilen des Landes nicht wahrgenommen. Kaum jemand weiß über seine verfassungsmäßigen Rechte Bescheid. Die Verabschie- 12420 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) dung des Amnestiegesetzes, mit dem die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen endgültig verhindert wurde und die Verstrickung der Regierung und des Parlamentes in Drogengeschäfte nehmen beiden Institutionen zusätzlich Glaubwürdigkeit. Darüber hinaus ist die afghanische Be- völkerung zunehmend frustriert über das Tempo, in dem die Verbesserungen für sie persönlich greifbar werden. Das ist verständlich, dennoch ist das Grundproblem, dass immer noch moderne staatliche Institutionen auch auf den unteren Provinz- und Distriktebenen fehlen oder nicht voll funktionieren. Ohne sie ist aber weder Frieden noch eine Demokratisierung oder eine stabile wirtschaft- liche Entwicklung des Landes möglich. Dieses fehlende staatliche Gewaltmonopol kann nicht durch die simple Einrichtung entsprechender Institutionen und auch nicht durch militärische Gewalt hergestellt werden. Es fehlen demokratische Rechts- und Gerechtigkeitskonzeptionen sowie institutionalisierte, als legitim verstandene Kon- fliktaustragungsmechanismen. In diesem Punkt mangelt es im gesamten internationalen Engagement noch. Der afghanische Staat muss in die Lage versetzt wer- den, dass er die Lebenssituation der Afghanen und Afghaninnen tatsächlich verbessern kann, in dem er Si- cherheit herstellt, Rechtsgleichheit gewährleistet und als Dienstleistungserbringer – Bildung, Infrastruktur, Ge- sundheitsversorgung, soziale Absicherung – funktio- niert. Deshalb stimme ich dem vorliegenden Antrag auch in der Absicht zu, die Bundesregierung, die in ihrem aktua- lisierten Papier zur Afghanistan-Strategie geschilderten Vorhaben auch den zivilen Wiederaufbau stärken will, in der Umsetzung dieses Papiers zu unterstützen. Ich ver- weise in diesem Zusammenhang auch auf das Positions- papier des Verbandes Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V. vom 8. Oktober 2007. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass insbeson- dere menschenrechtliche Aspekte künftig noch stärker – zum Beispiel in die Formulierung der Mandatsverlän- gerungen betreffenden Anträge – Eingang finden. Die mit der Vollstreckung von 15 Todesurteilen vollzogene Abkehr Präsident Karzais von dem unterzeichneten Mo- ratorium zur Todesstrafe ist nicht hinnehmbar. Fest steht für mich: Eine Politik gegen die zivile af- ghanische Bevölkerung wird nicht zum Erfolg führen. Die Strategie der Vermeidung sogenannter Kollate- ralschäden muss künftig Teil jedes Mandates sein. Die Sinnhaftigkeit militärischer Operationen muss auch für die afghanische Bevölkerung erkennbar sein. Ihr fällt es zunehmend schwerer, die einzelnen Mandate und ihre Aktionen auseinander zu halten. Ich bleibe bei meiner Einschätzung des Tornado-Man- dates vom 5. März 2007: Ich bezweifle nach wie vor, dass die Einsatzbedingungen – insbesondere hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen ISAF und OEF – detail- liert geregelt werden können. Ich befürchte nach wie vor, dass aufgrund dieses Einsatzes deutsche Soldaten für Kriegsoperationen verantwortlich gemacht werden könnten, auf deren Planung und Durchführung sie kei- nerlei Einfluss haben. Ich sehe die Gefahr, dass der Tor- nado-Einsatz die Lage in Afghanistan eher destabilisiert als stabilisiert und damit die gute Arbeit deutscher Hilfsorganisationen gefährdet. Ich hoffe, dass ich mit dieser Einschätzung nicht Recht habe. In Abwägung beider Sichtweisen stimme ich heute je- doch dem ISAF-Mandat und damit dem gesamten An- trag zu. Joachim Günther (Plauen) (FDP): Der geplanten Mandatsverlängerung des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan werde ich nicht zustimmen. Der Bundesregierung fehlt in Afghanistan ein schlüs- siges Konzept. Auch die Entsendung der Tornados nach Afghanistan hat nicht zu mehr Sicherheit und Stabilität beigetragen. Die Regierung Karzai beklagt zu Recht die hohe Zahl von Zivilisten, die bei den NATO-Luftangrif- fen getötet wurden. Dieses hat sicherlich mit dazu bei- getragen, dass die gezielten Anschläge gegen deutsche Soldaten bzw. Einheiten zugenommen haben. Zudem hat selbst die Bundeskanzlerin noch im No- vember 2006 im Deutschen Bundestag erklärt, dass ein Einsatz der Bundeswehr im Süden von Afghanistan nicht infrage komme. Dennoch werden die Tornados auch im Süden des Landes eingesetzt. Gleichzeitig werden die Zustände in Afghanistan im- mer besorgniserregender. Trotz des ISAF-Einsatzes be- finden sich Teile des Landes im Kriegszustand. Ebenso haben die Anschläge im gesamten Land sehr stark zuge- nommen. Auch bei der Reduzierung des Drogenanbaus konnten bisher keine überzeugenden und nachhaltigen Erfolge erzielt werden; im Gegenteil, der Anbau hat sich im Süden des Landes stark ausgeweitet. Die internationale Gemeinschaft hat daher bisher kei- nes ihrer Ziele erreicht und muss sich nun fragen lassen, ob die Mittel, die sie einsetzt, geeignet sind, die Stabili- sierung und Demokratisierung in der Zukunft zu errei- chen. Der Krieg in Vietnam hat uns gelehrt, dass selbst ein massiver Einsatz von Soldaten und Material nicht zum Erfolg führen muss. Weiterhin besteht für mich ein eklatantes Missverhältnis zwischen dem Einsatz für militärische Ausgaben und den Ausgaben für den Wie- deraufbau. Die hohen finanziellen Mittel für den militä- rischen Einsatz sollten gezielt für Entwicklungshilfepro- jekte eingesetzt werden. Derzeit ist nicht einmal die Chance eines Endes des Bundeswehreinsatzes und eine Verbesserung des Zu- stands der Verhältnisse in Afghanistan unter den gegen- wärtigen Bedingungen in Sicht. Ich halte deshalb einen stufenweisen Rückzug der Truppenstärke in Afghanistan für geboten. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundesregierung hat einen Antrag zur Fortsetzung des ISAF-Einsatzes in Afghanistan in den Deutschen Bundestag eingebracht, über den das Parlament heute zu entscheiden hat. Hier geht es für jede und jeden von uns Abgeordneten darum, die Entscheidung zur Entsendung deutscher Soldatinnen und Soldaten auf der Grundlage einer sorgfältigen Abwägung über die Erfolgsaussichten Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12421 (A) (C) (B) (D) und Risiken eines solchen Einsatzes und deren Einbet- tung in eine Gesamtstrategie zu treffen. Ich unterstütze ausdrücklich die Stabilisierung Afgha- nistans, weil ein Scheitern der internationalen Gemein- schaft für die Menschen in Afghanistan und die interna- tionale Gemeinschaft fatal wäre. In den zurückliegenden Jahren haben die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und auch ich persönlich nach sorgfältiger Prüfung den An- trägen der Bundesregierung zur Beteiligung an ISAF zugestimmt und die deutsche zivile und militärische Be- teiligung am internationalen Afghanistan-Engagement intensiv begleitet. Die internationale Staatengemein- schaft hat in ihren Bemühungen um eine Stabilisierung und den Wiederaufbau Afghanistans viel erreicht. Der im Jahre 2005 in der Eröffnung des afghanischen Parla- ments abgeschlossene Petersberg-Prozess hat die wich- tigsten Institutionen und Grundlagen für das politische System und die gesellschaftliche Entwicklung Afghanis- tans geschaffen. Allerdings sind diese neuen Funda- mente noch nicht tragfähig. Afghanistan befindet sich in einer schwierigen Phase. Deshalb verbietet sich auch ein „Raus aus Afghanistan“. Ich habe von Anfang an den Einsatz des zivilen Wiederaufbaus mit militärischer Ab- sicherung unterstützt und bejaht. Die von den Vereinten Nationen mandatierte ISAF-Schutztruppe bleibt für die Absicherung des Aufbaus in Afghanistan weiterhin not- wendig und unverzichtbar. Allerdings lässt die Bundesre- gierung nicht erkennen, dass sie zu einem von Bündnis 90/ Die Grünen und mir eingeforderten Strategiewechsel be- reit ist. Ein solcher dringend notwendiger Strategiewech- sel muss die zentralen zivilen Komponenten von ISAF stärken, eine Beendigung von OEF forcieren und auch gegenüber den Partnern für eine Verstärkung der Bemü- hungen eintreten. Ein Strategiewechsel und eine Forcie- rung der Anstrengungen der internationalen Gemein- schaft und der Bundesrepublik sind unbedingt notwendig. Sosehr ich einerseits von der Notwendigkeit einer weiteren ISAF-Beteiligung überzeugt bin, so sehr bin ich gleichzeitig besorgt über die halbherzige Politik der Bundesregierung. Deshalb werde ich dem Antrag der Bundesregierung in diesem Jahr nicht zustimmen, aber auch bei diesem Mandat nicht mit Nein stimmen – und mich enthalten. Iris Hoffmann (Wismar) (SPD): Ich unterstütze und befürworte ausdrücklich das deutsche Engagement für den Wiederaufbau und die Stabilisierung Afghanistans. Die Bundeswehr leistet dabei im Rahmen von ISAF ei- nen wichtigen und hervorragenden Beitrag zur Absiche- rung des zivilen Wiederaufbauprozesses. Die Bemühungen der vergangenen Jahre zeigen in verschiedenen Bereichen erste Erfolge. So gehen inzwi- schen mehr als sechs Millionen Kinder wieder zur Schule, so viele wie noch nie in der Geschichte Afgha- nistans. Für sie wurden 3 500 neue Schulen gebaut. Hiervon profitieren insbesondere Mädchen, denn ihnen war während der Herrschaft der Taliban der Zugang zu Bildung verwehrt. Auch in Bereichen der Infrastruktur, der medizini- schen Versorgung, des Polizeiaufbaus und der wirt- schaftlichen Entwicklung gibt es Fortschritte. Die afgha- nische Wirtschaft wuchs 2005 um 14 Prozent und Experten prognostizieren für die kommenden Jahre ein Wachstum von rund zehn Prozent. Diese positiven Entwicklungen können jedoch nicht verhehlen, dass sich die Sicherheitslage vor allem im Süden des Landes in den letzten zwei Jahren wieder deutlich verschlechtert hat. Armut und Gewalt nehmen vor allem in den ländlichen Gebieten zu, die bisher kaum bis gar nicht von den Fortschritten im Land profitiert ha- ben. Hier gilt es, die entwicklungspolitischen Aktivitäten möglichst bald auf die ländlichen Regionen auszuwei- ten, um dem weiteren Erstarken der Taliban und War- lords vorzubeugen. Sehr kritisch sehe ich immer noch den Einsatz der deutschen Tornado-Aufklärungsflugzeuge. Unabhängig von der Frage, ob und wie die durch diese Einsätze ge- wonnenen Erkenntnisse verwendet bzw. weitergegeben werden, habe ich immer noch die Befürchtung, dass sie die zumindest in Teilen Afghanistans erreichte Stabili- sierung und damit auch die Sicherheit unserer Soldaten gefährden könnten. Soldaten berichten, dass sich durch die Einsätze bei der afghanischen Bevölkerung der Ein- druck einer deutschen „Kriegsbeteiligung“ verstärke und immer weniger zwischen den deutschen Truppen und zum Beispiel denen der Amerikaner unterschieden werde. Auch wenn ich den Einsatz der Tornados weiterhin für falsch halte, ist letztendlich das Engagement der Bundeswehr im Rahmen von ISAF alternativlos, denn eine Stabilisierung des Landes ist die Voraussetzung für eine friedliche Entwicklung und den zivilen Wiederauf- bau der Region. Ich habe mich deshalb entschieden, einer Verlänge- rung des Mandats heute zuzustimmen. Dr. Peter Jahr (CDU/CSU): Ich stimme für die Fort- setzung der Beteiligung der Bundeswehr am Einsatz der ISAF unter Führung der NATO, da eine Beendigung der deutschen Beteiligung ein falsches Zeichen sowohl ge- genüber der afghanischen Bevölkerung als auch gegen- über unseren Verbündeten wäre. Einem Ausscheiden Deutschlands würden mit großer Wahrscheinlichkeit weitere Bündnispartner folgen. Als der Deutsche Bun- destag einer Beteiligung der Bundeswehr am ISAF- Einsatz zustimmte, hat er auch gleichzeitig eine Verant- wortung für das Land Afghanistan und sein Volk über- nommen. Sich jetzt aus Afghanistan herauszuziehen, hieße, die dortige Bevölkerung dem Chaos und dem Ter- ror der Taliban oder selbst ernannter Warlords preiszu- geben. Sämtliche Bestrebungen, eine Demokratie in Af- ghanistan zu etablieren, wären damit obsolet. Vor diesem Hintergrund gibt es keine andere Mög- lichkeit, als den Weg fortzusetzen, den wir begonnen ha- ben. Dies soll aber keineswegs darüber hinwegtäuschen, dass ich die momentane Afghanistan-Strategie der Bun- desregierung für unzureichend halte, vor allem in Hin- 12422 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) blick auf eine langfristige Lösung des Afghanistan-Kon- flikts. Aus dem einst zeitlich begrenzten Einsatz ist längst ein langjähriges und teilweise leidvolles Mandat geworden. Hierbei sei nochmals besonders an die bis jetzt 21 in Afghanistan getöteten deutschen Soldaten erinnert. Diese bittere Wahrheit gilt es auch gegenüber unserem eigenen Volk einzugestehen. Daher muss endlich ein Konzept für einen Ausstieg der Bundeswehr aus dem Afghanistan-Einsatz erstellt werden, das jedoch keine Gefahr für die innere Sicherheit Afghanistans darstellt. Deutsche Streitkräfte können und dürfen nicht zu einer dauerhaften Protektoratsmacht am Hindukusch werden. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die in Afghanistan tätigen Entwicklungshilfeorganisa- tionen fordern einen Kurswechsel für den Afghanistan- Einsatz der Weltgemeinschaft. Sie fordern den Stopp von OEF und eine andere Ausrichtung des ISAF-Man- dats. Sie greifen insbesondere ein Kernstück des deut- schen Einsatzes, die PRTs, die Provincial Reconstruction Teams, an. Sie halten die Vermischung von militärischer und ziviler Arbeit für gefährlich. Die Grüne Fraktion fordert seit längerem einen Strategiewechsel ein. Die Bundesregierung verharmlost weiter die kritische Ent- wicklung, dies wird deutlich aus den Antworten auf un- sere Große Anfrage zur Afghanistan-Politik. Die Bun- desregierung denkt überhaupt nicht daran, ihren Kurs zu ändern: Sie hält am OEF-Einsatz weiter fest, sie befür- wortet die Tornados und ändert die Relation – circa 500 Millionen Euro für das Militär und nur 125 Millio- nen Euro für den zivilen Aufbau – nicht. Die Mittel für den Aufbau der afghanischen Polizei – dafür ist Deutschland federführend verantwortlich – sind völlig unzureichend. In der Regel sind deutlich unter Hundert Polizisten in der Ausbildung tätig. Die Frustration und Enttäuschung in der Bevölkerung nehmen dabei weiter zu, wobei man sich dabei der großen regionalen Unter- schiede bewusst sein muss. Inzwischen wird im Süden und Osten Afghanistans das Militär des ISAF-Einsatzes – der war eigentlich an- ders als der von „Enduring Freedom“ nicht auf Kriegs- führung ausgerichtet, sondern auf Schutz und Unterstüt- zung der Aufbau- und Entwicklungsarbeit – immer mehr für den Aufgabenbereich von „Enduring Freedom“ ein- gesetzt. Die Unterscheidung der Einsätze dort von ISAF und „Enduring Freedom“ wird immer weniger möglich. Die Zeit drängt sehr in Afghanistan. Dies erkennt man der starken Zunahme von bewaffneten Angriffen und Anschlägen in Afghanistan: Sie haben von circa 2 400 im Jahr 2005 auf über 6 000 in 2006 zugenommen. Die- ses Jahr hat sich die Lage weiter verschlechtert. Es ist nötig: eine massive Verstärkung der zivilen Hilfe; ein Stopp der OEF-Operation, welche immer wie- der zu Opfern unter der Zivilbevölkerung führt; eine ver- nünftige Neuausrichtung der ISAF-Mission, welche sich im Süden Afghanistans immer mehr in der Praxis dem Einsatzstil von OEF angenähert hat, wie an der Zahl der zivilen Opfer der ISAF-Mission zu erkennen ist; und die Beendigung des sehr teuren und letztendlich wenig hilf- reichen Tornado-Einsatzes. Es gibt keine Möglichkeit den Antrag der Großen Ko- alition im Parlament noch zu verändern. Ein einzelner Abgeordneter kann nur Ja oder Nein sagen, oder sich enthalten. Die Politik der Bundesregierung gefährdet die Stabilisierung Afghanistans, statt sie zu unterstützen. Die Große Koalition ist nicht bereit, ihre Strategie den sich verändernden Gegebenheiten anzupassen; deshalb bleibt mir als Konsequenz nur ein Nein zu dem Antrag der Bundesregierung. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Ich lehne die Beteili- gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan, ISAF, und den Einsatz von Bundeswehr- Aufklärungsflugzeugen vom Typ Tornado-RECCE grundsätzlich weiterhin ab. Allerdings sehe ich, dass eine mehrheitliche Ableh- nung der beiden vorgenannten Einsätze notwendig den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zur Folge haben müsste. Mit meiner Enthaltung verbinde ich die Erwartung, dass – nachdem das Engagement in Afghanistan gegen meinen in den bisherigen Abstimmungen zum Ausdruck gebrachten Willen eingegangen wurde – die Bundesre- gierung die Zeit der Mandatsverlängerung dazu nutzt, den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan in Abstim- mung mit den internationalen Partnern in einer geordne- ten Art und Weise vorzubereiten und durchzuführen. Manfred Kolbe (CDU/CSU): Der heute zur Be- schlussfassung im Deutschen Bundestag anstehende An- trag zur Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr an der ISAF-Mission sowie dem weiteren Tornado-Einsatz in Afghanistan kann ich aus den folgenden Gründen nicht zustimmen: Erstens. Ähnlich wie im Irak gelingt es dem Westen offenbar nicht, ein demokratisches Staatswesen aufzu- bauen und die Menschen innerlich dafür zu gewinnen. Vielmehr hat sich die Sicherheitslage offenbar weiter verschlechtert und allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres sollen bei Anschlägen oder Kämpfen über 5 000 Menschen getötet worden sein. Die westliche Auf- bauhilfe soll an großen Teilen der Bevölkerung vorbei- gehen und Armut, Korruption und Hoffnungslosigkeit zunehmen. Zweitens. Die zunehmende Militarisierung führt zu einer wachsenden Anzahl von unschuldigen Opfern un- ter der Zivilbevölkerung, hauptsächlich durch Luft- angriffe. Mittlerweile dürfte bei solchen sogenannten „Kollateralschäden“ eine vielfache Anzahl unschuldiger (!) Menschen getötet worden sein, wie bei den schreckli- chen Terrorangriffen vom 11. September 2001 auf New York, die Ausgangspunkt unseres Engagements waren. Auch auf mehrfache Nachfragen war der Bundesvertei- digungsminister nicht bereit, mir Angaben zu zivilen Opfern in Afghanistan zu machen. Mit jedem unschuldig Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12423 (A) (C) (B) (D) getöteten Zivilisten bekämpfen wir nicht den Terror, sondern schaffen diesem neuen Zulauf. Drittens. Ein realistisches Konzept des Westens für Afghanistan vermag ich derzeit nicht zu erkennen. Vor diesem Hintergrund kann ich es nicht verantworten, deutsche Soldaten in einen lebensgefährlichen Einsatz zu schicken. Wir brauchen vielmehr eine Grundsatzde- batte darüber, wie die Bundesrepublik Deutschland und der Westen insgesamt den Terror bekämpfen und Demo- kratie und Rechtsstaatlichkeit in Afghanistan aufbauen können. Jürgen Koppelin (FDP): Der geplanten Mandats- verlängerung des Einsatzes der Bundeswehr in Afgha- nistan werde ich nicht zustimmen. Der Bundesregierung fehlt in Afghanistan ein schlüssiges Konzept. Auch die Entsendung der Tornados nach Afghanistan hat nicht zu mehr Sicherheit und Stabilität beigetragen. Die Regie- rung Karzai beklagt zu Recht die hohe Zahl von Zivilis- ten, die bei den NATO-Luftangriffen getötet wurden. Dieses hat sicherlich mit dazu beigetragen, dass die ge- zielten Anschläge gegen deutsche Soldaten bzw. Einhei- ten zugenommen haben. Zudem hat selbst die Bundes- kanzlerin noch im November 2006 im Deutschen Bundestag erklärt, dass ein Einsatz der Bundeswehr im Süden von Afghanistan nicht in Frage komme. Dennoch werden die Tornados auch im Süden des Landes einge- setzt. Gleichzeitig werden die Zustände in Afghanistan im- mer besorgniserregender. Trotz des ISAF-Einsatzes be- finden sich Teile des Landes im Kriegszustand. Ebenso haben die Anschläge im gesamten Land sehr stark zuge- nommen. Bei der Reduzierung des Drogenanbaus konn- ten bisher keine überzeugenden und nachhaltigen Er- folge erzielt werden; im Gegenteil, der Anbau hat sich im Süden des Landes stark ausgeweitet. Die internationale Gemeinschaft hat daher bisher keine ihrer Ziele erreicht und muss sich nun fragen las- sen, ob die Mittel, die sie einsetzt, geeignet sind, Stabili- sierung und Demokratisierung in der Zukunft zu errei- chen. Der Krieg in Vietnam hat uns gelehrt, dass selbst ein massiver Einsatz von Soldaten und Material nicht zum Erfolg führen muss. Weiterhin besteht für mich ein eklatantes Missverhältnis zwischen dem Einsatz für militärische Ausgaben und den Ausgaben für den Wie- deraufbau. Die hohen finanziellen Mittel für den militä- rischen Einsatz sollten gezielt für Entwicklungshilfepro- jekte eingesetzt werden. Derzeit ist nicht einmal die Chance eines Endes des Bundeswehreinsatzes und eine Verbesserung des Zu- stands der Verhältnisse in Afghanistan unter den gegen- wärtigen Bedingungen in Sicht. Ich halte deshalb einen stufenweisen Rückzug der Truppenstärke in Afghanistan für geboten. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Ziel, die afghanische Bevölkerung auf ihrem Weg zu einem friedlichen und stabilen Staat zu begleiten, kann nur mit einem militärischen, aber vor allem auch zivilen Strate- giewechsel erreicht werden. Noch ist das Zeitfenster für einen erfolgreichen Aufbau offen, aber die Situation ist ernst. Ich erwarte, dass der dringend notwendige, von uns Grünen in mehreren Anträgen geforderte Strategie- wechsel von der Bundesregierung jetzt angegangen und konstruktiv umgesetzt wird. Der vorliegende Antrag bezeugt jedoch, dass die Bun- desregierung die Zeichen der Zeit nicht erkennt und in den bisherigen Bahnen reagiert. Die Zusammenführung der Abstimmungen über das ISAF-Mandat und den Tor- nado-Einsatz geschieht überwiegend aus taktischen Überlegungen. Dies dient in keinem Fall einer ehrlichen und fundierten Diskussion über den zukünftigen Weg in Afghanistan. Im Gegenteil, das ist sogar kontraproduk- tiv. Viele Chancen der Vermittlung über die realistischen Ziele in Afghanistan werden damit vertan. Ich sehe die Notwendigkeit, den afghanischen Auf- bau- und Friedensprozess durch ISAF abzusichern. Doch auch hier bedarf es eines Kurswechsels, der jedoch ebenso wenig realisiert wird wie meiner Meinung nach der notwendige forcierte Einstieg in einen qualitativ ver- besserten zivilen und entwicklungspolitischen Wieder- aufbau. Da ich außerdem den Tornado-Einsatz als ein Si- gnal des „Weiter so!“ ablehne, kann ich diesem Antrag auf keinen Fall zustimmen. Ich enthalte mich meiner Stimme, in der Hoffnung, dass dies als ein Signal gewertet wird, einen anderen Weg der Unterstützung Afghanistans einzuschlagen, und zwar mit der Botschaft „Zivil vor Militär“. Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der deutschen Afghanistan-Politik darf es ein „Weiter so!“ nicht geben. Angesichts der bedrücken- den Berichte aus Afghanistan ist ein schneller Strategie- wechsel unumgänglich. Hierfür muss sich die Bundes- regierung einsetzen. Es ist meine persönliche Überzeugung, dass Afgha- nistan nur dann eine Chance hat, ein friedlicher, demo- kratischer, die Frauenrechte wahrender und seinen Menschen Freiheit, Sicherheit und Entwicklung garan- tierender Staat zu werden, wenn die Staatengemeinschaft das Engagement in Afghanistan im Rahmen des ISAF- Einsatzes aufrechterhält. Der Sonderparteitag von Bündnis 90/Die Grünen am 15. September 2007 hat den bündnisgrünen Bundestags- abgeordneten empfohlen, dem verbundenen Mandat auf- grund der ablehnenden Haltung zum Tornado-Einsatz nicht zuzustimmen. Ich teile diese Auffassung der Parteitagsmehrheit nicht. Ich nehme den Beschluss aber sehr ernst. In der heutigen Abstimmung zu den Afghanistan-Einsätzen werde ich daher meine persönliche Überzeugung zu- rückstellen und mit Enthaltung votieren. Ich will so dazu beitragen, dass sich die gesamte Partei im Abstim- mungsverhalten der Fraktion wiederfindet. Ich hoffe, so dazu beitragen zu können, dass der in- nerparteiliche Gesprächs- und Diskussionsfaden nicht abreißt und wir zu gemeinsamen Lösungen für einen verlässlichen außenpolitischen Kurs finden. 12424 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) Mein Votum fällt mir nicht leicht, weil es mich be- drückt, dass sich die Menschen in Afghanistan von uns Grünen im Stich gelassen fühlen könnten. Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Trotz Kritik an der Afghanistan-Politik der Bundesregie- rung und der internationalen Gemeinschaft habe ich heute der Verlängerung des deutschen ISAF-Beitrages zugestimmt. Denn auch als Oppositionspolitikerin musste ich mich in dieser konkreten Bundestagsabstim- mung der Frage stellen, ob die Situation in Afghanistan mit diesem deutschen Militärbeitrag oder mit einem Ab- zug der Bundeswehr besser würde. Nicht die Umsetzung des ISAF-Mandates durch die NATO, die Operation „Enduring Freedom“, OEF, oder das Afghanistan-Kon- zept der Bundesregierung stand heute zur Abstimmung, sondern es geht um den deutschen Beitrag zur ISAF, vor allem im Norden des Landes. Ich bin der Auffassung, dass dieser fortgesetzt werden muss, weil er sinnvoll und elementar wichtig für die Menschen in Afghanistan und den zivilen Aufbau ist. Alle Informationen und Diskus- sionen der letzten beiden Wochen haben gezeigt, dass auch die kritischste Haltung zu den Aufklärungstorna- dos, die auch Teil des Mandates sind, keinesfalls die Be- deutung des lebenswichtigen Auftrags von Gesamt- ISAF aufwiegt. Damit gewichte ich ähnliche Argumente anders als die Mehrheit des grünen Sonderparteitages. Dieser hatte der Bundestagsfraktion empfohlen, dem ISAF-Mandat nicht zuzustimmen, um damit Kritik an den Aufklä- rungs-Tornados und der allgemeinen Afghanistan-Stra- tegie deutlich zu machen. Die deutliche Mehrheit der Bundestagsfraktion hat sich an diese Empfehlung gehal- ten, und das ist auch gut so. Auch ich habe einige Tage nach dem Parteitag ernsthaft erwogen, mich zu enthal- ten, da ich den Beschluss des Parteitages durchaus ernst nehme. Dann traf ich jedoch auf eine Gruppe afghani- scher Parlamentarier und konnte die Frage „Warum sind Sie für die deutsche ISAF-Beteiligung und stimmen im Bundestag doch nicht zu?“ nicht guten Gewissens beant- worten. Damit meine ich nicht, dass für meine persönli- che Entscheidung die Außenwirkung ausschlaggebend war. Vielmehr wurde mir in der Diskussion klar, dass ich eine Enthaltung vor meinem Gewissen nicht verantwor- ten kann. Wenn es um Militäreinsätze geht, kann man sich schuldig machen, wenn man dafür stimmt. Man kann sich aber auch schuldig machen, wenn man dage- gen stimmt und damit billigend in Kauf nimmt, dass Truppen abziehen und ein heftiger Bürgerkrieg beginnt. Das ist die Frage, die heute im Plenum des Bundestages zur Abstimmung stand. Jenseits dieser konkreten Abstimmung sehe ich – wie auch der grüne Sonderparteitag – erheblichen Bedarf für eine Veränderung der Afghanistan-Politik der Bundesre- gierung und der internationalen Gemeinschaft, da so- wohl Sicherheit als auch ziviler Aufbau weiterhin unzu- reichend sind. Die zivile Hilfe und der Polizeiaufbau müssen dringend aufgestockt werden und der Bevölke- rung in allen Provinzen zugute kommen. Die Bundesre- gierung muss sich unter anderem dafür einsetzen, dass der OEF-Einsatz beendet wird, der Drogenanbau anders bekämpft wird und intensivere Verhandlungen sowohl mit afghanischen Oppositionellen als auch mit regiona- len Nachbarn geführt werden. Diese dringend notwendi- gen Überprüfungen und die daraus abzuleitenden Strate- gieveränderungen können jedoch nur das Ergebnis von multilateralen Verhandlungen – nicht zuletzt mit den Af- ghaninnen und Afghanen selber – sein und lassen sich nicht unilateral durch Bundestagsbeschluss bestimmen. Dabei muss die Bundesregierung in Zukunft auch Kritik, vor allem an kontraproduktivem militärischem Vorge- hen, deutlich einbringen. Bei aller Kritik kann ich als Vertreterin einer multilateralen Außenpolitik nicht fordern, dass sich Deutschland unilateral aus der Ge- samtverantwortung eines UN-mandatierten Einsatzes zurückziehen soll. Wenn alle Akteure konstruktiv zu- sammenarbeiten, besteht noch Hoffnung für eine friedli- che Zukunft Afghanistans. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Grünenparteitag hat trotz seiner grundsätzlichen Unter- stützung von ISAF mit Mehrheit beschlossen, die Abge- ordneten dazu aufzufordern, bei der Abstimmung über die Verlängerung des ISAF-Mandates mit Nein oder Ent- haltung zu stimmen, um der grünen Forderung nach ei- nem Strategiewechsel in Afghanistan Nachdruck zu ver- leihen. Ich respektiere die Entscheidung meiner Partei; aber ich kann ihrem Votum in dieser Sache nicht folgen und glaube, dass von dem Parteitag ein falsches politi- sches Signal ausgegangen ist, welches von vielen Men- schen hier und in Afghanistan als Beginn eines Ab- schieds der Grünen aus der gemeinsamen Solidarität mit Afghanistan interpretiert worden ist. Wie die Mehrheit der grünen Partei, ihrer Anhänger- schaft und der grünen Bundestagsfraktion bin ich der Meinung, dass der zivile Aufbau und die politische Sta- bilisierung Afghanistans derzeit nicht ohne militärischen Schutz möglich sind. Ein sofortiger Rückzug von ISAF würde bedeuten, das afghanische Volk und die zivilen Helferinnen und Helfer vor Ort im Stich zu lassen und einen Rückfall des Landes in einen Bürgerkrieg in Kauf zu nehmen. Deshalb stehe ich bei aller Kritik, die im Entschließungsantrag meiner Fraktion zum Ausdruck gebracht wird, hinter dem Konzept von ISAF als interna- tionaler, von den Vereinten Nationen mandatierten Schutztruppe. Multilaterale Außenpolitik, in der die Na- tionen gemeinsam versuchen, Probleme von globaler Relevanz zu lösen und die Verantwortung, die Men- schenrechte zu verteidigen, gemeinsam schultern, lebt von der Verlässlichkeit der Bündnispartner. Ein Abzug des deutschen Kontingents aus Afghanistan würde das Gesamtprojekt ISAF infrage stellen. Auch deshalb kann ich dem deutschen Beitrag zu ISAF meine Zustimmung nicht verweigern. Trotzdem kann es in Afghanistan nicht weitergehen wie bisher. Ein Strategiewechsel, der den zivilen Aufbau und die politische Stabilisierung weiter stärkt, eine neue Strategie im Umgang mit den Opiumbauern und die Be- kämpfung der Korruption vorantreibt, ist dringend gebo- ten. Ein Abzug der internationalen Truppe aus Afghanis- tan löst aber keines dieser Probleme. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12425 (A) (C) (B) (D) Ich werde ISAF zustimmen, denn ich könnte nicht be- gründen, dass ich einerseits einen Strategiewechsel hin zu mehr zivilem Aufbau in Afghanistan fordere, aber an- derseits dem Mandat, das das Instrument dieses Strate- giewechsels sein soll, meine Zustimmung verweigere. Eine besondere Rolle in der innerparteilichen Debatte hat der Streit um die RECCE-Aufklärungstornados ge- spielt. Ich habe im März der Entsendung der Tornados zugestimmt, weil ich davon überzeugt war und bin, dass man den Menschen, die ihr Leben in Afghanistan riskie- ren, sei es als Soldatinnen und Soldaten oder Aufbauhel- ferinnen und Aufbauhelfer, den bestmöglichen Schutz schuldet. Wir Abgeordnete entscheiden über die Entsen- dung von Truppen und stehen damit in besonderer per- sönlicher Verantwortung für die Menschen, die wir ent- senden. In den letzten Wochen haben mich zahlreiche Appelle von internationalen Hilfsorganisationen und afghani- schen Parlamentariern erreicht, die uns deutsche Parla- mentarierinnen und Parlamentarier und insbesondere uns Grüne aufgefordert haben, Afghanistan nicht im Stich zu lassen und der Fortsetzung von ISAF die Zustimmung nicht zu versagen. Diese Appelle und die Reiseberichte von Fraktionskollegen, die vor Ort waren, bestärken mich darin, dass es richtig ist, meinem Gewissen zu fol- gen und für ISAF zu stimmen. Lothar Mark (SPD): Nach gründlicher Abwägung al- ler Argumente zur Fortsetzung der deutschen Beteili- gung am ISAF-Einsatz in Afghanistan habe ich mich dazu entschlossen, der Verlängerung des Mandats zuzu- stimmen, da dieses dazu beiträgt, die Lage vor Ort unter Kontrolle zu bekommen bzw. zu halten. Im Haushaltsausschuss habe ich deshalb einer deutli- chen Aufstockung der Mittel für den zivilen Aufbau und die Schulung der Polizei über das bisher Vorgesehene zugestimmt. Das Ungleichgewicht zwischen den Ausgaben für den zivilen Aufbau und die militärische Absicherung in Af- ghanistan sehe ich aber nach wie vor kritisch. Die Bun- desrepublik Deutschland verwendet jährlich mehr als fünfmal so viel Mittel für das Militär wie für die Ent- wicklungszusammenarbeit. Das Verhältnis beim rechts- staatlichen Polizeiaufbau beträgt sogar 20 zu 1 zuguns- ten des Militärs. Auf lange Sicht müssen die extrem teuren deutschen Soldaten schrittweise durch gut ausge- bildete und motivierte afghanische Soldaten ersetzt wer- den, um die frei werdenden Mittel verstärkt für den zivi- len Aufbau einsetzen zu können. Den mit dem Antrag ebenfalls zur Abstimmung ge- stellten Tornado-Einsatz halte ich für ein falsches Signal und hätte deshalb eine getrennte Abstimmung der Man- date bevorzugt, da ich dem Tornado-Einsatz meine Zu- stimmung verweigert hätte. Meiner Auffassung nach gefährdet er den ISAF-Einsatz eher, als dass er zur Stabi- lisierung der Lage beiträgt, zumal die Einsatzbedingun- gen zwischen der US-geführten Operation Enduring Freedom, OEF, und ISAF nur schwer zu regeln sein dürften und die deutschen Soldaten in der afghanischen Bevölkerung für Kriegsoperationen verantwortlich ge- macht werden könnten. Im Ergebnis bleibt mir aber nur die Möglichkeit, dem Antrag zur weiteren Beteiligung Deutschlands am ISAF- Einsatz insgesamt zuzustimmen. Im Haushaltsausschuss werde ich mich dafür einsetzen, dass von den zuständi- gen Fachausschüssen ein glaubwürdiges und schlüssiges Gesamtkonzept für die nächsten Jahre im oben beschrie- benen Sinne vorgelegt wird. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In den zurückliegenden Jahren habe ich nach sorgfältiger Prüfung immer dem Antrag der Bundesregierung zur deutschen Beteiligung an ISAF zugestimmt und die deutsche zivile und militärische Beteiligung am interna- tionalen Afghanistan-Engagement intensiv begleitet. Auch heute will ich eine im Sinne des afghanischen Auf- baus und Friedensprozesses erfolgreiche ISAF. Die von den Vereinten Nationen mandatierte ISAF- Schutztruppe bleibt für die Absicherung des Aufbaus in Afghanistan weiterhin notwendig und unverzichtbar. Darauf haben in den letzten Tagen nicht zuletzt auch deutsche Hilfs- und Entwicklungsorganisationen hinge- wiesen. Der führende Beitrag der Bundeswehr zur ISAF- Region Nord ist aufseiten der Verbündeten und insbe- sondere der Afghanen hoch angesehen. Das zeigte sich besonders nach dem Anschlag in Kunduz am 19. Mai dieses Jahres, dem drei Bundeswehrsoldaten zum Opfer fielen. In einer Solidaritätsresolution erklärten die Rechtsgelehrten, Ältestenvertreter, Lehrerschaft, Schüle- rinnen und Schüler, Jugendorganisationen und Hand- werksgenossenschaft der Provinz Kunduz: „Die Anwe- senheit des deutschen PRTs in der Provinz Kunduz ist so notwendig wie das Wasser zum Leben. Die leidgeplag- ten Einwohner der Provinz Kunduz brauchen weiterhin die Unterstützung des PRTs.“ Solange afghanische Poli- zei, Justiz und Armee nicht selbst die Sicherheit im Land gewährleisten können, hätte ein Abzug von Bundeswehr und ISAF den Rückzug der meisten UN-Organisationen, NGOs, Entwicklungshelfer und Polizeiberater zur Folge, die in dem gewaltträchtigen Umfeld ohne Rückhalt wä- ren. Alleingelassen würden die friedensbereiten Kräfte, ermutigt die verschiedenen Gewaltakteure. Die Tür würde geöffnet für eine Machtergreifung der Taliban im Süden und Bürgerkrieg in anderen Landesteilen. So sehr ich einerseits von der Notwendigkeit der wei- teren ISAF-Beteiligung überzeugt bin, so sehr bin ich zugleich besorgt über die halbherzige Politik der Bun- desregierung und die widersprüchliche und zum Teil kontraproduktive Politik der Staatengemeinschaft in Af- ghanistan. Ich weiß um die vielen, oft weniger sichtba- ren Aufbauerfolge und die Notwendigkeit von langem Atem. Die Leistungen der engagierten und mutigen Sol- daten, Entwicklungsexperten, Polizeiberater, Diploma- ten und Friedensfachkräfte verdienen unser aller hohen Respekt und Anerkennung. Angestoßen durch Besuche vor Ort und Gespräche mit Afghanistan-Praktikern weist die Grüne Fraktion seit mehr als einem Jahr in Schreiben an die zuständigen Mi- nister, in Bundestagsdebatten und Anträgen eindringlich 12426 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) auf die kritische Lageentwicklung in Afghanistan hin und fordert einen Strategiewechsel sowie eine Forcie- rung der Aufbauanstrengungen. Im November letzten Jahres verweigerte die Grüne Fraktion der weiteren deut- schen Beteiligung an der Operation Enduring Freedom erstmalig ihre Zustimmung. Verdichtet hatten sich Hin- weise über kontraproduktive Operationsweisen im Sü- den und Osten, durch die Gewalt mehr gefördert als eingedämmt wurde. Unsere Warnrufe fanden volle Zu- stimmung bei vielen zivilen und militärischen Afghanis- tan-Insidern, aber kaum ein Echo aufseiten der Regie- rung. Deutlich wird das im jüngsten Afghanistan-Konzept der Bundesregierung und ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage zur Afghanistan-Politik: Verharmlost wird die kritische Entwicklung der politischen und Si- cherheitslage, wo die Enttäuschung und Frustration in der afghanischen Bevölkerung – mit regionalen Diffe- renzierungen – gravierend zugenommen haben: über eine vielfach versagende und korrupte Regierung, über grassierende Kriminalität, über eine weit hinter ihren Versprechen zurückbleibende Staatengemeinschaft. Der richtige Anspruch des Primats des zivilen Aufbaus wird durch eine Praxis der Bundesregierung konterkariert, in der der Anteil der Mittel für den Aufbau nur ein Fünftel beträgt von denen, die für die militärische Absicherung eingesetzt werden. Beschönigt wird das Ergebnis von fünf Jahren deutscher Führungsrolle beim Polizeiaufbau. Ein grundsätzlich richtiger Ansatz wurde mit völlig un- zureichenden Mitteln verfolgt. Mit der Polizeimission EUPOL ist da bisher keine Besserung in Sicht, zurzeit eher das Gegenteil. „Durchgewunken“ wird OEF, wo ausgeklammert bleibt, wie sehr Operationsweisen ge- rade von OEF immer wieder das Ansinnen von Regie- rung, ISAF und Staatengemeinschaft zunichte machen, die Köpfe und Herzen der Menschen zu gewinnen. In Afghanistan drängt die Zeit, wird das Zeitfenster für eine Wende zum Besseren schmaler. Dringend notwendig sind eine neue und besser konzertierte An- strengung der Internationalen Gemeinschaft und der Bundesrepublik und ein substanzieller Strategiewechsel. Hundert im Verband Entwicklungspolitik, VENRO, zu- sammengeschlossene deutsche Hilfs- und Entwicklungs- organisationen haben dies vor wenigen Tagen noch ein- mal nachdrücklich eingefordert. Wenn die Bundesregierung die Aufwendungen für Aufbau und Entwicklung um 25 Prozent erhöhen will, wo Fachleute mindestens eine Verdoppelung fordern, zeigt das, wie wenig die Bundesregierung die Dringlich- keit der Lage erkannt hat. Um in Afghanistan dazu bei- zutragen, das Vertrauen der Bevölkerung zurückzuge- winnen und den Abwärtstrend umzukehren, sind ganz andere Anstrengungen erforderlich! Hinzu kommt der Umgang der Bundesregierung mit dem umstrittenen Einsatz der Tornado-Aufklärer. Der Nutzen von Luftaufklärung für den ISAF-Stabilisie- rungseinsatz ist für mich unstrittig. Bisher hat es die Bundesregierung aber versäumt, erhebliche Bedenken auszuräumen: Wie kann eine nur restriktive Weitergabe von Tornado-Bildern an OEF garantiert werden, wenn im Osten der ISAF-Regionalkommandeur und Kom- mandeur OEF Afghanistan identisch sind, wenn im Sü- den und Osten Einheiten von ISAF und OEF dicht zu- sammen und zum Teil unter wechselnder Unterstellung operieren? Auch wenn die Tornados kaum zur „Zielmar- kierung“ geeignet sind: Wie weit tragen sie mittelbar zu den dortigen Kampfeinsätzen bei? Schließlich bleiben die teuren Tornados Symbol für eine falsche finanzielle Prioritätensetzung. Ich will eine im Sinne des afghanischen Aufbaus und Friedensprozesses erfolgreiche ISAF. Die Politik der Bundesregierung gefährdet die Erfolgschancen von ISAF, statt sie zu verbessern. Deshalb werde ich in die- sem Jahr dem Antrag der Bundesregierung nicht zustim- men. Den Menschen in Afghanistan sagen wir Grüne ganz deutlich: Wir lassen Euch nicht im Stich! Wir setzen uns zugleich für eine wirksamere deutsche und internatio- nale Unterstützung ein! – Das versprachen wir unseren Kolleginnen und Kollegen aus dem afghanischen Parla- ment bei jeden Zusammentreffen aus tiefer Überzeugung und vollem Herzen. Das gilt unverändert weiter. Deshalb wäre ein Nein zu dem Mandat falsch. Weil ich Verlässlichkeit und Erfolg, weil ich effekti- ven Multilateralismus will, werde ich dem Antrag der Bundesregierung in diesem Jahr nicht zustimmen, son- dern mit Enthaltung stimmen. Mein Abstimmungsver- halten bitte ich die von der deutschen Politik nach Af- ghanistan entsandten Soldaten und Zivilexperten und auch die Menschen in Afghanistan in diesem Sinne zu verstehen: ganz und gar nicht als Signal zum Rückzug aus Afghanistan, sondern als konstruktiven Warnruf der Grünen, die sich seit den 80er-Jahren in besonderer Weise den Menschen und den Menschenrechten in Af- ghanistan verpflichtet fühlen und ihre Kontrollfunktion als Opposition ernst nehmen. Maik Reichel (SPD): Bei der heutigen Abstimmung zu oben genanntem Antrag werde ich mich der Stimme enthalten. Diese Enthaltung liegt in der Tatsache begrün- det, dass die Entsendung von Tornados und das ISAF- Mandat zusammengelegt wurden. Den Einsatz von Tor- nados lehne ich ab – dies habe ich bereits bei der Ab- stimmung im März 2007 getan –, da ich darin eine Ge- fährdung des ISAF-Einsatzes und der Arbeit auch der NGOs sehe. Unsere Soldatinnen und Soldaten der Bun- deswehr leisten einen sehr guten und notwendigen Bei- trag für die Stabilisierung Afghanistans. Ich begrüße das Engagement der deutschen Regie- rung, jedoch müssen wir es deutlich ausweiten. Haupt- ziel muss es sein, staatliche Strukturen weiter aufzubauen und die Armut im Land zu verringern. Ich unterstütze das deutsche Engagement im Rahmen der ISAF-Mission einschließlich der humanitären Hilfe. Gleichzeitig bedaure ich, dass ich aufgrund der Zusam- menlegung der beiden oben genannten Mandate unsere Soldatinnen und Soldaten nicht mit einem klaren Ja un- terstützen kann. Trotzdem wünsche ich ihnen für ihre verantwortungsvolle und nicht ungefährliche Arbeit al- les Gute. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12427 (A) (C) (B) (D) Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Auf der Grundlage des „Afghan Compact“ haben im Februar 2002 rund 70 Staaten und internationale Or- ganisationen unter der Verantwortung der afghanischen Regierung ihre Unterstützung zum Wiederaufbau von Afghanistan für die kommenden fünf Jahre zugesagt. Das Ziel war es, dazu beizutragen, selbsttragende staat- liche Strukturen aufzubauen, um die Afghaninnen und Afghanen in die Lage zu versetzen, die politischen und gesellschaftlichen Konflikte demokratisch legitimiert, rechtsstaatlich und basierend auf den universalen Men- schenrechten lösen zu können, sowie selbst für Sicher- heit im Lande sorgen zu können. Noch bedarf Afghanistan weithin der Unterstützung durch die UN-mandatierte International Security Assis- tance Force, ISAF. Unter der Führung der NATO leistet ISAF einen entscheidenden Beitrag zur Stabilisierung und zum Wiederaufbau des Landes. Solange eine militä- rische Absicherung des zivilen Aufbaus erforderlich ist. darf sich die Bundeswehr nicht ohne weiteres aus Afgha- nistan zurückziehen. Vielmehr müssen wir zu der über- nommenen Verantwortung stehen, um den begonnenen zivilen Aufbau zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Die Bundesregierung betont in ihrem Afghanistan- Konzept, dass sie den zivilen Wiederaufbau und die Ent- wicklung in den Vordergrund stellen möchte. Dem ge- genüber steht aber ein klares Missverhältnis zwischen den Ausgaben für eine militärische Absicherung und den Mitteln für den zivilen Aufbau. Auch eine Erhöhung der Mittel von 100 Millionen auf 125 Millionen Euro reicht keineswegs aus. Von einem Kurswechsel hin zu einer Schwerpunktsetzung auf den zivilen Aufbau kann also keine Rede sein. Vielmehr müssen die Mittel für die deutsche zivile Aufbauhilfe 2008 auf mindestens 200 Millionen Euro verdoppelt werden. Entscheidend für einen Strategiewechsel ist zudem die Rolle der Operation Enduring Freedom, OEF. Für OEF-Truppen gibt es kein Stationierungsabkommen, vielmehr behalten sich die USA vor, gemäß dem Mili- tary Commissions Act im souveränen Staat Afghanistan nach eigenen Maßgaben vorzugehen. Angesichts der Tatsache, dass OEF-Einsätze durch rücksichtloses Vor- gehen, insbesondere durch Luftangriffe, immer wieder eine hohe Zahl ziviler Opfer gekostet haben, gefährdet die Antiterroroperation OEF die Akzeptanz von ISAF. Das Nebeneinander dieser beiden – auch völkerrecht- lich – völlig unterschiedlicher Missionen ist eine schwere Belastung für den Erfolg von ISAF. Zudem liegt bis heute keine Evaluation der Tornado- Einsätze vor. Die Frage, ob die Aufklärungsflüge der Tornados wirklich einen Beitrag für die Absicherung von ISAF geleistet haben, wäre aber als Entscheidungs- grundlage von großer Bedeutung gewesen. Bis heute wurde jedoch weder in den Ausschüssen noch im Parla- ment eine entsprechende Auswertung seitens der Bun- desregierung vorgelegt. Ohne einen klaren Strategiewechsel für ein verstärk- tes ziviles Engagement sowie eine Evaluation der Tor- nado-Einsätze kann ich dem Antrag der Bundesregie- rung nicht zustimmen und werde mich daher enthalten. Heinz Schmitt (Landau) (SPD): Die Bundesregie- rung hat am 19. September 2007 eine Fortsetzung des Einsatzes deutscher Soldaten im Rahmen des ISAF- Mandates sowie den weiteren Einsatz von Recce-Auf- klärungstornados in Afghanistan beschlossen. Im Bun- destag stehen nun beide Einsätze erstmals gemeinsam zur Abstimmung. Bereits bei der ersten Abstimmung über den Einsatz von Tornado-Flugzeugen in Afghanis- tan, am 7. März 2007, habe ich meine Bedenken gegen diese Mission in einer Erklärung nach der Geschäftsord- nung des Deutschen Bundestages zum Ausdruck ge- bracht und den Antrag der Bundesregierung abgelehnt. Während ich den ISAF-Auftrag grundsätzlich befür- worte, befürchte ich, dass vom Einsatz der Aufklärungs- tornados der Bundeswehr erhebliche Gefahren für un- sere Soldaten in der ISAF-Mission ausgehen. Der Erfolg von ISAF insgesamt ist aus meiner Sicht dadurch gefähr- det. Die Stimmung gegenüber den deutschen Soldaten hat sich durch den Einsatz der Torandos mit mehr als 500 Starts und Landungen bereits verschlechtert. Die Mission unserer Soldaten im Rahmen von ISAF muss strikt vom „Antiterrorkampf“ der Operation „Enduring Freedom“ (OEF) getrennt bleiben. Der Einsatz von Auf- klärungs-Tornados bringt erhebliche Unschärfen mit sich, da eine Übermittlung von Aufklärungsergebnissen an OEF zwar „restriktiv“, aber dennoch explizit als Auf- trag vorgesehen ist. OEF wird unter anderem von mehre- ren großen Nichtregierungsorganisationen zunehmend als Hemmnis für die Herstellung von Frieden, für den Wiederaufbau und für eine erfolgreiche Entwicklung in Afghanistan gesehen. Mit einer möglichen Unterstüt- zung von OEF durch die Tornado-Aufklärung wären deutsche Soldaten damit zumindest indirekt daran betei- ligt, dass sich die Spirale der Gewalt in Afghanistan wei- ter dreht. Dies lehne ich entschieden ab. Ich kann daher dem Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung des Einsatzes von Tornados auch dieses Mal nicht zustim- men. Diese Ablehnung betrifft damit bedauerlicherweise auch das ISAF-Mandat aufgrund der Verknüpfung bei- der Mandate. Frank Schwabe (SPD): Ich stimme dem Antrag der Bundesregierung trotz schwerer Bedenken zu. Ich habe mich bisher bei der Verlängerung des ISAF-Mandats enthalten und den Tornado-Einsatz abgelehnt. Ich habe aber jetzt den Eindruck, dass ich mich – trotz des von mir empfundenen Dilemmas – für oder gegen den Ein- satz entscheiden muss. Ich teile die Argumentation derer, die in internationalen militärischen Einsätzen nicht die Lösung internationaler Konflikte sehen und zu Recht hinterfragen, warum gerade Afghanistan der Ort militä- rischen Einsatzes ist, während woanders Leid und Elend hingenommen werden. Ich widerspreche einer Haltung, die immer mehr auf Einsatz des Militärs in internationa- len Konflikten setzt. Gleichzeitig ist aber auch eine Hal- tung, die jede internationale Verantwortung ablehnt, nicht die meine. Manchmal muss internationale Verant- wortung auch einen militärischen Teil enthalten. Es wäre naiv, die augenscheinlichen Probleme des Einsatzes und der schwierigen Situation in Afghanistan nicht zur Kenntnis zu nehmen. Ich kenne niemanden, der ohne Zweifel ist. Meine Sorge ist, dass, wenn es nicht schnell 12428 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) zu dramatischen Veränderungen des internationale Ein- satzes durch eine Stärkung der afghanischen Zivilgesell- schaft und der inländischen Sicherheitsstrukturen kommt, der Einsatz scheitern muss. Ich halte das leider für eine hoch mögliche Variante. Entscheiden muss ich mich vor dem Hintergrund ei- ner ganz konkreten Situation: In der Verantwortung für die Auswirkungen auf die internationale Entwicklung, in Verantwortung vor dem Hintergrund des Engagements deutscher ziviler und militärischer Einsatzkräfte vor Ort und in der Verantwortung für die afghanische Bevölke- rung, für die Deutschland vor einigen Jahren Verantwor- tung übernommen hat. Ich glaube, dass trotz wachsender Skepsis der afghanischen Bevölkerung in der Abwägung der Vor- und Nachteile der Einsatz zurzeit für die Men- schen hilfreich ist. Beim Abzug der internationalen Truppen würden radikale Kräfte sofort die Überhand ge- winnen, und alle Verbesserungen wären gefährdet. Ich glaube, dass es zu entsetzlichen Gräueltaten kommen würde. Nach meinem Eindruck führt der Einsatz der Torna- dos wie befürchtet in der afghanischen Bevölkerung zu einer Verschärfung der Wahrnehmung Deutschlands als Aggressor. Andererseits muss ich nach den verfügbaren Informationen derzeit davon ausgehen, dass durch die Tornados keine Angriffe von OEF-Truppen auf die Zi- vilbevölkerung ermöglicht werden. Deshalb stellt der Tornado-Einsatz aus heutiger Sicht für mich keinen Hin- derungsgrund zu einer Zustimmung zu ISAF dar. Ich bin tief besorgt über den Einsatz im Rahmen von OEF. Und ich bin tief besorgt über die Entwicklung der Regierung Karzai. Ich verurteile die abscheulichen Hinrichtungen in den letzten Tagen, verantwortet durch eine von Deutschland gestützte Regierung. Der Einsatz muss sich verändern. Deutschland muss – wie die gesamte interna- tionale Gemeinschaft – sein ziviles Engagement massiv stärken. Dazu läuft die Zeit ab. Wenn das nicht erreicht wird, muss der Einsatz scheitern. Dennoch glaube ich, dass es die konkrete Lebenssituation der Menschen heute notwendig macht, den Einsatz jetzt weiterzufüh- ren. Deshalb stimme ich zu. Wolfgang Spanier (SPD): Die Fortsetzung der Be- teiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Ein- satz der internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) in Afghanistan unterstütze ich nach wie vor. Die Aufbauhilfe durch die Bundeswehr im Norden Afghanistans halte ich aus humanitären und politischen Gründen für einen wichtigen Einsatz. Das ISAF-Mandat beinhaltet das Recht der Soldaten auf Selbstverteidi- gung. Militärische Gewalt ist auch dann zulässig, wenn es darum geht, die Regierung und die Menschen in Afghanistan zu schützen. Der Wiederaufbau Afghanistans zeigt Erfolge, aller- dings bin ich davon überzeugt, dass die zivilen Mittel für den Wiederaufbau verstärkt werden müssen. Ein Rückzug der Bundeswehr aus ISAF würde den Wiederaufbau des Landes zunichte machen, die Men- schen in Afghanistan im Stich lassen, das Land ins Chaos stürzen, terroristischen Gruppen wieder freie Hand geben. Die bisher getrennten Bundestagsmandate für ISAF sowie den Tornado-Einsatz werden in einem Mandat zu- sammengeführt. Nach wie vor kann ich dem Einsatz deutscher Aufklärungsflugzeuge in Afghanistan nicht zustimmen. Die Aufklärungsflugzeuge dienen nicht nur dem Schutz der Bundeswehr im Norden Afghanistans. Mit dem geplanten Einsatz von deutschen Tornados der Bundeswehr engagiert sich die Bundeswehr beim Kriegseinsatz im Süden Afghanistans im Rahmen der „Operation Enduring Freedom“. Die Ergebnisse der Luftaufklärung dienen auch dem Einsatz militärischer Mittel. Damit werden deutsche Soldaten in Kampfhand- lungen einbezogen, auf deren Planung und Durchfüh- rung sie keinerlei Einfluss haben. Weil beide Mandate im Antrag der Bundesregierung in einem Mandat zusammengeführt werden, kann ich dem Antrag nicht zustimmen. In der Gesamtwürdigung des Antrags der Bundesre- gierung enthalte ich mich der Stimme. Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Der ISAF- Einsatz hat eindeutig belegt, dass der Aufbau des zivilen Lebens in Afghanistan möglich ist und weiterhin beson- derer Unterstützung bedarf. Aus diesem Grund habe ich diesem Einsatz auch immer zugestimmt. Zusätzliche Mittel für den gesellschaftlichen und ver- waltungstechnischen Aufbau sind notwendig. Auch hier stimme ich mit den Zielen des Einsatzes überein. Frauen und Mädchen haben weitreichende Rechte erhalten. Dies gilt es zu erhalten und in jeder Hinsicht zu unterstützen. Den Tornado-Einsatz halte ich nach wie vor für falsch, und ich bedauere zutiefst, dass mir mit der Zu- sammenlegung beider Mandate eine Zustimmung und Unterstützung des zivilen Aufbaus nicht mehr möglich ist. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Thea Dückert, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Omid Nouripour, Alexander Bonde, Kerstin Andreae und Margareta Wolf (Frankfurt) (alle BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortset- zung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanis- tan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezem- ber 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. Sep- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12429 (A) (C) (B) (D) tember 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 27) Erstens. Parteipolitisches Taktieren ist in Fragen von Krieg und Frieden völlig unangebracht. Deshalb ist es für uns nicht akzeptabel, dass die Große Koalition die Abstimmungen um die Verlängerung der Mandate des UN-legitimierten Einsatzes der International Security Assistance Forces, ISAF, und der US-geführten Antiter- roreinsätze im Rahmen von Operation Enduring Free- dom, OEF, zeitlich so weit auseinandergelegt hat. Diese Entscheidung geschieht ausschließlich aus Rücksicht auf die Parteitagsregie der Sozialdemokratie, nimmt aber dem Bundestag die Möglichkeit, über ein geschlossenes, kohärentes Paket an militärischer Unter- stützung für den zivilen Wiederaufbau in Afghanistan abzustimmen. Auch die Zusammenlegung der Mandate von ISAF und der RECCE-Tornados geschieht – so rich- tig sie auch im Rahmen der Kommandostruktur ISAFs sein mag – leider nicht ohne den Hintergedanken einer Disziplinierung der SPD-Abgeordneten. Zweitens. Ein „Weiter so“ kann es in Afghanistan nicht geben. Angesichts sich vermehrender Berichte über die Verschlechterung der Sicherheitslage, der Erhö- hung der Zahl ziviler Opfer, der Unterfinanzierung und Ineffizienz der zivilen Aufbauarbeit, dem Scheitern der bisherigen Strategie im Kampf gegen den Mohnanbau, angesichts des fehlenden Willens vieler lokaler Warlords zur Entwaffnung und der grassierenden Korruption in der afghanischen Administration bedarf es eines schnel- len Strategiewechsels. Dabei ist von großer Bedeutung, dass die Strukturen der internationalen Gemeinschaft auf eine kontinuierliche „Afghanisierung“ der Sicherheit und des zivilen Aufbaus hinwirken müssen. Die Assis- tenz der internationalen Gemeinschaft muss provisorisch bleiben. Die Bundesregierung verweigert sich bisher weitge- hend dieser Einsicht. Die wenigen Ansätze aus dem im September vorgelegten Strategiepapier Afghanistan der Bundesregierung reichen mitnichten aus. Die Bundesre- gierung muss sich dringend in Afghanistan und bei unse- ren Bündnispartnern für einen Strategiewechsel einset- zen. Sofortige Maßnahmen müssen mindestens die Verdopplung der von der Bundesrepublik zur Verfügung gestellten Mittel für den zivilen Aufbau und die Beendi- gung des OEF-Kommandos sein. Der OEF-Einsatz ist kontraproduktiv, weil er durch Doppelstrukturen die Ar- beit von ISAF erschwert, und vor allem, weil er durch Kommandoaktionen im Rahmen des „Krieges gegen den Terrorismus“ das Vertrauen der Bevölkerung in Afgha- nistan verspielt hat. Drittens. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Dies erfordert effektive Kontrollmöglichkeiten ihrer Ak- tivitäten durch den Bundestag. Dafür bedarf es einer ver- lässlichen und kontinuierlichen Informationspolitik der Bundesregierung, allen voran des Bundesverteidigungs- ministers. Diese war in den letzten Monaten allerdings mehr als dürftig. Insbesondere zur Evaluierung des Tor- nado-Einsatzes hätten wir vor der Abstimmung einen umfassenden Bericht erwartet. So ist eine umfassende Bewertung der Arbeit der RECCE-Tornados kaum mög- lich. Die Bundesregierung wird hier ihrer Verantwortung gegenüber dem Parlament nicht gerecht und verspielt in der Öffentlichkeit Vertrauen, das gerade die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan brauchen. Wir fordern die Bundesregierung auf, unverzüglich ihrer Berichtspflicht nachzukommen und das Parlament um- fassend über Art und Umfang der Aktivitäten der RECCE-Tornados in Afghanistan zu informieren. Viertens. Die Sicherung des Wiederaufbaus in Afgha- nistan ist eine der großen Herausforderungen deutscher Außenpolitik. Im Interesse der Menschen in Afghanistan leisten die Soldaten der Bundeswehr dort seit mehreren Jahren einen gefährlichen, aber sehr wichtigen Einsatz. Beiträge für mehr Sicherheit sind unverzichtbar. Gerade ISAF leistet vor Ort einen wichtigen Dienst und ist auch auf Grundlage vieler Stimmen aus dem Land und von Nichtregierungsorganisationen unver- zichtbar für zivile Aufbauprojekte in Afghanistan. Denn ohne Sicherheit ist die Aufbauarbeit nicht leistbar. Vor dem Hintergrund der Bedrohung der Sicherheit Afgha- nistans durch die Taliban und aufgrund des nicht abge- schlossenen Aufbaus der afghanischen Polizei und Ar- mee kann diese Sicherheit derzeit nur UN-mandatiert und militärisch gewährleistet werden. Fünftens. Die RECCE-Aufklärungstornados sind Teil der ISAF-Mission und dürfen nur unter den Auflagen des ISAF-Mandats eingesetzt werden. Eine kritische Evaluierung ihres Einsatzes war bislang nicht möglich – geschuldet der schlechten Informationspolitik der Bun- desregierung. Aber auch eine sehr kritische Haltung zur Zweckmäßigkeit des Einsatzes der Tornado-Aufklä- rungsflugzeuge wiegt nicht schwer genug, um der Betei- ligung der Bundeswehr an der ISAF-Mission die Zu- stimmung zu entziehen. ISAF bleibt für den zivilen Aufbau unerlässlich. Sechstens. Ein Sonderparteitag von Bündnis 90/Die Grünen hat im September den Abgeordneten der Grü- nen-Fraktion empfohlen, dem verbundenen Mandat auf- grund der ablehnenden Haltung zum Tornado-Einsatz nicht zuzustimmen. Wir respektieren diese Entscheidung des Parteitags und die Entscheidung der Mehrheit der Fraktion, dieses Ergebnis im Abstimmungsverhalten in dieser Frage widerzuspiegeln. Wir können dieser Aufforderung allerdings aus Ge- wissensgründen nicht folgen, da die Bedeutung einer Fortsetzung der ISAF-Mission für die Menschen und den Aufbau in Afghanistan deutlich schwerer wiegt, so dass wir der Bundeswehrbeteiligung daran die Zustim- mung nicht verweigern können. Dies ist das Ergebnis in- tensiver Gespräche und Diskussion unter anderem mit Menschen, die dauerhaft in Afghanistan leben und sol- chen, die dort Aufbauarbeit leisten. 12430 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dirk Manzewski, Christine Lambrecht, Dr. Peter Danckert und Dr. Margrit Spielmann (alle SPD) zur namentlichen Abstim- mung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut- scher Streitkräfte an dem Einsatz der Internatio- nalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afgha- nistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. Sep- tember 2004, 1623 (2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicher- heitsrates der Vereinten Nationen (Tagesord- nungspunkt 27) Seit dem Eingreifen der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan 2001 haben sich positive Entwicklungen für das Land gezeigt. Insbesondere die Bedingungen für Frauen haben sich durch Diskriminierungsverbote in der Verfassung und eine Quotierung für weibliche Parla- mentsangehörige erheblich verbessert. Frauen haben Zu- gang zu Bildung und können damit den Grundstein für ein selbstbestimmtes Leben setzen. Der Bereich der Bil- dung ist auch insgesamt vorangekommen. Seit 2001 wurden landesweit 3 500 neue Schulen gebaut und die Zahl der Schülerinnen und Schüler hat sich auf 6,5 Mil- lionen mehr als verfünffacht. Hiervon profitieren insbe- sondere die jungen Mädchen, da ihnen unter Herrschaft der Taliban der Zugang zu Bildung verwehrt war. Allein 2005 wurden 500 000 Mädchen zum ersten Mal einge- schult. Mittlerweile sind 40 000 Studierende, darunter ein Viertel junge Frauen, heute an den Universitäten des Landes eingeschrieben. Ein Besuch von afghanischen Frauen in der SPD-Bundestagsfraktion hat diese Verbes- serungen nachhaltig dargelegt. Auch sind Fortschritte bei der medizinischen Versorgung, dem Aufbau der Poli- zei und dem Wachstum der Wirtschaft zu erkennen. Trotz dieser durchaus positiven Entwicklungen halten wir die Vorgehensweise bei diesem Einsatz gleichwohl weder für nachhaltig noch zielführend. Die Situation vor Ort scheint vielmehr zu kippen. Gewalt, Armut und Hoffnungslosigkeit nehmen wieder zu. Vor allem an der ländlichen Region scheinen die positiven Entwicklungen vorbeigegangen zu sein. Hier ist ein Wiedererstarken von Taliban, bewaffneten Kriegsfürsten und Banden zu beobachten. Soldaten berichteten uns von der zuneh- menden Korruption im Lande, die auch die Zusammen- arbeit mit den deutschen Einheiten stark belastet. Das zu Beginn der deutschen Beteiligung formulierte Ziel, für Afghanistan Menschenrechte, Demokratie und Wohl- stand zu ermöglichen, scheint in weite Ferne gerückt. Damit wird aber auch die Situation unserer Soldaten in Afghanistan immer komplizierter und unsicherer. Hierzu hat auch der Einsatz der deutschen Tornados bei- getragen. Unabhängig von der Frage, ob und wie die durch diese Einsätze gewonnenen Erkenntnisse nun ver- wendet bzw. weitergeben werden, verstärkt sich vor al- lem durch die Häufigkeit der Einsätze bei der afghani- schen Bevölkerung der Eindruck einer deutschen „Kriegsbeteiligung“. Soldaten berichteten uns, dass seit- dem immer weniger zwischen den deutschen Truppen und zum Beispiel denen der Amerikaner unterschieden wird, was zu einer weiteren Gefährdung unserer Solda- ten führt. In diesem Spannungsfeld findet nunmehr die Ent- scheidung über die Verlängerung der Beteiligung der deutschen Streitkräfte an diesem Einsatz statt. Auf der einen Seite zeigen sich durchaus positive Aspekte für das Land, auf der anderen Seite scheint das augenblickli- che Vorgehen nicht geeignet, eine langfristige Verbesse- rung der Sicherheitslage in Afghanistan zu ermöglichen. Eine Zustimmung zum ISAF-Einsatz wäre für uns den- noch grundsätzlich möglich gewesen – auch wenn wir eine strategische Neuausrichtung des Einsatzes ange- sichts der derzeitigen Situation in Afghanistan dringend für erforderlich erachten. Die nunmehr erfolgte Ver- knüpfung mit dem Tornado-Einsatz macht uns dies hin- gegen unmöglich. Aus diesem Grund können wir per- sönlich dem Antrag der Bundesregierung weder zustimmen noch gegen ihn stimmen und werden uns da- her enthalten. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Detlef Müller (Chemnitz), Mechthild Rawert und Christoph Strässer (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheits- unterstützungstruppe in Afghanistan (Interna- tional Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolu- tionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Okto- ber 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungs- punkt 27) Wir stimmen mit dem Antrag der Bundesregierung überein, dass ISAF für die Herstellung von Frieden und Sicherheit in Afghanistan einen bedeutsamen Beitrag leistet, und stimmen deshalb der Verlängerung des Ein- satzes der deutschen ISAF-Kräfte im Ergebnis zu. Den Einsatz deutscher RECCE-Tornados hatten wir im März 2007 abgelehnt. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12431 (A) (C) (B) (D) Die Zusammenfassung des ISAF- und des Tornado- Mandates im heute vorliegenden Antrag ist der Grund für unsere heutige persönliche Erklärung. Wir stimmen dem Antrag zu, weil unsere Bundes- wehr unter ISAF und die teilweise unter ihrem Schutz arbeitenden NGOs eine sehr gute und für die Stabilisie- rung Afghanistans unverzichtbare Arbeit leisten. Ein mit einer Ablehnung verbundenes Ende dieses Engagements in der jetzigen Situation halten wir für nicht verantwort- bar. Wir begrüßen das bisherige Engagement der Bundes- regierung in diesem Bereich, halten es aber nicht für aus- reichend. Es muss deutlich ausgeweitet werden, insbe- sondere was den Mitteleinsatz für den zivilen Wiederaufbau angeht. Hauptziel muss sein, staatliche Strukturen weiter aufzubauen und die Armut zu verrin- gern. Viele Erfolge – zum Beispiel im Bereich der Mäd- chenbildung oder der Verbesserung der Infrastruktur, des Zugangs zu gesunden Wasserressourcen oder zum Ge- sundheitswesen, so unzureichend sie augenblicklich auch noch sein mögen – sind durch die Verschlechterung der Sicherheitslage in den meisten Provinzen Afghanis- tans gefährdet. Die Regierung Karzai wird zudem in weiten Teilen des Landes nicht wahrgenommen und schon gar nicht respektiert. Kaum jemand weiß über seine verfassungsmäßigen Rechte Bescheid. Die Verab- schiedung des Amnestiegesetzes, mit dem die Aufarbei- tung von Kriegsverbrechen endgültig verhindert wurde, sowie die Verstrickung der Regierung und von Parla- mentarieren in Drogengeschäfte nehmen beiden Institu- tionen zusätzlich Glaubwürdigkeit. Darüber hinaus ist die afghanische Bevölkerung zunehmend frustriert über das Tempo, in dem die Verbesserungen für sie persönlich greifbar werden. Das ist verständlich, dennoch ist das Grundproblem, dass immer noch moderne staatliche Institutionen auch auf den unteren Provinz- und Distriktebenen fehlen oder nicht voll funktionieren. Ohne sie ist aber weder Frieden noch eine Demokratisierung oder eine stabile wirtschaft- liche Entwicklung des Landes möglich. Dieses fehlende staatliche Gewaltmonopol kann nicht durch die simple Einrichtung entsprechender Institutio- nen und auch nicht durch militärische Gewalt hergestellt werden. Es fehlen demokratische Rechts- und Gerech- tigkeitskonzeptionen sowie institutionalisierte, als legi- tim verstandene Konfliktaustragungsmechanismen. In diesem Punkt mangelt es im gesamten internationalen Engagement noch. Der afghanische Staat muss in die Lage versetzt wer- den, dass er die Lebenssituation der Afghanen und Afghaninnen tatsächlich verbessern kann, indem er Si- cherheit herstellt, Rechtsgleichheit gewährleistet und als Dienstleistungserbringer (Bildung, Infrastruktur, Ge- sundheitsversorgung, soziale Absicherung) funktioniert. Deshalb stimmen wir dem vorliegenden Antrag auch in der Absicht zu, die Bundesregierung, die mit den in ihrem aktualisierten Papier zur Afghanistan-Strategie geschilderten Vorhaben auch den zivilen Wiederaufbau stärken will, in der Umsetzung dieses Vorhabens zu un- terstützen. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf das Positionspapier des Verbandes Entwick- lungspolitik Deutscher Nichtregierungsorganisationen e. V. vom 8. Oktober 2007. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass insbe- sondere menschenrechtliche Aspekte künftig noch stär- ker – zum Beispiel in die Formulierung der die Mandats- verlängerungen betreffenden Anträge – Eingang finden. So ist die mit der Vollstreckung von 15 Todesurteilen vollzogene Abkehr Präsident Karzais von dem unter- zeichneten Moratorium zur Todesstrafe nicht akzeptabel. Fest steht für uns: Eine Politik gegen die zivile afgha- nische Bevölkerung wird nicht zum Erfolg führen. Die Strategie der Vermeidung sogenannter Kollateralschäden muss künftig Teil jedes Mandates sein. Die Sinnhaftigkeit militärischer Operationen muss auch für die afghanische Bevölkerung erkennbar sein. Ihr fällt es zunehmend schwerer, die einzelnen Mandate und ihre Aktionen auseinanderzuhalten. Daraus ergibt sich die ganz klare Schlussfolgerung, dass mit militäri- schen Mitteln allein die Auseinandersetzung nicht zu ge- winnen ist. Aber genauso gilt: Ohne militärische Absi- cherung des von zivilen Organisationen zu betreibenden Wiederaufbaus wird dieser nicht gelingen. Auch dies ist Ergebnis der bereits zitierten Erklärung von VENRO vom 8. Oktober 2007. Wir sind – insbesondere nach einem Informationsbe- such in Afghanistan Ende August 2007 und nach sorgfäl- tiger Auswertung der dabei gewonnenen Erkenntnisse – zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vorbehalte, die uns zu einer Ablehnung des Tornado-Einsatzes im März geführt haben, in einem wesentlichen Punkt nicht mehr aufrechterhalten werden können: Die technische Aus- stattung der Tornados schließt nach unserer Überzeu- gung aus, dass die Tornados aktiv zur Vorbereitung oder unmittelbaren Beteiligung an Kampfhandlungen und da- mit auch am Tod unbeteiligter Zivilisten benutzt werden können. Die Übermittlung sogenannter Echt-Zeit-Infor- mationen ist mit den RECCE-Tornados aus technischen Gründen nicht möglich. Bei Kampfhandlungen am Bo- den ist der Luftraum für Aufklärungstornados, die nur über Bewaffnung für den Selbstschutz verfügen, ge- sperrt. Der Zeitraum, der von der getätigten Luftauf- nahme über den Rückflug zur Basis, die Entwicklung der Aufnahmen und die Entscheidung über deren Ver- wertbarkeit vergeht, schließt einen Nutzen für aktuelle Kampfhandlungen nach unserer Überzeugung definitiv aus. Auch die Kontrollmechanismen, die ausschließen sollen, dass eine Weitergabe der gewonnenen Erkennt- nisse mandatswidrig zum Beispiel auch für Operationen im Rahmen der Operation OEF erfolgt, haben uns über- zeugt, wobei wir nicht so naiv sind, zu glauben, dass ein solches Sicherheitssystem immer zu 100 Prozent funk- tioniert. Wir befürchten jedoch nach wie vor, dass aufgrund dieses Einsatzes deutsche Soldaten mit Kriegsoperatio- nen in Verbindung gebracht werden könnten, auf deren Planung und Durchführung sie keinerlei Einfluss haben. Mehrere Hundert Tornado-Einsätze, die der Absicherung 12432 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) des ISAF-Mandates und des Wiederaufbaus Afghanis- tans dienen, könnten durch die Bevölkerung Afghanis- tans fehlgedeutet und mit anderen Einsätzen in Verbin- dung gebracht werden. In diesem Zusammenhang könnte die Gefahr bestehen, dass der Tornado-Einsatz die gute und wichtige Arbeit deutscher Hilfsorganisatio- nen gefährdet. Wir hoffen, dass wir mit dieser Einschät- zung nicht recht haben. In Abwägung beider Sichtweisen stimmen wir heute dem ISAF-Mandat und damit dem gesamten Antrag zu. Eine Ablehnung des Tornado-Einsatzes würde im Ergeb- nis – auch wenn man dies nicht will – zu einem Nein auch zu ISAF führen. Dies können wir, wie dargelegt, nicht verantworten, auch nicht als Ausdruck des Protes- tes gegen die nach Auffassung vieler Kolleginnen und Kollegen taktisch begründete Zusammenlegung der bei- den bislang getrennten Mandate. Wir verbinden mit der nochmaligen Zustimmung zur Mandatsverlängerung al- lerdings die klare Erwartung und Aufforderung an die Bundesregierung, innerhalb der nächsten sechs Monate endlich den Anforderungen aus dem Parlament gerecht zu werden und Vorschläge für den immer wieder be- schworenen Strategiewechsel zu unterbreiten und zur Debatte zu stellen, denn ein entschiedenes „Weiter-so“ kann und darf es nicht geben. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Jürgen Trittin, Kerstin Müller (Köln), Rainder Steenblock, Irmingard Schewe-Gerigk, Wolfgang Wieland, Grietje Bettin, Thilo Hoppe, Katrin Göring-Eckardt, Christine Scheel, Ulrike Höfken, Dr. Gerhard Schick, Kai Gehring, Bärbel Höhn und Markus Kurth (alle BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregie- rung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Inter- nationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. Sep- tember 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 27) In den zurückliegenden Jahren haben wir nach sorg- fältiger Prüfung immer dem Antrag der Bundesregierung zur deutschen Beteiligung an ISAF zugestimmt und die deutsche zivile und militärische Beteiligung am interna- tionalen Afghanistan-Engagement intensiv begleitet. Gerade weil wir eine im Sinne des afghanischen Auf- baus und Friedensprozesses erfolgreiche ISAF wollen, können wir in diesem Jahr dem Antrag der Bundesregie- rung nicht zustimmen. Wir werden uns enthalten. Die von den Vereinten Nationen mandatierte ISAF- Schutztruppe bleibt für die Absicherung des Aufbaus in Afghanistan weiterhin notwendig und unverzichtbar. Darauf haben in den letzten Tagen nicht zuletzt auch deutsche Hilfs- und Entwicklungsorganisationen hinge- wiesen. Der führende Beitrag der Bundeswehr zur ISAF- Region Nord ist aufseiten der Verbündeten und insbe- sondere der Afghanen hoch angesehen. Das zeigte sich besonders nach dem Anschlag in Kunduz am 19. Mai, dem drei Bundeswehrsoldaten zum Opfer fielen. In einer Solidaritätsresolution erklärten die Rechtsgelehrten, Ältestenvertreter, Lehrerschaft, Schülerinnen und Schü- ler, Jugendorganisationen und Handwerksgenossen- schaft der Provinz Kunduz: „Die Anwesenheit des deut- schen PRTs in der Provinz Kunduz ist so notwendig wie das Wasser zum Leben. Die leidgeplagten Einwohner der Provinz Kunduz brauchen weiterhin die Unterstüt- zung des PRTs.“ Solange afghanische Polizei, Justiz und Armee nicht selbst die Sicherheit im Land gewährleisten können, hätte ein Abzug von Bundeswehr und ISAF den Rückzug der meisten UN-Organisationen, NGOs, Ent- wicklungshelfer und Polizeiberater zur Folge, die in dem gewaltträchtigen Umfeld ohne Rückhalt wären. Allein- gelassen würden die friedensbereiten Kräfte, ermutigt die verschiedenen Gewaltakteure. Die Tür würde geöff- net für eine Machtergreifung der Taliban im Süden und Bürgerkrieg in anderen Landesteilen. So sehr wir einerseits von der Notwendigkeit der wei- teren ISAF-Beteiligung überzeugt sind, so sehr sind wir zugleich besorgt über die halbherzige Politik der Bun- desregierung und die widersprüchliche und zum Teil kontraproduktive Politik der Staatengemeinschaft in Af- ghanistan. Wir wissen um die vielen, oft weniger sicht- baren Aufbauerfolge und die Notwendigkeit von langem Atem. Die Leistungen der engagierten und mutigen Sol- daten, Entwicklungsexperten, Polizeiberater, Diploma- ten und Friedensfachkräfte verdienen unser aller hohen Respekt und Anerkennung. Angestoßen durch Besuche vor Ort und Gespräche mit Afghanistan-Praktikern weist die Grünen-Fraktion seit mehr als einem Jahr in Schreiben an die zuständigen Minister, in Bundestagsdebatten und Anträgen eindring- lich auf die kritische Lageentwicklung in Afghanistan hin und fordert einen Strategiewechsel sowie eine For- cierung der Aufbauanstrengungen. Im November letzten Jahres verweigerte die Grünen-Fraktion der weiteren deutschen Beteiligung an der Operation Enduring Free- dom erstmalig ihre Zustimmung. Verdichtet hatten sich Hinweise über kontraproduktive Operationsweisen im Süden und Osten, durch die Gewalt mehr gefördert als eingedämmt wurde. Unsere Warnrufe fanden volle Zu- stimmung bei vielen zivilen und militärischen Afghanis- tan-Insidern – aber kaum ein Echo aufseiten der Regie- rung. Deutlich wird das im jüngsten Afghanistan- Konzept der Bundesregierung und ihrer Antwort auf un- sere Große Anfrage zur Afghanistan-Politik: Verharm- lost wird die kritische Entwicklung der politischen und Sicherheitslage, wo die Enttäuschung und Frustration in Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12433 (A) (C) (B) (D) der afghanischen Bevölkerung – mit regionalen Diffe- renzierungen – gravierend zugenommen haben: über eine vielfach versagende und korrupte Regierung, über grassierende Kriminalität, über eine weit hinter ihren Versprechen zurückbleibende Staatengemeinschaft. Der richtige Anspruch des Primats des zivilen Aufbaus wird durch eine Praxis der Bundesregierung konterkariert, in der der Anteil der Mittel für den Aufbau nur ein Fünftel beträgt von denen, die für die militärische Absicherung eingesetzt werden. Beschönigt wird das Ergebnis von fünf Jahren deutscher Führungsrolle beim Polizeiaufbau: Ein grundsätzlich richtiger Ansatz wurde mit völlig un- zureichenden Mitteln verfolgt. Mit der Polizeimission EUPOL ist da bisher keine Besserung in Sicht, zurzeit eher im Gegenteil. „Durchgewunken“ wird OEF, wo ausgeklammert bleibt, wie sehr Operationsweisen ge- rade von OEF immer wieder das Ansinnen von Regie- rung, ISAF und Staatengemeinschaft zunichtemachen, die Köpfe und Herzen der Menschen zu gewinnen. In Afghanistan drängt die Zeit, wird das Zeitfenster für eine Wende zum Besseren schmaler. Dringend not- wendig sind eine neue und besser konzertierte Anstren- gung der Internationalen Gemeinschaft und der Bun- desrepublik und ein substanzieller Strategiewechsel. Hundert im Verband Entwicklungspolitik, VENRO, zu- sammengeschlossene deutsche Hilfs- und Entwicklungs- organisationen haben dies vor wenigen Tagen noch einmal nachdrücklich eingefordert. Wenn die Bundes- regierung die Aufwendungen für Aufbau und Entwick- lung um 25 Prozent erhöhen will, wo Fachleute mindes- tens eine Verdoppelung fordern, zeigt das, wie wenig die Bundesregierung die Dringlichkeit der Lage erkannt hat. Um in Afghanistan dazu beizutragen, das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen und den Abwärtstrend umzukehren, sind ganz andere Anstrengungen erforder- lich! Hinzu kommt der Umgang der Bundesregierung mit dem umstrittenen Einsatz der Tornado-Aufklärer. Der Nutzen von Luftaufklärung für den ISAF-Stabilisie- rungseinsatz ist für uns unstrittig. Bisher hat es die Bun- desregierung aber versäumt, erhebliche Bedenken aus- zuräumen: Wie kann eine nur restriktive Weitergabe von Tornado-Bildern an OEF garantiert werden, wenn im Osten der ISAF-Regionalkommandeur und Komman- deur OEF Afghanistan identisch sind, wenn im Süden und Osten Einheiten von ISAF und OEF dicht zusam- men und zum Teil unter wechselnder Unterstellung ope- rieren? Auch wenn die Tornados kaum zur „Zielmarkie- rung“ geeignet sind: Wieweit tragen sie mittelbar zu den dortigen Kampfeinsätzen bei? Schließlich bleiben die teuren Tornados Symbol für eine falsche finanzielle Prioritätensetzung. Wir wollen eine im Sinne des afghanischen Aufbaus und Friedensprozesses erfolgreiche ISAF. Die Politik der Bundesregierung gefährdet die Erfolgschancen von ISAF, statt sie zu verbessern. Deshalb können wir in die- sem Jahr dem Antrag der Bundesregierung nicht zustim- men. Den Menschen in Afghanistan sagen wir ganz deut- lich: „Wir lassen euch nicht im Stich! Wir setzen uns zu- gleich für eine wirksamere deutsche und internationale Unterstützung ein!“ Das versprachen wir unseren Kolle- ginnen und Kollegen aus dem afghanischen Parlament bei jedem Zusammentreffen aus tiefer Überzeugung und vollem Herzen. Das gilt unverändert weiter. Deshalb wäre ein Nein zu dem Mandat falsch. Weil wir Verläss- lichkeit und Erfolg, weil wir effektiven Multilateralis- mus wollen, werden wir dem Antrag der Bundesregie- rung in diesem Jahr nicht zustimmen, sondern mit Enthaltung stimmen. Wir bitten unsere Freundinnen und Freunde in Afgha- nistan, wir bitten die von der deutschen Politik nach Af- ghanistan entsandten Soldaten und Zivilexperten, unser Abstimmungsverhalten in diesem Sinne zu verstehen: ganz und gar nicht als Signal zum Rückzug aus Afgha- nistan, sondern als konstruktiven Warnruf der Grünen, die sich seit den 80er-Jahren in besonderer Weise den Menschen und den Menschenrechten in Afghanistan verpflichtet fühlen und die ihre Kontrollfunktion als Op- position ernst nehmen. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Lale Akgün, Reinhold Hemker und Renate Gradistanac (alle SPD) zur namentlichen Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregie- rung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der In- ternationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assis- tance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 27) Erstens. Wir halten den bisherigen ISAF-Einsatz für richtig, ein Rückzug würde das Erreichte gefährden und die Rückkehr der Taliban und des Bürgerkriegs bedeu- ten. Zweitens. Wir halten eine deutliche Aufstockung der Mittel für den zivilen Aufbau und die Schulung der Poli- zei über das bisher Vorgesehene für notwendig und wer- den uns im Rahmen unserer Möglichkeiten dafür einset- zen. Drittens. Wir halten den Tornado-Einsatz nach wie vor für das falsche Signal und im Rahmen des deutschen Engagements für kontraproduktiv, auch wenn die Torna- dos nach den uns bekannten Informationen ausschließ- lich von ISAF eingesetzt werden. Viertens. Wir protestieren mit unserem Votum gegen die Zusammenlegung der Entscheidung zum ISAF-Ein- 12434 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) satz und zum Tornado-Einsatz. Hierdurch werden die große Zustimmung zum ISAF-Einsatz und die Akzep- tanz des deutschen Engagements für die Menschen in Afghanistan ohne Not belastet. Wir stimmen deshalb gegen die obige Beschlussvor- lage. Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Renate Schmidt (Nürnberg), Ortwin Runde, Willi Brase, Ulla Burchardt, Elvira Drobinski-Weiß, Dagmar Freitag, Wolfgang Grotthaus, Angelika Krüger-Leißner, Ute Kumpf , Hilde Mattheis, Petra Merkel (Ber- lin), Dr. Matthias Miersch, Florian Pronold, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Marlies Volkmer, Lydia Westrich und Swen Schulz (Spandau) (alle SPD) zur namentlichen Abstim- mung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut- scher Streitkräfte an dem Einsatz der Interna- tionalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. Sep- tember 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 27) Erstens. Wir haben den ISAF-Einsatz immer für rich- tig gehalten, ein Rückzug würde das Erreichte gefährden und die Rückkehr der Taliban und des Bürgerkriegs be- deuten. Zweitens. Wir halten eine deutliche Aufstockung der Mittel für den zivilen Aufbau und die Schulung der Poli- zei über das bisher Vorgesehene hinaus für notwendig und werden uns im Rahmen der Haushaltsberatungen dafür einsetzen. Drittens. Wir halten den Tornado-Einsatz nach wie vor für das falsche Signal und nicht für notwendig, auch wenn die Tornados nach den uns bekannten Informatio- nen ausschließlich von ISAF eingesetzt wurden. Unter Abwägung dieser Gesichtspunkte halten wir eine Zustimmung zur Verlängerung des oben genannten Mandats für verantwortbar und richtig. Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Winfried Hermann, Hans- Christian Ströbele, Peter Hettlich, Sylvia Kotting-Uhl, Monika Lazar und Dr. Harald Terpe (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Ein- satz der Internationalen Sicherheitsunterstüt- zungstruppe in Afghanistan (International Se- curity Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Okto- ber 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungs- punkt 27) Nach fast sechs Jahren militärischen Kampfes und militärischer Präsenz in Afghanistan stellen wir fest: Die Sicherheitslage im Lande ist nach wie vor prekär. Und sie wird zunehmend schlechter. Vor allem im letzten Jahr ist die Zahl der Selbstmordanschläge dramatisch ange- stiegen und damit auch die Zahl der Opfer. Zugleich wurde der Kampf gegen bewaffnete Aufständische (Tali- ban und andere Gruppen) verstärkt militärisch geführt. Insbesondere im Süden und Osten des Landes wird im Rahmen der Operation Enduring Freedom – OEF – zu- nehmend auch unter dem Dach von ISAF mit Raketen und Bomben ein brutaler Antiterrorkrieg geführt, der im- mer mehr Zivilisten und Zivilistinnen das Leben kostet. Ortschaften, in denen Taliban oder Al-Qaida-Kämpfer vermutet wurden, wurden zerstört. Hunderte von Frauen, Kindern und älteren Menschen verloren allein in diesem Jahr bei solchen Einsätzen ihr Leben. Jeder dieser Mili- tärschläge mit zivilen Opfern schürt den Hass und för- dert den Widerstand gegen die ausländischen Truppen. Das Ansehen der fremden Schutztruppen schwindet ra- pide. Die Beschützer werden zunehmend als Besatzer wahrgenommen, trotz vielfacher Wiederaufbauhilfe. Wir sind überzeugt: Der Krieg gegen Terror ist militä- risch nicht zu gewinnen. Der Erfolg von ISAF wird durch die militärische Gewaltspirale zunehmend unmög- lich gemacht. Der Einsatz von Tornados und die Einbindung in die- ses ISAF-Mandat sind der falsche Weg. Sie tragen zur Eskalation der Konflikte bei. Die deutschen Aufklä- rungsflugzeuge entlasten britische Kampfflugzeuge, die sich jetzt ganz auf den Kampf aus der Luft konzentrieren können. Diese Arbeitsteilung wird so auch in der afgha- nischen Bevölkerung gesehen. Dass die deutschen Auf- klärungsbilder nur zur Sicherung und zum Schutz und nicht für zielgenaue Angriffe gegen (vermeintliche) Auf- ständische oder Terroristen benutzt werden, halten wir für naiv. Die Kommandostruktur der US-Streitkräfte von OEF und ISAF sind beispielsweise nicht getrennt, die Tornados werden als NATO-Flugzeuge von einer ge- meinsamen Leitzentrale geführt und koordiniert, sie sind informationstechnisch in die NATO integriert. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12435 (A) (C) (B) (D) Ein weiterer Einsatz von deutschen ISAF-Soldaten wäre nur dann verantwortbar, wenn er in Richtung poli- zeiähnlicher Sicherheitsmission entwickelt würde und wenn ein klar erkennbarer Kurs- und Strategiewechsel der Bundesregierung und der NATO eingeleitet würde. Hierzu gehören auch Friedensverhandlungen mit allen wichtigen Akteuren im Lande und ein Konzept zur Ent- wicklung von Sicherheit und Frieden durch die Men- schen in Afghanistan selbst. Ein solcher grundlegender Strategiewechsel, weg von militärischer Eskalation, hin zur Deeskalation und zu verstärktem zivilen Aufbau ist leider nicht in Sicht. Die Ausgaben für Militär – rund 500 Millionen pro Jahr alleine von Deutschland – betra- gen nach wie vor ein Vielfaches dessen, was für zivilen Aufbau – rund 120 Millionen Euro – ausgeben wird. Die Aufbauhilfe für Justiz und Polizei ist dagegen viel zu ge- ring, ebenso die Förderung von Zivilgesellschaft. Wirt- schaft und Infrastruktur sowie Alternativen zum Dro- genanbau müssten systematisch aus- und aufgebaut, Korruption müsste verstärkt bekämpft werden, damit die Menschen erfahren, dass es für alle aufwärts geht. Die einfache Gleichung, nur wenn militärisch Sicherheit her- gestellt ist, kann der zivile Aufbau gelingen, halten wir für falsch. Immer mehr NGOs und Entwicklungshelfer sagen, dass die derzeitige Form des „militärischen Schutzes“ ihre Projekte eher gefährdet. Wenn wir dieses ISAF-Mandat ablehnen, so tun wir dies im Bewusstsein, dass ein „Weiter-so“ für viele Men- schen in Afghanistan, aber auch für die deutschen Solda- ten lebensgefährlich wäre. Mit der Ablehnung dieses Mandates lehnen wir nicht eine internationale Verant- wortung für friedlichen Aufbau und Entwicklung in Af- ghanistan ab. Vielmehr ist unsere Absage an diesen mili- tärischen Einsatz verbunden mit einen Bekenntnis zu einer zivilen Friedens- und Entwicklungsstrategie. Dafür wollen wir uns einsetzen. Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Christel Humme, Lothar Binding (Heidelberg), Wolfgang Gunkel, Volker Blumentritt, Ulla Burchardt, Gabriele Hiller-Ohm, Frank Hofmann (Volkach), Dr. Herta Däubler-Gmelin und Waltraud Lehn (alle SPD) zur namentli- chen Abstimmung über die Beschlussempfeh- lung und den Bericht zu dem Antrag der Bun- desregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Ein- satz der Internationalen Sicherheitsunterstüt- zungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Füh- rung der NATO auf Grundlage der Resolutio- nen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Okto- ber 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungs- punkt 27) Wir stimmen mit dem Antrag der Bundesregierung überein, dass ISAF für die Herstellung von Frieden und Sicherheit in Afghanistan einen essenziellen Beitrag leistet, und stimmen deshalb der Verlängerung des Ein- satzes der deutschen ISAF-Kräfte zu. Den Einsatz deutscher RECCE-Tornados hatten wir bereits im März 2007 abgelehnt, weil wir – wie noch heute – darin eine Gefährdung des ISAF-Einsatzes und der Arbeit der NGOs sehen. Die Zusammenfassung des ISAF- und des Tornado- Mandates im heute vorliegenden Antrag ist der Grund für unsere heutige persönliche Erklärung. Wir stimmen dem Antrag zu, weil unsere Bundes- wehr unter ISAF und die teilweise unter ihrem Schutz arbeitenden NGOs eine sehr gute und für die Stabilisie- rung Afghanistans unverzichtbare Arbeit leisten. Wir begrüßen das bisherige Engagement der Bundes- regierung in diesem Bereich, aber es muss deutlich aus- geweitet werden. Das Hauptziel muss es sein, staatliche Strukturen weiter aufzubauen und die Armut zu verrin- gern. Viele Erfolge, zum Beispiel im Bereich der Mädchen- bildung oder die Verbesserung der Infrastruktur, sind durch die Verschlechterung der Sicherheitslage in den meisten Provinzen Afghanistans gefährdet. Die Regie- rung Karzai wird zudem in weiten Teilen des Landes nicht wahrgenommen. Kaum jemand weiß über seine verfassungsmäßigen Rechte Bescheid. Die Verabschie- dung des Amnestiegesetzes, mit dem die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen endgültig verhindert wurde, und die Verstrickung der Regierung und des Parlamentes in Drogengeschäfte nehmen beiden Institutionen zusätzlich Glaubwürdigkeit. Darüber hinaus ist die afghanische Be- völkerung zunehmend frustriert über das Tempo, in dem die Verbesserungen für sie persönlich greifbar werden. Das ist verständlich, dennoch ist das Grundproblem, dass moderne staatliche Institutionen auch auf den unte- ren Provinz- und Distriktebenen immer noch fehlen oder nicht voll funktionieren. Ohne sie ist aber weder Frieden noch eine Demokratisierung noch eine stabile wirt- schaftliche Entwicklung des Landes möglich. Dieses fehlende staatliche Gewaltmonopol kann nicht durch die simple Einrichtung entsprechender Institutio- nen und auch nicht durch militärische Gewalt hergestellt werden. Es fehlen demokratische Rechts- und Gerech- tigkeitskonzeptionen sowie institutionalisierte, als legi- tim verstandene Konfliktaustragungsmechanismen. In diesem Punkt mangelt es im gesamten internationalen Engagement noch. Der afghanische Staat muss in die Lage versetzt wer- den, dass er die Lebenssituation der Afghanen und Af- ghaninnen tatsächlich verbessern kann, indem er Sicher- heit herstellt, Rechtsgleichheit gewährleistet und als Dienstleistungserbringer für Bildung, Infrastruktur, Ge- sundheitsversorgung und soziale Absicherung funktio- niert. 12436 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) Deshalb stimmen wir dem vorliegenden Antrag auch in der Absicht zu, die Bundesregierung, die neben den in ihrem aktualisierten Papier zur Afghanistan-Strategie geschilderten Vorhaben auch den zivilen Wiederaufbau stärken will, in der Umsetzung dieses Papiers zu unter- stützen. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf das Positionspapier des Verbandes Entwicklungs- politik Deutscher Nichtregierungsorganisationen e. V. vom 8. Oktober 2007. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass insbe- sondere menschenrechtliche Aspekte künftig noch stär- ker, zum Beispiel in die Formulierung der Mandatsver- längerungen betreffende Anträge, Eingang finden. Die mit der Vollstreckung von 15 Todesurteilen vollzogene Abkehr Präsident Karzais von dem unterzeichneten Mo- ratorium zur Todesstrafe ist nicht hinnehmbar. Fest steht für uns: Eine Politik gegen die zivile afgha- nische Bevölkerung wird nicht zum Erfolg führen. Die Strategie der Vermeidung sogenannter Kollateralschäden muss künftig Teil jedes Mandates sein. Die Sinnhaftigkeit militärischer Operationen muss auch für die afghanische Bevölkerung erkennbar sein. Ihr fällt es zunehmend schwerer, die einzelnen Mandate und ihre Aktionen auseinanderzuhalten. Wir bleiben bei unserer Einschätzung des Tornado- Mandates vom 5. März 2007: Wir bezweifeln nach wie vor, dass die Einsatzbedingungen – insbesondere hinsicht- lich der Zusammenarbeit zwischen ISAF und OEF – de- tailliert geregelt werden können. Wir befürchten nach wie vor, dass aufgrund dieses Einsatzes deutsche Solda- ten für Kriegsoperationen verantwortlich gemacht wer- den könnten, auf deren Planung und Durchführung sie keinerlei Einfluss haben. Wir sehen die Gefahr, dass der Tornado-Einsatz die Lage in Afghanistan eher destabili- siert als stabilisiert und damit die gute Arbeit deutscher Hilfsorganisationen gefährdet. Wir hoffen, dass wir mit dieser Einschätzung nicht recht haben. In Abwägung beider Sichtweisen stimmen wir heute jedoch dem ISAF-Mandat und damit dem gesamten An- trag zu. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Deutsche Personal- präsenz in internationalen Organisationen im nationalen Interesse konsequent stärken (Tages- ordnungspunkt 30) Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CDU/ CSU): Eingangs möchte ich gerne auf zwei Entwicklun- gen verweisen, die meines Erachtens das heute behan- delte Thema wesentlich prägen: Erstens die wachsende Rolle Deutschlands auf dem internationalen Parkett und zweitens die sich wandelnde wie auch wachsende Bedeutung internationaler Organi- sationen für eine globale Politik. Das Ende des Kalten Krieges hat vor knapp 20 Jahren die politischen Verhältnisse Europas grundlegend verän- dert. Einerseits hat die Auflösung des ehemaligen kom- munistischen Machtblockes ein vielfältiges und ausdif- ferenziertes Staatengefüge in Europa wiederentstehen lassen, andererseits ist mit dem wiedervereinigten Deutschland in der Mitte eben dieses Kontinents ein Staat entstanden, dem zumindest regional wieder fak- tisch eine Spitzenrolle zugefallen ist. Auch im breiteren internationalen Kontext ist Deutschland in eine stärker beachtete Position gerückt, wie beispielsweise in den Verhandlungen der Gruppe EU 3 + 3 über das iranische Atomprogramm oder auch in den Kosovo-Statusver- handlungen deutlich wird. Deutschland demonstriert seine gestiegene Verantwortung auf internationalem Par- kett zudem mittels einer durchaus ehrgeizigen Agenda, die nicht nur durch diverse politische Initiativen, diplo- matische Aktivitäten in internationalen Verhandlungen und Vermittlerdiensten zum Ausdruck kommt, sondern als Fernziel mehrfach einen ständigen Sitz im VN-Si- cherheitsrat ins Auge gefasst hat – freilich mit bislang überschaubarem Erfolg. Für Deutschland bedeutet dies ein verstärktes Maß an Verantwortung und Erwartungshaltung gegenüber Ber- lin. Wir sind nun Ansprechpartner für viele internatio- nale Probleme geworden. Im Gegenzug ermöglicht dies unserem Land allerdings auch in deutlicherer Weise prä- gend Einfluss auf globale politische Themen und Anlie- gen zu nehmen. Anfangs aus dem Ausland durchaus auch kritisch beäugt, hat sich Deutschlands internationa- les Engagement in der internationalen Politik inzwischen an vielen Stellen bewährt und die Dienste deutscher Diplomaten und Außenpolitiker als Vermittler, Partner und auch als Freunde werden an vielen Stellen des Glo- bus aufgrund von Verantwortungsbewusstsein, Verständ- nis und gesundem und lebensnahem Augenmaß sehr ge- schätzt. Ihnen allen sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt. Die zweite Entwicklung, die ich hier skizzieren möchte, betrifft das Recht internationaler Organisatio- nen, insbesondere das Völkerrecht: War Letzeres in sei- ner Anfangszeit eine Rechtsordnung, in der ausschließ- lich Staaten als Rechtssubjekte angesehen wurden, und die diese als alleinige wesentliche Akteure betrachtete, so hat sich diese Rechtsordnung durch die sukzessive und sich beschleunigende Entwicklung internationaler Organisationen deutlich erweitert. Die Dynamik zur Schaffung und zum Ausbau der Kompetenzen im Be- reich internationaler Organisationen hält ungebrochen an und wird wohl auch in naher Zukunft nicht stagnieren oder Rückschritte machen. Auf anderer Ebene ist mit der EG/EU bereits heute ein Maß an internationaler Integra- tion erreicht worden, das noch vor wenigen Jahren und Jahrzehnten zwischen Nationalstaaten als undenkbar galt. Die VN haben trotz mancher Kritik – nicht nur gegen- über ihrem Vorgänger, dem Völkerbund – Beachtliches geleistet, insbesondere wenn man die vielen kleinen Er- folge betrachtet, die nicht immer die Schlagzeilen be- herrschen, und die vielfach schon fast als selbstverständ- lich angesehen werden. Doch nicht nur internationale Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12437 (A) (C) (B) (D) Organisationen alleine sind heute verstärkt Völker- rechtssubjekte. Zunehmend wird auch das Individuum partiell völkerrechtsfähig. Verträge wie die EMRK stat- ten das Individuum über das Maß von schlichten Rechts- reflexen mit persönlichen – und sogar auf überstaatlicher Ebene einklagbaren – Rechten aus. Entsprechende inter- nationale Organisationen, wie der EGMR in Straßburg haben sich als glaubhafte Garanten auch dieser neuen Dynamik des Völkerrechts einen Namen gemacht. Zusammenfassend kann man somit konstatieren, dass sowohl der Einfluss internationaler Organisationen als Akteure der internationalen Politik gewachsen ist, als auch, dass Deutschland in diesem Politikfeld ein zuneh- mender Stellenwert erwachsen ist. Dieser Stellenwert wird nicht zuletzt durch unsere beträchtlichen Beitrags- zahlungen an internationale Organisationen verdeutlicht. Dies alles wird bisher allerdings – trotz genannter Er- folge – durch weiterhin nur unzureichende Bemühungen flankiert, auch in Führungs- und Entscheidungsstruktu- ren internationaler Organisationen entsprechend des ge- wachsenen Einflusses vertreten zu sein. Diese Situation erfordert eine entsprechende konsequente und zielstre- bige Personalpolitik der Bundesrepublik im Hinblick auf internationale Organisationen und rechtfertigt eine sol- che auch. Zwar scheint ein erster statistischer Überblick über die Aufteilung der Bediensteten in internationalen Orga- nisationen einen angemessenen Anteil deutscher Staats- bürger widerzuspiegeln. Jedoch stellt eine differenzier- tere Betrachtung der personellen Struktur durchaus einen Anlass dar, über mögliche weitergehende und systemati- schere Ansätze nachzudenken. Dies erscheint allein da- her notwendig, da gerade im Bereich von Führungs- und Entscheidungspositionen eine deutliche Unterrepräsen- tation Deutschlands erkennbar ist. Jüngste Blicke auf die Personalpolitik unserer Nach- barn in Frankreich könnten hier als Impulsgeber dienen: In den Schaltzentralen verschiedener internationaler Or- ganisationen wie EZB, WTO, EBRD und IWF befinden sich derzeit französische Staatsbürger in Führungsposi- tionen. Auch eine Betrachtung der Vergangenheit dieser Institutionen lässt ein überdurchschnittliches französi- sches Personalengagement erkennen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Frankreich verfügt zum einen über ein Hochschulsystem, in dem bereits Studenten gezielt auf Tätigkeiten in internationalen Or- ganisationen ausgebildet werden: Studiengänge, die in Modulen ein breites Wissen in den Bereichen Rechts-, Wirtschafts- und Politikwissenschaften, sowie tiefere Kenntnisse ausländischer Kulturen und Sprachen ver- mitteln, fallen in Deutschland – so sie hierzulande über- haupt existiert haben – zunehmend Einsparungsplänen an Universitäten zum Opfer, während man in Frankreich Studiengänge mit interdisziplinärer und regionalwissen- schaftlicher Ausrichtung fördert und unterstützt. Diesbe- züglich redet man in unserem Lande wie die Brandung an unbewegliche Steine. Auch darf nicht unterschlagen werden, dass der fran- zösische Staatsdienst – aus welchen Gründen auch im- mer – trotz mancher Beschwerden für viele Hochschul- absolventen einen attraktiven Arbeitgeber darstellt, während Ministerien und Behörden in Deutschland im Wettbewerb um Spitzenkräfte bisher oftmals das Nach- sehen haben. Als weiterer wesentlicher Grund bleibt festzustellen, dass die französische Politik versucht, eigene Staatsbür- ger über Parteigrenzen hinweg gezielt in Führungs- und Entscheidungspositionen zu bringen. Französische Staatsbürger in internationalen Organisationen werden – zumindest in der Außenwirkung – nicht in erster Linie als „Brückenköpfe“ und/oder „Ausführungsorgane“ französischer Interessen angesehen. Dies macht die Un- terstützung der besagten Kandidaten für eine große Zahl anderer Staaten attraktiv. Dieser Punkt erscheint mir we- sentlich und ich bitte den hier vorliegenden Antrag so zu verstehen, dass deutsche Kandidaten für hochrangige Ämter und Amtsträger in internationalen Organisationen auch als Repräsentanten des ganzen Landes und nicht als politische Weisungsempfänger verstanden und angese- hen werden. In meinen Augen stellt die erhöhte Präsenz Deutscher in internationalen Positionen einen Eigenwert dar. In diesem Sinne sollen sich entsprechende Förder- maßnahmen mittelfristig nicht nur auf zu fördernde Per- sonalwechsel von deutschen Ministerien und Behörden in internationale Organisationen beziehen, sondern auch die dauerhaftere Präsenz deutscher Staatsbürger in inter- nationalen Organisationen gefördert werden. Zudem lohnt es sich, über Quereinstiege von Personen aus Wirt- schaft und Wissenschaft ebenso nachzudenken wie über die Förderung von direkten Berufseinstiegen und lebens- langen Laufbahnen in den internationalen Organisatio- nen. Über die wichtigen, in diesem Antrag genannten Maßnahmen hinaus muss der Ansatz, sich verstärkt auch personell in internationalen Organisationen zu engagie- ren, jedoch umfassend gedacht und angegangen werden. Der vorliegende Antrag wird einen ersten Schritt in diese Richtung markieren, jedoch sei klar verdeutlicht, dass wir uns mit ihm – trotz der Umsetzungen der letzten Jahre – erst am Anfang einer Entwicklung befinden, die zeitlich und inhaltlich zügig und konsequent durch wei- tere Maßnahmen flankiert und konkretisiert werden muss, wie sie im vorliegenden Antrag teilweise erst an- gedeutet werden. Als geeignetes Instrument zur Beförderung der im Antrag formulierten Ziele müssen verstärkt Ausbil- dungsstrukturen geschaffen werden, die es ermöglichen, überhaupt geeignete Bewerber für entsprechende Posten anbieten zu können. Gerade das im Antrag angespro- chene Spiralsystem und auch die vom AA durchgeführ- ten Schulungen sind ein probates Mittel, derzeitig bereits vorhandenes Humankapital im Sinne verstärkter deut- scher Präsenz in internationalen Organisationen bereit- stellen zu können, jedoch muss deutlich sein, dass auch ein weiterer Blick in die Zukunft erforderlich wird. Um in Zukunft gut ausgebildete und qualifizierte Fachkräfte für internationale Organisationen zur Verfü- gung stellen zu können, muss Deutschland zusätzlich entsprechend tiefer greifende universitäre Ausbildungs- möglichkeiten zur Verfügung stellen: In der Ausbildung 12438 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) künftiger Führungskräfte für internationale Organisatio- nen bedarf es eines eigenständiges Systems von interdis- ziplinären, internationalen und regionalwissenschaftli- chen Studiengängen, wie sie ausgesprochen erfolgreich in den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich und in Frankreich angeboten werden. Modulartige Stu- diengänge, die die Felder Recht, Politik, Wirtschaft, fremde Kultur und Sprachen in eine kohärente Ausbil- dung integrieren, existieren hierzulande derzeit nur rudi- mentär. Zaghafte, bestehende Strukturen sind in der Hochschulpolitik oftmals dem Rotstift zum Opfer gefal- len. Hier gilt es Abhilfe zu schaffen. Ahnliches gilt für regionalwissenschaftliche Institute und Forschungsein- richtungen. Übrigens gerade auch in Bayern. Da das Hochschulsystem bekanntermaßen in der Ho- heit der Bundesländer liegt, muss der Bund künftig ver- stärkte Kooperation suchen und sich gezielt mit den zu- ständigen Instanzen abstimmen. Für eine ideelle Förderung könnte man beispielsweise die Initiative aus dem Bundesbildungsministerium aufgreifen, die 2007 zum Jahr der Geisteswissenschaften erklärt hat, und hier konkrete Perspektiven für ein späteres Arbeitsfeld bei- spielweise von Geistes- und Sozialwissenschaftlern er- öffnen. Allerdings sollte man auch eine finanzielle Förderung einer entsprechenden akademischen Ausbildung als un- abdingbar verstehen. Die Ergebnisse der jüngsten Exzel- lenzinitiative der Vorgängerregierung wirken für geistes- und sozialwissenschaftliche Zweige allerdings eher de- motivierend und haben die bereits vorhandenen Ausbil- dungspotenziale teilweise sogar in Gefahr gebracht. Neben den im Antrag geforderten personellen Res- sourcen für die Ausbildung und Unterstützung geeigne- ter Kandiaten für die Tätigkeit in internationalen Organi- sationen gilt es jedoch dringend auch den Blick über den Tellerrand der unmittelbaren Fördermaßnahmen zu rich- ten. Um eine erhöhte deutsche Personalpräsenz bei inter- nationalen Organisationen gewährleisten zu können, muss auch unsere politische wie diplomatische Aus- landsarbeit entsprechend unterstützt werden. Dies nicht nur um wichtige Strukturen für erfolgreiche Personalent- wicklung und -unterstützung bieten zu können, denn deutsche Auslandsvertretungen bieten nicht nur breite Möglichkeiten der Qualifizierung und Unterstützung deutscher Funktionsträger. In ihnen können zudem Netz- werke gebildet werden, Beziehungen und Kontakte ge- pflegt und Rückkoppelungen ermöglicht werden. Für die Vertretung eines glaubhaften Anspruches auf stärkere Vertretung in internationalen Organisationen ist auch eine gewisse Präsenz in der Fläche vonnöten. Dies gilt insbesondere für die Besetzung von Spitzenpositio- nen, für die es auch um die Unterstützung einer mög- lichst großen Zahl von Ländern zu werben gilt, die sich wiederum vertreten und verstanden wissen wollen. Mit- tels unserer Auslandsvertretungen können wir uns als verlässlicher und präsenter Partner für eine Vielzahl von Staaten anbieten, was wiederum dazu führt, dass unsere internationalen Partner bescheiden animiert werden, die Besetzung von Führungspositionen in internationalen Organisationen mit deutschen Staatsbürgern zu unter- stützen. Es muss in diesem Zusammenhang darauf hingewie- sen werden, dass im Netz der deutschen Auslandsvertre- tungen über den Verlauf der vergangenen Jahre große Lücken entstanden sind, die mittelfristig geschlossen werden müssen, um unser gestiegenes Maß an interna- tionaler Verantwortung zu füllen und dies auch in die Besetzung von Führungspositionen internationaler Orga- nisationen zu übertragen. Bereits jetzt ist Deutschland in gewissen Gegenden nur noch schwach vertreten, bei gleichzeitig steigender Präsenz anderer Nationen. Eine weitere Ausdünnung unseres Netzes an diploma- tischen und konsularischen Auslandsvertretungen, Schu- len und auch Goethe-Instituten hat einen Mangel an Prä- senz in ganzen Weltregionen zufolge. Hierdurch wurde es zumindest schwieriger, sich einer Vielzahl von Staa- ten als attraktiver Partner anzubieten. Um aber einen Führungsanspruch in internationalen Organisationen vertreten zu können, ist es von hohem Wert, einer größt- möglichen Zahl von Staaten glaubhaft Verständnis und Engagement für deren Interessen und Anliegen vermit- teln zu können. Dies wird nur durch ein engmaschiges Netz von Vertretungen in der Fläche zu bewerkstelligen sein. Ohne eine entsprechende personelle und finanzielle Ausstattung auch der deutschen Auslandsvertretungen wird Deutschland einen glaubhaften Anspruch auf Ver- tretung in Führungs- und Entscheidungsstrukturen inter- nationaler Organisationen nur schwer durchsetzen oder auch nur befördern können. Letztlich wird in den nächs- ten Jahren daher wenig an einer deutlichen Anhebung der finanziellen Ausstattung der Auslandsarbeit des AA vorbeiführen. Es wurde in den letzten Jahren vieles geleistet und an- gestoßen – hierfür danken wir. Gleichwohl gilt es, die begonnene Dynamik kreativ fortzusetzen. Dr. Christian Ruck (CDU/CSU:) Nach den bitteren Erfahrungen des 20. Jahrhunderts haben die Weltge- meinschaft und Europa neue internationale und multila- terale Mechanismen zur Lösung globaler und regionaler Probleme geschaffen. Trotz aller Unzulänglichkeiten gibt es für die internationalen Bemühungen keine sinn- volle Alternative, umso mehr als durch das Ende des Ost-West-Konflikts die Ordnung in der Welt nicht größer geworden ist und die Globalisierung von Chancen und Risiken sowie neuen Herausforderungen wie der Klima- wandel die Notwendigkeit strategischer Lösungen noch dringender machen. Deutschland ist Mitglied in mehr als 200 internationa- len Institutionen. Wegen des zunehmenden Einflusses dieser Institutionen und der Wichtigkeit von ihnen be- gleiteter Prozesse für Deutschland ist es von zentraler Bedeutung, die Politik dieser Institutionen genau zu ver- folgen und mitzugestalten. „Wir können – so der Bun- despräsident in seiner Berliner Rede – erheblich zur ge- meinwohlverträglichen Gestaltung der Globalisierung beitragen – vorausgesetzt wir sind auch mit ausreichend viel kompetentem Personal zur Stelle, und wir wissen was wir wollen.“ Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12439 (A) (C) (B) (D) Um Deutschlands Interessen aktiv zu vertreten, ist die Mitwirkung in den institutionellen Lenkungsgremien un- zureichend. So zahlte Deutschland bei dem Einsatz der MONUC mit rund 90 Millionen US-Dollar wie üblich rund 9 Prozent der Kosten, hatte aber zunächst auf die Operation wenig Einfluss. Deutschland ist heute in einer ganz anderen Weise ge- fordert, internationale Verantwortung zu tragen, aber auch seine nationalen Interessen im Wettstreit internatio- naler Prozesse mit Nachdruck zu vertreten. Dazu sind wir auf kompetente Beratung und frühzeitige Informa- tionen angewiesen. Während sich unsere Wettbewerber wie Franzosen und Briten schon seit Jahren in ihrem nationalen Perso- nalmanagement darauf eingestellt haben, hinkt Deutsch- land – trotz aller positiven Veränderungen – leider noch immer hinterher. Wenn wir besser werden wollen – und das müssen wir im nationalen Interesse – ist es erforder- lich, stärker zu agieren und weniger zu reagieren. Das erfordert nicht nur den Willen, sondern auch die Kapazi- täten, in bestimmten Politikfeldern die Meinungsführer- schaft zu übernehmen. Seit meiner letzten Initiative zur Stärkung der interna- tional ausgerichteten Personalpolitik der Bundesregie- rung vor rund zehn Jahren hat sich vieles zum Positiven gewendet. AA und Kanzleramt haben mit den beteiligten Ressorts straffere Strukturen geschaffen. Es wurden zahlreiche Instrumente, wie Datenbanken für Stellen- pools, Vorbereitungskurse für internationale Ausschrei- bungen und Bewerbungscoachings entwickelt, Kampa- gnen und eine Jobmesse durchgeführt. Damit konnte der deutsche Personalanteil seit 1998 von 3 400 auf 5 400 Personen gesteigert werden. Ich möchte den beteiligten Akteuren dafür meinen herzlichen Dank aussprechen. Die Pflege von Kontakten der Bundesregierung mit den deutschen Mitarbeitern in internationalen Organisa- tionen wurde über eine intensivierte Netzwerkarbeit deutlich verbessert. Das in dieser Woche vom Kabinett verabschiedete Personalrahmenkonzept wird den positiven Trend noch beschleunigen und die Voraussetzungen schaffen, ver- stärkt auch internationale Führungspositionen besetzen zu können. Bei aller Freude über die Verbesserungen: Wenn wir eine unserem Gewicht entsprechende Rolle spielen wol- len, dann müssen wir noch einige „Schippen“ draufle- gen. Wesentliche Ansatzpunkte haben wir in unserem Antrag deutlich formuliert: Erstens. Von zentraler Bedeutung ist das Spiralmodell – die Rotation von Personal der Bundesregierung zwi- schen Ministerien und internationalen Organisationen. Dies wird von anderen seit Jahren mit Erfolg praktiziert. Der Bedarf und das Interesse ist groß, durch die jährliche lineare Stellenkürzung die dafür erforderliche Personal- reserve zu schaffen. Da müssen wir etwas tun und dafür sorgen, den Ressorts auf Grundlage seriöser Bedarfspla- nungen entsprechende zusätzliche Stellen zur Verfügung zu stellen. Zweitens. Wir brauchen einen Mentalitätswechsel. Die Flexibilität unserer Spitzenkräfte, geordnete natio- nale Bahnen für ein internationales Engagement zu ver- lassen, muss sich auch für deren nationale Karriere loh- nen. Wir müssen weg von der Situation, das wer Karriere machen will, am besten zu Hause bleibt. Die Tätigkeit im Ausland oder für eine internationale Orga- nisation muss zu einem festen Bestandteil der Personal- und der Karriereentwicklung werden. Drittens. Wir müssen auch für eine größere Flexibili- tät im öffentlichen Dienst sorgen. Zumindest der zeitlich beschränkte Einsatz von Deutschen mit internationaler Erfahrung im deutschen öffentlichen Dienst sollte stär- ker ermöglicht werden. Viertens. Die Eifersüchteleien der Ressorts müssen abgebaut werden. Wir können nur erfolgreich sein, wenn alle an einem Strang ziehen. Der Erfolg für Deutschland muss Handlungsmaxime sein. Fünftens. Die Netzwerkarbeit der ehemaligen deut- schen Beschäftigten bei internationalen Organisationen muss intensiviert werden. Wenn wir zumindest zu den wichtigsten Mitbewer- bern aufschließen wollen, gibt es noch viele dicke Bret- ter zu bohren. Lassen Sie uns gemeinsam den notwendi- gen Mentalitätswechsel angehen. Detlef Dzembritzki (SPD): Der vorliegende Antrag schließt an einen Beschluss des Deutschen Bundestages von 1998 an und entwickelt ihn weiter. Ferner knüpft er an einen entsprechenden Antragsentwurf aus der 15. Le- gislaturperiode an, der aufgrund des vorzeitigen Endes der Legislatur nicht mehr zur Verabschiedung kam. Wir greifen hier also ein Thema auf – die deutsche Personal- präsenz in internationalen Organisationen –, das für den Deutschen Bundestag nicht neu ist, das aber in den ver- gangenen Jahren nichts an Aktualität verloren hat, son- dern eher noch wichtiger geworden ist. Ich möchte zunächst die Leitgedanken des Antrags in aller Kürze skizzieren: Der Einfluss internationaler Or- ganisationen hat in der Vergangenheit kontinuierlich zu- genommen und wird weiter zunehmen. Es ist deshalb wichtig, die Politik dieser Institutionen im Auge zu be- halten und sie nach Kräften mit zu gestalten. Hierzu ist man auf Ansprechpartner innerhalb dieser Institutionen, auf Kontaktpersonen, angewiesen. Ein Netzwerk deut- scher Mitarbeiter und eine umfassende Personalstrategie der Bundesregierung sind hierzu erforderlich, so wie sie auch von anderen Ländern mit großer Selbstverständ- lichkeit angestrebt und betrieben werden. Dem wider- spricht, dass Deutschland in vielen internationalen Orga- nisationen qualitativ und quantitativ nicht angemessen repräsentiert ist. Hier ist sicher auch ein Wort der Selbstkritik nicht un- angebracht. Trotz der Bedeutung des Themas ist etwa eine systematische Personalpolitik der Bundesregierung gegenüber internationalen Organisationen nicht immer erkennbar. Vernünftige Reformansätze, die es gab – ich nenne hier beispielhaft die verstärkte Anwendung des sogenannten Spiralmodells, das den wiederholten Wech- 12440 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) sel von Tätigkeiten in nationalen und internationalen Institutionen erleichtern soll –, sind in der Praxis leider oft genug stecken geblieben. Umso erfreulicher ist das jetzt von der Bundesregierung vorgelegte Personalrah- menkonzept zu Fragen der internationalen Personalpoli- tik. Auch müssen die in internationalen Organisationen tätigen Deutschen besser mit der deutschen Politik ver- traut gemacht werden, gleichzeitig sollte aber auch die deutsche Politik ihr Know-how besser nutzen. Seit dem Beschluss des Deutschen Bundestages von 1998 wurden aber messbare Verbesserungen erreicht. Ich nenne hier – wiederum beispielhaft – die Staatsse- kretärsrunde, den Koordinator im Auswärtigen Amt, den Ressortkreis, den Internationaler Stellenpool und das Carlo-Schmid-Programm für Praktikanten. Nun kommt es darauf an, an das Erreichte anzuknüpfen und ein Sys- tem der Personal- und Nachwuchsförderung zu entwi- ckeln. Dieses System muss zu einer angemessenen deut- schen Präsenz in internationalen Organisationen und zur systematischen Nutzung des dort erworbenen Wissens führen. Der Antrag nennt die Schritte, die unseres Erachtens erforderlich sind, um hier zu einer deutlichen Verbesse- rung der Situation zu gelangen. Einige aus meiner Sicht besonders wichtige Punkte möchte ich hier nennen. Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine langfris- tig angelegte Personalstrategie auszuarbeiten und umzu- setzen – sowohl für den öffentlichen als auch für den nichtöffentlichen Bereich. Die Koordinierung der inter- nationalen Personalpolitik soll weiter ausgebaut werden. Die Aufnahme auch von befristeter Arbeit in interna- tionalen Organisationen soll attraktiver gemacht und die Reintegration nach der Rückkehr in die deutschen Insti- tutionen verbessert werden. Ich habe das Spiralmodell bereits erwähnt. Dieses Modell muss konsequent ange- wandt und weiterentwickelt werden. Die Bundesregie- rung wird aufgefordert, aufzuzeigen, welche Maßnah- men sie in diesem Zusammenhang zu ergreifen beabsichtigt, und welche Voraussetzungen für die Wei- terentwicklung des Modells erfüllt sein müssen. Ferner müssen wir – und das ist ebenfalls ein wichti- ger Punkt – zu einer verbesserten Durchlässigkeit zwi- schen öffentlichem Dienst und privater Wirtschaft gelan- gen. Es sind nicht nur die öffentlich Bediensteten aus der Bundesrepublik, die einen wichtigen Beitrag in interna- tionalen Organisationen leisten, auch in der Privatwirt- schaft, das wird manchmal übersehen, gibt es hier sehr große Potenziale, deren Erfahrungen wir in internatio- nale Organisationen einbringen können und einbringen sollten. Ferner brauchen wir ein Konzept zur systemati- scheren Nutzung der Erfahrung von Rückkehrern bei der Besetzung wichtiger Inlandspositionen mit internationa- lem Bezug, und wir dürfen auch die sozialen Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht übersehen. Eine wichtige Frage ist auch die der fortgesetzten Kommunikation mit denjenigen, die ihre Arbeit vorüber- gehend oder für längere Zeit in internationalen Organisa- tionen ausüben. Diese Kommunikation sollte durch ein internetgestütztes Netzwerk verbessert werden, über das zum Beispiel der künftige Personalbedarf einer Organi- sation abgefragt werden kann. Die Hochschulen sollten ihr Angebot stärker auf eine Tätigkeit in internationalen Organisationen ausrichten. Weitere Forderungen des Antrags zielen auf eine Er- leichterung des Einstiegs bei internationalen Organisa- tionen, eine Erhöhung des deutschen Personalanteils bei NATO und OECD und eine stärker inhaltlich ausgerich- tete Schwerpunktsetzung deutscher Politik in internatio- nalen Organisationen. Ich bin überzeugt, dass unsere Initiative aus dem Par- lament die gute Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt und der Interessenvertretung der deutschen Be- schäftigten in internationalen Organisationen uns bei der weiteren Arbeit zum Erfolg führen wird. Marina Schuster (FDP): Heute treffen sich im Aus- wärtigen Amt die, über die wir gerade sprechen: nämlich die deutschen Vertreter bei internationalen Organisatio- nen. Und erst gestern konnten wir diese Spitzenvertreter zu einem Gespräch treffen. Gleichwohl: Das Thema der deutschen Präsenz in internationalen Organisationen ist nicht neu. Wir führen in jeder Legislaturperiode mindes- tens eine Debatte dazu. Und der vorliegende Antrag un- terscheidet sich denn auch kaum von jenen aus den Vor- jahren. Und das liegt eben daran, dass die Situation weiterhin unbefriedigend ist. Ich zitiere aus dem Antrag der Koalitionsfraktionen: „Deutschland ist im Vergleich zu anderen Ländern in vielen Organisationen quantitativ und qualitativ nicht angemessen repräsentiert.“ Nun kann man verschiedene Vergleichsmaßstäbe an- legen, um Deutschlands Erfolg oder Misserfolg bei der Platzierung des eigenen Personals in internationalen Or- ganisationen zu messen. Ein paar Beispiele werde ich nachher noch nennen. Entscheidend ist für uns aber vor allen Zahlenwerken unser eigener Anspruch. Deutschland setzt auf einen ak- tiven Multilateralismus. Der Grad unserer internationa- len Vernetzung ist wirtschaftlich und politisch immens. Und diese internationale Vernetzung ist auch ein Garant für unseren Wohlstand und unser Ansehen bei unseren Partnern. Wir sehen uns als einen Motor der Europäi- schen Union. Und die Bundeskanzlerin hat bei ihrer Rede bei den Vereinten Nationen ja verdeutlicht: Deutschland strebt in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Zu diesen eigenen politischen Ansprüchen steht die Präsenz deutschen Personals in internationalen Organi- sationen in einem krassen Missverhältnis. Gemessen an den finanziellen Beiträgen zu internationalen Organisa- tionen, an den Bewerberzahlen oder auch an den finan- ziellen Bemühungen der Bundesregierung gibt es nur ein klares Urteil: wir könnten besser dastehen. Selbst wenn man die teilweise festgelegten nationalen Quoten berücksichtigt: Deutschland muss hier besser werden. Ein Beispiel: Allein bei der Weltbank steht un- ser Personalanteil im vergleichbaren höheren Dienst mit 6 Prozent einem französischen Anteil von mehr 13 Pro- zent und einem britischen von mehr als 10 Prozent ge- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12441 (A) (C) (B) (D) genüber, obwohl wir zweitgrößter Beitragszahler sind. Das gleiche Bild bei Organisationen ohne nationale Quoten. Nun liegt mir keine Aufstellung vor, die unsere Perso- nalpräsenz in internationalen Organisationen nach Dienststufen aufschlüsselt; vielleicht könnte man das von der Bundesregierung ja mal bekommen. Aber wenn mich mein Eindruck nicht täuscht, dann sind wir insbe- sondere auf der Ebene der Referatsleiter und ihrer Stell- vertreter besonders schlecht vertreten – sprich dort, wo Entscheidungen intensiv vorbereitet werden. Hier be- steht mit Sicherheit Verbesserungsbedarf. Eine Konzen- tration auf Leitungsposten ist aber bei Weitem nicht aus- reichend. Und noch etwas ist mir wichtig: Es macht nur dann Sinn, nationale Experten zeitweise oder längerfristig in internationale Organisationen zu entsenden, wenn man diese dann nicht aus den Augen verliert und aufs Ab- stellgleis stellt. Sie brauchen nach der Rückkehr auch entsprechende Alternativen, damit man ihr Potenzial nützt, statt sie auf der Karriereleiter ganz hintenanzustel- len. Es geht auch um Berufsperspektiven für junge Men- schen in Deutschland. Unsere internationale Vernetzung werden wir dauerhaft nämlich nur dann aufrechterhalten können, wenn diese beruflich wie privat von möglichst vielen Menschen gelebt und geteilt wird. Wir haben sehr gut ausgebildete junge Menschen, viele von ihnen be- reits mit ersten Auslandserfahrungen. Das ist ein Kapi- tal, das wir international investieren müssen, um unsere Interessen bestmöglich zu vertreten. Ich bin der Mei- nung: Weder die Bewerber noch wir sollten da falsche Bescheidenheit oder Zurückhaltung an den Tag legen. Wir erkennen ausdrücklich an, dass vonseiten der In- formationspolitik für interessierte Bewerber bereits eini- ges getan wurde. Aber wenn ich mir die Zahlen zur Per- sonalentwicklung anschaue, dann stelle ich noch keinen Durchbruch fest. Das heißt, wir brauchen mehr Anstren- gungen, die sich nicht nur auf die Platzierung von Spit- zenbeamten konzentrieren, und zwar sowohl finanziell als auch organisatorisch. Schaut man in den Haushaltsentwurf für das Jahr 2008 dann ist von solchen verstärkten Bemühungen lei- der nicht viel zu sehen. Für die „Auswahl und Vorberei- tung von Bewerberinnen und Bewerbern für internatio- nale Aufgaben“ stehen im AA-Haushalt gerade einmal 133 000 Euro zur Verfügung. Absolut und auch vergli- chen mit den durchaus sinnvoll ausgegebenen 700 000 Euro für die Ausbildung junger Diplomaten aus anderen Ländern ist dies eindeutig zu wenig. Ob wir mit diesen bescheidenen Mitteln wirklich einen Bewerberpool ge- nerieren können, der dann auch international wettbe- werbsfähig ist, wage ich zu bezweifeln. Auf die Möglichkeiten einer besseren politischen Flankierung von Bewerbungen aus unserem eigenen Land kann ich jetzt nicht eingehen. Das sollten wir in den Ausschüssen tun. Nur so viel: Bei langfristig ange- legter Personalpolitik kommt es auch auf Kontinuität seitens der Planung an. Das ist mit dem im Auswärtigen Amt bestehenden Rotationsprinzip nur bedingt verein- bar. Wie hier mehr Kontinuität in die Personalentwick- lung gebracht werden kann, gehört zu den zu lösenden Aufgaben. Einen Satz aus dem Antrag der Koalitionsfraktionen möchte ich zum Abschluss noch zitieren: „Eine systema- tische Personalpolitik der Bundesregierung gegenüber internationalen Organisationen ist nicht immer erkenn- bar.“ Das ist sehr wohl richtig. Ich erwarte mir von den Beratungen in den Ausschüssen dann auch, dass man hier Farbe bekennt – sprich: Geld in die Hand zu neh- men –, dass nicht das Gleiche passiert wie mit unserem Antrag zum Auswärtigen Dienst, den alle Fraktionen im Auswärtigen Ausschuss eigentlich befürworteten, aber dann gegenüber Steinbrück nicht durchgebracht haben. Das hätten wir uns für die Mitarbeiter im AA wirklich gewünscht und dafür kämpfen wir weiter. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Haben die keine anderen Probleme, habe ich spontan gedacht, als ich die- sen Punkt auf der Tagesordnung sah. Ich könnte Ihnen eine Menge außenpolitischer Themen nennen, die end- lich im Plenum des Bundestages diskutiert gehörten: Der nach wie vor drohende Krieg gegen den Iran, die zuge- spitzte Lage im Südkaukasus, die Kosovo-Problematik, UNO-Reform; um nur einige zu nennen. Aber sei’s drum. Nur, mein Ärger ist nach Lektüre des Antrages der Koalitionsparteien beträchtlich gewachsen. In Ordnung geht, dass Diplomaten besser betreut, besser ausgebildet und – ich füge hinzu – besser bezahlt werden müssen. Die Koordination soll verbessert wer- den, auch das trifft nicht meinen Widerspruch. Ich kriti- siere die politische Linie und nicht die Arbeit der deut- schen Diplomaten. Die arbeiten gut – im Gegensatz dazu ist die Politik der Bundesregierung falsch. Ich ärgere mich, dass mehr Einfluss für Deutschland auch damit begründet wird, dass Deutschland erheblich zahlt. Ich dachte immer, wir zahlen, damit die internationalen Or- ganisationen gut arbeiten, und nicht, weil wir daraus ab- leiten wollen, auch dort bestimmend zu sein. Das ist überheblich – ebenso überheblich wie die deutsche For- derung nach einem ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat. In der Überschrift wird vom „nationalen Interesse“ Deutschlands geschrieben. Im Text findet sich nichts, wie das „nationale Interesse“ Deutschlands definiert wird. Definiert wurde das nationale Interesse im Weiß- buch zur Bundeswehrreform. Und genau diese politische Linie, der deutsche Zugriff auf Naturressourcen, auf Handelswege, die Auslandseinsätze der Bundeswehr, das lehnen wir, die Linke, ab. Zu Beginn ihrer Amtszeit hat die Bundeskanzlerin im Auswärtigen Ausschuss die Philosophie ihrer Außen- politik als „selbstbewusste Bescheidenheit“ beschrieben. Das hat mir gefallen. Nur, die tatsächliche Außenpolitik der Bundesregierung ist anders: Deutschland betreibt wieder Großmachtpolitik, nicht national, sondern über den deutschen Einfluss in internationalen Organisatio- nen. 12442 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) In diese Richtung geht auch der vorliegende Antrag der Koalitionsparteien. Mehr Einfluss für Deutschland – das ist seine Botschaft. Damit schließt sich der Kreis zur Forderung nach einem ständigen Sitz im Weltsicher- heitsrat. Selbstbewusste Bescheidenheit sähe anders aus. Wer Deutschland am Hindukusch verteidigen will, ge- hört nicht in den Weltsicherheitsrat. Deutsche Diploma- ten arbeiten in internationalen Organisationen um diese zu stärken, und nicht, um nationale Interessen zu vertre- ten. In diesem Geist sollten wir Diplomaten ausbilden, betreuen und koordinieren – und nicht nach dem Gestus: Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird. Dr. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seit vielen Jahren wird zu Recht immer wieder darüber ge- klagt, dass Deutschland in internationalen Organisatio- nen zu wenig vertreten ist – sei es bei den Vereinten Na- tionen, ihren Unterorganisationen wie UNDP, UNICEF, WHO, FAO oder in internationalen Finanzorganisatio- nen wie Weltbank und IWF oder den Regionalen Ent- wicklungsbanken, um nur einige zu nennen. Die Gründe dafür sind vielfältig, und ihre Beseitigung dauert lange. Eine oder auch zwei Legislaturperioden genügen offen- bar dafür nicht. Ich sage dies, weil es schon im Juni 1998 einen Bun- destagsbeschluss gab, der in die gleiche Richtung ging wie der jetzt vorgelegte Koalitionsantrag. Seitdem ist – auch unter Rot-Grün – immerhin einiges geschehen, zum Beispiel wurden hemmende Regelungen verändert und Informationsmöglichkeiten verbessert. Die einzel- nen Ressorts haben für ihre Zuständigkeitsbereiche per- sonalwirtschaftliche Gesamtkonzepte vorgelegt, die inzwischen in einer ressortübergreifenden Zusammenar- beit zu einem Rahmenkonzept weiterentwickelt wurden. Konzepte allerdings müssen auch umgesetzt werden. Und bisher sind immer noch zu viele gut gemeinte Be- mühungen im bürokratischen Räderwerk steckengeblie- ben. Die Schlüssel für eine Eignung für Aufgaben in inter- nationalen Organisationen sind Qualifikation und Moti- vation. Woran es ganz sicher nicht fehlt, sind geeignete Men- schen in Deutschland. Allerdings genügt die fachliche und sprachliche Ausbildung an Hochschulen und Uni- versitäten allein nicht für die Übernahme von Aufgaben in internationalen Organisationen. Um die Voraussetzun- gen dafür zu verbessern, müssen zum Beispiel Auslands- praktika absolviert werden. Obwohl es eine ganze Reihe von geeigneten Einrichtungen dafür gibt, werden Prak- tika in internationalen Organisationen und in EU-Institu- tionen staatlicherseits noch immer viel zu wenig geför- dert. In den internationalen Finanzinstitutionen ist mangelnde deutsche Präsenz besonders auffällig, ein Zu- stand der schleunigst durch geeignete Fördermaßnahmen zu beenden ist. Außerhalb von Auswärtigem Amt und BMZ wird die Eignung für internationale Aufgaben noch zu wenig als Kriterium bei der Einstellung und Beförderung ange- wandt. Darüber hinaus braucht der Nachwuchs spezielle Vorbereitungskurse auf internationale Aufgaben. Auch davon gibt es eine Reihe nationaler wie internationaler Programme, die noch zu wenig genutzt werden. Mindestens so wichtig wie die Eignung ist jedoch der Anreiz, sich auf offene Stellen in internationalen Organi- sationen zu bewerben. Wenn das – wie es der Fall ist – zu wenige Menschen tun, muss nach den Gründen ge- fragt werden. Ohne motivierte Bewerberinnen und Be- werber nützen auch perfekte Qualifikationen nicht viel. Woran liegt die Zurückhaltung? Die Rückkehrer ma- chen die Erfahrung, dass ihr Einsatz im Ausland wenig oder gar nicht honoriert wird. Schlimmer noch: Die zeit- weilige Abwesenheit führt oft genug zu einem Karriere- knick. Dieser unhaltbare Zustand schadet nicht nur den Betroffenen. Wegen seiner negativen Auswirkungen auf die Bewerberzahlen beeinträchtigt er auch die Präsenz Deutschlands auf dem internationalen Parkett. Wo es keine deutschen Mitarbeiter, Kollegen oder Vorgesetze gibt, kann man Deutsche auch nicht wahrnehmen oder kennenlernen. Um diesen Missstand zu beheben, sind bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen worden oder geplant. Die Förderung von zeitweiligen Auslandseinsätzen muss zu einer Selbstverständlichkeit werden. Für viele Berei- che sollte sie geradezu notwendige Voraussetzung für Beförderungen werden. Bisher ist jedoch oft das Gegen- teil der Fall: Auslandserfahrungen werden personalpoli- tisch vielerorts als Komplikation für die Planung und als überflüssig angesehen. Dies deutet auf einen Grad an Provinzialität hin, der in einer international vernetzten Welt einfach kontraproduktiv ist. Es ist eine Banalität, muss aber gesagt werden: Reisen bildet, und Auslandserfahrungen erweitern den Hori- zont. Ein Land wie Deutschland, vielfach verflochten mit der Welt, kann sich keine Personalpolitik leisten, die nicht ausreichend auf internationale Strukturen ausge- richtet ist. Und last but not least: Deutschland hat Kom- petenzen. Deutsches Personal kann Fähigkeiten und Fachwissen einbringen, sei es im Umwelt-, Gesundheits-, Agrar- oder Friedens- und Sicherheitsbereich. Diese Kompetenzen müssen international besser eingesetzt und genutzt werden. Das zu tun, dient uns allen. Günter Gloser, Staatsminister für Europa: Der von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Beschlussantrag wird zur rechten Zeit im Plenum behandelt. Die dem An- trag zugrunde liegende These von der zunehmenden Globalisierung und Multilateralisierung unserer Außen- politik hätte nicht nachdrücklicher unterstrichen werden können, als dies durch unsere Präsidentschaften in EU und G 8 geschehen ist. Multilaterale Foren werden in einer globalisierten Welt immer maßgeblicher. Die Bundesregierung teilt un- eingeschränkt die Analyse des Antrags, dass nachhaltige deutsche Mitgestaltung in diesen Institutionen natürlich eine interessenorientierte, nachdrückliche und vor allem mittelfristig angelegte internationale Personalpolitik zur Voraussetzung hat. Politisches Ziel der Bundesregierung war und ist es, dass Deutschland entsprechend seinem politischen, wirt- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12443 (A) (C) (B) (D) schaftlichen und kulturellen Gewicht, aber auch gemäß dem hohen deutschen Finanzierungsanteil in internatio- nalen Organisationen auf allen Funktionsebenen ange- messen vertreten ist. Insbesondere seit 1998 hat die Bundesregierung ihre Bemühungen bereits deutlich intensiviert, um eine Erhö- hung der deutschen Präsenz zu verwirklichen. Diese Be- mühungen haben inzwischen zu konkreten Fortschritten geführt. Der Antrag erwähnt einige dieser Fortschritte, manch andere könnten noch ergänzt werden. Was jetzt im nächsten Schritt nottut – und auch da stimme ich mit dem Antrag überein –, ist eine weitere Systematisierung und strategischere Ausrichtung der deutschen internationalen Personalpolitik. Auch inso- weit ist die Bundesregierung bereits initiativ geworden: Vor zwei Tagen, am 10. Oktober, hat das Kabinett ein „Personalrahmenkonzept der Bundesregierung zu zen- tralen Fragen der internationalen Personalpolitik“ be- schlossen. Dieses Konzept ist unter Federführung des Auswärti- gen Amtes in den vergangenen 18 Monaten im Ressort- kreis gemeinsam erarbeitet und verhandelt worden. Es definiert einen anzustrebenden gemeinsamen Mindest- standard aller Ressorts – im Rahmen ihrer personalwirt- schaftlichen Möglichkeiten und spezifischen dienstli- chen Erfordernisse – zu den zentralen, den öffentlichen Dienst betreffenden Fragestellungen der internationalen Personalpolitik. Regelungsgegenstand dieses Konzepts sind unter an- derem die folgenden Bereiche: Umsetzung des Spiral- modells, systematische Erfassung strategischer Zielposi- tionen und Bewerberzielgruppen, Systematisierung der Aus- und Fortbildung, Ausdehnung der Nachwuchsför- derung und Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedin- gungen für deutsche internationale Bedienstete. Mit der Billigung des Konzepts ist die Bundesregie- rung der Forderung des aktuellen Beschlussantrags nachgekommen, eine langfristig angelegte Personalstra- tegie für eine verbesserte Positionierung deutschen Per- sonals in internationalen Organisationen auszuarbeiten. Eines ist jedoch klar: Der Lackmustest für die Umset- zung sowohl des Konzepts als auch der entsprechenden Forderungen dieses Hauses wird die Bereitstellung dafür erforderlicher finanzieller Ressourcen sein, sofern die Maßnahmen sich nicht aus dem bestehenden Personal- und Mittelbestand der Ressorts erwirtschaften lassen sollten. Eine Bestandsaufnahme der Kostenfrage wird von der Bundesregierung zu gegebener Zeit vorgenom- men. Die Seriosität gebietet es zu sagen: Auch hier im Bun- destag müssen wir uns darüber klar sein, dass wir nur dann eine Umsetzung der Forderungen des vorliegenden Beschlussantrags im öffentlichen Dienst einfordern kön- nen, wenn wir umgekehrt den Ressorts eine Stellenaus- stattung zubilligen, die eine erforderliche Vorbereitung, flexible und zügige Präsentation von Kandidaturen in in- ternationalen Organisationen erlaubt. Mit anderen Wor- ten: Wenn wir uns strategisch in internationalen Organi- sationen positionieren wollen, müssen wir auch bereit sein, den dafür im öffentlichen Dienst anfallenden Preis zu bezahlen. Ansonsten bleiben diese Beschlüsse samt ihrer Forderungskataloge weitgehend bedeutungslos. Parallel zu den Bemühungen im Bereich des öffentli- chen Dienstes finden derzeit im Ressortkreis Sondierun- gen statt, wie die personalpolitische Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Sektoren für internationale Organi- sationen intensiviert werden kann. Dies betrifft die Ver- besserung der Durchlässigkeit zwischen internationalen Organisationen und öffentlichem Dienst, Privatwirt- schaft und wissenschaftlichen Institutionen. Ob in die- sem Zusammenhang eine stärkere Öffnung des ministe- riellen Bereichs für Rückkehrer aus internationalen Organisationen – wie es der Beschlussantrag fordert – tatsächlich einen gangbaren Weg darstellt, wage ich per- sönlich angesichts unseres den hoheitlichen Bereich be- herrschenden Beamtenrechts zu bezweifeln. Alternativ käme nur eine dramatische Erhöhung von Mitteln für ta- rifliche und außertarifliche Zeitvertragsstellen im minis- teriellen Bereich in Betracht. Beide Optionen scheinen mir wenig wahrscheinlich zu sein. Ungeachtet des Dissenses in einzelnen Aspekten de- cken sich die Analyse und Schlussfolgerungen des Be- schlussantrags mit der grundsätzlichen Einschätzung und den konkreten Projektplänen der Bundesregierung. Eine regelmäßige Berichtspflicht über die weitere Ent- wicklung wird Bundesregierung wie Bundestag dazu an- halten, sich wechselseitig darüber zu unterrichten, inwie- weit die Forderungen dieses Antrags umgesetzt bzw. ob die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen geschaf- fen worden sind. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Verzicht der Bundes- regierung auf Einnahmen aus Sponsoring (Ta- gesordnungspunkt 31) Norbert Barthle (CDU/CSU): Es ist Freitagnachmit- tag, viele Kollegen sind auf dem Weg in die Wahlkreise, um dort ihre politische Arbeit fortzusetzen. Wir nicht. Warum nicht? Weil uns die PDS wieder einmal mit ei- nem Schaufensterantrag quält. Statt sich einmal um die wirklich wichtigen Themen in unserer Republik zu küm- mern, wie wir zum Beispiel unser Gemeinwesen weiter reformieren und modernisieren, um damit die Grundla- gen für unseren Wohlstand zu sichern, stürzt sich die Linke zum x-ten Mal mit Verve auf einen kaum relevan- ten Nebenschauplatz. Aber so funktioniert das bei Popu- listen: Such dir ein Thema – schlag laut Alarm – und hoppel zum nächsten! Nun also das Sponsoring. Die Bundesregierung wird aufgefordert, auf Einnahmen aus Sponsoring zu verzich- ten. Die Begründung lautet: Durch Sponsern der Bundesverwaltung können sich Unternehmen Vorteile verschaffen, und es entsteht der Eindruck, dass die Bundesregierung käuflich ist. 12444 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) Ich habe einmal angerufen, zum Beispiel beim Berli- ner Senat: Lasst ihr euch sponsern? Ja sicher, das kommt vor, lautete die Antwort. Da ist doch nichts dabei, wir sind ja nicht nur sexy, sondern vor allem arm, und Spon- soring erspart uns Kosten, ist ja auch immer für einen guten Zweck. – Nun frage ich einmal hier in die Runde, ob jemand weiß, welche andere Partei neben der SPD den Berliner Senat bildet? Die PDS, richtig. Mit Ihrem Antrag sagen Sie indirekt, das auch der Berliner Senat im Verdacht der Käuflichkeit steht. Dass Sie mit Ihrer rechten Hand die Bundesregierung abwat- schen wollen, kann ich ja noch verstehen. Aber dass Sie sich mit Ihrer linken Berliner Hand selbst eine runter- hauen, finde ich schon amüsant. Wenn der Antrag im Jahr 2000 gestellt worden wäre, hätte ich ja unter Umständen noch ein wenig Verständnis dafür gehabt. Damals hatte der Bundesrechnungshof festgestellt, dass die notwendige Transparenz beim Sponsoring nicht immer gegeben gewesen sei. Die rot- grüne Bundesregierung hat reagiert, das Innenministe- rium erließ 2003 eine „Allgemeine Verwaltungsvor- schrift zur Förderung von Tätigkeiten des Bundes durch Leistungen Privater“; gemeint sind damit Sponsoring, Spenden und sonstige Schenkungen. Dort sind die Grundsätze klar genannt, denen sich die Verwaltung un- terwirft, um dem von Ihnen pauschal geäußerten Vor- wurf zu begegnen. Es heißt dort richtigerweise: Sponsoring trägt in geeigneten Fällen dazu bei, Ver- waltungsziele zu erreichen. Gleichwohl muss die öffentliche Verwaltung schon jeden Anschein frem- der Einflussnahme vermeiden, um die Integrität und die Neutralität des Staates zu wahren. An diese Verwaltungsvorschrift hat sich die öffentli- che Verwaltung zu halten; und ich habe überhaupt kei- nen Zweifel daran, dass sie dies auch sorgfältig und ver- antwortungsbewusst tut. In Ihrem Antrag nennen Sie selbst die Summe von 55 Millionen Euro, die im ersten Zweijahresbericht Au- gust 2003 bis Dezember 2004 angenommen wurde. Was Sie – selbstverständlich – verschweigen, ist die Tatsache, daß hiervon allein 41 Millionen Euro für eine Gesund- heitskampagne zur Aidsaufklärung aufgewendet wur- den. Ich bin Berichterstatter für den Haushalt des Bun- desgesundheitsministeriums und damit auch für die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zustän- dig. Wir sind, wie alle in diesem Haus wissen, von einem ausgeglichenen Haushalt noch entfernt, auch wenn die Richtung dank der entschlossenen Politik der Großen Koalition endlich wieder stimmt. Endlich sinkt die Neu- verschuldung, das Ziel einer schwarzen Null im Jahr 2011 ist erreichbar. Doch in diesen Zeiten leerer Kassen wäre zum Beispiel ein Großteil der wichtigen Aufklä- rungsarbeit dieser Bundeszentrale schlicht nicht möglich gewesen. Erst durch Sponsoring wurde die flächende- ckende Aidskampagne der Bundesregierung durchführ- bar. Wie die Reaktion der PDS darauf lauten würde, kann ich mir lebhaft vorstellen: Der Staat soll das bezahlen. Unser verehrter Kollege Peter Struck hat ja einmal aus- gerechnet, wie viele Milliarden Euro die Ideen und Vor- schläge der PDS kosten würden und kam auf die erstaun- liche Zahl von knapp 155 Milliarden Euro – jährlich, wohlgemerkt. Wer so jenseits von Gut und Böse argu- mentiert, kann natürlich auch auf die paar Millionen Euro aus Sponsoring großzügig verzichten. Wer jedoch, wie der Rest des Hauses, seine Verant- wortung gegenüber kommenden Generationen ernst nimmt, die Haushaltslage wirklich nachhaltig verbessern möchte, wird zu dem Ergebnis kommen, dass Einnah- men aus Sponsoring nicht so grundsätzlich zu kritisieren sind, wie die Linke das mit ihrem Antrag tut. Werden die Prinzipien der Verwaltungsvorschrift eingehalten, wird die notwendige Transparenz gewahrt, sieht die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion im Sponsoring keinerlei Pro- bleme. Nicht nur wir sehen das so, der Bundesrechnungshof übrigens genauso. Als er im Jahr 2006 auf Wunsch des Rechnungsprüfungsausschusses den ersten Sponsoring- Bericht der Bundesregierung überprüfte, kam er zu dem Ergebnis, dass die Verwaltungsvorschrift geeignet ist, die Transparenz über die von Privaten empfangenen Leistungen herzustellen und damit die Integrität und Neutralität des Staates zu wahren. Die Verbesserungs- vorschläge des Rechnungshofes wurden und werden selbstverständlich ernst genommen und umgesetzt: Be- reits im zweiten Jahresbericht für die Jahre 2005 und 2006 wurden die Namen der Sponsoren für Leistungen über 5 000 Euro offengelegt. Dieser zweite Bericht weist Leistungen von insge- samt 80,3 Millionen Euro aus. Auch hier bilden die In- formationskampagnen zur Aidsprävention und -aufklä- rung sowie zum Nichtrauchen mit 49,7 Millionen Euro die Schwerpunkte. Der Haushaltsausschuss hat in seiner Beschlussemp- fehlung vom 8. Juni 2007 mit den Stimmen der Union, der SPD, der FDP und der Grünen diesen Schaufenster- antrag abgelehnt. Ich fordere alle hier im Plenum auf, heute das Gleiche zu tun. Schicken wir den Antrag da- hin, wohin er gehört: in den Papierkorb! Petra Merkel (Berlin) (SPD): Wir haben im Frühjahr bereits über diesen Antrag der Fraktion Die Linke ge- sprochen – damals wurden unsere Reden zu Protokoll gegeben. Nach Überweisung an die zuständigen Aus- schüsse liegen die Voten nun vor, und wir beraten den Antrag erneut im Plenum. In allen Ausschüssen ist die- ser Antrag abgelehnt worden. Zwischenzeitlich – diesen Sommer – wurde der zweite Sponsoring-Bericht vom Bundesministerium des Innern vorgelegt. In diesem wurden unsere Anregungen, die Anregungen des Rechnungsprüfungsausschusses, aufgegriffen und umgesetzt. Ein Punkt, der uns sehr wichtig war, ist, dass die Sponsoren genannt werden – dies tut der Bericht nun auch, und ein hohes Maß an Transparenz ist damit gewährleistet. Schon im März habe ich auf darauf hingewiesen, dass die entscheidende Frage ist: Wollen wir Sponsoring zu- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12445 (A) (C) (B) (D) lassen und so etwas Zusätzliches ermöglichen, für das uns sonst die Mittel fehlen? Oder wollen wir generell keinerlei Sponsoring zulassen, weil es die Möglichkeit geben könnte – eine Eventualität –, dass jemand den Eindruck gewinnen könnte, hier könnte versucht wer- den, eine Gegenleistung zu erkaufen. Ich beantworte diese Frage, wie schon vor sieben Monaten – Sponsoring ja, aber transparent und korrekt! So, wie wir es machen! Und selbstverständlich ist auch: Mit Sponsoring werden keine Pflichtaufgaben, keine Kernaufgaben finanziert. Natürlich ist Sponsoring ein Thema, auf das sich die Presse gerne stürzt, und gerne werden dann Beträge ge- nannt, die den Eindruck erwecken, in unserem Land blühe die Pflanze Korruption. Aber – meine lieben Kol- leginnen und Kollegen von der Linken – Sie sind doch nicht ernsthaft davon überzeugt, dass sich die Bundesre- gierung kaufen lässt, weil ein Unternehmen ein Fest mit 50 000 Euro oder weniger sponsert! Sie stellen in der Begründung Ihres Antrages ja gerade auf den Bereich des Ministeriums für Verteidigung ab: Ich habe mir im zweiten Sponsoring-Bericht die Firmen und die Sponso- ring-Summen des Bundesministeriums für Verteidigung besonders noch einmal angesehen – ich gestehe: Die treiben mir nicht die Tränen in die Augen –, aber ich habe jetzt auch den Namen des Gebers, die Summe und den Verwendungszweck als Grundinformation. Selbstverständlich müssen wir dieses heikle Thema sehr sensibl und korrekt handhaben. Ich finde, das tun wir! Das tun wir im Parlament mit kritischem Blick und mit aller notwendigen Verantwortung. Wir sind uns eventueller Gefahren bewusst und nutzen auch unsere Möglichkeiten zur parlamentarischen Kontrolle. Wir ha- ben uns im Rechnungsprüfungsausschuss – dessen Mit- glied ich bin und in dem ich für den Bereich des Bundes- innenministeriums zuständig bin – viele Jahre mit dem Thema Sponsoring beschäftigt – und wir werden das Thema auch weiter verfolgen. Wir haben die Entstehung des Sponsoring-Berichts unterstützt, der erscheint nun alle zwei Jahre, und wir beraten ihn intensiv. Wir haben dafür Sorge getragen, dass Sponsoring in geregelten Bahnen verläuft. Wir haben ebenfalls dafür gesorgt, dass Sponsoring transparent und nachvollziehbar ist, sodass nicht der Eindruck entstehen könnte, irgendwer wäre ir- gendwie käuflich oder jemand würde wegen Sponsoring begünstigt. Im zweiten Sponsoring-Bericht, der seit Juli vorliegt, finden sich Beträge, die in unterschiedlicher Höhe eini- ges ermöglichen. Was können wir dem zweiten Sponso- ring-Bericht denn jetzt entnehmen? Auch aus diesem Bericht wird erneut ersichtlich, dass mit dem Sponsoring Projekte verwirklicht werden konnten, die ohne dieses Sponsoring nicht oder nur in geringerem Umfang mög- lich gewesen wären. Im Vergleich zum Gesamthaushalt haben diese Leistungen nur ein sehr geringes Volumen. Die Gesamtsumme für alle Ressorts betrug laut zwei- tem Sponsoring-Bericht (für die Jahre 2005 und 2006) rund 80 Millionen Euro – davon entfielen rund 75,8 Mil- lionen Euro auf 716 Leistungen, deren Wert über 5 000 Euro lag. Schwerpunkt waren erneut – wie schon im ersten Bericht – die Sachleistungen. Und wenn jetzt für alle ersichtlich ist, dass das THW Schenkungen, Spenden und Sponsoring für viele Orts- verbände erhält – da können wir uns doch nur bei den Sponsoren bedanken! Von der Teilfinanzierung einer Kfz-Halle bis zur Verpflegung für Jugendarbeit, von der Sachleistung einer Anhänger-Wechselbrücke bis zur Schenkung von zwei Pkw und der Übernahme der Kos- ten für Live-Musik – da ist Sinnvolles für den THW mit privatem finanziellen Engagement unterstützt und er- möglicht worden. Ich möchte gerne ein weiteres Beispiel geben – das verdeutlicht, dass es wahrlich nicht anrüchig ist, wenn ein Ministerium oder ein Amt Sponsorleistungen an- nimmt –: Das Bundespräsidialamt hat zum Beispiel insgesamt Leistungen von fast 1 Millionen Euro (935 737 Euro) angenommen – diese dienten ausschließ- lich zur Unterstützung des Sommerfestes 2006. Und jetzt frage ich Fraktionsmitglieder der Linken: Gehen Sie jetzt nicht zum Sommerfest des Bundespräsi- denten? Verweigern Sie das gesponserte Essen und die Getränke? Ich möchte gerne von Ihnen wissen, was Sie von dem Sponsoring-Bericht halten. Reichen Ihnen die Informa- tionen nicht? Was finden Sie verwerflich an den dort aufgeführten Leistungen? Schon im März habe ich auf die Leistungen, die das Bundesministerium für Gesundheit erhielt, hingewiesen. Fast 50 Millionen Euro hat dieses Ministerium an Spon- sorleistungen erhalten – und zwar für Maßnahmen zur Gesundheitsprävention – nämlich kostenlose Plakatflä- chen für Anzeigen zur Aidsprävention. Nochmals an die Fraktion Die Linke – Warum wollen Sie das nicht zulas- sen? Ich habe mir noch mal Ihre Rede vom März dieses Jahres durchgelesen – Sie konstruieren zwischen Aufträ- gen an große Firmen, politischen Entscheidungen, Spen- den und Sponsoring eines: Korruption. In dem zweiten Bericht wird unseren Forderungen im Rechnungsprü- fungsausschuss nach mehr Transparenz Rechnung getra- gen. Nun gibt es ein Gegenmittel gegen den Vorwurf von Begünstigung und Korruption – und das heißt Transpa- renz. Und die haben wir geschaffen: Ab 5 000 Euro wer- den die Namen der Geber genannt. Für das Mäzenaten- tum im Kulturbereich gibt es eine besondere Regelung, sie werden nicht genannt. Derzeit arbeitet das Ministe- rium darüber hinaus an einer Vorgabe, die den Bedürf- nissen der Mäzene und der Öffentlichkeit Rechnung tra- gen soll. Ob sich die Grenze von 5 000 Euro bewährt, werden wir wiederum überprüfen. Ich bin sicher, dass die große Mehrheit im Rechnungsprüfungsausschuss, auch mit den Oppositionsfraktionen – vielleicht nicht mit der Linken –, auch die folgenden Sponsoring-Be- richte kritisch bearbeiten wird und mithilfe des Rech- nungshofs und der Ministerien die Gratwanderung zwi- schen Transparenz und Bürokratie wahren wird. Sie werden sich nach meiner Rede nicht wundern, dass meine Fraktion Ihren Antrag ablehnen wird. 12446 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) Dr. Claudia Winterstein (FDP): Die Linksfraktion fordert in ihrem Antrag, die Bundesregierung solle auf Einnahmen durch private Spenden verzichten. Wissen Sie eigentlich, wovon Sie sprechen? Beim Thema „Spenden“ zeigen Sie lieber mit dem Finger auf andere, während es Ihre Partei mit den Spenden offenbar nicht ganz so genau nimmt. Es ist schon eine bemerkens- werte Ironie, dass der Ältestenrat Ihren Antrag gerade dann auf die Tagesordnung setzt, wenn gleichzeitig ge- gen die Linkspartei in Sachen Spenden ermittelt wird. Doch nun zur Sache: Abgesehen von dem scheinheili- gen Getue halte ich die Bedenken der Linksfraktion zum Sponsoring in der Bundesverwaltung auch sachlich für falsch. Sie sagen: Das Ansehen des Staates steht auf dem Spiel; Kollegin Lötzsch spricht in einer Pressemitteilung sogar von „der gekauften Republik“. Da sollte man doch die Kirche im Dorf lassen. Sie unterstellen, dass Unter- nehmen sich Vorteile verschafft hätten, ohne diese Vor- würfe belegen zu können. An der Stelle sollten Sie vor- sichtiger argumentieren. Rund 82 Millionen Euro in Geld- und Sachspenden haben Ministerien und Behörden des Bundes in den Jah- ren 2005 und 2006 von privater Seite erhalten, Geld, mit dem überwiegend Projekte finanziert wurden, für die an- sonsten keine Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Es wäre äußerst bedauerlich, wenn der Staat auf diese Mit- tel verzichten müsste. Der mit Abstand größte Teil der Sponsoren-Gelder ist in die Aidsaufklärung geflossen: über 44 Millionen Euro. Wir sind uns doch wohl hier alle einig, wie wichtig dieses Thema ist, insbesondere vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen in Deutschland. Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, was falsch daran sein soll, wenn der Staat die Unterstützung privater Ge- ber in Anspruch nimmt, um gute, sinnvolle Projekte durchzuführen. Wollen Sie wirklich ohne Not eine gute Sache beenden? Ganz im Gegenteil: Das Engagement der Spender verdient unsere volle Unterstützung. Immer weniger Bürger identifizieren sich mit dem Staat. Eine Kultur des Spendens fördert den Austausch zwischen Bürger und Staat. Wer spendet, setzt sich aktiv für die Gesellschaft ein! Wir brauchen mehr privates Engagement und nicht weniger! Selbstverständlich brauchen wir klare Regeln für das Sponsoring. Das heißt: Offenlegen, was gesponsert, wie viel gesponsert wurde und vor allem: von wem gespon- sert wurde! Der gesponserte Zweck muss eine eindeutige Außen- wirkung haben. Es kann zum Beispiel nicht angehen, dass sich Ministerien interne Betriebsfeiern bezahlen lassen. Firmen dürfen sich nicht zu Dauersponsoren ei- ner bestimmten Behörde entwickeln, das gefährdet die Chancen- und Wettbewerbsgleichheit unter den poten- ziellen Sponsoren. Und das Wichtigste ist: Wir brauchen Transparenz. Dazu gehört die Veröffentlichung der Sponsorennamen im Interesse der Bürger und Steuerzahler. Transparenz ist das wirksamste Mittel, damit gar nicht erst der Ver- dacht von Korruption oder Interessenüberschneidungen aufkommen kann. Hier hat die Bundesregierung in der Vergangenheit Fehler begangen. Durch die fehlende Na- mensnennung im ersten Sponsoring-Bericht konnte der Eindruck entstehen: Der Bund hat etwas zu verbergen. Der Bundesrechungshof hat dies zu Recht kritisiert. Wir haben im Rechungsprüfungsausschuss diese Kritik auf- genommen, und das Innenministerium hat im zweiten Sponsoring-Bericht die Namen der Unternehmen und Verbände genannt. Regeln für das Sponsoring sind wichtig, sie dürfen aber nicht dazu führen, dass sich potenzielle Spender ab- geschreckt fühlen und vom Sponsoring zurückziehen. Dies gilt vor allem für den Kunst- und Kulturbereich. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Kunstmäzene ihre Unter- stützung nur anonym leisten wollen. Dieser Wunsch ist absolut respektabel. Eine zwingende Nennung der Namen von Kunstmäzenen würde deren Spendenbereit- schaft bremsen und negative Auswirkungen auf den Kulturbereich haben. Deswegen haben wir uns im Rech- nungsprüfungsausschuss für eine Ausnahme im Sponso- ring-Bericht eingesetzt, die das Ministerium auch so um- gesetzt hat. Somit haben wir nun eine zufriedenstellende Regelung erreicht. Denn eines ist klar: Das Sponsoring braucht klare Re- geln und Transparenz. Der Staat muss aber auch die Chance haben, privates Engagement für sinnvolle Dinge zu nutzen, und ausgerechnet das wollen Sie verhindern. Kehren Sie also lieber vor der eigenen Haustür, anstatt uns mit scheinheiligen und überflüssigen Anträgen zu nerven. Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): In dieser Woche wurde viel über Gerechtigkeit im Bundestag gesprochen, das ist ein gutes Zeichen. Wir sollten alle Politikfelder unter dem Gerechtigkeitsaspekt unter die Lupe nehmen. Nehmen wir die demokratische Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger bei politischen Entscheidungen. Haben alle den gleichen Zugang zu den Entscheidungs- trägern, oder gibt es hier Abstufungen und Privilegien, die zu einem demokratischen System im Widerspruch stehen? Ich weiß nicht, ob schon mal eine Arbeitslosen- vereinigung Empfänge, Bälle oder Essen in einem Bun- desministerium ausgerichtet hat, um in einer gemütli- chen, völlig ungezwungenen Atmosphäre bei einem Glas Wein und einer Frühlingsrolle über das Leben mit Hartz IV mit einem Minister ins Gespräch zu kommen. Ich weiß, dass der Rüstungskonzern EADS seit 2003 insgesamt 20 Empfänge, Bälle und Essen für das Bun- desministerium der Verteidigung, die Bundeswehr und ihre Gäste ausgerichtet hat. Ich weiß auch, dass der Rüs- tungskonzern EADS in der Zeit von 1999 bis 2007 Rüs- tungsaufträge im Wert von 10,5 Milliarden Euro von der Bundesregierung erhalten hat. Natürlich werden Ver- träge nicht auf Empfängen oder Bällen geschlossen, doch wer behauptet, dass es keinen Zusammenhang zwi- schen dem Sponsoring durch EADS und den üppigen Rüstungsaufträgen gibt, der irrt. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12447 (A) (C) (B) (D) Die Bundesregierung tut ja so, als ob Korruption ein merkwürdiges Phänomen wäre, das es nur in Afrika gibt. In unserem Land gibt es eine lange Geschichte von Be- stechung und Korruption. Denken wir nur an Herrn Schäuble, der eine illegale Spende von 100 000 DM vom Waffenhändler Schreiber angenommen hatte und als CDU-Parteivorsitzender zurücktreten musste. Der Journalist Hans Leyendecker hat in seinem neuen Buch Die große Gier die Korruption unter anderem bei Siemens aufgearbeitet. Bemerkenswert ist, dass es im- mer um Korruption im Ausland geht. In Norwegen hat Siemens dem Militär zu hohe Rech- nungen gestellt. Die Sache flog auf, weil ein ehrlicher norwegischer Siemens-Mitarbeiter den Betrug meldete. Allerdings wurde er daraufhin von Siemens entlassen. Wenn Siemens dem norwegischen Militär überhöhte Rechnungen ausstellt, wäre nicht einmal zu überprüfen, ob der Konzern mit der Bundeswehr ähnlich verfährt? Ich habe die Bundesregierung gefragt, welche Konse- quenzen sie aus den massiven Korruptionsvorwürfen ge- genüber Siemens bezüglich der Verträge, die die Bun- desregierung mit dem Konzern geschlossen hat, zieht und ob sie beabsichtigt, die entsprechenden Verträge auf Korruption hin zu überprüfen? Die Bundesregierung ant- wortete: „Anlass zu einer Überprüfung von Verträgen mit Siemens besteht erst dann, wenn der Verdacht vor- liegt, dass Mitarbeiter von Siemens Bedienstete der Bun- desregierung bestochen haben.“ Jeder Bürger, der hört, dass sein Nachbar von einem üblen Versicherungsvertreter über den Tisch gezogen wurde, würde seinen Vertrag, den er mit dem gleichen üblen Versicherungsvertreter abgeschlossen hat, über- prüfen. Doch die Bundesregierung ist da völlig sorgen- frei. Es ist ja auch nicht ihr Geld, sondern das Geld der Steuerzahler. Das Sponsoring der Bundesregierung ist eine Ein- stiegsdroge für Bestechung und Korruption, deshalb for- dert die Linke, die Finanzierung von Empfängen und Bällen in den Bundesministerien durch Unternehmen und Lobbyisten endlich zu beenden. Es geht darum, die Integrität und die Neutralität des Staates zu wahren, aber auch mehr Gerechtigkeit beim Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu politischen Entscheidungen zu erlangen. Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir können es klar benennen: Sponsoring von Bundes- behörden ist und bleibt ein heikles Thema. Denn allzu leicht kann in der Öffentlichkeit der Anschein entstehen, dass sich einzelne Interessengruppen mittels gezielter Sponsorleistungen versuchen die Gunst der Bundesver- waltung zu verschaffen. Aber ist es ratsam, das Kind leichtfertig mit dem Bade auszuschütten, wie von der Linken mit einem kompletten Sponsoring-Verbot hier gefordert? Um es vorweg zu nehmen: Nein, ist es nicht! Denn im Einzelfall kann Sponsoring durchaus von Be- deutung sein: In finanzieller, wie aber auch in ideeller Hinsicht. Lassen Sie uns das Thema doch einmal veranschauli- chen. Der zweite Sponsoring-Bericht für den Zeitraum von 2005 bis 2006 benennt entsprechende Leistungen in einer Gesamthöhe von 80 Millionen Euro. Darunter fal- len Geldleistungen aber auch Sachleistungen. Diese rei- chen von der Umlackierung eines Lkws für das Techni- sche Hilfswerk in Mannheim für knapp 5 000 Euro bis hin zur Bereitstellung von Plakatflächen für die Aids- Präventionskampagne der Bundeszentrale für gesund- heitliche Aufklärung in einem Gegenwert von 11,1 Mil- lionen Euro. Um einmal die Verhältnisse zurechtzu- rücken. Aus den derzeit laufenden Haushaltsberatungen können sie entnehmen, dass der Bundeszentrale für ge- sundheitliche Aufklärung ein jährliches Gesamtbudget von lediglich 7 Millionen Euro zur Verfügung steht. Da- ran lässt sich unschwer erkennen, welche enorme Be- deutung Sponsoring gerade in diesem Bereich hat. Aber es gibt selbstverständlich auch Sponsorleistun- gen, die wir kritisch beäugen. Insbesondere dann, wenn es wie zum Beispiel im Verteidigungsbereich zwischen Sponsoren und der entsprechenden Bundesverwaltung anderweitige vertragliche Beziehungen bestehen. Doch in diesen Fällen ist Transparenz und Offenheit die beste Methode, um möglichen Einflussnahmen zu begegnen. Wer in diesen Bereichen mit unlauteren Mitteln Einfluss nehmen will, wird auf jeden Fall versuchen seine Ano- nymität zu wahren. Deswegen haben wir uns von Bünd- nis 90/Die Grünen dafür eingesetzt, dass das Sponsoring aus dem Schattenbereich ins Licht kommt. Wir haben uns im Rechnungsprüfungsausschuss mehrmals mit der Thematik beschäftigt und glücklicherweise über die Mo- nate hinweg beim zuständigen Bundesinnenministerium einen Sinneswandel bewirken können. Die fehlende na- mentliche Nennung der Sponsoren im ersten Sponso- ring-Bericht wurde anfangs mit abwechselnd skurrilen Begründungen erklärt. In einem Ablehnungsbescheid auf Einsicht in die Namensliste erklärte das Bundesin- nenministerium in einem Schreiben beispielsweise ei- nem Antragsteller: Auf die Namensnennung werde auch deshalb verzichtet, „damit Sponsoren oder Spender durch die Veröffentlichung nicht befürchten müssen, künftig auch von anderer Seite gebeten zu werden, Maß- nahmen, Projekte, etc. zu unterstützen.“ Diese Begrün- dung ist nicht nur völlig abwegig, sondern lässt erst recht Vermutungen ins Kraut schießen, dass es hier wohl et- was zu verheimlichen gibt. Der Verdacht von Parteilich- keit und Beeinflussung ist dann nicht von der Hand zu weisen. Gerade deswegen ist es ungemein wichtig, dass für die Öffentlichkeit in diesem sensiblen Bereich Transpa- renz hergestellt wird. Ein Vertuschen und Tuscheln beschädigt dagegen die eigentlich gute Idee, dass die Bundesverwaltung einzelne Projekte durch eigens bei Unternehmen und Verbänden akquirierte Mittel mitfi- nanziert. Dadurch wird der Bundesverwaltung die Mög- lichkeit eröffnet, neben den regulären Budgetmitteln durch eigene Anstrengungen zusätzliche Maßnahmen durchführen zu können. Dies stärkt meiner Meinung nach im ausgesprochen positiven Sinne die Eigenverant- wortung und den Gestaltungsspielraum der Verwaltung. 12448 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) Das Bundesinnenministerium hat letztlich unsere Kri- tik aus dem Rechnungsprüfungsausschuss aufgenom- men. Als schmaler Grat zwischen der Gefahr von über- bordender Bürokratie auf der einen Seite und möglichst großer Transparenz auf der anderen Seite soll in Zukunft eine Namensnennung ab einer Wertgrenze von 5 000 Euro vorgesehen werden. Diese Wertgrenze ist ein Kompromiss. Die Mehrzahl der Sponsorleistungen liegt nämlich unterhalb dieser Grenze. Es muss in Zukunft überprüft werden, ob sich diese Grenze als praktikabel erweist. Im Zweifelsfall muss sie dementsprechend an- gepasst werden. Der schmale Grat besteht aber auch darin, dass mit ei- ner neuen Transparenzregelung nicht das Mäzenatentum in der Kulturförderung behindert werden soll. Deswegen braucht es eine scharfe begriffliche Differenzierung zwi- schen Sponsoring, Spende und sonstiger Schenkung. Beim privaten Mäzenatentum sollte dem Wunsch nach Anonymität Rechnung getragen werden können, gerade weil hier im Gegensatz zum Sponsoring eben beispiels- weise keine Gegenleistung in Form von Werbung erwar- tet wird. Die Kulturförderung zeigt exemplarisch, wie kontraproduktiv ein völliger Verzicht auf Sponsoring, Spenden und Schenkungen wäre. Wir brauchen vielmehr eine Regelung die den schma- len Grat meistert. Dies bedeutet: Sponsoring braucht größtmögliche Transparenz. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Große Anfrage: Auswärtige Kulturpolitik – Antrag: Neujustierung der Auswärtigen Kul- turpolitik (Tagesordnungspunkt 33) Harald Leibrecht (FDP): Wenn wir heute über eine Neujustierung der deutschen auswärtigen Kulturpolitik debattieren, müssen wir zunächst einmal den Istzustand analysieren. Wir haben hier vor einem knappen Jahr über die Haushaltssituation in der auswärtigen Kulturpolitik de- battiert. Ich habe damals erklärt – und dazu stehe ich auch heute –, dass ich den erhöhten Haushalt für dieses Ressort natürlich begrüße, dass es aber notwendig ist, Umstrukturierungen in der auswärtigen Kulturpolitik vorzunehmen. Für die FDP ist es dabei von großer Wichtigkeit, dass es zu einer breit gefächerten Vermittlung deutscher Kul- tur kommt, um einer facettenreichen auswärtigen Kul- turpolitik gerecht zu werden. Das heißt, so wichtig natür- lich das Goethe-Institut als Mittler deutscher Kultur ist und so sehr ich die Reformbestrebungen des Goethe- Instituts begrüße, dass wir die zahlreichen anderen Mitt- lerorganisationen mit ihren wichtigen Beiträgen für die deutsche auswärtige Kultur- und Bildungspolitik nicht vernachlässigen dürfen. Für ihren mehr als umfangreichen Antrag zur Neujus- tierung auswärtiger Kulturpolitik möchte ich Frau Dr. Eid ganz herzlich danken. Sie sprechen darin viele wichtige Punkte an, auch wenn dieser Antrag wahr- scheinlich vor den Haushaltsberatungen noch besser auf- gehoben gewesen wäre. Ich persönlich bin sehr an einer Revitalisierung der transatlantischen Beziehungen interessiert, die in den letzten Jahren ja arg strapaziert worden sind. Doch denke ich, dass wir uns hier nicht allein auf die Vermitt- lung eines realistischen Deutschlandbildes in den USA konzentrieren sollten. Gleichen Stellenwert muss für uns auch haben, dass wir es schaffen, auch wieder ein realis- tisches Bild der USA hier in Deutschland zu zeichnen. Wenn wir langfristig innovative internationale Ko- operationen auf zivilgesellschaftlicher Ebene vorantrei- ben, sei es im transatlantischen Dialog, bei der noch im- mer zäh verlaufenden europäischen Integration oder in anderen Regionen, zahlt sich das auch für uns aus und ist somit eine sinnvolle Investition in die Zukunft. Erklärtes Ziel der liberalen auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik sind die Darstellung der kulturellen Vielfalt Deutschlands und die aktive Förderung der Ver- breitung der deutschen Sprache. Wir möchten das Inte- resse an Deutschland, seiner Geschichte, Kultur und Politik im Ausland wecken und damit die Voraussetzun- gen für enge und vertrauensvolle Beziehungen zwischen Deutschland und seinen Partnern schaffen. Auswärtige Kulturpolitik sollte dabei Deutschland nicht nur in sei- nen vielfältigen Teilen, sondern auch als Ganzes wider- spiegeln. Andererseits ist auswärtige Kulturpolitik keine Einbahnstraße. Sie dient ebenso dazu, unsere Aufmerk- samkeit den Kulturen anderer Länder zu schenken und von deren Eigenarten und Vielfalt zu lernen. Das ist, denke ich, ein ganz besonders wichtiger Punkt, wenn wir darüber reden, was auswärtige Kultur- politik zur Krisenprävention beitragen kann. Hier geht es nämlich unter anderem darum, in Zukunft schneller poli- tische Entwicklungen in der Welt zu erkennen und da- rauf reagieren zu können. Daher meine ich, dass wir uns mit unserer Auslands- kulturarbeit frühzeitig in Regionen engagieren müssen, die bislang von unserem Tellerrand gefallen sind. Ich denke zum Beispiel an Zentralasien, wo zum Teil er- schreckende Diktaturen entstanden sind. Aktive Kultur- und Bildungspolitik sollte hier zum Ziel haben, die mit einem aufgeklärten, freiheitlichen, demokratischen Staat verbundenen Werte zu vermitteln. Gerade in der heutigen globalisierten Welt müssen wir lernen, unterschiedliche Kulturen zu verstehen, und uns darum bemühen, von anderen Kulturen besser ver- standen zu werden. Eine effektiv gestaltete auswärtige Kultur- und Bildungspolitik kann einen sehr wichtigen Beitrag dazu leisten. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12449 (A) (C) (B) (D) Anlage 14 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 836. Sitzung am 21. Sep- tember 2007 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Drittes Gesetz zur Änderung des Rindfleischeti- kettierungsgesetzes – Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Verbrau- cherinformation – Gesetz über die Aufhebung des Freihafens Bremen – Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftli- chen Engagements – Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport – Gesetz zur Reform des Versicherungsvertrags- rechts – Gesetz zu dem Internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. April 2005 zur Bekämpfung nuklearterroristischer Handlungen – Gesetz zur Umsetzung des VN-Übereinkommens vom 13. April 2005 zur Bekämpfung nuklearter- roristischer Handlungen – Gesetz zu dem Abkommen vom 25. Juni 2003 zwi- schen der Europäischen Union und den Vereinig- ten Staaten von Amerika über Auslieferung, zu dem Abkommen vom 25. Juni 2003 zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über Rechtshilfe, zu dem Vertrag vom 14. Oktober 2003 zwischen der Bundesrepu- blik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Rechtshilfe in Strafsachen, zu dem Zweiten Zusatzvertrag vom 18. April 2006 zum Auslieferungsvertrag zwischen der Bundes- republik Deutschland und den Vereinigten Staa- ten von Amerika sowie zu dem Zusatzvertrag vom 18. April 2006 zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Rechtshilfe in Strafsachen – Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 26. Mai 2000 über die internationale Beför- derung von gefährlichen Gütern auf Binnenwas- serstraßen (ADN) – Gesetz zu dem Protokoll vom 22. April 2005 zur Änderung des Übereinkommens vom 11. Oktober 1973 zur Errichtung des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage – Viertes Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Verbesserung der Qualifizie- rung und Beschäftigungschancen von jüngeren Menschen mit Vermittlungshemmnissen Darüber hinaus hat er die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die mit dem Ge- setzentwurf intendierte Zielsetzung, mit dem erweiterten Förderangebot zur nachhaltigen beruflichen Integration junger Menschen insbesondere leistungsschwächeren Jugendlichen beim Übergang zwischen Schule und Be- ruf eine zusätzliche Chance zur Aufnahme einer Berufs- ausbildung und zu einem beruflichen Abschluss zu ge- ben. Angesichts der demografischen Entwicklung und der nach wie vor überdurchschnittlich hohen Arbeitslosig- keit auch Jüngerer ohne Berufsabschluss ist die berufli- che Erstausbildung die entscheidende Voraussetzung für den Einstieg ins Erwerbsleben und dauerhafte Beruf- schancen. Nach Auffassung des Bundesrates muss des- halb sichergestellt werden, dass die neuen Qualifizie- rungsinstrumente die Aufnahme und den Abschluss einer Berufsausbildung tatsächlich unterstützen. In Anbetracht dessen hält er den Ansatz des Qualifi- zierungszuschusses, leistungsschwache Jugendliche be- trieblich zu qualifizieren und zu einer Berufsausbildung zu motivieren, grundsätzlich für richtig, aber nicht für hinreichend ausgestaltet. Die betriebliche Qualifizierung im Rahmen einer regulären Beschäftigung verbessert zwar die individuellen Integrationschancen. Entschei- dend für eine nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit ist aber, dass mit den Qualifizierungszuschüssen nach dem SGB III – ein systematischer Kompetenzzuwachs für die Ju- gendlichen erreicht wird, – an bereits in der Einstiegsqualifizierung, in Berufsvor- bereitungsmaßnahmen oder einer abgebrochenen Be- rufsausbildung vermittelte Ausbildungsbestandteile angeschlossen wird, – ein Beitrag zur Vervollständigung einer Berufsaus- bildung geleistet wird und – Maßnahmen gefördert werden, die auf einen Ab- schluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf aus- gerichtet sind. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass Qualifizierungselemente in Maßnahmen nach dem SGB III und dem SGB II an- schlussfähig ausgestaltet werden und sich vorrangig an dem Ziel eines Ausbildungsabschlusses orientieren. Des Weiteren hält der Bundesrat eine zeitlich befris- tete Öffnung der Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen für marktbenachteiligte Altbewerberinnen und Altbewerber für erforderlich und bittet, diese Rege- lung bis zum 31. Dezember 2009 zu verlängern. Dabei sollen auch diese Maßnahmen an bereits absolvierte Ausbildungsbestandteile in der Einstiegsqualifizierung, in berufsvorbereitenden Maßnahmen und in einer abge- brochenen Berufsausbildung anschließen. – Zweites Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Perspektiven für Langzeitar- beitslose mit besonderen Vermittlungshemmnis- sen – JobPerspektive 12450 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) Darüber hinaus hat er die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: Der Bundesrat unterstützt grundsätzlich, dass mit dem „Zweiten Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozial- gesetzbuch – Verbesserung der Beschäftigungschancen von Menschen mit Vermittlungshemmnissen – Jobpers- pektive“ die Integration von arbeitsmarktfernen Menschen mit besonderen Vermittlungshemmnissen in sozialversi- cherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse auf dem ersten Arbeitsmarkt gefördert werden soll. Mit dem Beschäftigungszuschuss soll eine neue Ar- beitgeberleistung für die Einstellung von Arbeitneh- mern, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, eingeführt werden. Die Förderdauer soll zunächst bis zu 24 Monate betragen und anschließend ohne zeitliche Unterbrechung unbefristet erbracht werden, wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt voraussichtlich in- nerhalb der nächsten 24 Monate nicht möglich ist. Der Bundesrat hat Bedenken, ob die Möglichkeit der Gewährung eines Beschäftigungszuschusses bei Einstel- lung junger Erwachsener unter 25 Jahren nicht die Ver- wirklichung des vorrangigen Ziels der Ausbildung jun- ger Erwachsener gefährden könnte. Außerdem sieht der Bundesrat die Gefahr, dass die Zielsetzung des SGB II, Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer Erwerbstätig- keit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu überwinden, durch die Möglichkeit einer unbefristeten Gewährung des Beschäftigungszuschusses unterlaufen werden könnte. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung deshalb auf, die Wirkungen des neuen Instrumentes des Beschäf- tigungszuschusses auf die Ausbildung von jungen Er- wachsenen unter 25 Jahren sowie im Hinblick auf die Zielsetzung des SGB II, Hilfebedürftigkeit dauerhaft zu überwinden, nach Ablauf eines Erprobungszeitraumes von drei Jahren zu untersuchen und Bundestag und Bun- desrat über das Ergebnis zu berichten. – Gesetz zur Änderung des Mikrozensusgesetzes 2005 und des Bevölkerungsstatistikgesetzes Darüber hinaus hat er die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: Mit dem vorliegenden Gesetz wird in § 4 Abs. 5 Nr. 2 des Mikrozensusgesetzes 2005 für Frauen im Alter von 15 bis 75 Jahren die Frage nach der „Zahl der lebend ge- boren Kinder“ eingefügt, die alle vier Jahre erhoben wird. Im Gesetzgebungsverfahren zum Mikrozensusgesetz 2005 waren sich fast alle Beteiligten darin einig, dass eine weitere Aufblähung des Fragebogens eine Gefahr für die Qualität der gesamten Mikrozensuserhebung dar- stellt. Deshalb konnte im Vermittlungsverfahren zum Mikrozensusgesetz 2005 der Fragenkatalog einge- schränkt werden. Beim Mikrozensus 2007 umfasst das Frageprogramm für den „Grundbogen“ 158 Fragen. Unter Einbeziehung des Zusatzbogens zum sogen. Ad-hoc-Modul der EU- Arbeitskräftestichprobe erhöht sich der Frageumfang auf 174 Fragen. Der Fragebogen (rd. 40 Seiten), die dazuge- hörigen Erläuterungen und die weiteren Informationen für die Befragten über den Mikrozensus umfassen über 50 DIN-A-4-Seiten. Die beim Gesetzgebungsver- fahren zum Mikrozensusgesetz 2005 befürchtete Über- frachtung des Mikrozensus ist trotz der im Vermittlungs- verfahren erreichten Begrenzung der zusätzlichen Fragen eingetreten. Auch der Gesetzgeber hat die Problematik der Über- frachtung des Mikrozensus gesehen. Deshalb ist in der Verordnungsermächtigung in § 13 Nr. 2 Mikrozensusge- setz 2005 zur Vermeidung einer Erweiterung des Erhe- bungsumfangs die Einführung neuer Erhebungsmerk- male zur Deckung eines geänderten Bedarfs an die gleichzeitige Aussetzung anderer Merkmale gekoppelt. Im aktuellen Gesetzgebungsverfahren wurde diese Kop- pelung mit dem Hinweis auf keine zu erwartenden prak- tikablen Lösungsvorschläge umgangen. Dies ist nicht sachgerecht und im Hinblick auf die Erhaltung der Qua- lität der gesamten Mikrozensuserhebung künftig nicht mehr hinnehmbar. Merkmalsstreichungen führen selbstverständlich im- mer zu Informationsverlusten. Aber nach dem Koaliti- onsvertrag von CDU, CSU und SPD ist auch Bürokratie- abbau ein Ziel der Koalition. Die Erweiterung des Erhebungsumfangs beim Mikrozensus ist mit der „Neu- entlastung von Bürgern, Wirtschaft und Behörden von einem Übermaß an Vorschriften und der damit einherge- henden Belastung durch bürokratische Pflichten“ nicht vereinbar. Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesrat, dass jede künftige Erweiterung des Fragenkatalogs beim Mi- krozensus – und mag sie für sich betrachtet auch noch so berechtigt sein – nicht zu einer Erweiterung des Erhe- bungsumfangs führen darf. – Zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft Darüber hinaus hat er die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: Die Bundesregierung wird gebeten, die Auswirkun- gen der neu eingeführten Bereichsausnahme für Schul- bücher bei der Schrankenregelung des § 53 Abs. 3 UrhG sorgfältig zu beobachten und im Fall einer unangemesse- nen Verschlechterung der Bedingungen für den Kultus- bereich der Länder kurzfristig eine Anpassung des Ge- setzes vorzuschlagen. Der Bundesrat spricht sich darüber hinaus dafür aus, nach der Verabschiedung des „Zweiten Korbes“ mög- lichst rasch die Arbeiten an einem „Dritten Korb“ für die Belange von Bildung, Wissenschaft und Forschung in der Wissens- und Informationsgesellschaft aufzuneh- men. Im Rahmen dieses „Dritten Korbes“ gilt es insbe- sondere – zu prüfen, wie den Besonderheiten von Open Ac- cess- und Open Source-Verwertungsmodellen Rech- nung getragen werden kann; – auf Basis der Ergebnisse eines internationalen Ver- gleichs einen klaren Rechtsrahmen für ein Zweitver- öffentlichungsrecht für Urheber von wissenschaftli- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12451 (A) (C) (B) (D) chen Beiträgen, die überwiegend im Rahmen einer mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und For- schungstätigkeit entstanden sind, zu schaffen; – über die bisherige Fassung des § 52b UrhG hinaus die Wiedergabe von Werken an elektronischen Lese- plätzen neben öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven auch in Bildungseinrichtungen zu er- möglichen. Darüber hinaus setzt sich der Bundesrat weiter dafür ein, dass – die bestehende Regelung hinsichtlich der öffentli- chen Zugänglichmachung für Unterricht und For- schung (§ 52a UrhG) hinsichtlich bestehender Rechtsunsicherheiten, geltender Bereichsausnahmen sowie ihrer Befristung überprüft wird; – die elektronische Versendung von Fachartikeln durch Bibliotheken nicht mehr begrenzt wird. Die bisheri- gen Regelungen sind nicht ausreichend. Der offene Zugang zu Informationen muss gewahrt bleiben. Die Kernaufgaben der Bibliotheken als Orte der Informa- tionsversorgung sollten nicht zu Gunsten des Mark- tes beschränkt werden. Begründung: Auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages (Bundestagsdrucksache 16/5939) wer- den mit einer Ergänzung von § 53 Abs. 3 UrhG Schulbücher von der gesetzlichen Schranke, die die Vervielfältigung zum Gebrauch im Schulunterricht und für Prüfungen erlaubt, ausgenommen. Eine der- artige Vervielfältigung ist damit nur noch mit Einwil- ligung des Berechtigten zulässig. Durch diese soge- nannte Bereichsausnahme sollen Eingriffe in den Primärmarkt der Schulbuchverlage vermieden wer- den. Im Hinblick auf die Vorgaben des Dreistufentests, wonach durch eine Schrankenregelung die normale Verwertung eines Werks nicht beeinträchtigt werden darf, steht die Berücksichtigung der berechtigten In- teressen der Schulbuchverlage bei der Ausgestaltung der Schranke außer Frage. Das klassensatzweise Ko- pieren ganzer Schulbücher oder großer Teile davon ist allerdings bereits nach geltendem Recht nicht zu- lässig. Andererseits ist die Fertigung einzelner Ko- pien in Klassenstärke für Unterricht und Prüfungen notwendig und nicht mehr wegzudenken. So verwen- den die Lehrkräfte für Prüfungen, aber auch zur Er- gänzung oder Vertiefung des Stoffs Aufgaben, Übun- gen und Darstellungen aus Schulbüchern, die nur sie selbst zur Verfügung haben, und die von der Klasse nicht als Lehrmittel verwendet werden. Auch bieten die Verlage spezielle Lehrerhefte an, die ergänzend zu dem Schulbuch für die Schüler unter anderem auch Kopiervorlagen enthalten. Für diese bisher zu- lässigen und im Unterricht unabdingbaren Kopien er- halten die Urheber eine Vergütung gemäß § 54a UrhG. Derartige, für einen modernen, effektiven Unter- richtsablauf auch im Interesse der Schüler weiterhin notwendige Kopien sind künftig nur mit Zustim- mung der Rechteinhaber zulässig. Der Bundesrat geht davon aus, dass seitens der Rechteinhaber nicht beabsichtigt ist, die Kopien grundsätzlich zu verbie- ten. Dies wäre nicht nur aus Sicht der Schulen, son- dern auch aus Sicht der Urheber problematisch, weil die bisherige Vergütung entfallen würde, ohne dass das Verbot wirksam kontrolliert werden könnte. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, unter wel- chen Bedingungen eine Zustimmung erteilt wird. Dies gilt sowohl für das Verfahren als auch für die Frage einer Lizenzzahlung. Zunächst sind daher die Beteiligten (Kultusverwaltung, Schulbuchverlage, Urheber und ZFS – Zentralstelle Fotokopieren an Schulen) aufgefordert, sinnvolle und praktikable Re- gelungen zu treffen, die den Primärmarkt der Schul- buchverlage ausreichend schützen, aber im Schulbe- trieb notwendige Kopien zu angemessenen Bedingungen und ohne Verwaltungsaufwand auf ver- traglicher Basis weiter ermöglichen. Sollte sich aber diese Erwartung nicht erfüllen und die Neuregelung zu Unzuträglichkeiten im Schulbe- trieb oder zu unangemessenen Kosten für die Schu- len, Schulaufwandsträger und Kultushaushalte füh- ren, die durch den notwendigen Schutz des Primärmarkts der Schulbuchverlage nicht gerechtfer- tigt sind, ist eine Änderung des Gesetzes erforder- lich. Die Prüfung sollte zusammen mit der im Jahr 2008 auf jeden Fall erforderlichen Überprüfung zu den §§ 52a und 137k UrhG erfolgen. Darüber hinaus bleibt die Schaffung eines bildungs- und wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts für die sich herausbildende globale Wissens- und Informa- tionsgesellschaft ein zentrales bildungs- und for- schungspolitisches Ziel. Dafür hat sich der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, dem "Zweiten Korb", vom 19. Mai 2006 – Bundesratsdrucksache 257/06 (Beschluss) – mit Nachdruck eingesetzt. Auf den Entschließungs- antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol- genabschätzung des Deutschen Bundestages vom 4. Juli 2007 wird ebenfalls verwiesen (Bundestags- drucksache 16/5939, S. 26). Mit der Umsetzung des „Zweiten Korbes“ zur Änderung des Urheberrechts wurde zwar ein Schritt auf dem Weg zu einem sol- chen bildungs- und wissenschaftsfreundlichen Urhe- berrecht unternommen. Diesem müssen jedoch wei- tere Schritte folgen. Notwendig ist ein „Dritter Korb“ zur Novellierung des Urheberrechts, der die spezifi- schen Anforderungen von Bildung, Wissenschaft und Forschung in der Wissens- und Informationsge- sellschaft sowie der zunehmend wissensbasierten Wirtschaft stärker in den Mittelpunkt rückt und den rasanten technologischen Entwicklungen im IuK-Be- reich sowie den Rahmenbedingungen für die neuen Lehr- und Lernplattformen (beispielsweise e-Lear- ning, Distance Teaching, Online Instructioning usw.) Rechnung trägt. Auf der Grundlage des Open-Access-Prinzips könnte die Chance für innovative, attraktive und elektroni- schen Umgebungen angemessene Organisations- und 12452 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 (A) (C) (B) (D) Geschäftsmodelle für Publikation und Distribution von Wissen eröffnet werden, die auch Verlagen und der gesamten Informationswirtschaft neue Möglich- keiten zur Erschließung von Publikations- und Dis- tributionsmärkten bieten. In den USA („government purpose license“) und Großbritannien („crown copy-right“) können Urhe- ber, die bei aus Steuermitteln finanzierten Einrich- tungen beschäftigt sind, Nutzungsrechte an Verlage nur eingeschränkt übertragen. Auf Grund eines inter- nationalen Vergleichs muss ein verlässlicher rechtli- cher Rahmen für ein Zweitveröffentlichungsrecht bei Wissenschaftspublikationen geschaffen werden, wie dies in AGB großer internationaler Wissenschafts- verlage teilweise bereits, aber auch in wenig transpa- renter Differenzierung, möglich ist. Um Bildungseinrichtungen, deren Bildungsauftrag unzweifelhaft ist, nicht un-verhältnismäßig von der dynamischen technologischen Entwicklung abzu- koppeln und deren Nutzerinnen und Nutzern nicht moderne Nutzungsmöglichkeiten zu verwehren, sind eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des im "Zweiten Korb" eingeführten § 52b UrhG, wozu die Urheberrechtsrichtlinie die Möglichkeit eröffnet, und eine Präzisierung des Anwendungsbereichs von § 52a UrhG sowie dessen vollständige Entfristung er- forderlich. – Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes Er hat beschlossen: 1. festzustellen, dass das Gesetz nicht seiner Zustim- mung bedarf und 2. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundge- setzes nicht zu stellen. Begründung zu Ziffer 1: Das Gesetz bedarf nach der Föderalismusreform nicht mehr der Zustimmung des Bundesrates. – Gesetz zur Reduzierung und Beschleunigung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsver- fahren Er hat beschlossen: – festzustellen, dass das Gesetz seiner Zustimmung be- darf und – dem Gesetz zuzustimmen. Begründung zur Zustimmungsbedürftigkeit: Entgegen der Eingangsformel im Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages vom 21. Juni 2007 bedarf das Gesetz der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 84 Abs. 1 Satz 5 und 6 des Grundgesetzes. Dies folgt aus § 73 BImSchG in der Fassung von Ar- tikel 2 Nr. 6 des Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetzes vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2819). Danach kann von dem in diesem (Bundes-Immissionsschutz-) Gesetz und auf Grund dieses Gesetzes getroffenen Regelungen des Verwaltungsverfahrens durch Lan- desrecht nicht abgewichen werden. Mit dieser erst in den damaligen Beratungen des Bundestages einge- fügten Regelung sollen Abweichungsbefugnisse der Länder nach Artikel 84 Abs. 1 Satz 2 GG und Artikel 125b Abs. 2 GG ausgeschlossen werden. In der hierzu gehörenden Beschlussempfehlung (Bundestags- drucksache 16/3311, S. 16) wird das besondere Be- dürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung i.S.d. Ar- tikels 84 Abs. 1 Satz 5 GG ausführlich begründet. Das Gesetz wurde (u.a. durch diese Regelung) zu- stimmungsbedürftig i.S.d. Artikels 84 Abs. 1 Satz 6 GG und mit Zustimmung des Bundesrates beschlos- sen. Da § 73 BImSchG i.d.F. des Öffentlichkeitsbeteili- gungsgesetzes die Abweichungsbefugnis des Lan- desgesetzgebers generell für alle Regelungen des Verwaltungsverfahrens nach dem Bundes-Immis- sionsschutzgesetz (in seiner jeweils geltenden Fas- sung) ausschließt, bedürfen auch spätere Gesetzesän- derungen zum Verfahrensrecht der Zustimmung des Bundesrates. Eine solche Änderung sieht aber Arti- kel 4 Nr. 1 des Gesetzes zur Reduzierung und Be- schleunigung von immissionsschutzrechtlichen Ge- nehmigungsverfahren mit der als § 12 Abs. 1 Satz 3 in die 9. BImSchV einzufügenden verfahrensrechtli- chen Neuregelung vor. Nach Artikel 84 Abs. 1 Satz 5 und 6 GG ist dieses Gesetz daher zustimmungsbe- dürftig. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die künftige Gestal- tung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ – Rahmen- pläne 2006 bis 2009 und 2007 bis 2010 – Drucksachen 16/310, 16/413 Nr. 1.6 – Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Sondergutachten des Sachverständigenrates für Um- weltfragen Umweltverwaltungen unter Reformdruck – Herausfor- derungen, Strategien, Perspektiven – Drucksachen 16/4690, 16/5327 Nr. 1 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- tung abgesehen hat. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 12453 (A) (C) (B) (D) Innenausschuss Drucksache 16/4258 Nr. 2.22 Finanzausschuss Drucksache 16/6041 Nr. 1.10 Drucksache 16/6041 Nr. 2.5 Drucksache 16/6041 Nr. 2.6 Drucksache 16/6041 Nr. 2.7 Drucksache 16/6041 Nr. 2.21 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 16/5505 Nr. 2.26 Drucksache 16/5681 Nr. 1.4 Drucksache 16/5806 Nr. 1.3 Drucksache 16/6041 Nr. 1.4 Drucksache 16/6041 Nr. 2.3 Drucksache 16/6041 Nr. 2.4 Drucksache 16/6041 Nr. 2.19 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 16/3196 Nr. 1.52 Drucksache 16/3573 Nr. 2.6 Drucksache 16/5199 Nr. 2.3 Drucksache 16/5806 Nr. 1.5 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 16/4939 Nr. 1.3 Drucksache 16/6041 Nr. 2.15 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 16/6041 Nr. 1.1 Drucksache 16/6041 Nr. 1.2 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 16/2555 Nr. 2.116 Drucksache 16/5199 Nr. 1.3 Drucksache 16/6041 Nr. 1.3 Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Drucksache 16/6041 Nr. 1.11 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 16/4939 Nr. 2.9 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 16/3382 Nr. 2.34 Drucksache 16/3897 Nr. 1.10 Drucksache 16/4105 Nr. 2.47 Drucksache 16/4501 Nr. 2.10 Drucksache 16/4939 Nr. 2.16 119. Sitzung Berlin, Freitag, den 12. Oktober 2007 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Katrin Dagmar Göring-Eckardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Bitte schön.



Rede von Sibylle Laurischk
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

Frau Kollegin Sitte, ist Ihnen bewusst, dass das politi-

sche System, das Sie immer noch vertreten, nämlich das
der DDR, nicht zuletzt deshalb untergegangen ist, weil
die Hochqualifizierten dort nicht mehr bleiben wollten,
da sie in ihrem Land keine Perspektive mehr gesehen ha-
ben? Sie haben das System, das Sie vertreten, als ge-
scheitert erachtet. Letztendlich hielten zu viele Men-
schen die DDR nicht mehr für erhaltbar. Es geht hier
nicht um ein ökonomisches Prinzip, sondern um Ent-
wicklungschancen der Menschen sowie der Volkswirt-
schaften, in denen sie leben.


(Beifall bei der FDP)







(A) (C)



(B) (D)


Sibylle Laurischk

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Petra Sitte


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Frau Kollegin, es geht um eine sehr differenzierte Be-

    trachtung. Ich würde gern wissen, wie Sie zu der Be-
    hauptung kommen, dass ich die DDR vertrete. Auch da-
    rüber sollte eine differenzierte Debatte geführt werden.

    An einem ist die DDR ganz bestimmt nicht zugrunde
    gegangen: am Bildungssystem.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Das Bildungssystem der DDR war Vorbild für die finni-
    sche Reform. Die Finnen sind derzeit in allen Studien
    weltweit ganz oben.

    Wir kommen mit pauschalen Vorwürfen nicht weiter.
    Lassen Sie uns eine differenzierte Debatte führen! Ich
    versuche, meinen Beitrag dazu zu leisten.


    (Jörg Tauss [SPD]: Dann können wir zum Thema zurückkehren, Frau Kollegin!)


    Ich rede über die Vermittlung von Wissen und Bildung
    vor allem im öffentlichen Raum. Darüber haben Sie so
    gut wie kein Wort verloren.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wir sagen – das haben wir hier schon mehrfach be-
    tont –: Wissen und Bildung soll sich jeder und jede un-
    abhängig von seiner und ihrer sozialen Situation leisten
    können. Die Zahl der Verlierer in dieser Gesellschaft
    wiegt doch wohl weit schwerer als der Profit einzelner
    Menschen und Unternehmen. Wer unter diesen Bedin-
    gungen in dem Bewusstsein, dass es in dieser Gesell-
    schaft einen Mangel an Bildung gibt – das muss offenge-
    legt werden –, von Wissensgesellschaft spricht, führt in
    die Irre – es sei denn, er wollte Ihre Wettbewerbslogik,
    Ihren ökonomisierten Ansatz verlassen. Wir wollen das
    ganz ausdrücklich.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ich will Ihnen das gern begründen. Seinem Wesen
    nach eignet sich Wissen überhaupt nicht, als Ware be-
    handelt zu werden. Denn man kann es gar nicht exakt
    messen. Wer will bestimmen, wo erfinderische Wissens-
    arbeit in der Gesellschaft angefangen hat und wie viele
    Stunden für den Wissensgewinn aufgewendet wurden?
    Zählen zu den Orten der Wissensbildung nicht auch Kin-
    dertagesstätten, Schulen, Hochschulen, Wissenschafts-
    einrichtungen, Weiterbildungsstätten? Gerade diese Ein-
    richtungen werden aber vor allem von der Gesellschaft
    getragen und finanziert. Das sind sehr schöne Beispiele
    dafür, dass Wissen durch Weitergabe und Teilen ver-
    mehrt wird. Die Nobelpreisträger sind angesprochen
    worden: Beide sind von Wissenschaftseinrichtungen ge-
    kommen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden,
    und haben ihre Ideen dort maßgeblich entwickelt.

    Wir halten es prinzipiell für falsch, dieses System
    konsequent Ihrer Wettbewerbslogik zu unterwerfen.
    Diese Logik heißt am Ende nichts weiter, als dass sich
    die Gesellschaft, nachdem sie diese Finanzierung er-
    möglicht hat, selber enteignet. Deshalb ist die Linke ge-
    gen Privatisierung und Kommerzialisierung von Wissen
    und Wissensproduktion im öffentlichen Raum. Wir wol-
    len nicht, dass damit verbundene Einrichtungen und Ak-
    teure Teile eines ökonomisierten Systems von Wissen-
    schaft und Bildung werden. Für uns ist das ein
    zivilisatorischer Rückschritt. Die Gesellschaft war schon
    einmal weiter.

    Aus diesem Grunde kritisieren wir die bildungs- und
    wissenschaftspolitische Weichenstellung der Bundesre-
    gierung. Sie ändern mit den derzeitigen Maßnahmen
    nicht wirklich etwas an der Unterfinanzierung des Bil-
    dungs- und Forschungssystems in der Breite. Ihre Exzel-
    lenz- und Eliteprogramme sind nämlich Ausdruck dieser
    Wettbewerbslogik. Am Ende erreichen Sie nur wenige
    Einrichtungen und nur wenige Wissenschaftlerinnen und
    Wissenschaftler.

    Hochschulen müssen sich seit mehreren Jahren an un-
    ternehmerischen Kriterien messen lassen. Studierende
    werden in der Diktion zu Kunden. Sie sollen für das Stu-
    dium bezahlen. Wer es sich nicht leisten kann, den rettet
    am Ende auch das BAföG nicht. Wenn er für sein Stu-
    dium Kredite aufnehmen muss, verlässt er die Hoch-
    schule hochverschuldet. All das betrachten wir nicht als
    Schritte, um Bildung und Wissen viel mehr Menschen
    zugänglich zu machen.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Sie haben selber festgestellt, von jenen, die als Hoch-
    qualifizierte aus den Bildungseinrichtungen kommen,
    sind immer mehr bereit, die Heimatregionen zu verlas-
    sen. Das tun sie nicht einfach, um einmal die Nase in die
    Welt zu stecken. Das sind vielmehr Reaktionen auf eine
    globalisierte Arbeitswelt. Der globalisierte Arbeits-
    markt entwurzelt Menschen. Sie müssen praktisch im-
    mer und überall flexibel und verfügbar sein. Diese Art
    von Flexibilität – das kann mir keiner erzählen – wird
    nicht freiwillig gewählt; sie entwurzelt Familien. Die
    Betroffenen verlieren permanent ihren Freundeskreis
    oder müssen sich diesen ständig neu aufbauen. Länder
    und Regionen müssen trotz bester persönlicher Voraus-
    setzungen verlassen werden. Die Menschen haben keine
    Chance, sich im eigenen Land selbstbestimmt und auf
    eigener Leistung beruhend etwas aufzubauen.

    Wir haben aber nicht nur – das will ich betonen – ein
    Stellenproblem im Wissenschafts- und Wirtschaftssys-
    tem. Viele Nachwuchsforscher und -forscherinnen kriti-
    sieren das deutsche Wissenschaftssystem als zu unat-
    traktiv für Berufs- und Familienplanung. Das deutsche
    System wird quasi als Closed Shop wahrgenommen, und
    die Netzwerkbildung, die infolge persönlicher Abhän-
    gigkeiten möglich ist, ist kontraproduktiv für eine selbst-
    bestimmte wissenschaftliche Arbeit.

    In diesem System bleibt das intellektuelle Potenzial
    von Frauen dramatisch ungenutzt. Viele Länder sind
    deutlich weiter, indem sie ausdrücklich sagen: Beide
    Partner sollen eine Chance bekommen. In den Einstel-
    lungsgesprächen wird nach dem familiären Kontext ge-
    fragt und darauf Rücksicht genommen.

    Weitere Gründe für die Abwanderung von Hochquali-
    fizierten liegen in arbeitsmarkpolitischen Versäumnis-






    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Petra Sitte
    sen. Nun versucht man durch kurzfristige Maßnahmen,
    den Fachkräftemangel auszugleichen. Rückhol- und Ab-
    werbungsinitiativen laufen. Grundsätzlich habe ich über-
    haupt nichts dagegen, dass versucht wird, Hochqualifi-
    zierte, die wir ausgebildet haben, wieder zurückzuholen.
    Schließlich haben wir als Gesellschaft unseren Beitrag
    dazu geleistet. Warum soll die Gesellschaft daraus nicht
    ihren Nutzen ziehen? Das ist in Ordnung. Alles andere
    wäre eine falsche Interpretation.

    Abschied und Wiederkehr sind in einer globalisierten
    Welt, für Wissenschaft und Forschung natürlich erst
    recht, völlig normale Vorgänge – dass wir uns an dieser
    Stelle nicht missverstehen. Wenn sich aber globale Ein-
    bahnstraßen bilden, wenn reichere Länder sozusagen die
    Hauptadressaten von Hochqualifizierten sind, dann habe
    ich damit ein Problem.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Natürlich haben die reicheren Länder viel attraktivere
    Lebensbedingungen zu bieten; das ist völlig klar. Des-
    halb verläuft dieser Wettbewerb unfair, deshalb muss an
    dieser Stelle die Politik ihrer Aufgabe nachkommen;
    auch dort müssen wir gewissermaßen für einen Klima-
    wandel sorgen. Für uns ist es nicht hinnehmbar, dass den
    ärmeren Ländern durch den Verlust an Wissen und Bil-
    dung Chancen auf kulturelle und Chancen auf demokra-
    tische Entwicklungen verloren gehen.

    Was glauben Sie denn, wie lange es noch dauern wird,
    bis die katastrophalen Folgen aus globaler Ungleichver-
    teilung von Reichtum und Produktivität, aus ungerechten
    Welthandelsstrukturen, aus kriegerischen Auseinander-
    setzungen um Rohstoffe und aus dem Bildungskolonia-
    lismus der reichen gegenüber den ärmeren Ländern die-
    ser Welt auf uns zurückfallen? Die Erde ist nun einmal
    keine Scheibe. Wir haben es doch erlebt: Die Welle, die
    wir vorn auslösen, holt uns hinten wieder ein. Bitter ist
    diese Erfahrung im Bereich der Lohnentwicklung gewe-
    sen. Das Lohndumping ist ein aktuelles Thema in
    Deutschland. Wir haben es selber mit verursacht.


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Die Antwort der Linken besteht nicht in einer Ableh-
    nung der Zuwanderung. Aber wir kritisieren ihre Selek-
    tivität nach nationalstaatlichen Nützlichkeitskriterien.
    Nichts anderes wäre im Übrigen das Punktesystem, von
    dem die Grünen und auch Sie sprechen. Mit der Einfüh-
    rung dieses Punktesystem will man nichts anderes, als
    dessen Nützlichkeit für Deutschland herauszufinden.
    Wir kritisieren außerdem die soziale Selektivität und
    Ungerechtigkeit des deutschen Bildungs- und Wissen-
    schaftssystems. Vor diesem Hintergrund ist beides re-
    formbedürftig.

    Abschließend will ich sagen, meine Damen und Her-
    ren: Wissen und Bildung sind humane Grundwerte. Da-
    rauf haben alle Menschen ein Anrecht – hier wie an-
    derswo.

    Danke schön.


    (Beifall bei der LINKEN)