Rede von
Mechthild
Dyckmans
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heuti-
gen Beratungen des Justizhaushaltes bieten Anlass, zu-
rückzublicken auf das, was war, und nach vorne zu
schauen, auf die Herausforderungen, denen wir uns in
der Rechtspolitik zu stellen haben.
Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag
zahlreiche Initiativen im Bereich der Rechtspolitik ange-
kündigt. Die Bilanz nach nunmehr über 130 Tagen ist
aus Sicht der FDP eher ernüchternd. Zwar haben Sie,
Frau Ministerin, in den letzten Wochen einige Eckpunkte
und Initiativen vorgestellt – auch heute haben Sie gesagt,
was Sie zur Förderung des Kindeswohls und im Bereich
des Familienrechts tun wollen –, aber in vielen anderen
wichtigen Bereichen ist bislang nichts geschehen.
Nennen möchte ich zum Beispiel die Reform der
Telekommunikationsüberwachung. Jahrelangen An-
kündigungen sind keine Taten gefolgt, obwohl in Ihrem
Ministerium eigentlich umfangreiche Vorarbeiten geleis-
tet worden sein müssten. Erste Ergebnisse sind für die
zweite Jahreshälfte angekündigt. Wir sind gespannt, wie
ernst gemeint Ihre Versprechungen diesmal sind.
Hinzu kommt, dass das Urteil des Bundesverfassungsge-
richts zur akustischen Wohnraumüberwachung als Auf-
trag verstanden werden muss, grundsätzlich alle staatli-
chen Überwachungsmaßnahmen auf den Prüfstand zu
stellen. Wir verlangen von der Bundesregierung ein Ge-
samtkonzept. Wir brauchen eine Rechtspolitik aus einem
Guss.
Bei einer solchen Reform, Frau Ministerin, wird die
FDP-Bundestagsfraktion konstruktiv mitarbeiten.
Ich freue mich auch auf die angekündigte Unterstüt-
zung bei der Beratung unseres Entwurfs eines Gesetzes
zur Pressefreiheit, der insbesondere rechtsstaatliche Ge-
sichtspunkte stärker berücksichtigt und dadurch einen
besseren Schutz der Presse garantiert.
Enttäuscht hat uns allerdings der von Ihnen vorge-
legte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zoll-
fahndungsdienstgesetzes. Obwohl Sie wissen, dass der
Gesetzentwurf in keiner Weise die Vorgaben des Bun-
desverfassungsgerichts zur akustischen Wohnraumüber-
wachung berücksichtigt, haben Sie die Geltung bis Mitte
2007 verlängert und damit einen verfassungsrechtlich
bedenklichen Zustand verfestigt.
Die erste Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ge-
gen dieses Gesetz ist bereits anhängig. Ich bedaure sehr,
dass Sie schon zu Beginn der Wahlperiode die notwen-
dige Sensibilität für eine an den Grundrechten unserer
Verfassung ausgerichtete Rechtspolitik vermissen las-
sen.
Lange überfällig und von der FDP immer wieder an-
gemahnt sind die im Koalitionsvertrag angekündigten
Gesetzentwürfe zur Untersuchungshaft und zum Straf-
vollzug. Die Umsetzung ist wohl fraglich geworden,
wenn man die Vorschläge zur Föderalismusreform sieht.
Zwar haben alle Experten in den vergangenen Monaten
immer wieder auf die Gefahr der Verlagerung der Kom-
petenz für den Strafvollzug auf die Länder hingewiesen,
aber Sie, Frau Ministerin – so haben wir es gerade
gehört –, haben sich offensichtlich schon mit einer Über-
tragung abgefunden. Das finden wir nicht gut.
Wir, die FDP-Fraktion, haben uns in unseren Forderun-
gen nach einem Jugendstrafvollzugsgesetz im Bundestag
klar für die Beibehaltung der Gesetzgebungskompetenz
für den Strafvollzug beim Bund ausgesprochen. Ich
hoffe sehr, dass wir bei der Anhörung zur Föderalismus-
reform gemeinsam eine vernünftige Lösung finden wer-
den.
Die Bundeskanzlerin hat ihre Regierungserklärung
unter das Motto „Mehr Freiheit wagen“ gestellt. Die Bi-
lanz der Bundesregierung im Bereich der Rechtspolitik
wird diesem Motto, wie ich meine, nicht gerecht. Statt
gestärkter Bürgerrechte sind weitere Eingriffe in ge-
schützte Rechtspositionen zu befürchten; ich erinnere
nur an die Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den
Europäischen Haftbefehl. Auch in der Gesellschaftspoli-
tik verweigert die Bundesregierung wichtige Reformen,
die es den Menschen in unserem Land ermöglichen, ih-
ren individuellen Lebensentwurf in Freiheit und Selbst-
bestimmung zu leben.
Aus Sicht der FDP sind die ersten Schritte der Bun-
desregierung im Bereich der Rechtspolitik weder von
Mut noch von Freiheit geprägt. Ich erwarte, dass die
Bundesregierung die kommenden Jahre nutzt, um eine
Rechtspolitik anzugehen, die den Rechtsstaat und die
Rechte der Bürgerinnen und Bürger stärkt und verteidigt.
Danke schön.