Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist
wirklich fast wie eine List der Geschichte, nach Herrn
Brüderle reden zu dürfen.
Selbst diejenigen, die bei uns die neue Liebe zu den
neuen Partnern noch nicht vollständig entdeckt haben,
wissen nach der Rede von Herrn Brüderle, dass es doch
besser ist, in dieser Formation zu arbeiten, als eine an-
dere Kombination zu erleiden.
Man stelle sich einmal vor, Herr Brüderle und Herr
Merz würden durch die Arbeitnehmerlandschaft dieses
Landes reisen. Da sind wir schon froh, dass wir im Drei-
schritt den Menschen ihre Freiheit und ihre Freiheits-
rechte durch soziale Sicherheit erhalten können.
– So entstehen neue Freundschaften. Herr Brüderle, Sie
sind der reinste Stifter.
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Schon die Startvereinbarungen zu den Koalitions-
erhandlungen beinhalteten das Bekenntnis zur Tarif-
utonomie, die Erhaltung der Steuerfreiheit der Sonn-
ags-, Schicht- und Nachtarbeit,
ie Konzentration auf Forschung und Entwicklung so-
ie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das ist
ine ganz entscheidende Weichenstellung. Diese Koali-
ion wird eben beide Seiten der Medaille berücksichti-
en: eine starke Wirtschaft und eine faire Beteiligung
er Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Gerade angesichts der Eingangsdaten, die der Minis-
er und auch Herr Brüderle genannt haben, danken wir
urchaus Wolfgang Clement,
nserem früheren Bundeswirtschaftsminister, für die
ahmenbedingungen, die er geschaffen hat. Ein Beispiel
st das Energiewirtschaftsgesetz. Der Wettbewerb, Herr
rüderle, den Sie gefordert haben, ist darin bereits in-
talliert worden. Dafür danken wir Wolfgang Clement.
Der Minister hat sich zu den internationalen Themen
ur sehr zurückhaltend geäußert. Wir werden uns mit der
onzentration der Europazuständigkeiten auf das
irtschaftsministerium auf eine enge parlamentarische
usammenarbeit einstellen. Dabei beziehen wir uns auf
ie Vereinbarungen zum Zusammenarbeitsgesetz. Wir
ehen schon davon aus, dass wir bereits drei Monate vor
nd nicht drei Monate nach den Ereignissen informiert
erden und dass die Zusammenarbeit hier funktioniert.
Wir haben bei der Dienstleistungsrichtlinie die not-
endigen Grundvereinbarungen erzielt. Herr Brüderle,
ch wette, dass Sie dann, wenn Sie vor Handwerkern,
ie etwa Fliesenlegern, in Rheinland-Pfalz reden, nicht
o über die Dienstleistungsrichtlinie reden, wie Sie das
ier eben getan haben.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2005 181
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Ludwig Stiegler
Ich sage Ihnen: Wir wollen europäische Dienstleistun-
gen, aber – in Bayern sagt man: Die kleinen Leute dür-
fen nicht immer das Bummerl sein – die Umsetzung der
Richtlinie darf nicht auf Kosten der breiten Schichten
geschehen.
Wir werden eine Menge über Wettbewerbspolitik zu
reden haben. Der Minister hat das nur zart angedeutet.
Zum Thema Pressefusion: Man sollte nicht schon von ei-
ner Ministererlaubnis reden oder über eine solche speku-
lieren, bevor überhaupt das Bundeskartellamt und die
KEK die Probleme angepackt haben. Wecken Sie hier
also keine falschen Erwartungen!
Wir sollten gerade vor dem Hintergrund der aktuellen
Ereignisse hinsichtlich der Stromversorgung darauf
drängen, dass die Anreizregulierung beschleunigt um-
gesetzt wird. Im Rahmen einer vernünftigen Anreizregu-
lierung werden die großen Energieversorger Rücklagen
oder Rückstellungen für solche Katastrophenereignisse
bilden müssen. Selbst wenn nach der gegenwärtigen
Rechtslage noch keine Haftung besteht, darf ein großes
Unternehmen seine Abnehmer in der Stunde der Not
nicht im Stich lassen. Es ist die Zeit der Kulanz und des
Entgegenkommens. Das rufe ich den großen Energiever-
sorgern zu.
Wir werden gemeinsam mit den beteiligten Ländern
die Kohlevereinbarungen angehen müssen. Der Minis-
ter hat das zwar noch nicht so deutlich angesprochen,
aber ich denke, da gibt es noch einige schwarze Warzen
auf der Kröte; das Thema ist noch zu bearbeiten. Aber
Franz Müntefering sagt schließlich immer, Schwarz sei
ein besonders dunkles Rot. Insofern gibt es einen dialek-
tischen Übergang von der einen Seite zur anderen. Las-
sen Sie uns also dieses Thema angehen.
Zur Bürokratie wird der Kollege Rainer Wend das
Notwendige sagen. Selbstverständlich – darin stimmen
wir dem Minister zu – werden wir im Wirtschaftsbereich
dem Kanzleramt freudig zuarbeiten, wenn es darum
geht, die kleinen und mittleren Unternehmen und die
Wirtschaft insgesamt von Bürokratielasten zu befreien.
Herr Brüderle hat uns vorgeworfen, wir würden
nächstes Jahr Politik nach Keynes und ab dem über-
nächsten Jahr eine Politik wie seinerzeit Brüning ma-
chen. Mit Keynes mögen Sie noch Recht haben. Aber
wenn Sie die Haushaltsplanung für die Jahre danach mit
der Politik Brünings gleichstellen, dann empfehle ich Ih-
nen, die Wirtschaftsgeschichte nachzulesen. Dieser Ver-
gleich klingt ad hominem gut, aber wenn Sie sich in Er-
innerung rufen, was Meister Brüning wirklich getan hat
und was wir vorhaben, dann merken Sie, dass dieser Ver-
gleich zwar schön klingt und dass man ihn in einer
Narrhalla-Sitzung als Knaller bringen könnte, dass er
aber die ökonomische Lage nicht richtig abbildet.
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Alle, die kritisiert haben, wie wir nächstes Jahr die
irtschaft ankurbeln werden, und die gemeint haben, es
iege ein Verstoß gegen Art. 115 des Grundgesetzes vor,
rinnere ich auch an Art. 109: Bund, Länder und Ge-
einden haben bei ihrer Haushaltswirtschaft den Er-
ordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts
echnung zu tragen. Insofern ist die Haushaltswirtschaft
m nächsten Jahr gerechtfertigt.
Herr Brüderle, wenn wir Ihrem Rezept folgen wür-
en, mit beiden Beinen auf die Bremse zu treten, dann
ürden Sie hier die Opfer beklagen. Es geht aber nicht
n, dass Sie hier zuerst mit den Jägern jagen und an-
chließend mit den Hasen flüchten. Sie müssen schon
ine einheitliche Linie verfolgen.
Es ist wirklich toll, dass Herr Brüderle vor mir geredet
at. So kann ich meine neuen Freunde immer wieder er-
reuen. Das ist wirklich eine Erleichterung der rhetori-
chen Situation.
Wir gestalten mit der energetischen Gebäudesanie-
ung eine langfristige Strukturpolitik. Das hilft den Ver-
rauchern, der Umwelt, dem Handwerk und dem Mittel-
tand. Diese Programme werden mit einem Volumen
on 10 bis 15 Milliarden Euro Impulse setzen, die uns
angfristig wirtschaftlich gut tun werden. Sie werden
uch bei Herrn Ramsauer wirken, der noch so skeptisch
lickt.
ber selbst Mühlen kann man damit energetisch sanie-
en.
Wir werden den Privathaushalt als Arbeitgeber
eiterentwickeln. Auch das ist ein großes Projekt.
Gut, aber Sie wissen, dass man dann endlich Fort-
chritte erzielt hat. Wir beschreiten den richtigen Weg,
en Haushalt als Arbeitgeber zu entwickeln und die Ab-
etzbarkeit von Handwerksdienstleistungen als Mittel
ur Bekämpfung der Schwarzarbeit und zur Förderung
es Handwerks einzusetzen. Haus, Hof und Garten als
eues Dienstleistungszentrum – das hilft uns gewaltig.
Wir haben mit dem Abbau und der Stabilisierung der
ohnnebenkosten wichtige Schritte unternommen. Zur
ffentlich-privaten Partnerschaft wird Rainer Wend noch
iniges ausführen, zum Thema Tourismus die Kollegin
aße. Wir haben mit der Verlängerung der Investitions-
ulage eine wichtige Weichenstellung für die Förderung
es Aufbaus Ost gesetzt. Herr Brüderle, die Zeichen
182 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2005
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Ludwig Stiegler
stehen also auf Wachstum. Steigen Sie ein und fahren
Sie mit!
– Sie wissen ja, wie es dem ungläubigen Thomas ergan-
gen ist.
Wir haben gute Chancen auf mehr Wachstum und Be-
schäftigung. Gleichwohl müssen wir die langfristige In-
vestitionsfähigkeit und Investitionstätigkeit der kleinen
und mittleren Unternehmen verbessern. Um an Karl
Schiller zu erinnern, der zu Beginn der ersten großen
Koalition einmal gesagt hat: Die Pferde müssen wieder
saufen. – Damals hatten die Pferde kein Wasser in der
Tränke. Nun stehen die großen Pferde bis zum Hals im
Wasser, saufen aber nicht, während die kleinen nicht ge-
nügend haben. Wir fordern Banken und Sparkassen auf,
die Kreditversorgung der kleinen und mittleren Un-
ternehmen so zu gestalten, dass eine breite, nachho-
lende Investitionstätigkeit des Mittelstandes erreicht
wird.
– Das war erst später. Zu diesem Zeitpunkt war der Auf-
schwung schon da und musste bereits gebremst werden.
Sie sind wie immer zeitlich nicht auf der Höhe. Wir sind
erst am Beginn der zweiten großen Koalition und nicht
schon in der Zeit, in der wir den Aufschwung bremsen
müssen. Wir wünschen uns, dass wir dorthin kommen.
Wir werden alles zur Verbesserung der Eigenkapital-
ausstattung der kleinen und mittleren Unternehmen tun.
Wir werden daran arbeiten, dass die Bundesrepublik
Deutschland der Weltausstatter bleibt. Deshalb werden
wir Forschung und Entwicklung sowie den Technologie-
transfer fördern, die ganze Bildungskette erneuern und,
wie gesagt, vor allem die Finanzierungsgrundlagen der
kleinen und mittleren Unternehmen verbessern. Es müs-
sen nicht immer amerikanische Pensionsfonds Unterneh-
men in Deutschland kaufen. Vielmehr gibt es auch in
Deutschland genügend Geld, um die Unternehmen, die
unserer Volkswirtschaft dienen, zu fördern und mit den
notwendigen Mitteln auszustatten. Lasst uns daran arbei-
ten! Dann kommt der Aufschwung und dann werden wir
eines Tages wieder bremsen müssen.
Glückauf!