Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen!
Kultur lebt nicht in den Büchern, nicht in den Partituren,
Kultur ist dann lebendig, wenn die Bücher gelesen, die
Theaterstücke aufgeführt und die Musik gespielt wird. –
Bundespräsident Horst Köhler.
Kultur gehört zur Identitätsfindung. Wer wissen
will, wer wir sind und woher wir kommen, muss sich für
Kultur engagieren.
Wir verarmen, wenn wir das kulturelle Erbe nicht nut-
zen, wir vereinsamen, wenn wir uns nicht mit kulturellen
Herausforderungen auseinander setzen. Wir verlieren an
Orientierung, wenn wir der Kultur ausweichen. Rosa
Luxemburg, die sonst nicht zu meinen Lichtgestalten ge-
hört,
hat diese Einschätzung so formuliert:
Entfremdet und entwürdigt ist nicht nur der, der
kein Brot hat, sondern auch der, der keinen Anteil
an den großen Gütern der Menschheit hat.
Kultur gibt dem Leben Erfüllung. Wer den unbestreitba-
ren Wert der Kultur propagiert – das haben wir bisher
alle getan –, muss die Förderung der kulturellen Bil-
dung wollen. Kulturelle Bildung hat in der Familie zu
beginnen, ist in der Schule zu verstärken und sollte das
tägliche Leben begleiten. Ich selber habe vor 30 Jahren
ein Museum gegründet und betreibe es heute noch, eine
Erfahrung, die ich nicht missen möchte.
Die junge Generation zur Neugierde, zum Selber- und
Mitmachen anzuleiten, ist das Gebot der Stunde. Das gilt
für die Werke der Moderne, genauso für die Klassik.
Ich erwarte, dass das nationale Projekt der Ganztags-
schule die musisch-kulturelle Bildung wieder zu einem
Schwerpunkt in der Schule macht.
W
b
t
K
v
G
h
D
t
d
K
e
K
z
A
s
j
E
v
c
n
a
i
D
f
H
t
N
e
W
s
R
w
s
m
b
g
ir sind eine Kulturnation und die wollen wir auch
leiben. Kunst und Kultur sind untrennbar mit der Iden-
ität der Deutschen als Nation verbunden.
unst und Kultur erwachsen aus dem Gestaltungswillen
on Menschen, aus der Kreativität der Künstler. Die
rundvoraussetzung dafür ist die Freiheit der Kunst. Die
aben wir zu garantieren und das tun wir alle.
er Staat ist für die Bedingungen, unter denen sich Kul-
ur und Kunst entwickeln müssen, zuständig, nicht für
eren Inhalte. Reinhören ja, reinreden nein.
Wir von der Union bekennen uns zur Förderung von
unst und Kultur als öffentliche Aufgabe. Oder, wie es
in Theaterintendant formulierte: Der Staat muss die
ultur fördern, genauso wie er die Müllabfuhr finan-
iert. Das Theater ist die Müllabfuhr für die Seele.
ls Leiter einer Wanderbühne weiß ich, wovon ich
preche. Gut 20 Millionen unserer Mitbürger erfahren
ährlich als Theaterbesucher diese Art von Entlastung,
ntspannung, Auseinandersetzung, verlassen befreit,
erärgert, erbost oder überaus beglückt die 350 öffentli-
hen oder privaten Theater in unserem Land, 20 Millio-
en Besucher jährlich – die Fußballbundesliga kommt
uf 10 Millionen Zuschauer.
100 Millionen Menschen gehen bei uns Jahr für Jahr
n die Museen. 155 Millionen besuchen die Filmtheater.
och ein kritischer Blick hinter deren Kulissen lässt
esthalten: Über 85 Prozent aller Filme kommen aus
ollywood. Amerikanische Wertemuster werden expor-
iert, schaffen und beeinflussen Urteile und Vorurteile.
ach meiner Auffassung kommen die deutschen und die
uropäischen Komponenten im Kino zu kurz.
ir sollten mit Selbstbewusstsein unsere Sprache, un-
ere Filme und unsere Wertvorstellungen mehr fördern.
echnet man alle Kulturbesucher zusammen, kommen
ir in Deutschland auf 300 Millionen Besucher. Wie ge-
agt, die Bundesliga hat 10 Millionen. Deren Akteure
achen jedoch täglich Schlagzeilen. Die Kultur hält sich
is auf wenige Ausnahmen in zurückhaltender, unnöti-
er Bescheidenheit.
304 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2005
)
)
Wolfgang Börnsen
Mehr Selbstbewusstsein, mehr kraftvolle Präsenz
durch die Kultur könnten schon sein.
Das gilt für die Hochkultur wie für die Regionalkul-
tur. Unser Land besitzt mehr professionelle Theater, Or-
chester und Opernhäuser als der Rest der Welt.
Bei uns sind über 7 Millionen Menschen aktiv an der
Regionalkultur beteiligt. Das ist eine der größten Bür-
gerbewegungen in Deutschland. Dabei ist unser Kultur-
begriff durchgehend nicht auf die Leuchttürme in diesem
Bereich in Berlin, München, Frankfurt, Stuttgart, Ham-
burg, Dresden zu verkürzen.
Beides muss sein: Förderung in der Spitze ohne Ver-
nachlässigung in der Breite.
Wer Kultur für alle erwartet, hat auch Kultur von allen
zu sichern.
Während die Kultur in der Provinz im Zeichen der
Globalisierung eine Art Renaissance erfährt, weil man
wieder Heimat spüren möchte, macht es besorgt, dass
der deutschen Hochkultur offensichtlich das Publikum
abhanden kommt. Mein Kollege Otto hat das schon sehr
aufmerksam beobachtet.
Vor 40 Jahren gingen noch 58 Prozent der Bevölkerung
mindestens einmal jährlich in die Oper oder in ein Kon-
zert. Heute sind es nur noch 26 Prozent.
Für die Union begrüße ich das einmütige Bekenntnis
unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Stellen-
wert der Kultur. So viel Kultur hat es zum Start einer
Bundesregierung noch nie gegeben.
Das ist ermutigend.
Ihre Aussage, dass Kulturförderung eine Investition
in ein lebenswertes Deutschland ist, ist zutreffend. Sie
muss auch durch Taten untermauert werden. Mit der Be-
rufung von Staatsminister Bernd Neumann ist es gelun-
gen, eine kompetente, politisch versierte Persönlichkeit
für die Kultur und die Medienpolitik zu gewinnen. Das
begrüßen wir ausdrücklich.
l
K
E
P
d
m
s
A
v
K
t
T
m
w
i
l
b
m
g
K
A
p
H
g
e
k
E