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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/97 Tagesordnungspunkt 3: a) Abgabe einer Erklärung durch die Bun- desregierung: Gesunde Ernährung und Bewegung – Schlüssel für mehr Lebens- qualität b) Antrag der Abgeordneten Peter Bleser, Julia Klöckner, Ursula Heinen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Volker Blumentritt, Mechthild Rawert, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der SPD: Förderung gesundheitsrelevanten Verhaltens zur Prävention von Fehl- und Mangeler- nährung, Übergewicht und Bewegungs- mangel insbesondere bei Kindern und Jugendlichen Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Julia Klöckner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9815 C 9816 B 9818 A 9819 B 9820 B 9821 C 9822 D 9824 B 9825 B 9826 B Deutscher B Stenografisc 97. Sit Berlin, Donnerstag I n h a Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Angelika Graf (Rosenheim) und Rainer Fornahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl des Abgeordneten Dr. Rainer Wend in das Gremium gemäß § 23 c Abs. 8 des Zoll- fahndungsdienstgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . Wahl des Abgeordneten Dr. Gerhard Botz als Schriftführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 24 und 25 Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 9803 A 9803 B 9803 B 9803 B 9805 A 9804 D (Drucksache 16/5258) in Verbindung mit 9805 A undestag her Bericht zung , den 10. Mai 2007 l t : Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Konkrete Maß- nahmen und verbindliche Strukturen für bessere Ernährung und mehr Bewegung umsetzen (Drucksache 16/5271) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Seehofer, Bundesminister BMELV . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Volker Blumentritt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ursula Heinen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 9805 B 9805 C 9809 A 9810 D 9812 D 9814 A Uda Carmen Freia Heller (CDU/CSU) . . . . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . 9827 C 9829 C II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 Tagesordnungspunkt 4: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur weiteren Stärkung des bürger- schaftlichen Engagements (Drucksache 16/5200) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Katrin Kunert, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Stärkung des bürgerschaftli- chen Engagements (Drucksache 16/5245) . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Hinz (Essen) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Eduard Oswald (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . Elke Reinke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Riegert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Ute Kumpf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Bernhardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Hans-Peter Uhl, Kristina Köhler (Wiesbaden), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/ CSU sowie den Abgeordneten Fritz Rudolf Körper, Maik Reichel, Klaus Uwe Benneter, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mi- krozensusgesetzes 2005 und des Bevöl- kerungsstatistikgesetzes (Drucksache 16/5239) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Entlastung der Bundesregie- rung für das Haushaltsjahr 2006 – Vorlage der Haushalts- und Vermögens- rechnung des Bundes (Jahresrechnung 2006) (Drucksache 16/4995) . . . . . . . . . . . . . . . . 9830 C 9830 D 9830 D 9832 C 9834 C 9836 A 9837 C 9838 C 9841 B 9842 C 9843 B 9844 C 9845 C 9846 D 9848 A 9850 A 9851 A 9851 A c) Antrag der Abgeordneten Marina Schuster, Dr. Karl Addicks, Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für eine Neuausrich- tung der deutschen Afrikapolitik (Drucksache 16/5130) . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Fortschritte für Zypern – Eine Aufgabe für die deutsche EU-Rats- präsidentschaft (Drucksache 16/5259) . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Katrin Kunert, Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LIN- KEN: Rechtsanspruch auf Mieterbera- tung für Menschen mit geringem Ein- kommen (Drucksache 16/5247) . . . . . . . . . . . . . . . f) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die deutsche humanitäre Hilfe im Ausland 2002 bis 2005 (Drucksache 16/3777) . . . . . . . . . . . . . . . g) Unterrichtung durch die deutsche Delega- tion in der Interparlamentarischen Union: 115. Interparlamentarische Versamm- lung vom 16. bis 18. Oktober 2006 in Genf, Schweiz (Drucksache 16/4121) . . . . . . . . . . . . . . . h) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Siebzehnter Bericht nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zur Überprüfung der Bedarfssätze, Freibeträge sowie Vomhundertsätze und Höchstbeträge nach § 21 Abs. 2 (Drucksache 16/4123) . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Zwei- undzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsge- setzes (22. BAföGÄndG) (Drucksache 16/5172) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Gisela Piltz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Max Stadler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Beitritt des Bundes zum Rechtsstreit des Landes Schleswig-Holstein gegen die EU-Kom- mission (Drucksache 16/4607) . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Sevim Dağdelen, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der LINKEN: Irakische Flüchtlinge in die EU aufneh- 9851 A 9851 B 9851 B 9851 C 9851 C 9851 C 9851 D 9851 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 III men – In Deutschland lebende Iraker und Irakerinnen vor Abschiebung schützen (Drucksache 16/5248) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Werner Dreibus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Unternehmen leistungsge- recht besteuern – Einnahmen der öf- fentlichen Hand stärken (Drucksache 16/5249) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Fritz Kuhn, Peter Hettlich, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Schie- neninfrastruktur ist öffentliche Auf- gabe – Moratorium für die Privatisie- rung der Deutsche Bahn AG (Drucksache 16/5270) . . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Krista Sager, Kai Gehring, Priska Hinz (Herborn) und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Einrichtung des Europäi- schen Technologieinstituts abwenden – Bestehende europäische Förderstruktu- ren stärken und weiterentwickeln (Drucksache 16/5254) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung (Drucksachen 16/3303, 16/5096) . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (Drucksachen 16/4198, 16/5274) . . . . . . . c) Beschlussempfehlungen des Rechtsaus- schusses: Übersicht 6 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfas- sungsgericht (Drucksache 16/5138) . . . . . . . . . . . . . . . . d) – k) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 210, 211, 212, 213, 214, 215, 216 und 217 zu Peti- tionen (Drucksachen 16/5120, 16/5121, 16/5122, 16/5123, 16/5124, 16/5125, 16/5126, 16/5127) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9852 A 9852 A 9852 A 9852 B 9852 C 9852 D 9853 A 9853 B Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Grünbuch Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz KOM (2006) 744 endg.; Ratsdok. 6307/07 (Drucksachen 16/4635 Nr. 2.20, 16/5272) . . . Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- nen der CDU/CSU und der SPD: Aktuelle wirtschaftliche Entwicklung und Lage auf dem Arbeitsmarkt Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kornelia Möller (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Wend (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU) . . . . . . Andrea Nahles (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU) . . . . . . . . Gabriele Frechen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU) . . . . Tagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des von den Abge- ordneten Jerzy Montag, Hans-Christian Ströbele, Wolfgang Wieland, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zum Schutz von Jour- nalisten und der Pressefreiheit in Straf- und Strafprozessrecht (Drucksachen 16/576, 16/5283) . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 9854 A 9854 B 9856 B 9857 B 9858 D 9860 A 9861 B 9862 C 9863 D 9864 D 9865 D 9866 D 9868 A 9868 D 9869 D 9870 A 9871 B 9872 C 9874 B IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Entwicklungspolitische Afrikadebatte a) Antrag der Abgeordneten Hartwig Fischer (Göttingen), Dr. Christian Ruck, Dr. Wolf Bauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Gabriele Groneberg, Dr. Sascha Raabe, Dr. Bärbel Kofler, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Für eine intensive wirtschaftliche und ent- wicklungspolitische Zusammenarbeit mit dem afrikanischen Kontinent auf Augenhöhe (Drucksache 16/5257) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem An- trag der Abgeordneten Dr. Karl Addicks, Hellmut Königshaus, Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Die Entwicklungszusammen- arbeit mit Kenia auf den Prüfstand stel- len (Drucksachen 16/965, 16/2363) . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Dr. Karl Addicks, Hellmut Königshaus, Jens Ackermann, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Neue Strategien für die deutsche Entwick- lungszusammenarbeit mit Afrika erarbei- ten und durchsetzen (Drucksache 16/5243) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl Addicks (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9875 A 9876 A 9876 B 9878 C 9880 A 9880 B 9880 C 9880 D 9882 A 9883 B 9884 C 9885 D 9887 A 9888 D Tagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung kraftfahrzeugsteu- erlicher und autobahnmautrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 16/2718, 16/2935(neu), 16/5234, 16/5244) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP) . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU) . . . . . . Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg Vogelsänger (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie – zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Zeil, Gudrun Kopp, Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Keine Verlän- gerung des Briefmonopols – Wettbe- werb auf dem deutschen und euro- päischen Postmarkt ermöglichen – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, Sabine Zimmermann, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der LINKEN: Vollständige Öffnung der Post- märkte stoppen – Universaldienst- verpflichtung absichern (Drucksachen 16/3623, 16/4044, 16/4600) b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Sabine Zimmermann, Werner Dreibus, Ulla Lötzer, weiteren Ab- geordneten und der Fraktion der LINKEN eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Postgesetzes (Drucksachen 16/4908, 16/5276) . . . . . . . Alexander Dobrindt (CDU/CSU) . . . . . . . . . Martin Zeil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9890 B 9890 C 9891 C 9892 C 9893 B 9894 C 9895 B 9896 B 9896 C 9896 D 9898 A 9899 A 9900 C 9901 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 V Tagesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Ingbert Liebing, Marie-Luise Dött, Katherina Reiche (Potsdam), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Christoph Pries, Marco Bülow, Dirk Becker, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der SPD: Schutz der Wale sicherstellen – zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Behm, Undine Kurth (Quedlinburg), Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Am Walfangmoratorium festhalten und Walschutz auf der IWC stärken (Drucksachen 16/4843, 16/5105, 16/5284) . . Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion der LINKEN eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der erwerbsmäßigen Arbeit- nehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlas- sungsgesetzänderungsgesetz – AÜGÄndG) (Drucksache 16/4805) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werner Dreibus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines 9903 A 9903 C 9904 C 9905 C 9906 D 9907 C 9908 A 9908 C 9909 A 9910 A 9910 B 9911 A 9913 B 9914 B 9916 B Dritten Gesetzes zur Änderung des Fahr- personalgesetzes (Drucksachen 16/4691, 16/5238) . . . . . . . . . . Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wilhelm Josef Sebastian (CDU/CSU) . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abge- ordneten Ute Koczy, Thilo Hoppe, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Rohstoffeinnahmen für nach- haltige Entwicklung nutzen (Drucksachen 16/4054, 16/5273) . . . . . . . . . . Walter Riester (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe – zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU, der SPD, der FDP und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Für die Ver- urteilung des Systems der Laogai-Lager in China – zu dem Antrag der Abgeordneten Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für die Verur- teilung des Systems der Laogai-Lager in China (Drucksachen 16/4559, 16/855, 16/5146) . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9917 A 9917 B 9918 B 9919 B 9920 D 9921 C 9922 A 9923 A 9923 B 9924 C 9925 C 9927 A 9928 A 9929 A 9929 B 9930 D 9932 A 9933 C 9934 B VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 Tagesordnungspunkt 14: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz zu dem An- trag der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Cornelia Pieper, Hans- Michael Goldmann, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Eigentums- rechte und Forschungsfreiheit schützen – Entschiedenes Vorgehen gegen Zerstö- rungen von Wertprüfungs- und Sorten- versuchen sowie von Feldern mit gen- technisch veränderten Pflanzen (Drucksachen 16/2835, 16/4474) . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Cornelia Behm, Undine Kurth (Quedlinburg) und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Keine Freisetzung von gentechnisch veränder- ten Pflanzen auf dem Gelände des Insti- tuts für Pflanzengenetik und Kultur- pflanzenforschung in Gatersleben (Drucksache 16/4904) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Cornelia Behm und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Einfuhrverbot für Produkte aus dem gentechnisch veränderten Mais MON863 anordnen (Drucksache 16/4905) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Lehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Geset- zes über die Deutsche Bundesbank (Drucksachen 16/4971, 16/5286) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: a) Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LIN- KEN: Bildungszugang von Kindern und Jugendlichen stärken – Finanzierung 9935 C 9935 D 9935 D 9936 A 9938 A 9939 B 9940 B 9941 B 9941 C 9942 A 9943 C von Schüler- und Schülerinnenbeförde- rung im SGB II ermöglichen (Drucksache 16/4486) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Petra Sitte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Kommerzialisierungsten- denzen im Schulwesen stoppen – Bil- dungsteilhabe für alle Kinder und Ju- gendlichen sichern (Drucksache 16/5139) . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Dr. Thea Dückert, Irmingard Schewe- Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Teilhabechancen für Kinder und Jugendliche aus armen Haushalten fördern (Drucksache 16/5253) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung medizinprodukte- rechtlicher und anderer Vorschriften (Drucksachen 16/4455, 16/5280) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Hettlich, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Energieeinsparverordnung zügig verabschieden – Energieausweis als Be- darfsausweis einführen (Drucksachen 16/4787, 16/5235) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Begrenzung der Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe (Prozesskostenhilfebe- grenzungsgesetz – PKHBegrenzG) (Drucksache 16/1994) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des von den Abgeordneten Jan Korte, Petra Pau, Ulla Jelpke, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion der LINKEN ein- gebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (2. NS-AufhGÄndG) (Drucksache 16/3139) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9944 A 9944 A 9944 B 9944 C 9944 D 9945 A 9945 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 VII Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Weg vom Öl im Kunststoffbereich – Chance der Novelle der Verpackungsverordnung nutzen und mit Biokunststoffen echte Kreisläufe schließen (Drucksache 16/3140) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Mündliche Frage 12 Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Außen- und sicherheitspolitisches Interesse für einen Export deutscher U-Boote und dessen Absicherung durch Bürgschaften aus der Sicht der Bundesregierung Antwort Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (96. Sitzung, Drucksache 16/5213) Anlage 3 Mündliche Frage 13 Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen der Bestrebungen Pakistans zur Ausrüstung seiner U-Boote mit dem nuklearfähigen Marschflugkörper „Ba- bur“ auf die regionale Sicherheitslage Antwort Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (96. Sitzung, Drucksache 16/5213) Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hans Eichel (SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (Tagesordnungspunkt 15) . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Än- 9945 C 9945 D 9947 A 9947 B 9947 C 9947 D derung des Gesetzes über die Deutsche Bun- desbank (Tagesordnungspunkt 15) Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Jörg-Otto Spiller (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staats- sekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Bildungszugang von Kindern und Jugend- lichen stärken – Finanzierung von Schü- ler- und Schülerinnenbeförderung im SGB II ermöglichen – Kommerzialisierungstendenzen im Schul- wesen stoppen – Bildungsteilhabe für alle Kinder und Jugendlichen sichern – Teilhabechancen für Kinder und Jugendli- che aus armen Haushalten fördern (Tagesordnungspunkt 16 a bis c) Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Wolfgang Grotthaus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Gesine Multhaupt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung medizinprodukterechtlicher und anderer Vor- schriften (Tagesordnungspunkt 17) Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . . Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9948 A 9949 A 9949 C 9949 D 9950 C 9951 A 9951 C 9952 B 9952 D 9953 D 9954 D 9956 A 9956 D 9957 D 9958 B 9959 B 9960 A 9960 C VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Energieeinsparverordnung zügig verabschieden – Energieausweis als Bedarfs- ausweis einführen (Tagesordnungspunkt 18) Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Rainer Fornahl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Günther (Plauen) (FDP) . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Roth, Parl. Staatssekretärin BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Begrenzung der Aufwendungen für die Prozesskosten- Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung natio- nalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (2. NS-AufhGÄndG) (Ta- gesordnungspunkt 20) Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Carl-Christian Dressel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung 9961 B 9962 C 9963 C 9964 A 9964 C 9965 B 9971 D 9973 B 9974 A 9975 B 9977 A hilfe (Prozesskostenhilfebegrenzungsgesetz – PKHBegrenzG) (Tagesordnungspunkt 19) Elisabeth Heister-Neumann, Ministerin (Niedersachsen) . . . . . . . . . . . . Dirk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9966 B 9967 B 9968 A 9969 A 9970 B 9971 A des Antrags: Weg vom Öl im Kunststoffbe- reich – Chance der Novelle der Verpackungs- verordnung nutzen und mit Biokunststoffen echte Kreisläufe schließen (Tagesordnungs- punkt 21) Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Gerd Bollmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9977 D 9978 D 9980 B 9981 A 9981 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9803 (A) (C) (B) (D) 97. Sit Berlin, Donnerstag Beginn: 9
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    Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9947 (A) (C) (B) (D) des Abgeordneten Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (96. Sitzung, Drucksache 16/5213, Frage 12): schen Bundesbank zu machen. Diese Position wird nach bisheriger Rechtslage vom Bund besetzt. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Frage Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beckmeyer, Uwe SPD 10.05.2007 Bismarck, Carl-Eduard von CDU/CSU 10.05.2007 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 10.05.2007 Gabriel, Sigmar SPD 10.05.2007 Gloser, Günter SPD 10.05.2007 Griefahn, Monika SPD 10.05.2007 Dr. Gysi, Gregor DIE LINKE 10.05.2007 Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 10.05.2007 Höger, Inge DIE LINKE 10.05.2007 Kasparick, Ulrich SPD 10.05.2007 Knoche, Monika DIE LINKE 10.05.2007 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.05.2007 Lafontaine, Oskar DIE LINKE 10.05.2007 Leibrecht, Harald FDP 10.05.2007 Merten, Ulrike SPD 10.05.2007 Dr. Miersch, Matthias SPD 10.05.2007 Raidel, Hans CDU/CSU 10.05.2007 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 10.05.2007 Schummer, Uwe CDU/CSU 10.05.2007 Steenblock, Rainder BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.05.2007 Dr. Troost, Axel DIE LINKE 10.05.2007 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 10.05.2007 Anlagen zum Stenografischen Bericht Welches besondere außen- und sicherheitspolitische Inte- resse gemäß den politischen Grundsätzen der Bundesregie- rung für den Export von Kriegswaffen liegt für einen Export deutscher U-Boote und dessen Absicherung durch Bürgschaf- ten aus Sicht der Bundesregierung vor? Über derartige Rüstungsexportvorhaben befindet der Bundessicherheitsrat, der in geheimer Sitzung tagt. Von daher ist es nicht möglich, zu den einzelnen Abwägungs- kriterien, die dem jeweiligen Einzelfall zugrunde liegen, Auskunft zu geben. Diese Abwägung findet jeweils auf der Grundlage der Politischen Grundsätze der Bundes- regierung für Rüstungsexporte statt und kann – wie dies auch bereits in der Vergangenheit wiederholt der Fall war – zur Genehmigung des Exports von U-Booten in Länder außerhalb der EU und der NATO führen. Export- kreditgarantien des Bundes können nur im Rahmen der im Außenwirtschaftsrecht geltenden rechtlichen Vor- schriften übernommen werden. Für Exportkreditgaran- tien im Zusammenhang mit dem Export von Kriegswaf- fen und sonstigen Rüstungsgütern gelten die Politischen Grundsätze der Bundesregierung vom 19. Januar 2000 und die Entscheidungen des Bundessicherheitsrates. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Frage des Abgeordneten Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (96. Sitzung, Drucksache 16/5213, Frage 13): Wie beurteilt die Bundesregierung unter Berücksichtigung der fortgeschrittenen Bestrebungen Pakistans, den nuklearfä- higen Marschflugkörper „Babur“ auch in U-Boote zu integrie- ren, die Auswirkungen auf die regionale Sicherheitslage? Die Bundesregierung genehmigt – auch gemäß ihren Verpflichtungen aus den entsprechenden Nichtverbrei- tungsregimen – keine Exporte, die die Nuklearwaffen- oder Trägertechnologiefähigkeiten Pakistans stärken könnten. Der Bundesregierung liegen im Übrigen auch keine Erkenntnisse über „fortgeschrittene Bestrebungen“ Pakistans zur Integration des Marschflugkörpers „Babur“ in U-Boote vor. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hans Eichel (SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (Tagesordnungspunkt 15) Dem Regierungsentwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank stimme ich nicht zu, weil dem Bundesrat nunmehr zu- sätzlich das Recht eingeräumt werden soll, einen Vor- schlag für die Besetzung des Vizepräsidenten der Deut- 9948 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) Es gibt seit der Eingliederung der Bundesbank in das System der europäischen Zentralbanken keinen plau- siblen Grund mehr für eine Mitbestimmung der Länder bei der Besetzung des Vorstandes der Bundesbank. Da- her geht die jetzt angestrebte Gesetzesänderung in die falsche Richtung. Sie schwächt die Position der Bundes- bank national und international. Anlage 5 Zu Protokoll gegeben Reden zur Beratung des Entwurfs eines Achten Geset- zes zur Änderung des Gesetzes über die Deut- sche Bundesbank (Tagesordnungspunkt 15) Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Mit Spannung ha- ben Bankvolkswirte heute die Sitzung des EZB-Rates in Dublin erwartet. Die große Frage: Wird EZB-Präsident Jean-Claude Trichet – wie von ihnen prognostiziert – den Weg für eine weitere geldpolitische Straffung eb- nen? Er hat ihn geebnet. Eine Zinserhöhung von 3,75 Prozent auf 4 Prozent im Juni ist damit wahrschein- lich. Seit nunmehr acht Jahren ist die EZB – nicht mehr die Deutsche Bundesbank – der geld- und währungspoliti- sche Souverän, auf den einmal monatlich alle Augen und Ohren gerichtet sind. Was für uns mittlerweile gängige Praxis ist, bedeutete für die Institution Bundesbank über Jahre hinweg einen herausfordernden Veränderungsprozess: Leitungs-, Ent- scheidungs- und Personalstrukturen mussten reformiert und an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden. Mit dem Siebten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank haben wir im Jahr 2002 den rechtlichen Rahmen für eine umfassende Strukturre- form der Deutschen Bundesbank gesteckt. Mit dem heute zur Verabschiedung anstehenden Achten Ände- rungsgesetz nehmen wir eine weitere sinnvolle Anpas- sung vor: Der Vorstand der Bundesbank wird spätestens zum 30. April 2009 von derzeit acht auf sechs Mitglieder verkleinert. Die mittelfristige Verkleinerung des Bundesbankvor- standes ist aus zwei Gründen zu unterstützen: Zum einen bin ich davon überzeugt, dass – angesichts der neuen Aufgaben der Bundesbank – eine kleinere Leitungs- ebene noch effizienter arbeiten kann. Zum anderen ist die Verkleinerung des Bundesbankvorstandes ein wichti- ges Signal an die Mitarbeiter. Die Mitarbeiter mussten bei den Umstrukturierungsmaßnahmen in den letzten Jahren ein großes Maß an Flexibilität unter Beweis stel- len und Gehaltskürzungen in Kauf nehmen. Erst im letz- ten Jahr haben wir im Haushaltsbegleitgesetz 2006 eine Kürzung der Bundesbankzulage vereinbart. Durch die Verkleinerung des Vorstandes leistet nun auch die Bun- desbankspitze einen wichtigen Sparbeitrag. Das ist mehr als nur Symbolik. An dem Bestellungsverfahren für den Bundesbank- vorstand ändert sich mit dem Achten Änderungsgesetz zunächst einmal nichts. Das heißt, es bleibt kurz- und mittelfristig beim Vorschlagsrecht von Bundesregierung und Bundesrat. Dieser Pluralismus der Vorschlagsinstan- zen hat sich in der Vergangenheit bewährt, insbesondere weil dadurch die Unabhängigkeit der Bundesbank zusätzlich gestärkt wurde. Gerade in Zeiten, als die Bun- desbank noch die geld- und währungspolitische Souve- ränität innehatte, war es wichtig, politische Einfluss- nahme auf Zinsentscheidungen zu unterbinden. In den letzten Tagen hat das jüngste Bestellungsver- fahren für den Bundesbankvorstand viel öffentliche Auf- merksamkeit erweckt. Ich möchte diese Diskussion, die ich im Übrigen für alle Beteiligten etwas unrühmlich fand, nicht weiter kommentieren. Nur so viel: Grund- sätzlich darf ich doch davon ausgehen, dass Ministerprä- sident Oettinger mit Unterstützung des Bundesrates eine kompetente Person mit entsprechenden Qualifikationen vorgeschlagen hat. Abseits und unabhängig von dieser Diskussion ist es allerdings mittelfristig richtig, die Frage zu stellen, ob das derzeitige Bestellungsverfahren auch künftig noch angemessen ist. Berücksichtigt man den verkleinerten Vorstand sowie die Tatsache, dass die ehemaligen Lan- deszentralbanken mittlerweile weisungsabhängige Hauptverwaltungen sind, könnte man da zu unterschied- lichen Ergebnissen kommen. Die Frage des künftigen Bestellungsverfahrens müssen wir aber jetzt nicht ab- schließend klären. Fünf Jahre nach Verabschiedung des Siebten Bundes- bankänderungsgesetzes ist es mir vor allem wichtig, zu würdigen, dass die Bundesbank die durch das Gesetz in Gang gesetzte Organisationsreform mittlerweile erfolg- reich bewältigt hat und weiter auf veränderte Anforde- rungen reagiert. Gerade die Neuorganisation der Haupt- verwaltungen – ehemals Landeszentralbanken – und des Filialnetzes war für die Bundesbank eine große Heraus- forderung. Diese neue Struktur trägt heute wesentlich zu schlankeren und effizienteren Organisationsabläufen in der Bundesbank bei. Die Übertragung der geld- und währungspolitischen Souveränität von der Bundesbank auf die EZB ist schon seit geraumer Zeit – für die Öffentlichkeit sichtbar – abge- schlossen. Weniger transparent und bekannt sind die wichtigen Aufgaben, die die Bundesbank weiterhin – ins- besondere für die Stabilität des deutschen Finanzplatzes – innehat. Die „neue“ Deutsche Bundesbank befindet sich in ei- ner Doppelrolle: Sie ist zum einen eine unabhängige In- stitution Deutschlands. Zum anderen ist sie integraler Bestandteil des einheitlichen europäischen Zentralban- kensystems. Im Fokus der strategischen Neuausrichtung der Deut- schen Bundesbank stehen fünf Geschäftsfelder: Preis- stabilität im Euroraum, Stabilität des Finanz- und Währungssystems, Sicherheit und Effizienz von Zah- lungsverkehrs- und Abwicklungssystemen, effiziente Bargeldversorgung und -infrastruktur und Funktionsfä- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9949 (A) (C) (B) (D) higkeit der deutschen Kredit- und Finanzdienstleistungs- institute. Gerade für die Funktionsfähigkeit der deutschen Kre- ditwirtschaft übernimmt die Bundesbank wertvolle Auf- gaben. Nicht zuletzt aufgrund ihrer jahrelangen Erfah- rung ist sie bei der Überwachung der Kreditinstitute ein wichtiger Partner für die BaFin. Wenn wir uns in den kommenden Wochen an die Neujustierung einiger Pro- zesse bei der BaFin begeben, sollten wir dies immer mit bedenken. Kurzum: Die Aufgabenvielfalt der Bundesbank zeigt: Auch wenn in puncto Zinsentscheidung an Tagen wie heute mittlerweile alle Augen auf die EZB gerichtet sind, bleibt die Deutsche Bundesbank eine Institution mit herausragender Bedeutung für Deutschland. Weil dem so ist, bleibt es unsere Aufgabe als Gesetzgeber, die Deutsche Bundesbank als Institution immer wieder den neuen Anforderungen anzupassen. So beschließen wir also das Achte Bundesbankände- rungsgesetz, wissend, dass irgendwann ein Neuntes kommen wird und kommen muss, um die Bundesbank wiederum auf neue Entwicklungen im Finanzsystem ein- zustellen. Jörg-Otto Spiller (SPD): Der vorliegende Gesetz- entwurf zur Änderung des Bundesbankgesetzes ist ein weiterer Schritt zur Anpassung der Bundesbank an die veränderte Situation, die existiert, seit es die Europäi- sche Zentralbank gibt. Die Deutsche Bundesbank hat seit ihrer Gründung über Jahrzehnte eine hervorragende Arbeit geleistet. Sie war so erfolgreich, dass die Europäische Zentralbank nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank gestaltet ist. Allerdings hat die Bundesbank heute aufgrund der Einführung unserer gemeinsamen Währung Euro nicht mehr dieselbe Stellung wie in der Vergangenheit. Sie äh- nelt ein Stück weit der Stellung, die zu D-Mark-Zeiten die Landeszentralbanken innegehabt haben. Es ist des- halb folgerichtig, dass mit dem vorliegenden Gesetzent- wurf der Vorstand der Bundesbank verkleinert wird, und zwar auf sechs Mitglieder. Gleichwohl hat die Bundesbank weiterhin wichtige Funktionen. Sie ist einmal integraler Bestandteil des Eu- ropäischen Systems der Zentralbanken, ESZB. Sie er- füllt wichtige Funktionen für den Zahlungsverkehr. Er- wähnen möchte ich auch ihre Arbeit im Bereich der monetären und volkswirtschaftlichen Statistiken und Analysen. Eine besonders wichtige Aufgabe ist ihre Mit- wirkung bei der Bankenaufsicht. Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, dem Mann meine Hochschätzung auszusprechen, der über ein Jahr- zehnt als Mitglied des Direktoriums beziehungsweise des Vorstands der Bundesbank für die Bankenaufsicht zuständig war und vor ein paar Tagen aus Altersgründen aus der Bundesbank ausgeschieden ist: Edgar Meister. Herr Dr. Meister hat wie kein anderes Mitglied des Di- rektoriums oder Vorstands der Bundesbank den Kontakt zum Finanzausschuss des Deutschen Bundestages ge- pflegt. In allen Fragen des Finanzmarktes war er für uns ein fairer und sachkundiger Partner. Besonders möchte ich auf seine Arbeit bei der Ausarbeitung der Eigenkapi- talregeln für Kreditinstitute hinweisen, die unter dem Be- griff „Basel II“ bekannt geworden sind. Edgar Meister hat in Sachen Verbesserung der Stabilität der Finanz- märkte viel vorangetrieben. Der veränderten Situation der Deutschen Bundesbank entspricht es auch, dass das Benennungsverfahren für die Vorstandsmitglieder etwas geändert wird. Der Bun- desrat wird die Möglichkeit haben, der Bundesregierung bei der Bestellung des Vizepräsidenten einen Vorschlag zu machen. Die Bundesregierung ist daran nicht gebun- den, aber es erhöht bestimmt die Chance des Bundesra- tes, mit seinem Vorschlag auch Gehör zu finden, wenn die vorgeschlagene Person neben aller sonstigen Kom- petenz und Qualifikation auch eine spezifische Eignung für das Bankenwesen mitbringt. Frank Schäffler (FDP): Wir begrüßen die Verklei- nerung des Bundesbankvorstandes, die mit dem vorlie- genden Gesetzentwurf vorgenommen wird. Sie ist eine logische Folge der mit der Einrichtung der Europäischen Zentralbank, EZB, eingeleiteten europäischen Entwick- lung. Die Strukturen der Bundesbank wurden bereits mit dem Siebten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank angepasst; nunmehr wird auch die Leitungsebene der Bundesbank effizienter gestaltet. Bedenklich ist die zunehmende Politisierung der Bun- desbank. Diese gefährdet ihre Unabhängigkeit. Die Un- abhängigkeit ist gerade für die Bundesbank aber von be- sonderer Bedeutung. Die Bundesbank war mit ihrer erfolgreichen Rolle als Garant der Stabilität der D-Mark ein Vorbild für die EZB, die nun selbst zum Erfolgsmo- dell geworden ist. Kritisch betrachten wir die aktuelle Diskussion über die Aufgaben der Bundesbank. Dabei werden der Bun- desanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin, im- mer mehr Aufgaben übertragen. Aktuell überlegt die Bundesregierung nach Medienberichten, die Aufsicht über die „systemrelevanten“ Kreditinstitute auf die BaFin zu übertragen. Damit legt die Bundesregierung die Axt an die bewährte Tätigkeit der Bundesbank. Dies würde dem Finanzmarkt in Deutschland schaden. Einen schleichenden Verlust von Zuständigkeiten der Bundes- bank sollte es nach Auffassung der FDP-Fraktion daher nicht geben. Nicht zuletzt das Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zur Evaluierung der Bankenaufsicht hat im vergangenen Jahr bestätigt, dass die Kreditwirtschaft mit der Tätigkeit der Bundesbank zufrieden ist. Dabei wurden die Prüfer der Bundesbank tendenziell besser bewertet als die der BaFin. Es muss zu einer klaren Aufgabenverteilung zwischen Bundesbank und BaFin kommen, um Doppelprüfungen bei Kredit- instituten zu vermeiden; dieses Ziel teilen wir ausdrück- lich. So, wie es die Bundesregierung zu planen scheint, ist es jedoch der falsche Weg. Dr. Herbert Schui (DIE LINKE): Nachdem der Euro eingeführt und die EZB gegründet worden ist, sind die Kompetenzen der Bundesbank bedeutend geringer ge- 9950 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) worden. Das ist seit 1999 der Fall. Von diesem Zeitpunkt an wäre es angezeigt gewesen, den Vorstand der Bundes- bank zu verkleinern; denn wo weniger zu entscheiden ist, da sind auch weniger Vorständler nötig. Schließlich nimmt die Bundesbank nach Gründung der Europäi- schen Zentralbank nun eine viel weniger bedeutende Funktion wahr. Sie ist jetzt einer früheren Landeszentral- bank sehr ähnlich. Man bedenke: Die Führung der EZB besteht aus sechs Personen, der Vorstand der Banque de France lediglich aus drei. Da sollten doch drei Vor- standsmitglieder für die Bundesbank vollauf reichen. Nun endlich wird ein Gesetz vorgelegt, das nach einer Übergangsregelung spätestens im Frühjahr 2009 den Vorstand auf sechs Mitglieder verringern will. Wenn auch spät und unzureichend, so ist es doch endlich eine kleine Reaktion auf die veränderten Umstände. Die Linke stimmt diesem Gesetz zu, wenngleich mit Beden- ken, denn drei Vorständler statt acht würden zu Erspar- nissen in Höhe von 1,125 Millionen Euro führen. Zufrieden ist die Koalition mit dem von der Bundes- regierung eingebrachten Gesetz offenbar nicht. Der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Carsten Schneider, sagt in der ARD, dass er eine Verkleinerung des Vorstandes auf fünf Personen wünsche. Hans Eichel unterstützt ihn hierbei. Warum also nicht gleich ein Ge- setz, das die Größe des Vorstands der Bundesbank auf drei Personen verringert? Scheinbar steht dem das Vorschlagsrecht der Länder entgegen. Baden-Württemberg ist gegenwärtig an der Reihe. Ministerpräsident Oettinger wünscht, dass der Posten von Böhmler besetzt wird. Das neue Bundes- bankgesetz könnte sich darüber hinwegsetzen. Die Kanzlerin aber will sich zu der Sache nicht äußern. Der Fall sei zu unwichtig. Einen Konflikt mit ihrem Partei- freund Oettinger will sie deswegen nicht riskieren. Posi- tion zu beziehen, ist hier aber wichtig. Denn offenbar hat nicht nur die SPD Bedenken. Die Bundesbank selbst, de- ren Vorstand bei der Neubesetzung angehört werden muss, hat sich eindeutig gegen Böhmler als neues Vor- standsmitglied ausgesprochen. All das soll aber nichts bedeuten, weil die Kanzlerin es sich mit dem Minister- präsidenten Oettinger nicht verderben will. Die Verkleinerung des Vorstandes der Bundesbank ist jedoch kein unwichtiger Fall. Es sind nicht nur 1,125 Millionen Euro einzusparen; es geht hier überdies darum, nichtrationale, nichtwirtschaftliche Verwaltung umzugestalten. Das ist eine sehr grundsätzliche Frage, wegen der die Bundesregierung bekanntlich den Nor- menkontrollrat berufen hat. Ist dieses Gremium in dieser Angelegenheit tätig geworden? Nichts ist bekannt. Und weiter: Böhmler kümmert sich in Stuttgart im Auftrag des Ministerpräsidenten um die Beseitigung von über- flüssiger Verwaltung, also um den so genannten Büro- kratieabbau. Wenn er aber seinen mit 225 000 Euro jähr- lich bezahlten Posten bei der Bundesbank antritt, dann kann von „Bürokratieabbau“ nicht die Rede sein. Im Ge- genteil: Das sind sinnlose Verwaltungsausgaben, hier: unnötige Bürokratie als Preis für Frieden in der CDU. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundesregierung plant mit ihrem Gesetzentwurf, den Vorstand der Bundesbank zu verkleinern und damit die Leitungsebene effizienter zu gestalten. Statt acht soll der Bundesbankvorstand künftig nur noch sechs Mitglie- der umfassen. Die Umstrukturierung des Vorstandes soll bis April 2009 abgeschlossen sein. Ich kann für meine Fraktion vorweg sagen, dass wir die Stoßrichtung der neuen Regelung begrüßen, uns aber wegen zwei zentra- ler Kritikpunkte der Stimme enthalten werden. Wir meinen, dass die Bundesregierung bei der Vor- lage des Gesetzes die Chance vertan hat, gleich noch weitere Mängel am Bundesbankgesetz zu beseitigen. Da ist an erster Stelle das Besetzungsverfahren zu nennen. Im Gesetz steht zwar, dass die Mitglieder des Vorstandes „besondere fachliche Eignungen besitzen“ müssen. In der Praxis kam es in jüngster Vergangenheit erneut da- rauf an, aus welchem Bundesland ein Kandidat für den Vorstand kommt und welches Parteibuch er besitzt. An- ders ist es nicht zu erklären, dass Rudolf Böhmler an die- sen Posten gekommen ist. Nichts gegen Herrn Böhmler, er ist ein ausgewiesener Verwaltungsfachmann und seit langem im Dienst verschiedener Ministerpräsidenten meines Heimatbundeslandes Baden-Württemberg. Aber Herr Böhmler ist weder Geld- noch Bankenspezialist. Das ist auch den anderen Vorstandsmitgliedern der Bun- desbank nicht entgangen, worauf sie ihn bei einer inter- nen Anhörung durchfallen ließen. Das spielt aber für die Berufungschancen von Herrn Böhmler keine Rolle, denn er ist Chef der Stuttgarter Staatskanzlei und Kandidat von Ministerpräsident Oettinger; also haben dessen Kol- legen der Personalie zugestimmt, anschließend hat die Bundesregierung den Vorgang abgenickt. Ein Bundes- bankvorstand ist aber kein Ort, an dem verdiente Beamte nur aufgrund ihrer Herkunft und ihres Parteibuchs sitzen dürfen. Wenn die Bundesbank weiterhin bedeutsam sein soll im System der europäischen Notenbanken, dann geht das in Zeiten der einheitlichen Geldpolitik nur durch Kompetenz, aber auf gar keinen Fall durch Pro- porz. Die föderalen Besetzungsstrukturen sind untaug- lich. Dass sie nicht im Zuge der Föderalismusreform abgeschafft wurden, beweist erneut deren schlechte Qua- lität. Dass sie auch nicht durch das vorliegende Gesetz geändert wurden, ist ein großes Versäumnis. Neben dem Besetzungsverfahren sollte die Bundes- regierung über eine weitere Verkleinerung des Bundes- bankvorstandes nachdenken und konkrete Vorschläge vorlegen. Die Strukturreformen sind ja an anderer Stelle bereits mutig angegangen worden, allein der Filialbe- stand wird bis Ende 2007 mit 47 Filialen um etwa zwei Drittel, der Personalbestand mit etwa 11 100 Beschäftig- ten um gut 30 Prozent geringer sein als fünf Jahre zuvor. Die Zahl der Führungspositionen wurde insgesamt um 74 Stellen und damit um mehr als die Hälfte verringert. Ab 2008 werden die jährlichen Kosten im Vergleich zum Jahre 2002 um rund 280 Millionen Euro geringer sein, wobei die Beschäftigten der Bundesbank dabei den größten Anteil geleistet haben. Hier hinkt die Entwick- lung beim Vorstand deutlich hinterher. Erst bis April 2009 soll die vorgeschlagene Verkleinerung abgeschlos- sen sein. Das ist zu langsam. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9951 (A) (C) (B) (D) Das Bundesbankgesetz muss deutlicher als durch den vorgelegten Entwurf geändert werden. Das Besetzungs- verfahren spiegelt einen falsch verstandenen Föderalis- mus wider, der in Zeiten einer einheitlichen Geldpolitik erst recht nichts mehr zu suchen hat. Die vorgeschlagene Verkleinerung des Vorstands geht zwar in die richtige Richtung, aber nicht weit und nicht schnell genug. Des- wegen wird sich meine Fraktion bei der Abstimmung zu diesem Gesetz der Stimme enthalten. Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen: Der dem Bundestag zur Annahme vorliegende Gesetzentwurf dient dazu, die Anzahl der Mitglieder des Vorstandes der Deutschen Bundesbank mittelfristig von acht auf sechs Mitglieder zu verringern. Die Bundesregierung hatte einen solchen Vorschlag bereits in ihrem Gesetzentwurf für die Bun- desbankstrukturreform von 2002 gemacht. Im Gesetzge- bungsverfahren war seinerzeit diese Passage im Kom- promisswege geändert worden. Die Notwendigkeit einer Verkleinerung des Vorstandes der Deutschen Bundes- bank aus Effizienzgründen besteht aus Sicht der Bundes- regierung unverändert fort. Dem sechsköpfigen Vorstand sollen künftig der Präsi- dent, der Vizepräsident und vier weitere Mitglieder an- gehören. Damit wird die Effizienz der Leitungsebene der Deutschen Bundesbank weiter verbessert; gleichzeitig werden Kosten reduziert. Das bisherige Bestellungsver- fahren für die Vorstandsmitglieder wird beibehalten. Das heißt, der Präsident, Vizepräsident und ein weiteres Mit- glied des Vorstandes werden von der Bundesregierung, die übrigen Mitglieder vom Bundesrat vorgeschlagen. Allerdings ist nunmehr vorgesehen, dass der Bundesrat zukünftig der Bundesregierung für die Bestellung des Vizepräsidenten einen Vorschlag unterbreiten kann, den die Bundesregierung bei ihrer Entscheidung berücksich- tigen kann, aber nicht muss. Während einer Übergangszeit – längstens bis zum 30. April 2009 – kann der Bundesbankvorstand aus sie- ben Mitgliedern bestehen. Dies ermöglicht eine Vor- standsverkleinerung ohne Entlassung von Vorstandsmit- gliedern, denn der Zeitplan ist mit dem normalen Auslaufen der Verträge von Vorstandsmitgliedern abge- stimmt. Ich freue mich, dass heute ein weiterer Schritt zur Re- form der Leitungsebene der Deutschen Bundesbank um- gesetzt werden kann. Anlage 6 Zu Protokoll gegebenen Reden zur Beratung der Anträge: – Bildungszugang von Kindern und Jugend- lichen stärken – Finanzierung von Schüler- und Schülerinnenbeförderung im SGB II ermöglichen – Kommerzialisierungstendenzen im Schul- wesen stoppen – Bildungsteilhabe für alle Kinder und Jugendlichen sichern – Teilhabechancen für Kinder und Jugend- liche aus armen Haushalten fördern (Tagesordnungspunkt 16 a bis c) Karl Schiewerling (CDU/CSU): Nicht zuletzt seit den PISA-Studien wird die Bildungssituation in Deutschland beklagt. Bildungsdebakel, Bildungsrück- stand und soziale Ungleichheit sind die Schlagworte, welche die Diskussion um das deutsche Bildungswesen bestimmen. Im Kreuzfeuer der Kritik steht dabei der enge Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und er- zielten Bildungsleistungen. Dass es diesen Zusammen- hang gibt, ist nicht wegzudiskutieren. Auch wir machen uns zunehmend um die Kinder Sor- gen, die aus sozial schwachen Familien kommen und nicht den Fuß in die Tür des Berufslebens setzen kön- nen. Die starke Verknüpfung zwischen geringer Qualifi- kation und Arbeitslosigkeit zeigt, dass Bildungsförde- rung auch eine präventive Beschäftigungspolitik ist. Aus diesem Grund ist es in meinen Augen notwendig, in Zukunft wesentlich stärker präventiv zu arbeiten. Ich stelle mir hierbei eine Vernetzung zwischen dem SGB II, dem SGB VIII und dem SGB XII vor. Gerade erst haben wir den ersten Teil der Föderalis- musreform verabschiedet. Was wir nun bestimmt nicht machen werden, ist, in den Kompetenzbereich der Län- der einzugreifen. Nicht nur die Bildungshoheit liegt bei den Ländern, auch die Beförderung der Schüler zu den Schulen. Jedes Bundesland regelt in speziellen Gesetzen, Verordnungen und Erlassen, wie die Beförderung der Schüler zu organisieren ist und wer die Kosten dafür trägt. Oft werden die Kosten für die Beförderung im öf- fentlichen Nahverkehr bezuschusst oder in ländlichen Gebieten die Beförderung mit speziellen Schulbussen gewährleistet. In Ihrem Antrag gehen Sie auch auf Privatschulen ein. Ich kann nichts Verwerfliches daran erkennen, wenn El- tern sich es leisten können, ihre Kinder auf Privatschulen zu schicken. Das ist keine Katastrophe, sondern eine Chance. Zu einer Katastrophe wird es erst, wenn Schüle- rinnen und Schüler anderer Schulen dadurch benachtei- ligt werden. Das kann ich nicht erkennen. Diese Diskus- sion schürt Neid. Es geht nicht um Gleichheit, sondern um gerechte Bildungschancen. Es geht um Chancen- gleichheit. Ich verstehe auch nicht, warum Sie ein Problem ha- ben, wenn Unternehmen Schulen Computer spenden. Vielmehr frage ich mich, warum Sie es der Wirtschaft verbieten wollen, sich im Bildungsbereich zu engagie- ren? In meinem Wahlkreis klappt die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Berufskollegs hervorra- gend. 9952 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) Die Firmen stellen das Material zur Verfügung, und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungs- und weiterführenden Bildungsgängen entwickeln durch ihre innovativen Projekte Lösungen, die von den Betrie- ben nachgefragt werden. Nicht zuletzt durch diese Ver- netzung von Schule und Betrieb erfolgt eine Stärkung des Mittelstandes. Die Arbeitslosenquote in meinem Wahlkreis beträgt 5,5 Prozent. Das ist für mich perfekte Vernetzung von Schule und Wirtschaft. Natürlich hat Schul-Sponsoring auch seine Grenzen. Sponsoring darf niemals staatliche Leistungen und Pflicht ersetzen. Gutes Sponsoring ist dann gegeben, wenn die Schulen einen Mehrwert erfahren. Der pädago- gische Nutzen muss im Vordergrund stehen. Die Schule darf auf keinen Fall instrumentalisiert werden. Sponsoring hat auch nicht immer etwas nur mit Geld zu tun. Wenn der Chemiekurs einmal im Jahr seine Experimente in den Profi-Labors des benachbarten Che- miekonzerns machen darf, ist das für die Schülerinnen und Schüler nicht nur ein unvergessliches Erlebnis, son- dern auch möglicherweise die Brücke zur Berufsausbil- dung. Im SGB II ist geregelt, welche Leistungen der Bund und welche die Kommunen zu erbringen haben. Die Kommunen sind zuständig für die Schüler- und Schüle- rinnenbeförderung. Ebenso für die Schulspeisung und die Übernachmittagsbetreuung. Es ist übrigens zu beobachten, dass es in vielen Län- dern innovative Schulprojekte gibt, die ganz bewusst in sozial schwierigen Regionen durchgeführt werden. Ich weise daraufhin, dass es beispielsweise in Nord- rhein-Westfalen diverse Projekte rund um das Thema ge- sunde Ernährung an Schulen gibt. Doch die präventive Arbeit hat nur Erfolg, wenn wir es den Kindern vorle- ben, in der Schule, in der Freizeit und vor allem in der Familie. Eltern haben eine Vorbildfunktion, egal, ob bei gesunder Ernährung oder bei der täglichen Arbeit. Wenn es eine zunehmende Anzahl von Familien gibt, in der Kinder nie erlebt haben, dass Eltern durch eigene Arbeit den Lebensunterhalt verdienen, sondern nur von Transferleistungen leben, kann das für die Entwicklung des Kindes höchst problematisch sein. Dank der guten Konjunktur sinkt die Arbeitslosigkeit und steigt die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. Wir haben große Chancen, Langzeitarbeitslose aus dem SGB-II-Bezug herauszu- führen und ihnen durch Arbeit eine neue Perspektive zu geben. Hier müssen auch vor Ort Lösungen gefunden werden. Diese liegen sicherlich nicht darin, über eine an- gebliche Beeinflussung von Schülerinnen und Schülern durch Unternehmen zu diskutieren, die Schulen einen Computer spenden. Wolfgang Grotthaus (SPD): Das Thema „Bildungs- zugang von Kindern und Jugendlichen stärken“ wird heute auf der Grundlage von drei Anträgen der Opposi- tionsparteien Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen erstmals beraten. Als Mitglied des Ausschusses für Ar- beit und Soziales möchte ich mich auf den Aspekt der Anträge konzentrieren, der sich um Regelungen im Sozialgesetzbuch II und XII dreht. Die Bewertung der mehr bildungspolitischen Gesichtspunkte wird meine Kollegin Gesine Multhaupt vornehmen. Die Intention der Anträge, armutsbedingte Benachtei- ligungen beim Zugang zu Bildung zu beseitigen, ist nicht falsch und steht auch nicht im Widerspruch zu der von uns verfolgten Politik. So wie es sich die Antragstel- ler vorstellen, ist ein Auffangen einer Benachteiligung in Bezug auf die Gewährung von Fahrtkostenzuschüssen und Lehrmittelfreiheit über eine Regelung im SGB nicht zu regeln. Die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen der schu- lischen Ausbildung fällt vorrangig in die Kultuszustän- digkeit der Länder. Deshalb muss dort auch die Kosten- beteiligung so geregelt werden, dass hilfebedürftige Familien von den finanziellen Belastungen, die durch die Fahrtkosten oder durch Lernmittel, Mittagsspeisung entstehen können, nicht in einem unangemessenen Um- fang belastet werden. Oder es muss sogar eine Befreiung von den Kosten ermöglicht werden. Diese Leistungen dann vom Bund einzufordern, wenn die Länder sich weigern oder die Notwendigkeit nicht erkennen, bedeutet eine Verlagerung von Zuständigkei- ten. Warum sollen die Länder dann überhaupt noch an- schließend die Leistungen übernehmen, wenn sie doch wissen, dass der Bund hier einspringt. Nein, die von den Oppositionsfraktionen für ihre An- träge zum Anlass genommene Problematik der Schüler- beförderungskosten und anderer Sozialleistungen ist nicht Sache des Bundes. Uns ist auch nur aus dem Land Niedersachsen diese Problematik bekannt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist bereits tätig geworden. Die zuständigen Stellen haben sich mit jenen des Landes Niedersachsen ins Benehmen gesetzt, um zu veranlassen, dass dort die erforderlichen Schritte durch das Land eingeleitet wer- den. Einen Handlungsbedarf auf Bundesebene darüber hi- naus sehe ich nicht, insbesondere deshalb nicht, weil der Umfang der Leistungen abschließend gesetzlich geregelt ist. Die Regelleistung bildet das soziokulturelle Exis- tenzminimum ab und umfasst auch Ausgaben für die Nutzung von Verkehrsmitteln, Nahrung und Schulmate- rial. Das Bundessozialgericht hat noch im November 2006 Höhe und Art der Bedarfsermittlung als verfas- sungsgemäß in § 23 Abs. 3 SGB II geregelt und mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des SGB II sind weiterge- hende Sonderleistungen ausdrücklich ausgeschlossen. Gesetzlicher Regelungsbedarf besteht auch nicht im Be- reich des SGB XII und des Asylbewerberleistungsgeset- zes. Von daher werden wir die uns vorliegenden Anträge ablehnen. Gesine Multhaupt (SPD): Mit den vorliegenden Anträgen glaubt die Fraktion Die Linke, einen Beitrag Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9953 (A) (C) (B) (D) zur Verbesserung des Bildungszugangs von Kindern und Jugendlichen leisten zu können. In einem entsprechen- den Forderungskatalog werden die Finanzierung der Schülerbeförderung, Kosten für Mittagessen und Lern- mittel sowie die Zulassung von privaten Bildungsein- richtungen thematisiert. Mein Kollege Wolfgang Grotthaus hat sich bereits zur sozialpolitischen Dimen- sion der vorliegenden Anträge geäußert. Auch auf der Suche nach dem bildungspolitischen Kern der vorliegenden Texte kann ich an keiner Stelle bundespolitische Kompetenzen entdecken. Die Ausge- staltung der Schulpolitik, die Beförderung von Schülern, Kontrolle von Schulbüchern, Unterrichtsmaterialien und Unterrichtsinhalten liegt in der Zuständigkeit der Län- der. Der Bund hat keine Möglichkeit, hier gestaltend ein- zugreifen. In der Tat werfen die von Ihnen angesprochenen The- men – Bildungserfolge von Schülern mit problemati- scher sozialer Herkunft sowie die wachsende Bedeutung privater Nachhilfe – insgesamt Fragen zur Leistungsfä- higkeit unseres Schulsystems auf. Die SPD-Bundestags- fraktion hat diese Probleme rechtzeitig erkannt, und wir haben auch gehandelt. Schon in der letzten Legislaturperiode hat die SPD- geführte Bundesregierung mit Edelgard Bulmahn und Renate Schmidt den Zug auf die richtige Schiene ge- setzt. Mit einem Investitionsprogramm von insgesamt 4 Milliarden Euro haben wir gezielt durch bauliche Maßnahmen Schulen zu Ganztagsschulen ausgebaut oder erweitert und damit den Zugang zu Bildung für alle Schüler in unserem Land erheblich verbessert. Die Betreuungsangebote werden wir auch in dieser Legislaturperiode für Kinder unter drei Jahren quantita- tiv und qualitativ weiter ausbauen. Obwohl es sich beim Ausbau der Kinderbetreuung und dem Ausbau von Ganztagsschulen um eine Pflichtaufgabe von Ländern und Kommunen handelt, haben wir hier mit erheblichen Bundesmitteln die Schulbildung und die Betreuung deut- lich verbessert. Sie sehen, wir debattieren nicht nur über bessere Chancen für alle Kinder und Jugendlichen; wir handeln auch. Nicht folgen kann ich der Ihrem Antrag zugrunde lie- genden Logik, dass die unzureichende Bildungsbetei- ligung von Kindern aus den genannten Familien ur- sächlich mit mangelnden oder gar fehlenden Transferleistungen zu tun hat. Um den Teufelskreislauf – Arbeitslosigkeit, niedriges Bildungsniveau, kein struk- turierter Tagesablauf und eine Mentalität des „Durch- wurschtelns“ – zu durchbrechen, müssen diese Kinder so früh wie möglich öffentliche Bildungsangebote wahr- nehmen. Diese Familien benötigen Angebote und Unter- stützung, um ihre Kinder frühzeitig aus dem familiären Teufelskreislauf herauszunehmen. Wir sorgen dafür, dass diese Kinder Angebote wohn- ortnaher Bildungs- und Betreuungseinrichtungen wahr- nehmen können. Allein mit immer mehr finanziellen Mitteln – das wissen Sie so gut wie ich – helfen Sie hier niemandem. Die Länder sind aufgefordert, im Sinne unserer Kin- der den hier begonnenen Weg konsequent fortzusetzen. Zu Recht weisen Sie auf wesentliche Unterschiede bei der Unterstützung in den einzelnen Bundesländern hin. Aus Rheinland-Pfalz wissen wir, dass die Landesre- gierung zu einem Vorbild geworden ist. Dort ist der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz im letzten Kindergartenjahr vor der Einschulung seit Januar 2006 beitragsfrei. Damit entlastet das Land die Familien um durchschnittlich 600 Euro pro Kind. Weiterhin bekommt jedes Kind mit Sprachproblemen vor dem Schuleintritt eine spezielle Förderung. Die Umsetzung des Ganztagsschulprogramms in Nie- dersachsen findet hingegen nur sehr halbherzig statt. Da zusätzliche Lehrer von der niedersächsischen Landesre- gierung gegenwärtig nicht eingestellt werden, können die Ganztagsschulen nicht ausreichend Förderunter- richt, Übungsstunden und Betreuungsangebote am Nachmittag bereitstellen. Dies erklärt möglicherweise den wachsenden Bedarf an privater Nachhilfe. In Thüringen beschäftigt sich eine gemeinsame Ar- beitsgruppe mit dem Phänomen von materieller Armut, Erziehungsdefiziten, mangelnden sozialen Kontakten und Bildungsarmut. Ich bin davon überzeugt, dass hier auch gerade im Hinblick auf die von ihnen angesproche- nen Themen sinnvolle Lösungsansätze gefunden wer- den. Die Schülerbeförderung in den Ländern stellt sich zwar sehr unterschiedlich dar, in der Regel wird aber die soziale Lage der Familien berücksichtigt. Außerdem bie- ten die Nahverkehrsverbunde ermäßigte Schülerzeitkar- ten an, die alle Schüler nutzen können, die aufgrund der Landesregelung keinen kostenfreien Transfer in An- spruch nehmen können. Ich möchte abschließend feststellen: Sie analysieren Probleme in unserem Schulsystem, die wir bereits vor vielen Jahren erkannt haben. Mit unserem Regierungs- handeln geben wir für Kinder und Jugendliche die richti- gen Antworten, während Sie sich damit begnügen, in al- ter Tradition mehr Geld zu fordern und dann zu hoffen, dass damit einer guten Bildung und Betreuung Genüge getan sei. Dass dieses nicht ausreicht, haben wir Ihnen aus sozial- und bildungspolitischer Sicht erklärt. Dass wir die vorliegenden Anträge ablehnen, wird Sie von da- her nun nicht verwundern. Die SPD wird sich auch in Zukunft in den Ländern, in denen wir Verantwortung tragen, und auf Bundesebene sehr dafür einsetzen, dass wir insbesondere bei Kindern und Jugendlichen zu mehr Chancengleichheit gelangen. Miriam Gruß (FDP): Hätte die Bundesregierung den Bericht des UN-Sonderberichterstatters Vernor Muñoz aufmerksam gelesen und daraus die richtigen Schlüsse gezogen, würden wir heute Abend nicht über dieses Thema debattieren. Denn die Quintessenz aus dem Muñoz-Bericht ist klar: Hinter den Ungleichheiten im deutschen Bildungssystem steht eine soziale Un- gleichheit, die weitreichende Folgen für die betroffenen 9954 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) Kinder und Jugendlichen hat. Diese soziale Ungerech- tigkeit gilt es abzubauen. Bei der Bundesregierung kann ich den entschiedenen Willen dazu leider immer noch nicht erkennen. Aber wie soll sie auch tätig werden, wenn sie sich selbst aller bil- dungspolitischen Kompetenzen dank der Föderalismus- reform beraubt hat? In seinem Bericht stellt Muñoz zweifelsfrei fest: Deutschland verfügt nicht über ein einheitliches Bil- dungssystem, da es keinen länderübergreifenden konsis- tenten Rahmen gibt. Leider hat die Bundesregierung damit nicht nur sich selbst viel Ärger eingebrockt, sondern auch unseren Kin- dern, die nun qua Geburtsort dem Bildungssystem ihres Bundeslandes ausgeliefert sind. Ihre Anträge, werte Kol- legen der Grünen und der Linken, lesen sich in Teilen wie eine Parodie auf den Föderalismusmurks. Die PISA-E-Studie hat gezeigt, dass es in keinem deutschen Bundesland gelungen ist, allen Heranwach- senden gleich gute Bildungschancen zu geben, sie indi- viduell zu fördern und gleichzeitig soziale, ethnische und kulturelle Unterschiede der Bildungsbeteiligung und des Bildungserfolgs auszugleichen. Dies sind ja gerade die Ziele Ihrer Anträge! Doch wie können wir es nun schaffen, soziale Un- gleichheiten im Bildungssystem abzubauen und damit allen Kindern – unabhängig von ihrem Elternhaus – das Rüstzeug mit auf den Weg zu geben, das so essentiell ist für die Entwicklung ihres gesamten Leben, nämlich Bil- dung? Ich glaube, wir müssen erstens ganz gezielt bei den Elternhäusern und Familien der Kinder ansetzen. Ein in- taktes, bildungsorientiertes Zuhause ist ein Grundstein für gute Bildungschancen, das steht fest. Zweitens müssen wir auch in die Schulen investieren. Sie sind kein Auffanglager für vernachlässigte Kinder. Schule muss sich darauf verlassen können, dass Eltern ihren Kindern ein Mindestmaß an Benehmen, Sozial- kompetenz, Sprachvermögen und Allgemeinbildung vermitteln, auf dem Lehrer aufbauen können. Eltern müssen sich jedoch ebenso darauf verlassen können, dass ihren Kindern in den Schulen das Wissen beigebracht wird, das sie für einen erfolgreichen Start in die Berufsausbildung benötigen, und darauf, dass Schule ihren Kindern nicht schadet, dass also das schulische Umfeld und die Aktivitäten dort keinen negativen Ein- fluss auf die Schüler haben. Im Gegenteil: Schule muss auf ein Fundament aufbauen und weiterbilden, ohne zu selektieren. Schule und Eltern sind also gleichermaßen in der Pflicht und in einer Erwartung. Sie bedingen sich gegen- seitig, soll den Kindern eine optimale Bildung und Er- ziehung zuteil werden. Versagt eine der beiden Institu- tionen, kommt es zum Zusammenbruch des Systems, denn die jeweils andere Seite kann dieses Versagen nur sehr bedingt auffangen oder ausgleichen. Leidtragende sind dann die einzelnen Kinder, die weder für das eine noch für das andere etwas können. Bundespolitisch sind uns die Hände in dieser Sache gebunden. Deshalb sind viele Ihrer Forderungen, liebe Kollegen der Bündnisgrünen und der Linken, so ehren- haft sie auch sein mögen, leider von uns nicht beein- flussbar. Wir können aber für einen breiten gesellschaftlichen Konsens werben, der Erziehung und Bildung Priorität vor anderen Zielen einräumt. Das bedeutet vor allem, mehr Geld in Bildung und in Familien zielgenau zu in- vestieren. Lebensstandard und Wohlstand einer Familie dürfen nicht mit der Geburt eines oder mehrerer Kinder sinken. Kinder müssen gesellschaftlich besser abgesi- chert werden. Gleiches gilt für Mütter, die sich frei für Kinder entscheiden sollen, ohne gleichzeitig Angst vor Arbeitslosigkeit oder schlechteren Chancen auf dem Ar- beitsmarkt zu haben. Insgesamt muss es zu einer besseren Verzahnung von Kindertagesstätten, Vorschulerziehung und Grundschule kommen, um Kindern einen möglichsten gleichen Start in die Schulzeit und gleiche Zugangschancen zu Bildung zu ermöglichen. Es müssen die elterlichen Ressourcen gestärkt, die institutionellen Rahmenbedingungen ver- bessert und das Bewusstsein aller, für das Aufwachsen von Kindern mitverantwortlich zu sein, gefördert wer- den. Darüber hinaus muss die Bildungsforschung, insbeson- dere im Bereich der frühkindlichen Bildung, intensiviert werden. Hier brauchen wir außerdem eine Qualitätsoffen- sive mit pädagogischen Zielen und Bildungsmindest- standards. Wir Liberalen schlagen zur Qualitätssiche- rung ein System der Akkreditierung bzw. Zertifizierung der Einrichtungen vor. Das Kinderhilfswerk UNICEF hat heute in einer Pres- semitteilung noch einmal darauf hingewiesen: Bildung ist das wichtigste Kapital für die Zukunft der Welt – preiswert, erneuerbar und voller Energie. Werden wir alle zu Bildungsbotschaftern in unseren Gemeinden und Kommunen. Denn nur wer Bildung auf- baut, baut soziale Ungleichheiten ab! Cornelia Hirsch (DIE LINKE): Wenn im Bundestag und in der Öffentlichkeit über Bildung diskutiert wird, betonen Abgeordnete aller Fraktionen, dass Bildung für sie ein überaus wichtiges Thema ist. Mit dieser Einigkeit ist aber Schluss, sobald es zur konkreten Politik und Herangehensweise kommt. Die Linke ist der Auffas- sung, dass Bildung – gerade weil sie sowohl für die indi- viduelle als auch die gesellschaftliche Entwicklung so bedeutend ist – ein Grundrecht sein muss. Die Teilhabe an Bildung muss für alle garantiert werden. Von Ihnen hören wir dagegen, dass Bildung wichtig sei, weil sie je- dem einzelnen Menschen die Chance bietet, sich eigen- verantwortlich um gute Zukunftsperspektiven zu küm- mern. Wer diese Chance nicht nutzt, hat eben Pech gehabt. Auf diese Weise verschleiern Sie aber, dass nicht jeder und jede gleichermaßen die Möglichkeit zur Teil- habe an Bildung hat. Schlimmer noch: Mit Ihrer Politik vergrößern Sie die Kluft zwischen Arm und Reich und produzieren immer mehr Armut. Armut führt aber zu Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9955 (A) (C) (B) (D) Ausgrenzung und dies verhindert gerade auch die Teil- habe an Bildung. Ich möchte Ihnen das an drei Beispielen verdeutli- chen. Das erste Beispiel betrifft Ihre Sozialpolitik. Die Linke lehnt Hartz IV ab; alle anderen Fraktionen waren dafür. Ich empfehle Ihnen allen deshalb, sich das Flug- blatt der GEW zu diesem Thema durchzulesen. Dort wird anhand eines typischen Falls auf die Folgen von Hartz IV verwiesen: Nicole. Sie ist vierzehn und lebt in einer Bedarfsgemeinschaft. Der monatliche Regelsatz von Nicole beträgt 207 Euro. Darin sind weniger als 3 Euro pro Tag für Verpflegung enthalten, weniger als neun Euro monatlich für Fahrtkosten und kein einziger Cent für sonstige Schulkosten. Nicole zahlt aber 2,50 Euro für das Mittagessen in der Schule. Ihre Mo- natskarte kostet fast 30 Euro. An sonstigen Schulkosten kommen für Bücher, sonstige Lernmaterialien oder Klassenfahrten viele weitere Ausgaben zusammen. Mit einem Regelsatz von 207 Euro lässt sich das nicht finan- zieren. Das Beispiel von Nicole – und solche Beispiele könnte man zu Tausenden finden – zeigt: Ihre Politik führt zu Armut. Und diese Armut verhindert gerade auch die Teilhabe an Bildung. Mit unseren heutigen Anträgen fordern wir Sie des- halb dazu auf, das SGB II anzupassen und zu erweitern. Dies wäre zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung. Umfassend lässt sich Bildungsteilhabe aller- dings nur realisieren, wenn die Gebührenfreiheit der Bil- dung grundlegend gesichert ist. Die Bundesregierung muss gemeinsam mit den Ländern für die Wiedereinfüh- rung der Lernmittelfreiheit eintreten. Darüber hinaus muss mit Armutslöhnen endlich Schluss sein: Beenden Sie endlich Ihr Koalitionstheater, und führen Sie einen gesetzlichen Mindestlohn ein. Zweites Beispiel. Mit Ihrer Politik unterstützen Sie private Bildungsdienstleister, während zugleich das öf- fentliche Bildungssystem immer weiter ausgehöhlt wird. Dies lässt sich unter anderem an der wachsenden Bedeu- tung von Nachhilfe zeigen: Jedes vierte Kind nimmt pri- vate Nachhilfe in Anspruch. Die Kosten liegen durch- schnittlich bei rund 100 Euro monatlich. Anders als Nicoles Eltern können die Eltern der gleichaltrigen Katrin, die zu den Gutverdienenden gehören, die Nach- hilfe ihrer Tochter finanzieren. Nicole bleibt außen vor. Förderangebote in ihrer Schule gibt es so gut wie keine mehr. Schließlich kann selbst der reguläre Unterricht nur mit Mühe und hohen Belastungen für die Lehrkräfte auf- rechterhalten werden. Privatisierung zeigt sich auch an der Entwicklung der Privatschulen: In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Schülerinnen und Schüler an Privatschulen mehr als verdoppelt. Im Grundgesetz ist zwar festgelegt, dass dies nicht mit einer sozialen Sortie- rung einhergehen darf. Inzwischen gibt es aber Privat- schulen, deren Gründungszweck Gewinnerzielung ist. Welches Interesse besteht hier, Kinder wie Nicole aufzu- nehmen? Noch weiter verbreitet als Privatschulen ist Schulsponsoring. Schulen sind mehr und mehr darauf angewiesen, private Spenden einzuwerben. Die Haupt- schule, die Nicole besucht, kann aber nicht auf viele Spenden hoffen. Es fehlt somit an allen Ecken und En- den an Geld. Das Gymnasium, auf das Katrin geht und das in einer guten Wohngegend liegt, hat da deutlich mehr Möglichkeiten. Schließlich gelten ihre Mitschüle- rinnen und Mitschüler als besonders kaufkräftig und das Sponsoring an dieser Schule ist eine überaus gute Wer- bemöglichkeit für Unternehmen. All diese Entwicklungen folgen dem Prinzip: Gute Bildung für wenige, die es sich leisten können, schlechte Bildung für die große Mehrheit, die wenig Geld hat. Die Linke findet das falsch. Wir wollen das öffentliche Schulsystem stärken, und dazu braucht es allen voran eine bessere öffentliche Finanzierung. Ein erster Schritt dahin wäre es, wenn Sie endlich die Umsatzsteuerbefrei- ung für kommerzielle Nachhilfeanbieter abschaffen. Drittes und letztes Beispiel ist Ihr ständiges Gerede von Wettbewerb. Auch in der Bildung können Sie nicht genug vom Wettbewerb bekommen. Mit mehr Wettbe- werb – so behaupten Sie – wäre sichergestellt, dass sich die Besten der Besten durchsetzen. Bitte erinnern Sie sich noch einmal an das Beispiel von Katrin und Nicole. Nicole hatte keinen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, und ich habe beschrieben, mit welch geringen finanziel- len Mitteln sie auskommen muss. In der Grundschule hatte sie von vorneherein deutlich schlechtere Ausgangs- bedingungen als Katrin, die nicht nur einen Kindergarten besucht hat, sondern dank der Finanzierung ihrer Eltern nebenbei auch noch Geigenstunden nehmen konnte. Kein Wunder also, dass Nicole nach der Grundschule in die Hauptschule und Katrin aufs Gymnasium kommt. Diverse Studien haben dieses selektive Sortieren des deutschen Schulsystems kritisiert. Und wenn es Nicole ausnahmsweise doch aufs Gymnasium geschafft hätte, dann hätten sie noch viele weitere Hürden erwartet. Spä- testens der Zugang zum Studium wäre ihr dann ange- sichts von Studiengebühren und nicht ausreichendem BAföG versperrt geblieben. Ihr bliebe nur die Alterna- tive, sich durch Studienkredite hoch zu verschulden. Katrin muss sich um solche Dinge keine Sorgen machen. Diese Beispiele zeigen, dass das Gerede um „die Bes- ten“ schlicht Blödsinn ist. Diejenigen, die die besten Ausgangsbedingungen haben, kommen nach oben. Un- gleiche Ausgangsbedingungen werden durch Wettbe- werb weiter zementiert und verschärft. Das Muster Ihrer Politik ist: Denjenigen, die viel haben, wird weiter viel gegeben. Denjenigen, die wenig haben, müssen damit rechnen, aussortiert zu werden. Die Linke steht für eine andere Bildungspolitik. Ich möchte unsere zentralen Forderungen abschließend noch einmal zusammenfassen: Erstens. Für uns ist Bildung kein Patentrezept gegen Armut. Bildungsteilhabe setzt die Bekämpfung von Armut voraus. Deshalb streiten wir für eine grundlegende Umverteilung von oben nach un- ten. Nur so kann auch das Recht auf Bildung wirklich für alle eingelöst werden. Zweitens. Wir wollen das öffentliche Bildungssystem stärken. Privatisierung von Bildung heißt gute Bildung für wenige und schlechte Bildung für viele! Deshalb leh- nen wir Bildungsprivatisierungen egal in welcher Form ab. 9956 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) Drittens. Wir fordern ein Bildungssystem, das auf Gleichheit und nicht auf Wettbewerb zielt. Wettbewerb zementiert und verschärft ungleiche Ausgangsbedingun- gen. Dies machen die aufgeführten Beispiele mehr als deutlich! Indem Sie unseren heutigen Anträgen zustim- men, können Sie ein Zeichen setzen: Machen sie endlich einen Schritt in die richtige Richtung – auch wenn es zu- nächst nur ein kleiner ist. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seit Inkrafttreten des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – SGB II – wird ein Problem immer deutlicher: In meh- reren Bundesländern – darunter NRW und Niedersach- sen – sind Kinder in Haushalten mit Arbeitslosengeld-II- Beziehenden nicht mit Schulbüchern versorgt. Die Lern- mittelfreiheit in diesen Ländern wurde abgeschafft, ohne dass eine Ausnahme für Kinder aus armen Haushalten, insbesondere ALG-II-Haushalten geschaffen wurde. Das Land NRW hat in der erst kürzlich erfolgten No- vellierung des Landesschulgesetzes erneut nicht die Ge- legenheit genutzt, diesen unsäglichen Missstand zu be- enden. Stattdessen verweist die NRW-Schulministerin Sommer von der CDU darauf, sie überlasse es den Kom- munen, ob sie die Schulbücher für Kinder von Langzeit- arbeitslosen bezahlen. Nur: Längst nicht alle Kommunen können oder dürfen die Kosten für Lernmittel überneh- men. Die Kostenübernahme für Lernmittel ist eine freiwil- lige Leistung der Kommune, keine Pflichtleistung. Ste- hen Kommunen in der sogenannten Haushaltssicherung, kann die Kommunalaufsicht ihnen die Genehmigung des Haushalts versagen, wenn sie die Kostenerstattung für Lernmittel garantieren. Dass Kommunen – wie etwa das rot-grün regierte Dortmund – die Kosten trotz Haushalts- sicherung übernehmen, ist anzuerkennen. In vielen ande- ren Städten jedoch müssen Kinder mit kopierten Zetteln hantieren, anstatt wie ihre Klassenkameraden ein Buch aufschlagen zu können. Ich sage es deutlich: Dieser Zustand ist ein Skandal. Die Länder versagen auf ihrem ureigensten Gebiet, ob- wohl sie bei jeder Gelegenheit – zuletzt im Rahmen der Föderalismusreform – die Bildungskompetenz für sich reklamieren. Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen fordert nun in ihrem Antrag, für die Jobcenter die Möglichkeit zu schaffen, die Kosten für Schulbücher zu erstatten. Da- bei wollen wir die Länder nicht aus ihrer Pflicht entlas- sen und sehen deshalb auch nicht die Kostenübernahme als Pflichtleistung für den Träger der Grundsicherung für Arbeitslose vor. Würde man dies tun – wie es etwa die Fraktion Die Linke in ihrem Antrag fordert –, würden unverzüglich alle Bundesländer die Finanzierung der Lernmittel für Kinder von Langzeitarbeitslosen dem Bund überlassen. Unser Antrag ist als eine Art Sofortmaßnahme für be- dürftige Kinder und Jugendliche zu sehen, die eindeuti- gen Notfallcharakter hat, um das völlige Versagen eini- ger Bundesländer zumindest teilweise auszugleichen. Nach unserer Vorstellung sollten die Sozialhilfeträger und Jobcenter vor Ort in Zukunft wenigstens eine Rechtsgrundlage haben, um auf aktuelle Hilfebedarfe von Kindern und Jugendlichen durch die Gewährung von Sachleistungen schnell und unbürokratisch reagie- ren zu können. Diese Maßnahmen sollen für die Versorgung mit Lernmitteln, aber auch für die Verpflegung in Schulen und Kitas gelten. Gegenwärtig können die örtlichen SGB-II- und SGB-XII-Leistungsträger selbst im Einzel- fall keine Lernmittel auf dem Weg der Vorleistung zur Verfügung stellen. Viele Eltern im Leistungsbezug haben ihre Kinder von der Schulverpflegung abgemeldet. Die Kostenbetei- ligung für ein Mittagessen in einem Kindergarten, einem Hort oder einer Ganztagsschule liegt in der Regel deut- lich höher als die im Regelsatz täglich vorgesehenen 1 Euro. Nach unserem Antrag soll zum Beispiel die Differenz zu den tatsächlichen Kosten als Sachleistung auf Antrag gewährt werden können. Ebenso wollen wir die Inan- spruchnahme von kommunalen Sportangeboten, Musik- schulen und Bibliotheken für Kinder von Sozialleis- tungsbeziehern dadurch erleichtern. Auch die Kosten hierfür sollen künftig als Sachleistung in angemessenem Umfang gewährt werden können. Bei der Bekämpfung von Armut geht es nicht nur um finanzielle Transferleistungen. Dennoch müssen die staatlichen Leistungen so ausgestaltet sein, dass sie das Existenzminimum sichern. Wir stellen dies bei den aktu- ellen und nun für das gesamte Bundesgebiet einheitli- chen Regelsätzen stark infrage. Umso wichtiger wäre eine flexible Regelung, durch die kurzfristig dringliche Sonderbedarfe wenigstens bei Kindern ermöglicht wer- den können. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung medizinprodukterechtlicher und anderer Vorschriften (Tagesordnungspunkt 17) Jens Spahn (CDU/CSU): Mit dem Gesetz zur Än- derung medizinprodukterechtlicher und anderer Vor- schriften passen wir die gesetzlichen Regelungen des Medizinprodukterechts neuesten Entwicklungen an, be- heben akute Vollzugsprobleme und schließen vorsorg- lich Lücken für den Zivil- und Katastrophenschutz. Erstens. Es ist in Zukunft möglich, die vom Bund zum Zwecke einer möglichen Pockenschutzimpfung an- geschafften Impfnadeln über das darauf angegebene Ver- fallsdatum hinaus zu verwenden. Dies ist unschädlich, da nach Einschätzung der Experten die Sterilität der Na- deln bei entsprechender Lagerung auch nach Ablauf des Gewährleistungszeitraumes des Herstellers gewahrt ist. So können unnötige und kostspielige Neuanschaffungen vermieden werden. Die regelmäßige Überprüfung der Produkte wird von den bevorratenden Stellen sicherge- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9957 (A) (C) (B) (D) stellt. Diese Freistellung hat sich bereits in der Ver- gangenheit für die Bundeswehr bewährt, welche Ihre Produkte von vornherein ohne Verfallsdatum beziehen kann. Zweitens wird zur Klarstellung der Erstattungspraxis arzneimittelähnlicher Medizinprodukte die Erstattungs- fähigkeit im Gesetz präzisiert. Bereits nach geltendem Recht sind arzneimittelähnliche Medizinprodukte, die im Sinne des Arzneimittelgesetzes mit Stand vom 31. Dezember 1994 apothekenpflichtige Arzneimittel gewesen wären, in die Arzneimittelversorgung einbezo- gen. Allerdings führte diese Formulierung zu Schwierig- keiten in der praktischen Umsetzung, nahm sie doch auf einen überholten Gesetzestext Bezug. Deswegen soll der Gemeinsame Bundesausschuss dazu künftig in Richtli- nien festlegen, in welchen Fällen ausnahmsweise arznei- mittelähnliche Medizinprodukte in die Arzneimittelver- sorgung einbezogen werden. Das bedeutet, dass der Gemeinsame Bundesausschuss den gesetzlichen Auftrag erhält, eine Liste mit erstattungsfähigen arzneimittelähn- lichen Medizinprodukten abzufassen. Die Hersteller können und sollen frühzeitig die Aufnahme in die Liste beantragen. Um sicherzustellen, dass die Erstattungsfä- higkeit dieser Produkte nicht zum 30. Juni diesen Jahres schlagartig einbricht, haben wir auf die Anregung des Gemeinsamen Bundesausschusses reagiert, die Rege- lung umformuliert und sichergestellt, dass die Gesetzes- änderung erst zum 1. Juli 2008 in Kraft tritt. Dadurch wird auch künftig sichergestellt, dass etwa eine Mull- binde, die eine schmerzlindernde Salbe abgibt, von der gesetzlichen Krankenversicherung auch künftig nicht er- stattet werden muss, wenn der Gemeinsame Bundesaus- schuss der Auffassung ist, dass dieses Kombinationspro- dukt arzneimittelähnlich und etwa in seiner Wirkung der heute bereits nicht erstattungsfähigen Schmerzsalbe in Kombination mit einer einfachen Mullbinde vergleich- bar ist. In Zukunft werden wir drittens medizinprodukte- rechtliche Vorschriften auch auf Produkte anwenden, welche nicht als solche in den Verkehr gebracht, aber mit der Zweckbestimmung eines Medizinproduktes einge- setzt werden. Hierbei haben wir die begründeten Beden- ken einiger Sachverständiger sowie der über den Bun- desrat beteiligten Bundesländer als zuständige Prüf- und Kontrollinstanzen berücksichtigt. Es galt dabei zu be- rücksichtigen, dass die Überwachungs-, Dokumenta- tions- sowie Sicherheitsanforderungen in der prakti- schen, ärztlichen Anwendung durch diese Regelung nicht überdehnt werden und keine unnötige Bürokratie entsteht. Bei enger Auslegung wäre sonst womöglich so- gar ein Waschlappen, mit welchem einem Patienten das Gesicht gereinigt wird, als überwachungspflichtiges Pro- dukt anzusehen gewesen. Der Anwendungsbereich die- ser Regelung wird deswegen ausdrücklich auf solche Produkte eingegrenzt, für welche nach der Medizinpro- dukte-Betreiberverordnung sicherheits- bzw. messtech- nische Kontrollen vorgesehen sind. Damit werden im Sinne eines vorbeugenden Verbraucherschutzes in si- cherheitsrelevanten Bereichen alle Medizinprodukte und als solche verwendete Produkte künftig der Überprüfung unterzogen. Weiterhin haben wir auch im Bereich der Medizinpro- dukte-Sicherheitsplanverordnung im Sinne einer Entbü- rokratisierung Veränderungen vorgenommen. Künftig werden die zuständigen Behörden des Bundes für bereits ausreichend untersuchte Vorkommnisse Ausnahmen von der Meldepflicht oder eine zusammenfassende Meldung in regelmäßigen Zeitabständen anordnen. Damit stellen wir einen ressourcensparenden, risikoangemessenen Einsatz der personellen Kapazitäten sicher, ohne die ef- fektive Gefahrenabwehr zu vernachlässigen. Zudem wurde die Kontrollzuständigkeit des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte im Zuge des Gesetz- gebungsverfahrens auf aus dem Ausland stammende Me- dizinprodukte beschränkt. Damit vermeiden wir im Sinne der Deregulierung Doppelzuständigkeiten von Bundes- und Landesbehörden für Produkte aus dem Inland. Hierneben haben wir im Omnibusverfahren einige Korrekturen und Ergänzungen am SGB V vorgenom- men, welche Inkrafttretensregelungen im GKV-Wettbe- werbsstärkungsgesetz korrigieren. Damit stellen wir si- cher, dass die erstrebten Wirkungen sich sachgerecht entfalten können. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass wir im Sinne klarer Erstattungsregeln, unbürokratischen Ver- braucherschutzes und der Vorsorge für Katastrophenfälle wichtige Detailfragen regeln und dabei auch viele Anre- gungen aus der Anhörung aufgenommen haben. Daher freut es mich sehr, dass die gesamte Opposition dieses Gesetz unterstützt. Solch konstruktives Verhalten wünschte ich mir öfter. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Wir beschäftigen uns heute mit der Reform des Medizinproduktegesetzes, einer notwendigen und sinnvollen Reform wie ich an- merken möchte. Die letzte Änderung des Medizinpro- duktegesetzes liegt bereits über drei Jahre zurück, und es ist müßig, darauf hinzuweisen, dass sich in einem sol- chen Zeitraum einige notwendige Änderungen ansam- meln. Dieses Gesetz steht sicherlich nicht im Mittel- punkt des öffentlichen Interesses. Nichtsdestoweniger ist es von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Un- ternehmen der Medizinproduktebranche, für Labore und natürlich für die Patientinnen und Patienten in Deutsch- land, die zu Recht ein Höchstmaß an Schutz durch den Gesetzgeber erwarten. Ein wichtiger Bestandteil dieser Novelle ist die Aus- weitung des Anwendungsbereichs des Medizinprodukte- gesetzes. Bisher war ein Medizinprodukt ein Produkt, das von seinem Hersteller als solches auf den Markt ge- bracht wurde, nachdem es die notwendigen Sicherheits- prüfungen erfolgreich durchlaufen hat, zum Beispiel eine Gehhilfe oder ein Katheterschlauch. Produkte, die zwar den Zweck eines Medizinproduktes erfüllten, aber von ihren Herstellern nicht als solche deklariert wurden, mussten die hohen Sicherheitsstandards hingegen nicht erfüllen. Diese Sicherheitslücke wird durch dieses Ge- setz nun geschlossen. So wird die Patientensicherheit in Deutschland nachhaltig erhöht. Kritiker der Ausweitung des Anwendungsbereichs haben die Befürchtung geäußert, dass nun auch Wasch- 9958 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) lappen oder Kühlschränke nachträglich zu Medizinpro- dukten gemacht würden. Dies würde die genannten Pro- dukte nicht nur unnötig verteuern, sondern widerspricht ganz einfach dem gesunden Menschenverstand. Durch entsprechende Änderungsanträge haben wir im Ausschuss für Gesundheit dieses Problem gelöst und ungewollte Konsequenzen der Ausweitung des Anwendungsbereichs ausgeschlossen. Nun können weder ein Kühlschrank noch ein Waschlappen nachträglich zum Medizinpro- dukt erklärt werden, sondern nur Produkte, die die fest- gelegten Kriterien eines Medizinproduktes wirklich er- füllen. Ein weiteres wichtiges Element dieses Gesetzes ist die Frage der Erstattung von arzneimittelähnlichen Me- dizinprodukten. Die Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung war in der Vergangenheit zwar grundsätzlich möglich, aber die bisherige Fassung des betreffenden Paragrafen im Fünften Buch Sozialgesetz- buch hat sich in der Praxis leider nicht bewährt. In der Vergangenheit gab es an dieser Stelle immer wieder Un- sicherheiten bis hin zu Gerichtsverfahren über die Frage, ob ein bestimmtes Medizinprodukt von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet wird. Um eine sichere und ein- deutige Rechtslage zu schaffen, haben wir diesen Para- grafen neu formuliert. Die Opposition kritisiert doch so häufig die angeblich fehlenden Bemühungen der Großen Koalition beim Bü- rokratieabbau. Sehen Sie sich dieses Gesetz ruhig einmal näher an; denn hier wird an vielen Stellen Deregulierung und Entbürokratisierung konsequent umgesetzt. Davon profitieren die betroffenen Unternehmen und letztend- lich die ganze Volkswirtschaft. Um nur einige Beispiele zu nennen: Überflüssig gewordene Regelungen zu In- vitro-Diagnostica werden gestrichen, nicht notwendige Anzeigepflichten bei Klinischen Prüfungen entfallen und Einrichtungen, die Medizinprodukte steril aufberei- ten und den Behörden bereits bekannt sind, müssen nicht mehr zusätzlich behördlich erfasst werden. Dieses Gesetz verfolgt mehrere Ziele: mehr Transpa- renz, Entbürokratisierung und vor allem die Erhöhung der Sicherheit der Medizinprodukte für die Patienten. Verantwortliche Gesundheits- und Verbraucherpolitik muss den Patientenschutz immer in den Mittelpunkt ih- res Handelns stellen. Diesem Grundsatz folgt dieses Ge- setz. Daniel Bahr (Münster) (FDP): Heute beraten wir hier im Deutschen Bundestag nicht nur über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Än- derung medizinprodukterechtlicher und anderer Vor- schriften, sondern auch noch einmal über das GKV- WSG und hier im Speziellen über die Arbeitsweise bzw. die handwerklichen Fähigkeiten der Bundesregierung. Im sogenannten Omnibusverfahren haben Sie eine große Anzahl von Änderungen im GKV-WSG dem vor- liegenden Gesetzentwurf angehängt, um „formale“ Feh- ler zu beheben. Nach Ihrer Darstellung beheben die Än- derungen lediglich technische und redaktionelle Fehler. Sie sind aber vor allem ein Beleg für eine schlecht ge- machte Gesundheitsreform. So muss die Finanzierungsregelung für die Selbsthilfe zum 1. Januar 2008 und nicht – wie bislang in der Ge- sundheitsreform geregelt – zum 1. April 2007 außer Kraft treten, da es ansonsten zu einer Finanzierungslü- cke kommt. Peinlich genug! Was haben Sie nicht im Herbst des letzten Jahres alles versprochen, als Sie den Start der Gesundheitsreform um drei Monate verschoben haben: „Qualität geht vor Schnelligkeit“ konnte man landauf, landab lesen. An dieser Stelle möchte ich nicht über inhaltliche Fehler des GKV-WSG sprechen, sondern darauf hinweisen, dass Sie, obwohl Sie sich mehr Zeit nahmen, eine so große Fülle von Fehlern fabrizierten. Es ist ein Armutszeugnis, wenn Sie so eine Leistung abliefern. Mehrfach wurde diese Reform als Meisterstück der schwarz-roten Koali- tion angekündigt – mit dieser Leistung wären Sie kra- chend durch jede Gesellenprüfung gefallen. Die FDP-Bundestagsfraktion hatte seinerzeit in ihrem Entschließungsantrag zum GKV-WSG ausführlich dar- gelegt, warum sie dieses Gesetz ablehnt. Nun stellt sich hier und heute die Frage: Wie wollen wir uns hinsicht- lich des Gesetzes zur Änderung medizinprodukterechtli- cher und anderer Vorschriften verhalten? Wir haben immer unsere Unterstützung zugesagt, wenn von der Bundesregierung sachgerechte Gesetze vorgelegt werden. Immer dort, wo es dem Wohle des Patienten, der Erleichterung der Arbeit der Ärzteschaft und es der Unterstützung der Medizintechnologieunter- nehmen und damit der Sicherung von über 150 000 Ar- beitsplätzen dient, wird die FDP sich nicht verweigern. Solchen Gesetzen werden wir zustimmen. An dieser Stelle lohnt ein Blick in die Branche, um die es hier geht. Wir sprechen von hochinnovativen Un- ternehmen, die in über 11 000 Unternehmen insgesamt über 150 000 Menschen einen Arbeitsplatz bieten. Der Medizintechnologiemarkt in Deutschland ist nach den USA und Japan der drittwichtigste Markt weltweit. Circa 20 Milliarden Euro werden jährlich in Deutsch- land umgesetzt. Übrigens führt die Branche der Medi- zintechnik die Liste der angemeldeten Patente in Deutschland an, weit vor anderen Branchen. Die Unter- nehmen der Medizintechnik investieren 7 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung und tragen so zur Arbeitsplatzsicherheit und zu innovativen Produkten in Deutschland bei. Das ist vorbildlich, vor allem zum Wohle der Patienten, denen innovative und gute Pro- dukte zur Verfügung stehen. Es ist gut und richtig, dass dieses Gesetz heute auf den Weg kommt. Es baut Bürokratie ab, trägt zur Kostenersparnis der öffentlichen Hand bei und stärkt die Innovationskraft der Unternehmen. Ziel des Gesetzent- wurfs zur Änderung medizinprodukterechtlicher und an- derer Vorschriften ist es unter anderem, dass Medizin- produkte zum Zivil- und Katastrophenschutz auch nach Ablauf des Verfalldatums eingesetzt werden können. Hervorzuheben ist das Beispiel der vom Bund zum Zwe- cke einer möglichen Pockenimpfung beschafften Impf- nadeln. Da diese Nadeln nach Einschätzung von Exper- ten gefahrlos auch über das Verfalldatum hinaus eingesetzt werden können, soll dies künftig auch recht- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9959 (A) (C) (B) (D) lich zulässig sein, um eine unnötige und kostenintensive Neuanschaffung zu vermeiden. Voraussetzung ist, dass Qualität, Leistung und Sicherheit der Produkte weiterhin gewährleistet sind. Schon bisher hat die Möglichkeit be- standen, Medizinprodukte ohne Verfalldatum an die Bundeswehr abzugeben. Dies sollte nun auch für die Ab- gabe an die zuständigen Behörden des Bundes und der Länder zum Zweck des Zivil- und Katastrophenschutzes gelten. Befürchtungen über Qualitätsverluste haben sich in den Beratungen nicht bestätigt. Eine weitere Änderung des Medizinproduktegesetzes betrifft die Eigenherstellung, die speziell von In-vitro- Diagnostika. Zudem will die Bundesregierung mit einem Verzicht auf bestimmte Anzeigepflichten in Bezug auf klinische Prüfungen, Aufbereitung und Sonderanferti- gungen einen Beitrag zum Bürokratieabbau leisten. Die Regelung der Aufnahme von Produkten in das Medizinproduktegesetz, die nicht originär als Medizin- produkte hergestellt wurden, wurde verändert. Damit wurde die Kritik der Fachverbände und der FDP aufge- nommen und eingearbeitet. Der ursprünglich geplanten Regelung hätten wir nicht zustimmen können. Die Aus- weitung wäre zu weit gegangen und hätte viel Aufwand in den Praxen bedeutet. Es wäre zu befürchten gewesen, dass selbst ein Teelöffel, den ein Arzt bei Untersuchun- gen nutzt, als Medizinprodukt gegolten hätte. Unsere Bedenken haben sich in der Anhörung bestätigt. Erfreu- licherweise hat die Koalition aber die Kritik aufgegriffen und mit einem Änderungsantrag eine praktikable und sachgerechte Lösung gefunden. Somit besteht nunmehr Klarheit, welche Produkte unter den Anwendungsbe- reich des Medizinproduktegesetzes fallen. Die Grenzen zwischen normalen Produkten und Medizinprodukten droht nun nicht mehr zu verwischen. Deswegen wird die FDP heute dem Gesetz zum Wohle der Patienten, der Arbeitsfähigkeit der Ärzte- schaft und zur Unterstützung der Medizintechnologie- branche zustimmen. Ich betone aber ausdrücklich, dass die Zustimmung zum Gesetz keine Zustimmung zur ver- korksten Gesundheitsreform ist. Frank Spieth (DIE LINKE): In dem Gesetz ist mehr drin, als draufsteht. Es werden im Huckepackverfahren gleichzeitig handwerkliche Fehler des GKV-Wettbe- werbsstärkungsgesetzes korrigiert. So beseitigt die Re- gierung die offensichtlichen Macken, die im Gesetz reichlich Platz gefunden haben. In den Änderungsanträ- gen werden Fristen verschoben und Rechtschreibfehler behoben. Da diese Änderungen für sich gesehen schlüs- sig sind, stimmen wir ihnen zu. An unserer grundsätzlich ablehnenden Haltung zum WSG halten wir aber weiter fest, denn mit dieser „Reform“ wird ein Systemwechsel vollzogen. Willentlich wird die Solidarität preisgegeben, indem junge und gesunde Versicherte auf kostenspa- rende Teilkaskotarife ausweichen, während ältere und chronisch kranke Versicherte keine Chance auf solche Rabattangebote haben und weiter „Vollkasko“ zahlen müssen. Damit wird die Solidargemeinschaft zerfallen. Trotz der nun bestehenden Möglichkeit, wieder in die alte Krankenkasse aufgenommen zu werden, sind von den betroffenen 300 000 Menschen, die in Deutschland ohne Versicherungsschutz sind, immer noch circa 295 000 unversichert. Sie müssen sich vor jeder Erkran- kung, jeder Verletzung fürchten, weil ein Beinbruch zum persönlichen Bankrott führen kann. Denn sie können sich im wahrsten Sinne des Wortes die Beiträge nicht leisten. Arbeitslose, die aus Furcht vor Arbeitslosen- geld II in die Selbstständigkeit gegangen sind, haben oft nur 700 bis 800 Euro brutto und müssen davon 200 Euro Krankenversicherungsbeitrag und die Miete zahlen. Da bleibt zum Leben nichts mehr übrig. Doch nun zum eigentlichen Gesetzentwurf. Von dem Medizinprodukterecht werden in Deutschland über 500 000 Medizinprodukte mit einem geschätzten Jahres- umsatz von etwa 23 Milliarden Euro erfasst. Ein be- trächtlicher Markt, der für die Industrie wie auch für die Nutzer von großem Interesse ist. Angefangen bei einem Verband bis hin zu Operationsrobotern – alle Gerätschaf- ten, die für die Behandlung von Patienten zum Einsatz kommen, werden auf dieser Grundlage zugelassen und überprüft. Das ist notwendig, ist allerdings in seiner An- wendung oftmals schwerfällig. Deshalb sollte das Medi- zinproduktegesetz mit diesem Entwurf entbürokratisiert und dereguliert werden. Aber was hier vorgelegt wird, führt nach Meinung vieler der in der Ausschussanhörung vertrenen Experten mitnichten zu einer Vereinfachung. Stattdessen werden nun auch Geräte, die bisher nicht als Medizinprodukte gehandelt werden, unter dieses Gesetz fallen. So muss der Arzt ein Fahrradergometer, mit dem er Belastungs-EKGs durchführt, nun ebenfalls regelmä- ßig überprüfen lassen. Ein Mehr an Sicherheit kann ich daran nicht erkennen, aber die beträchtlichen Mehrkos- ten, die eine Zertifizierung mit sich bringt, sehe ich wohl. Ist dieses Vorgehen entbürokratisierend, deregu- lierend und im Sinne der Nutzer? Für Patienten ist das Medizinproduktegesetz wegen der Sondennahrung zur künstlichen Ernährung von be- sonderem Interesse. Denn nur, wenn das entsprechende Präparat auf der Ausnahmeliste der arzneiähnlichen Me- dizinprodukte steht, kann es auch von der Krankenkasse erstattet werden. Patientenverbände mahnen an, dass die im Entwurf genannte Liste nicht ausreichend sei. Der Gemeinsame Bundesausschuss soll nun diese Liste über- prüfen und gegebenenfalls ergänzen. Wir unterstützen ausdrücklich die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbst- hilfe, die zu Recht auf dieses Problem aufmerksam ge- macht hat, und werden genau überprüfen, welche Konse- quenzen der Gemeinsame Bundesausschuss aus diesem Auftrag zieht. Für den Katastrophenschutz wird es demnächst mög- lich sein, Spritzen und Verbände auch dann zu verwen- den, wenn diese Medizinprodukte bereits das Haltbar- keitsdatum überschritten haben. Es mag ja sein, dass besondere Situationen besondere Maßnahmen erfordern. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass eines der reichsten Länder der Welt sich ausgerech- net für den Katastrophenfall gesundsparen möchte! Un- ter anderem wegen der vorgenannten Gründe wird meine Fraktion diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. 9960 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Kaum ist die Gesundheitsreform in Kraft, be- schäftigt sie uns schon wieder. Die Koalition wollte die Diskussion um die misslungene Reform so schnell wie nur irgend möglich beenden. Deshalb hat sie auf der Zielgeraden des Gesetzgebungsverfahrens mehr auf Schnelligkeit als auf Sorgfalt gesetzt. Die Folgen sind offensichtlich: Eine schier unübersehbare Zahl von tech- nischen Fehlern. Diese Schludrigkeiten haben die Bera- tungen zum eigentlichen Inhalt des vorliegenden Geset- zesentwurfs stark behindert. Die Koalition hat die vielen Flicken, die sie noch auf das GKV-Wettbewerbsstär- kungsgesetz zu kleben hatte, einfach an den Gesetzes- entwurf angehängt. Damit werden aber zwei Gesetzes- materien vermischt, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Alleine dieses Vorgehen würde schon eine Ablehnung des Gesetzentwurfes rechtfertigen. Inhaltlich sind die diversen Änderungen der Gesund- heitsreform unproblematisch. Allerdings sollen sie ein Gesetz nachbessern, das wir aus guten Gründen abge- lehnt haben. Hinsichtlich des eigentlichen Anliegens des Gesetzesentwurfs – der Änderung des Medizinprodukte- gesetzes – wechseln Licht und Schatten. Zu begrüßen sind die Regelungen, die den Patientenschutz verbes- sern. Dazu gehört die bessere Kontrolle von Geräten, die nicht als Medizinprodukte hergestellt wurden, aber in Krankenhäusern und Praxen als solche angewendet wer- den. Sinnvoll ist auch die Regelung, dass künftig auch mittelbare Gefährdungen durch ein Medizinprodukt durch das Gesetz erfasst werden. Zu begrüßen ist auch die Beendigung von Rechtsunsicherheiten bei der Erstat- tung arzneimittelähnlicher Medizinprodukte. Allerdings wird man genau beobachten müssen, wie sich die vorge- sehene Listung durch den Gemeinsamen Bundesaus- schuss auf die Leitungsansprüche der Patientinnen und Patienten auswirkt. Auch die erweiterten Handlungs- spielräume für die Eigenherstellung von In-vitro-Dia- gnostika sind grundsätzlich richtig. Allerdings ist der Begriff „Medizinprodukte aus Eigenherstellung“ zu un- bestimmt. Hier wären deutlichere Anforderungen erfor- derlich gewesen, um für die notwendige Rechtssicher- heit zu sorgen. Aus Sicht des Patientenschutzes problematisch ist die Regelung, dass Medizinprodukte, die für Krisen- und Katastrophenfälle angeschafft werden, auch nach Ablauf des Verfallsdatums verwendet werden können. Die Be- dingung, „dass Qualität, Leistung und Sicherheit der Medizinprodukte gewährleistet sind“, ist rechtlich zu un- bestimmt. Es braucht klare Vorgaben für anzuwendende Kontrollverfahren. Falsch ist auch, dass der Zugang zur Datenbank des DJMDI auf Behörden beschränkt werden soll. Damit geht Transparenz gerade auch für Patientin- nen und Patienten verloren. Wir werden den Gesetzesentwurf ablehnen. Die Än- derungen des Medizinprodukterechts werden an einigen Stellen zu neuen Rechtsunsicherheiten führen. Für mehr Transparenz auf dem unübersichtlichen Markt für Medi- zinprodukte wird nichts getan. Rolf Schwanitz, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Gesundheit: Wir beschlie- ßen heute das Gesetz zur Änderung medizinprodukte- rechtlicher und anderer Vorschriften. Mit diesem Gesetz werden im Bereich des Medizinprodukterechts einige Punkte neu geregelt bzw. klargestellt, die in den letzten Jahren Probleme im praktischen Vollzug bereitet haben. Außerdem werden Aufgaben von Behörden des Bundes neu geordnet, um sie künftig unbürokratischer zu erledi- gen. In Teilbereichen der Anzeigepflichten wird zudem dereguliert. Wir führen außerdem eine Ausnahme- regelung in das Medizinproduktegesetz für Krisen- und Katastrophenfälle ein, die hilft, unnötige Ausgaben zu vermeiden. Näher eingehen möchte ich auf drei Punkte, die in der Anhörung des Gesundheitsausschusses am 28. März 2007 intensiv diskutiert wurden. Neben Medizinproduk- ten werden auch andere Produkte mit der Zweckbestim- mung eines Medizinproduktes eingesetzt. Ein Beispiel: Der Arzt setzt ein Fahrradergometer aus dem Fitnessbe- reich für die Erstellung eines Belastungs-EKGs in seiner Praxis ein. Da dieses Produkt jedoch nicht als Medizin- produkt in Verkehr gebracht wurde, können die für Me- dizinprodukte geforderten messtechnischen Kontrollen für diese Produkte bisher nicht verlangt werden, obwohl die Messgenauigkeit hier von großer Bedeutung für Diagnose und Therapie ist. Hier wurde in der Anhörung vorgetragen, dass künftig angeblich zum Beispiel Tee- löffel, Waschlappen und Kühlschränke zu Medizinpro- dukten gemacht würden. Mein Kommentar: Das war nie beabsichtigt. Um dies für jedermann klarzustellen, wurde die Regelung aber überarbeitet. Durch die Ein- schränkung der Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Produkte mit hoher Sicherheitsrelevanz sowie auf bestimmte, insbesondere für die Diagnostik wichtige Produkte mit Messfunktion erreichen wir drei Dinge: Erstens. Ein Arzt darf auch weiterhin im Rahmen seiner Therapiefreiheit Nichtmedizinprodukte einsetzen. Zwei- tens. Der vorbeugende Patientenschutz wird verbessert. Drittens. Eine Überregulierung wird verhindert. Auf eine neue rechtliche Grundlage wird künftig auch die Erstattung sogenannter arzneimittelähnlicher Medi- zinprodukte gestellt. Der Gemeinsame Bundesaus- schuss (G-BA) soll in Richtlinien nach § 92 SGB V die erstattungsfähigen Produkte listen. Den in der Anhörung vorgetragenen Bedenken gegen eine entsprechende An- wendung von § 34 Abs. 1 Satz 1 bis 3 SGB V wurde durch einen Änderungsantrag Rechnung getragen. Diese Produkte müssen nicht der Behandlung einer schwerwie- genden Erkrankung als Therapiestandard dienen. An- sonsten gelten die Ausschlusskriterien für Arzneimittel entsprechend. Dem Gemeinsamen Bundesausschuss wird ein Jahr Zeit gegeben, die Richtlinien zu erarbeiten. Dies kann aber nur gelingen, wenn die Hersteller früh- zeitig entsprechend § 34 Abs. 6 SGB V Anträge an den Gemeinsamen Bundesausschuss stellen. Der letzte Punkt betrifft die hauseigene Herstellung von In-vitro- Diagnostika. Wir brauchen eine Regelung, welche die Belange von Patienten, Gesundheitseinrichtungen und Herstellern ausgewogen berücksichtigt. Unser Aus- gangs- und Zielpunkt ist stets die Gesundheit der Bürge- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9961 (A) (C) (B) (D) rinnen und Bürger. Die Eigenherstellung in Gesundheits- einrichtungen ist wichtig und anerkannt – nicht nur für Tests zur Erkennung „seltener Erkrankungen“. Sie ist ebenso wichtig für die Neu- und Weiterentwicklung von Diagnostika, die bereits auf dem Markt erhältlich sind. Produkte aus Eigenherstellung müssen die gleichen An- forderungen im Hinblick auf Sicherheit und Leistungsfä- higkeit erfüllen wie kommerzielle Produkte. Soweit die Eigenherstellung in einem überschaubaren Rahmen stattfindet, genügt aber ein vereinfachtes Verfahren zum Nachweis, dass die Produkte die gesetzlichen Anforde- rungen erfüllen. Spielt sich die Herstellung allerdings in einem industriellen Maßstab ab, gelten die gleichen Be- dingungen, die auch für die Diagnostikaindustrie gelten. Diese Neuregelung ermöglicht Innovation, ohne die Si- cherheit von Patienten zu gefährden. Mein Dank gilt allen Beteiligten. Wir haben in einem positiven Miteinander kontrovers diskutierte Punkte zu einer weitgehend einvernehmlichen Lösung geführt. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Energieeinsparverord- nung zügig verabschieden – Energieausweis als Bedarfsausweis einführen (Tagesordnungs- punkt 18) Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU): Die Bundes- gartenschau 2007 in Gera, in Ronneburg und im Land- kreis Greiz hat in diesen Tagen ihre Pforten erfolgreich geöffnet. Bei diesem Großereignis in meiner Thüringer Heimat sieht man, dass Umweltschutz und die Bewah- rung der Schöpfung in allen gesellschaftlichen Berei- chen und Branchen einen hohen Stellenwert haben. Zur Frage, was die Buga mit der Energieeinsparver- ordnung – EnEV 2006 – zu tun hat, sage ich, nicht ohne ein Augenzwinkern: Erstens. Ich wäre ein schlechter Patriot, wenn ich die- ses Ereignis im Herzen meiner ostthüringer Heimat nicht erwähnte. Zweitens. Wesentlicher ist, dass die Buga ein hervor- ragendes Beispiel dafür ist, wie Menschen einer ge- schundene Natur und Landschaft zu neuem Glanz und im wahrsten Sinne des Wortes zu neuer Blüte verholfen haben. Drittens. Die nachwachsenden Rohstoffe sind ein wichtiges Themenfeld dieser Bundesgartenschau. Man sollte selbst kommen und sich anschauen, was man tun kann, um dem Klimawandel aktiv entgegenzu- wirken. Auch der Entwurf der Novelle zur EnEV ist ein Bei- trag dazu. Sie wurde vom Kabinett beschlossen. Mit der Einführung von Energieausweisen für Bestandsgebäude wurde eine sachgerechte Lösung für die Frage der Wahl- freiheit bei den Energiesparausweisen gefunden. Ich möchte in diesem Zusammenhang deutlich ma- chen, dass man einzelne Bestandteile unserer Klima- schutzanstrengungen, wie der EnEV, niemals isoliert be- trachten darf. Aus Sicht meiner Fraktion dürfen wir auf keinen Fall den Blick für die Gesamtzusammenhänge verlieren. Der beste Klimaschutz besteht darin, erstens dafür zu sorgen, dass weniger Energie verbraucht wird; denn Energiesparen ist die beste und billigste Maßnahme zum Klimaschutz. Deshalb kommt es zweitens darauf an, die benötigte Energie so effizient wie möglich zu nutzen. Energiesparen und Energieeffizienz werden drittens durch die Verwendung erneuerbarer Energien ergänzt. Neben der Energieeinsparverordnung gibt es eine Reihe von Instrumenten, die diesen richtigen Ansatz um- setzen. Um nur einige zu nennen: das CO2-Gebäude- sanierungsprogramm, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG, und das Marktanreizprogramm. Bürger und Unternehmen in Deutschland haben in den letzten Jahren sowohl im privaten als auch im öf- fentlichen Bereich freiwillig viel getan, um durch spar- samen Verbrauch von Energie, bauliche Veränderungen und CO2-neutrale erneuerbare Energien einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Daran sieht man: Die beste- henden Instrumente wirken. Die Menschen verstehen, in der Praxis damit umzugehen und sie anzuwenden. Wir sollten also vorsichtig sein, wenn wir weitere Instru- mente entwickeln, damit wir die Nutzer nicht überfor- dern. Vielmehr müssen wir bestehende Instrumentarien fortschreiben, vereinfachen und ihre Finanzierung lang- fristig sicherstellen und verstetigen. Wir müssen uns immer vor Augen führen: Energie- verbrauch und -nutzung sind für die Menschen nicht die einzigen Probleme, die sie zu bewältigen haben. Deswe- gen dürfen wir sie nicht mit bürokratischen Anforderun- gen überfrachten und sie im Rahmen ordnungspoliti- scher Maßnahmen ständig überwachen und maßregeln. Eine Energiepolizei – wenn man das so nennen darf – lehnt die Union ab; eine solche wäre kontraproduktiv. Den Menschen würde die Eigeninitiative verleidet, mit der sie schon jetzt erfolgreich Maßnahmen gegen den Klimawandel ergriffen haben. Die Einführung des Energieausweises, der in Umset- zung einer EU-Richtlinie erfolgte, dokumentiert die Er- folge, gleichzeitig aber auch die noch vorhandenen Schwachstellen. Nach Auffassung der Union muss der Energieausweis objektiv und einfach verständlich Aus- kunft über den wesentlichen energetischen Zustand eines Gebäudes geben. Er muss ohne bürokratischen Aufwand erstellt werden können und auch für den schmalen Geld- beutel erschwinglich bleiben. Da die Praktiker unter uns wissen, dass jeder Haus- eigentümer ohnehin eine Energieanalyse für sich macht, ist es richtig, dass der Energieausweis nur bei Vermie- tung oder Verkauf erforderlich wird. Für Gebäude, die 9962 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) der Wärmeschutzverordnung von 1977 oder vergleich- baren Richtlinien entsprechen, ist der Energieausweis auf Verbrauchsgrundlage ausreichend, ebenso bei mehr als fünf Wohnungen, da hier das subjektive Wohnverhal- ten eine geringere Rolle spielt. Der teurere Energiebedarfsausweis soll nur bei Woh- nungen erforderlich sein, die den beschriebenen Wärme- dämmstandard nicht erfüllen. Hier war es gerade unser Interesse, die Eigentümer von kleineren Häusern, die sich schon in der Vergangenheit um die energetische Sa- nierung ihrer Häuser gekümmert haben, nicht durch teure Energiebedarfsausweise unnötig zu belasten. Mit der Regelung in der vorliegenden Novelle haben wir dafür Sorge getragen, dass der notwendige Ausweis finanziell erschwinglich bleibt. Vielleicht nicht für je- den, aber doch für den Großteil der Hauseigentümer macht es durchaus einen Unterschied, ob man 50 Euro oder 500 Euro dafür aufwenden muss. Da zieht auch das Argument, das Haus werde ja vermietet oder verkauft, wenig; denn Kosten sind Kosten. Es gilt, sie stets vor- sichtig zu planen und zu kalkulieren. Überbordende Bürokratieausgaben würden dafür sorgen, dass für den eigentlichen Zweck, nämlich die energetische Sanie- rung, Mittel fehlen. Erklärte Ziele der Union sind Planungssicherheit und Verlässlichkeit für die Menschen. Mit einer Übergangs- frist von zehn Jahren bei der Gültigkeit aller Energieaus- weise können Hauseigentümer planen. Da sich der Kabinettsbeschluss zur EnEV-Novelle in das Jahr 2007 hinein verzögert hat, halte ich die verein- barte vollständige Wahlfreiheit bis zum Inkrafttreten der geänderten Verordnung am 1. Januar 2008 für zu kurz. Bleibt es bei der Frist, könnte es zu einem Antragsstau kommen; die Kapazitäten zur Erstellung der Bedarfsaus- weise sind vielleicht nicht ausreichend. Die Preise für die Ausfertigung könnten steigen; die Qualität der Er- arbeitung könnte sinken. Das wollen wir alle nicht. Eine angemessene Fristverlängerung kann die mögli- chen Missstände minimieren. Solche Forderungen aus der Wohnungswirtschaft, den Verbänden der Hauseigen- tümer sowie aus den Ländern sollten ernst genommen werden. Ich hatte eingangs darauf hingewiesen, dass wir mit den vorhandenen Instrumenten in der Lage sind, unsere ehrgeizigen klimapolitischen Ziele zu realisieren. So ha- ben wir uns vorgenommen, bis 2020 den CO2-Ausstoß um mindestens 30 Prozent, gegenüber 1990, zu reduzie- ren. Unser Ziel prägte auch wesentlich den Klimagipfel im März: Die EU strebt bis 2020 ebenfalls eine Verringe- rung um 30 Prozent an. Darum sollten wir die Diskussion der nächsten Mo- nate dafür nutzen, notwendige Maßnahmen und mögli- che Entwicklungsschritte in die bestehenden Instrumente einzuarbeiten und nicht neue bürokratische Gebilde aus dem Boden zu stampfen. Eine weitere Novellierung die- ser EnEV ist dazu ein wichtiger Baustein. Die materiellen Anforderungen werden steigen. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung hat daher ein Gutachten in Auftrag gegeben, dessen Erkenntnisse in eine weitere Novellierung einfließen. Die EnEV ist auch der richtige Platz, um Regelungen für die Anwendung regenerativer Wärmeenergie zu for- mulieren und Förderkriterien festzuschreiben. Geson- derte Gesetze sind daher nicht erforderlich. Rainer Fornahl (SPD): Die Bundesregierung hat am 25. April eine Verordnung zur Energieeinsparung be- schlossen und darin den Handlungsrahmen für die Aus- stellung von Energieausweisen für den Gebäudebestand festgelegt. Damit hat sich ein Teil der Forderungen in dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, beispielsweise die Forderung, den Energieausweis Mietern oder Käu- fern auszuhändigen, erledigt. Die Berücksichtigung wei- terer Forderungen ginge über eine 1:1-Umsetzung der zugrunde liegenden EU-Richtlinie 2002/91/EG über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden hinaus, würde zu Verzögerungen bei der Verabschiedung der novellierten Energieeinsparverordnung und erheblichen Mehrkosten führen. Allein der Vorschlag, einen Ortstermin zwingend vorzuschreiben, würde wesentliche Bemühungen um eine kostenverträgliche Ausgestaltung der Energieaus- weise zunichtemachen und die Mindestkosten wenigs- tens verdoppeln. Auch die Einführung eines Zertifizie- rungsverfahrens wäre eine unnötige bürokratische Zusatzbelastung. Die Richtlinie fordert dies nicht, ebenso wenig Vorgaben zum Einsatz erneuerbarer Ener- gien. Hier gibt es Anreize durch die EnEV, das EEG und weitere Förderprogramme, sodass es keiner zusätzlichen Regelung bedarf. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass der sparsame und effiziente Umgang mit Energie unabdingbare Vo- raussetzung für eine sichere und kostengünstige Energie- versorgung ist, und dass in gleichem Maße Ressourcen und Klima geschont werden müssen. Ohne Zweifel ist der Gebäudebereich dabei von zentraler Bedeutung. Hier gibt es ein großes Potenzial, Energie einzusparen und et- was für den Klimaschutz zu tun, indem wir die CO2- Emissionen minimieren. Knapp 40 Prozent der gesamten deutschen Endenergie geht in Gebäuden drauf, im We- sentlichen für die Heizung. Und drei Viertel der deut- schen Wohngebäude sind älter als 30 Jahre; sie liegen damit außerhalb aller Wärmeschutzregeln, die erst 1977 erlassen wurden. Das geht am Klima nicht spurlos vor- bei: In deutschen Heizungskellern entsteht annähernd so viel CO2 wie im Autoverkehr. Durch Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung kann der Ausstoß von Kohlendioxid in diesem Feld binnen zehn Jahren um 30 Prozent reduziert werden. Es lassen sich bis 2020 rund 40 Milliarden Euro Energiekosten sparen. Dies ent- spricht einer Einsparung von 500 Euro jährlich für eine 80-Quadratmeter-Wohnung. Die jetzige Novelle der EnEV ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Die künftigen Energieausweise mit ihren Modernisierungsempfehlungen zeigen, wie viele Kilowattstunden Energie pro Quadratmeter und Jahr nö- tig sind, um die Räume von Gebäuden zu heizen und warmes Wasser zu erzeugen. Dadurch wird es Mietern und Käufern künftig erleichtert, die anstehenden Neben- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9963 (A) (C) (B) (D) kosten abzuschätzen. Gleichzeitig wird mit dem neuen Energieausweis ein Anreiz geschaffen, Gebäude so zu sanieren, dass danach Energie gespart und besser genutzt wird. Ziel ist es auch, den Ausstoß von Kohlendioxid zu verringern. Zwei verschiedene Verfahren werden ver- wendet, um Energieausweise zu erstellen. Der Ver- brauchsausweis wertet die Energieabrechnungen von drei Jahren aus. Den Bedarfspass errechnen Energiebera- ter nach einer Untersuchung der Bausubstanz. Es gab dazu Kritik von verschiedenen Seiten, insbesondere aus der Wohnungswirtschaft. Die Bundesregierung hat in dieser Frage einen Kom- promiss beschlossen. Für alle nicht modernisierten Ge- bäude, die vor 1977, also vor der ersten Wärmeschutz- verordnung, gebaut wurden, gilt der bedarfsorientierte Ausweis zwingend, wenn es in diesem Gebäude weniger als fünf Wohnungen gibt. Für alle anderen Gebäude be- steht Wahlfreiheit. Mit diesem Kompromiss wurde, glaube ich, eine ausgewogene Lösung gefunden, die so- wohl dem Anliegen der fachlichen Aussagekraft des Energieausweises und dem Anliegen einer ausreichen- den Berücksichtigung der Kostenseite angemessen Rechnung trägt. Gleichzeitig ist der Kompromiss ein Spiegelbild dessen, was mit dem Energieausweis be- zweckt wird: mehr Transparenz auf dem Immobilien- markt. Der Kauf- und Mietinteressent soll energetisch schlechte Gebäude erkennen können. Der Eigentümer soll Anreize zur sinnvollen energetischen Sanierung be- kommen. Vor diesem Hintergrund ist die mit dem Kom- promiss gefundene Grenzziehung bei der Anwendung von Bedarfs- und Verbrauchsausweis zu verstehen. Der Bedarfsausweis hat gerade bei Gebäuden mit wenigen Wohneinheiten Vorteile, weil seine Aussagegenauigkeit größer ist und er nicht das Nutzerverhalten abbildet. Wenn kleine Gebäude jedoch unter dem Regime der Wärmeschutzverordnung, also ab Ende 1977 oder später errichtet oder entsprechend modernisiert worden sind, weisen sie bereits eine bessere energetische Qualität auf, sodass für sie der Verbrauchsausweis ausreichend ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der bedarfsorien- tierte Ausweis flächendeckend durchsetzen wird, ist meines Erachtens groß, denn wer künftig staatliche Gel- der für die Gebäudesanierung in Anspruch nehmen will, braucht den Bedarfsausweis. Deshalb muss man die no- vellierte EnEV im Zusammenhang mit dem CO2-Gebäu- desanierungsprogramm sehen. Die EnEV schafft Trans- parenz und stellt Forderungen an den Vermieter oder Verkäufer. Das Gebäudesanierungsprogramm bietet Un- terstützung, sodass tatsächlich saniert werden kann. Im Jahr 2006 sind über die KfW 1,5 Milliarden Euro geflos- sen. Es wurden 265 000 Wohneinheiten saniert. Dadurch sparen wir rund 1 Million Tonnen CO2-Emissionen ein. Die beschlossene Novellierung der EnEV ist ein wichtiger Beitrag zu mehr Energieeffizienz, wir dürfen aber hier nicht stehenbleiben. Die Ankündigung von Verkehrsminister Tiefensee, die Energieeinsparverord- nung im kommenden Jahr weiter zu verschärfen, die Standards für Neugebäude anzuheben und die Energie- effizienz um bis zu 30 Prozent zu verbessern, ist jeden- falls uneingeschränkt zu begrüßen. Joachim Günther (Plauen) (FDP): Wir haben ges- tern im Bauausschuss lange über Klimaschutz und damit verbundene Fragen der Reduzierung von CO2-Emissio- nen gesprochen. Wir sind uns auch alle darin einig, dass vor allem der Bausektor dazu einen gewaltigen Beitrag leisten kann. Immerhin stammen mehr als 40 Prozent der CO2-Emissionen aus dem Gebäudebereich. Also nicht nur, weil wir ohnehin durch die EU-Richtlinie (Energie- effizienzrichtlinie 2002/91/EG) verpflichtet sind, diese in nationales Recht umzusetzen, sondern auch, weil es ein Gebot der Zeit und eine Pflicht gegenüber nachkom- menden Generationen ist, müssen wir uns diesen Fragen zuwenden. Im September 2005 ist das 2. Änderungsgesetz zum Energieeinsparungsgesetz in Kraft getreten, das die Er- mächtigungsgrundlage für die Einführung eines Energie- ausweises durch Verordnung der Bundesregierung ent- hält. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, können sich sicher noch alle gut daran erinnern, wie schwierig es war, Konsens zu Fragen des Energieausweises im Ener- gieeinsparungsgesetz zu finden. Die FDP hat sich seiner- zeit – damals noch gemeinsam mit der Fraktion der CDU/CSU – dafür stark gemacht, dass das Gesetz die Wahlfreiheit zwischen Bedarfs- und Verbrauchsausweis vorsieht und dass der Energieausweis lediglich Empfeh- lungen ohne Sanktionscharakter haben soll. Mit beiden Forderungen haben wir uns damals durchgesetzt. Mit dem heute hier vorliegenden Antrag der Grünen soll eine dieser beiden Regelungen, nämlich die Wahlfreiheit, wieder rückgängig gemacht werden. Dieselbe Forderung ist der Grund, weshalb wir erst jetzt, mehr als eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten des 2. Änderungsgesetzes zum Energieeinsparungsgesetz, über Inhalte eines Energie- ausweises reden können, denn seit Anfang 2006 hatte der Bundesumweltminister versucht, das Gesetz zu kon- terkarieren, indem er – wie jetzt die Grünen mit ihrem Antrag – die Wahlfreiheit wieder aufheben und stattdes- sen die Einführung des Bedarfsausweises durchsetzen wollte. Das sieht die mir seit vorgestern nun vorliegende Fas- sung der Energieeinsparverordnung zum Glück nicht vor. Sie beschränkt zwar ab dem 1. Januar 2008 für einige Gebäudetypen diese absolute Wahlfreiheit, aber damit können wir als FDP leben. Die FDP begrüßt vor allem, dass der Verordnungsentwurf klar herausstellt, dass die mit einem Energieausweis gegebenen Empfeh- lungen keine rechtlichen Sanktionen nach sich ziehen für den Fall, dass der Gebäudeeigentümer diese nicht um- setzt. Es ist richtig, es dem Wettbewerb der Gebäude- eigentümer untereinander zu überlassen, wann sie in welchem Umfang Maßnahmen zur Energieeinsparung unternehmen. Die Marktpreise beim Verkauf oder der Vermietung von Immobilien werden das konkrete Ver- halten der Eigentümer steuern – davon bin ich persönlich fest überzeugt. Einer staatlichen Reglementierung bedarf es deshalb nicht. Die mit dem Antrag der Grünen gefor- derte Ortsbesichtigung durch den Gutachter halten wir für ein zusätzliches bürokratisches Monster, das außer- dem den Energieausweis verteuern würde. Aus den genannten Gründen wird dem Antrag der Grünen nicht zugestimmt. 9964 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) Hans-Kurt Hill (DIE LINKE): Schon am Beginn die- ser Legislaturperiode hatte Die Linke in ihrem Antrag „Die zukünftige Energieversorgung sozial und ökolo- gisch gestalten“ die Einführung des bedarfsorientierten Energieausweises für Gebäude gefordert. Nach EU-Vor- gabe hätte der Energiepass schon Anfang 2006 Pflicht sein müssen. Aber nach guter Gewohnheit der Großen Koalition, Warten statt Taten, wurde auch dieses Vorha- ben um eineinhalb Jahre verschleppt. Dieses Problem zieht sich wie ein roter Faden durch die Legislatur: Es wird viel angekündigt beim Klimaschutz, tatsächlich ge- macht wird wenig. Ich nenne nur KWK-Novelle, regene- ratives Energien-Gesetz und Emissionshandel. Nun hat die Regierung die Verordnung vorgelegt. Doch das Ergebnis ist das Papier nicht wert, auf dem der Text geschrieben steht. Mit wirksamem Klimaschutz hat das nichts zu tun. Der Wahl-Energiepass ist doch Augenwischerei, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition. Das ist ein fauler Kompromiss und ein Kniefall vor der Immobilienlobby. Denn genau die hat eine Wahl, der einfache Häuslebauer nicht. Ihr Energieausweis führt zum Missbrauch und nicht zu sinkenden Nebenkosten. Wie viel Energie ein Gebäude tatsächlich verbraucht, werden Wohnungsnutzer auch in Zukunft nicht wissen. Wesentliche Beiträge zum Klimaschutz sind deshalb auch nicht zu erwarten. Das Problem: Die meisten Gebäudeeigner brauchen lediglich die Verbrauchswerte der letzten Jahre anzuge- ben. Das sagt aber nur wenig über ein Gebäude aus. Das zeigt nur an, wie sich der Vormieter beim Heizen verhal- ten hat. Denn der Energieverbrauch kann je nach Nutzer- verhalten um 50 Prozent schwanken. Vielleicht kann Herr Schäuble die Daten für seine innere Sicherheit ge- brauchen, den Verbraucherinnen und Verbrauchern sa- gen die Zahlen nur wenig. Die Linke fordert deshalb aus gutem Grund einen Be- darfs-Energiepass, der den Energiebedarf eines Hauses vergleichbar darstellt. Dabei werden verwendete Bau- stoffe und Heizungstechniken auf fachlichen Grundla- gen bewertet. Gleichzeitig müssen Defizite bei der Wärmesanierung angezeigt und Vorschläge zur Energie- einsparung gemacht werden. Das macht Sinn, denn ein Energiepass für Gebäude muss den Mietern helfen, kost- spielige Wohnungen von denen mit guter Wärmedäm- mung und sparsamer Heizung zu unterscheiden. Die Kollegen von der CDU/CSU hatten ja angeführt, dass bei einem Bedarfs-Energiepass „auf die Haus- und Wohnungseigentümer erhebliche Kosten zukommen würden.“ Das stimmt natürlich nur, wenn sich Gebäude- eigner weigern, in Wärmedämmung und moderne Hei- zungen zu investieren. Der Wert von klimaschädlichen und energieverschwendenden Häusern würde natürlich fallen. Aber genau das ist doch der Sinn der Verordnung: Energieeffiziente Häuser werden mehr nachgefragt. Wer Mieter an der Nase herumführen will, muss auffliegen. Das hat die Bundesregierung nun verhindert. Die Punkte drei bis fünf des vorliegenden Antrags sind also von der Großen Koalition nicht abgearbeitet worden. Deshalb stimmen wir dem Antrag zu. Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist schon ein Kreuz mit dieser Bundesregierung. Vor über einem Jahr verkündete Minister Tiefensee noch stolz, er habe sich mit seinem Kollegen Glos über die Energieein- sparverordnung geeinigt. Und dann? Still ruhte der Tiefensee! Tatsächlich dauerte es noch bis vor 14 Tagen, als uns im Ausschuss die soeben im Kabinett beschlos- sene Verordnung vorgestellt wurde, und dies auch nur, weil wir das Thema als Selbstbefassung auf die Tages- ordnung gesetzt hatten. Selbstredend, dass wir den ge- druckten Entwurf auch dann noch nicht einmal vorliegen hatten. Dies alles erinnerte mich doch sehr an das ver- gangene Trauerspiel mit Ihrem Infrastrukturplanungsbe- schleunigungsgesetz. Jetzt könnte ich ja wenigstens sagen: „Was lange währt, wird endlich gut.“ Aber auch dieses Attribut kann ich dieser schwachen Energieeinsparverordnung beim besten Willen nicht zubilligen. Denn sie bleibt in vielen Punkten weit hinter dem zu- rück, was wir bereits heute im Bereich der Energieein- sparung und Effizienzsteigerung baulich und technisch realisieren können und angesichts des Klimawandels und der drohenden Klimakatastrophe auch dringend um- setzen müssten. Es scheint mir, als ob Sie bis heute schon wieder vergessen haben, worüber wir in den ver- gangenen Wochen so viele Debatten geführt haben. Mit dieser Energieeinsparverordnung wird die Chance vergeben, zumindest im Gebäudesektor bezüg- lich der CO2-Emissionsreduktion einen großen Schritt nach vorne zu machen, und das in einem Sektor, in dem Investitionen häufig eine Festlegung auf 50 Jahre und mehr bedeuten, und wir auch aus diesen Gründen keine Zeit mehr zu verlieren haben. Alle Welt diskutiert die IPCC-Berichte, und dieses Gremium hat in der letzten Woche – auch von der Bun- desregierung unwidersprochen – gefordert, dass wir un- sere Emissionen in den nächsten acht bis 15 Jahren und nicht erst in 50 Jahren drastisch reduzieren müssen. Aber das scheint Sie nicht zu tangieren. Da setzen Sie lieber mühsam und bürokratisch eine uralte EU-Verordnung aus dem Jahre 2002 um, auch wenn ein paar Jahre zu spät. Und natürlich muss dies auch eins zu eins gesche- hen; das steht ja schließlich so im Koalitionsvertrag. Ob es dem Klima hilft oder nicht, ist egal, Hauptsache eins zu eins. Dabei hätten wir von Ihnen erwarten müssen, dass Sie einem Sektor, der für mindestens 20 Prozent der CO2- Emissionen verantwortlich zeichnet, ambitionierte Ziele vorgeben, um wenigstens die von Ihnen selbst geforder- ten Reduktionsziele erreichen zu können. Das kann und wird mit dieser Verordnung nicht gelin- gen, denn sowohl bei den Wohn- als auch bei den Nicht- wohngebäuden, sowohl beim Neubau als auch beim Be- standsbau bleiben Ihre Anforderungen weit hinter den Möglichkeiten zurück. Wir fördern schon heute mit Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9965 (A) (C) (B) (D) KfW-Mitteln Passivhäuser oder Niedrigenergiehäuser 40 und 60 und wissen, dass es sogar noch besser geht. Aber selbst in der Bedarfsberechnung liegen normale Neubauten nach ENEV im Standard noch deutlich über 100 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr. Noch schlimmer sieht es bei den Nichtwohngebäuden aus, bei denen der Standardbedarf bei 200 und mehr Kilowatt- stunden pro Quadratmeter und Jahr liegt, ganz zu schweigen von dem noch schlechteren Niveau bei mo- dernisierten Bestandsgebäuden. Ich will nur am Rande darauf hinweisen, dass es sich bei den Bedarfswerten um theoretische Werte handelt; in der Praxis dürften der Energiebedarf und damit die CO2- Emissionen noch deutlich höher – selbst bei Neubauten – sein. Das zeigen stichprobenartige Überprüfungen der Ausführungsqualität. Aber darüber spricht man ja lieber nicht. Die weiterhin unterschiedlichen Anforderungen an Wohn- bzw. Nichtwohngebäude zeigen zudem, dass der gewerbliche und industrielle Sektor geschont wird und die privaten Haushalte offensichtlich die Hauptlast der CO2-Reduktion im Gebäudesektor tragen sollen. Bei den hochgelobten Energieausweisen schauen die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Röhre. Nur auf ausdrückliche Anforderung ist jetzt der Vermieter ver- pflichtet, den Mieterinnen und Mietern eine Kopie des Energieausweises zu übergeben. Dann können sich diese mit den vermutlich fotokopierten – eigentlich farbigen – Diagrammen in Schwarz-Weiß herumärgern und rätseln, ob denn ihr Mietshaus vor oder nach dem Stichtag er- richtet wurde und ob und warum es sich um einen Be- darfs- oder einen Verbrauchsausweis handelt. Was das mit Transparenz zu tun hat, wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben. Auch hier wird eine große Chance vergeben, denn durch eine optimale Information der Verbraucher hätten diese bei der Wohnungswahl künftig mit den Füßen abstimmen können. Ob das so kommt, daran habe ich meine ernsten Zweifel. Wir werden bei diesem Thema nicht locker lassen, und wir kündigen Ihnen schon jetzt an, dass wir Sie bei der von Ihnen bereits angekündigten erneuten Novellie- rung der EnEV noch in dieser Legislaturperiode zum Ja- gen tragen werden. Wir haben einfach keine Zeit mehr! Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Der An- trag betrifft die Novellierung der Energieeinsparverord- nung, die das Kabinett am 25. April 2007 beschlossen hat, und dabei insbesondere die Energieausweise. Mit dem Antrag werden unter anderen die Einbringung der EnEV in die parlamentarische Beratung und bestimmte Regelungen zu Energieausweisen und Modernisierungs- empfehlungen gefordert, die über die EG-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden hinausgehen. Ich bitte um Ablehnung des Antrags, der bereits in al- len beteiligten Ausschüssen abgelehnt wurde. Zu bedenken ist, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung im Energieeinsparungsgesetz ermäch- tigt hat, mit Zustimmung des Bundesrates die neue Ener- gieeinsparverordnung zu erlassen. Die im Antrag gefor- derte parlamentarische Beratung der neuen EnEV würde zudem deren Verabschiedung erheblich verzögern. Dies würde bei der Öffentlichkeit, die an dieser Novellierung großes Interesse zeigt, auf Unverständnis stoßen und wäre nicht sachgerecht. Weitere im Antrag aufgestellte Forderungen würden eine überschießende Richtlinien- umsetzung darstellen. Die Bundesregierung ist, wie übrigens grundsätzlich bei Umsetzung von EG-Richtlinien, vom Grundkonzept der Eins-zu-eins-Umsetzung ausgegangen. Wir haben also bewusst nicht aufgesattelt, sondern uns an das, was die Richtlinie von den Mitgliedstaaten verlangt, gehal- ten. Hinzu kommt, dass wir in Zeiten, in denen Entbüro- kratisierung, bessere Rechtsetzung und Bürokratiekos- tenmessung wichtige Elemente unserer Politik sind, nicht ohne Not neue Bürokratien und neue Bürokratie- kosten aufbauen dürfen. Dies betrifft zum einen die Forderung nach einem Zertifizierungsverfahren für die Energieausweisausstel- ler. Die Einführung eines Zertifizierungsverfahrens führt sowohl zu neuen bürokratischen Strukturen als auch zu mehr Kosten. Unser Konzept besteht deshalb darin, ohne Zulas- sungsverfahren die erforderliche Qualifikation der Aus- steller durch die rechtlichen Vorgaben in der Verordnung sicherzustellen. Die zweite Forderung, die mir in diesem Zusammen- hang besonders ins Auge sticht, ist die Forderung nach einer durchgängigen Verpflichtung, für alle Gebäudety- pen sogenannte Bedarfsausweise vorzulegen, die auf in- genieurtechnischen Berechnungen beruhen. Hier sind wir beim zentralen Punkt dieser Verord- nung. Künftig muss den Interessenten bei Verkauf und Vermietung von Gebäuden ein Energieausweis zugäng- lich gemacht werden. Der Interessent soll wissen, ob es um ein energetisch gutes oder um ein energetisch schlechtes Gebäude geht. Deshalb werden in Zukunft Energieausweise eine wesentliche Rolle bei der Ent- scheidungsfindung von Kauf- und Mietinteressenten für Gebäude oder Wohnungen spielen. Hierdurch wird die Transparenz bezüglich der Energieeffizienz von Gebäu- den auf dem Immobilienmarkt erheblich verbessert. Bei der Frage, welcher Energieausweis in welchen Fällen zulässig ist, also der ingenieurtechnische Bedarfs- ausweis oder der sogenannte Verbrauchsausweis, hat die Koalition sehr sorgfältig abgewogen und sich bei den Wohngebäuden auf ein differenziertes Modell verstän- digt, das die entstehenden Kosten für die Immobilien- wirtschaft auf ein vertretbares Maß begrenzt: Energie- ausweis auf Bedarfsgrundlage bei „alten, unrenovierten“ Wohngebäuden mit weniger als fünf Wohnungen, also mit einem relativ schlechten Wärmedämmstandard, das erreicht nicht das Niveau der 1. Wärmeschutzverord- nung von 1977; Energieausweis auf Verbrauchsgrund- lage als Wahlmöglichkeit bei allen anderen Wohngebäu- den. 9966 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) Mit diesem Kompromiss hat die Bundesregierung eine ausgewogene Lösung gefunden, die den verschiede- nen betroffenen Belangen angemessen Rechnung trägt, also dem Anliegen nach fachlicher Aussagekraft des Energieausweises und dem Anliegen nach ausreichender Berücksichtigung der Kostenseite. Grundsätzlich ist der Energieausweis dem Kauf- und Mietinteressenten zu- gänglich zu machen. Auf Verlangen ist dem Interessen- ten auch eine Kopie zu überlassen. Wir haben also durchaus die Fälle berücksichtigt, in denen ein Interes- sent eine Kopie mitnimmt, um zu einer Beurteilung und Entscheidungsfindung kommen zu können. Eine Verschärfung der materiellen Anforderungen an Gebäude, Neu- und Altbauten, ist jetzt nicht vorgesehen, wegen der eben erwähnten Eins-zu-eins-Umsetzung, wird aber unmittelbar im Anschluss an diese Novelle vorbereitet und zeitnah umgesetzt. Über die Notwendigkeit einer Anpassung der energe- tischen Anforderungen herrscht innerhalb der Bundesre- gierung Einigkeit. Mit dieser Novelle sind unsere An- strengungen zur Verbesserung der energetischen Qualität im Gebäudebereich noch nicht am Ende angelangt. Wir werden alles tun, um die Potenziale der Energieeinspa- rung und die Nutzung von erneuerbaren Energien im Ge- bäudebereich weiter auszuschöpfen. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Begrenzung der Aufwendungen für die Prozess- kostenhilfe (Prozesskostenhilfebegrenzungsge- setz – PKHBegrenzG) (Tagesordnungspunkt 19) Elisabeth Heister-Neumann, Ministerin der Justiz (Niedersachsen): Als Beauftragte des Bundesrates ist es meine Aufgabe, den vom Bundesrat eingebrachten Ent- wurf eines Gesetzes zur Begrenzung der Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe vor diesem Hohen Hause zu vertreten. Dieser Aufgabe komme ich gern nach, gibt sie mir doch Gelegenheit, Ihnen den Handlungsbedarf und die besondere Dringlichkeit des Gesetzentwurfs aus Sicht der Länder deutlich zu machen. Die Justizhaushalte der Länder sind seit Jahren mit ei- ner enormen Ausgabensteigerung konfrontiert. Betroffen sind insbesondere die Bereiche der Prozesskostenhilfe und der Beratungshilfe sowie das Betreuungsrecht und Verfahren nach der Insolvenzordnung. Auf allen diesen Feldern sind die Ausgaben durch Bundesgesetze vorge- geben. Sie können von den Ländern nicht ohne weiteres beeinflusst werden. Deshalb brauchen wir die Unterstüt- zung des Bundesgesetzgebers, um die ich Sie nach- drücklich bitten möchte. Besorgniserregend ist insbesondere die Entwicklung der Ausgaben für die Prozesskostenhilfe. Allein in der or- dentlichen Gerichtsbarkeit haben sich die Zahlungen an beigeordnete Rechtsanwälte bundesweit von 261,7 Millio- nen Euro im Jahre 1998 auf 361,8 Millionen Euro im Jahre 2005 erhöht. Das ist ein Anstieg um fast 40 Prozent inner- halb von acht Jahren. Diese Kostenlast trifft fast aus- schließlich die Länder, denn bei den wenigen Bundesge- richten spielt die Prozesskostenhilfe keine nennenswerte Rolle. Der Ausgabenexplosion bei der Prozesskostenhilfe können die Länder nicht tatenlos zusehen. Hier gilt es gegenzusteuern, um den Anstieg der Ausgaben schnell und dauerhaft zu begrenzen und so die Haushalte der Länder von vermeidbaren Ausgaben zu entlasten. Der Bundesrat hat daher mit breiter Mehrheit den heute zur Beratung anstehenden Gesetzentwurf eingebracht, weil er hier vordringlichen Handlungsbedarf sieht. Er befin- det sich dabei in erfreulicher Übereinstimmung mit der Bundesregierung, die in ihrer Stellungnahme zu dem Entwurf ihre Bereitschaft erklärt hat, die Länder bei der Konsolidierung ihrer Haushalte zu unterstützen. Der Entwurf schlägt eine Vielzahl von Maßnahmen zur Ausgabenbegrenzung vor, die eine Entlastung der Länderhaushalte um annähernd 100 Millionen Euro pro Jahr erwarten lassen. Sie sollen hier nur knapp skizziert werden. Ein wesentliches Ziel ist es, den Gerichten wirk- samere Mittel gegen die missbräuchliche Inanspruch- nahme von Prozesskostenhilfe an die Hand zu geben. Dazu wird die Versagung der Prozesskostenhilfe bei mutwilliger Rechtsverfolgung erleichtert. Darüber hinaus sollen die Vorschriften über das Ver- fahren verbessert werden, um sicherzustellen, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des An- tragstellers einheitlich und zutreffend erfasst werden. Dazu werden die Gerichte zum einen in die Lage versetzt, ähnlich wie schon jetzt Sozial- und Finanzbehörden, die Angaben des Antragstellers zu überprüfen. Zum anderen soll die arbeitsintensive und von vielen Einzelumständen abhängige Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom Richter auf den Rechtspfleger übertra- gen werden können. Wenn ein Rechtspfleger diese Auf- gabe für das ganze Gericht erledigt, entlastet dies nicht nur die Richter, sondern es fördert auch die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung. Zentrales Anliegen des Gesetzentwurfs ist die Ver- stärkung der Eigenbeteiligung des Antragstellers. Dazu gehört zunächst die Änderung der Freibeträge für das Einkommen des Antragstellers, die an das sozialhilfe- rechtliche Existenzminimum angeglichen werden sollen. Wer mit seinem Einkommen über diesen Freibeträgen liegt, muss sich, wie schon nach geltendem Recht, durch Ratenzahlungen an den Prozesskosten beteiligen. Jedoch soll ihm die Ratenzahlung künftig nicht mehr nach 48 Monaten erlassen werden, sondern erst dann, wenn die von ihm zu tragenden Kosten des Rechtsstreits ge- deckt sind. Schließlich soll der Antragsteller künftig zur Deckung der Prozesskosten dasjenige einsetzen, was ihm im Rechtsstreit zugesprochen worden ist. Ebenso wie eine vermögende Partei kann er den erstrittenen Be- trag nur nach Abzug der Prozesskosten beanspruchen. Mir ist bewusst, dass vor allem die zuletzt genannten Änderungsvorschläge Kritik auf sich gezogen haben. Auch die Bundesregierung macht verfassungsrechtliche Bedenken geltend. Ich teile diese Bedenken nicht. Der Bundesrat ist sich der Bedeutung der Prozesskostenhilfe, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9967 (A) (C) (B) (D) die unbemittelten Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zum gerichtlichen Rechtsschutz gewährleistet, vollauf bewusst. Er hat daher besonderen Wert darauf gelegt, dass die Funktion dieses für unser rechtsstaatliches Ge- meinwesen notwendigen Instituts durch den Gesetzent- wurf nicht beeinträchtigt wird. Die Vorgaben, die sich aus dem Grundgesetz und aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Ausgestaltung des Rechts der Prozesskostenhilfe ergeben, sind vollständig beachtet worden. Der Gesetzentwurf verlangt an keiner Stelle, dass die bedürftige Partei denjenigen Teil ihres ursprünglich vorhandenen Einkommens und Vermögens einsetzt, den sie zur Deckung des Existenzminimums be- nötigt. Er verlangt lediglich eine stärkere Eigenbeteili- gung mit dem darüber hinausgehenden Einkommen und Vermögen. Für die Bezieher von Sozialleistungen wird sich also nichts ändern. Der Gesetzentwurf des Bundesrates unterscheidet sich damit deutlich von einem Referentenentwurf, den das Bundesministerium der Justiz im Januar 2007 vorge- legt hat. Mit dem sogenannten „Entwurf eines Gesetzes zur Entschuldung völlig mittelloser Personen“ – als ob sich mittellos noch steigern ließe – soll ein vereinfachtes Restschuldbefreiungsverfahren eingeführt werden. Zu dessen Kosten soll der mittellose Schuldner mit einem monatlichen Beitrag von 13 Euro herangezogen werden, und zwar auch dann, wenn er lediglich Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II bezieht. Dies erklärt der Entwurf ausdrücklich für verfassungsrechtlich zulässig. Ich er- wähne dies nur, um zu zeigen, dass der verfassungs- rechtliche Spielraum offenbar größer ist, als es die Stel- lungnahme der Bundesregierung zu unserem Entwurf auf den ersten Blick vermuten lässt. Darüber wird bei den Ausschussberatungen im Einzelnen zu reden sein. Der Bundesrat würde es begrüßen, wenn der Bundes- tag seine Beratungen über die Vorlage konstruktiv füh- ren und zeitnah abschließen würde. Darum bitte ich Sie im Interesse der Länder. Dirk Manzewski (SPD): Ziel des Gesetzentwurfs des Bundesrats ist eine Reduzierung der Ausgaben im Be- reich der Prozesskostenhilfe. Ich kann ja durchaus nach- vollziehen, dass dem weiteren Anstieg der zugegebener- maßen in den letzten Jahren erheblich gestiegenen Kosten für die Prozesskostenhilfe Einhalt geboten wer- den soll. Ich finde jedoch, dass es sich der Bundesrat mit dem vorliegenden Gesetzentwurf dabei etwas zu einfach macht. Mir fehlt es in dem Gesetzentwurf zum Beispiel bereits an einer umfassenden und nachvollziehbaren Analyse der Gründe für die Steigerungen. Die dem Ge- setzentwurf zugrunde liegende Untersuchung des Rech- nungshofes Baden-Württemberg halte ich schon alleine deshalb nicht für exemplarisch, weil sich die finanziellen Situationen in den einzelnen Bundesländern erheblich voneinander unterscheiden. Zudem ist die Begründung widersprüchlich. Zum ei- nen wird hierin immer wieder insbesondere auf die Kos- tenexplosion von 2002 auf 2003 hingewiesen. Zum an- deren wird als Hauptursache für den Kostenanstieg die Anhebung der Freibeträge zum 31. Dezember 2004 so- wie der Anstieg der Rechtsanwaltsvergütung zum 5. Mai 2004 genannt. Anhebung und Anstiege im Jahre 2004 können aber nicht maßgeblich für Kostensteigerungen im Jahr 2003 sein. Hierzu fehlt vielmehr weiterhin jegli- cher Vortrag. Im Übrigen hätte ich Probleme damit, dass die be- dürftigen Parteien die Folge staatlicher Eingriffe – und nichts anderes sind ja Anhebung von Freibeträgen und Rechtsanwaltsvergütungen – zu tragen hätten. Mir fehlt es auch an einer konkreten Erfassung der tatsächlichen Belastung der Länderhaushalte. Denn die bloße Darlegung der Steigerung von gewährter Prozess- kostenhilfe ist nichtssagend, wenn nicht zugleich auch die Rückflüsse präzisiert werden. Zudem lassen sich nur so auch die tatsächlich angedachten Einsparungen ver- nünftig einschätzen. Man muss bei dem Gesetzentwurf meiner Meinung nach leider auch erhebliche verfassungsrechtliche Be- denken anmelden. Aufgrund des in Art. 3 Abs. 1 GG normierten Prinzips der Rechtsgleichheit haben wir als Gesetzgeber dafür Sorge zu tragen, dass auch die nicht so bemittelten Parteien in die Lage versetzt werden, ihre Ansprüche in einem Rechtsstreit geltend zu machen. Diesen Grundsatz sehe ich zum Beispiel gefährdet, wenn die Partei nach dem Vorschlag des Bundesrats zur He- rausgabe sämtlicher Vermögenswerte verpflichtet wer- den soll, die sie zuvor mithilfe von Prozesskostenhilfe erstritten hat. Zwar muss eine Partei bereits nach geltendem Recht die Verfahrenskosten mit dem in einem Rechtsstreit Er- langten zurückzahlen; der Vorschlag des Bundesrates geht jedoch weit über die bisherige Rechtslage hinaus, weil er keine Rücksicht darauf nimmt, ob das Erlangte der Sicherung des grundgesetzlich geschützten Existenz- minimums dient oder entsprechendes Schonvermögen darstellt. Wenn dann auch noch die Begrenzung der Ra- tenzahlungsdauer aufgehoben, die Einkommensfreibe- träge auf das sozialhilferechtliche Existenzminimum ab- gesenkt und eine Pauschalierung der Ratenhöhe auf zwei Drittel des einzusetzenden Einkommens vorgenommen werden sollten, dann ist – um es vorsichtig auszudrü- cken – zumindest das Bündel dieser Maßnahmen geeig- net, Parteien, denen es nicht so gut geht, von der gericht- lichen Durchsetzung ihrer Rechte abzuhalten. Denn abgesehen davon, dass sich dadurch die Pro- zesskostenhilfe quasi vom Zuschuss zum Darlehen ver- ändern würde, würde dies aufgrund der nicht mehr zu überblickenden zukünftigen Belastung dazu führen, dass das Risiko einer Prozessführung gescheut und damit auf die gerichtliche Durchsetzung der Rechte verzichtet wird. Dies kann weder gewollt sein noch von uns sozial- demokratischen Rechtspolitikern akzeptiert werden. Soweit nach dem Vorschlag des Bundesrats bei der Bemessung der Freibeträge der bundesweit pauschal maßgebliche Regelsatz gestrichen und stattdessen auf die in den jeweiligen Bundesländern maßgeblichen Sätze abgestellt werden soll, halte ich dies für eine Ver- 9968 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) komplizierung und weitere Belastung der Gerichte bei der Berechnung von Prozesskostenhilfe. Von dem Vorschlag der Einführung einer gesonderten Gebühr für die Festsetzung von Raten halte ich ebenso wenig. Abgesehen davon, dass insoweit schon eine Schlechterstellung gegenüber denjenigen vorliegt, die zwar keine Prozesskostenhilfe erhalten haben, aber im Nachhinein dann im Zusammenhang mit der Kosten- rechnung eine Zahlungsvereinbarung mit der Landes- kasse treffen, würden gerade bei Verfahren mit niedrigen Streitwerten Streitwert und Gebühr in keinem vernünfti- gen Verhältnis stehen. Ich halte es durchaus für legitim, dass wir uns hier darüber unterhalten, ob unsere Regelungen zur Prozess- kostenhilfe so tatsächlich noch zeitgemäß sind oder aber ob wir die Regularien nicht überarbeiten müssen. Ich selbst frage mich zum Beispiel schon seit langem, wa- rum Richter statt Rechtspfleger die Bedürftigkeit über- prüfen müssen und wieso überhaupt auch noch bei den- jenigen die Bedürftigkeit überprüft werden muss, denen dies gerade aktuell vom Sozialamt bzw. der Arge bestä- tigt worden ist. Den Entwurf des Bundesrates halte ich jedoch zumin- dest in der jetzigen Form allenfalls als Denkanstoß ge- eignet. Mechthild Dyckmans (FDP): Die Prozesskosten- hilfe ermöglicht es auch Bürgerinnen und Bürgern, die nur über ein geringes Einkommen oder über geringe Finanzmittel verfügen, ein prozessuales Verfahren anzu- strengen. Damit wird sichergestellt, dass die Gewährung von Rechtsschutz nicht von den finanziellen Verhältnis- sen der beteiligten Personen abhängt. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist eine tragende Säule des Rechtsstaatsprinzips. Der Zugang zu den Gerichten er- gibt sich neben der Rechtsschutzgarantie auch aus dem Justizgewährleistungsanspruch. Die Bundesländer behaupten, dass die Kosten der Jus- tizhaushalte für die Gewährung von Prozesskostenhilfe in den vergangenen Jahren stetig gestiegen sind. Dies trifft für einige Bundesländer sicherlich zu. Ich habe je- doch Zweifel an den Berechnungen, die sich in der Be- gründung des Gesetzentwurfs finden. Die Hochrechnung von Zahlen für einzelne Bundesländer auf das gesamte Bundesgebiet erscheint mir doch sehr gewagt. Offen spricht der Gesetzentwurf die Gründe an, die zum Teil ursächlich sind für den Anstieg der Prozesskostenhilfe. Dies sind zum einen die Erhöhung der Rechtsanwaltsge- bühren durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz und die Auswirkungen des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch aus der ver- gangenen Wahlperiode. In diesem Zusammenhang möchte ich deutlich darauf hinweisen, dass diese beiden Gesetzesinitiativen nicht an den Ländern vorbeigegan- gen sind. Die Länder waren an den entsprechenden Ge- setzgebungsverfahren beteiligt. Es kann also niemand zum jetzigen Zeitpunkt die Behauptung aufstellen, er trage für die Erhöhung der Prozesskostenhilfe keine Ver- antwortung. Die FDP hat in den vergangenen Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass Reformen der Justiz im Inte- resse der Bürgerinnen und Bürger nicht mit einer Ein- schränkung des Rechtsschutzes einhergehen dürfen. Re- formeifer, der nur durch das Ziel der Kostenreduktion getrieben ist, wird in der FDP keine Verbündeten finden. Reformen, die ausschließlich von fiskalischen Gründen bestimmt sind, schwächen den Rechtsstaat und gefähr- den den Justizgewährleistungsanspruch. Die Ausgestal- tung unseres Rechtsstaates ist zu Recht Vorbild für viele junge Demokratien überall in der Welt. Es ist daher je- der, der weitere Reformen in der Justiz und insbesondere im Bereich der Prozesskostenhilfe vorschlägt, dafür be- weispflichtig, dass diese Reformen auch tatsächlich ge- boten sind. An diesen Grundsätzen werden wir den Ge- setzentwurf des Bundesrates messen. Der Gesetzentwurf enthält einige Regelungen, die durchaus überlegenswert sind und die in der Tat zu einer Effektivierung des Bewilligungsverfahrens beitragen können. Dazu zählt beispielsweise die Erweiterung des Aufgabenbereichs der Rechtspfleger im PKH-Bewilli- gungsverfahren. Es ist sachgerecht, dass die Prüfung der Bedürftigkeit der Partei, die mitunter äußerst kompliziert und zeitaufwendig sein kann, vom Rechtspfleger über- nommen wird. Insgesamt überwiegen jedoch die Bedenken. In Teilen enthält der Gesetzentwurf Regelungen – so zum Beispiel die Definition der Mutwilligkeit in § 114 Abs. 2 ZPO –, die bereits ständige Rechtsprechung sind und daher einer zusätzlichen Erwähnung im Gesetzentwurf nicht zwin- gend bedürfen. § 114 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist darüber hi- naus bedenklich, da dadurch der Eindruck entsteht, Baga- tellfälle sollen grundsätzlich aus der Prozesskostenhilfe hinausgedrängt werden. Der Kern der Kritik betrifft je- doch die Vorschriften zur Art und Weise der Erhöhung der Eigenbeteiligung der bedürftigen Partei an den Prozess- kosten. Diejenigen, deren Einkommen und Vermögen über das im Sozialhilferecht definierte Existenzminimum hinausgeht, sollen Prozesskostenhilfe künftig nur noch als Darlehen erhalten, das durch Zahlungen aus ihrem einzu- setzenden Einkommen und Vermögen vollständig zurück- zuzahlen ist. Damit holt sich der Staat vom Bürger das zu- rück, was er ihm kurz zuvor erst gegeben hat. Wenn der Bürger zur Durchsetzung von Ansprüchen, die sein Exis- tenzminimum sichern sollen, vor Gericht geht und ihm das Gericht hierfür Prozesskostenhilfe gewährt, soll er bei positivem Ausgang des Prozesses die geforderten Zahlun- gen umgehend an die Staatskasse zurückgeben müssen. Wir sollten hier die Bewertung der Bundesregierung ernst nehmen, die gegen die Vorschriften zur stärkeren Eigen- beteiligung durchgreifende verfassungsrechtliche Beden- ken vorträgt. Der Gesetzentwurf weist zwar an verschie- denen Stellen darauf hin, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen sich in dem Rahmen bewegen, der verfas- sungsrechtlich geboten ist. Ich möchte für die FDP-Bun- destagsfraktion aber die Frage aufwerfen, ob das, was ver- fassungsrechtlich als Mindeststandard geboten ist, auch rechtspolitisch so gewünscht ist. Ich glaube, dass der Bundesrat zur Lösung des Pro- blems den falschen Weg einschlägt. Es macht keinen Sinn, die Prozesskostenhilfe pauschal zu kürzen und die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9969 (A) (C) (B) (D) für den Anstieg der Prozesskostenhilfe verantwortlichen Strukturen innerhalb der Justiz unangetastet zu lassen. Wir haben es hier in erster Linie mit Strukturproblemen zu tun. Es ist bekannt, dass es die Justiz mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln nicht schafft, nach Ab- schluss eines Prozesses von der obsiegenden Partei die gewährte Prozesskostenhilfe zurückzufordern bzw. in- nerhalb der Vierjahresfrist eine Überprüfung der Bedürf- tigkeit vorzunehmen. Ein weiteres Problem liegt darin, dass die Gerichte personell kaum in der Lage sind, die PKH-Anträge umfassend zu prüfen. Hier wäre eine Auf- stockung der Ressourcen notwendig, um das Bewilli- gungsverfahren insgesamt zu effektivieren. Auch die Rechtsanwälte als Organ der Rechtspflege sollten jede Möglichkeit nutzen, bei der Eindämmung etwaiger Missbrauchsfälle mitzuhelfen. Ich halte es daher für den falschen Weg, zuerst beim Bürger anzusetzen, anstatt in erster Linie die Strukturprobleme in der Justiz zu behe- ben. Ich bin sehr gespannt darauf, wie sich die Koalition zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates verhalten wird. In der Debatte zum Justizhaushalt vom September 2006 hat der Kollege Stünker gesagt, der Gesetzentwurf des Bundesrats werde in diesem Haus keine Mehrheit fin- den. Die folgenden Beratungen im Rechtsausschuss ver- sprechen daher spannend zu werden. Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man den sozialpolitischen Absichtserklä- rungen der SPD wenigstens gelegentlich noch einmal Glauben schenken darf. Entgegen aller Vernunft und ent- gegen aller Erfahrung will ich diese Zuversicht – test- weise – für den aktuellen Gesetzgebungsprozess aufbrin- gen. Grund für so viel unvorsichtige Hoffnung geben mir die kraftvollen Bekundungen des Kollegen Stünker in der 45. Sitzung im September des vergangenen Jahres. In der 45. Sitzung wies ich in meiner Rede zum Haushalt auf die Tatsache hin, dass der heute zu behandelnde Ent- wurf des Bundesrates zur Begrenzung der Prozesskos- tenhilfe vor allem eines erkennbar und empfindlich be- grenzen wird: die soziale Gerechtigkeit. Sollte dieser Entwurf Gesetz werden, dann wird fortan der Zugang zu den Gerichten für sozial schlechter gestellte Menschen erheblich erschwert sein. Es handelt sich um ein Vorhaben, das nicht nur der so- zialen Intention unseres Grundgesetzes zuwiderläuft, sondern auch einen echten Anachronismus darstellt. Es wäre die Rückkehr zum historischen Armenrecht, das die Rechtsdurchsetzung für die Unbemittelten einst als ein gnädiges Almosen vergab. Während die Kolleginnen der CDU/CSU in der da- maligen Debatte angesichts des Entwurfs um ihren eige- nen Rechtschutz kaum bange waren und sich daher zu meinen Ausführungen prächtig amüsierten, reagierte der Kollege Stünker von der SPD einigermaßen entrüstet. Immerhin war das wohl der zaghafte Ausdruck eines ei- genen Unrechtsgefühls in dieser Sache. Wörtlich sagte uns der Kollege Stünker: „Herr Kollege Nešković, Sie können ganz sicher sein, dass das, was Sie über das be- richtet haben, was über den Bundesrat auf uns zukommt, in diesem Haus in absehbarer Zeit keine Mehrheit finden wird.“ Ganz sicher wäre ich gerne. Ich hoffe nun, dass der Kollege Stünker in seiner Fraktion einen ausreichenden Stand hat, um daran zu arbeiten, dass sich seine Voraus- sagen im Stimmverhalten in den Ausschüssen und noch später im Plenum bewahrheiteten. Denn dieser Entwurf darf keinesfalls Gesetz werden! Das sollte sogar die SPD erkennen. Zu den unverbrüchlichen Prinzipien der sozialen De- mokratie gehört es, dass die Kraft des Rechtes und sein Schutz jeden Einzelnen erreichen müssen, und zwar un- abhängig vom persönlichen Vermögen oder Unvermö- gen. Doch zur Durchsetzung und der Verteidigung seiner Rechte braucht der Mensch in aller Regel zweierlei: ei- nen guten Rechtsbeistand und den Zugang zu den Ge- richten. Beide Voraussetzungen stellt für sozial Schwa- che die Prozesskostenhilfe sicher. Beide gefährdet der aktuelle Entwurf, der die Prozesskostenhilfe beschnei- den will und zudem an eine ganze Reihe von unzumut- baren Bedingungen und Voraussetzungen knüpft. An dieser Stelle nur einige Beispiele: Auch in den Fällen eindeutiger Erfolgsaussicht soll es künftig noch leichter möglich werden, Prozesskostenhilfe wegen et- waiger mutwilliger Rechtsverfolgung zu verweigern. Der vorgesehene § 114 Abs. 2 ZPO unternimmt zu dem Kriterium der Mutwilligkeit eine Definition, die die Ge- fahr der Unwägbarkeit und des staatlichen Missbrauchs gleich mitbringt. Sie ist auch aus sich heraus entlarvend. Sie entlarvt die Kaltherzigkeit der Entwurfsersteller. Während es nach dem Entwurf nämlich jedem Gutbe- tuchten unbenommen sein wird, um einen Kleckerbetrag jahrelang zu prozessieren, werden für den PKH-Antrag des Mittellosen der „Einsatz“ und der „Gewinn“ eines Verfahrens ins Verhältnis gesetzt. Doch eigentlich kann es keinem Menschen schwerfallen, zu erkennen, dass ein vermeintlicher Kleckerbetrag gleichzeitig eine sehr be- deutende Summe sein kann, und zwar für jemanden, der in der Situation ist, überhaupt PKH beantragen zu müs- sen. Die angesprochene Abwägung ist also nicht weniger als eine unverhohlene Verhöhnung der Armen. Lesen Sie den Absatz einmal richtig! Man sagt dort den sozial Be- dürftigen: Wenn ihr um das Wenige kämpfen wollt, das euch noch zusteht, dann helfen wir euch nicht mehr! Denn dieses Wenige ist uns zu billig. Es ist uns vor allem zu teuer, euch dabei zu helfen, dieses Wenige zu erhal- ten. Darüber hinaus sorgen die vom Entwurf vorgesehe- nen drastischen Mitwirkungs- und Informationspflichten dafür, dass sich der Bedürftige wie ein glückloser Bitt- steller vor dem Recht fühlen muss. Als Richter kann ich Ihnen versichern, dass jedes Erfordernis, jede Mitwir- kung, jede Bedingung, die der Gesetzgeber den Bürge- rinnen abverlangt, zuallererst diejenigen trifft, denen es stets am schwersten fällt, vor solchen Hürden ihr Risiko und ihre Pflichten noch zu kalkulieren: den sozial 9970 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) Schwachen! Man macht es denen zusätzlich schwer, die es ohnehin schon schwer haben. Teilt der Antragsteller etwa eine Anschriftsänderung versehentlich nicht oder verspätet mit, so soll dies nach dem neuen § 124 Nr. 3 a ZPO – trotz anhaltender Be- dürftigkeit – zu einer Versagung oder Aufhebung der PKH führen. Willigt der Antragsteller nicht schon bei der Beantragung in die Einholung von Auskünften zu seinem Vermögen bei Dritten ein, zieht das nach den vorgesehenen neuen §§ 117, 118 ZPO die Ablehnung der PKH nach sich. Ein begründeter Anlass für die Wei- gerung im Einzelfall wird schon gar nicht für möglich gehalten. Es wird dem Antragsteller bereits verwehrt, überhaupt konkret erläutern zu dürfen, warum er einer solchen Auskunftseinholung aufgrund konkreter Um- stände mit berechtigter Sorge begegnet. Und dann kann sich der Entwurf, der ja auch die Übernahme von Gerichtsgebühren begrenzen will, rüh- men, selbst eine neue Gebühr einzuführen: Die Bewilli- gung eines PKH-Antrages soll nach dem Entwurf jedem Antragsteller, der sich auch nur knapp überhalb des Existenzminimums befindet, eine Pflicht zur Zahlung von 50 Euro bescheren. Das sind 50 Euro, die nicht er- stattet werden und von der Gegenseite selbst im Falle des Obsiegens nicht zu übernehmen sind. Zu schlechter Letzt ist es das Existenzminimum selbst, das der Entwurf für die ratenfreie PKH praktisch neu definieren will: Das einzusetzende Schoneinkom- men wird in etwa halbiert. Halbiert! Ich komme daher auf die eingangs getroffene Überlegung zu der Glaub- würdigkeit sozialdemokratischer Absichtserklärungen zurück: Sollte die SPD – trotz gegenteiliger Bekundun- gen – diesem Entwurf dennoch ihre Zustimmung geben, hätte sie sich endgültig als Partei sozialer Restgerechtig- keit disqualifiziert. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Gesetzentwurf des Bundesrates verfolgt das Ziel, der an- geblich exorbitant gestiegenen Prozesskostenhilfe einen Riegel vorzuschieben. Es ist ein reines Kostendämp- fungsgesetz ohne Rücksicht auf Verluste an Sozialstaat- lichkeit wie Rechtsstaatlichkeit. Die im Entwurf genann- ten Zahlen, mit denen die Länder die behauptete „Kostenexplosion bei der Prozesskostenhilfe“ belegen wollen, basieren auf recht windigen Hochrechnungen Sie stammen aus einer unveröffentlichten Kosten-Leis- tungs-Gegenüberstellung des Landes Baden-Württem- berg. Eine bundesweite Regelung, die die Prozesskos- tenhilfe grundlegend infrage stellt, lässt sich so nicht seriös begründen. Ob die Länder – wie von der Bundes- regierung angemahnt – inzwischen geeignete Maßnah- men zur genaueren Erfassung der PKH-Aufwendungen ergriffen haben, ist nicht bekannt. Richtig ist, dass die staatlichen Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe gestiegen sind. Der Hauptgrund liegt in der gesetzlichen Anhebung der Rechtsanwaltsvergü- tung durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz von 2004. Sie war viele Jahre nicht angehoben worden und garantierte schon viel zu lang kein ausreichendes Ange- bot an qualifizierter anwaltlicher Vertretung vor Gericht. Dieses Gesetz hatte der Bundesrat übrigens einstimmig mitgetragen. Die schon damals vorhersehbaren und ge- wollten Folgen, die mit der notwendigen Anhebung der Anwaltsvergütung verbunden waren, jetzt auf sozial Schwache abwälzen zu wollen, ist sozialpolitischer Kahlschlag und – offen gesagt – schlicht unverfroren. Ich will nun auf die einzelnen Vorschläge des Bundes- rates eingehen. Die schwerwiegendsten ignorieren die mit dem Justizgewährungsanspruch gezogenen verfas- sungsrechtlichen Grenzen und – das möchte ich schon jetzt vorwegnehmen – werden von uns Grünen konse- quent abgelehnt: Die Prozesskostenhilfe beantragende Partei soll nach der Vorstellung der Länder eine noch stärkere Eigenbe- teiligung als bisher leisten. Zu diesem Zweck schlägt der Bundesrat vor, die Einkommensfreibeträge auf das so- zialhilferechtliche Existenzminimum abzusenken. Im Fall der Ratenzahlung sollen sogar pauschal Zweidrittel des Einkommens als Ratenhöhe eingesetzt werden. Und damit nicht genug: Die gegenwärtige zeitliche Begren- zung der Ratenzahlung auf maximal 48 Monate soll ge- strichen werden. Damit werden gerade Menschen in pre- kären finanziellen Situationen auf unabsehbare Zeit belastet. Wir schließen uns der Bundesregierung hier aus- drücklich an, die in ihrer Stellungnahme gegenüber die- sem und fast allen anderen Vorschlägen der Länder „durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken“ gel- tend macht. An den Rand des Existenzminimums will der Bun- desrat die Rechtssuchenden offenbar auch treiben, wenn er vorschlägt, dass das durch den Prozess Erlangte für die Rückzahlung der Prozesskostenhilfe vollumfänglich eingesetzt werden muss, und zwar ohne Begrenzung auf Existenzminimum oder Schonvermögen. Neben ihrer ins Auge springenden Verfassungswidrigkeit schaffen sol- che Vorschläge darüber hinaus den an anderer Stelle oft so verteufelten Bürokratiezuwachs. Doch nicht genug: Die Länder wollen daneben auch noch – im Fall der Ratenzahlung – eine sogenannte Pro- zesskostenhilfe-Bewilligungsgebühr in Höhe von 50 Euro einführen. Auch dies lehnen wir Grünen ab. Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 GG liegt auf der Hand, wenn diejenigen keine Gebühr entrichten müssen, die ohne Bewilligung von Prozesshilfe eine Ra- tenzahlung erst nach Eingang der Kostenrechnung mit der Landeskasse vereinbaren. Abgesehen davon ent- spricht die Gebühr nicht – wie erforderlich – einer kon- kreten staatlichen Leistung. Erlauben Sie mir noch eine Schlussbemerkung: Aus sämtlichen Regelungsvorschlägen der Länder springt einen Missgunst an – eine Missgunst gegenüber denje- nigen, die nur mithilfe des Staates ihr Recht vor Ge- richt geltend machen können. Als Beispiel sei hier nur ein Satz aus der Begründung zitiert: „Zu den zentralen Anliegen des Gesetzentwurfs gehört es daher, den Ge- richten wirksamere Mittel gegen die missbräuchliche Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe an die Hand zu geben.“ Die Vorschläge richten sich aber mitnichten Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9971 (A) (C) (B) (D) gegen Einzelne, sondern gegen alle Menschen, die Pro- zesskostenhilfe benötigen, um zu ihrem Recht zu kom- men. Ich fordere deshalb alle in diesem Hohen Hause auf, der bisher auf den verschiedensten Podien und öffentli- chen Veranstaltungen zuweilen zu hörenden Ablehnung solcher Vorschläge Taten folgen zu lassen: Dieses Ge- setz verdient nichts anderes als ein einhelliges Nein. Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz: Der Gesetzentwurf des Bundes- rates soll die Ausgaben im Bereich der Prozesskostenhilfe spürbar reduzieren. Diese Ausgaben sind zuletzt erheblich gestiegen. Natürlich steht die Bundesregierung den Län- dern bei der notwendigen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zur Seite. Allerdings müssen die Einschnitte für die Betroffenen zumutbar sein, und sie dürfen nicht gegen die Verfassung verstoßen. Die Bundesregierung begrüßt Maßnahmen, die einer missbräuchlichen Inanspruchnahme von Prozesskosten- hilfe entgegenwirken. Es ist daher richtig, wenn der Ent- wurf die Empfänger von Prozesskostenhilfe verpflichtet, dem Gericht unaufgefordert eine Verbesserung ihrer Ein- kommenssituation mitzuteilen. Sinnvoll ist es außerdem, mutwillige Prozesskostenhilfeanträge genauer unter die Lupe zu nehmen, damit der Staat keine unsinnigen Pro- zesse finanziert. Kernstück des vorliegenden Entwurfes ist allerdings die stärkere Eigenbeteiligung der Partei an den Kosten des Rechtsstreits. Auch hier gibt es sicherlich Verbes- serungsmöglichkeiten, an die aber mit Augenmaß heran- gegangen werden muss. Der Justizgewährungsanspruch zieht klare verfassungsrechtliche Grenzen, die wir zu respektieren haben. Daraus folgt, dass niemand dazu ge- zwungen werden darf, zur Verfolgung seiner Rechte das verfassungsrechtlich verbürgte Existenzminimum einzu- setzen. Ich habe Bedenken, ob diese verfassungsrechtlichen Vorgaben in dem vorliegenden Entwurf überall hinrei- chend beachtet worden sind. Problematisch erscheint mir insbesondere der Vorschlag, die Partei zur Heraus- gabe sämtlicher Vermögenswerte zu verpflichten, die sie mithilfe der Prozesskostenhilfe erstritten hat. Mit diesem Vorschlag sollen auch solche Beträge abgeschöpft wer- den, die das Existenzminimum sichern oder sogenanntes Schonvermögen darstellen. Das können insbesondere Unterhaltsansprüche oder Arbeitslohn sein. Es ist aber widersprüchlich, ineffizient und bürokratisch, der be- dürftigen Partei im Prozesskostenhilfeverfahren das zu nehmen, was ihr der Staat bei der Sozialhilfe sogleich wieder zukommen lassen müsste. Im Übrigen könnte sich die bedürftige Partei gegen eine Vollstreckung von Verfahrenskosten durch den Staat auf einen Pfändungsschutz berufen, wenn zum Beispiel unpfändbarer Unterhalt oder Arbeitsentgelt abgeschöpft werden sollen. Die hier vorgeschlagene Gesetzesänderung zielt also letztlich darauf ab, dem Justizfiskus mit dem ei- nen Gesetz einen Anspruch zu verschaffen, den er wegen eines anderen Gesetzes gar nicht durchsetzen darf. Beson- ders bedenklich erscheint dies vor dem Hintergrund von Plänen in Baden-Württemberg, die Einziehung von For- derungen gerade auch für den Bereich der Prozesskosten- hilfe auf private Inkassounternehmen zu übertragen. Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen außer- dem die Freibeträge an die sozialhilferechtlichen Regel- sätze angeglichen und auf das reine Existenzminimum re- duziert werden. Der Entwurf sieht neben dieser betragsmäßigen Absenkung auch eine Streichung der bis- her geltenden bundesweiten Pauschalierung der Freibe- träge vor und plädiert für eine Differenzierung nach einzel- nen Ländern und Lebensaltersstufen bei Freibeträgen für Unterhaltsberechtigte. Zwar mag dieser Vorschlag den ver- fassungsrechtlichen Vorgaben noch genügen, ich glaube aber, dass dadurch das Bewilligungsverfahren verkompli- ziert und bürokratischer wird. Es ist mehr als fraglich, ob sich so die erhofften Einsparpotenziale realisieren lassen. Ich bin alles in allem gleichwohl zuversichtlich, dass am Ende der nun anstehenden Beratungen in diesem Hause ein gutes Ergebnis stehen wird, das die sinnvollen und richtigen Vorschläge aus dem Bundesratsentwurf für ein Prozesskostenhilfebegrenzungsgesetz fortentwickelt und umsetzt. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Ge- setzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhe- bung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (2. NS-AufhGÄndG) (Ta- gesordnungspunkt 20) Norbert Geis (CDU/CSU): Die Fraktion Die Linke will mit dem vorliegenden Gesetzentwurf weitere Ur- teile, die in der nationalsozialistischen Zeit ergangen sind, ohne Einzelfallprüfung pauschal aufheben und für ungültig erklären. Mit dem Gesetz über die Aufhebung nationalsozialistischer Urteile vom 25. August 1998 hat der Gesetzgeber Gesetze aufgelistet, die den elementa- ren Grundsätzen der Gerechtigkeit widersprochen ha- ben. Die aufgrund dieser Gesetze ergangenen Urteile wurden durch Gesetz pauschal aufgehoben. Den Katalog dieser Gesetze hat die rot-grüne Koalition mit Gesetz vom 23. Juli 2002 ergänzt. Nun will die Fraktion Die Linke diesen Katalog um die Tatbestände des Militär- strafgesetzbuches, die vom Kriegsverrat handeln (§ 57, 59 und 60 NStGB) erweitern und damit auch alle Ur- teile, die auf Grundlage dieses Gesetzes ergangen sind, pauschal aufheben. Man fragt sich natürlich, warum mehr als 60 Jahre nach Ende der Nazizeit immer noch die Forderung kommt, Urteile aus dieser Zeit pauschal aufzuheben. Pauschal heißt, ohne Prüfung des Einzelfalles, ohne sich die Frage zu stellen, ob einzelne Urteile damals, bei allen Abstrichen, die man machen muss, nach den damaligen Umständen nicht doch rechtens gewesen sein könnten. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 19. Februar 1957 bei der pauschalen Aufhebung 9972 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) von Gesetzen nationalsozialistischer Herkunft sehr abge- wogene Maßstäbe gesetzt. Es hat festgestellt, dass unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Gesetze entstanden sind, denen die Unmenschlichkeit und Unge- rechtigkeit gewissermaßen auf der Stirn geschrieben stand, und dass ihnen deshalb jede Gültigkeit als Recht abgesprochen werden muss. Selbstverständlich sind dann auch die Urteile, die auf solchen Gesetzesgrundla- gen ergangen sind, von Anfang an nichtig. Das Verfassungsgericht hat aber auch ausgeführt, dass nicht alle Gesetze, nur weil sie in der Nazizeit erlassen wurden, ohne Prüfung ihres Inhaltes pauschal als rechts- unwirksam aufgehoben werden dürfen: „Eine solche An- nahme würde übersehen, dass auch eine ungerechte und von geläuterter Auffassung aus abzulehnende Gesetzge- bung durch das auch ihr innewohnende Ordnungsele- ment Geltung gewinnen kann.“ Das Verfassungsgericht weist darauf hin, dass durch solche Gesetze wenigstens Rechtssicherheit geschaffen werden konnte und, wenn die äußersten Grenzen der Gerechtigkeit nicht über- schritten wurden, so dem Rechtschaos entgegengewirkt werden konnte. In diesem Sinne können auch Urteile Bestand haben, wenn sie innerhalb des weit gesteckten Rahmens der Gerechtigkeit für Rechtssicherheit und für Rechtsordnung gesorgt und dem Rechtschaos entgegen- gewirkt haben. Deshalb ist also bei der pauschalen Auf- hebung solcher Urteile größte Sorgfalt anzuwenden. Im- mer muss gefragt werden, ob diese Urteile, wenn auch bei aller Unzulänglichkeit, nicht doch der Rechtsidee entsprochen haben, wie sie zu allen Zeiten Gültigkeit hat. Diesen Gedanken des Verfassungsgerichtes hat das Gesetz vom 25. August 1998 aufgegriffen. Durch § 1 dieses Gesetzes wurden Urteile, die unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 erlassen wurden, pauschal aufgehoben. In diesen Fällen kann die Staatsanwaltschaft auf Antrag die Aufhebung des Urteils feststellen. Über die Feststel- lung der Aufhebung erteilt die Staatsanwaltschaft eine Bescheinigung. Nicht also die Staatsanwaltschaft hebt auf, sondern die Staatsanwaltschaft stellt nur fest, dass dieses Urteil unter die Generalklausel des § 1 und damit durch das Gesetz vom 25. August 1998 pauschal aufge- hoben worden ist. Um nun der Staatsanwaltschaft die Feststellung, dass ein Urteil aus der NS-Zeit im Sinne dieser genannten Generalklausel aufgehoben ist, zu erleichtern, hat der Gesetzgeber in § 2 Regelbeispiele gebildet. Dazu gehört ein langer Katalog von Nazigesetzen. Bei solchen Geset- zen ist davon auszugehen, dass Urteile, die darauf beru- hen, gegen die Generalklausel verstoßen und deshalb ohne Einzelfallprüfung aufgehoben sind. Beruhen Ur- teile nicht auf diesen Regelbeispielen, hat die Staatsan- waltschaft im Einzelfall dennoch die Möglichkeit, fest- zustellen, dass ein Urteil im Sinne der Generalklausel des § 1 des Gesetzes vom 25. August 1998 aufgehoben ist, weil die Voraussetzung des § 1 gegeben ist. Der da- mals mit Gesetz von 1998 erstellte Katalog von Geset- zen wurde über die Parteigrenzen hinweg einvernehm- lich beschlossen. Mit dem Gesetz vom 23. Juli 2002 hat die damalige rot-grüne Regierungskoalition diesen Katalog gegen das Votum von CDU/CSU nochmals erweitert und darin die § 175, 174 a RStGB sowie einzelne Vorschriften des Militärstrafgesetzbuches (unter anderem Desertion, Feigheit vor dem Feind, unerlaubte Entfernung) aufge- nommen. Für die CDU/CSU-Fraktion war bei der Ab- stimmung klar, dass die Urteile von Militärgerichten ge- gen Homosexuelle pauschal aufzuheben waren, weil sie dem elementaren Gedanken der Gerechtigkeit wider- sprachen. Dies hatte der Bundestag bereits in einer frü- heren Entschließung auch so zum Ausdruck gebracht. Die CDU/CSU-Fraktion war jedoch nicht damit einver- standen, dass auch die Urteile wegen Desertion pauschal aufzuheben waren, weil bekannt war, dass in manchen Fällen durch Desertion Unrecht geschehen ist. Dieses Unrecht wollte die CDU/CSU damals im Nachhinein nicht für Recht erklären. Im Übrigen wollten wir auch nicht die Richter, wie Dr. Sack, der mit Bonhoeffer hin- gerichtet worden ist, nachträglich pauschal ins Unrecht setzen, weil sie solche Urteile erlassen haben. Deshalb hat die CDU/CSU diesem Gesetz nicht zugestimmt. Immerhin aber hat der Gesetzgeber bei dieser Ände- rung des NS-Aufhebungsgesetzes im Jahre 2002 be- wusst davon abgesehen, Verurteilungen wegen Kriegs- verrat per se als nationalsozialistisches Unrecht zu qualifizieren. Dies heißt nicht, dass nicht nach Prüfung des Einzelfalles die Staatsanwaltschaft feststellen kann, dass es sich um ein Unrechtsurteil handelt, das aufgeho- ben ist, weil es gegen die Generalklausel des § 1 des Ge- setzes vom 25. August 1998 verstößt. Die rot-grüne Ko- alition sah aber in einer generellen Aufhebung von Urteilen, die sich auf den Tatbestand des Kriegsverrates bezogen, neues Unrecht. Wer Kriegsverrat beging, hat oft in einer verbrecherischen Weise den eigenen Kame- raden geschadet, ja sie oft in Lebensgefahr gebracht, in der sie dann auch umgekommen sind, dies zum Beispiel dann, wenn der Verräter zu den feindlichen Linien über- wechselte und, um sich dort lieb Kind zu machen, die Stellungen der eigenen Kameraden verriet, von der er geflüchtet war. Der Feind konnte sich darauf einrichten und den Standort der Truppe unter Beschuss nehmen, wobei viele ihr Leben verloren haben. Dies gilt auch für die Fälle, dass Überläufer Pläne von Truppenbewegungen an den Feind verraten haben. Dies führte dazu, dass die eigenen Kameraden nicht selten in eine tödliche Falle gerieten. Der Verräter hat in diesen Fällen auch nach unseren heutigen Maßstäben verwerf- lich gehandelt. Aus diesem Grund hat die rot-grüne Ko- alition bei der seinerzeitigen Ergänzung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege vom 23. Juli 2002 ausdrücklich davon abgesehen, die Urteile wegen Kriegsverrates pauschal aufzuheben. Die damalige Mehrheit scheute davor zu- rück, ein Verhalten, durch welches das Leben der eige- nen Kameraden schwer in Gefahr geraten ist, nachträg- lich zu sanktionieren. Wer desertiert ist, um die eigene Haut zu retten und um beim Feind überhaupt aufgenom- men zu werden, auch die Stellungen seiner Kameraden verriet, hat sich nach allen Maßstäben der zivilisierten Welt in höchstem Maße verwerflich verhalten. Durch die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9973 (A) (C) (B) (D) generelle Aufhebung dieser damaligen Urteile wegen Kriegsverrates aber würde ein solch verwerfliches Ver- halten nachträglich sanktioniert werden. Dies kann nicht rechtens sein. Die Fraktion Die Linke will sich aber über diese Grundsätze hinwegsetzen. Ihren Gesetzentwurf begrün- det sie damit, der Kriegsverrat sei immer politisch und moralisch motiviert gewesen und sei mit kriminellen Ta- ten nicht vereinbar. Dass dies im Einzelfall gerade nicht richtig ist, habe ich dargetan. Im Gesetzentwurf wird als weiterer Grund genannt, durch solche verräterische Taten sei die Militärmacht Hitlers geschwächt worden und der Krieg sei auf diese Weise zu einem schnelleren Ende gekommen. Ganz abgesehen davon, dass ganz andere Gründe den Zusammenbruch des Nazi-Regimes verursacht haben, ist diese Argumentation in hohem Maße machiavellistisch. Man kann nicht den Teufel mit dem Beelzebub austrei- ben, kann nicht Unrecht durch Unrecht ersetzen. So ent- steht immer neues Unrecht. Außerdem missachtet dieses Argument den wichtigen Unterschied, den das Völker- recht zu allen Zeiten gemacht hat: das ius in bello und das ius ad bellum. Hitler hatte zweifellos kein Recht zum Angriffskrieg. Das ius ad bellum stand ihm nicht zur Seite. Er ist deshalb einer der größten Kriegsverbrecher aller Zeiten. Aber auch in einem ungerechten Krieg müs- sen Rechtsregeln gelten, kann nicht das Verbrechen des Verrates generell als gerechtfertigte Tat abgesegnet wer- den. Das heißt nicht, dass eine solche Tat im Einzelfall nicht als eine Widerstandstat anzusehen ist. Dazu aber bedarf es einer Einzelfallprüfung. Sonst würde man pau- schal Widerstandskämpfer mit simplen verbrecherischen Verrätern auf eine Stufe stellen. Deshalb lehnen wir die pauschale Aufhebung von Urteilen, die auf Kriegsverrat gestützt sind, ab. Dr. Carl-Christian Dressel (SPD): Zu Beginn mei- ner Rede möchte ich eine grundsätzliche Feststellung treffen: Ein Diskurs um Rechtsprechung im Dritten Reich ist erst vor wenigen Wochen wieder aufgeflammt. Ich bin der festen Überzeugung, dass uns dieser Ab- schnitt unserer Rechtsgeschichte eines ganz besonders lehrt: Aus Wissen allein entstehen weder persönliche Moral noch ethische Überzeugungen. Gesetzestexte und Kommentare aus der Zeit des Nationalsozialismus ma- chen dies ebenso deutlich wie die Tatsache, dass auch viele Richter und andere Praktiker davon überzeugt wa- ren, dass der Nationalsozialismus auf der Höhe der Zeit sei. Darauf basierende Entscheidungen waren in Wahr- heit Akte der Menschenverachtung und der Vernichtung in der Form des Urteils. Wir beraten heute in erster Lesung den PDS-Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege. Diese Thematik ist – wir alle wissen dies – nicht zum ersten Mal Gegenstand der parlamenta- rischen Beratungen in unserem Hause. Angesichts des Ausmaßes des Unrechts, das uns der Nationalsozialis- mus hinterlassen hat, ist dies auch nicht weiter verwun- derlich. Lassen Sie mich zunächst auf die bisherige Rechts- entwicklung eingehen. Durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechts- pflege vom 25. August 1998 wurden verurteilende straf- gerichtliche Entscheidungen, die unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung des nationalsozialisti- schen Terrors ergangen sind, aufgehoben. Berücksichtigt wurden hier strafgerichtliche Entscheidungen, die aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind. Dieses Ge- setz hat sich zwar grundsätzlich bewährt, jedoch wurde die in einigen Fällen vorgesehene Einzelfallprüfung der Aufgabenstellung teilweise nicht gerecht. Aus diesem Grund wurde das Gesetz am 23. Juli 2002 entsprechend geändert. Einige Verurteilungen – zum Beispiel wegen Kriegsverrats – blieben von der generellen Aufhebung weiterhin ganz bewusst ausgeschlossen – und dies aus guten Gründen, wie die Gesetzesänderung deutlich ge- macht hat. Hier wurde ja versucht, sämtliche Tatbe- stände des Militärstrafgesetzbuches zu erfassen, die eine pauschale Aufhebung rechtfertigten. Dies hatte zur Folge, dass insgesamt 44 Straftatbestände zusätzlich in das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Un- rechtsurteile aufgenommen wurden. Ausdrücklich nicht aufgenommen wurden Straftatbestände, bei denen die Aufhebung des Urteils ohne Einzelfallprüfung nach wie vor nicht verantwortbar erschien. Von zentraler Bedeu- tung ist dabei der Kriegsverrat – §§ 57, 59, 60 MStGB –, da in Fällen des Kriegsverrats möglicherweise doch ein Unrechtsgehalt gegeben ist. Ich möchte hierbei vor al- lem die nicht ausschließbare Lebensgefährdung für eine Vielzahl von Soldaten hervorheben, die auch durch den Umstand, dass sie während eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges begangen wurde, keinen Anlass zur pau- schalen Rehabilitierung geben konnte. An dieser Einschätzung wird festgehalten, wie die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der PDS vom 19. Juni 2006 belegt. Auf die Fragestel- lung „Ist aus Sicht der Bundesregierung der Verrat des nationalsozialistischen Vernichtungskriegs verurteilens- wert, und, wenn ja, warum?“ stellt die Bundesregierung fest: Die Frage lässt sich nur im konkreten Einzelfall be- antworten. Dabei kommt es darauf an, ob infolge des Verrats zusätzliche Opfer unter der Zivilbevöl- kerung und/oder deutsche Soldaten zu beklagen waren oder ob infolge des Verrats derartige Opfer gerade vermieden wurden. Der Gesetzgeber hat sich deshalb nach Auffassung der Bundesregierung zu Recht dafür entschieden, bei der Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Un- rechtsurteile in der Strafrechtspflege für diese Fälle eine pauschale Aufhebung abzulehnen und es bei der Einzelfallprüfung zu belassen … Da es bei den Verurteilungen wegen Kriegsverrats ge- rade auf die Motive ankommt, ist eine Einzelfallprüfung dringend geboten. 9974 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) Dieser Sachverhalt macht deutlich, dass es für die hier im Fokus stehende Problematik keine pauschale Lösung geben kann, sondern dass es der Einzelbetrachtung eines jeden Falles bedarf. Insofern ist die in dem Gesetzent- wurf der PDS vorgesehene Lösung, die Anlage zu § 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege vom 25. August 1998 in Nr. 26 a durch die §§ 51, 59, 60 des in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft geltenden Militär- strafbuches zu ergänzen, abzulehnen. Wenn wir uns an die Zeit des Nationalsozialismus er- innern, dann gedenken wir vor allem anderen der Millio- nen Opfer, die dieses verbrecherische Regime verschul- det hat. Das geschehene Unrecht kann niemals ungeschehen gemacht werden. Kein Gesetz und keine Entschädigungsleistung könnten dieses Ziel Wirklich- keit werden lassen, könnten dieses millionenfache Leid auch nur ansatzweise aus der Welt schaffen. Ich bin mir aber sicher, dass wir mit den Regelungen, die das Gesetz bisher vorsieht, das Maximum der pauschalen Aufhe- bung von Unrechtsurteilen erreicht haben. Alles, was darüber hinausreichen soll, muss im Einzelfall geprüft werden. Jörg van Essen (FDP): Ich finde es fast schon ge- spenstisch, dass wir uns heute mit diesem Antrag be- schäftigen. Es hat den Eindruck, man hätte es hier mit Untoten zu tun. Wie oft – das müssen sich die Antrag- steller von der Linksfraktion fragen lassen – wollen wir uns denn noch mit den Schandurteilen aus der NS-Zeit beschäftigen? Man kann doch juristisch ein Urteil nur einmal aufheben! Weder das Dritte Reich überdauerte 1 000 Jahre, noch leben aufgehobene NS-Urteile immer wieder auf! Nein, mit diesem Antrag machen Sie sich schon hand- werklich nicht um unseren Rechtsstaat verdient. Das wundert auch nicht weiter, da Sie in dieser Legislaturpe- riode nicht sonderlich mit rechtspolitischen Anträgen aufgefallen sind. Leider ist das Thema zu ernst, als dass man Ihren Antrag einfach unkommentiert stehen lassen könnte. Deswegen erlauben Sie mir bitte die nachfolgenden Aus- führungen: Das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialisti- scher Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege von 1998 ist unmissverständlich. Nach § 1 werden verurteilende strafgerichtliche Entscheidungen, die unter Verstoß ge- gen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhal- tung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind, aufgehoben. Die den Entscheidungen zugrunde liegenden Verfahren werden eingestellt. Der Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke für ein zweites Gesetz zur Änderung dieses Gesetzes, wie wir ihn heute in erster Lesung beraten, stellt Erreichtes in Frage, mehr noch: Er verunsichert Opfer der NS-Un- rechtsjustiz mehr, anstatt ihnen zu helfen. Zunächst eine grundsätzliche Anmerkung: Der An- trag verkennt die Systematik von § 2, der Regelbeispiele für Unrechtsentscheidungen bildet, und dabei in der Tat in Nr. 3 auf Entscheidungen Bezug nimmt, die auf den in einer Anlage genannten gesetzlichen Vorschriften beru- hen. Der Katalog dieser gesetzlichen Vorschriften erhob schon nach der Gesetzesbegründung keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sollte auch keine Ausschluss- funktion haben. Dadurch, dass wir – nach dem ersten Änderungsge- setz – nun schon zum zweiten Mal Änderungen dieses Kataloges diskutieren, erhöhen wir ihn in seiner Bedeu- tung und entwerten gleichzeitig die Klarheit und Unmiss- verständlichkeit der Generalklausel in § 1. Ich würde mir wünschen – übrigens nicht nur hier –, wenn wir als Ge- setzgeber mehr Vertrauen in unsere Gerichte und die Be- deutung von Generalklauseln hätten. Erlauben Sie mir, dass ich Herrn Korte als einen der Verfasser des Antrages direkt anspreche. Ehrlich gesagt, finde ich insbesondere die Tonalität Ihres Antrages und die Begleitmusik sehr befremdlich und der Sache nicht dienlich. Der Antrag versucht Zwietracht dort zu säen, wo große Einigkeit in diesem Haus – auch mit Blick auf den Eindruck im Ausland – angebracht wäre und in mei- nen Augen bei der Bewertung von NS-Unrecht auch im- mer gegeben war. In den vergangenen Jahren haben wir uns wiederholt mit der Frage der Aufhebung der NS-Unrechtsurteile be- fasst. Dieses Haus hat bewiesen, dass der Bundestag sehr wohl in der Lage ist, seiner besonderen Verantwortung für die Opfer des Naziregimes gerecht zu werden. Wir müssen alles tun, um dem Eindruck der Fortgeltung na- tionalsozialistischen Unrechts zu begegnen. Der Antrag Ihrer Fraktion lag dem Deutschen Bun- destag schon einmal in der 14. Legislaturperiode zur Be- ratung vor. Damals hat dieses Haus mit großer Mehrheit dagegenvotiert. Die Rednerin der PDS, Frau Dr. Evelyn Kenzler, sagte dennoch damals – ich darf aus dem Proto- koll vom 17. Mai 2002 zitieren –: Der Gesetzentwurf wird weitgehend dem gerecht, was meine Fraktion mit ihrem Antrag vom März 2001 erreichen wollte. Die jetzt gewählte Tonalität passt dazu nicht. Ich habe mit Befremden verfolgt, wie Sie diese Gesetzesinitiative vorbereitet haben. Sie zitieren in einer Kleinen Anfrage mit dem Titel „Aufhebung der NS-Militärgerichtsurteile wegen Kriegsverrates“ im Sommer letzten Jahres die Bundes- justizministerin mit dem Satz, dass der „in Fällen des Kriegsverrates möglicherweise gegebene Unrechtsgehalt (nicht ausschliessbare Lebensgefährdung für eine Viel- zahl von Soldaten)“ äußerst hoch erschiene, „so dass auch der Umstand, dass sie während eines völkerrechts- widrigen Angriffskrieges begangen worden sind, keinen Anlass zur pauschalen Rehabilitierung begründen konnte.“ Sie kritisieren sodann diese Äußerungen und führen unter anderem aus, dass es als äußerst fragwürdig erscheine, warum hier eine „nicht ausschliessbare Le- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9975 (A) (C) (B) (D) bensgefährdung für eine Vielzahl von Soldaten“ als „Un- recht“ bezeichnet werde. Leben ist ein kostbares Gut. Das gilt auch für das Le- ben von Soldaten, unabhängig davon – auch wenn diese Aussage manchmal schwerfällt –, in wessen Dienst sie stehen. Achtung vor dem Leben ist eine der Kernaussa- gen unseres Grundgesetzes. Ich bitte Sie, auch in dieser Debatte diesen Respekt zu wahren. Unterlassen Sie Po- lemik! Erinnern wir uns: Bei den Beratungen über das NS- Aufhebungsgesetz haben wir uns bereits vor Jahren auch mit den Urteilen der NS-Militärjustiz gegen Deserteure der Wehrmacht intensiv beschäftigt. Der Bundestag hat dabei festgestellt, dass die Gerichte der Militärjustiz im NS-Staat keine Gerichte im rechtsstaatlichen Sinne wa- ren. Wir haben in diesen Fragen so viel Konsens – ich be- fürchte, dass Sie diesen mit der Tonalität und Wortwahl im Kontext mit diesem Antrag gefährden. Das wäre brandgefährlich. Es wäre insbesondere nicht im Sinne der Opfer. Ich habe schon 2002 in der Debatte um das erste Än- derungsgesetz klargestellt, dass es für die FDP selbstver- ständlich ist, dass die NS-Unrechtsurteile bereits 1998 aufgehoben worden sind. Hier nun wieder Einzelfälle herauszugreifen, ist – so meine Befürchtung – eine er- neute Demütigung der Opfer. Erneut wird der Eindruck erweckt, dass diese Menschen weitere Jahre lang nicht rehabilitiert gewesen seien. Das ist etwas, was ich uner- träglich finde. Ich habe den Antrag sorgfältig gelesen. Und es ist auch bekannt, dass ich Kritik von Herrn Ludwig Baumann, dem Vorsitzenden der Bundsvereinigung der Opfer der NS-Militärjustiz sehr ernst nehme. Ich bin mir aber nicht sicher, ob hier wirklich Regelungsbedarf be- steht. In meiner Erinnerung haben wir uns 1998 sehr gründlich und sachlich mit all den vielen verschiedenen Situationen der NS-Justiz befasst und sind ihr, so meine ich, gerecht geworden. Unsere Beratungen damals waren sorgfältig und von großem Respekt vor den Opfern ge- prägt. Ich bitte die Kollegen von der Linken, diesen Res- pekt vor den Opfern nicht für kurze Effekte in Frage zu stellen. Als FDP-Bundestagsfraktion darf ich Ihnen versi- chern, dass wir uns bei den Beratungen des Antrages ins- besondere darum bemühen werden, die Opfer der NS- Justiz nicht zu verunsichern und Erreichtes von 1998 zu bewahren. Jan Korte (DIE LINKE): Ich freue mich, dass der Bundestag heute erneut zu einem geschichtspolitischen Thema die Debatte sucht. Wichtig ist es auch deshalb, weil es bei dem von der Linksfraktion vorgelegten Ge- setzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile um die Aufarbei- tung des dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte geht. Leider – das muss an dieser Stelle aber auch gesagt werden – findet diese Debatte viel zu spät statt: 62 Jahre nach der Befreiung vom Hitler-Faschismus, 62 Jahre nach dem Holocaust, 62 Jahre nach dem fürchterlichsten Krieg, den die Menschheit erlebt hat, 62 Jahre nach dem Massenmord durch deutsche Kriegsschergen an über 60 Millionen Menschen. Die Bundesrepublik Deutsch- land und der Deutsche Bundestag haben 58 Jahre ver- streichen lassen, um Menschen zu rehabilitieren, die aus politischen und moralischen Gründen gegen das Hitler- Regime handelten und deshalb bis heute vorbestraft sind und gesellschaftlich stigmatisiert werden. Die Rede ist von den sogenannten Kriegsverrätern. Mit dem Gesetz zur Aufhebung nationalsozialisti- scher Unrechtsurteile, NS-AufhG, wurde in der Straf- rechtspflege 1998 ein wichtiger Schritt in Richtung Auf- arbeitung deutscher Geschichte eingeschlagen. Im § 1 des NS-AufhG werden verurteilende strafgerichtliche Entscheidungen, die unter Verstoß gegen elementare Ge- danken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des nationalsozia- listischen Unrechtsregimes aus politischen, militäri- schen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind, aufgehoben. Die genannten Ent- scheidungen betreffen nach § 2 des Gesetzes unter ande- rem auch solche, die auf den in der Anlage zu § 2 Nr. 3 NS-AufhG genannten gesetzlichen Vorschriften beru- hen. Ausgenommen sind darin jedoch die §§ 57, 59 und 60 des Militärstrafgesetzbuches von 1934, also der Kriegsverrat. Betroffene müssen sich seither einer Ein- zelfallprüfung unterziehen. Dies ist unserer Meinung nach nicht nur unzumutbar, sondern auch undurchführ- bar; denn außer bei Verurteilungen in Abwesenheit wur- den sie grundsätzlich zum Tode verurteilt und hingerich- tet. Unter der rot-grünen Bundesregierung wurde der Katalog der Straftaten, die im Anhang zu § 2 Nr. 3 NS-AufhG aufgeführt sind, mit Gesetz vom 23. Juli 2002 erweitert. Mit dem Änderungsgesetz wurden die §§ 175, 175 a Nr. 4 des Reichsstrafgesetzbuches sowie eine Vielzahl von Verurteilungen unter anderem wegen Desertion (§ 69 Militärstrafgesetzbuch), Feigheit (§ 85) oder unerlaubte Entfernung (§ 64) in die Anlage zu § 2 Nr. 3 NS-AufhG (Nr. 26 a) aufgenommen. Die Begrün- dung damals: Die Einzelfallprüfung führe zu Unzuträg- lichkeiten. Der Gesetzgeber konnte sich trotz der Aufnahme ei- ner großen Zahl von Straftatbeständen des Militärstraf- gesetzbuches in die Anlage zu § 2 Nr. 3 nicht dazu ent- schließen, dieses Gesetz im Ganzen einzufügen. In der Begründung zum Änderungsgesetz heißt es: Es finden sich eine ganze Reihe von Straftatbestän- den, bei denen die Aufhebung des Urteils ohne Ein- zelfallprüfung nicht verantwortbar erscheint. Bei- spielhaft seien hier der Kriegsverrat, die Plünderung, die Fledderei sowie Misshandlungen von Untergebenen genannt. Diese Aussage ist gleich in mehrfacher Hinsicht skan- dalös: zum einen, weil sie zum Ausdruck bringt, dass Unrechtsurteile von Nazirichtern, die ohne rechtsstaatli- che Grundsätze und zum Schütze eines menschenver- achtenden Systems gefällt wurden, nur durch Einzelfall- prüfung revidiert werden können, zum anderen aber 9976 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) stellt diese Begründung den Kriegsverrat in eine Reihe mit Plünderungen und Fleddereien. Das ist nicht hin- nehmbar. Die unter dem Straftatbestand des Kriegsverrates sub- sumierten Handlungen sind mit den anderen genannten Straftatbeständen des Militärstrafgesetzbuches nicht ver- gleichbar; denn sie waren fast durchweg politisch oder moralisch motiviert, wie auch neuere Forschungen von zum Beispiel Professor Dr. Wolfram Wette belegen. Ein vergleichbarer krimineller Unrechtsgehalt wie bei Delik- ten der Plünderung ist nicht erkennbar. Um es deutlich zu sagen: Beim sogenannten Kriegs- verrat handelte es sich um den Verrat des deutschen An- griffs- und Vernichtungskrieges, der zu Mord, Vertrei- bungen und Vergewaltigungen an Millionen geführt hat. Neuere Untersuchungen zeigen zudem, dass das Verhal- ten der Menschen, die wegen Kriegsverrats verfolgt und verurteilt wurden, fast durchweg, wie bereits angespro- chen, moralisch-ethisch oder politisch motiviert war. Diese Menschen riskierten ihr Leben, um das barbari- sche Morden, um den Angriffs- und Vernichtungskrieg zu beenden. Diese Menschen verdienen Anerkennung und höchsten Respekt. Deshalb müssen unserer Mei- nung nach die §§ 57, 59 und 60 Militärstrafgesetzbuch in die Anlage zu § 2 Nr. 3 NS-AufhG aufgenommen wer- den. In seinem Urteil vom 11. September 1991 stellt das Bundessozialgericht hinsichtlich der Todesurteile der Militärstrafjustiz während des Zweiten Weltkrieges fest, dass angesichts der Gesamtumstände die Rechtswidrig- keit der Urteile zu vermuten sei. Angesichts der durch die NS-Militärjustiz gefällten 30 000 Todesurteile und Zehntausenden Zuchthausurteilen kann man wohl kaum mehr nur von einer Vermutung sprechen, sondern muss von einer belegbaren Tatsache in diesem Zusammen- hang ausgehen. Ihnen allen wird der Name Ludwig Baumann sicher- lich bekannt sein. Ludwig Baumann streitet seit Jahren gemeinsam mit seiner „Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e. V.“ für die Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren und Kriegsverrätern. Sein be- wegtes Leben bietet ein plastisches Beispiel für die Ver- hältnisse in Wehrmacht und NS-Regime und für die Aufarbeitung der deutschen Geschichte durch die Bun- desrepublik. Im Zuge der Gesetzesänderung unter Rot- Grün im Jahr 2002 hat er sich intensiv in die politische und parlamentarische Debatte eingebracht, hat gute Kontakte zur damaligen PDS-Fraktion, aber auch zu den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen hergestellt. Nachdem der Straftatbestand des Kriegsver- rats von der Gesetzesänderung 2002 ausdrücklich ausge- nommen wurde, unternahm er 2006 einen erneuten Ver- such und machte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries auf das Thema aufmerksam. In ihrem Antwortschreiben vom 25. April 2006 an Ludwig Baumann nimmt Frau Zypries zum Sachverhalt wie folgt Stellung: Bei der Erarbeitung des NS-AufhG, der als Entwurf der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grü- nen in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden ist (BT-Drs. 14/8276), wurde versucht, sämtliche Tatbestände des Militärstrafgesetzbuches zu erfassen, bei denen eine pauschale Aufhebung gerechtfertigt werden konnte. Als Ergebnis wurden insgesamt 44 Straftatbestände zusätzlich in das NS- AufhG aufgenommen. Ausdrücklich nicht aufge- nommen wurden Straftatbestände, bei denen die Aufhebung des Urteils ohne Einzelfallprüfung nach wie vor nicht vertretbar erschien. […] Der in Fällen des Kriegsverrats möglicherweise gegebene Un- rechtsgehalt (nicht ausschließbare Lebensgefähr- dung für eine Vielzahl von Soldaten) erschien äu- ßerst hoch, so dass der Umstand, dass sie während eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges began- gen worden sind, keinen Anlass zur pauschalen Re- habilitierung begründen könnte. Für mich übersetzt heißt dies, dass der Widerstand ge- gen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg nicht an- erkannt wird, auch wenn es sich dabei um einen Vernich- tungsfeldzug im Namen des Hitler-Faschismus handelte. In Bezug auf die Äußerungen der Ministerin zur Gefähr- dung einer Vielzahl von Soldaten durch den Kriegsverrat ergeben sich für mich Fragen. Bedeutet dies übersetzt, dass das Leben von Soldaten, die einen Angriffskrieg führen, höher bewertet wird, als das Leben von Millio- nen von Zivilisten, die durch den Verrat von Kriegsvor- bereitungen oder -handlungen hätten gerettet werden können? Es wäre hilfreich, wenn Frau Zypries im Rah- men dieser Gesetzesdebatte ihre Position noch einmal deutlich machen würde, um Missverständnisse auszu- schließen. Die Antwort der Frau Ministerin ist umso besorgnis- erregender, als der Bundestag in seiner Entschließung vom 15. Mai 1997 auf Drucksache 13/7669 bereits fest- stellte: Der Zweite Weltkrieg war ein Angriffs- und Ver- nichtungskrieg, ein vom nationalsozialistischen Deutschland verschuldetes Verbrechen. Der Verrat eines, wie der Bundestag sagt, „Vernich- tungskrieges“ ist nach Meinung der Bundesjustizminis- terin offenbar nicht rehabilitierungswürdig, zumindest nicht ohne Einzelfallprüfung. Diese juristische Position zeugt von wenig politischer Souveränität; denn wie be- reits dargestellt, ist eine Einzelfallprüfung kaum mög- lich, da die meisten Betroffenen den NS-Henkern zum Opfer gefallen sind. Für die wenigen noch lebenden ist eine solche Prüfung erniedrigend und beschädigt das Ge- denken an den Widerstand gegen die NS-Diktatur. Ich möchte zum Schluss noch einmal daran erinnern, was die NS-Justiz unter dem Straftatbestand des Kriegs- verrates verstand: Verraten deutscher Angriffspläne und -termine an die Niederlande, Frankreich, Belgien, Eng- land, Dänemark, Norwegen, Jugoslawien; das Knüpfen konspirativer Auslandskontakte; der Versuch, Jüdinnen und Juden das Leben zu retten; die Aufnahme von Kon- takten zu sowjetischen Kriegsgefangenen; das Überlau- fen zu den Partisanen und die Unterstützung des einhei- mischen Widerstandes durch Weitergabe kriegswichtiger Informationen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9977 (A) (C) (B) (D) Wie Sie sehen können, verbirgt sich hinter dem einfa- chen Wort „Kriegsverrat“ eine ganze Reihe von Tätig- keiten, die heute, beispielsweise im Zusammenhang mit dem 20. Juli, durch die Öffentlichkeit und den Bundes- tag gewürdigt werden. Ich bitte Sie also, unserem Gesetzesentwurf Ihre Zu- stimmung zu geben. Es ist an der Zeit. Kurt Tucholsky schrieb 1921 im Hamburger Echo: „Aber wenn wir nicht mehr wollen: dann gibt es nie wieder Krieg!“ Und wenn wir wollen, dann werden wir endlich auch die Kriegsver- räter rehabilitieren und anerkennen, dass sie Gegner des Krieges waren und die Anerkennung der Bundesrepublik verdienen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich der Deut- sche Bundestag immer wieder mit der Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure beschäftigt, mit den Män- nern, die dem verbrecherischen Krieg Hitlers den Rücken kehrten, die sich dem Morden verweigerten. Im Bundestag war die Anerkennung und Würdigung der Opfer der NS-Militärjustiz ein quälend langsamer Prozess. Ich kann mich an sehr schwierige Diskussionen im Parlament erinnern, aber auch an Vorträge von Sach- verständigen bei Anhörungen, die einen wirklich schau- dern ließen. So hatte 2002 der von der Union benannte Sachverständige Professor Seidler im Rechtsausschuss gesagt, dass das Verhängen der Todesstrafe bei Deser- tion zur Durchsetzung der Manneszucht in der Truppe notwendig gewesen sei. Und fünf Jahre später? Die Fehlleistung des Baden- Württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger bei der Trauerfeier für Hans Filbinger und sein tagelanges Ringen um eine angemessene Reaktion auf das Entsetzen und den Protest zeigen: In unserem Land ist immer noch vieles nicht wirklich aufgearbeitet. Das 1998, im letzten Jahr der Regierung Kohl, be- schlossene Gesetz zur Aufhebung von NS-Unrechtsur- teilen hatte für Deserteure noch keine befriedigende Lö- sung gebracht. Während ansonsten NS-Unrechtsurteile durch dieses Gesetz pauschal aufgehoben wurden, blie- ben Deserteure auf den demütigenden Weg der Einzel- fallprüfung verwiesen. Der wirkliche Durchbruch erfolgte dann 2002. Mit ei- ner Ergänzung des NS-Aufhebungsgesetzes haben wir für Gerechtigkeit für Deserteure gesorgt. Die Deserteure der Wehrmacht haben sich dem Angriffskrieg Hitlers verweigert. Dennoch mussten sie in der Bundesrepublik den Makel des verurteilten Straftäters tragen. Mit der Ergänzung von 2002 wurde ihnen die Ehre wiedergege- ben. Das Gleiche gilt für die Verurteilungen von Homo- sexuellen nach § 175 in der NS-Zeit. Die Gesetzesergänzung von 2002 führte hinsichtlich der Militärjustizurteile eine lange Liste von Tatbestän- den des Militärstrafgesetzesbuches auf. Urteile, die nach diesen Vorschriften ergangen waren, wurden pauschal aufgehoben. Die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz hat die Reform damals sehr begrüßt, allerdings seitdem auch moniert, dass in dieser langen Liste der Strafvor- schriften die Bestimmungen zum Kriegsverrat noch feh- len. Es ist ein großes Verdienst dieser Vereinigung und insbesondere ihres Vorsitzenden Ludwig Baumann, das Schicksal der Wehrmachtsdeserteure und den Umgang mit ihnen nach dem Krieg ins öffentliche Bewusstsein getragen zu haben. Ich möchte Herrn Baumann und sei- ner Vereinigung hierfür nachdrücklich danken. Sie ha- ben sich um die Demokratie in Deutschland sehr ver- dient gemacht. Das Anliegen, auch noch die Bestimmungen gegen Kriegsverrat in das NS-Aufhebungsgesetz mit einzube- ziehen, ist berechtigt. Wir werden dem Antrag also zu- stimmen. Die jüngsten Forschungen des Militärhistorikers Wolfram Wette haben sehr eindrucksvoll aufgezeigt, um welche Tatbestände, um welche Personen und welche Motivlagen es hier ging. Als Kriegsverrat zählte zum Beispiel die Übermittlung von Informationen über den Holocaust an die Alliierten, die Aufnahme von Kontak- ten zu russischen Kriegsgefangenen, die Unterstützung von Widerstandsgruppen in den besetzten Ländern. Die Ergänzung des NS-Aufhebungsgesetzes von 2002 wollte damals ein Teil des Hauses leider nicht mittragen. Ich hoffe sehr, dass die Diskussion fünf Jahre später nun versachlicht werden kann und dass wir zu einer Einigung im Bundestag kommen. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung des Antrags: Weg vom Öl im Kunststoffbereich – Chance der Novelle der Verpackungsverordnung nutzen und mit Bio- kunststoffen echte Kreisläufe schließen (Tages- ordnungspunkt 21) Michael Brand (CDU/CSU): Der Antrag von Bünd- nis 90/Die Grünen wäre ein besserer Antrag, wenn nicht die im Prinzip konservativen Ansätze zur Schonung von Ressourcen und natürlichen Lebensgrundlagen am Beispiel der Förderung von biologisch abbaubaren Werkstoffen, BAW, mit klassischen ideologischen Vor- behalten gegen die haushaltsnahe und getrennte Wert- stofferfassung vermischt würden. Als Abgeordneter aus dem wunderschönen Wahlkreis Fulda kenne ich die Pro- duktion und den Einsatz von nachwachsenden und biolo- gisch abbaubaren Rohstoffen aus eigener Anschauung. Ich kann aus eigener örtlicher Kenntnis sowohl die Chancen und Schwierigkeiten bei biologisch abbaubaren Werkstoffen, BAW, in der Produktion als auch beim Ein- satz und in der Akzeptanz bei Verbraucherinnen und Verbrauchern in einiger Tiefe beurteilen. Wenn in der Begründung dieses Antrages dann die altbekannte Skepsis mancher Grünen zur aktuellen Ver- fassung der Verpackungsverordnung dokumentiert wird, dann erinnert das stark an traditionelle, ideologische 9978 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) Bedenken der Grünen gegen die dualen Systeme und den immer wieder unternommenen Versuch, der Sammlung in der Gelben Tonne die Basis abzugraben. Dass diese unter Umweltminister Klaus Töpfer entworfene und von der Umweltministerin Angela Merkel weiterentwickelte Verpackungsverordnung der in der Produktverantwor- tung zugrunde gelegten Einbeziehung der Kosten bereits in die Produktion von Produkten und damit dem obers- ten Prinzip der Vermeidung von Abfällen dient, wird all- gemein anerkannt. Dass nach der Produktion und nach der Verwendung eine werkstoffliche Verwertung vorge- geben wird, dient der Entwicklung von Märkten, die ge- schlossene Kreisläufe schaffen und ausbauen. Von der Kreislaufwirtschaft wird es in Zukunft in die Stoffstrom- wirtschaft gehen, und manche Kämpfe heute haben in der angestrebten Kontrolle von Stoffströmen ihre eigent- liche Ursache. Dass der alte, schon in Nordrhein-Westfalen unter Frau Höhn gescheiterte Versuch, die erfolgreiche und breit akzeptierte getrennte Sammlung von Verpackungs- müll zu ersetzen durch eine großtechnische Sammlung gemeinsam mit Restmüll, bei dem hier vorgelegten An- trag ausgespart wurde, ist bezeichnend. Dass diese in NRW gescheiterte grüne Ideologie von Frau Kollegin Höhn nach der Abwahl in NRW nun in den Bundestag transportiert wurde, macht das Unterfangen nicht Erfolg versprechender. Ausgerechnet die Novellen von Umweltminister Trittin als Erfolg abzufeiern, zeugt dabei schon von sehr eingeengtem Blickwinkel und Nostalgie. Wer erinnert sich nicht mehr an das „Dosenpfand-Chaos“ und die un- glückliche Rolle des grünen Umweltministers? Und dass wir heute beim Thema Mehrweg teils drastische Einbrü- che zu verzeichnen haben, ist klarer Beleg dafür, dass grüne Ideologie und kurzfristige Ansätze nur zu mise- rablen Ergebnissen und weiteren Reparaturnotwendig- keiten führen. Für die CDU/CSU und auch für die gesamte Koali- tion kann und will ich ein glasklares Bekenntnis zur Sammlung von Verpackungen über duale Systeme abge- ben. Dass wir immer wieder an der einen oder anderen Stellschraube nachjustieren müssen, ist dabei auch klar. Aber wir werden als CDU/CSU weder aus Ideologie noch aus einseitigen Interessen heraus das Kind mit dem Bade ausschütten. Und wir wissen uns mit dieser Posi- tion auch einig mit der ganz übergroßen Mehrheit bei Kommunen, Recyclingwirtschaft und – das müsste Ih- nen doch zu denken geben – mit Umwelt- und Verbrau- cherverbänden. Getrennte Erfassung und werkstoffliche Kreisläufe stellen eine entscheidende Voraussetzung für marktfä- hige Recycling-Produkte aus LVP dar. Dass Bündnis 90/ Die Grünen diese teils sehr innovativen mittelständi- schen Unternehmen hier pauschal des „Downcyling“ be- schuldigt, ist ideologisch und in einer Reihe von Studien und Praxisbeispielen mehr als widerlegt. Wer Ressour- censchonung propagiert, der muss dies nachhaltig und glaubwürdig tun. Um es klar zu sagen: die Propagierung von biologisch abbaubaren Werkstoffen, BAW, und die Öffnung der Verpackungsverordnung in diesem Punkt wäre glaubwürdiger, wenn die offenen oder indirekten Attacken auf die getrennte Sammlung und die werkstoff- liche Verwertung unterblieben. Dass wir bei der aktuellen Novelle der Verpackungs- verordnung noch andere Baustellen als die BAW zu re- geln haben, ist weithin bekannt. Dass dabei auch weiter- gehende Innovationen von Teilen der Bundesregierung ins Gespräch gebracht werden, ist auch kein Geheimnis. Wir müssen allerdings bei dieser jetzigen fünften No- velle vor allem das Hauptziel der Sicherung der haus- haltsnahen Sammlung erreichen und diejenigen Inver- kehrbringer erfassen, die sich bislang gegen die rechtlichen Vorgaben weder an der haushaltsnahen noch an einer anderen Sammlung von Verpackungsabfällen beteiligen. Dass wir nach der aktuellen dann bei der si- cher anstehenden sechsten Novelle auch grundsätzli- chere Fragen angehen müssen, ist in der Koalition sowie zwischen Bund und Ländern schon heute Diskussionsge- genstand. Dabei werden wir uns allerdings davor hüten uns von Bündnis 90 einen „grünen Trojaner“ in ein er- folgreiches System schleusen zu lassen. Aus der anfangs erwähnten eigenen Anschauung von Produktion über Einsatz beim Kunden bis hin zur Ent- sorgung weiß ich auch um die vielen kleinen roten Teu- fel, die im Detail stecken. Ich streite ja hier und da schon bei der jetzigen No- velle mit Teilen der Bürokratie um eine klare Datenbasis und um ein realistisches Abbild beim Thema Verpa- ckung. Nur auf solider Basis können wir Prognosen ab- geben und unsere politischen Entscheidungen verant- wortlich treffen. Was den Ansatz zu biologisch abbaubaren Werkstof- fen und den erwähnten „grünen Trojaner“ angeht, so werden wir in den Ausschüssen erheblich ernster und er- gebnisoffener diskutieren, wenn Bündnis 90/Die Grünen die Ideologie, auch gegen die dualen Systeme, abrüstet und sich um ein ganzheitliches Konzept mitbemüht, das den BAW die großen Chancen wirklich eröffnet. Wir von der CDU/CSU hoffen auf diese ideologisch unbelastete Erörterung in den Ausschüssen zu dieser Zu- kunftsfrage. Wir sind bereit, ernsthaft über ernst ge- meinte Konzepte zu sprechen. Der vorliegende Antrag wird dabei dann nicht der schlussendliche Antrag sein können. Wir sehen das ganze Bild, und dazu gehört die ganze Kette, um biologisch abbaubare Werkstoffe zu dem Erfolg zu verhelfen, den wir zum Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen und zum Schutz des Kli- mas anstreben. Gerd Bollmann (SPD): Grundsätzlich haben Verpa- ckungen aus Biokunststoffen viele Vorteile und sind ökologisch besser als andere Kunststoffverpackungen. Sie werden nicht auf Erdölbasis, sondern auf Pflanzen- basis hergestellt. Aus diesem Grund sind sie nicht nur kompostierbar und ressourcenschonend. Sie können auch klimaneutral energetisch verwertet werden. Inzwischen werden zahlreiche Produkte aus Bio- kunststoffen hergestellt. Neben Einkaufs- und Abfalltü- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9979 (A) (C) (B) (D) ten und Folien sind dies auch Trinkbecher oder Plastik- teile von Automobilen. Aus eigener Anschauung weiß ich, dass sich die ver- schiedenartigen Produkte auf den ersten Blick nicht mehr von normalem Plastik unterscheiden. Sie sind qua- litativ gleichwertig und in manchen Fällen sogar besser. Trotzdem haben Produkte aus Biokunststoff nur einen geringen Marktanteil. Sie sind nämlich trotz hoher Öl- preise immer noch teurer als normaler Kunststoff. Ich halte Biokunststoffe insgesamt für eine sinnvolle Alternative und eine zukunftsweisende Technologie. Aus diesem Grund hat sich die SPD bei der 3. Novelle der Verpackungsverordnung für eine Förderung von bio- logisch abbaubaren Werkstoffen eingesetzt. Kunststoffver- packungen aus diesem Material sind bis zum 31. Dezem- ber 2012 von der Teilnahme an Rücknahmesystemen befreit. Die SPD befürwortet grundsätzlich den Einsatz von Biokunststoffen. Für erdölbasierte Produkte sind Verpa- ckungen und andere Produkte aus nachwachsenden Roh- stoffen eine sinnvolle Alternative. Eine weitergehende Förderung, wie sie in dem vorgelegten Antrag gefordert wird, muss jedoch genau geprüft werden. Zahlreiche Fragen sind bisher ungeklärt. Eine Ökobi- lanz, die internationalen Standards genügt und belegt, dass Biokunststoffe umweltfreundlicher sind, liegt bis- her noch nicht vor. Aus diesem Grund steht das Umweltbundesamt der Sache skeptisch gegenüber. So ein Vertreter des Um- weltbundesamtes in der Zeitung „Die Zeit“ vom 23. No- vember letzten Jahres. Ein weiteres Problem entsteht bei der Kompostierung von Biokunststoffen. Nach der jetzigen Gesetzeslage er- laubt die Bioabfall- und Düngemittelverordnung den Einsatz als Düngemittel nur, wenn sie zu 100 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wurden. Die meisten Produkte aus Biokunststoffen enthalten aber noch einen Anteil von Kunststoff auf Erdölbasis. Dem- entsprechend dürfen sie nicht als Düngemittel eingesetzt werden. Zusätzlich gibt es Absatzprobleme für Kompost aus Bioabfall. Wie sich jeder vorstellen kann, ist gesammel- ter Bioabfall selten rein. Insbesondere im Abfall aus Biotonnen finden sich häufig Verschmutzungen. Allein die Möglichkeit der Verunreinigung führt dazu, dass Kompost aus Abfall kaum Abnehmer findet. An- ders ausgedrückt: Derzeit gibt es kaum Verwendung für Kompost aus Bioabfall. Diese Problematik ist inzwischen bekannt. In dem Antrag wird die Förderung von Biokunststoffen daher durch deren klimaneutrale Nutzung bei der energeti- schen Verwertung begründet. Wir müssen die Nutzung fossiler Rohstoffe bei der Energieerzeugung senken. Zukünftig muss Energie aus erneuerbaren, klimaneutralen Energien produziert wer- den. Hierbei muss die Biomasse ihren Anteil haben. Ich setze mich daher insbesondere für die energeti- sche Nutzung von Bioabfall ein. Dabei sollte die Nut- zung in der Regel in Form von Kraft-Wärme-Kopplung erfolgen. Die Koalition plant deshalb auch, die thermi- sche Verwertung von Bioabfall zum Beispiel in Biogas- anlagen zu fördern. Ein vermehrter Einsatz von Biokunststoffabfall ist bei der Energieerzeugung meiner Meinung nach begrüßens- wert. Wie ich dargelegt habe, stehe ich einem vermehrten Einsatz, einer Förderung von Biokunststoffen grundsätz- lich positiv gegenüber. Bevor wir jedoch konkrete ge- setzliche Schritte unternehmen, müssen wir grundle- gende Fragen klären. Der Antrag entwirft ein Szenarium, in dem Kunst- stoffe aus Erdöl durch Biokunststoffe ersetzt werden. Andere „Visionäre“ fordern den Ersatz von Benzin und Diesel durch Biosprit. Energiepflanzen wie Weizen sollen zur Energieerzeugung eingesetzt werden. Beim ökologischen Bauen sollen pflanzliche Rohstoffe ver- stärkt Verwendung finden. Ebenso sollen nachwach- sende Rohstoffe vermehrt fossile Rohstoffe ersetzen. Biosprit, Energiepflanzen, neue Verwendung als Ersatz fossiler Rohstoffe, traditioneller Einsatz in Möbel- und Textilindustrie. Die Einsatzmöglichkeiten von Bio- masse, oder einfacher ausgedrückt von Pflanzen, sind riesig und laufend kommen neue hinzu. Dabei dürfen wir eines nicht vergessen: die Nah- rungsmittelproduktion. Die Erzeugung von Biosprit, Biokunststoff und Ener- giepflanzen steht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelpro- duktion. Wollen wir die Anbauflächen von Nahrungs- mitteln verringern? Wollen wir den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen? Meiner Meinung nach müssen wir die grundsätzli- chen Fragen der Nutzung von Biomasse erst einmal klä- ren, bevor wir immer neue Verwendungsformen fördern. Die Anbauflächen in Deutschland und Europa sind begrenzt. Aus diesem Grund stehen die verschiedenen Nutzungsformen der Pflanzen in Konkurrenz. Wir kön- nen nicht einfach so tun, als ließen sich die Pflanzenwelt und ihre Produkte unendlich nutzen. Wir müssen uns grundsätzlich überlegen, welche Nut- zung der Pflanzenwelt bzw. Biomasse in welchem Um- fang und welcher Form wir wollen. Wir müssen auch die wirtschaftlichen Konsequenzen genau feststellen. All diese Fragen und viele Einzelaspekte sind zu klären. Ich verweise zum Beispiel auf den Arten- und Natur- schutz. Natürlich können wir die Produktion von Ener- giepflanzen und Biokunststoffen durch großflächigen Monoanbau steigern. Nach derzeitigem Stand ist der großflächige Anbau in Monokulturen notwendig. Ein solcher Anbau schädigt aber die pflanzliche und tierische Artenvielfalt. Wollen wir also einen verminder- ten Arten- und Naturschutz, weil der verstärkte Einsatz nachwachsender Rohstoffe dem Klimaschutz dient? 9980 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) Kurz erwähnen möchte ich in diesem Zusammen- hang, dass wir uns für eine nachhaltige biologische Landwirtschaft in der Nahrungsmittelproduktion einset- zen. Also das Gegenteil dessen, was beim Anbau indus- triell genutzter Pflanzen ökonomisch sinnvoll ist. Ungeklärt ist auch der Einsatz der Gentechnik in die- sem Bereich. Manche Vertreter aus der Wirtschaft befür- worten den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen. Sie argumentieren damit, dass Energiepflanzen und nachwachsende Rohstoffe nicht in den Nahrungskreis- lauf gelangen. Auf den ersten Blick stimmt dies. Auf den ersten Blick erscheint der Einsatz grüner Gentechnik auch wirtschaftlich sinnvoll. Schnelleres Wachstum im Allgemeinen, höheres Energiepotenzial bei Energiepflanzen, mehr Stärke für die Produktion von Biokunststoffen, gentechnisch ist das machbar. Aber stimmt es wirklich, dass es keine Auswirkungen auf den Nahrungsmittelkreislauf gibt? Ich bin skeptisch. Vor allem aber bin ich der Meinung, dass hier genauer untersucht werden muss. Meiner Meinung nach entspricht die derzeitige Förde- rung von Biokunststoffen in der 3. Novelle der Verpa- ckungsverordnung den Notwendigkeiten. Bevor wir jedoch konkrete Schritte für eine zusätzli- che Förderung einleiten, müssen wir die grundsätzlichen Fragen klären. Im Rahmen der jetzigen 5. Novelle der Verpackungs- verordnung lehne ich aus zeitlichen Gründen und den er- wähnten grundsätzlichen Fragen eine weitere Förderung von Biokunststoffen ab. Ich plädiere dafür, zeitnah die aufgeworfenen Fragen zu klären und erst dann weitere Fördermaßnahmen für Biokunststoffe aufzulegen. Horst Meierhofer (FDP): Wieder einmal steht uns eine Novelle der Verpackungsverordnung bevor – die fünfte mittlerweile. Für die Grünen ist dies der Anlass zu fordern: „Weg vom Öl im Kunststoffbereich – Chancen der Verpackungsverordnung nutzen und mit Biokunst- stoffen echte Kreisläufe schließen“. Wenn ich mir den Feststellungsteil des Antrags an- schaue, kann ich in vielen Punkten nur zustimmen: Auch die FDP ist der Meinung, dass nach mittlerweile gut 15 Jahren Verpackungsverordnung eine kritische Überprüfung mehr als überfällig ist. Keine Frage, die Einführung der gelben Säcke Anfang der 1990er-Jahre war gut und richtig, um den damaligen Verpackungsber- gen Herr zu werden. Wir sagen aber auch: Die Zeiten ha- ben sich geändert. Moderne Techniken sind teilweise in der Lage, Hausmüll und Wertstoffe maschinell zu tren- nen. Wenn man bedenkt, dass vor allem in Ballungsräu- men der Inhalt von Restmülltonne und gelbem Sack na- hezu identisch ist, muss man sich meiner Meinung nach schon fragen, ob die Trennung von Hand wirklich noch überall sinnvoll ist. Darüber erreicht das Grüne-Punkt-System für einen Milliardenaufwand gerade einmal 0,3 Prozent der Ge- samtabfallmasse in Deutschland. Während wir unsere Joghurtbecher im Idealfall brav in den gelben Sack wer- fen, wandern stoffgleiche Nichtverpackungen nach wie vor in den Restmüll. Kurzum: Auch die FDP ist der Meinung, dass die Ver- packungsverordnung anstelle von weiteren „Reförm- chen“ grundlegend überarbeitet werden muss. Nur die haushaltsnahe Entsorgung der Verkaufsverpackungen si- cherzustellen reicht nicht aus. Und alle wie wir hier sit- zen wissen eigentlich schon jetzt, dass die 5. Novelle nicht die letzte sein wird. Anstatt der geplanten Novelle ist es deshalb Zeit für den großen Wurf. Die Abfallwirt- schaft in Deutschland muss vom Kopf auf die Füße ge- stellt werden. Aber – spätestens hier ist es vorbei mit der trauten Zweisamkeit, Frau Kotting-Uhl – auch Ihr Antrag ist nicht mehr als ein – wenn auch begrüßenswertes – „Re- förmchen“. Mehr Anreize für den Einsatz sogenannter Biokunststoffe zu schaffen, löst die derzeitigen Pro- bleme rund um die Verpackungsverordnung nicht grund- legend. Natürlich ist der Einsatz von Biokunststoffen, soweit möglich, gut: Biokunststoffe sind bei ihrer ener- getischen Verwertung klimaneutral, darüber hinaus bio- logisch abbaubar und sie führen uns weg von der sehr endlichen Ressource Öl. Ein höherer Marktanteil wäre deshalb sicherlich wünschenswert. Trotz alledem: Der Einsatz von Biokunststoffen bietet nur geringe Möglichkeiten, sich von der endlichen Res- source Öl unabhängiger zu machen und Treibhausgase einzusparen. In Ihrem Antrag schreiben Sie, dass rund 10 Prozent des gesamten Erdölimportes in den Bereich der Chemie und Kunststoffproduktion gehen. Lässt man die Chemie weg, so sind es gerade einmal 4 Prozent des Erdöls, die Ausgangsmaterial für Kunststoffe sind. Ein Tropfen auf den heißen Stein, vor allem wenn man be- denkt, dass nicht alle Kunststoffe durch Biokunststoffe ersetzt werden können. Hinzu kommt, dass es bislang keine einheitliche Linie gibt, was die Förderung bzw. Nichtförderung nachwach- sender Rohstoffe angeht: bei den erneuerbaren Energien haben wir das EEG, bei erneuerbarer Wärme gibt es nichts. Bei den Biokraftstoffen haben wir wiederum die Beimischungspflicht. Und jetzt auch noch die Biokunst- stoffe, die übrigens auch jetzt schon bis Ende 2012 privi- legiert sind, wenn Sie einmal in die Übergangsvorschrif- ten der Verpackungsverordnung schauen! Alles nicht gerade systematisch! Im Übrigen sind wir der Meinung, dass die energeti- sche Verwertung generell und nicht nur bei den Bio- kunststoffen ökologisch und ökonomisch sinnvoll sein kann. Schließlich ersetzt sie fossile Energieträger wie Kohle, Gas und Öl. Und schließlich sind es nicht die stofflichen Verwertungsquoten, sondern erst die Verrin- gerung von Emissionen, die zu einer Entlastung der Um- welt führen. Die Rolle des Staates sollte sich deshalb darauf beschränken, die Höhe der Emissionen festzule- gen. Wie diese Restriktionen kosteneffizient erfüllt wer- den können, muss dem Markt überlassen bleiben. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 9981 (A) (C) (B) (D) Fazit: Das System insgesamt muss sich öffnen. An einzelnen Stellen herumzudoktern, bringt auf lange Sicht nichts. Was wir – über den Einsatz von Biokunststoffen hinaus – brauchen, ist ein flexibles System, in dem duale Systeme, maschinelle Sortierung und thermische Ver- wertung miteinander konkurrieren können. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Ich kann vo- rausschicken, dass wir den Antrag der Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen unterstützen. Verpackungen aus bio- logisch abbaubaren Werkstoffen machen in mehrerer Hinsicht Sinn. Erstens. Sie können auf der Basis nachwachsender Rohstoffe wie Stärke, Zucker, Zellulose, Pflanzenöle oder Proteine hergestellt werden. Der Vorteil liegt auf der Hand: Wir sparen wertvolle fossile Rohstoffe und vermindern den Ausstoß von Kohlendioxid. Zweitens. Sie fördern den Gedanken der Kreislauf- wirtschaft. Hier wird am Produkt angesetzt und nicht nachher aufwendig getrennt und recycelt. Dadurch wird übrigens wiederum Energie eingespart. Drittens. Sie verringern weitere Abfallprobleme wie das Vermüllen, und zwar dadurch, dass weggeworfene Verpackungen schnell in der Umwelt schadlos zersetzt werden. Und viertens schaffen sie Einkommensalternativen für die deutsche Landwirtschaft. Unserer Ansicht nach sollten nicht nur Verpackungs- materialien aus biologisch abbaubaren Werkstoffen her- gestellt werden, sondern auch Einweggeschirr oder Folien für den Garten und den Landschaftsbau. Anwen- dungsbereiche sind auch Produkte wie Bindegarne oder Pflanztöpfe. Um die Anwendung im Landschaftsbau oder in der Landwirtschaft voranzubringen sollte schnellstmöglich eine DIN-Norm entwickelt werden, die die Abbaubar- keit im Freilandbereich regelt. Denn wie wir von der Forschungsgemeinschaft Biologisch Abbaubare Werk- stoffe, FBAW, in Hannover wissen, bestehen einige Pro- dukte aus diesem Bereich aus einem Verbund von nach- wachsenden und nicht nachwachsenden Rohstoffen. Es muss aber gewährleistet sein, dass das Produkt in jedem Fall vollständig biologisch abbaubar ist. Das kann eine DIN-Norm leisten. Eine solche DIN-Zertifizierung wurde bereits auf Ini- tiative von European Bioplastics und FBAW für den Be- reich Biokompostierung entwickelt. Allerdings fehlt es hier noch an einer entsprechenden Regelung in der Bio- abfall-Verordnung. Nach der muss nämlich momentan Bioabfall zu 100 Prozent aus nachwachsenden Rohstof- fen bestehen. Es ist jedoch nicht einsichtig, dass Verpa- ckungen, die lediglich zu einem geringen Teil aus nicht nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wurden, aber entsprechend der DIN EN 13432 nachweislich vollstän- dig kompostierbar sind, der Weg in die Biotonne verbaut wird. In den Niederlanden, Großbritannien, Italien und der Schweiz gibt es diese Einschränkung nicht. Die Anwen- dung solcher Verpackungen hat davon profitiert. Biologisch abbaubare Verpackungen müssen also aus unserer Sicht nicht in jedem Fall vollständig aus nach- wachsenden Rohstoffen gemacht sein, obwohl das viel- leicht ökologisch der konsequenteste Weg wäre. Aber man muss ja die Sache technisch-ökonomisch nicht schwieriger gestalten, als sie ohnehin ist. Davon hat dann die Umwelt auch nichts. Die Linke unterstützt das Anliegen der Grünen, recht- lich den Weg für die Verbrennung von Bioverpackungen freizugeben. Die energetische Nutzung wäre hier weitge- hend CO2-neutral und es würde für bestimmte mögliche Anwendungen den letzten Kick für eine positive Bilanz geben. Damit kann die Anwendung solch innovativer Materialien nach vorn gebracht werden. Die rot-grüne Bundesregierung hat von April 2001 bis März 2002 einen Demonstrationsversuch in Kassel zur verstärkten Verwendung kompostierbarer Verpa- ckungen in der kommunalen Bioabfallsammlung gestar- tet. Es gab bereits hoffnungsvolle Ergebnisse. Auch in anderen Forschungsprojekten wurden öffentliche Mittel investiert. Nun käme es darauf an, die Entwicklung dieser Werk- stoffe von der Bundesregierung weiterhin nach vorn zu bringen. Neben den rechtlichen Schritten wären das Maßnahmen im Bereich der Materialentwicklung und Produktanwendung sowie der Forschungsförderung. Nicht zuletzt muss die Produktkennzeichnung verbes- sert und die Bevölkerung besser aufgeklärt werden. Denn es wäre schade, wenn die Bioverpackungen am Ende in der falschen Tonne landen. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die ökologische, ökonomische und friedenspolitische Notwendigkeit zur Abkehr vom Erdöl als Rohstoff und Energieträger ist unbestritten. Es ist die zentrale Zu- kunftsherausforderung unserer Gesellschaft, unser Wirt- schaftssystem auf eine Basis erneuerbarer Ressourcen umzustellen. Im Bereich der Bioenergien haben wir be- reits einiges erreicht, bei der Produktion von Waren und Gütern stehen wir dagegen noch ganz am Anfang der notwendigen Umstellung auf eine erneuerbare Ressour- cenbasis. Vor allem in der Chemie- und Kunststoffindus- trie sind wir noch immer zu über 90 Prozent vom impor- tierten Rohstoff Erdöl abhängig, was neben den ökologischen Problemen vor allem immense wirtschaft- lichen Risken birgt. Obwohl derzeit nur etwa 10 Prozent des gesamten Erdölimportes in den Bereich der Chemie- und Kunst- stoffproduktion gehen, sind die in diesem Bereich un- mittelbar angesiedelten Beschäftigungsverhältnisse von großer Bedeutung. Nach Angaben des Statistischen Bun- desamtes von 2005 sind im Bereich der Chemie- und Kunststoffindustrie über 800 000 Menschen unmittelbar beschäftigt. Gehen fossile Rohstoffe wie Erdöl und Erd- gas zur Neige, gibt es in der Chemie- und Kunststoffin- dustrie keine andere Alternative als die Nutzung von Bio- 9982 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 (A) (C) (B) (D) masse. Es kommt deshalb darauf an, jetzt die notwendigen Weichenstellungen vorzunehmen. Produk- te auf regenerativer Rohstoffbasis müssen gefördert und vor allem aber bestehende Hemmnisse wie die im Ab- fallrecht abgebaut werden. Die Umstellung der Rohstoffbasis in der Chemie ist jedoch nicht nur eine wirtschaftspolitische Notwendig- keit, sondern vor allem auch eine ökologische. Kunst- stoffe sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken, sie haben unbestritten viele Vorteile in der Nutzung; hin- sichtlich ihrer Recyclingeigenschaften sind sie jedoch problematisch. Echte Kreislaufprodukte sind es nicht. Statt dessen steht am Ende des Recyclingprozesses meist ein minderwertigeres Produkt, das früher oder später doch in der Verbrennungsanlage landet. es klar und unmissverständlich heißt, „dass eine ökologi- sche Industriepolitik mehrere Dinge gleichzeitig leisten muss, unter anderem die stoffliche Basis der Industrie in wichtigen Bereichen zunehmend auf nachwachsende Rohstoffe umzustellen.“ Ihre tatsächliche Politik, Herr Minister, ist aber wie so oft eine andere. Sie lassen Ihren Ankündigungen keine Taten folgen. Sie machen sogar das Gegenteil, indem sie im vorliegenden Referentenentwurf zur fünften Novelle die bisher geltende Freistellung von der Verpflichtung zur Teilnahme an einem Dualen System für alle Bio- kunststoffe bis 2012 wieder einschränken und die pfand- freien Getränke aus der Befreiung ausnehmen wollen. Sie tun dies, obwohl Biokunststoffe am Verpackungs- markt gerade erst am Start stehen. Ein Ausstieg aus dem Downcycling von Kunststoffen gelingt jedoch mit Biokunststoffen. Durch den Einsatz lang- und kurzlebiger Biokunststoffe auf der Basis nach- wachsender Rohstoffe eröffnet sich für Kreislaufwirt- schaft- und Abfallpolitik eine neue Perspektive. Wäh- rend die bisherige Abfallgesetzgebung – insbesondere die Verpackungsverordnung – aus Gründen des Ressour- censchutzes ein möglichst hochwertiges werkstoffliches Recycling zum Ziel hat, können Produkte auf regenerati- ver Basis entweder recycelt werden oder durch eine energetische Verwertung in einen echten Kreislauf ge- führt werden. Durch den Anteil an biogenem Kohlen- stoff kann zum Beispiel klimaneutral Strom und Wärme erzeugt werden. Es gibt keinen Treibhausgaseffekt, denn nachwachsende Rohstoffe werden durch Sonnenlicht aus Wasser und CO2 ständig neu gebildet, und nur diese Komponenten werden bei der Verwertung wieder freige- setzt. Biokunststoffe sind auch keine Konkurrenz zu den Bioenergien, sondern ganz im Gegenteil eine sinnvolle Ergänzung. So wird Biomasse zuerst stofflich genutzt und erst anschließend energetisch. Solche Nutzungskas- kaden erhöhen die Unabhängigkeit vom Erdöl, ohne den Bedarf an Anbaufläche zu vergrößern. Diese Chancen durch Biokunststoffe werden aber noch immer viel zu wenig erkannt und genutzt, die Bun- desregierung ist in dieser Hinsicht untätig. Herr Minister Gabriel, ich möchte Sie an dieser Stelle gerne an das von Ihnen in Oktober 2006 vorgelegte Memorandum für ei- nen „New Deal“ von Wirtschaft, Umwelt und Beschäfti- gung zur ökologischen Industriepolitik erinnern, in dem sellschaft mbH, Amsterdamer Str. 19 Sie verstehen unter Produktverantwortung lediglich die Existenzsicherung der Dualen Systeme, aber nicht die Chance ökologischer Innovationen, die sie selber doch immer so vehement an anderer Stelle einfordern. Die Verpackungsverordnung bietet tatsächlich die Chance, den Umstieg wichtiger Wirtschaftsbereiche auf nachwachsende Rohstoffe zu forcieren. Der Verpa- ckungsmarkt ist derzeit einer der wenigen, in denen Kunststoffe auf der Basis nachwachsender Rohstoffe überhaupt eine Rolle spielen und marktreife Produkte angeboten und vertrieben werden. Wenn es gelingt, Biokunststoffe im Verpackungs- markt zu etablieren, bringt das die notwendige Dynamik, um auch in den anderen Wirtschaftsbereichen den not- wendigen Wechsel hin zu erneuerbaren Ressourcen zu vollziehen. Kunststoffe auf der Basis nachwachsender Rohstoffe sind eine Chance für Umwelt und Wirtschaft. Herr Minister, lassen Sie ihren Ankündigungen end- lich mal Taten folgen und sorgen Sie dafür, dass anstelle eines weiteren Reförmchens des bestehenden Systems, die Verpackungsverordnung grundlegend mit dem Ziel überarbeitet wird, Anreize für die Umstellung von erdöl- basierten Kunststoffen auf Biokunststoffe aus nach- wachsenden Rohstoffen zu setzen. Sorgen Sie dafür, dass die Verpackungsverordnung konsequent in Rich- tung Ressourcenschutz weiterentwickelt wird und die Verwendung der nachwachsenden Rohstoffbasis zusam- men mit der biologischen Abbaubarkeit als Produktver- antwortung anerkannt wird. nd 91, 1 2, 0, T 22 97. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2007 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dorothee Menzner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

    Kollegen! Die Lkw-Maut in diesem Land ist kein Ruh-
    mesblatt: weder für die jetzige Bundesregierung noch für
    die vorherige.


    (Zurufe von der SPD: Doch! – Ein Erfolgsmodell!)


    Es ist schon angesprochen worden: Mehr als zwei
    Jahre ist es her, dass die Lkw-Maut eingeführt wurde.
    Doch unsere Spediteure können erst jetzt mit einer teil-
    weisen Mautkompensation rechnen, die ihnen vor lan-
    ger, langer Zeit – auch das wurde schon angesprochen –
    in Aussicht gestellt wurde.

    Im Mai 2003, also vor genau vier Jahren, haben Bun-
    destag, Bundesrat und Bundesregierung den legendären
    Mautkompromiss getroffen. Damals wurde vereinbart,
    600 Millionen Euro aus den Mauteinnahmen zugunsten
    des hiesigen Speditionsgewerbes als Ausgleich für die
    Kfz- und die Mineralölsteuer zu verwenden, die auslän-
    dische Lkw hierzulande nicht entrichten.

    Die Linke meint: Da sollte jetzt schnellstens Klarheit
    geschaffen werden. Einerseits hat das Speditionsge-
    werbe Anspruch auf einen korrekten Ausgleich. Ande-
    rerseits muss die Lkw-Maut schnellstens auf das EU-
    rechtlich mögliche Maß erhöht werden. Das beträgt be-
    kanntlich 15 Cent je gefahrenen Kilometer. Aber dem
    steht dieser Mautkompromiss jetzt entgegen.

    Die Koalition und die Regierung kneifen. Sie geben
    den inländischen Spediteuren durch die Senkung der
    Kfz-Steuer, wie eben angesprochen, nur 150 Millionen
    Euro zurück. Da fehlen noch 350 Millionen bis 450 Mil-
    lionen Euro. Statt Zusagen einzuhalten, wurschtelt die
    Regierung weiter. Die Maut soll von zurzeit 12,4 Cent
    um etwa einen Cent auf 13,5 Cent erhöht werden. Es ist
    in Aussicht gestellt, dass sie ab Oktober 2008 um






    (A) (C)



    (B) (D)


    Dorothée Menzner
    0,45 Cent je Kilometer gesenkt wird. Wenn unserem
    Verkehrsminister zwischenzeitlich noch eine andere Re-
    gelungsmöglichkeit einfällt, dann gibt es 2009 vielleicht
    wieder eine Erhöhung. Das würde bedeuten, dass es in-
    nerhalb von 18 Monaten vier verschiedene Mautsätze
    gibt.

    Man muss wissen, dass Fachleute sagen – auch das ist
    kein Geheimnis –, dass eine grundlegende Reform der
    Maut anstehen würde. Nicht irgendwann in ferner Zu-
    kunft, sondern relativ zeitnah müssten unterschiedliche
    Mautsätze je nach Abgasausstoß der Fahrzeuge einge-
    führt werden.

    Wir könnten uns jetzt damit trösten, dass die im Ge-
    setz ab Oktober 2008 festgelegten Mautsätze nach dem
    Zeitplan der Bundesregierung vielleicht nie zur Anwen-
    dung kommen. Aber ich nehme diesen Gesetzentwurf
    der Bundesregierung zum Anlass, einmal sehr ernsthaft
    zu fragen, was wir hier eigentlich tun. Wir reden perma-
    nent vom Bürokratieabbau, aber gleichzeitig schaffen
    wir mit solch unzulänglichen Gesetzen mehr Undurch-
    sichtigkeit.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Dieses Gesetz – das muss man Ihnen lassen – ist
    durchaus ein Meisterwerk, ein Meisterwerk getreu dem
    Motto „Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht
    nass!“. Es hält allen Akteuren die Türen weiter offen, um
    munter an den Stellschrauben zu drehen. Dass mit dieser
    Pfennigfuchserei über die Notwendigkeiten hinwegge-
    täuscht wird, finde ich wahrlich meisterlich.

    Uns als Linke ist das zu wenig. Genau aus diesem
    Grund können wir diesem Gesetzentwurf nicht zustim-
    men. Mit einer Senkung der Maut ab Oktober 2008 wür-
    den wir dazu beitragen, einen minimalen Anreiz – er ist
    wirklich nur minimal – für eine bessere ökologische Bi-
    lanz des Lkw-Verkehrs wieder zu kassieren. Gerade
    nach den Debatten und nach dem, was wir in den letzten
    Tagen in den Zeitungen lesen konnten, entspricht dies
    nicht den Zeichen der Zeit.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Angesichts des Klimawandels ist ein großer Wurf nö-
    tig – er ist nach EU-Recht auch möglich –, aber nicht
    diese Flickschusterei, die uns hier vorgelegt wird.

    Danke.


    (Beifall bei der LINKEN)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Nun erteile ich dem Kollegen Dirk Fischer, CDU/

CSU-Fraktion, das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dirk Fischer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und

    Kollegen! Die Verkehrsleistung des Straßengüterver-
    kehrsgewerbes betrug 2006 434 Milliarden Tonnenkilo-
    meter. Der Anteil des Gewerbes am Modal Split in
    Deutschland beträgt rund 70 Prozent. Selbst die DB AG
    mischt über ihre Lkw-Sparte Schenker, den größten
    Lkw-Carrier in Deutschland und Europa, in diesem
    Markt mit. Nebenbei gesagt: Bedauerlich ist nur, dass
    dies in der Ökobilanz der DB AG, die gerade den Tages-
    zeitungen beigelegt worden ist, keinen Niederschlag ge-
    funden hat. Ein Schelm, der Böses dabei denkt!

    In Deutschland hat das überwiegend mittelständisch
    geprägte Straßengüterverkehrsgewerbe rund 600 000 Be-
    schäftigte und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von
    30 Milliarden Euro. Die Branche gehört nicht nur zu den
    zentralen Wirtschaftszweigen am Standort Deutschland,
    sondern leistet auch einen hohen Beitrag zur Bruttowert-
    schöpfung in unserem Land und ist Garant für den Fort-
    bestand der arbeitsteiligen Volkswirtschaften Europas.

    Auch 14 Jahre nach Beginn des EU-Binnenmarktes
    für Dienstleistungen gibt es immer noch keine vollstän-
    dige Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen. Das
    deutsche Straßengüterverkehrsgewerbe leidet besonders
    stark unter den fortbestehenden Wettbewerbsverzer-
    rungen. Nach der EU-Erweiterung haben die Kostenun-
    terschiede zwischen den alten und den neuen EU-Staaten
    den ohnehin schon hohen Preisdruck deutlich verschärft.
    Faire Wettbewerbsbedingungen für die deutschen Be-
    triebe sind eigentlich nur durch eine schnelle Harmoni-
    sierung innerhalb der EU zu erreichen.

    Mit der Einführung der streckenbezogenen Lkw-
    Maut in unserem Lande ist eine gerechtere Wegekosten-
    anlastung für das europäische Straßengüterverkehrsge-
    werbe in Deutschland erreicht worden. Die Union hat
    stets die Auffassung vertreten, dass weitere Harmoni-
    sierungsmaßnahmen dringend erforderlich sind, damit
    das deutsche Güterverkehrsgewerbe den Wettbewerb in
    Europa erfolgreich bestehen kann.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Deswegen hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion 2003
    im Vermittlungsverfahren zum Autobahnmautgesetz da-
    rauf gedrängt, das deutsche Straßengüterverkehrsgewerbe
    mit einem Harmonisierungsvolumen von 600 Millionen
    Euro zu entlasten. Das war in der Tat ein Faustpfand,
    Herr Kollege Friedrich, und keine Harmonisierung. Im-
    merhin war es aber eine Kostenentlastung. Als Faust-
    pfand haben wir damals vereinbart, dass der geplante
    durchschnittliche Mautsatz nicht 15 Cent pro Kilometer
    beträgt, sondern auf 12,4 Cent pro Kilometer gesenkt
    wird, bis er dann mit der Durchsetzung einzelner Harmo-
    nisierungsschritte für das Gewerbe jeweils sukzessive er-
    höht werden kann. Damit haben wir damals eine richtige
    Entscheidung getroffen.

    Im Koalitionsvertrag hat sich die Große Koalition zu
    dieser Zusage bekannt und das Ziel der Schaffung fairer
    Wettbewerbsbedingungen für das deutsche Güterkraft-
    verkehrsgewerbe festgeschrieben. Das zunächst prioritär
    verfolgte Mautermäßigungsverfahren in Verbindung
    mit in Deutschland gezahlter Mineralölsteuer wurde von
    der EU-Kommission im Beihilfeprüfverfahren abge-
    lehnt. – Herr Kollege Friedrich, an dieser Stelle muss
    deutlich gesagt werden: Es war der Wunsch des Gewer-
    bes, zunächst dieses Verfahren zu betreiben, wodurch
    natürlich, da es gescheitert ist, ein Zeitverlust eingetreten
    ist. – Nach Auffassung der Kommission hätte dieses






    (A) (C)



    (B) (D)


    Dirk Fischer (Hamburg)

    Verfahren ausländische Spediteure benachteiligt, die sel-
    tener in Deutschland tanken.

    Unabhängig von den Erfolgsaussichten einer Klage
    gegen die Entscheidung der Europäischen Kommission
    hat sich die Bundesregierung angesichts eines Zeitbe-
    darfs von geschätzten sechs bis zehn Jahren bis zu einem
    Endurteil in Abstimmung mit dem Gewerbe dafür ent-
    schieden, dieses Mautermäßigungsverfahren nicht wei-
    ter zu verfolgen.

    Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden jetzt al-
    ternative Harmonisierungsmaßnahmen angegangen. Die
    Kfz-Steuer für schwere Nutzfahrzeuge wird auf das eu-
    roparechtlich zulässige Mindestniveau gesenkt. Das führt
    zu einem Entlastungsvolumen von 150 Millionen Euro
    gegenüber den ausländischen Wettbewerbern. Ferner
    wird bis zum 30. September 2008 – länger ist es nicht ge-
    nehmigt – ein Innovationsprogramm von 100 Millio-
    nen Euro aufgelegt, um die Anschaffung besonders emis-
    sionsarmer Lkws der Euro-5-Klasse zu fördern. Beide
    Harmonisierungsmaßnahmen werden durch die Anhe-
    bung der Maut auf durchschnittlich 13,5 Cent pro Kilo-
    meter gegenfinanziert.

    Gleichzeitig haben wir geregelt, dass die Mautsätze
    mit dem Auslaufen des befristeten Innovationsprogramms
    zum 1. Oktober 2008 wieder automatisch um 0,44 Cent
    pro Kilometer gesenkt werden. Ob im Anschluss daran
    ein Euro-6-Förderprogramm aufgelegt werden sollte,
    was gemäß EU-Genehmigung innerhalb eines Zeitraums
    von insgesamt bis zu sechs Jahren möglich wäre, hängt
    nach unserer Auffassung natürlich zunächst einmal von
    der Markteinführung solcher Fahrzeuge ab, aber auch
    von der aktuellen Beurteilung der Investitionskraft des
    Gewerbes. Man kann dem mittelständischen Gewerbe
    nicht einen permanenten Investitionsstress aufoktroyie-
    ren, den es mangels Investitionsfähigkeit gar nicht beste-
    hen kann. Dann würde gerade bei den mittelständischen
    Betrieben eine Förderung völlig ins Leere laufen. Des-
    wegen müssen wir das hinterher prüfen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Das heute beschlossene Harmonisierungsvolumen in
    der Höhe von 250 Millionen Euro, von denen nur
    150 Millionen Euro nachhaltig sind, ist also nur ein ers-
    ter Schritt zur Beseitigung von diskriminierenden Wett-
    bewerbsverzerrungen. Der Bund bleibt gegenüber dem
    Straßengüterverkehrsgewerbe in der Pflicht, weitere
    Harmonisierungsschritte bis zum zugesagten Gesamtvo-
    lumen von 600 Millionen Euro zu erbringen. Er muss
    daher alle Möglichkeiten prüfen, um die fortbestehende
    Harmonisierungslücke zu schließen. Dazu gehört auch
    die fachliche Prüfung und politische Beurteilung der
    vom Gewerbe vorgeschlagenen steuerlichen Erleichte-
    rungen, zum Beispiel der Verkürzung der Abschrei-
    bungsfrist und der Einführung eines Steuerfreibetrages
    für Fahrzeugveräußerungsgewinne.

    Dazu gehört auch, dass wir wahrnehmen müssen,
    dass die EU-Kommission es nicht untersagt hat, dass
    Frankreich für seine Transportunternehmen die Gewer-
    besteuer abgesenkt hat. Das Gewerbe weist auch darauf
    hin, dass Doppelbelastungen vermieden würden, wenn
    die Kfz-Steuer und ein Teil der gezahlten Lkw-Maut
    künftig nicht mehr aufwandsmindernd abgerechnet, son-
    dern direkt von den Gewinnsteuern abgesetzt werden
    könnten und damit teilweise zu durchlaufenden Posten
    würden.

    Dazu gehört auch – der Parlamentarische Staatssekre-
    tär Achim Großmann hat es angesprochen; ich begrüße,
    was Sie dazu gesagt haben –, dass Art. 4 der geänderten
    EU-Energiesteuerrichtlinie die Möglichkeit vorsieht, den
    Steuersatz für Gewerbediesel im Zusammenhang mit
    der Maut zu senken, sofern der Mindeststeuersatz nicht
    unterschritten wird, was bisher schon möglich ist, wenn
    der Steuersatz nicht unter das Niveau vom 1. Januar
    2003 abgesenkt wird.

    Unter dem Strich: Für die CDU/CSU-Fraktion ist das
    Thema Harmonisierung im Bereich des Straßengüterver-
    kehrsgewerbes nicht erledigt. Wir sind und bleiben ver-
    pflichtet, die mit der Einführung der Lkw-Maut zuge-
    sagte Harmonisierung Zug um Zug zu erfüllen.

    Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


    (Beifall bei der CDU/CSU)