Rede von
Reinhard
Grindel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
err Kollege Ströbele, es hat Fehlentwicklungen gege-
en, über die wir aus Anlass Ihres Antrages reden wer-
en. Aber ich finde, Sie sollten es jetzt nicht übertreiben.
ir sollten nicht gegenüber der Öffentlichkeit den Ein-
ruck erwecken, als ob Journalisten reihenweise auf den
ehaltslisten des BND oder des Verfassungsschutzes
tünden.
as ist auch eine Unterstellung den Journalisten gegen-
ber. Ich habe den Eindruck, dass investigativ arbeitende
ournalisten sehr wohl wissen, wie sie ihr Verhältnis zu
en Geheimdiensten zu definieren haben, und dass sie
ich nicht mit Geheimdiensten gemein machen. Man
ollte nicht mit solchen Unterstellungen arbeiten. Nach
einem Eindruck ist bei der übergroßen Mehrheit der
ournalisten in unserem Land die Gefahr, dass die Unab-
ängigkeit verloren gehen würde, wirklich nicht gege-
en; vielmehr macht die große Zahl der Journalisten ei-
en guten Job. Das sollte man nicht infrage stellen.
Ich finde, dass diese Debatte überhaupt keinen Anlass
ür einen parteipolitischen Schlagabtausch bietet. Das
arlamentarische Kontrollgremium hat einvernehm-
ich festgestellt, dass der BND bei seiner Vorgehens-
eise gegen einzelne Journalisten teilweise die ihm ein-
eräumten Befugnisse überschritten hat. Das PKGr hat
inen Sachverständigen mit der weiteren Untersuchung
er Angelegenheit beauftragt.
Überwachungsmaßnahmen gegen Journalisten, Herr
ollege Ströbele – das sollten Sie zur Kenntnis
ehmen –, gab es nicht nur in den 90er-Jahren, sondern
s gab sie bis ins Jahr 2003 unter der Verantwortung von
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2005 621
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Reinhard Grindel
Rot-Grün. Da sollte jeder vor seiner eigenen Haustür
kehren.
Ich finde, dieser Fall bietet Anlass zu einem grund-
sätzlichen Nachdenken über das Verhältnis von Presse
einerseits und Justizbehörden oder Nachrichtendiensten
andererseits. Ob es die „Cicero“-Affäre war, in der Re-
daktions- und Privaträume durchsucht und Material be-
schlagnahmt wurde, das ersichtlich mit dem eigentlichen
Ermittlungsverfahren nichts zu tun hatte, oder die Obser-
vation von Journalisten durch Mitarbeiter des BND: Der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist beim Kampf
gegen undichte Stellen in den Sicherheitsbehörden von
den Verantwortlichen nicht immer hinreichend beachtet
worden.
Es ist daran zu erinnern – man soll seine eigene beruf-
liche Erfahrung in die Arbeit des Bundestags
einbringen –: Das Grundrecht der Pressefreiheit ist
nicht irgendein Verfassungsgrundrecht.
Dieser Verfassungsgrundsatz ist für unsere freiheitlich-
demokratische Grundordnung schlechthin konstituie-
rend. Wer glaubt, unseren freiheitlichen Rechtsstaat da-
durch stärken zu können, dass er Journalisten einfach
einmal so und ohne wasserdichte rechtliche Vorprüfung
observiert oder Redaktionsräume durchsucht, der wird
unseren Rechtsstaat in Wahrheit schwächen. Davon bin
ich zutiefst überzeugt.
Aber auch Journalisten – warum wollen wir aus An-
lass dieser Debatte darüber nicht reden? – sind dafür ver-
antwortlich, die Konsequenzen ihrer Veröffentlichungen
zu bedenken. Es ist unstreitig, dass Journalisten Leib und
Leben von Quellen oder zumindest für unsere Sicherheit
wichtige BND-Operationen gefährdet haben. Das ge-
schah beispielsweise durch das Buch von Herrn
Schmidt-Eenboom. Ein anderes Beispiel aus jüngerer
Zeit: Die Veröffentlichung von Handynummern von al-
Qaida-Führern in dem von mir angesprochenen
„Cicero“-Artikel war journalistisch nicht zwingend, hat
unseren Sicherheitsbehörden aber massiv geschadet. Ich
finde, journalistische Ethik verlangt auch, dass man die
Folgen seines Tuns selbstkritisch prüft und dazu sind
Journalisten aufgerufen. Das gehört zu dieser Debatte.
Eines ist aber auch wahr: Das eigentliche Problem der
undichten Stellen in Sicherheitsbehörden sind nicht die
Journalisten, sondern Mitarbeiter, die unserem Staat
durch ihre Indiskretionen schweren Schaden zufügen.
Das sind keine Kavaliersdelikte, sondern Straftaten, die
mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werden müs-
sen. Aus meiner beruflichen Erfahrung weiß ich, dass in
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Nur: Ich finde, wir dürfen die roten Linien nicht über-
chreiten. Überwachungskameras haben vor Redaktio-
en oder Wohnräumen von Journalisten nichts zu su-
hen.
Etwas anderes wäre es natürlich – das darf nicht ver-
engt werden; Herr Kollege Wieland, ich hoffe, dass Sie
ir auch da zustimmen werden –, wenn diese Kameras
or Wohnungen von verdächtigen Mitarbeitern, etwa des
ND, ständen. Im Rahmen solcher Operationen zur
igensicherung würden dann selbstverständlich auch
reffen verdächtiger Mitarbeiter von Nachrichtendiens-
en mit Journalisten festgehalten. Um es klar zu sagen:
agegen ist nichts einzuwenden. Investigativ arbeitende
ournalisten wissen das auch.
Der entscheidende Unterschied ist: Ausgangspunkt
er Observation muss der verdächtige Mitarbeiter sein
nd es darf natürlich nicht der Journalist sein.
Im Ausland kann der BND auf Quellen, die unter der
egende eines Journalisten auftreten, natürlich nicht ver-
ichten. Das gilt gerade angesichts der neuartigen Be-
rohung durch islamistische Terroristen. Wichtig ist
uch hier eine klare Trennung: Journalisten können
elbstverständlich im Ausland zur Informationsgewin-
ung im Rahmen des Auftrags des BND eingesetzt wer-
en, aber nicht als Quelle zum Aufspüren undichter Stel-
en im BND selbst oder um im Inland im Sinne des
ienstes zu wirken. Auch auf diesen Unterschied müs-
en wir großen Wert legen.
Ein großer Teil der Aufklärung, die die Grünen in ih-
em Antrag fordern, findet bereits statt. Ich finde es er-
ähnenswert – Herr Kollege Ströbele, Sie hätten es hier
nsprechen können; denn es ist öffentlich gemacht
orden –, dass Herr Schmidt-Eenboom nach seinem Ge-
präch mit Herrn Hanning vor kurzem in der „Süddeut-
chen Zeitung“ erklärt hat, der BND sei ernsthaft be-
üht, die Wahrheit zu ermitteln. Wenn ich es richtig
itbekommen habe, hat sich Herr Hanning bei Herrn
622 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2005
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Reinhard Grindel
Schmidt-Eenboom für die Überschreitung des dem BND
rechtlich Möglichen entschuldigt.
Es ist nun Aufgabe des neuen BND-Präsidenten und
des Koordinators im Kanzleramt, dafür zu sorgen, dass
sich der Dienst bei Operationen zur Eigensicherung in
seinem gesetzlichen Rahmen bewegt. Es ist zu hören,
dass die entsprechende Dienstanweisung mit diesem
Ziel überarbeitet wird und dass es künftig zeitlich befris-
tete Maßnahmen geben wird, ergänzt durch klare Be-
richtspflichten. Das alles geht in die richtige Richtung.
Dass der Altbundeskanzler Gerhard Schröder jetzt
ausgerechnet Berater des Verlages ist, in dem der
„Cicero“ erscheint, dessen Durchsuchung wiederum der
Schröder-Freund und Altinnenminister Otto Schily gut-
geheißen hat, lässt ebenso allgemeine Besserung erwar-
ten. Insofern denke ich, dass sich die „Cicero“-Affäre so
nicht wiederholen würde. Es wäre dann fast eine Altbun-
deskanzleraffäre. Das werden wir wohl nicht erleben.
Die Pressefreiheit auf der einen Seite und die Eigen-
sicherung der Nachrichtendienste und Sicherheitsbehör-
den auf der anderen Seite müssen ins richtige Lot ge-
bracht werden. Wenn der Antrag der Grünen ein Anlass
ist, um in dieser Debatte deutlich zu machen, dass wir
das ins Lot bringen wollen, dann hätte Ihr Antrag sogar
noch etwas Positives.
Auch ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachts-
fest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Herzlichen Dank.