Rede von
Dr. h.c.
Wolfgang
Thierse
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 15/5800, 16/42, 16/225 und 16/226
an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse
vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist
der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Zusatzpunkt 10: Wir kommen zur Abstimmung über
den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP,
der Linken und des Bündnisses 90/Die Grünen auf
Drucksache 16/197 mit dem Titel „Existenzrecht Israels
ist deutsche Verpflichtung“. Wer stimmt für diesen An-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der An-
trag ist einstimmig angenommen.
Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 20:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-
Christian Ströbele, Volker Beck , Grietje
Bettin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
ir haben heute, kurz vor Weihnachten, noch einmal
ine Geheimdienstaktion als Thema einer Plenardebatte,
achdem wir uns in den letzten Tagen vor allen Dingen
it ausländischen Geheimdiensten intensiv befasst ha-
en.
Vor etwa zwei Wochen kam eine Kollegin aus dem
undestag zu mir und erzählte, sie habe in einem wichti-
en Fall aus ihrem Wahlkreis Kontakt mit einem be-
annten Journalisten. Sie fragte mich anschließend ganz
eheimnisvoll, ob ich ihr zuverlässig sagen könne, ob
ieser Journalist vom deutschen Geheimdienst beobach-
et werde oder sogar auf der Gehaltsliste eines deutschen
eheimdienstes stehe.
Dieses Beispiel zeigt, dass es bei der Diskussion über
ie Beobachtung von Journalisten durch einen deutschen
eheimdienst nicht nur darum geht, dass vielleicht die
rundrechte einzelner Journalisten verletzt worden sind,
ass in ihr Recht auf informationelle Selbstbestim-
ung eingegriffen worden ist, sondern um sehr viel
ehr, nämlich um die allgemeine Frage, inwieweit das
ertrauen der Bevölkerung in den unabhängigen Journa-
ismus und damit in die Pressefreiheit infrage gestellt ist.
as ist das grundsätzliche Thema, das wir hier behan-
eln, unabhängig davon, dass wir uns natürlich auch da-
um kümmern, wenn die Rechte einzelner Journalisten
erletzt sind.
Wenn dem so ist und wir wissen, wie wichtig ein un-
bhängiger, insbesondere ein investigativer Journalismus
st, das heißt ein Journalismus, der bei seinen Recherchen
uf Informationen aus der Bevölkerung und ihr Vertrauen
ngewiesen ist, und dass gerade ein solcher Journalismus
onstitutiv für die Pressefreiheit und unsere Demokratie
st, dann müssen wir allen Gefährdungen der Pressefrei-
eit und insbesondere dieses Journalismus entschieden
ntgegentreten, wo immer es notwendig ist.
620 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2005
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Hans-Christian Ströbele
Das ist kein theoretischer Fall, über den wir hier dis-
kutieren. Vielmehr hat das Misstrauen der Kollegin aus
dem Bundestag – wie weit wird das dann erst in der Be-
völkerung verbreitet sein? – eine tatsächliche Grundlage.
Es gibt Meldungen, dass Anfang der 90er-Jahre – mögli-
cherweise auch sehr viel später – in Deutschland Journa-
listen von einem deutschen Nachrichtendienst observiert
worden sind, und zwar bis weit in ihren privaten Be-
reich, und dass darüber hinaus – möglicherweise sogar
bekannte – Journalisten auf den Gehaltslisten deut-
scher Geheimdienste stehen. Hier ist Misstrauen ange-
bracht. Wenn wir aber das Vertrauen der Bevölkerung
wiederherstellen wollen, dann müssen wir alle Fakten
auf den Tisch legen, und zwar nicht nur in einem geheim
tagenden parlamentarischen Gremium, sondern in der
Öffentlichkeit, hier im Deutschen Bundestag. Ich hoffe,
dass sich dann, wenn die Recherchen dazu abgeschlos-
sen sind, Herr Hanning, der ehemalige Chef des Bundes-
nachrichtendienstes und heutige Staatssekretär beim
Bundesminister des Innern, hierhin stellt, die Fakten auf
den Tisch legt, sich bei den Journalisten entschuldigt, die
davon betroffen waren und darunter gelitten haben,
und damit der Öffentlichkeit kundtut, erstens dass wir so
etwas nicht dulden, zweitens dass solche Sachen immer
herauskommen und drittens dass solche Aktionen Kon-
sequenzen haben.
Nur auf diese Art und Weise können wir das Ver-
trauen wiederherstellen. Wir müssen uns darüber hinaus
weitere Schlussfolgerungen überlegen: Wie können die
Bundesregierung und das Parlament in Zukunft sicher-
stellen, dass Journalisten in Deutschland nicht observiert
werden und nicht auf die Gehaltslisten von Geheim-
diensten kommen? Wie kann man da gesetzgeberisch
und kontrollierend tätig werden?
Ich will mit einem letzten, ganz kurzen Beispiel en-
den. Einer der betroffenen Journalisten hat mich, als er
vor wenigen Tagen um ein Gespräch mit mir gebeten
hatte, angerufen und gefragt, wo wir das Gespräch füh-
ren könnten. Er hat darum gebeten, mich hier im Deut-
schen Bundestag aufsuchen zu können und hier das Ge-
spräch zu führen, weil er nicht sicher sei, ob er nicht
observiert werde, wenn wir das Gespräch außerhalb der
Gebäude des Deutschen Bundestages führten. Er sagte,
er hätte es nicht so gerne, wenn er mit dem Abgeordne-
ten Ströbele abgelichtet würde. Auch daraus wird deut-
lich, welche Gefahren alleine in der Observation beste-
hen. Abgeordnete könnten daran gehindert werden, dass
sie von Skandalen Kenntnis erlangen. Wir sollten des-
halb eine Idee des ehemaligen SPD-Abgeordneten
Neumann aufgreifen und ein Recht der Mitarbeiter des
Bundesnachrichtendienstes schaffen, –