Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
olleginnen und Kollegen! Ich erinnere mich an die Dis-
ussion, die wir zur Operation Althea vor einem Jahr in
iesem Hause geführt haben. Schon damals zeichnete
ich ab, dass wir mit Optimismus davon ausgehen wür-
en, dass sie zu einem gemeinsamen und erfolgreichen
uropäischen Projekt werden würde.
Heute kann man in einer Rückschau feststellen, dass
ir uns dabei nicht übernommen haben. Das ist eine
ohltuende Erkenntnis. Ich finde es im Übrigen sehr an-
enehm, dass das Haus bis auf eine kleine Ausnahme ge-
einsam die Politik, die von uns und der Europäischen
nion in Bosnien-Herzegowina verfolgt wird, akzeptiert
nd unterstützt. Das ist ein gutes Zeichen.
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Detlef Dzembritzki
Es wäre verlockend, die Diskussion, an der die Kolle-
gen Eid beteiligt war, an dieser Stelle noch einmal aufzu-
greifen. Ich will aber nur eine Bemerkung dazu machen.
Ich bin kurz nach den kriegerischen Ereignissen nach
Bosnien-Herzegowina gefahren und habe mir das Land
angeschaut; denn allein bei uns in Berlin waren über
30 000 Flüchtlinge und wir mussten uns ständig die
Frage stellen, wann diese Menschen endlich wieder zu-
rückkehren können. Was ich damals in Bosnien-Herze-
gowina erlebt und gesehen habe – die zerstörten Häuser
und die zerstörte Infrastruktur –, hielt ich in Europa für
nicht vorstellbar. Verehrte Kolleginnen und Kollegen
von den Linken, Ihre Vorstellung, dass dies alles aus-
schließlich mit Diskussionen und Goodwill zu beenden
gewesen wäre, ist so naiv,
dass Ihre Argumente und Vorschläge betreffend den zivi-
len Bereich – darüber hätte man ruhig einmal im Detail
diskutieren und das eine oder andere aufgreifen können;
Sie haben ja zum Teil Recht; das ist unbestreitbar – un-
glaubwürdig werden. Das gilt auch für die Vorwürfe, die
Sie uns gemacht haben, als wir die Mühen des militäri-
schen Einsatzes auf uns genommen haben.
Man kann den Soldatinnen und Soldaten für die dort
übernommenen Aufgaben nur dankbar sein.
Man begegnet ihnen dort übrigens nicht mit Vorurteilen
gegenüber dem Militär, sondern man verbindet mit ihrer
Anwesenheit Sicherheit. Das Kennzeichen, die Qualität
des Einsatzes der Bundeswehr in Bosnien-Herzegowina
ist gerade, dass sie in der Bevölkerung Anerkennung fin-
det. Das habe ich persönlich gespürt. Es war beinahe be-
schämend, als sich die Menschen bei mir, einem Zivilis-
ten, für den Einsatz der Bundeswehr bedankt haben.
Ich möchte an die Ausführungen von Frau Kollegin
Beck anschließen. Der zehnte Jahrestag von Dayton
zwingt uns quasi, zu schauen, was bewegt worden ist,
und darüber nachzudenken, wie es weitergehen soll. Es
gibt ja durchaus positive Aspekte: die Aufnahme der
Verhandlungen zur Stabilisierung des EU-Assoziie-
rungsabkommens und – da dies heute noch nicht ange-
sprochen worden ist, möchte ich es erwähnen – das Be-
kenntnis der Vorsitzenden aller relevanten bosnischen
Parteien zur Notwendigkeit einer Verfassungsreform.
Die entsprechende Zusage ist auf der Dayton-plus-Zehn-
Konferenz gegeben worden. Es ist wirklich bemerkens-
wert, dass sich diese gesellschaftlichen Gruppen zu der
Notwendigkeit eines Veränderungsprozesses bekennen.
Ein weiteres positives Signal – das haben schon fast
alle angesprochen – ist die Wahl des Kollegen Schwarz-
Schilling zum Nachfolger des Hohen Repräsentanten
Paddy Ashdown. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie
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ch hätte gedacht, dass er nach dem, was er schon alles
ingebracht hat, ein bisschen zögern würde, dieses Amt
u übernehmen. Kollege Guttenberg hat ja auf sympathi-
che Weise gesagt, dass Herr Schwarz-Schilling einige
ahre nach der Pensionierung offenbar schauen müsse,
as er noch tun könne. Mein Respekt und die Dankbar-
eit meiner Fraktion, dass er sich dieser Herausforde-
ung stellt!
Die Ereignisse in Bosnien-Herzegowina zeigen aber
in Stück weit auch, dass all das, was sich dort entwi-
kelt hat, nur unter äußerem Druck möglich war. Es ist
icht so, dass die Kolleginnen und Kollegen vor Ort das,
as wir nun begrüßen, eigenverantwortlich auf den Weg
ebracht hätten. Es war immer notwendig, von außen
ruck auszuüben. Ich erinnere in diesem Zusammen-
ang nur daran, wie die Verantwortlichen der Republik
rpska quasi gezwungen werden mussten, der Polizei-
eform als notwendiger Voraussetzung für den Stabilisie-
ungs- und Anpassungsprozess der EU zuzustimmen.
Ich glaube, dass man die Bonn Powers differenzierter
etrachten muss. Wir alle sind damit nicht glücklich.
addy Ashdown ist sicherlich manchmal ein kleiner
izekönig gewesen; das ist nicht wegzudiskutieren. Die
onn Powers, die so stark sind, bieten den Verantwortli-
hen vor Ort auch die Möglichkeit – das räumen zum
eil die Kollegen in Bosnien-Herzegowina selber ein;
iele von außen bestätigen das –, sich zu verstecken, die
nliebsamen, möglicherweise mit Kritik behafteten Ent-
cheidungen vom Hohen Repräsentanten treffen zu las-
en und sich so der eigenen Verantwortung zu entziehen.
Deswegen, Kollege Stinner, haben Sie völlig Recht.
ir haben mit dem Kollegen Schwarz-Schilling jeman-
en, der es – ich sage das als Sozialpädagoge – wirklich
n den Fingerspitzen hat, diesen Prozess so zu gestalten,
ass er sich selbst überflüssig macht. Ich wünsche ihm
rfolg und viel Glück.
Es muss aber auch erkennbar werden, dass die Ak-
eure in Bosnien-Herzegowina das Wohlergehen des Ge-
amtstaates und aller Bürgerinnen und Bürger wollen.
as muss in den Prozess einer neuen Verfassung einflie-
en. Es gibt heute schon Möglichkeiten, ohne dass diese
erfassung schon vollendet ist, identitätsstiftende
esamtstaatliche Projekte durchzuführen. Wir haben
on der Verteidigungsreform gehört. Aber solange die
epublik Srpska ihre Soldaten noch in Serbien ausbildet
nd die anderen ihre Soldaten in Kroatien ausbilden und
ie nicht zu einer gemeinsamen Philosophie kommen,
ird da nichts Gesamtstaatsbildendes sein. Man muss
lso schauen, dass etwas mehr geschieht, als auf dem
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Detlef Dzembritzki
Papier Freundlichkeiten zu bereiten. Ich glaube, dass wir
da auf einem ganz guten Weg sind.
Ich will abschließend sagen: Wir dürfen nie den Ein-
druck entstehen lassen, dass die gute Entwicklung, die
wir in den zurückliegenden Jahren in Bosnien-Herzego-
wina erlebt haben, selbstverständlich war. Der Kollege
Erler hat das angesprochen. Wer weiß, was die Men-
schen dort einander angetan haben, und wer weiß, wie
dicht das Erlebte noch ist, der wird seinen Respekt und
seine Anerkennung dafür aussprechen, dass diese Men-
schen aufeinander zugegangen sind und der Hass doch
überwunden worden ist.
Die gute Weihnachtsbotschaft ist doch, dass Frieden
in dieser Welt möglich ist und dass Hass überwunden
werden kann. Wenn wir als Deutscher Bundestag dabei
ein bisschen helfen konnten, dann haben wir gemeinsam
fröhliche Weihnachten verdient.
Alles Gute.