Weitere Wortmeldungen zu diesem Themenbereich
iegen uns nicht vor.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
en Drucksachen 16/39 und 16/46 an die in der Tages-
rdnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind
ie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind
ie Überweisungen so beschlossen.
Wir kommen nun zum Themenbereich Ernährung,
andwirtschaft und Verbraucherschutz.
268 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2005
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Außerdem rufe ich Zusatzpunkt 7 auf:
Beratung des Antrags der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Konsequenzen aus den Fleischskandalen: Um-
fassende Verbraucherinformation und bessere
Kontrollen
– Drucksache 16/111 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit
Das Wort hat der Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Horst Seehofer.
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die gesundheitliche Unbedenklichkeit aller Le-
bensmittel hat Priorität.
Dieser Satz aus dem Koalitionsvertrag hat schneller ak-
tuelle Bedeutung erhalten, als es einem lieb sein kann.
Deshalb möchte ich mit diesem Thema beginnen.
Im Namen der ganzen Koalition und der Bundes-
regierung möchte ich klar feststellen, dass die Miss-
stände im Fleischhandel in keiner Weise akzeptabel und
durch nichts zu rechtfertigen sind. Die Bundesregierung
und die Koalition werden diesen gewissenlosen Ge-
schäftemachern mit aller Entschiedenheit entgegentre-
ten.
Ich habe gestern dem zuständigen Ausschuss des
Deutschen Bundestages ein Maßnahmenpaket zur Be-
kämpfung der Missstände im Fleischhandel vorgestellt.
Dieses Maßnahmenpaket umfasst ein Zehnpunkte-
sofortprogramm, angefangen bei der Verbesserung des
Informationsflusses zwischen Bund und Ländern über
die Ausweitung von Meldepflichten bis hin zur Verbes-
serung bei den Kontrollen. Unabhängig von diesem
Zehnpunktesofortprogramm werden wir in den kom-
menden Wochen auf höchster politischer Ebene gemein-
sam mit den Bundesländern eine weitere Zehnpunkte-
liste abarbeiten, von der wir uns eine durchgreifende
Verbesserung der bestehenden Strukturen versprechen.
Für die Lebensmittelüberwachung in Deutschland
heißt das: Wir wollen einerseits die Vorteile des Födera-
lismus, nämlich die Nähe zur Produktion und zur Ver-
arbeitung, nutzen. Denn ich halte nichts davon, Kontrol-
len und Überwachungen zu zentralisieren und aus der
Zuständigkeit der Länder herauszunehmen.
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ndererseits wollen wir die Schwächen des Föderalis-
us, nämlich die mangelnde Koordination und Kommu-
ikation zwischen den zuständigen Behörden, beseiti-
en. Für mich war es nicht ganz erklärlich, um nur ein
leines Beispiel zu nennen, dass es bis zum Wochenende
ein automatisiertes Verfahren zwischen den Ländern
nd dem Bund gab, damit der Bund mit seinen zuständi-
en Behörden automatisch über solche Vorkommnisse
nterrichtet wird.
In diesen Tagen ist oft vom Verbraucherinforma-
ionsgesetz die Rede gewesen, und zwar nach dem
otto „Hätte man im Bundesrat zugestimmt, gäbe es
eute eine ausreichende Information der Öffentlichkeit“.
achdem ich Zeit hatte, zu recherchieren, muss ich fest-
alten: Die Dinge, die von den Behörden an die Öffent-
ichkeit gegeben worden sind, standen auf Betreiben und
it Zustimmung der Grünen im Gesetz, nämlich dass
ie Behörden bei gesundheitlichen Risiken sowie bei
chwer wiegenden Täuschungs- und Ekelfällen die Öf-
entlichkeit auch über den Namen der Firma unterrichten
önnen. Das ist in einem Fall, nämlich bei der Firma Do-
enz aus NRW, so geschehen. Es steht aber im gleichen
esetz, dass die Namensnennung von Firmen dann
icht mehr möglich ist, wenn die Erzeugnisse nicht mehr
m Markt vorhanden oder bereits verbraucht worden
ind.
Der Richtigkeit halber möchte ich hier erstens noch
inmal feststellen, dass diese gesetzlichen Regelungen
wie mir aufgeschrieben worden ist – insbesondere von
en Grünen mitgetragen worden sind.
ie Aussage, der schlimme Bundesrat habe das verhin-
ert, ist unsinnig. Sie haben das vor der Wahl in Nord-
hein-Westfalen im Vermittlungsausschuss nicht moniert
nd auch keinen entsprechenden Gesetzentwurf mehr
ingebracht.
Zweite Feststellung. Es gab in der zuständigen Ar-
eitsgruppe des Vermittlungsausschusses ein völliges
invernehmen bezüglich der so genannten passiven Be-
eiligung der Bürger, nämlich des Akteneinsichtsrechts.
s gab dort eine Einigung. Nach der Wahl in Nordrhein-
estfalen haben Sie das parlamentarisch nicht mehr
eiterverfolgt. Auch das ist Realität. Deshalb geht der
tändige Hinweis der Grünen, es sei an der Union ge-
cheitert, schlicht und einfach ins Leere.
Wir werden das Verbraucherinformationsgesetz wie-
er einbringen und dafür sorgen – dabei bitte ich um die
nterstützung des Parlaments –, dass es auf der einen
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2005 269
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Bundesminister Horst Seehofer
Seite vernünftige Informationsmöglichkeiten für die
Bürger hinsichtlich gesundheitsgefährdender Produkte
gibt und dass es bei solchen gewissenlosen kriminellen
Tätern auch zu Namensnennungen kommen kann. Auf
der anderen Seite müssen bürokratische Unsinnigkeiten
vermieden werden; denn wir können ja nicht einerseits
in der Koalitionsvereinbarung schreiben, dass wir für
Entbürokratisierung sind, und andererseits ein Ver-
braucherinformationsgesetz erlassen, welches ein büro-
kratisches Ungeheuer ist. Es geht also um einen wirksa-
men Verbraucherschutz verbunden mit der Vermeidung
von Überbürokratisierung in unserem Lande.
Ich möchte einen zweiten Punkt nennen, der in der
letzten Woche eine große Rolle gespielt hat und den ich
mit dem Stichwort „Perspektive für ein europäisches
Agrarmodell“ überschreiben will. Manche schmunzeln
ja bei den Worten „Vereinbarung über die Zucker-
marktordnung“. Im Grunde ging es bei dieser letzten
Reform einer Agrarmarktordnung in Europa darum, das
europäische Agrarmodell gewissermaßen zukunftsfähig
zu machen. Auf der einen Seite soll es den Anforderun-
gen des Weltmarktes und der Entwicklungsländer im
Hinblick auf die WTO gerecht werden, auf der anderen
Seite sollen aber auch die Interessen unserer Landwirte
und der Agrarwirtschaft in Deutschland berücksichtigt
werden.
Ich glaube, mit der Einigung über die Zuckermarkt-
ordnung ist es gelungen, die deutschen Interessen, die
Interessen unserer Landwirte und die Interessen der
Agrarwirtschaft, ebenso zu berücksichtigen wie die An-
forderungen, die sich aus dem Welthandel und den Inte-
ressen der Entwicklungsländer ergeben. Das ist das
europäische Agrarmodell der Zukunft: Beide Interessen-
lagen müssen so in einen Ausgleich gebracht werden,
wie dies bei der Zuckermarktordnung einvernehmlich
geschehen ist.
Ich möchte eine dritte Maßnahme aus dem Bereich
unseres Ressorts nennen: Uns geht es um eine Politik
der Verlässlichkeit. Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen, ich betrachte die drei Zuständigkeitsbereiche des
Ministeriums – Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz – als gleichgewichtige Bestandteile, die nicht
im Gegensatz zueinander stehen. Diese drei Bestandteile
werden von uns auch gleichgewichtig behandelt. Den al-
ten Gegensatz zwischen der Landwirtschaft und dem
Verbraucherschutz, den es in den letzten sieben Jahren
bei meiner Vorgängerin gab, sehen wir als nicht gegeben
an.
Es ist unsinnig, einen Gegensatz zwischen der Land-
wirtschaft und dem Verbraucherschutz herzustellen. Die
deutsche Landwirtschaft steht im Dienste des Verbrau-
cherschutzes. Deshalb werde ich alles in die Waagschale
werfen, um die Diskriminierung der Landwirtschaft
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Ich möchte einen neuen Gesellschaftsvertrag zwi-
chen der Politik und der Agrarwirtschaft in ihrer Ge-
amtheit. Dort gibt es immerhin 4 Millionen Beschäf-
igte. Der Anteil an der Wertschöpfung in unserem Land
eträgt etwa 7 Prozent. Ich möchte, dass die drei Funk-
ionen der deutschen Bauern auch im Rahmen der
oexistenz zwischen dem ökologischen Landbau und
er konventionellen Landbewirtschaftung so ausgestaltet
erden, dass unsere Landwirte in Deutschland wieder
ine Perspektive haben: die Funktion als Nahrungsmit-
elproduzent, die Funktion als Landschaftspfleger und
ie Funktion als Rohstoffproduzent, als Energiewirt, wie
ie Fachleute sagen. Ich finde, alle drei Funktionen zu-
ammen sind für uns volkswirtschaftlich unentbehrlich,
eshalb ich sehr für eine Achtung der Gesellschaft ge-
enüber den Leistungen der Landwirtschaft werbe. Es ist
ür die Entwicklung des ländlichen Raumes unerlässlich,
ass wir den Landwirten in Deutschland wieder eine
erspektive geben.
In der Koalition haben wir vereinbart, dass wir eine
trategie zur Entwicklung des ländlichen Raumes for-
ulieren. Ich werde in enger Abstimmung mit den Koa-
itionsfraktionen dazu Mitte des nächsten Jahres einen
roßen Kongress in Berlin veranstalten, auf dem wir
ber all diese Fragen, wie der Entwicklung des ländli-
hen Raumes und die Funktion der Landwirtschaft, ei-
en intensiven Dialog führen.
Ich werde darüber hinaus alle Anstrengungen unter-
ehmen, die Wachstums- und Entwicklungspotenziale
m Zusammenhang mit den nachwachsenden Rohstof-
en auszubauen. Ich bin seit jeher ein großer Verfechter
er Nutzung der Biomasse. Bevor wir Windkrafträder in
egionen aufstellen, in denen der Wind nie bläst, ist es
iel besser, die Biomasse stärker zu fördern.
as ist deshalb besser, weil die Biomasse als grundlast-
ähig geeignet und in der Lage ist, andere Energieträger,
um Beispiel fossile Energieträger, zu ersetzen und nicht
ur zu ergänzen. Gerade bei der Nutzung regenerativer
nergien sollten wir viel stärker darauf achten, welche
nergieträger grundlastfähig sind und damit herkömmli-
he Energieträger ersetzen und nicht nur ergänzen kön-
en.
Für die Landwirtschaft gilt ganz besonders das Ge-
amtziel der Koalition, nämlich der Bürokratieabbau.
ch habe die Mitarbeiter meines Hauses beauftragt, eine
270 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2005
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Bundesminister Horst Seehofer
Aufstellung zu machen, in welchem Umfange in den
letzten Jahren bei der Umsetzung von EU-Richtlinien
oder internationalem Recht in Deutschland noch drauf-
gesattelt wurde, was zu einem großen Bürokratieauf-
wand geführt hat. Ich dachte immer, dass die Bürokratie
im Gesundheitswesen, mit der ich bisher, Wolfgang
Zöller, konfrontiert war, nicht mehr steigerungsfähig sei.
Aber ich höre jetzt aus Gesprächen mit den Bauern in
Deutschland, dass in den letzten sieben Jahren in der
Landwirtschaft eine gigantische Bürokratie installiert
worden ist. Deshalb müssen wir uns gemeinsam anstren-
gen, nicht nur in der Zukunft die Richtlinien eins zu eins
umzusetzen, sondern auch einen Blick in die Vergangen-
heit zu werfen, um festzustellen: Was können wir an bü-
rokratischen Ungeheuern aus der Vergangenheit beseiti-
gen?
Das Amt des Bundesministers für Ernährung, Land-
wirtschaft und Verbraucherschutz auszuüben macht un-
geheuer Freude und ist spannend. Es hat mit sehr interes-
santen Themen zu tun, wie Lebensmittel, Lebensraum,
Lebensgrundlagen und Lebensqualität. Es geht also um
die unmittelbare Lebenssituation der Menschen im länd-
lichen Raum. Das macht mir eine Menge Freude.
Deshalb möchte ich mit einem Satz von Erich Kästner
schließen, der einmal gesagt hat:
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
Ich möchte Sie einladen: Tun wir etwas Gutes für unsere
Verbraucher und für die Landwirtschaft.