Rede von
Dr.
Kirsten
Tackmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Gäste! Um es gleich vorwegzusagen:
Wir glauben, dass mit diesem Agrarhaushalt die Pro-
bleme im ländlichen Raum nicht nur nicht gelöst, son-
dern sich weiter zuspitzen werden.
Aber gestatten Sie mir zunächst eine grundsätzliche
Bemerkung. Der nun auch von der Bundesbank bestä-
tigte wesentliche kausale Zusammenhang zwischen feh-
lenden Einnahmen und dem Staatsdefizit bringt uns in
eine prekäre Situation: Die politischen Gestaltungs-
möglichkeiten werden immer kleiner. Stattdessen ver-
walten wir selbstverschuldeten Mangel. Das trägt zu
Politikverdrossenheit und Wahlverweigerung bei und
beschädigt die Demokratie.
Der erneut reduzierte Bundesagrarhaushalt spitzt die
Probleme im ländlichen Raum weiter zu, selbst wenn
man berücksichtigt, dass Bundesmittel nicht die einzige
Finanzierungsquelle sind. Uns allen wurde die Aufgabe
gestellt, mit nunmehr 5 Milliarden Euro zu politischen
Rahmenbedingungen beizutragen, die dem ländlichen
Raum und der Landwirtschaft eine wirkliche Zukunfts-
chance eröffnen. Da ist selbst mit einer Prioritätenset-
zung nicht viel zu stemmen. Umso mehr kommt es aus
unserer Sicht darauf an, wirtschaftliche, ökologische
– könnte ich um ein bisschen Ruhe bitten – und soziale
Interessen nicht gegeneinander auszuspielen, sondern
zusammenzudenken.
Doch die gegenläufige Tendenz ist der Fall. Immer
mehr ländliche Räume werden zu sozialen Brennpunk-
ten. Ein expandierender Niedriglohnsektor und Hartz IV
führen dazu, dass nicht nur Langzeitarbeitslose, sondern
auch Einzelhändler, Dienstleister und ihre Angestellten
ihre Existenz nicht mehr bestreiten können. Gleichzeitig
werden Umwelt- und Naturschutz zunehmend als wirt-
schaftsfeindlich oder gegen die Interessen der Menschen
gerichtet dargestellt. Angesichts dieser Probleme wird
dringender denn je ein zukunftsfähiges agrarpolitisches
Konzept gebraucht.
Im Zentrum unserer konzeptionellen Gedanken steht,
dass eine sozialökologische Umgestaltung der Gesell-
schaft zwingender denn je ist und dass die ländlichen
Räume mit ihrer Agrarwirtschaft dabei eine zentrale
Funktion haben. Sie müssen als soziale und nicht nur als
wirtschaftliche Räume politisch gestaltet werden, und
zwar so, dass auch künftige Generationen dort leben
können. Das heißt, sowohl natürliche Ressourcen zu
schonen als auch existenzsichernde Arbeitsplätze zu er-
halten oder zu schaffen – nicht nur in der Landwirt-
schaft. Das ist zugegebenermaßen gelegentlich ein Span-
nungsfeld, das sich aber mit gutem Willen und klugen
Ideen durchaus auflösen lässt und das aufgelöst werden
muss, wollen wir nicht die zunehmende Verarmung und
Vergreisung in den ländlichen Räumen tatenlos hinneh-
men.
Das heißt agrarkonzeptionell gedacht: Erstens. Wir
brauchen existenzsichernde Arbeitsplätze auch in der
Landwirtschaft. Die Tendenz zu diskontinuierlicher, sai-
sonaler Beschäftigung und Niedriglohn hat gerade im
ländlichen Raum dramatische Folgen. Wir wollen keine
Tagelöhner.