Anlage 9
Anlage 10
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005 17231
(A) )
(B) )
matisch den Zugang zum Arbeitsmarkt verbaut haben,Stefan
der Agenda 2010 am Arbeitsmarkt eingeleitet wurde:
Durch die Verlängerung der Übergangsfrist werden
insbesondere die Erfolge bei der Eindämmung der Vor-
ruhestandsregelungen, die älteren Arbeitnehmern syste-
Michalk, Maria CDU/CSU 17.06.2005
Müller (Erlangen), CDU/CSU 17.06.2005
Anlage 1
Liste der entschuldigt
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Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
Dr. Bietmann, Rolf CDU/CSU 17.06.2005
Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 17.06.2005
Brunnhuber, Georg CDU/CSU 17.06.2005
Connemann, Gitta CDU/CSU 17.06.2005
Daub, Helga FDP 17.06.2005
Dieckmann, Roland CDU/CSU 17.06.2005
Fell, Hans-Josef BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
17.06.2005
Fischbach, Ingrid CDU/CSU 17.06.2005
Fischer (Frankfurt),
Joseph
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
17.06.2005
Freitag, Dagmar SPD 17.06.2005
Göppel, Josef CDU/CSU 17.06.2005
Goldmann, Hans-
Michael
FDP 17.06.2005
Haupt, Klaus FDP 17.06.2005
Heiderich, Helmut CDU/CSU 17.06.2005
Heller, Uda Carmen
Freia
CDU/CSU 17.06.2005
Heynemann, Bernd CDU/CSU 17.06.2005
Hilbrecht, Gisela SPD 17.06.2005
Hohmann, Martin fraktionslos 17.06.2005
Kolbe, Manfred CDU/CSU 17.06.2005
Kopp, Gudrun FDP 17.06.2005
Lengsfeld, Vera CDU/CSU 17.06.2005
Lintner, Eduard CDU/CSU 17.06.2005
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(C
(D
Anlagen zum Stenografischen Bericht
en Abgeordneten
nlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Ent-
wurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des
Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer
Gesetze (Tagesordnungspunkt 18)
Dem Fünften Gesetz zur Änderung des Dritten Bu-
hes Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze habe ich zu-
estimmt, da hiermit wichtige Weichen im Hinblick auf
ine Fortführung der Reformpolitik von Rot-Grün im
ahmen der Agenda 2010 gestellt werden. In einem
eilaspekt des vorliegenden Gesetzes bin ich allerdings
ezidiert anderer Auffassung:
Die Verlängerung der bestehenden Übergangsfrist bei
er Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I bewerte ich kri-
isch. Sie konterkariert den Paradigmenwechsel, der mit
ulthaupt, Gesine SPD 17.06.2005
itzsche, Henry CDU/CSU 17.06.2005
tto (Godern), Eberhard FDP 17.06.2005
r. Pinkwart, Andreas FDP 17.06.2005
auen, Peter CDU/CSU 17.06.2005
oth (Heringen),
Michael
SPD 17.06.2005
cheffler, Siegfried SPD 17.06.2005
chily, Otto SPD 17.06.2005
chlauch, Rezzo BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
17.06.2005
chröder, Gerhard SPD 17.06.2005
chultz (Everswinkel),
Reinhard
SPD 17.06.2005
aatz, Arnold CDU/CSU 17.06.2005
bgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
17232 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005
(A) )
(B) )
rückgängig gemacht. Die Verlängerung der Regelung
kommt nicht den jetzigen Arbeitslosen zugute, sondern
nur denen, die derzeit in einem Beschäftigungsverhältnis
stehen und bis Ende 2007 arbeitslos werden. Dadurch
wird die Praxis der Frühverrentung wieder weiter beför-
dert und eine Kultur der Altersarbeit schon im Ansatz
unterlaufen.
Die Verlängerung der Übergangsfrist bei der Bezugs-
dauer von Arbeitslosengeld I führt zu Belastungen der
öffentlichen Hand von voraussichtlich 5 bis 6 Milliarden
Euro. Eine Verlängerung der Regelung um zwei Jahre
wirkt bis ins Jahr 2010 hinein. Die Folgen sind erhöhte
Ausgaben für die nächsten fünf Jahre, insbesondere bei
der Bundesagentur für Arbeit. Ich halte dies angesichts
der prekären öffentlichen Finanzen und dem Gebot der
Nachhaltigkeit für einen Fehler. Dadurch wird insbeson-
dere der Spielraum für eine zukünftige Senkung der
Lohnnebenkosten im Bereich der Arbeitslosenversiche-
rung vergeben. Dies bildet jedoch nach meiner Auffas-
sung eine Voraussetzung für eine dynamische Entwick-
lung auf dem Arbeitsmarkt.
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Birgitt Bender (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über
den Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Ände-
rung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und
anderer Gesetze (Tagesordnungspunkt 18)
Zur Abstimmung über das Fünfte Gesetz zur Ände-
rung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer
Gesetze möchte ich folgende Erklärung abgeben:
Dem Fünften Gesetz zur Änderung des Dritten Bu-
ches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze habe ich zu-
gestimmt, da hiermit wichtige Weichen zur Förderung
der Beschäftigung älterer Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer gestellt werden. In einem Teilaspekt des vor-
liegenden Gesetzes bin ich allerdings anderer Auffas-
sung:
Die Verlängerung der bestehenden Übergangsfrist bei
der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I bewerte ich kri-
tisch. Sie widerspricht dem Paradigmenwechsel, der mit
der Agenda 2010 am Arbeitsmarkt eingeleitet wurde:
Durch die Verlängerung der Übergangsfrist werden ins-
besondere die Erfolge bei der Eindämmung der Vorruhe-
standsregelungen, die älteren Arbeitnehmern systema-
tisch den Zugang zum Arbeitsmarkt verbaut haben,
rückgängig gemacht. Die Verlängerung der Regelung
kommt nicht den jetzigen Arbeitslosen zugute, sondern
nur denen, die derzeit in einem Beschäftigungsverhältnis
stehen und bis Ende 2007 arbeitslos werden. Dadurch
wird die Praxis der Frühverrentung wieder weiter beför-
dert und eine Kultur der Altersarbeit schon im Ansatz
unterlaufen.
Die Verlängerung der Übergangsfrist bei der Bezugs-
dauer von Arbeitslosengeld I führt zu Belastungen der
öffentlichen Hand von voraussichtlich 5 bis 6 Milliarden
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uro. Eine Verlängerung der Regelung um zwei Jahre
irkt bis ins Jahr 2010 hinein. Die Folgen sind erhöhte
usgaben für die nächsten fünf Jahre, insbesondere bei
er Bundesagentur für Arbeit. Ich halte dies angesichts
er prekären öffentlichen Finanzen und des Gebots der
achhaltigkeit für einen Fehler.
nlage 4
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele,
Jutta Dümpe-Krüger und Monika Lazar (alle
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung
über den Entwurf eines Strafrechtsänderungs-
gesetzes und anderer Gesetze (Tagesordnungs-
punkt 16)
Wir stimmen dem Gesetzentwurf nicht zu. Wir lehnen
n ab.
Die vorgesehene Ausweitung der Vorschrift des Straf-
esetzes ist das ungeeignete und falsche Mittel zur Aus-
inandersetzung mit dem Problem des Graffitisprayens
nd den Sprayern.
Dieses Strafgesetz trifft die harmloseste Variante von
raffiti an Hausfassaden, Denkmälern oder Bahnwagen,
icht die „harten“ Sprayer. Die Täter, die mit Lackfarbe
ände und Bahnwagen besprühen, Scheiben oder la-
kierte Flächen zerkratzen, also wirklich schwere Schä-
en anrichten, die werden ganz unbestritten nach gelten-
em Strafrecht stets betraft und zur Schadensbeseitigung
erurteilt – wenn sie erwischt werden und ihre Tatbetei-
igung zweifelsfrei bewiesen wird. Dazu braucht es kein
eues Gesetz. Und auch das neue Gesetz hilft nicht, sol-
he Täter schneller und häufiger zu fassen oder ihre Tat-
eteiligung einfacher zu beweisen.
Die Täter aber, die vergleichsweise harmlos sind, die
it abwaschbarer Farbe sprayen oder malen, die Plakate
leben oder in anderer Weise das Erscheinungsbild ver-
ndern, können jetzt leichter mit Kriminalstrafen belangt
erden. Das halten wir für unangemessen und falsch.
Auch wir sind der Meinung, dass Graffiti ein ärgerli-
hes Übel für betroffene Eigentümer und für viele Be-
rachter ist. Die Beseitigung von Graffiti kostet häufig
ie privaten Eigentümer und die öffentlichen Kassen viel
eld. Millionenbeträge müssen von Kommunen und öf-
entlichen Verkehrsbetrieben ausgegeben werden, die an
nderer Stelle fehlen und wahrlich sinnvoller ausgege-
en werden könnten. Das bedauern auch wir. Deshalb
aben wir uns intensiv mit dem Thema Graffiti befasst.
ir sind immer wieder zu der Auffassung gelangt, dass
ie vielfach und alle Jahre wieder vorgeschlagenen Er-
eiterungen des Strafgesetzbuches nicht richtig und
berzeugend sind. Änderungen des Strafrechts – wie
uch heute zu beraten – helfen nicht, das Problem zu lö-
en. Vorschläge für Erweiterungen der Kriminalisierung
aren häufig Ausdruck hilflosen Aktivismus, der Lö-
ungen versprach nach dem Motto: „Wir tun wenigstens
as!“, obwohl die Initiatoren selbst wussten, dass sie nur
weiße Salbe“ als Heilmittel anboten.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005 17233
(A) )
(B) )
Es konnte bisher nie nachgewiesen werden, dass
potenzielle Täter von Graffitisprayen durch eine Straf-
verschärfung von ihrer Tat abgehalten werden. Ganz im
Gegenteil. Viele Täter macht gerade das Verbotene
scharf. Je größer die öffentliche Aufmerksamkeit ist,
umso mehr wird gesprayt, wie gerade nach den spekta-
kulären Hubschraubereinsätzen gegen Graffitisprayer in
Berlin vor einigen Wochen deutlich wurde. Die Straf-
rechtsverschärfung wird an der sehr geringen Aufklä-
rungs- und Ergreifungsquote nicht das Mindeste ändern.
Dies räumen selbst harte Befürworter der Änderung ein.
Die Neuerung wird nicht öffentliche Flächen oder pri-
vate Hauswände sauber halten oder geschädigten Eigen-
tümern helfen und materiellen Ersatz verschaffen. Nur
circa 30 Prozent der Straftaten, die im Zusammenhang
mit Graffitisprühen stehen, werden bundesweit aufge-
klärt. Es ist nicht zu erkennen, wieso durch eine Erweite-
rung der Strafvorschrift mehr Tatverdächtige als bisher
entdeckt und gefasst werden sollten, um sie strafverfol-
gen zu können.
Während einer kürzlichen Anhörung im Bundestag
äußerten im Gegenteil Vertreter der Berliner Polizei die
Befürchtung, die vorgeschlagene Ausweitung des § 303
StGB würde lediglich mehr personelle Kapazitäten mit
der absehbar ergebnislosen Einleitung von Unbekannt-
Verfahren binden.
Die allermeisten Graffitis werden schon vom gelten-
den Sachbeschädigungstatbestand des § 303 StGB er-
fasst, da sie – oder jedenfalls ihre Entfernung – den Un-
tergrund bzw. die Substanz der Sache beschädigen.
Werden die Täter gefasst, werden sie auch bestraft. Dazu
braucht das Gericht in aller Regel auch keine teuren Gut-
achten. Um ärgerliche Graffitis zu verringern, müssen
andere Wege als nur immer mehr Kriminalisierung ge-
gangen werden. Wichtig ist, die Unterschiede der Mo-
tive der Sprayer zu berücksichtigen.
Es gibt Sprayer, die wollen sich künstlerisch betäti-
gen, Kunstwerke schaffen. Ihre Werke werden in Kunst-
kalender, in Kunstbücher und in Webseiten aufgenom-
men. Sie sind meist bereit, auf legale Ersatzflächen
auszuweichen, die ihnen ihr Werk ermöglichen und die-
ses öffentlich zu präsentieren.
Die große Mehrheit der Sprayer sprayt tags, um Aner-
kennung in der Szene und in der Öffentlichkeit zu erlan-
gen. Je höher das Risiko, das er beim Sprayen eingeht, je
gewagter und je zahlreicher die Graffitis, umso höher
das Ansehen. Nur selten gelingt es, diese Sprayer auf le-
gale Flächen zu verweisen. Solange Sprayen cool ist, so
lange können präventive und nachsorgende Maßnahmen
allenfalls das Problem eingrenzen und lindern. Graffiti-
abweisende Untergrundbeschichtung für gefährdete Flä-
chen, insbesondere an öffentlichen Gebäuden und Bah-
nen, kann Vorsorgen und die Kosten der Beseitigung
erheblich mindern. Regelmäßige rasche Beseitigung der
Tags mindert den Reiz, weil diese nicht lange zu sehen
sind und für Anerkennung sorgen. In Kopenhagen, aber
auch in Berlin wurden gute Erfahrungen gemacht. Die
immer wieder schnell gereinigten Flächen blieben nach
einiger Zeit tatsächlich unbesprayt. Der Erwerb der
Spraydosen mit gefährlichem Kunstlack kann erschwert
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nd durch Sonderabgaben wie etwa auf so genannte Al-
opops erheblich verteuert werden. Die eingesetzten
praydosen werden weniger und die Schäden geringer.
Eine kleine Minderheit der Täter will zerstören und
chaden anrichten. Dagegen hilft die Verbesserung der
ufklärungsquote, um die Täter zur Verantwortung zie-
en und den Geschädigten Schadensersatz verschaffen
u können, und Sozialarbeit, um den Jugendlichen an-
ere Perspektiven aufzuzeigen.
Wir wollen uns nicht dem öffentlichen Druck beugen,
er während des maßlosen Hubschraubereinsatzes des
GS gegen Graffitisprayer gar hysterische Züge annahm
nd stimmen deshalb dem unsinnigen, unnützen und fal-
chem Gesetz nicht zu, das die Falschen kriminalisiert.
uch wir wollen mitwirken bei der Suche nach weiteren
ösungen, ärgerliche Farbschmierereien zu verringern,
ie Schädiger zu ermitteln und Geschädigten durchsetz-
are Ansprüche gegen sie zu verschaffen. Für populär
lingende Scheinlösungen, die Geschädigte und Öffent-
chkeit irreführen und diesen vorgaukeln, dem Übel
ürde abgeholfen, sind wir nicht zu haben.
nlage 5
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Hubertus Heil, Ulrich
Kelber, Jörg Tauss, Horst Kubatschka, Klaus
Barthel (Starnberg), Monika Griefahn, Grietje
Bettin und Manfred Helmut Zöllmer (alle SPD)
zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset-
zes zur Änderung telekommunikationsrechtli-
cher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 24)
Wir stimmen dem Gesetzentwurf der Bundesregie-
ung zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vor-
chriften in der Fassung des Änderungsantrages der
oalitionsfraktionen zu.
Die Neuregelung des Telekommunikationsgesetzes
chafft wichtige verbraucherschutzrechtliche Neurege-
ungen, die für den notwendigen Kundenschutz sorgen,
hne gleichzeitig die Dynamik dieser Schlüsselbranche
ür unsere Zukunft sowie Innovationen unverhältnismä-
ig zu behindern. Wir setzen damit zwei Verordnungen
m, die wir bei der Änderung des Telekommunikations-
esetzes im letzten Jahr zugesagt haben.
Gleichzeitig möchten wir aber unserem großen Be-
auern Ausdruck verleihen, dass es nicht gelungen ist,
ie bei der Kompromisssuche bei der Novellierung des
elekommunikationsgesetzes ebenfalls zugesagte Neu-
egelung der Entschädigungsverordnung für Leistungen
ei der Überwachung der Telekommunikation und bei
er Erteilung von Auskünften in den Gesetzentwurf ein-
ubinden. Wir sehen es aber als dringend notwendig an,
ndlich zu einer auch mit anderen Industrienationen ver-
leichbaren Entschädigungsregelung zu kommen.
Die von den Telekommunikationsunternehmen bei
er Ermöglichung der rechtmäßigen Überwachung der
elekommunikation und der Erteilung von Auskünften
17234 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005
(A) )
(B) )
zu Strafverfolgungszwecken und Zwecken der öffentli-
chen Sicherheit zu erbringenden Leistungen dienen der
Erfüllung staatlicher Aufgaben. Uns erscheint es deshalb
erforderlich, den Telekommunikationsunternehmen eine
angemessene Entschädigung für die Erbringung der
Leistungen zu gewähren.
Mit einer Neuregelung der Entschädigungsverord-
nung haben wir zugleich das Ziel verfolgt, eine dämp-
fende Wirkung auf den bisherigen Trend einer von Jahr
zu Jahr ansteigenden Anzahl von Überwachungsmaß-
nahmen zu erreichen.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der
Arzneimittelversorgung bei Kindern und
Jugendlichen
– Antrag: Altersgrenze für Vertragsärzte be-
seitigen
– Antrag: Freie Wahl der Kostenerstattung in
der gesetzlichen Krankenversicherung
– Antrag: Nicht verschreibungspflichtige Arz-
neimittel wieder als Leistung der gesetz-
lichen Krankenversicherung verankern
– Antrag: Arzneimittelversorgung bei schwer-
wiegenden chronischen Erkrankungen ge-
währleisten
(Tagesordnungspunkt 21, Zusatztagesord-
nungspunkte 8 und 9)
Klaus Kirschner (SPD): Der heute in zweiter Le-
sung zu beratende Gesetzentwurf der CDU/CSU-Frak-
tion zur Heraufsetzung der Lebensaltersgrenze auf
18 Jahre für die Erstattungsfähigkeit nicht verschrei-
bungspflichtiger Arzneimittel durch die GKV ist ein
weiteres Beispiel für eine Politik, mit der versucht wird,
die Bürgerinnen und Bürger zu täuschen. Mal abgesehen
von der Willkürlichkeit, mit der Sie durch die Alters-
grenze von 18 Jahren die 19-, 20-Jährigen und Älteren
ausschließen – das gilt auch bei der jetzigen Alters-
grenze, die wir gemeinsam festgelegt haben –, hat – das
will ich in Erinnerung bringen – in der zweiten und drit-
ten Lesung des GKV-Modernisierungsgesetzes am
26. September 2003 der von mir sehr geschätzte Kollege
Dr. Faust hier im Plenum auf Folgendes hingewiesen:
„Dies alles und die Frage, ob es richtig ist, dass Kopf-
schmerztabletten und Nasentropfen selbst zu bezahlen
sind, ist vielfach bewegt und jetzt entschieden worden.
In diesem Bereich liegen die Notwendigkeiten, aber
nicht die Stärken dieses Gesetzes.“ Gilt dies noch oder
nicht?
Die niedersächsische Ministerin, Frau von der Leyen,
CDU, hat in der Sitzung des Bundesrates zum GKV-Mo-
dernisierungsgesetz am 17. Oktober 2003 zur Heraus-
nahme der nicht verschreibungspflichtigen Medika-
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ente aus der Erstattungspflicht der Kassen festgestellt:
Dies allerdings sind in der Regel Arzneimittel gegen
eichtere Krankheiten und Befindlichkeitsstörungen. Ihr
reis ist vergleichsweise gering.“ Das nur zur Erinne-
ung.
Der von Ihnen jetzt zur Abstimmung vorgelegte Ge-
etzentwurf führt nicht zu einer besseren Versorgung der
atienten. Der Einzelsachverständige Professor Gerd
laeske hat es in der öffentlichen Anhörung am 13. Juni,
lso vor vier Tagen, auf den Punkt gebracht. Ich zitiere
us dem Protokoll: „Ich halte den Vorschlag, die Alters-
renze anzuheben, für überhaupt nicht zielführend, weil
s darum geht, indikationsbezogene Regelungen zu fin-
en“. Der bessere Weg, etwaige Versorgungslücken zu
chließen, ist, dass der Gemeinsame Bundesausschuss
ndikationsbezogene Regelungen findet und gegebenen-
alls die Liste erstattungsfähiger Arzneimittel um OTC-
rodukte erweitert. Nach den Aussagen des Vorsitzen-
en Dr. Heß ist der GemBa auf einem guten Wege, was
eispielsweise Ichthyoseerkrankungen anbetrifft. Bei der
rage der Erstattung von Antihistaminika und Neuroder-
atika gibt es offenkundig noch Probleme. Ich hoffe für
ie SPD-Fraktion, dass im Interesse der Patienten Lö-
ungen gefunden werden.
Ich will an dieser Stelle der Versuchung nachgeben,
ich mit Grundsatzbemerkungen zur Gesundheitsidiolo-
ie der Union auseinander zu setzen. Mit Ihrem Gesetz-
ntwurf versuchen Sie einerseits, den Eindruck zu erwe-
ken, dass Sie sich für die Interessen von Kindern und
ugendlichen aus vornehmlich einkommensschwachen
amilien einsetzen. Wie passt das aber auf der anderen
eite damit zusammen, dass Sie das Kopfgeld für
ranke einführen wollen, das gerade die Familien mit
nteren und mittleren Einkommen belastet und sie zu
lmosenempfängern macht? Nur zur Erinnerung: Ihr
opfgeldmodell würde dazu führen, dass alle Einverdie-
erfamilien mit einem Monatseinkommen von weniger
ls 3 115 Euro zu Bittstellern staatlicher Steueralmosen
erden. Hinzu kommt, dass im Falle einer Mehrwert-
teuererhöhung – denn wie wollen Sie die Lücke von
indestens 28 Milliarden Euro schließen – diese auch
och vorwiegend von denen bezahlt werden muss, die
ie Zuschüsse bekommen sollen. Sie und wir alle wissen
s: Die Bezieher unterer Einkommen werden prozentual
tärker bei der Mehrwertsteuer herangezogen als die Be-
ieher höherer Einkommen. Diese Widersprüchlichkei-
en können Sie nicht leugnen.
Wie passt es zusammen, wenn der bayerische Minis-
erpräsident und CSU-Vorsitzende Stoiber in der jüngs-
en Ausgabe des „Spiegel“ fordert, man dürfe Kürzun-
en im Sozialbereich nicht länger skandalisieren? Was
st denn skandalös, wenn nicht Ihr Krankenkopfgeld?
as werden wir zuspitzen und den Menschen verdeutli-
hen. Was Sie wollen, ist die Reduzierung einklagbarer
echtsansprüche auf Almosengewährung nach dem
otto: Jeder soll sich um sich selbst kümmern, dann ist
ür alle gesorgt. Bezüglich der Kopfprämie hat bereits
m 21. November 2004 Heiner Geißler die Antwort auf
iese CDU/CSU-Vorschläge gegeben: „Der jetzige Weg
ührt in die Privatisierung, das ist der amerikanische
eg, der führt in die Irre, ja er führt ins Elend.“ Dem ist
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005 17235
(A) )
(B) )
nichts hinzuzufügen, außer dass ich namens meiner
Fraktion ankündige, dass wir sowohl Ihren Gesetzent-
wurf als auch die Anträge der FDP ablehnen werden.
Die Kostenerstattungsideologie der Liberalen ist die Be-
triebsanleitung für die Gelddruckmaschine der Leis-
tungserbringer. Die Patienten müssten die Ergebnisse
dieser Ideologie teuer bezahlen.
Gudrun Schaich-Walch (SPD): Eines muss man Ih-
nen bei Ihrem Gesetzentwurf lassen: Sie sind konsequent
in Ihrer Inkonsequenz.
Unsere gemeinsame Basis bei den Gesundheitsver-
handlungen zum GKV-Modernisierungsgesetz 2003 war
unter anderem die Ausrichtung der medizinischen Ver-
sorgung an der Qualität. Diesen Grundsatz der strikten
Qualitätsorientierung verlassen Sie nun; denn ein Ge-
setzentwurf, der bei nicht verschreibungspflichtigen
Arzneimitteln eine Verschiebung der Altersgrenze von
zwölf auf 18 als erstattungsfähig durch die Kassen vor-
sieht, orientiert sich weder an Qualität und medizini-
scher Notwendigkeit noch an sozialpolitischen Notwen-
digkeiten. Er hat auch keine familienpolitische
Orientierung. Sie wollen zwar die Familien mit Kindern
bis 18 Jahren entlasten, aber erstens sind glücklicher-
weise nicht alle Familien arm und zweitens lassen Sie
alle anderen Menschen mit gleichen Problemen und Be-
lastungen im Stich.
Nach Ihrem Gesetzentwurf gilt: Bis 18 Jahre zahlt die
Krankenkasse alles, egal wofür, egal von welcher Arz-
neimittelqualität, egal ob medizinisch notwendig oder
nicht. Ab dem 19. Lebensjahr zahlt jeder selbst. Aber bei
den von Ihnen genannten circa 1 Million Jugendlichen,
die an Allergien, Neurodermitis, Rheuma und anderen
chronischen Erkrankungen leiden, hören diese Er-
krankungen nicht mit 18 auf, sondern sie sind auch beim
19-, 20-, 25- oder 80-Jährigen oft noch vorhanden. Die
gesundheitliche und die finanzielle Belastung bleiben
weiterhin gleich. Wie wollen Sie zum Beispiel einem
Auszubildenden oder einem Schüler erklären, dass es
richtig und notwendig ist, dass die Krankenkasse das
Medikament bis 18 bezahlt und ab 19 nicht mehr, ob-
wohl sich doch an seiner Erkrankung nichts geändert
hat?
Wir wollen deshalb, wie in unserem Antrag dargelegt
und wie gesetzlich vorgesehen, dass der Gemeinsame
Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen die
Krankheitsbilder festlegt, bei denen auch nicht ver-
schreibungspflichtige Arzneimittel vom Arzt verordnet
und von den Krankenkassen bezahlt werden. Dieser An-
spruch auf Behandlung muss dann für alle gelten, egal
ob neun, 19 oder 90 Jahre alt. Er begründet sich allein
auf die medizinische Notwendigkeit und die Qualität der
Arzneimittel, die zur Behandlung dieser Erkrankung
notwendig sind.
Aber nicht nur bei diesem Gesetzentwurf gilt Ihre
konsequente Inkonsequenz. So fordert der CDU-Vize
Christoph Bohr den Umbau des Sozialstaates. Er sagt,
dass das deutsche Sozialsystem längst in die Knie gegan-
gen sei, und fügt dann hinzu, dass die Union aber keines-
falls den Weg der Grausamkeiten gehen wolle. Welchen
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eg sie gehen will, verrät er aber nicht. Gleichzeitig for-
ert Herr Stoiber konkrete Einschnitte in das soziale
etz.
Auch bei Ihrer Kopfpauschale sind Sie konsequent in-
onsequent. Bereits bei der von Ihnen eingeforderten
opfpauschale im Zahnersatz hat sich gezeigt, dass sie
nsozial ist. Sie halten aber an der Kopfpauschale fest
nd machen Ihre Ausgestaltung abhängig von der Steu-
rreform. Das zeigt, wie konfus und konzeptionslos die
nion in der Gesundheitspolitik ist. Sie wollen nur ver-
chleiern, dass Ihre Sozialpolitik darin besteht, die öf-
entlichen Sicherungssysteme zu einem Markt für die
ersicherungskonzerne umzubauen; denn dies wird der
eg sein, den Sie mit Ihrer Kopfpauschale einschlagen.
Die Konsequenz in der Inkonsequenz kann man auch
n einem Ihrer prominenten Gesundheitspolitiker fest-
achen. Da setzt sich der ehemalige Gesundheitsminis-
er Seehofer in den Verhandlungen zum GKV-Moderni-
ierungsgesetz für die Einführung der Kopfpauschale
eim Zahnersatz ein, ist aber gleichzeitig, nachdem er es
m Bundestag mit beschlossen hat, dagegen und ruft jetzt
ls Landesvorsitzender des VdK Bayern seine Mitglie-
er auf, gegen die gesetzliche Regelung des einkom-
ensbezogenen Sonderbeitrages der Versicherten zu
lagen, mit dem wir den einkommensbezogenen Beitrag
ür den Zahnersatz wiederhergestellt haben. Anschlie-
end bietet sich Herr Seehofer dann auch noch als Ge-
undheitsminister bei Frau Merkel an. Die Gesundheits-
olitik der Union ist wie das Hütchenspiel: Keiner weiß,
o ihr Inhalt gerade steckt und wie er aussieht. Aber hier
eht es nicht um ein illegales Spiel, sondern um die Um-
etzung eines legal zustande gekommenen Gesetzes.
Natürlich ist die Abgrenzung nach Qualitätsgesichts-
unkten gerade bei den Allergien ein schwieriger Weg.
s sind eben nicht immer die leichten Wege, die zum
iel führen. Deshalb sollten wir den richtigen Weg der
rientierung an der Qualität nicht schon bei den ersten
chwierigkeiten verlassen.
Wir haben im GKV-Modernisierungsgesetz die geeig-
eten Instrumente vorgegeben. Der Gemeinsame Bun-
esausschuss wird sich in seiner Juli-Sitzung noch ein-
al mit dem Thema befassen. Ich bin sicher, dass er eine
ntscheidung fällen wird, in der die Qualität Vorrang vor
iner Altersgrenze erhält und alle notwendigen Indikato-
en berücksichtigt sind.
Wir wollen, dass die Kranken unabhängig vom Alter,
ber orientiert am Nachweis der Qualität versorgt wer-
en. Wir wollen, dass die Finanzierung der Leistungen
urch einkommensabhängige Beiträge erfolgt und nicht
urch eine für jeden gleich hohe Kopfpauschale, die
och durch private Prämien ergänzt werden muss, damit
ie Bürgerinnen und Bürger die heutigen und künftigen
eistungen der Krankenversorgung auch ohne finan-
ielle Überforderung erhalten. Die Menschen in diesem
and müssen die Sicherheit haben, dass sie nicht mit
em Risiko Krankheit allein gelassen sind. Wir haben ih-
en mit dem GKV-Modernisierungsgesetz viel abver-
angt, auch den verschiedenen Berufsgruppen und
elbstständigen, die im Gesundheitswesen arbeiten.
ber ich glaube, wir haben damit einen wichtigen
17236 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005
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Beitrag für die Zukunftsfähigkeit unseres Gesundheits-
wesens geleistet. Lassen Sie uns auf diesem Weg bleiben
und so ein Stück Sicherheit in Zeiten ständiger Verände-
rung schaffen!
Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU): Vor knapp anderthalb
Jahren ist das Gesetz zur Modernisierung der gesetz-
lichen Krankenversicherung, das GMG, in Kraft getre-
ten. Als Erfolg dieses Gesetzes ist durchaus zu werten,
dass die GKV 2004 einen Überschuss von 4 Milliarden
Euro erwirtschaften konnte. 4 Milliarden Euro Über-
schuss – eigentlich hätte es damit zu den erwarteten Bei-
tragssenkungen kommen müssen. Dass es nicht dazu ge-
kommen ist, liegt nicht an den viel gescholtenen
Arzneimittelkosten – die im Übrigen auf dem Stand des
Jahres 2002 liegen –, sondern an der Fehlinformation der
Bundesregierung; denn uns wurde das wahre Ausmaß
der Verschuldung der GKV verschwiegen. Die Bundes-
regierung hat hier wieder einmal mit falschen Zahlen
agiert. 4 Milliarden Euro Überschuss – in unserem An-
trag, den wir heute abschließend beraten, handelt es sich
um ganze 100 000 Euro!
Worum geht es: Jeder von uns kann sich noch an die
gewaltige Flut von Eingaben, in deren Mittelpunkt die
Herausnahme der OTC-Präparate aus der Erstattungs-
pflicht der GKV stand, erinnern. Niemand von uns war
überrascht, dass bei der öffentlichen Anhörung zu unse-
rem Antrag „Wirkungen und Nebenwirkungen des
GMG – Kritische Bestandsaufnahme“ am 16. März 2005
von den Sachverständigen ausgeführt wurde, dass die
Herausnahme nicht verschreibungspflichtiger OTC-Arz-
neimittel aus dem Leistungskatalog der GKV in einigen
Bereichen zu einer erheblichen Unterversorgung geführt
hat. Warum? Einerseits werden einige Krankheiten nicht
als schwerwiegend angesehen, und andererseits werden
eine ganze Reihe von Arzneimitteln vom Gemeinsamen
Bundesausschuss nicht als Therapiestandard anerkannt.
Insbesondere Jugendliche sind von dieser Regelung
betroffen; denn circa 1 Million von ihnen leidet an Aller-
gien, Neurodermitis, Rheuma und anderen chronischen
Erkrankungen. Die Kinder- und Jugendärzte haben in
der öffentlichen Anhörung eindeutig dargelegt, dass bei
Inhalationsallergien oder Neurodermitis die Behandlung
mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln – Au-
gentropfen, Nasensprays, systemischen Antihistaminika
und harnstoffhaltigen Salben – Therapiestandard ist. Die
jetzige Regelung stellt Kinder und Jugendliche vom
vollendeten zwölften bis zum vollendeten 18. Lebens-
jahr mit Erwachsenen gleich. Was passiert, wenn diese
Kinder aufgrund finanzieller Schwierigkeiten ihrer El-
tern die dringend benötigten Arzneimittel nicht erhalten?
Können wir das verantworten?
Nicht nur aus sozial- und familienpolitischer Sicht ist
das äußerst bedenklich. Die Konsequenz ist nämlich,
dass diese Erkrankungen bei den betroffenen Kindern
eine schwere Verlaufsform nehmen und sich bis hin zu
einer Dauerschädigung entwickeln können. Der GKV
werden also mittel- und langfristig mehr Kosten entste-
hen als die knapp 100 000 Euro, durch die die GKV
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ehr belastet würde, wenn unser Gesetzentwurf eine
ehrheit in diesem Hauses fände.
Bereits in der ersten Lesung wurde von unserer Kolle-
in Schaich-Walch die Frage nach der Altersgrenze ge-
tellt. Ich zitiere: „Weil seine Erkrankung als chronisch
nerkannt ist, bekommt er nach ihren Vorstellungen die
ehandlung nicht mehr bis zu einem Alter von zwölf
ahren, sondern bis zu einem Alter von 18 Jahren be-
ahlt. Wie aber erklärt man diesem jungen Menschen,
er vielleicht noch zur Schule geht oder sich in der Aus-
ildung befindet, dass dies an seinem 19. Geburtstag
ufhört, obwohl seine Krankheit fortbesteht?“ Ich frage
ie von der Noch-Koalition: Wie erkläre ich das denn ei-
em Kind von 13 Jahren? Das Problem ist doch bei die-
em Schnitt der Altersgrenze genau das gleiche; es ist
enauso willkürlich. Im Übrigen wissen Sie ganz genau,
ass alle Altersgrenzen des SGB V auf der Vollendung
es ersten Lebensjahres aufbauen. Wenn Sie im Gesetz
34 SGB V, um dessen Abs. 1 Satz 5 wir hier streiten,
ur einen Satz weiter lesen, stoßen Sie wieder auf diese
renze. Wenn Sie also konsequent wären, müssten Sie
ie Altersgrenze, ab der die Negativliste bei Bagatell-
rkrankungen festgelegt ist, auch auf die Vollendung des
wölften Lebensjahres absenken. Auch die Volljährig-
eit beginnt mit dem 18. Lebensjahr – und ein 18-Jähri-
er hat nun einmal ganz andere Möglichkeiten, sich
egenüber seinen Eltern durchzusetzen als ein Minder-
ähriger.
Was den FDP-Antrag „Nicht verschreibungspflichtige
rzneimittel wieder als Leistung der GKV verankern“ an-
etrifft, so zwingen uns einzig und allein finanzielle
ründe dazu, ihn abzulehnen. In der Anhörung und in der
tzten Ausschusssitzung wurden ja auch Alternativen dis-
utiert. Immer wieder hörte ich dabei die Forderung nach
er von der SPD und den Grünen heiß geliebten Positiv-
iste. Nur, ob zum Beispiel die Harnstoffprodukte auf ei-
er Positivliste stehen würden oder nicht, konnten mir
ie Mitglieder der Regierungsfraktion bzw. der Regie-
ung nicht eindeutig beantworten; denn auch hier ist eine
ositivliste zur Problemlösung untauglich. Auch sie
ürde Streitfälle nicht ausschließen. Außerdem haben
ir nach wie vor eine Negativliste, die unwirtschaftliche
rzneimittel ausgrenzt.
Auch eine indikationsbezogene Lösung ist nach der
erzeitigen Gesetzeslage eigentlich nicht möglich. Die
eststellung im Antrag der Koalitionsfraktionen, dass
er G-BA „medizinisch begründeten indikationsspezifi-
chen Lösungen den Weg ebnet“, ist mehr als optimis-
isch. Ich wiederhole die Worte von Dr. Hess in der An-
örung in Bezug auf die problematischen Indikationen:
Wir müssen diese Kriterien im Sinne der Gleichbe-
andlung in gleicher Weise anwenden. Wir können nicht
agen, wir treffen, weil die Belastung zu groß ist, aus
efälligkeit eine von diesen Prinzipien abweichende
ntscheidung.“ Also ist doch die Frage mehr als berech-
igt, ob der G-BA nach der jetzigen Gesetzeslage über-
aupt reagieren kann. Das ist nicht zuletzt ein Grund
afür, dass wir den Koalitionsantrag „Arzneimittelver-
orgung bei schwerwiegenden chronischen Erkrankun-
en gewährleisten“ ablehnen.
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Was den europäischen Vergleich im Antrag der Koali-
tionsfraktionen anbetrifft, ist vollkommen unverständ-
lich, dass SPD und Grüne etwas dagegen haben, dass
Deutschland in der medizinischen Betreuung von Kin-
dern und Jugendlichen Standards setzt, die im europäi-
schen Vergleich vorbildlich sind. Erstaunlich ist in die-
sem Zusammenhang schon die Bemerkung – gefallen in
der ersten Lesung zu unserem Gesetzentwurf – unserer
Kollegin Schaich-Walch: „Ihr Gesetzentwurf führt zu
Mehrausgaben der GKV für einen zweifelhaften
Zweck.“ Wen wundert’s, wenn OTC-Präparate von ihr
als Schrott angesehen werden!
Michael Hennrich (CDU/CSU): Der Antrag der
FDP zur Beseitigung der Altersgrenze für Vertragsärzte,
über den wir heute mit Schlussabstimmung beraten, hat
die Streichung des § 95 des Fünften Sozialgesetzbuches
zum Ziel, was die Aufhebung der Befristung ärztlicher
Tätigkeit mit Vollendung des 68. Lebensjahres nach sich
ziehen würde.
Hierzu möchte ich einige Vorbemerkungen machen:
Zu Beginn des Jahres 1993 wurde mit dem In-Kraft-Tre-
ten des Gesundheitsstrukturgesetzes die Regelung des
§ 95 SGB V eingeführt. Darin wurde eine Altersgrenze
für Ärzte verankert, die eine Beschränkung der vertrags-
ärztlichen Tätigkeit auf in der Regel nur bis zur Vollen-
dung des 68. Lebensjahres festlegt. Die Zulassungsbe-
schränkungen waren und sind notwendig, um der mit
einer steigenden Zahl der Vertragsärzte verbundenen un-
nötigen Kostenbelastung der gesetzlichen Krankenversi-
cherung (GKV) zu begegnen.
§ 95 SGB V war dabei als Ausgleichsmaßnahme zu
den Zulassungsbeschränkungen gedacht. Die mit den
Zulassungsbeschränkungen verbundene Verknappung
von Zulassungsmöglichkeiten sollte nicht allein zulasten
der jüngeren Ärztegeneration gehen. Ältere Ärztinnen
und Ärzte sollten ebenfalls ihren Beitrag leisten, indem
sie durch Praxisaufgabe Zulassungsmöglichkeiten für
jüngere Ärzte schaffen.
Diese Notwendigkeit besteht nach wie vor und hat
sich sogar noch verschärft. Während im Jahre 1994 noch
circa 40 Prozent aller Planungsbereiche für Neuzulas-
sungen geöffnet waren, sind im Jahre 2003 nur noch
17 Prozent der Planungsbereiche für Neuzulassungen of-
fen. In einzelnen Arztgruppen – zum Beispiel Chirurgen,
Hautärzte, Kinderärzte – sind so gut wie gar keine offe-
nen Planungsbereiche mehr vorhanden.
Der von der FDP vorgelegte Antrag ist unseres Erach-
tens nicht geeignet, bestehende oder drohende Unterver-
sorgung zu beseitigen. In der Tat besteht das Problem,
dass Nachwuchs fehlt. Aber diese Situation verteilt sich
ungleichmäßig auf die alten und die neuen Länder. Des-
halb wäre eine völlige Aufhebung nicht zielführend.
Hier wäre eventuell eine Modifizierung derart vorstell-
bar, dass die 68-Jahres-Regelung in unterversorgten
Regionen ohne Zulassungsbeschränkungen aufgehoben
werden könnte, um dort die Unterversorgung nicht wei-
ter zu verschärfen.
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Ich denke, dass wir uns Gedanken machen sollten
ber ein Maßnahmenbündel, das insgesamt die Attrakti-
ität des Arztberufes für junge Menschen wieder verbes-
ert. Den Antrag der FDP lehnen wir ab, weil er eine
Palliativlösung“ für ein System darstellt, wo eigentlich
ine „kurative Lösung“ nötig wäre.
Ich komme nun zu einem weiteren Antrag der FDP,
nd zwar zum Vorschlag der freien Wahl der Kostener-
tattung in der gesetzlichen Krankenversicherung, über
en wir heute abstimmen werden.
Ziel dieses Antrags ist, allen Versicherten in der ge-
etzlichen Krankenversicherung die Möglichkeit zu ge-
en, im Rahmen der Kostenerstattung jeden approbier-
en Arzt aufsuchen zu können, ohne sich vorher durch
ie Krankenkasse beraten lassen zu müssen.
In meiner Rede hierzu in der ersten Lesung habe ich
arauf hingewiesen, dass Regelungen zum Kostenerstat-
ungsprinzip grundsätzlich ein Schritt in die richtige
ichtung sind. Das Kostenerstattungsprinzip hat zum
eispiel den Vorteil, dass es die Transparenz im Gesund-
eitswesen fördert. Der Patient kann unmittelbar und
onkret nachvollziehen, was und wofür der Arzt abge-
echnet hat. Somit wird hierdurch zum einen Miss-
rauchsmöglichkeiten vorgebeugt, aber zum anderen
und das ist meines Erachtens ein wesentlicher Punkt –
uch das Kostenbewusstsein der Patienten geschärft. Der
atient lernt eigenverantwortlichen Umgang bei der In-
nspruchnahme von Leistungen. Wer eine ärztliche Leis-
ung zunächst selber bezahlen muss, kann sich ein viel
esseres Bild von den damit verbundenen Kosten ma-
hen und überlegt vielleicht erst einmal, ob er das nicht
ber eine Eigenbeteiligung abdecken kann und dafür ei-
en Bonus erhält. Es herrschen ja zum Teil völlig falsche
orstellungen über die Kosten eines Arztbesuches. Auch
n dieser Stelle hätte man mehr Transparenz.
Wir alle wissen, dass wichtigste Voraussetzung für
ine erfolgreiche Behandlung ein gutes und funktionie-
endes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten
st. Dieses Prinzip gilt unabhängig davon, ob nach dem
achleistungs- oder dem Kostenerstattungsprinzip abge-
echnet wird. Aber auf der anderen Seite kann das
ostenerstattungsverfahren zu einer Stärkung des Ver-
rauensverhältnisses führen. Der FDP-Antrag geht
rundsätzlich in die richtige Richtung, gerade auch im
inblick darauf, dass wir uns im Laufe der nächsten
ahre über die europäischen Regelungen in Richtung
ostenerstattung weiter bewegen müssen. Ich denke,
ass wir mittelfristig über die europäische Regelung den
eg der Kostenerstattung einschlagen werden.
Im vorliegenden Antrag der FDP werden allerdings
inige Problembereiche nicht geklärt. So werden zum
eispiel die nicht zugelassenen Ärzte privilegiert. Diese
rhielten nämlich laut FDP-Antrag die Möglichkeit, im
ahmen der Kostenerstattung gesetzlich versicherte Pa-
ienten zu behandeln, ohne sich an der Notversorgung
der der Wochenendversorgung beteiligen zu müssen.
icht zugelassene Ärzte können sich dann sozusagen die
Behandlungsrosinen“ herauspicken und weniger attrak-
ive Tätigkeiten ausschlagen.
17238 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005
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Eine weitere Problematik, die ich durch den FDP-
Vorschlag sehe, zielt ebenfalls auf das Thema Zulassung.
Wenn jeder approbierte Arzt zum Erstattungsprinzip zu-
gelassen ist, haben wir das Problem, dass die Kranken-
kassen nicht mehr Vertragspartner der Ärzte sind. Dann
sind die Versicherten alleiniger Vertragspartner der
Ärzte. Welche Rolle nehmen dann die Krankenkassen
ein? Sie mutieren zur bloßen Zahlstelle, obwohl wir sie
doch auch als Partner verstehen, deren wichtige Aufgabe
die Beurteilung der Qualität der medizinischen Leistung
und die Beratung der Versicherten ist. Ich halte das für
problematisch. Auch wenn man die Eigenverantwortung
der Patienten stärken will, heißt das doch nicht, dass man
die Krankenkassen aus ihrer Verantwortung entlassen
soll und die Versicherten allein lässt.
Meine Damen und Herren von der FDP, ich möchte
nur ganz kurz an die Verhandlungen zum Gesundheits-
kompromiss erinnern, wo wir von der Union uns mehr
Flexibilität insbesondere bei der Kostenerstattung ge-
wünscht haben. Wir wollten zum Beispiel, dass Teilbe-
reiche gewählt werden können. Wir haben diesen
Wunsch zugunsten des Kompromisses aufgegeben. Viel-
leicht hätte das Ergebnis anders ausgesehen, wenn die
Kollegen von der FDP mit am Verhandlungstisch geblie-
ben wären und sich auch der Verantwortung gestellt hät-
ten. Wir haben aber die Befürchtung, dass durch den
FDP-Vorschlag letztendlich das gesamte Steuerungssys-
tem der gesetzlichen Krankenversicherung für die ambu-
lante Versorgung infrage gestellt wird.
Mit Blick auf Europa und auf das Verhältnis zwischen
Arzt und Patient wird eine Entwicklung auf uns zukom-
men, die uns über das Kostenerstattungsprinzip in abseh-
barer Zeit wieder nachdenken lassen wird. Wir stehen
dem positiv gegenüber, sehen jedoch im FDP-Antrag die
erwähnten Schwachstellen, durch die die Sicherstellung
einer flächendeckenden medizinischen Versorgung unse-
res Erachtens gefährdet ist. Diese zu gewährleisten sollte
aber unser oberstes Ziel sein.
Petra Selg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die ge-
setzliche Krankenversicherung bezahlt Jahr für Jahr
auch für Arzneimittel, dessen therapeutischer Nutzen zu-
mindest angezweifelt werden muss; ein diesbezüglicher
Blick auf die Zahlen des jüngsten Arzneimittelreports
lohnt!
Bei der Gesundheitsreform 2003 hatten wir – Koalition
und Opposition – uns zur Eindämmung der Arzneimittel-
kosten darauf geeinigt, nicht verschreibungspflichtige
Medikamente grundsätzlich aus dem Leistungskatalog
der gesetzlichen Krankenversicherung zu streichen. Dies
gilt nicht für Medikamente, die zum Therapiestandard
für schwerwiegende Erkrankungen gehören. Es gilt auch
nicht für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis
18 Jahre, und es gilt nicht für Kinder bis zwölf Jahren –
weil nicht verschreibungspflichtige Medikamente in der
kinderärztlichen Versorgung eine herausgehobene Rolle
spielen.
Die Union will nun mit ihrem Gesetzentwurf die Al-
tersgrenze zur Erstattungsfähigkeit grundsätzlich auf
18 Jahre erhöhen. Sie begründet diesen Vorstoß damit,
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ass derzeit notwendige Medikamente das Familienein-
ommen stark belasten würden; dies sei insbesondere
ei Jugendlichen mit Allergien oder Hauterkrankungen
u beobachten. Zudem bestünde die Gefahr, dass zum
achteil des Gesundheitszustands sogar gänzlich auf
edikamente verzichtet wird.
Eine Anhebung der Altersgrenze auf 18 Jahre würde
amilien für einige Zeit tatsächlich finanziell entlasten.
ie Union sagt aber nichts dazu, was beispielsweise ein
llergiker mit 19 Jahren macht. Die Kostenbelastung
urch notwendige Arzneimittel wird doch im Alter nicht
eringer!
Dass wir die Diskussion vom Kopf auf die Füße stel-
en müssen, hat auch die Anhörung gezeigt, die unser
esundheitsausschuss zu der Problematik durchgeführt
at. Mit dem Gesetzentwurf der Union würden Teile ge-
öst, andere Teile nicht gelöst und neue Probleme ge-
chaffen! Das eigentliche Problem ist doch, dass wir bei
iner Arzneimitteltherapie nicht nach Nutzen und Wirt-
chaftlichkeit von Medikamenten unterscheiden, son-
ern nach Unbedenklichkeit! Unbedenklich sind aber
ben nicht nur umstrittene Arzneimittel oder solche ge-
en Bagatellerkrankungen. Unbedenklich sind auch anti-
llergische Medikamente und harnstoffhaltige Salben.
nbedenklich sind auch fast alle anthroposophischen
nd homöophatischen Medikamente. Weil aber genau
iese Medikamente grundsätzlich nicht erstattet werden,
aben wir jetzt das Problem, dass beispielsweise Allergi-
er und Patienten mit Hauterkrankungen sich ihre Medi-
amente selbst kaufen müssen.
Die Schlussfolgerung daraus liegt für mich auf der
and: Wir brauchen eine Lösung, die gewährleistet, dass
otwendige Arzneimittel unabhängig von einer Alters-
renze erstattet werden, damit der Patient nicht gezwun-
en wird, trotz Krankenversicherungsschutz teure Medi-
amente selbst einzukaufen, damit der Patient nicht
ezwungen wird, auf notwendige Arzneimittel zu ver-
ichten und damit eine Verschlechterung des Gesund-
eitszustands zu riskieren, und damit der Arzt nicht dazu
erleitet wird, stattdessen verschreibungspflichtige Arz-
eimittel zu verordnen.
Wir Grüne haben uns aus genau den genannten Grün-
en für eine so genannte Positivliste bei der Arzneimit-
eltherapie eingesetzt. Es sollten nur Medikamente von
er solidarisch finanzierten GKV finanziert werden, de-
en therapeutischer Nutzen nachweisbar ist.
Eine umfassende Positivliste wurde dem Gesund-
eitskompromiss geopfert. Aber bezogen auf schwer-
iegende Erkrankungen arbeitet der Gemeinsame
undesausschuss fortwährend an einer „kleinen Positiv-
iste“, der so genannten OTC-Liste. Hier aufgeführte
edikamente, die zum Therapiestandard bei schwerwie-
enden Erkrankungen gehören müssen, werden auch
etzt von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet. Dies
st der Weg, den es weiter zu verfolgen gilt: Erstattung
ach therapeutischem Nutzen und Notwendigkeit und
icht in Abhängigkeit von willkürlich gesetzten Alters-
renzen.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005 17239
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Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): In dem Gesetzentwurf
der Union heißt es, dass bei Inhalationsallergien oder
Neurodermitis die Behandlung mit nicht verschreibungs-
pflichtigen Arzneimitteln wie Augentropfen, Nasen-
sprays, systemischen Antihistaminika und harnstoffhalti-
gen Salben Therapiestandard sei. Das gilt dann natürlich
unabhängig vom Alter des Patienten. Insofern hilft die
Anhebung der Altersgrenze, bis zu der solche Arznei-
mittel verordnet werden können, auf das 18. Lebensjahr
nicht weiter. Erwachsene, die nur über ein niedriges Ein-
kommen verfügen, trifft es ebenso, wenn sie solche Arz-
neimittel aus der eigenen Tasche bezahlen müssen.
In der Anhörung des Ausschusses für Gesundheit und
Soziale Sicherung ist noch einmal betont worden, wie
wichtig es ist, nach Indikationen vorzugehen. Allerdings
– auch das ist klar geworden – kann der Gemeinsame
Bundesausschuss das, was gesetzlich angerichtet worden
ist, alleine nicht ausbaden. Hier ist vielmehr der Gesetz-
geber gefordert, entsprechende Bedingungen zu schaf-
fen.
Die FDP hat in ihrem Antrag „Nichtverschreibungs-
pflichtige Arzneimittel wieder als Leistung der gesetzli-
chen Krankenversicherung verankern“ deutlich dahin
gehend Position bezogen, dass das Kriterium der Re-
zeptpflichtigkeit das falsche ist. In dieser Auffassung
fühlen wir uns nach der Anhörung bestätigt. Ob nämlich
ein Arzneimittel aus der Rezeptpflicht genommen wird,
richtet sich danach, ob genug Erfahrungen vorhanden
sind, dass dieses Arzneimittel unbedenklich ist. Neue
Arzneimittel fallen damit vom Grundsatz her zunächst
einmal unter die Rezeptpflicht. Da neue Arzneimittel in
der Regel teurer sind als solche, die bereits länger auf
dem Markt sind, führt das zu vermeidbaren Ausgaben.
Bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln
handelt es sich um bewährte Medikamente, die als The-
rapieoptionen wichtig sein können. Es kann nicht in un-
ser aller Sinne sein, dass Patienten mit geringem finan-
ziellem Spielraum auf notwenige Therapien verzichten
müssen oder den Arzt dazu bringen müssen, ihnen statt-
dessen verschreibungspflichtige Arzneimittel zu verord-
nen.
Ich appelliere deshalb an Sie, dass wir noch einmal
gemeinsam darüber nachdenken, wie Einsparungen er-
zielt werden können, ohne dass es zu solchen Konse-
quenzen kommt. Auch hierfür hat die FDP einen Vor-
schlag vorgelegt. Wir plädieren dafür, die heute schon
existierende Negativliste zu überarbeiten. Wenn wir
nicht wollen, dass bestimmte Arzneimittel weiterhin zu-
lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet
werden, dann muss der Gesetzgeber bzw. der Verord-
nungsgeber den Mut haben, dies auch klar und deutlich
zu machen. Das wäre ein sauberer Lösungsweg. Auch
wenn wir also weiter gehende Vorstellungen haben als
die Union, werden wir den Gesetzentwurf der Union
dennoch nicht ablehnen, sondern uns enthalten, weil der
Entwurf zumindest für Kinder und Jugendliche ein
Schritt in die richtige Richtung ist.
Zum Schluss noch zu den beiden FDP-Anträgen: Die
vertragsärztliche Versorgung, insbesondere in der Fläche
in den neuen Bundesländern, wird zunehmend zu einem
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roblem. Es scheint sinnvoll, durch eine Anhebung der
ltersgrenze zu einer Entschärfung zu kommen. Wir
achen mit Drucksache 15/940 hierzu einen konkreten
orschlag.
Sinnvoll ist auch, die Möglichkeit für eine freie Wahl
er Kostenerstattung zu verbessern. Es ist kein Grund er-
ichtlich, warum nicht allen GKV-Versicherten im In-
and das zustehen soll, was sie nach einer Behandlung
m Ausland schon heute praktizieren können, nämlich
ie Kosten für eine Behandlung mit ihrer Krankenkasse
bzurechnen. Die heutige Beratungspflicht ist nicht
achgerecht. Wer Eigenverantwortung von den Versi-
herten fordert, hat an diesem Punkt die Möglichkeit, die
rnsthaftigkeit seines Anliegens unter Beweis zu stellen.
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Am l. Januar
004 trat die so genannte Gesundheitsreform in Kraft.
ie wurde mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und
en Grünen beschlossen. Seitdem sind viele Menschen
icht gesünder geworden, sondern ärmer und kränker.
ie PDS im Bundestag hat vor den Auswirkungen der
esundheitsreform gewarnt und in vielen Fragestunden
nd Debattenbeiträgen die fatalen Auswirkungen nach-
ewiesen. Die Tatsache, dass die Kosten für rezeptfreie
edikamente nicht mehr von den Kassen übernommen
erden, bedeutet für viele Menschen, insbesondere für
hronisch Kranke, eine besondere Härte.
Besonders prekär ist die Situation für Kinder und Ju-
endliche. Kinder und Jugendliche, die häufig oder stän-
ig Medikamente einnehmen müssen, empfinden schon
ies als psychische Belastung. Wenn zu den gesundheit-
ichen und psychischen Belastungen auch noch mate-
ielle Belastungen kommen, dann ist das schwer erträg-
ich. Darum begrüßen wir als PDS die Initiative, die
enigstens einen Schritt in die richtige Richtung geht.
Wir wissen, dass viele Eltern mit einem geringen Ein-
ommen geradezu verzweifelt sind, weil sie zum Bei-
piel die hohen Kosten für Antiallergiemittel nicht auf-
ringen können. Es ist ja inzwischen allgemein bekannt,
ass allergische Erkrankungen frühzeitig behandelt wer-
en müssen, damit sich nicht aus einem Heuschnupfen
in schweres Asthma entwickelt. Besonders bedrückend
inde ich, wenn sich die Kinder dann selbst als eine Be-
astung für die Familie empfinden und ihr Leiden mög-
ichst verheimlichen wollen. Nach einer Analyse der
echniker Krankenkasse brauchen Arbeitslose im
chnitt 20 Prozent mehr Medikament als Berufstätige.
as führt wiederum zu dem Schluss, dass die Kinder
on Arbeitslosen besonders hart betroffen sind. Ein kin-
er- und jugendfreundliches Land sieht anders aus!
Wir brauchen eine generelle Neuorientierung in der
esundheitspolitik: mehr Prävention, mehr Gesund-
eitserziehung, kostenfreie Vorsorgeuntersuchungen
tatt teurer Behandlung vermeidbarer Krankheiten. Die
raxisgebühr muss als Barriere für den nötigen Arztbe-
uch wieder verschwinden. Die Erfahrungen aus den
ergangenen anderthalb Jahren zeigen, dass vor allem
rmere Menschen nicht mehr zum Arzt gehen. Men-
chen mit einem hohen Einkommen werden durch die
raxisgebühr nicht beeindruckt.
17240 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005
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Wenn der Satz „Weil du arm bist, musst du früher
sterben!“ in einem reichen Land wie dem unseren für
viele Menschen immer mehr zur Bedrohung wird,
stimmt etwas nicht. Der Bundeskanzler will die Neu-
wahlen zum Referendum über die Agenda 2010 machen.
Einer der ersten Schritte war die Gesundheitsreform.
Wer Nein zur Agenda 2010 und damit auch Nein zur Ge-
sundheitsreform sagen will, hat dazu bei den Wahlen
eine gute Gelegenheit: PDS wählen.
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und an-
derer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften
(Tagesordnungspunkt 22)
Heidi Wright (SPD): Das Thema des „Begleiteten
Fahrens“ begleitet mich seit drei Jahren und wird heute
zu einem guten gemeinsamen Abschluss kommen.
Auslöser der Überlegungen, jugendlichen Fahranfän-
gern einen erfahrenen Begleiter beizugeben, ist die be-
drückende Tatsache, dass jugendliche Fahranfänger zur
größten Unfallgruppe im Straßenverkehr zählen. Wer
kennt nicht die traurigen Schicksale von Familien, die
ein junges hoffnungsfrohes Kind verloren haben – ge-
startet und ausgerüstet mit einem neuen Führerschein,
möglicherweise dem Familienauto, oder schon einem
eigenen Fahrzeug, oft, zu oft mit viel PS. Und dann
kommen Selbstüberschätzung und Unterschätzung der
Gefahrensituation, Fehleinschätzung des Verkehrsge-
schehens und der Straßensituation hinzu und es passiert
ein schlimmer, oft ein tödlicher Unfall.
Die traurige Tatsache ist, dass an mehr als ein Fünftel
aller Unfälle mit Personenschäden jugendliche Fahr-
zeugführer – 18- bis 24-Jährig – beteiligt waren. Und
– auch das sei zu erwähnen – es sind die männlichen
Fahranfänger, die in der Verkehrsstatistik negativ auffal-
len. Das ist alarmierend und es bedarf aller Anstrengun-
gen, diese tragische Situation zu verbessern, beginnend
mit der Verkehrserziehung über verbesserte Fahrschul-
ausbildung, Kampagnen der Polizei, der Verkehrssicher-
heitsverbände bis hin zu Angeboten über Fahrsicher-
heitstraining. Das Thema Verkehrssicherheit ist zwar
allgegenwärtig, es dringt dennoch nicht in genügendem
Maße in das Bewusstsein jugendlicher Fahranfänger.
Es bleibt eine ständige Aufgabe, jugendgerechte Ak-
tionen und Maßnahmen zu entwickeln und das Verkehrs-
geschehen für und durch Jugendliche sicherer zu ma-
chen. Eine gute Möglichkeit, mehr Verkehrssicherheit
für und durch jugendliche Fahranfänger herbeizuführen,
kann das „Begleitete Fahren“ sein. Es ist kein Königs-
weg, aber es ist ein Weg.
Kurz zur Beschreibung: Führerschein nach voller
Fahrausbildung ist ab 17 möglich. Begleiter mindestens
30 Jahre alt, vorbildliches Verhalten, das heißt nicht
mehr als drei Punkte in Flensburg, keine Promilleüber-
schreitung von 0,5 Promille, wirkt mäßigend auf den Ju-
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endlichen ein und ist als beratender Ansprechpartner
eifahrer. Und zwar wirklich nur Beifahrer, denn allein
erantwortlicher Fahrer ist der jugendliche Fahranfän-
er.
Erfahrungen aus dem Ausland und auch aus Nieder-
achsen zeigen, dass Jugendliche a) gerne von der Mög-
ichkeit des „Begleiteten Fahrens“ Gebrauch machen und
) die erwartete positive Wirkung eintritt. Und das ist al-
emal Grund genug, das „Begleitete Fahren“ über den re-
ional begrenzten Modellstatus hinauszuheben. Die
ignale aus den Bundesländern zeigen, dass wohl flä-
hendeckend von der Möglichkeit des „Begleiteten Fah-
ens“ Gebrauch gemacht werden wird.
Ein Satz zu den Vorschlägen und der bisherigen Rege-
ung Niedersachsens, nur Erziehungsberechtigte als Be-
leiter zuzulassen. Das ist von Vorgestern und passt
icht in verbreitete Lebens- und Familiensituationen.
enn dann, wie in Niedersachsen praktiziert, der als Be-
leiter fungierende Erziehungsberechtigte nicht einmal
inen Führerschein haben muss, wird es ganz kurios.
ass es in der Regel so sein wird, dass der Begleiter oder
ie Begleiterin Vater oder Mutter ist, ist ja durchaus in
rdnung, aber das müssen wir nicht vorschreiben. Nach
nserer Maßgabe kann es also auch der große Bruder
der die Pflegemutter sein.
Nein, wir Verkehrspolitiker von der Regierungskoali-
ion haben uns ausgiebig beraten und kommen zu dem
uten Schluss, dass die heutige Vorlage alle wichtigen
nforderungen erfüllt.
Wichtig ist mir auch das Signal an die Jugendlichen,
ass man/frau nicht auf Anhieb alles kann und guter Rat
icht teuer, aber hilfreich ist. Und wichtig ist mir auch
as Signal, dass eine besondere Achtung auf die Gefah-
en des Straßenverkehrs und eine besondere Beachtung
es eigenen Könnens und der eigenen Fähigkeiten nötig
t.
In diesen Zusammenhang möchte ich auch auf die po-
itische Intention abstellen, für jugendliche Fahranfänger
ine verschärfte Alkoholgrenze einzuführen, also die
ullpromillegrenze. Ganz klar ist hier auch die Kon-
rolle sonstiger bewusstseinsverändernder Drogen oder
edikamente zu nennen.
Für heute möchte ich mich jedoch zunächst bedanken
ei allen Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion, die
ei der Abstimmung des Gesetzes mitgewirkt haben. Ich
edanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen der
pposition, die dieses Gesetz unterstützen. Bundesver-
ehrsminister Stolpe war immer wieder mit der drängen-
en Bitte an mich herangetreten, das „Begleitete Fahren“
u ermöglichen. Somit freuen sich heute viele Verkehrs-
olitiker und gemeinsam wünschen wir den Jugendli-
hen einen guten Gebrauch und Nutzen der neuen Rege-
ung.
Jede Verbesserung des Fahrverhaltens Einzelner führt
u mehr Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmer.
omit setzen wir einen weiteren Baustein zur Reduzie-
ung der Zahl der Verkehrsunfälle und hin zur Vision
ero.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005 17241
(A) )
(B) )
Gero Storjohann (CDU/CSU): Heute werden wir
nun endlich das Gesetz verabschieden, das die Voraus-
setzungen für die Einführung des „Begleiteten Fahrens
ab 17“ bundeseinheitlich vorgibt. Die CDU/CSU-Frak-
tion im Deutschen Bundestag begrüßt grundsätzlich den
von den Regierungsfraktionen vorgelegten Gesetzent-
wurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes. Wir
werden diesem Gesetzentwurf heute zustimmen. End-
lich, meine Damen und Herren von Rot-Grün, haben Sie
sich dazu durchringen können.
In der Frage des „Begleiteten Fahrens ab 17“ liegt ein
quälend langer Entscheidungsprozess hinter uns. Bisher
konnten einzelne Bundesländer nur Einzelausnahmen er-
teilen, um das „Begleitete Fahren mit 17“ zu erproben.
Dennoch weigerte sich die damalige – jetzt abgewählte –
rot-grüne Landesregierung meines Heimatlandes Schles-
wig-Holstein beharrlich, das „Begleitete Fahren mit 17“
einzuführen. Bereits im Februar vergangenen Jahres,
also vor mehr als 16 Monaten, hatte ich den damaligen
schleswig-holsteinischen Verkehrsminister Bernd
Rohwer aufgefordert, das Modellprojekt im nördlichsten
Bundesland einzufühlen. Dies wäre ein Beitrag für mehr
Verkehrssicherheit gewesen. Herr Minister Rohwer
lehnte seinerzeit ab. Erst der Regierungswechsel in
Schleswig-Holstein hat den Weg für die Einführung des
„Begleiteten Fahrens“ auch dort freigemacht. Verkehrs-
minister Dietrich Austermann wird das Modellprojekt
schon bald einführen.
Ab sofort brauchen die einzelnen Bundesländer die
Einzelausnahmen jedoch nicht mehr zu erteilen. Durch
das heute beschlossene Gesetz besteht nun die Möglich-
keit, den PKW-Führerschein unter Auflagen ab 17 Jah-
ren in den Ländern zu erhalten, die Modellversuche zum
„Begleiteten Fahren“ einführen wollen. Minderjährige
Fahranfänger dürfen dann das Fahrzeug nur in Beglei-
tung einer „namentlich benannten“ Person fuhren. Ver-
stöße führen zum sofortigen Widerruf der Fahrerlaubnis.
Durch das Gesetz werden die Voraussetzungen für die
Einführung des „Begleiteten Fahrens“ nunmehr bundes-
einheitlich vorgegeben. Damit wird Rechtsklarheit ge-
schaffen. Außerdem werden die Rahmenbedingungen
und Anforderungen, die eine Begleitperson erfüllen
muss, klar definiert. Hintergrund ist folgender: Alle in-
ternationalen und nationalen Experten, beispielsweise
die der Bundesanstalt für Straßenwesen, haben in ihren
wissenschaftlichen Untersuchungen klar gezeigt, dass
„Begleitetes Fahren“ zu einem Unfallrückgang von
Fahranfängern beitragen kann. Fahranfänger können da-
mit „unter Aufsicht“ wichtige Fahrerfahrung und Rou-
tine sammeln. Dies wirkt sich spürbar auf die Unfallzah-
len aus. Diese sind besonders in den ersten Monaten
nach dem Führerscheinerwerb bei den Fahranfängern
dramatisch hoch.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion strebte beim „Be-
gleiteten Fahren“ schon früh eine bundeseinheitliche
Regelung an. Es wäre Aufgabe der Bundesregierung ge-
wesen, hier tatkräftig zu handeln. Der heutigen Entschei-
dung des Deutschen Bundestages waren jedoch quälend
lange Diskussionen bei Rot-Grün vorausgegangen. Der
Ablauf des Verfahrens zum „Begleiteten Fahren mit 17“
ist wieder einmal symptomatisch für die Unfähigkeit der
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undesregierung und der sie tragenden Regierungsfrak-
ionen. Obwohl der Bericht von Stolpes nachgeordneter
undesanstalt für das Straßenwesen, der seit Frühjahr
003 vorliegt, eindeutig positiv war, brauchten der Mi-
ister und seine Fraktion mehrere Jahre, um sich abzu-
timmen und endlich einen eigenen Gesetzentwurf vor-
ulegen.
Erst nach erheblichem Druck der CDU/CSU-Bundes-
agsfraktion, die dazu schon vor Monaten einen eigenen
usformulierten und konkreten Gesetzesvorschlag vor-
elegt hatte, kam Rot-Grün in Zugzwang und hat zöger-
ich nachgelegt. Unser Antrag zielte darauf ab, eine
esicherte Rechtsgrundlage für die Bundesländer zu
chaffen, damit Modellversuche zum „Begleiteten Fah-
en“ eingeführt werden können. Rot-Grün spricht zwar
mmer viel von Bürokratieabbau, doch fehlte es in dem
all des „Begleiteten Fahrens“ Anfang des Jahres wieder
m Handlungswillen. Anstatt den Modellversuch schnell
u realisieren, sollten erst einmal komplizierte Regelun-
en in einem langfristigen Gesetzgebungsverfahren erar-
eitet werden. Bereits in anderen EU-Mitgliedstaaten
urden mit diesem Modellversuch jedoch bereits posi-
ive Erfahrungen gemacht. Auch zeigte das Verhalten
on Rot-Grün seinerzeit, dass Bundesverkehrsminister
anfred Stolpe keinen Rückhalt mehr in der eigenen
raktion hatte, denn wieder einmal hatte seine Fraktion
hn mit seinen Vorstellungen auflaufen lassen.
Insgesamt hat das Gesetzgebungsverfahren zum „Be-
leiteten Fahren“ deutlich gemacht: Rot-Grün steht sich
elbst im Wege. Rot-Grün hat kostbare Zeit verschenkt.
Dabei hat uns doch Niedersachsen äußerst erfolgreich
orgemacht, wie man das „Begleitete Fahren“ ohne grö-
ere Probleme einführen kann. Niedersachsen hatte das
ot-grüne Gewurschtel hier in Berlin satt und Einzelaus-
ahmen für das „Begleitete Fahren“ erteilt. Im Allein-
ang wurde dann dort zum 1. März 2005 das „Begleitete
ahren“ weiter ausgeweitet. Es war ein unionsgeführtes
undesland, das dies tat. Ich danke dem niedersächsi-
chen Ministerpräsidenten Christian Wulff und seinem
erkehrsminister Walter Hirche für diesen mutigen
chritt. Auch Hamburg und Bremen wollten die endlose
erzögerung nicht mehr akzeptieren. Beide Länder ha-
en sich am 1. Juni der niedersächsischen Entscheidung
ngeschlossen und einen eigenen Modellversuch gestar-
et.
Die bisherige Bilanz in Niedersachsen spricht auch
indeutig für sich: Bis Mai 2005 gab es über
0 500 Genehmigungen für den Modellversuch. Kritiker
ingegen hatten immer wieder behauptet, es würden sich
eine Eltern und Fahranfänger finden. Rund 3 500 Fahr-
nfänger haben in Niedersachsen seither ihre Führer-
cheinprüfung abgeschlossen und fahren begleitet.
490 Jugendliche haben diese Begleitphase abgeschlos-
en und bereits den Kartenführerschein. Lediglich fünf
nfälle mit Blechschäden hat es in Niedersachsen seit-
em gegeben. Die Kritiker prophezeiten hingegen ein
ramatisches Ansteigen der Unfallzahlen. Wie ich es er-
artet habe, hat es in der Begleitphase bisher kaum Un-
älle gegeben. Besonders auffällig ist in diesem Zusam-
enhang die Tatsache, dass es noch nicht einmal einen
17242 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005
(A) )
(B) )
einzigen Personenschaden gegeben bat. Dies alles zeigt
den großen Erfolg des „Begleiteten Fahrens“. Wir hätten
daher eine raschere bundeseinheitliche Regelung durch
Rot-Grün begrüßt. Es ist deswegen gut, dass wir das Ge-
setzgebungsverfahren beim „Begleiteten Fahren“ heute
abschließen können. Eines bleibt aber festzuhalten: Rot-
Grün musste durch den Vorstoß aus Niedersachsen und
vor allem durch den Antrag meiner Fraktion erst zum
Ziel getragen werden.
Zusammen mit der Regelung zum „Begleiteten Fah-
ren“ werden wir mit dem heutigen Gesetz auch eine
Strafvorschrift für den Mißbrauch von Wegstreckenzäh-
lern und Geschwindigkeitsbegrenzern verabschieden.
Die CDU/CSU-Fraktion dankt in diesem Zusammen-
hang dem Ausschussvorsitzenden Eduard Oswald, der
sich bereits seit langem beharrlich für eine Regelung ge-
gen die Manipulation von Wegstreckenzählern einge-
setzt hat.
Auch wenn Rot-Grün beim „Begleiteten Fahren
mit 17“ nun endlich zur Vernunft gekommen ist, bleibt
zu kritisieren, dass im Gesetz eine Regelung zur Evalua-
tion, also zur wissenschaftlichen Auswertung des
Modellversuchs, fehlt. Die SPD will sich hier um die
Kosten drücken. Eines muss klar sein: Wächter der Ver-
kehrssicherheit ist der Bund. Die notwendige Auswer-
tung ist daher aus Bundesmitteln durch die Bundes-
anstalt für das Straßenwesen durchzuführen, und zwar
diejenigen Modellversuche, die auf Basis des heute be-
schlossenen Gesetzes durchgeführt werden. Diese Klar-
stellung im Gesetz wäre wünschenswert gewesen. Eine
CDU/CSU-geführte Bundesregierung wird dies nach
dem Regierungswechsel nachholen.
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Be-
vor ich auf das „Begleitete Fahren mit 17“ eingehe,
möchte ich auf den verbesserten strafrechtlichen Schutz
vor Manipulationen an Wegstreckenzählern und Ge-
schwindigkeitsbegrenzern in Kraftfahrzeugen eingehen.
Derartige Eingriffe sind eine Straftat und kein Kava-
liersdelikt, und sie stellen ein steigendes Ärgernis beim
Gebrauchtwagenkauf dar. Die Akteure gehen dabei mit
hoher krimineller Energie und Professionalität vor, und
es scheint – das ist besonders bedenklich – keine Aus-
nahme mehr von der Regel zu sein.
Daher war es gut und richtig, dass der Gesetzgeber
jetzt schnell gehandelt hat. Ich wünsche mir, dass es uns
damit gelingt, diesen Betrügern künftig ihr Handwerk
wenigstens zu erschweren. Wir sollten uns vornehmen,
spätestens in zwei Jahren die Bundesregierung über die
Wirkungen dieser Maßnahmen berichten zu lassen.
Nun zum Hauptthema „Begleitetes Fahren ab 17“. Ich
hatte es schon am Mittwoch in der Ausschusssitzung ge-
sagt: Was lange währt, wird endlich gut! Dies trifft ganz
sicherlich auf den heute zu diskutierenden Gesetzent-
wurf zu.
Wir haben engagiert um die richtigen Formulierungen
gerungen, und manchmal – besonders nach einer ge-
meinsamen Arbeitsgruppe mit unseren Rechtspoliti-
kern – habe ich nicht mehr daran geglaubt, dass wir tat-
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ächlich noch eine konsensuale Lösung für das „Beglei-
ete Fahren ab 17“ hinbekommen. Aber ein Blick ins
exikon verrät: Die Zahl 17 gilt als die Zahl des Über-
indens und hatte daher im Altertum eine große Bedeu-
ung. Hätten Sie das gewusst? Was galt es zu Überwin-
en? In unserer Arbeitsgruppe Verkehr bestand zunächst
inmal eine ausgeprägte Skepsis gegenüber dem „Be-
leiteten Fahren ab 17“. Muss das tatsächlich sein? Wel-
he Interessen stehen hinter dieser Forderung?
Unsere Einwände wurden bald, insbesondere durch
ine kompetente Beratung seitens unserer bündnisgrü-
en Verkehrsexperten aus Niedersachsen, entkräftet.
eter Wyderka et al. sei an dieser Stelle nochmals aus-
rücklich gedankt. Auch die Ergebnisse der Projekt-
ruppe „Begleitetes Fahren“ trugen zu unserer Mei-
ungsänderung bei.
Mit einem fünffach höheren Unfallrisiko ist insbeson-
ere die Gruppe der Fahranfänger, das heißt, die Gruppe
er 18- bis 20-Jährigen, besonders gefährdet. Alleine der
olkswirtschaftliche Schaden sowohl der Personen- als
uch der Sachschäden wird auf mindestens 15 Milliar-
en Euro pro Jahr beziffert.
Wir haben in den letzten Jahren in diesem Hause ei-
ige Debatten zur Verkehrssicherheit geführt, und wir
aren uns immer einig, dass es nur einem konzentrierten
usammenwirken aller Initiativen zu verdanken ist, dass
ir im Jahre 2004 erstmals die Grenze von 6 000 Ver-
ehrstoten deutlich unterschritten haben. Die Tendenz ist
eiterhin fallend, und das ist gut so. Daher muss unsere
ision auch weiterhin die Zahl Zero bleiben. Dieses Ziel
önnen wir schaffen.
In der Gruppe der 18- bis 25-Jährigen sank zwischen
002 und 2004 die Zahl der Verkehrstoten um 18 Pro-
ent, die Zahl der Verletzten immerhin um 10 Prozent.
amit bleibt diese Gruppe zwar noch trauriger Spitzen-
eiter, aber die Fortschritte sind unverkennbar.
Hier lässt sich tatsächlich der wesentliche positive Ef-
ekt des „Begleiteten Fahrens ab 17“ erkennen. Denn die
auptursache für das überdurchschnittliche Unfallrisiko
st die fahrpraktische Unerfahrenheit.
Das kann ich nur aus eigener Erfahrung bestätigen. In
en ersten Monaten meiner Fahrpraxis brauchte ich doch
chon das eine oder andere Mal einen Schutzengel, und
ch muss im Nachhinein auch froh sein, dass man mit der
nte meiner Mutter – Baujahr 1968 und stolze 18 PS –
umindest nicht rasen konnte. Aber ich weiß auch, dass
s oft nicht so glimpflich ausgeht. Gerade im ländlichen
aum findet man oft – zu oft – von Gedenkkreuzen ge-
äumte Straßen.
Das Unfallrisiko sinkt signifikant mit der Dauer der
ahrpraxis und ist bereits nach einem Jahr beinahe hal-
iert. Das war für mich das bestechendste Argument,
arum ich mich seitdem für das „Begleitete Fahren
b 17“ eingesetzt habe.
Ich bin der Meinung, dass es richtig war, intensiver
ber die Rolle des Begleiters zu diskutieren und uns da-
ür Zeit zu nehmen. Mit den jetzt definierten Bedingun-
en – Altersgrenze mindestens 30, Fahrerlaubnis min-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005 17243
(A) )
(B) )
destens fünf Jahre, Konto in Flensburg maximal
3 Punkte und eine 0,5-Promille-Grenze – kann ein Miss-
brauch erfolgreich eingeschränkt werden.
Lassen Sie uns daher dieses Gesetz heute verabschie-
den und die nächsten fünf Jahre seine Umsetzung auf-
merksam und kritisch begleiten. Im Jahre 2010 steht spä-
testens die nächste Debatte über dieses Thema an, wenn
über eine Weitergeltung des Gesetzes auf der Basis der
gesammelten Erfahrungen entschieden werden soll.
Ich wünsche mir, dass das „Begleitete Fahren ab 17“
ein Erfolgsmodell wird, und dass unsere Hoffnungen auf
eine weitere drastische Reduzierung der Unfallzahlen er-
füllt werden.
Hier kommt dann die Zahl 17 wieder ins Spiel. Denn
sie gilt im Neuen Testament tatsächlich auch als die Zahl
der Hoffnung.
Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Drei Argumente
für das Modellprojekt „Begleitetes Fahren ab 17“ sind zu
beachten. Das erste und wichtigste ist die Erhöhung der
Fahrsicherheit von Fahranfängern. Das zweite ist die Er-
weiterung der Mobilität von unter 18-Jährigen. Das
dritte Argument für das niedersächsische Modell ist,
dass Eltern als Vorbild neben ihren Kindern sitzen und
selbst dazulernen bzw. die Möglichkeit haben, ihr eige-
nes Fahrverhalten zu überprüfen und zu verbessern.
Zu dem wichtigsten Argument liefere ich Ihnen gerne
auch noch einmal die Begründung. Die Zahl der im Stra-
ßenverkehr getöteten Menschen ist immer noch zu hoch.
In Deutschland sterben gerade im Alter zwischen 18 und
25 besonders viele Fahranfänger. Aus diesem Grund hat
sich die Bundesanstalt für Straßenwesen, BASt, in einer
Projektgruppe, an der unter anderem Vertreter von Bund
und Ländern beteiligt waren, mit dem „Begleiteten Fah-
ren ab 17“ beschäftigt und einen Vorschlag für einen
Maßnahmenansatz erarbeitet. In dessen Mittelpunkt
steht die Lernzeitverlängerung des Fahranfängers. Be-
trachtet man nämlich den zeitlichen Aufwand der profes-
sionellen Verkehrserziehung in Deutschland, so erhält
man ein klägliches Bild: In der Grundschule wird das
Fahrradfahren im Straßenverkehr erlernt und ansonsten
gibt es erst wieder eine Verkehrserziehung im Alter von
18 Jahren, wenn die Fahrerlaubnisprüfung für den Auto-
führerschein abgelegt wird, von Mofa- oder Motorrad-
führerfahrerlaubnisprüfungen einmal abgesehen. Mit
dem Lernen im Straßenverkehr verbringt man in
Deutschland also sehr wenig Zeit.
Der Vorschlag der BASt-Projektgruppe wurde im Au-
gust 2003 erarbeitet. Um die schon länger währende Dis-
kussion wegen der Einführung eines Modellversuchs zu
beenden, hat das Land Niedersachsen gehandelt und
Modellregionen definiert, in denen mit Ausnahmegeneh-
migung ab 17 begleitet gefahren werden durfte. Der Er-
folg spricht für sich.
Inzwischen können sich im ganzen Bundesland Ju-
gendliche freiwillig zu dem Versuch anmelden. Ham-
burg und Bremen haben sich mit eigenen Modellen
Niedersachsen angeschlossen, um es jungen Fahranfän-
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erinnen und -anfängern zu ermöglichen, vor dem
8. Lebensjahr in Begleitung einer erziehungsberechtig-
en Person das Führen eines Fahrzeugs im Straßenver-
ehr zu üben und zu lernen.
Mit der ausschließlichen Auflage für die Begleitper-
on, erziehungsberechtigt zu sein, entsteht eine verant-
ortungsvolle und unbürokratische „Erziehungsaufgabe
obilität“. Aus diesem Grund hat die Arbeitsgruppe
erkehr der FDP-Bundestagsfraktion schon zum zweiten
al einen Antrag in den Verkehrsausschuss eingebracht
it dem Inhalt, in ganz Deutschland einen Modellver-
uch nach dem niedersächsischen Vorbild zuzulassen.
ie Favorisierung des niedersächsischen Modells, das
brigens auf den Vorschlägen der oben genannten BASt-
rojektgruppe basiert, hat vor allem zwei Gründe:
Erstens. Es geht zunächst um die gesetzliche Erlaub-
is für die Bundesländer, einen Modellversuch durchzu-
ühren. Das Erkennen von Schwierigkeiten und die Be-
ertung von Konfliktlinien können erst nach der
valuation des Modellversuchs erfolgen. Vielfach wurde
um Beispiel eingewandt, dass die begleitende Person
icht alkoholisiert sein darf, was an sich schon eine pure
elbstverständlichkeit ist. Die Erfahrungsberichte nach
er Anwendung des Modells sollten aber abgewartet
erden, zumal in Niedersachsen nach einem Jahr noch
ein derartiger Problemfall eingetreten ist.
Zweitens. Die Teilnahme am niedersächsischen Mo-
ell ist für den Probanden bezahlbar und ohne größeren
erwaltungsaufwand möglich. Es entstehen für ihn we-
er weitere nennenswerte Kosten noch bürokratische
emmnisse.
Warum um alles in der Welt lehnen die Kolleginnen
nd Kollegen der Koalitionsfraktionen unseren Antrag
b, der genau das Modell aus Niedersachsen unterstützt?
ass Sie in anderen Bereichen der Verkehrspolitik in die
alsche Richtung laufen, ist ja nichts Neues. Aber dass
ie bei diesem sensiblen Thema wissentlich die falsche
ichtung einschlagen, ist für keinen vernünftigen Men-
chen nachvollziehbar. Tausende von jungen Leuten und
eren Eltern in Niedersachsen machen Ihnen doch vor,
ie unbürokratisch und erfolgreich das Modell ist. Der
on Ihnen eingebrachte Gesetzentwurf geht doch in sei-
er Definition der Bedingungen für die Begleitperson
indeutig zu weit und damit hinter den Vorschlag der
ASt-Projektgruppe von vor fast zwei Jahren zurück.
Sie sollten in der ständigen Diskussion um zweifellos
ichtige verkehrssicherheitsrelevante Aspekte bei der
uverlässigkeit der Begleitperson nicht vergessen, dass
s sich um eine Möglichkeit für Freiwillige handelt. Es
eht in dem Modellversuch darum, herauszufinden, ob
ie positive Wirkung, die das „Begleitete Fahren“ in
uropa oder den USA auf das Fahrverhalten von Fahr-
nfängern hat, auch in Deutschland erzielt werden kann.
enn schärfere Auflagen für die Begleitperson einge-
ührt werden müssen, sollten diese, wie es auch die
ASt-Projektgruppe vorgeschlagen hat, auf der sach-
nd fachgerechten Bewertung der Erfahrungen aus dem
odellversuch basieren.
17244 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005
(A) )
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Warum kann Sie diese „normative Kraft des Fakti-
schen“ nicht überzeugen? Bisher mussten in Niedersach-
sen sieben Jugendliche ihre Ausnahmegenehmigung zu-
rückgeben, weil sie ohne Begleitung gefahren sind. Über
10 000 junge Fahrer haben sich inzwischen angemeldet,
2 490 haben ihre vorläufige Ausnahmegenehmigung mit
ihrem 18. Geburtstag schon in einen normalen Karten-
führerschein umgetauscht. Es gab bisher nur fünf Un-
fälle ohne Personenschaden. Dies ist doch eine eindeu-
tige Abstimmung mit den Füßen, aber dieses Mal per
Gaspedal.
Nebenbei bemerkt ist es eine Unverschämtheit, dass
Sie ganz am Schluss des Gesetzentwurfs fordern, dass
die Länder die Kosten der anschließenden Projektevalu-
ierung tragen. Bei dem Modellprojekt „Zweite Phase“
– was übrigens nicht annähernd so erfolgreich war – hat
der Bund schließlich auch die Kosten übernommen.
Iris Gleicke, Parl. Staatsekretärin beim Bundesmi-
nister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Ich bin
wohl nicht die Einzige, die sich darüber freut, dass wir
heute einen Schlussstrich unter die Diskussion zum „Be-
gleiteten Fahren ab 17“ ziehen können.
Nach langen und intensiven Diskussionen schaffen
wir nun einen bundesrechtlich einheitlichen Rahmen,
der es den Ländern ermöglicht, Modellversuche zum
„Begleiteten Fahren ab 17“ durchzuführen und zu erpro-
ben, und zwar nach eindeutigen und klaren Vorgaben.
Zu diesem Zweck ändern wir das Straßenverkehrsge-
setz, die Fahrerlaubnis-Verordnung sowie die Gebühren-
ordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr.
Wir tun das deshalb, weil wir jede Möglichkeit nutzen
wollen, zur Absenkung des überdurchschnittlich hohen
Unfallrisikos von Fahranfängern beizutragen.
Die Gelegenheit der Änderung des Straßenverkehrs-
gesetzes nutzen wir zugleich, um zwei neue Straftatbe-
stände im Nebenstrafrecht einzuführen. Wir schließen
hiermit Gesetzeslücken, indem wir das Verfälschen des
Messergebnisses eines Wegstreckenzählers/Kilometer-
zählers sowie das Manipulieren an Geschwindigkeitsbe-
grenzern künftig unter Strafe stellen.
Das Thema „Begleitetes Fahren ab 17“ ist in der Ver-
gangenheit intensiv diskutiert worden. Das war ein not-
wendiger Prozess, weil mit dem „Begleiteten Fahren“
zahlreiche Fragen verknüpft sind, die es sorgfältig zu be-
achten galt. Sicherheit geht vor. Wenn es um die Ver-
kehrssicherheit geht, kann man nicht irgendwelche Sa-
chen irgendwie ausprobieren. Aber auch das Recht
verträgt keine Experimente, insbesondere wenn es um
Haftungsfragen geht Es galt deshalb, eine saubere und
tragfähige Konzeption zu erarbeiten, und das ist gelun-
gen.
Ob die Länder Modellversuche zum „Begleiteten
Fahren ab 17“ durchführen wollen, bleibt ihrer eigenen
Entscheidung vorbehalten. Wenn sie sich jedoch hierfür
entscheiden, wird das Wie bundeseinheitlich vorgege-
ben. Eine Anpassung der bereits in einigen Ländern „auf
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igene Verantwortung“ gestarteten Versuche ist unter
mständen notwendig, aber auch ohne weiteres leistbar.
Für den Fahranfänger bedeutet die neue Regelung,
ass er nach einer „normalen“ Ausbildung und „norma-
en“ Fahrerlaubnisprüfung die PKW-Fahrerlaubnis der
lassen B und BE bereits mit 17 Jahren erhalten kann.
edoch wird die Fahrerlaubnis in diesen Fällen unter der
uflage erteilt, dass der Fahrerlaubnisinhaber während
es Führens eines Kraftfahrzeuges von mindestens einer
amentlich benannten Person begleitet sein muss.
Als Begleiter kommen nur solche Personen in Be-
racht, die das 30. Lebensjahr vollendet haben, mindes-
ens seit fünf Jahren im Besitz einer gültigen PKW-Fahr-
rlaubnis sind und im Verkehrszentralregister mit nicht
ehr als drei Punkten belastet sind. Besonderen Wert ha-
en wir darauf gelegt, dass der Begleiter in gleicher
eise wie der Fahrer nicht unter dem Einfluss alkoholi-
cher Getränke oder berauschender Mittel stehen darf.
Intensive Diskussionen gab es über die Rolle des Be-
leiters, die wir nun klar definiert haben. Danach soll der
egleiter dem Fahrerlaubnisinhaber vor Antritt einer
ahrt und während des Führens des Fahrzeuges aus-
chließlich als Ansprechpartner zur Verfügung stehen,
m ihm Sicherheit beim Führen des Kraftfahrzeuges zu
ermitteln. Zur Erfüllung dieser Aufgabe soll der Be-
leiter Rat erteilen oder kurze Hinweise geben dürfen.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal deutlich
etonen, dass der Begleiter nicht die Aufgabe eines
ahrlehrers wahrnimmt und insbesondere nicht in Fahr-
orgänge aktiv eingreifen darf. Verantwortlicher Fahr-
eugführer bleibt der Fahranfänger.
Mit besonderer Unterstützung des Bundesministe-
iums der Justiz und der Kolleginnen und Kollegen aus
en Reihen der Rechtspolitiker ist es jedenfalls gelun-
en, die Verantwortlichkeiten während der Fahrt zu klä-
en, die Rolle des Begleiters festzulegen und im Geset-
estext klar zu definieren.
Mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind wir uns
is auf einige Kleinigkeiten einig; und das begrüße ich
atürlich.
Die FDP-Fraktion hat den Antrag gestellt, den Kreis
er möglichen Begleiter auf die Erziehungsberechtigten
u beschränken und ansonsten keine Anforderungen zu
ormieren. Es mag sein, dass in der Praxis meist die El-
ern als Begleitpersonen in Betracht kommen. Aber ich
ehe keine Notwendigkeit, andere zuverlässige und ge-
ignete Personen von der Funktion des Begleiters auszu-
chließen.
Ein unzumutbarer Aufwand ist mit den von uns vor-
eschlagenen Regelungen jedenfalls nicht verbunden.
uch auf eine besondere obligatorische und damit kos-
enträchtige Einweisung für die Fahranfänger und Be-
leiter kann verzichtet werden. Freiwillige Angebote der
ahrlehrer und Informationen der Fahrerlaubnisbehör-
en reichen aus, zum Beispiel durch Merkblätter und
ufklärung im Fahrschulunterricht.
Ich rechne übrigens selbstverständlich mit der Zu-
timmung des Bundesrates; denn die gefundene Lösung
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005 17245
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wird insgesamt auch den Interessen der Länder gerecht,
die die Modellversuche durchführen wollen. So können
wir die dringend benötigte Rechtsklarheit bald schaffen.
Mit § 22 b StVG schaffen wir eine Strafvorschrift für
das Manipulieren, das heißt, das verfälschende Verän-
dern von Messdaten und Funktionen von Wegstrecken-
zählern und Geschwindigkeitsbegrenzern. Strafbewehrt
werden künftig solche Handlungen sein, mit denen auf
einen Wegstreckenzähler oder den Messvorgang einge-
wirkt wird, um die Messdaten zu verfälschen. Der Tatbe-
stand erfasst sowohl die Veränderung von Messdaten
über Computerprogramme als auch die mechanische
Einwirkung auf das Gerät.
Außerdem werden künftig Eingriffe in für Busse und
LKW gesetzlich vorgeschriebene Geschwindigkeitsbe-
grenzer oder Veränderungen an ihnen, durch die die be-
stimmungsgemäße Funktion dieser Einrichtungen beein-
trächtigt oder unterbunden wird, unter Strafe gestellt.
Strafbar ist schließlich, Computerprogramme, deren
Zweck das Manipulieren an Wegestreckenzählern und
Geschwindigkeitsbegrenzern ist, herzustellen, sich oder
einem anderen zu verschaffen, feilzuhalten oder einem
anderen zu überlassen. Maßgebend ist, dass sich der Vor-
satz gerade auch auf diesen Zweck bezieht.
Damit wird betrügerischen Manipulationen, durch die
Käufer von Gebrauchtwagen jährlich um viele Millionen
Euro geschädigt werden, spürbar entgegengewirkt und
im Interesse der Verkehrssicherheit ein wirksames
Instrument gegen Eingriffe an Geschwindigkeitsbe-
grenzern zur Verfügung gestellt.
Wir schließen damit eine Gesetzeslücke; denn gegen-
wärtig ist das Zurückstellen von Kilometerständen in
Kraftfahrzeugen nur strafbar, wenn es sich um vorsätzli-
che Hilfeleistung, das heißt Beihilfe zum Betrug, han-
delt.
Bislang nicht erfasst waren die Fälle, bei denen Com-
puterspezialisten das „Nachjustieren“ von Wegstrecken-
zählern als allgemeine Dienstleistung angeboten und
ausgeführt haben. Im Interesse des Schutzes vor allem
der Käufer von Gebrauchtwagen ist es erforderlich, auch
das bloße Verfälschen von Kilometerständen nunmehr
unter Strafe zu stellen.
Wir haben im Zuge der Diskussionen über das Gesetz
dafür Sorge getragen, dass auch Manipulationen an
Wegstreckenzählern unter Strafe gestellt werden, die im
Zeitpunkt der Manipulation vorübergehend ausgebaut
sind. Einzelne Hersteller und Anwender von Computer-
programmen haben den Einwand erhoben, die Vorschrift
erfasse sämtliche Computerprogramme, die entspre-
chend einsetzbar sind. Dem ist nicht so.
Bei § 22 b Abs. 1 Nr. 3 StVG geht es in erster Linie
um diejenigen Computerprogramme, die für die Bege-
hung von Straftaten geschrieben werden. Strafbar macht
sich nur, wer vorsätzlich handelt, wobei sich der Vorsatz
auch auf die künftige strafbare Manipulation erstreckt.
Es ist notwendig, diese Vorbereitungshandlungen unter
Strafe zu stellen, weil wir nur so den angesprochenen
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anipulationen umfassend und wirksam begegnen kön-
en.
Was das Manipulieren an Geschwindigkeitsbegren-
ern betrifft, mit denen Busse und LKW ausgerüstet sein
üssen, so hat nicht zuletzt auch der schwere Busunfall
ei Lyon im Sommer 2003 gezeigt, dass hier Handlungs-
edarf besteht. Denn nach dem Abschlussbericht der
ranzösischen Untersuchungsbehörde ist der verun-
lückte Bus streckenweise weit über 110 km/h gefahren,
nd auch im Zeitpunkt des Unglückes war die zulässige
öchstgeschwindigkeit überschritten – und dies bei re-
ennasser Straße und schlechter Sicht. Möglich war dies
ur, weil das technische Teil, welches die Geschwindig-
eitsbegrenzung bewirken soll, „abgeklemmt“ wurde,
ie bestimmungsgemäße Funktion des Geschwindig-
eitsbegrenzers also unterbunden war.
Im Interesse der Verkehrssicherheit und im Interesse
er Verbraucher bitte ich Sie, um Zustimmung zum Ge-
etz.
nlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung telekommunikationsrechtlicher Vor-
schriften (Tagesordnungspunkt 24)
Hubertus Heil (SPD: Heute verabschieden wir das
esetz zur Ergänzung des Telekommunikationsrechts.
it ihm verfolgen wir konsequent unsere Strategie wei-
r, für den notwendigen Kundenschutz zu sorgen, ohne
leichzeitig die Dynamik und Innovation dieser Schlüssel-
ranche für unsere Zukunft unverhältnismäßig einzu-
chränken.
Das war unsere Richtschnur bei der Novelle zum
rtsnetz 2002, dem „0190-Gesetz“ aus dem Jahre 2003
nd der umfassenden Novelle des TKG im letzten Jahr.
nd diese verfolgen wir auch heute konsequent weiter:
as heute zu verabschiedende Gesetz führt diese Rege-
ungen und die bisherige Telekommunikations-Kunden-
chutzverordnung fort und fasst sie im Telekommunika-
ionsgesetz zusammen, sodass sich Verbraucher und
nternehmen auch ohne vertiefte Rechtskenntnisse
chnell über ihre Rechte bzw. Pflichten informieren kön-
en.
Wir zeigen damit, dass wir den Grundsatz der Recht-
icherheit und Verlässlichkeit, die für Verbraucher wie
nternehmen schlicht unabdingbar sind, ernst nehmen,
enauso wie die berechtigten Anliegen der Betroffenen
n der Sache. Wer die Fortführung der bewährten Rege-
ungen jetzt heute in Bausch und Bogen ablehnt, verlässt
iesen Pfad, stellt die heute bereits erreichten Standards
n Frage, schafft erhebliche Rechtsunsicherheit, zerstört
ertrauen und verhindert nötige Investitionen.
Ich sage dies auch ganz bewusst in Richtung Bundes-
at. Es liegt an Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren
er Opposition, sich dort wie hier heute zu erklären, ob
ie wie wir, für einen durchdachten, konsequenten
17246 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005
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Kundenschutz und Verlässlichkeit stärken wollen – oder
aber einer ideologischen, blinden Blockadestrategie fol-
gen wollen wie in so vielen anderen drängenden Fragen
für unser Land in den letzten Jahren. Sie können dort be-
reits am 8. Juli den Weg für dieses Gesetz freimachen,
oder wenigstens dafür sorgen, dass ein Vermittlungsver-
fahren noch eine reelle Chance hat – oder dass wir alle
nach den nächsten Bundestagswahlen allen eingeflosse-
nen Erfahrungen zum Trotz wieder von vorne beginnen
müssen.
Ich sage das so deutlich, weil ich empört bin über die
völlig unzweifelhaften Signale, die wir aus dem Bundes-
rat erhalten haben, nach denen dort jede Neuregelung
einer angemessenen Entschädigung der Unternehmen
für Telekommunikationsüberwachungen blockiert wird.
Dies widerspricht dem klaren gesetzlichen Regelungs-
auftrag, den wir alle gemeinsam 2004 ins TKG geschrie-
ben haben – und da waren Sie doch auch mit dabei! –,
ebenso wie der dahinter stehenden verfassungsrechtli-
chen Verpflichtung. Es ist doch geradezu abenteuerlich,
wenn jetzt hier manche hinter vorgehaltener Hand be-
haupten, man habe wegen der eingeführten erforderli-
chen doppelten Zustimmungspflicht von Bundestag und
Bundesrat ohnehin nie damit gerechnet, dass die Verord-
nung verabschiedet würde! Ich frage mich schon sehr,
was das für ein Verständnis von Rechtssicherheit, aber
auch des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ist.
Wir wollen aber, dass es, allen taktischen Spielchen
zum Trotz, vorangeht mit dem nötigen Schutz der Ver-
braucher, gegen alle Blockaden. Gegen allen kurzsich-
tigen Widerstand von Ihrer Seite. Dafür kämpfen wir.
Deswegen haben wir schweren Herzens beschlossen,
diese Regelungen erst in der nächsten Legislaturperiode
auf den Weg zu bringen, um dem verbraucherschutz-
rechtlichen Regelungen eine Chance zu geben.
Wer aber auch beim Verbraucherschutz nur populis-
tische Forderungen in beide Richtungen aufstellt, die
nicht zu vereinbaren sind, nützt weder den Verbrauchern,
noch den Unternehmen. Es ist schon bezeichnend, wenn
Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Union, es
nicht für nötig halten, im parlamentarischen Verfahren
durch Änderungsanträge aktiv mit zu gestalten, aber da-
für umso kräftiger in Richtung Medien agieren. Und
wenn die FDP jetzt nach dem Abschluss aller Anhörun-
gen und Beratungen in den Fachausschüssen anlässlich
der förmlichen Verabschiedung des Gesetzes zum ersten
Mal mit einem Entschließungsantrag Änderungen for-
dert, dann zeigt das, wie wenig es ihnen um die Sache
geht. Ansonsten müsste man annehmen, dass Sie das
parlamentarische Verfahren nicht verstanden haben. Und
dann bringen sie wieder einmal ihr Verständnisproblem
mit dem Weisungsrecht gegenüber der Regulierungsbe-
hörde auf den Tisch. Dazu kann ich, nachdem dies schon
bei Verabschiedung des neuen TKG und nach mehreren
unsäglichen Wiederholungen bis zuletzt am 15. April
immer und immer wieder die überwältigende Mehrheit
des Hauses mit noch überwältigenderen Argumenten
ausdrücklich abgelehnt hat, nur sagen: Wir Sozialdemo-
kraten setzen uns ja dafür ein, dass niemand, selbst Sie
nicht, in Sachen Bildung von der Wissensgesellschaft
abgehängt wird – aber der Deutsche Bundestag hat deut-
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ich Besseres und Drängenderes für die Menschen in un-
erem Land zu tun!
Oder Sie bezeichnen Warn- und Bestätigungsregelun-
en bei Klingeltönen über 1 Euro in ihren Reden voll-
ommen oberflächlich als „sinnlos“. Wir können uns ja
ragen, ob sie, gemessen an dem tatsächlich erreichbaren
chutzeffekt ihre hohen Kosten wert sind. Aber das ver-
angt eben eine sachliche Abwägung, die wir getroffen
aben und die der Bundesrat, wenn er sich konstruktiv
erhält, für sich selbst ebenfalls zu treffen hat.
Oder, als Letztes, wenn Ihnen zu der Warnung bei be-
timmten Rechnungsbeträgen, die wir eingeführt haben,
ichts anderes einfällt, als dass dieses keinen Sinn ma-
he, weil es bei der Summierung von Kosten bei ver-
chiedenen Anbietern nicht eingreifen würde. Fordern
ie jetzt auch für diese Fälle den Schutz dieses so ge-
annten bill-warning – dann bitte schön, müssen sie sich
ragen lassen, wie dies denn technisch machbar sein
ollte, ohne ganz massive Belastungen der Unterneh-
en? Oder wollen Sie einfach gar keine Bill-Warning
trotz der Unzahl betroffener Kinder- und Jugendli-
her – dann stellen Sie sich doch bitte hierher, und sagen
as auch! Also ein zutiefst vordergründig, scheinheiliges
rgumentieren und Taktieren, dass man einer Partei, die
as Wort „christlich“ zumindest noch im Namen führt,
icht zutrauen sollte – aber leider muss, wie wir allzu
äufig gesehen haben.
Die Fortschreibung des Kundenschutzes tut Not, denn
ie Verschuldung insbesondere von Jugendlichen nimmt
tark zu. Eine Studie des Instituts für Jugendforschung,
JF, hat ermittelt, dass 14 Prozent der 13- bis 20-Jährigen
chulden haben von 426 Euro im Westen und 962 Euro
m Osten. Von diesen Schulden stammen 19 Prozent aus
usgaben für Telekommunikation. Allein der Markt für
lingeltöne hat einen Umfang von 200 Millionen Euro,
as entspricht bereits 6 Prozent der gesamten Einkünfte
er Musikbranche.
Die Zahlen verdeutlichen, dass insbesondere Jugend-
iche wirksamer vor versteckten Kostenfallen in der Te-
ekommunikation geschützt werden müssen. Gleichwohl
ird kein Gesetz eine Jugendkultur so maßgeblich be-
influssen können, dass Kaufzwänge zum Dazugehören
nterbunden werden. Wir wollen aber Kostentranspa-
enz schaffen.
Der florierende, hoch innovative und dynamische
arkt, den die Telekommunikationsbranche seit 1998
arstellt, kann auf Dauer aber nur dann wirksam und
um Nutzen aller Beteiligten funktionieren, wenn
chwarze Schafe konsequent bekämpft, Verführbarkei-
en offen gelegt und Informationsgefälle zwischen Un-
ernehmen und Verbrauchern ausgeglichen werden.
Wir fördern die Innovation dieses Marktes und leisten
amit einen ganz konkreten, handfesten Beitrag, um
eutschland in Europa weiter auf dem Weg zum dyna-
ischsten Wirtschaftsraum weltweit voranbringen. Dazu
ur folgende Beispiele: Die Verbindungspreisberech-
ung kann in Zukunft statt nach Zeittarifen auch men-
enmäßig erfolgen. Die Regulierungsbehörde erhält die
öglichkeiten, technische Vorkehrungen vorzugeben,
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005 17247
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um dafür zu sorgen, dass auch bei dieser Berechnungs-
weise durch technische Vorkehrungen faire und transpa-
rente Ausgangsbedingungen geschaffen werden. Sie
erhält auch die notwendigen Instrumente, um die Zu-
kunfts- und Entwicklungsfähigkeit, die das Telekommu-
nikationsrechtsänderungsgesetz insgesamt auszeichnet,
fortzuführen. Ich denke da nur an die Bestimmung, wel-
che Dienste nicht von dem Einzelverbindungsnachweis-
Anspruch erfasst werden, die Bestimmung der Verfah-
ren, die für eine technische Prüfung im Falle der Bean-
standung anerkannt sind, die Anforderungen bei Neu-
artigen Diensten, Ausnahmen von Hand-shake-SMS bei
„Diensten im öffentlichen Interesse“, die Einzelheiten
zur Tarifierung, Ausnahmen von den Preishöchstgrenzen
und vom Verbot der Kombinationspreise und nicht zu-
letzt die mögliche Festsetzung neuer Höchstpreise. Die
Regulierungsbehörde kann so in der Zukunft für neue
Märkte bundeseinheitliche Preisstrukturen entwickeln.
Schließlich werden im Mobilfunk Mehrwertdienste nun
auch ab 3 Euro ohne das langwierige Zertifizierungsver-
fahren möglich, wodurch viele neue Geschäftsideen
möglich werden.
Der Zugang zur Telekommunikation stellt für uns
eine Schlüsselfrage sozialer Gerechtigkeit dar. Es geht
auch und gerade um Partizipation an der elektronisch or-
ganisierten, weltweit vernetzten Wissensgesellschaft,
wie auch der Europäische Rat in seiner Lissabon-
Agenda von 2000 ausdrücklich hervorgehoben hat. Das
Telekommunikationsnetz ist die unverzichtbare Basis je-
der modernen Gesellschaft, es ist selbst ein soziales
Netz. Deswegen bin ich sehr froh, dass wir für behin-
derte Menschen den Zugang zu Telekommunikations-
diensten entscheidend erleichtert haben, in engster Ab-
stimmung mit den Vertretern der Betroffenen. Dazu
gehören aber auch solche vermeintliche Detailverbesse-
rungen wie die Sicherung der Aufnahme in öffentliche
Teilnehmerverzeichnisse oder klare angemessene Sperr-
regelungen.
Wirksamer Markt funktioniert nur auf gleicher Au-
genhöhe. Der Staat kann und darf die Freiheit des Indivi-
duums nicht unverhältnismäßig durch aufgedrängte
Schutzvorschriften einschränken. Er kann und muss aber
für die weitestmögliche Aufklärung der Verbraucher sor-
gen. Deshalb sind Transparenz bei der Auswahl und
Nachprüfbarkeit von Angeboten und in Anspruch ge-
nommenen Leistungen die Kernpunkte des Gesetzent-
wurfs: Bei der Bewerbung von Diensten müssen die
Preisangaben jetzt bei allen Diensten erfolgen, sie müs-
sen klar lesbar und genauso lang dargestellt werden; ge-
sondert muss auf Abo-Schuldverhältnisse hingewiesen
werden, sonst kommt kein Vertrag zustande. Bei Mehr-
wert-, Massenwahl- und Auskunftsdiensten haben wir
eine abgestufte, intelligente und deswegen den Bedürf-
nissen der unterschiedlichen Angebote sehr angemes-
sene Ansagepflichtregelung erreicht.
Ich sage es offen, ich bleibe bei der Einbeziehung
aller Call-by-Call-Verbindungen in diese Ansagepflicht
persönlich kritisch. Ich weiß nicht, ob bei Geschäften im
Cent-Bereich, von den Kosten einmal ganz abgesehen,
bei der permanenten Ansage vor jeder Verbindung wirk-
lich auf Dauer der Nutzen überwiegen wird, und nicht
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ei den Kunden Abstumpfung oder sogar den Eindruck
iner Belästigung hervorgerufen wird. Aber dies war ein
ompromiss mit unserem Koalitionspartner, der sich
nsgesamt mehr als sehen lassen kann.
In anderen Bereichen decken wir wirkliche Miss-
tände auf, etwa wenn einige Auskunftsdienste in einem
aß bei Weitervermittlungen mitverdienen, von dem
hre Kunden in den allermeisten Fällen bislang nichts ah-
en.
Ich finde es bemerkenswert, dass wir in wichtigen
inzelfragen die Verbände der Verbraucher und Unter-
ehmen an einen Tisch bringen konnten und deren über-
us konstruktive Ergebnisse übernehmen konnten. Da-
über hinaus entfaltet unser Gesetz schon jetzt
ignalwirkungen für die Branche: So habe ich gerade er-
ahren, dass bereits heute Unternehmen die Bewerbung
hrer Dienste auf die neuen Anforderungen unseres Ge-
etzes umgestellt haben!
Auch vor anderen Missbräuchen und Verführbarkei-
en schaffen wir einen effektiven Schutz. Etwa dadurch,
ass jedermann, vor allem Eltern für ihre Kinder, Ruf-
ummerngassen und damit bestimmte Telefondienstleis-
ungen in Zukunft kostenlos sperren lassen können. Oder
adurch, dass für jeden Dialer zukünftig eine eigene
ufnummer vergeben und damit Registrierung mit einer
rüfung ihrer Zuverlässigkeit durchgeführt werden
uss. Auch dürfen in Zukunft Mehrwertdienste nicht
ehr über R-Gespräche geleitet werden, um den Miss-
rauch insbesondere zulasten von Hotels zu unterbinden.
utomatische Rückrufbitten zu Mehrwertdiensten wer-
en ebenfalls verboten. Mit allen diesen Punkten
ntworten wir auf konkrete Missstände, die für den Be-
roffenen erhebliche Belastungen bedeuten. Der Einzel-
erbindungsnachweis auch für Onlineverbindungen wird
benfalls zu deutlich mehr Transparenz führen!
Wichtig ist aber auch für die Vertragspartner eine
lare und verlässliche Festlegung bei Beanstandungen,
twa die Beanstandungsfrist von zwei Monaten und die
flicht der Netzbetreiber, Sperrungen von missbrauchten
ufnummern in ihrem Netzbereich durchzusetzen. Die
eweislastregelungen schließlich spiegeln besonders die
öglichkeiten und Erfordernisse der Praxis wider.
In diesem Sinne setzen wir auch als Partner der Bür-
erinnen und Bürger, der Verbraucher und Unternehmen
nseren Anspruch an ein intelligentes, angemessenes,
ukunftsfähiges und verlässliches Telekommunikations-
echt weiter um – heute ebenso wie nach der Bundes-
agswahl.
Manfred Helmut Zöllmer (SPD): Kaum ein Wirt-
chaftszweig ist so innovativ, so rasant in seiner Ent-
icklung und kann so respektable Wachstumsraten ver-
elden wie der Telekommunikationssektor. Wir setzen
lles daran, dass das so bleibt.
Mehr als 50 Prozent der Haushalte verfügen über ei-
en Internetzugang. Vier von fünf Bundesbürgern besit-
en ein Handy. Die Zahl der versendeten SMS konnte
m 4 Prozent auf 20,6 Milliarden gesteigert werden.
17248 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005
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Diese Zahlen unterstreichen die Bedeutung dieses Berei-
ches.
Der entstandene Wettbewerb auf den Telekommuni-
kationsmärkten hat zu deutlich gesunkenen Preisen ge-
führt. Dies ist eine Erfolgsgeschichte unserer Wettbe-
werbs- und Verbraucherpolitik.
Wir müssen aber auch feststellen: Es gab und gibt im
Telekommunikationsbereich leider eine Reihe von gra-
vierenden Missständen.
Die Anzahl der Beschwerden bei den regionalen Ver-
braucherzentralen, aber auch die Statistiken der Regulie-
rungsbehörde in ihrem Jahresbericht 2004 belegen dies.
Seit dem Jahr 1999 sind die Verbraucherbeschwerden
bei der Regulierungsbehörde im Bereich der Telekom-
munikation um nahezu 300 Prozent gestiegen. Dies be-
trifft insbesondere Fragen der Entgeltforderungen aus
TK-Rechnungen, Premium Rate Dienste und Rufnum-
mernangelegenheiten. Die Missbrauchsfälle sind gravie-
rend, sie reichen bis hin zum Betrug.
Bei MTV und VIVA können Sie verfolgen, wie ver-
sucht wird, gerade junge Verbraucherinnen und Verbrau-
cher etwa bei Klingeltönen über den Tisch zu ziehen.
Man muss schon Schnellleser sein und die Augen eines
Adlers haben, um vom Bildschirm abzulesen, was man
da bestellt.
Ein wesentliches Ziel des Entwurfs war es daher Re-
gelungen zu schaffen, die die Transparenz erhöhen, da-
mit Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, was auf
sie zukommt, wenn sie bestimmte Dienste in Anspruch
nehmen.
Mit ihrer ablehnenden Haltung zum Gesetzentwurf
stellen sich Union und FDP auf die Seite der unseriösen
Geschäftemacher – gegen die Verbraucherinnen und
Verbraucher in Deutschland.
Ich will Ihnen einmal sagen, was sie mit Ihrem Nein
unter anderem blockieren: Der Anbieter von Kurzwahl-
Datendiensten – zum Beispiel Klingeltöne – muss zu-
künftig vor der Inanspruchnahme in einer gesonderten
SMS den Preis deutlich sichtbar und gut lesbar anzeigen
und sich vom Kunden bestätigen lassen, sofern der Preis
ein Euro und mehr beträgt.
Sie denunzieren das als Überregulierung, als Bevor-
mundung des Verbrauchers und lehnen es ab.
Wer zukünftig für Premium-Dienste, Auskunfts-
dienste, Massenverkehrsdienste, Kurzwahldienste etc.
wirbt, muss zukünftig den Preis gut lesbar und deutlich
sichtbar angeben. Sie lehnen das als Bevormundung ab.
Verbraucherinnen und Verbraucher handeln eigenver-
antwortlich und sollen selbst entscheiden, welche
Dienste und Leistungen sie in Anspruch nehmen wollen.
Das können sie aber nur, wenn ihnen die notwendigen
Informationen zur Verfügung stehen, die Angebote
preistransparent sind und ihnen auch durchsetzbare
Rechte zur Verfügung stehen. Nur so ist die gleiche Au-
genhöhe auch in der Realität zu erreichen. Für die Oppo-
sition ist das alles Bevormundung. Sie lehnen das ab.
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Wir haben das Hand-shake-Verfahren durch eine Be-
tätigungs-SMS bei Kurzwahldiensten im Abonnement
orgesehen. Für die Opposition ist das Bevormundung –
ie lehnen das ab!
Unter einer Rufnummer darf zukünftig nur noch ein
ialer registriert werden. Die Anbieter werden hinsicht-
ich ihrer Zuverlässigkeit überprüft. Für die Opposition
st das Bevormundung und wird abgelehnt.
Wir haben eine Preisansage für Call-by-call-Gesprä-
he vorgesehen. Sie lehnen das als Bevormundung ab.
Ein Warnhinweis wird zur Pflicht, wenn bei einem
bonnement mehr als 20 Euro geschuldet werden. Für
ie wieder Bevormundung.
Damit fallen Sie nicht nur den Verbraucherinnen und
erbrauchern in den Rücken. Damit schädigen sie auch
ie vielen seriösen Anbieter, die von der Politik im Inte-
esse ihrer Geschäftsmodelle Regelungen erwarten.
Verloren gegangenes Vertrauen muss für diesen Wirt-
chaftszweig zurückgewonnen werden. Dies funktioniert
ur über Preistransparenz und klare Regelungen! Zum
iederholten Male lässt die Opposition die Verbrauche-
innen und Verbraucher im Regen stehen.
Sie haben verbraucherpolitisch schwach begonnen
nd dann stark nachgelassen! Die stärksten Waffen der
erbraucherpolitik sind Transparenz und Information.
it Ihrer Blockade dieses Gesetzes erweisen Sie allen
erbraucherinnen und Verbrauchern aber auch der seriö-
en Wirtschaft einen Bärendienst. Sie sind nicht regie-
ungsfähig. Mit Ihnen gäbe es eine Rückkehr in die ver-
raucherpolitische Steinzeit!
Die Wählerinnen und Wähler werden dies verhindern.
Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Der Markt
ür Mehrwertdienste und auch für Auskunftsdienste
tellt einen zentralen Wachstumsmotor für die gesamte
elekommunikationsbranche dar und ist von entschei-
ender Bedeutung für unsere Volkswirtschaft. Die Bran-
he ist in den letzten Jahren weltweit enorm gewachsen.
ber auch in Deutschland haben wir inzwischen einen
msatz von 2 Milliarden Euro pro Jahr, Tendenz weiter
teigend. Das Problem ist, dass es einige unseriöse An-
ieter gibt, die enormen Schaden anrichten. Die Palette
es Missbrauchs ist leider vielfältig: Lock-SMS, Werbe-
nzeigen mit falschen Preisen, unseriöse Anbieter von
ialern, Fax-Spammer, um nur einige zu nennen.
Deshalb besteht hier dringender politischer Hand-
ungsbedarf. Die Bundesregierung hat viel zu lange ta-
enlos zugesehen, wie seriöse Unternehmen diskreditiert
nd die Verbraucher über den Tisch gezogen worden
ind.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist allerdings
ntauglich. Deshalb ist bei vielen Verbrauchern in
eutschland inzwischen ein großer Vertrauensverlust
ntstanden. Jetzt endlich – viel zu spät – haben Sie den
ntwurf für eine Änderung des Telekommunikationsge-
etzes in den Deutschen Bundestag eingebracht. Wir
erden in den kommenden Wochen über den Gesetzent-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005 17249
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wurf intensiv zu beraten haben. Schon jetzt sage ich Ih-
nen aber, dass die CDU/CSU-Fraktion keinem Gesetz
zustimmen wird, das Verbraucher entmündigt und Un-
ternehmen stranguliert.
Es scheint fast, als habe die Bundesregierung mit die-
sem Gesetz noch einmal zeigen wollen, warum sie das
Vertrauen der Menschen verloren hat. Und das ist ihr ge-
lungen!
Rot-Grün hat es geschafft, einen illusorischen Ver-
braucherschutz mit möglichst großer Schädlichkeit für
die Wirtschaft zu kombinieren!
Verbraucherschutz ist ein zentrales Anliegen der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Vernünftige Rahmenbe-
dingungen für die Wirtschaft auch. Deshalb haben wir
schon im Juni 2004 eine Initiative für einen besseren
Schutz der Verbraucher in der Telekommunikation ein-
gebracht.
Für uns sind Wirtschaft und Verbraucherschutz keine
Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille. Es
ist wichtig, mehr Transparenz herzustellen. Die Verbrau-
cher benötigen mehr Sicherheit, wie viel sie für welche
Leistung bezahlen müssen. Die Verbraucher müssen sich
in dem dichten Tarifdschungel, den wir heute haben,
auskennen. Preise und Leistungen müssen immer deut-
lich lesbar und erkennbar sein. Deshalb müssen wir na-
türlich über Preisangaben, über Preishöchstgrenzen und
über Preisansagepflichten reden. Aber wir brauchen
keine überzogene Regulierung, die Verbraucherschutz
nur vortäuscht und Unternehmen unverhältnismäßig be-
lastet.
Beide, Verbraucher und Wirtschaft, haben ein großes
Interesse daran, dass unseriöse Abzocker bekämpft und
ehrliche Unternehmen mit innovativen Ideen gestärkt
werden. Unzweifelhaft besteht hier dringender politi-
scher Handlungsbedarf. Die Bundesregierung hat viel zu
lange tatenlos zugesehen, wie seriöse Unternehmen dis-
kreditiert und die Verbraucher über den Tisch gezogen
worden sind. Deshalb ist bei vielen Verbrauchern in
Deutschland inzwischen ein großer Vertrauensverlust
und bei vielen Unternehmen ein Imageschaden entstan-
den.
Die Absurdität des rot-grünen Projekts möchte ich an
einigen Beispielen, die tatsächlich so im Gesetz stehen,
illustrieren:
Call-by-Call-Anrufe kosten den Kunden in der Regel
weniger als fünf Cent die Minute. Das wirtschaftliche
Risiko für den Telefonkunden ist somit überschaubar.
Die Regierung will den Unternehmen nun eine Preisan-
sagepflicht aufbürden. Dies vergrößert den Schutz der
Konsumenten vor skrupellosen Abzockern kaum, zwingt
aber Unternehmen, die auch Preselectionkunden haben,
zu volkswirtschaftlich sinnlosen Millioneninvestitionen.
Das ist unverhältnismäßig. Deshalb lehnen wir die
Preisansagepflicht für Call-by-Call ab.
Ein anderes Beispiel ist die obligatorische Hand-
shake-SMS: Es ist absolut vernünftig, Anbieter zu ver-
pflichten, den Kunden vor der Bestellung eines Klingel-
tons oder eines Spiels für das Handy noch einmal über
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en Preis zu informieren. Das wollen wir auch. Völlig
berwitzig ist es dagegen, dass dies schon gelten soll,
enn der Klingelton mehr als einen Euro kostet. Das ist
o wie ein notarieller Kaufvertrag für Gummibärchen!
Für den Anbieter ist es wirtschaftlich unsinnig, bei
inipreisen zwei SMS zu verschicken. Dem Kunden ist
s lästig, faktisch bei jedem Geschäft eine Bestätigungs-
MS absenden zu müssen. Die Regelung nützt nieman-
em, schädigt aber den Verbraucher:
Die eigentlich sinnvolle Warnfunktion der Hand-
hake-SMS geht verloren, wenn auch bei Kleinstbeträ-
en gewarnt wird. Noch viel schlimmer ist aber, dass die
bzocker dann den oft jugendlichen Kunden nicht nur
inen Klingelton andrehen, sondern gleich ein ganzes
bo.
Für den Abzocker ist’s egal: Er muss so oder so eine
weite SMS verschicken. Der Kunde ist der Dumme: Er
ekommt nicht mehr einen einzelnen Klingelton, son-
ern muss mehrere bestellen und bezahlen. Das ist keine
erbraucherpolitik, sondern Volksverdummung!
Die CDU/CSU fordert daher eine Anhebung des
chwellenwerts von einem Euro – dann hätten wir eine
innvolle Regelung!
Noch sinnloser ist die Vorschrift, die Anbieter von
MS-Abos verpflichtet, Warn-SMS an die Kunden zu
erschicken, wenn sie Abos für mehr als 20 Euro im
onat haben. Das hört sich zunächst plausibel an, ist
ber nur undurchdacht!
Hat ein Kunde bei einem einzigen Anbieter Abos für
1 Euro, soll er eine Warn-SMS erhalten. Hat ein Kunde
ei zehn Anbietern Abos für je 19 Euro, bekommt er gar
eine Nachricht!
Ausgerechnet für SMS-Abos, die oft weniger als
0 Euro im Monat kosten, will die Regierung als zivil-
echtliche Sonderregelung ein jederzeitiges Kündigungs-
echt einführen. Der Kunde bekommt so ein paar Euro
ieder, der Anbieter darf den noch nicht verbrauchten
etrag ermitteln und erstatten. Auch hier gilt: Großer
ufwand für die Unternehmen, kleiner Nutzen für die
erbraucher!
Abo-Kunden dürfen nicht über den Tisch gezogen
erden. Unseriöse Unternehmen sollen nicht mehr da-
auf vertrauen dürfen, dass ihre Kunden Abruf-Abos
ergessen. Diese Auswüchse müssen wir energisch be-
ämpfen. Solche weltfremden, kafkaesken Regelungen
ragen garantiert nicht dazu bei!
In geradezu prohibitiver Weise hat die Bundesregie-
ung mit letzter Energie noch die Preishöchstgrenzen für
remiumsprachdienste nach unten gedrückt: Mehr als
Euro in der Minute soll es nicht kosten dürfen. So
chützt man keine Verbraucher, so fördert man den
chmuddel!
Anspruchsvolle und qualifizierte Dienste können
ielfach für nur 2 Euro in der Minute nicht erbracht wer-
en, Erotikgeflüster schon. Rot-Grün protegiert die Ni-
eaulosigkeit und verhindert das Entstehen und Wachsen
ualifizierter, innovativer Geschäftsmodelle. Auf diesen
17250 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005
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Märkten hat Deutschland noch eine Zukunft – erhalten
wir sie!
Es bleibt ein bitteres Fazit: Die Bundesregierung hat
es mit dem geänderten Gesetzentwurf tatsächlich ge-
schafft, die Wirtschaft zu schädigen und innovatives
Wachstum zu verhindern, ohne dem Verbraucher auch
nur ein Quäntchen genützt zu haben. Die CDU/CSU-
Bundestagsfraktion lehnt dieses Gesetz ab.
Johannes Singhammer (CDU/CSU): „Falsch
verbunden – kein Anschluss unter dieser Nummer“ – das
ist die inhaltlich zutreffende Überschrift für das „Gesetz
zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschrif-
ten“. Nach monatelanger interner rot-grüner Sprachlo-
sigkeit haben Sie ein Gesetz der Irrungen und Wirrungen
vorgelegt. Der rote Faden für einen Aufschwung ist
nicht kenntlich!
Die Position der Union ist eindeutig: Wir wollen mehr
Wachstum für die Telekommunikationswirtschaft – Sie
wollen mehr Gängelung der Telekommunikationswirt-
schaft! Die Union will mehr Freiraum zur Entfesselung
der Wachstumskräfte – Rot-Grün will die Wirtschaft und
die Telefonkunden mehr drangsalieren!
Sie wollen doch im Grunde die Grenzen der Belast-
barkeit testen. Das ist der rote Faden rot-grüner Wirt-
schaftsgesetze: Angefangen bei der völlig außer Rand
und Band geratenen Umsetzung der EU-Antidiskrimi-
nierungsrichtlinie bis hin zu diesem Gesetz.
Schluss mit diesem Unsinn! Die Union will Vorrang
für Arbeit!
Mit der Vorlage der Inhalte dieses Artikelgesetzes ha-
ben Sie die erfolgreiche Zusammenarbeit des letzten
Jahres bei der gemeinsamen Novellierung des Telekom-
munikationsgesetzes faktisch aufgekündigt. Sie hätten
das Schwungrad des neuen TGK sofort für eine freie und
dynamische Entfesselung der schlafenden Wachstums-
kräfte dieser High-Tech-Branche und für die Schaffung
neuer Arbeitsplätze in einer sicheren Zukunftstechnik
nutzen müssen.
Die Bitkom hat für 2005 für den gesamten Bereich
der ITK-Branche ein Wachstum von 3,4 Prozent auf über
135,2 Milliarden Euro Jahresumsatz, verbunden mit ei-
nem Zuwachs von mehr als 10 000 Stellen, in Deutsch-
land prognostiziert. Eine tolle Perspektive, eine Steilvor-
lage, die verantwortungsvolle Politik hätte nutzen
müssen!
Stattdessen haben Sie die deutschen Telekommuni-
kationsmärkte seit dem Sommer letzten Jahres durch
organisierte politische Untätigkeit beschädigt. Sie ha-
ben die Telekommunikationskundenschutz-Verordnung
und die Telekommunikationsnummerierungs-Verord-
nung eben nicht rasch als Verordnung erlassen, sondern
haben Monate gebraucht, um überhaupt ein beratungs-
fähiges Artikelgesetz vorzulegen.
Vor einer Woche erst konnte sich Rot-Grün auf die
Ausformulierung der vorgelegten Änderungsanträge
verständigen. Die Folgen: ein Jahr nutzloser Stillstand in
einer der dynamischsten Wachstumsbranchen, ein Jahr
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er Verunsicherung der Telekommunikationswirtschaft,
in Jahr der Investitionshemmnisse.
Von Anfang an haben die Verbände und nahezu alle
irmen ihr Gesetz wirklich vernichtend beurteilt: syste-
atisch unklar, trägt zur Verunsicherung der Unterneh-
en und der Verbraucher bei, die Regulierungsdichte ist
u hoch und umfasst zu viele Bereiche und Details, das
chutzniveau der verbindlichen EU-Richtlinien wird
ieder einmal deutlich überschritten, ein Wettbewerbs-
achteil für die deutsche Wirtschaft.
Nach dem ersten Bundesratsdurchgang und der Ge-
enäußerung der Bundesregierung herrschte bei uns
och die Hoffnung, dass auf die Union zugegangen
ürde. Jetzt zeigt sich, Sie haben leider nur verschlimm-
essert. Ihren schönen Worten sind nur allzu wenig gute
aten gefolgt: Die überzogene Handschrift des Verbrau-
herschutzministeriums ist weiter überdeutlich; bürokra-
ische Regelungen hemmen weiterhin innovative Ge-
chäftsmodelle; der Entschädigungsbereich ist nicht
usreichend geregelt.
Einige konkrete Beispiele:
Sie waren nicht bereit, die Preisgrenze von l Euro im
66 c zu ändern. Diese Grenze ist zu niedrig! Einmal-
rämien-SMS-Dienste werden damit als Geschäftsmo-
elle gefährdet. Konkret heißt dies nämlich, dass jedes
al bevor man einen Kurzwahl-Dienst im Wert von
Euro in Anspruch nehmen kann, einem eine vorherige
MS mit einer Preisinfomation zugehen muss, die man
ann wieder bestätigen muss. SMS hin und her – ein Irr-
inn, der sich nie bei dem Schwellenwert von l Euro
echnen wird! Die Konsequenz wird sein, dass der Kurz-
ahl-Dienst, der allein durch dieses Gesetz verteuert
ird, dann eben 2 Euro kosten wird. Ein echter Verbrau-
herschutz! Wir sind der Meinung, dass eine Anhebung
uf bis zu 3 Euro richtig wäre.
Ihre Vorlage sieht ferner eine Verschärfung der
reisansagepflichten vor. Nun soll bereits ab 2 Euro eine
reisansage vorab geschaltet werden und es soll sogar
ine Ansage während der Inanspruchnahme des Dienstes
rfolgen müssen, wenn man einen neuen Tarifabschnitt
rreicht. Soll also – einmal ganz praktisch betrachtet –
ie Telefonverbindung mitten im Gespräch unterbrochen
erden, für die Ansage einer Tarifänderung? Denken Sie
itte nochmals nach! Im Übrigen halten wir eine Preis-
renze von 3 Euro für ausreichend.
Im Call-by-Call-Bereich würde im Übrigen eine kos-
enlose Service-Nummer mit aktuellen Preisinforma-
ionen völlig ausreichend sein! In der Lebensrealität
eiß der Telefonkunde doch gerade hier ganz genau
ber die Preise Bescheid und hat doch deshalb bewusst
ntschieden, welche Nummer er vorwählt. Eine nochma-
ige Preisansage erscheint geradezu lächerlich!
Auch die Regelung eines jederzeitigen Kündigungs-
echts bei Kurzabonnentendiensten im § 451 Abs. 2
tellt eine deutliche Schlechterstellung des Telekommu-
ikationsdienstes gegenüber anderen Geschäftsmodellen
ar. Wir hätten es begrüßt, wenn eine Regelung gefun-
en worden wäre, die ein solches Kündigungsrecht dann
usgeschlossen hätte, wenn andere Laufzeiten ausdrück-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005 17251
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lich vereinbart worden wären, auf die der Anbieter aus-
drücklich hätte hinweisen müssen.
Im Übrigen halten wir die Übergangsfrist in Art. 6 für
wesentlich zu kurz. Die von Ihnen vorgesehenen sechs
Monate sind nicht ausreichend, um von der Wirtschaft
umgesetzt zu werden. Wenn Sie schon der eigenen Ver-
waltung in diesem Gesetz zum Teil zwölf Monate Über-
gangsfristen einräumen, dann bitte doch auch eine
Zwölfmonatsfrist für die Wirtschaft.
Die Union ist nicht gegen den Verbraucherschutz!
Auch wir sind der Meinung, dass es wichtige Verbesse-
rungen im Bereich des Verbraucherschutzes geben muss
und selbst in diesem Gesetz gibt. Dennoch muss auch
der Verbraucher eine Entscheidungsfreiheit haben, weil
er mündig ist, zu entscheiden, in welchem Umfang er
Geld für „Telefonie“ ausgibt.
Auf all das wollten oder konnten Sie nicht eingehen.
Daher tragen Sie die Verantwortung dafür, dass dieses
Gesetz nicht die Zustimmung der Union erhalten wird.
Ihre Verantwortung war es, für zusätzliches Wachs-
tum die richtige Begleitmusik zu machen: weniger staat-
liche Reglementierung, weniger Bevormundung, weni-
ger Einschränkung der Marktpotenziale!
Aber zwischen grünem Verbraucherschutzministe-
rium und rotem Wirtschaftsministerium stand monate-
lang die jedem Handy-Nutzer nur allzu vertraute An-
sage: „Der Teilnehmer ist vorübergehend nicht
erreichbar!“
Die Wähler werden Rot-Grün am 18. September er-
reichen!
Rainer Funke (FDP): Die FDP-Bundestagsfraktion
wird das vorgelegte Gesetz zur Änderung telekommuni-
kationspolitischer Vorschriften ablehnen. Der von der
Regierungskoalition verschlimmbesserte Gesetzentwurf
ist mal wieder Ausdruck eines fehlenden Verständnisses
für marktwirtschaftliche Zusammenhänge. Er würde zu
einer Überreglementierung der Branche führen und birgt
damit die Gefahr von höheren Preisen und weniger Wett-
bewerb und Innovationen in sich. Das alles kann nicht
im Interesse der Verbraucher sein. Sie geben mit ihrer
Bevormundungspolitik nur vor, den Verbraucher zu
schützen, schaden ihm aber unterm Strich.
Ich will jetzt gar nicht im Einzelnen auf Ihre falschen
Ansätze eingehen. Aber wer eine Call-by-Call-Preisan-
sagepflicht will, der hat eben nicht verstanden, dass er
damit das Telefonieren teurer macht und letztlich nur
dem marktbeherrschenden Unternehmen hilft.
Bedauerlich ist auch, dass wir diesen Gesetzentwurf
wohl unter der Überschrift „Wahlkampfgetöse“ abhaken
müssen. Erst heißt es, dieses Gesetz wird sowieso der
Diskontinuität zum Opfer fallen, dann ziehen wir es
eben zurück. Dann wird es doch noch aufgesetzt und
Rot-Grün berät über Änderungen unter Ausschluss der
Opposition. Dann werden Entschädigungsregeln sinn-
vollerweise vorgesehen und dann wieder rausgenom-
men, usw. usw.
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Jetzt behandeln wir heute ein Gesetz, das – nach al-
em was man auch aus den Ländern hört – sowieso nicht
ehr Einzug ins Gesetzblatt finden wird. Was soll das?
Wenn Sie schon meinen, hier noch einen hektischen
eistungsnachweis vorlegen zu müssen, dann legen Sie
enigstens was Vernünftiges vor. Ich kann Ihnen eines
ersprechen: Die FDP wird dafür sorgen, dass wir in der
ächsten Legislatur ein besseres Gesetz bekommen –
nd zwar sowohl für die Verbraucher als auch für die Te-
ekommunikationsbranche.
Petra Pau (fraktionslos): Wir sprechen heute über
in Gesetz, welches erst ein Jahr alt ist. Das Telekommu-
ikationsgesetz soll nun wieder geändert werden. Zwei
inge sollen damit erreicht werden: Die drei Jahre alte
U-Universaldienstrichtlinie soll ins nationale Recht
mgesetzt werden. Der Verbraucherschutz in Bezug auf
ie 0190er-Abzocker-Rufnummern soll verbessert wer-
en.
Dagegen kann man nichts haben, aber machen wir
ns nichts vor: Im Kern dient dieses Gesetz der Organi-
ation der möglichst vollständigen Überwachung des
ernmeldeverkehrs. In den Jahren seit 2001 sind viele
esetzesgrundlagen zum staatlichen Eingriff in das
ost- und Fernmeldegeheimnis geschaffen worden. Hier
eht es um den Eingriff in ein Grundrecht aus Art. 10
bs. 1 Grundgesetz. Inzwischen ist die Telekommunika-
ionsüberwachung eine Standardmaßnahme im Dienste
er öffentlichen Sicherheit. Dies lässt sich im vorliegen-
en Gesetz in den §§ 110 bis 114 nachlesen.
Das TKG regelt die technischen Voraussetzungen für
ie Umsetzung der Überwachungsmaßnahmen. Tele-
ommunikationsunternehmen werden verpflichtet, diese
icherzustellen. Der Staat verpflichtet Unternehmen, ho-
eitliche Aufgaben zu übernehmen, und will diese zu-
ünftig dafür bezahlen.
Die PDS im Bundestag lehnt diesen Abbau des Da-
en- und Grundrechteschutzes ab.
nlage 9
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– Entwurf eines Sechsundzwanzigsten Geset-
zes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes
– Antrag: Änderung der Geschäftsordnung
des Deutschen Bundestages – Verhaltensre-
geln für Mitglieder des Deutschen Bundesta-
ges
(Tagesordnungspunkt 27, Zusatztagesordnungs-
punkt 10)
Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Mit den Ent-
ürfen zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und der
erhaltensregeln halten die Koalitionsfraktionen ihr Ver-
prechen, die Regeln über die Anzeige von Tätigkeiten
nd Einkommen von Abgeordneten klarer zu fassen und
17252 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005
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zu verschärfen. Gleichzeitig bieten wir den Oppositions-
fraktionen an, sich unserer Initiative anzuschließen und
sie nicht zu blockieren.
Zur Erinnerung noch einmal Folgendes: Ende des
letzten bzw. Anfang dieses Jahres sind wir durch das
Fehlverhalten Einzelner darauf aufmerksam geworden,
dass Regelungslücken im System unserer Verhaltenre-
geln bestehen. Dabei hatten wir bereits im Jahre 2002
die Regelungen verstärkt und präzisiert und damit die
Transparenz deutlich verbessert. Dieses Fehlverhalten
wurde, unabhängig davon, dass es sich um sehr unter-
schiedlich zu gewichtende Fälle handelte, in der Bericht-
erstattung der Medien oftmals noch falsch bzw. völlig
verzerrt dargestellt. Heraus kam ein Tenor wie „Alle Par-
lamentarier sind Raffkes“. Dem will ich hier noch ein-
mal – ich denke, für uns alle – ausdrücklich widerspre-
chen.
Die Koalitionsfraktionen haben allerdings den beste-
henden Klärungsbedarf erkannt und bereits kurze Zeit
später ein Eckpunktepapier vorgelegt, in dem wir unsere
Vorstellungen einer möglichen Neuregelung dargelegt
haben. Hieraus sind die vorliegenden Entwürfe entstan-
den, die – als Paket, das heißt abhängig voneinander –
die Änderungen im System des Abgeordnetengesetzes
und der Verhaltensregeln vornehmen.
Von der Gegenseite ist bis heute nichts vorgelegt wor-
den. Fünf Monate später – keine einzige Initiative, kein
einziger konkreter Vorschlag! Das heißt – nicht ganz.
Aus der FDP hörte man – wie üblich – den Vorschlag zur
Einsetzung einer externen Kommission. Was die FDP
hier übersieht, ist, dass es sich in den vergangenen Jah-
ren immer wieder gezeigt hat, dass jedes Parlament, das
sich eine Beratung von außen in Form einer Kommission
gegönnt oder – je nachdem – zugemutet hat, auf die
Nase gefallen ist. Ich will ausdrücklich dafür plädieren,
uns gerade diese Regelung nicht aus der Hand nehmen
zu lassen. Wir sollten vielmehr selbstkritisch, aber auch
mit einem gesunden Selbstbewusstsein darangehen, un-
sere Verhaltensregeln selbst zu überprüfen.
Aber nun zu unseren Entwürfen. Fünf Punkte regeln
wir neu:
Erstens. Der neu eingefügte § 44 a des Abgeordneten-
gesetzes stellt die Ausübung des Mandats in den Mittel-
punkt der Tätigkeit eines Abgeordneten. Zum einen
verdeutlichen wir noch einmal, was das Bundesverfas-
sungsgericht bereits 1975 im „Diätenurteil“ festgestellt
hat: Das parlamentarische Mandat hat sich im Laufe sei-
ner Entwicklung quasi zu einem Beruf gewandelt.
Gleichzeitig zeigt es unser Verständnis von der Mandats-
ausübung: Im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Abgeord-
neten hat das Mandat zu stehen.
Klarstellen will ich dabei aber auch: Nebentätigkeiten
von Abgeordneten werden auch in Zukunft zulässig und
erlaubt sein. Niemand will Abgeordneten verbieten, den
Anschluss an ihren ausgeübten Beruf zu verlieren oder
neben ihrem Mandat tätig zu sein. Das wäre im Übrigen
auch schon verfassungsrechtlich nicht zulässig. Auch
stehen dem – abgesehen von den gesetzlichen Inkompa-
tibilitäten – die Übernahme eines Regierungsamtes oder
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ie Wahrnehmung parteipolitischer Aufgaben selbstver-
tändlich nicht entgegen. Denn diese Ämter sind Teil des
it dem Mandat verbundenen öffentlichen Amtes eines
bgeordneten.
Zweitens. Einnahmen ohne entsprechende Gegenleis-
ung sind unzulässig. Schon jetzt haben wir im Abgeord-
etengesetz wie auch in den Verhaltensregeln ein Verbot
on so genannten Interessentenzahlungen. Wir gehen
ber darüber hinaus: Denn auch ohne Vereinbarung einer
olchen „Interessentenzahlung“ liegt bei Einkommen
hne Gegenleistung die Vermutung eines Interessenein-
lusses nahe. Das halten wir für mit einem freien Mandat
nverträglich.
Gleiches gilt im Übrigen auch für die Fälle, in denen
er Leistung keine angemessene Gegenleistung gegen-
bersteht. Wir wissen, dass die Abgrenzung im Einzel-
all schwierig ist. Deswegen haben wir klare Maßstäbe
eschaffen. Anzulegen ist hier zunächst das Kriterium
er Verkehrsüblichkeit. Sollte dies nicht zu einem Er-
ebnis führen, so soll der Begriff der Angemessenheit so
usgelegt werden, dass ein Missbrauch unterbunden
erden kann.
Drittens. Die Anzeigepflichten gegenüber dem Bun-
estagspräsidenten werden insofern erweitert, als fortan
ie bisherige Unterscheidung von mandatsbegleitender
erufstätigkeit und Nebentätigkeit aufgehoben wird.
enn die Berufstätigkeit war bislang nur als solche,
icht aber hinsichtlich einzelner Tätigkeiten anzeige-
flichtig. Damit wurde das vom Gesetzgeber verfolgte
iel, mögliche Interessenkonflikte transparent zu ma-
hen, in diesem Bereich nur eingeschränkt erreicht. Die
orgesehene Neuregelung unterscheidet zukünftig nicht
ehr zwischen Berufs- und Nebentätigkeit, sondern
tellt primär auf die einzelne Tätigkeit ab.
Viertens. Als weiteren Kernpunkt werden die Anga-
en der Abgeordneten in pauschalierter Form im Hand-
uch und im Internet veröffentlicht. Bisher unterschieden
ie Verhaltensregeln, was Beruf, sonstige Tätigkeiten so-
ie Einkommen angeht, zwischen Angaben, die nur dem
räsidenten gegenüber zu machen sind, und solchen, die
m amtlichen Handbuch und im Internet veröffentlicht
erden. Angaben über Einkünfte werden zurzeit nicht
eröffentlicht und sind dem Präsidenten gegenüber im
alle des Berufs nicht, bei sonstigen Tätigkeiten grund-
ätzlich nur zu machen, wenn insgesamt ein bestimmter
indestbetrag überschritten wird.
Die Veröffentlichung soll zukünftig in Stufen erfol-
en: Die Stufe l erfasst einmalige oder regelmäßige mo-
atliche Einkünfte einer Größenordnung von 1 000 bis
500 Euro, die Stufe 2 Einkünfte bis 7 000 Euro und die
tufe 3 Einkünfte über 7 000 Euro. Regelmäßige monat-
iche Einkünfte werden als solche gekennzeichnet. Wer-
en innerhalb eines Kalenderjahrs unregelmäßige
inkünfte zu einer Tätigkeit angezeigt, wird die Jahres-
umme gebildet und die Einkommensstufe mit der Jah-
eszahl veröffentlicht.
Wir haben dieses Stufenmodell bewusst gewählt, um
llen verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung zu tra-
en. Zwei Gutachter – Professor Dr. Dr. h. c. Meyer und
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005 17253
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Professor Dr. Waldhoff –, denen ich von dieser Stelle aus
noch einmal für die von ihnen geleistete Arbeit danken
möchte, haben uns – wenn auch mit unterschiedlichen
Auffassungen – bei den im Übrigen sehr intensiven und
konstruktiven Beratungen in der Rechtsstellungskom-
mission begleitet und unterstützt.
Bei der Ausgestaltung der Entwürfe sind die verfas-
sungsrechtliche Stellung des Abgeordneten (Art. 38 GG)
und die Grundrechte, die auch für uns als Mitglieder des
Deutschen Bundestages gelten, berücksichtigt worden.
Wir haben dabei – da bin ich sicher – insgesamt einen
angemessenen Ausgleich zwischen dem berechtigten In-
teresse der Öffentlichkeit auf Offenlegung von Nebentä-
tigkeiten und dem Schutz der individuellen Grundrechte
des einzelnen Abgeordneten gefunden.
Fünftens. Wir schaffen erstmalig ein Sanktionierungs-
system.
Das Präsidium kann neben der bisher schon geltenden
Veröffentlichung in einer Drucksache des Bundestages
nunmehr Ordnungsgelder bis zur Höhe der Hälfte der
jährlichen Abgeordnetenentschädigung festsetzen. Der
Präsident macht die getroffene Entscheidung durch Ver-
waltungsakt geltend, womit wir dem Einzelnen die
Möglichkeit geben, die Entscheidung rechtsstaatlich
überprüfen zu lassen. Unzulässige Zuwendungen, Ver-
mögensvorteile oder ihr Gegenwert sind dem Haushalt
des Bundes zuzuführen.
Dies sind harte Sanktionen. Aber wir sind der An-
sicht, dass es das Ansehen des Parlaments und das seiner
Repräsentanten gebietet, dass die Verletzung von Offen-
legungspflichten und das arbeitslose Einkommen sank-
tioniert werden.
Die vorliegenden Änderungen zielen eben nicht – wie
uns teilweise auch vorgeworfen wurde – auf die Schaf-
fung des „gläsernen Abgeordneten“, der seine gesamten
persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Verhält-
nisse offen zu legen hat. Wir sind aber der Auffassung,
dass die Höhe der Nebeneinkünfte einen Hinweis darauf
geben kann, ob ein Abgeordneter in der Wahrnehmung
seines Mandats durch wirtschaftliche Abhängigkeiten
beeinflusst werden kann. Um solchen Vermutungen über
mögliche Mehrfachbelastungen und Interessenverflech-
tungen von Abgeordneten zu begegnen, sind die Regeln
über die Veröffentlichung von Nebeneinkünften geschaf-
fen worden. Bürgerinnen und Bürger erhalten damit
hinreichende Informationen darüber, ob und wie der Ab-
geordnete den Wählerauftrag umsetzt. Mögliche Mutma-
ßungen über unzulässige Interessenverknüpfungen oder
unzulässige Zuwendungen ohne Gegenleistung können
damit ausgeräumt werden.
Die Transparenzregelungen haben auch präventive
Wirkung, da ein Abgeordneter die Offenlegung einer
Mandatsausübung, die aufgrund übermäßiger Neben-
tätigkeiten nicht im Mittelpunkt seiner Abgeordnetentä-
tigkeit steht oder einer unzulässigen Einflussnahme
aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeiten unterliegt, be-
fürchten muss. Der mit der Veröffentlichung einherge-
hende Grundrechtseingriff in die informationelle Selbst-
bestimmung der Abgeordneten ist im Interesse der
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icherung der Unabhängigkeit des Mandats und zur
tärkung des Ansehens des Parlaments unseres Erach-
ens gerechtfertigt.
Klare, verbindliche und transparente Regeln für die
itglieder des Bundestages stärken das Vertrauen der
ürgerinnen und Bürger in die parlamentarische Demo-
ratie. Mit den vor Ihnen liegenden Entwürfen leisten
ir unseren Beitrag zur Stärkung des Ansehens des Par-
aments.
Christine Lambrecht (SPD): Abgeordnete des
eutschen Bundestags sind Abgeordnete aller in
eutschland lebenden Menschen. Es darf deshalb nicht
er leiseste Verdacht entstehen, dass er oder sie finan-
iellen Abhängigkeiten ausgesetzt ist, die ihn oder sie in
hren Entscheidungen beeinflussen.
Die Vorfälle um die Abgeordneten Laurenz Meyer
nd Ulrike Flach, die von Großkonzernen Gehälter be-
ogen haben, ohne dafür eine entsprechende Arbeitsleis-
ung zu erbringen, haben die Diskussion um Nebentätig-
eiten neu belebt und die Regierungsfraktionen
eranlasst, die entsprechenden Regelungen für Abgeord-
ete noch genauer zu fassen. Es darf nicht der Hauch ei-
es Verdachts bestehen, dass etwa bei Herrn Meyer der
ezug eines großzügigen Gehalts von einem großen
nergiekonzern im Zusammenhang mit Herrn Meyers
osition zum Ausstieg aus der Atomenergie stünde. Da-
um bestand Handlungsbedarf.
Der Entwurf eines 26. Änderungsgesetzes zum Abge-
rdnetengesetz schreibt die wesentlichen Grundsätze im
bgeordnetengesetz fest. In § 44 a wird festgelegt, dass
ie Wahrnehmung des Mandats im Mittelpunkt der Tä-
igkeit eines Abgeordneten steht. Präzisiert wird ferner
ie bisher nach § 44 a Abs. 2 Nr. 4 und § 9 Verhaltensre-
eln verbotene so genannte Interessentenzahlung, die
unmehr in § 44 a Abs. 3 geregelt und durch die Pflicht,
nrechtmäßig erlangte Zuwendungen an die Bundes-
asse abzuführen, ergänzt wird.
Die Regelung in § 44 a Abs. 4 schafft im Falle der
erletzung von Anzeigepflichten ein Sanktionensystem,
elches es dem Präsidium ermöglicht, Ordnungsgelder
is zur Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädi-
ung festzusetzen. Die bisherige Grundlage für die Ver-
altensregeln wird neu gefasst. Die Änderung in Art. 2
ieht für Entscheidungen nach § 44 a AbgG die erst-
nstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsge-
ichts vor.
Der Antrag umfasst die sich aus der Änderung des
bgeordnetengesetzes ergebenden notwendigen Anpas-
ungen der Verhaltensregeln. Dabei wird die bisherige
nterscheidung zwischen nicht anzeigepflichtigem Be-
uf und anzeigepflichtiger Nebentätigkeit aufgegeben
nd die Anzeigepflicht entsprechend ausgedehnt. Da-
über hinaus werden die Mindestbeträge für anzeige-
flichtige Einkünfte gegenüber der bisherigen Regelung
bgesenkt. Einkünfte aus einer einzelnen Tätigkeit sind
nzeigepflichtig, sofern sie monatlich 1 000 Euro über-
teigen. Fortlaufende Einkünfte unterliegen der Anzei-
epflicht, wenn sie im Jahr 10 000 Euro übersteigen.
17254 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005
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Wir bleiben damit bei den bisher verfolgten Prinzi-
pien:
Erstens: mehr Transparenz zur Aufklärung und Vor-
beugung von Interessenkonflikten und Abhängigkeiten
der Abgeordneten. Zweitens: Zugang aller gesellschaft-
lichen und beruflichen Gruppen zum Mandat. Drittens:
Gleichbehandlung aller Abgeordneten im Rahmen der
Neuregelung. Diese Offenheit wird sich letztlich für alle
Beteiligten auszahlen, ganz bestimmt aber für einen de-
mokratischen Parlamentarismus, der von der Glaubwür-
digkeit lebt.
Christian Lange (Backnang) (SPD): Was haben die
Offenlegung von Managergehältern börsennotierter Un-
ternehmen und mehr Transparenz von Abgeordneten-
nebentätigkeiten gemeinsam? In beiden Fällen geht es
um Vertrauen, Vertrauen von Investoren in „ihre“ Ge-
schäftsführung und Vertrauen der Bürgerschaft in „ihre“
Volksvertreter. Beides ist erschüttert. Deshalb brauchen
wir beide Gesetze.
Nachdem weitere Fälle in der Öffentlichkeit bekannt
wurden, bei denen Abgeordnete unberechtigterweise
von Firmen Zahlungen entgegengenommen haben, ist
die Diskussion über die Nebentätigkeiten von Abgeord-
neten wieder neu entbrannt. Und das ist gut so! Denn ge-
rade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und schwieriger
gesellschaftlicher Umbruchprozesse ist die Signalwir-
kung solchen Fehlverhaltens verheerend. Deshalb wer-
den wir die entsprechenden Neuregelungen noch vor
dem Sommer 2005 verabschieden.
Die bekannt gewordenen Missstände um Fehlverhal-
ten einzelner Abgeordneter im Umgang mit Nebentätig-
keiten zeigen deutlich, dass wir schärfere Gesetze brau-
chen. Deshalb habe ich bereits auf der Klausurtagung
der SPD-Bundestagsfraktion am 14. und 15. Januar 2005
in Leipzig einen Gesetzentwurf zur Verschärfung des
§ 108 e des Strafgesetzbuches – Abgeordnetenbeste-
chung – vorgestellt und mich für die restlose Offenle-
gung von Nebeneinkünften durch Änderung des Abge-
ordnetengesetzes eingesetzt.
Eine Gruppe jüngerer Abgeordneter der SPD-Bun-
destagsfraktion hatte sich meinen Vorschlägen ange-
schlossen und den Stein ins Rollen gebracht. Leider sind
immer Skandale notwendig, wie die Fälle des ehemali-
gen Bundesvorsitzenden der CDU-Sozialausschüsse,
CDA, Hermann-Josef Arentz, und des ehemaligen Gene-
ralsekretärs der CDU, Laurenz Meyer, zeigen.
Übrigens handelt es sich um eine alte Initiative aus
dem Jahr 2002. In der letzten Wahlperiode wurde die
letzte Verschärfung der Verhaltensrichtlinien gegen
CDU/CSU und FDP durchgesetzt. Seither können alle
Bürger auf der Homepage des Bundestages die Nebentä-
tigkeiten der Bundestagsabgeordneten nachlesen, nicht
jedoch die Höhe der Einnahmen daraus. Dies war im
September 2002 am Widerstand von CDU/CSU und
FDP gescheitert. Und wie damals stehen wir mit dieser
Neuregelung wieder kurz vor Toresschluss – kurz vor
dem Ende der Legislaturperiode, fast so, als würde sich
Geschichte wiederholen.
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Die Rechtsstellungskommission des Ältestenrats hat
eine Initiative sehr schnell aufgegriffen und festge-
tellt, dass wir die Einführung eines Sanktionsrechts
angelehnt an das Ordnungswidrigkeitenrecht – sowie
ine Neuregelung der Abgeordnetenbestechung als
traftatbestand brauchen.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden die Re-
eln über die Anzeige und Veröffentlichung von Tätig-
eiten und Einkommen von Abgeordneten im Abgeord-
etengesetz sowie die Verhaltensregeln für Mitglieder
es Deutschen Bundestages klarer gefasst und ver-
chärft. Hierdurch wird dem berechtigten Interesse der
evölkerung nach mehr Transparenz Rechnung getra-
en.
Bisher gilt: Die Verhaltensregeln unterscheiden – wenn
s um Beruf, sonstige Tätigkeiten sowie Einkommen
eht – zwischen Angaben, die nur dem Präsidenten ge-
enüber zu machen sind, und solchen, die im amtlichen
andbuch und im Internet veröffentlicht werden. Anga-
en über Einkünfte werden zurzeit nicht veröffentlicht.
ie sind dem Präsidenten gegenüber im Falle des Berufs
icht zu machen und bei sonstigen Tätigkeiten nur dann,
enn insgesamt ein bestimmter Mindestbetrag über-
chritten wird. Bei Verstößen gegen die Pflichten nach
en Verhaltensregeln ist bisher nur die Veröffentlichung
iner Feststellung des Präsidenten vorgesehen, dass ein
itglied des Bundestages seine Pflichten verletzt hat.
Der vorliegende Gesetzentwurf stellt klar: Nebentä-
igkeiten von Abgeordneten sollen ausdrücklich weiter
rlaubt sein. Forderungen nach einem generellen Verbot
on Nebentätigkeiten erteilen wir eine klare Absage. Ich
in der Meinung, dass hier das Kind nicht gleich mit
em Bade ausgeschüttet werden darf. Ein Verbot von
ebentätigkeiten käme einem Berufsverbot für Abge-
rdnete gleich bzw. wir würden ein Parlament schaffen,
em vorzugsweise nur noch Berufsbeamte angehörten.
as will keiner, denn die Volksvertretung soll ja ein
öglichst breites Spektrum aller Bevölkerungs- und Be-
ufsgruppen widerspiegeln. Dafür müssen ausnahmslos
ngaben über alle Einkünfte aus Nebentätigkeiten für
ie interessierte Öffentlichkeit zugänglich gemacht wer-
en. Es gilt: Das Mandat steht im Mittelpunkt der Abge-
rdnetentätigkeit, es darf keine Zuwendung ohne Gegen-
eistung erfolgen. Ausgenommen sind Spenden.
Bereits das Diätenurteil des Bundesverfassungsge-
ichts 1975 hat übrigens festgestellt, dass das parlamen-
arische Mandat quasi zu einem – wenn auch tempo-
ären – Beruf geworden ist. Durch die zentrale Stellung
es Mandats als Hauptbeschäftigung der Abgeordneten
ird die Wertigkeit der verfassungsrechtlichen Pflicht
er Abgeordneten – Vertretung des ganzen Volkes – ver-
eutlicht.
Abgesehen von den im Gesetz geregelten Unverein-
arkeiten bleiben Tätigkeiten beruflicher oder anderer
rt neben dem Mandat zulässig. So steht beispielsweise
ie Übernahme eines Regierungsamtes – Bundeskanzler,
undesminister – einer Parlamentsmitgliedschaft nicht
ntgegen. Denn das Regierungsamt ist Teil des mit dem
andat verbundenen öffentlichen Amtes eines Abgeord-
eten. Entsprechendes gilt für die Parlamentarischen
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005 17255
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Staatssekretäre. Auch die Wahrnehmung von parteipoli-
tischen Aufgaben – Parteivorsitzender, Geschäftsführer,
Generalsekretär – ist mit dem parlamentarischen Mandat
vereinbar. Die von den Parteien aufgestellten Kandida-
ten werden durch Wahlen zu Mitgliedern des Parla-
ments. Aus der Natur der Sache ergeben sich Funktions-
verschränkungen zwischen Partei und Parlament.
Ob mit oder ohne Vereinbarung einer Interessenten-
vertretung liegt bei Einkommen ohne Gegenleistung in
jedem Fall die Vermutung eines Interesseneinflusses
nahe, der mit einem freien Mandat unvereinbar ist. Hier
wird das Kriterium der Verkehrsüblichkeit zugrunde ge-
legt. Führt dies zu keinem Ergebnis, so ist der Begriff
der Angemessenheit so auszulegen, dass ein Missbrauch
unterbunden werden kann. Von einem Missbrauch ist
insbesondere dann auszugehen, wenn Leistung und Ge-
genleistung offensichtlich außer Verhältnis stehen.
Gegenüber dem Bundestagspräsidenten werden mit
der Neuregelung die Anzeigepflichten erweitert, insbe-
sondere um die betreffend die aus Nebeneinkünften er-
zielten Einnahmen. Des Weiteren werden die Angaben
in pauschalierter Form veröffentlicht und ein Sanktions-
system in Form von Ordnungsgeldern wird eingerichtet.
Werden anzeigepflichtige Tätigkeiten oder Einkünfte
nicht angezeigt, kann der Präsident ein Ordnungsgeld bis
zur Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenent-
schädigung festsetzen. Der mit der Veröffentlichung ein-
hergehende Eingriff in das Grundrecht auf informa-
tionelle Selbstbestimmung der Abgeordneten ist im
Interesse der Sicherung der Unabhängigkeit des Mandats
und zur Stärkung des Ansehens des Parlaments gerecht-
fertigt. Die Sanktionierung findet allerdings da ihre
Grenze, wo sie die freie Mandatsausübung beeinträchti-
gen würde.
Um welche Beträge handelt es sich nun? Wir haben
uns für das so genannte Dreistufenmodell entschieden.
Dabei sollen Nebeneinkünfte in drei Einkommensstufen
veröffentlicht werden. Die Stufe 1 erfasst einmalige oder
regelmäßige monatliche Einkünfte einer Größenordnung
von 1 000 bis 3 500 Euro, die Stufe 2 Einkünfte bis
7 000 Euro und die Stufe 3 Einkünfte über 7 000 Euro.
Regelmäßige monatliche Einkünfte werden als solche
gekennzeichnet. Werden innerhalb eines Kalenderjahrs
unregelmäßige Einkünfte zu einer Tätigkeit angezeigt,
wird die Jahressumme gebildet und wird die Einkom-
mensstufe mit der Jahreszahl veröffentlicht. Würde man
genauere Zahlen nennen, könnte das gerade unter Selbst-
ständigen zu Problemen führen, wegen der Wettbe-
werbssituation oder zum Beispiel wegen spezieller Ver-
schwiegenheitspflichten von Ärzten oder Anwälten.
Und was passiert nun mit Zuwendungen oder Vermö-
gensvorteilen, die unzulässigerweise von Abgeordneten
angenommen wurden? Auch das haben wir geregelt.
Solche Zuwendungen oder Vermögensvorteile bzw. ihr
Gegenwert sind dem Haushalt des Bundes zuzuführen.
Der Präsident macht den Anspruch geltend, soweit der
Erhalt der Zuwendung oder des Vermögensvorteils nicht
länger als drei Jahre zurückliegt.
Die Regeln über die Veröffentlichung von Nebenein-
künften sind geschaffen worden, um den Bürgerinnen
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nd Bürgern hinreichende Informationen darüber zu ge-
en, ob und, wenn ja, wie der Abgeordnete den Wähler-
uftrag umsetzt. Der Bürger hat damit die Chance, sich
inen genauen Überblick zu verschaffen, welchen wirt-
chaftlichen Abhängigkeiten der Abgeordnete unterliegt.
enn nur wenn man weiß, was einer nebenher verdient,
ann man auch sagen, ob er wirklich nur dem eigenen
ewissen verantwortlich ist. Mögliche Mutmaßungen
ber unzulässige Interessenverknüpfungen oder unzuläs-
ige Zuwendungen ohne Gegenleistung können damit
usgeräumt werden. Gleichzeitig haben die Transparenz-
egelungen auch präventive Wirkung. Klare, verbindli-
he und transparente Regeln für die Mitglieder des Bun-
estages werden entscheidend dazu beitragen, dass das
ertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die parlamen-
arische Demokratie wiederhergestellt wird.
Die Verhandlungen über die aktuelle Anpassung der
erhaltensregeln kamen aufgrund der zögerlichen Hal-
ung der Opposition zunächst nur schleppend voran.
achdem die Opposition nach nun fünfmonatiger De-
atte keinen einzigen konkreten Vorschlag unterbreiten
onnte, nehmen wir die Verschärfung der Verhaltensre-
eln allein in die Hand. Denn eines ist klar: Wir müssen
as Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Unbe-
techlichkeit und Unabhängigkeit der Politik schnellst-
öglich wiedergewinnen und sichern.
Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU): Die Koalitions-
raktionen haben den Entwurf eines Gesetzes zur Ände-
ung des Abgeordnetengesetzes vorgelegt, mit dem,
veranlasst durch die öffentliche Diskussion um Einzel-
älle, die Regeln über die Anzeige und Veröffentlichung
on Tätigkeiten und Einkommen von Abgeordneten im
bgeordnetengesetz sowie die Verhaltensregeln für Mit-
lieder des Deutschen Bundestages klarer gefasst und
erschärft werden“ sollen. Anfang des Jahres war bereits
in Positionspapier der Koalitionsfraktionen vorgelegt
orden mit dem Ziel, die bestehenden Regelungen „zu
rweitern, um mehr Transparenz zu schaffen“.
Die Rechtsstellungskommission des Ältestenrates ist
er einvernehmlichen Bitte der Parlamentarischen Ge-
chäftsführer aller Fraktionen vom 24. Februar 2005 ge-
olgt und hat sich in insgesamt fünf Sitzungen mit der
hematik der Nebentätigkeit von Bundestagsabgeordne-
en befasst. Vor jeder inhaltlichen Bewertung des Dis-
ussionsgegenstandes will ich die außerordentlich sach-
iche und konstruktive Auseinandersetzung würdigen,
it der sich alle Mitglieder der Rechtsstellungskommis-
ion und die beiden Gutachter, die Verfassungsrechtler
rof. Hans Meyer und Prof. Christian Waldhoff, um die
lärung eines außergewöhnlich schwierigen Anliegens
emüht haben. Den beiden Gutachtern, aber auch der
erwaltung des Deutschen Bundestages, die ganz we-
entlich behilflich gewesen ist, zur Aufklärung der be-
andelten Themen beizutragen, gilt der Dank jedenfalls
ller Kommissionsmitglieder, ich denke, auch des gan-
en Hauses.
Die strenge Orientierung an der Sache und nicht an
ublizistischer Wirkung hat es möglich gemacht, die
ufgeworfenen Fragen gründlich abzuarbeiten und
17256 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005
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unterschiedliche Bewertungen mit der gebotenen Diffe-
renzierung abzuwägen. Manchmal hätte ich mir gleich-
wohl die Öffentlichkeit der Kommissionsberatungen ge-
wünscht, um eine verständlicherweise kritische Öffent-
lichkeit davon zu überzeugen, wie gründlich sich der
Deutsche Bundestag mit den an seine Mitglieder zu
Recht gestellten Anforderungen auseinandersetzt – und
dass es die Patentlösungen eben nicht gibt, die zu Beginn
jeder neuen Debattenrunde immer wieder suggeriert
werden.
Dies erklärt wohl auch hinreichend, warum sich die
von den Koalitionsfraktionen vorgelegten konkreten Än-
derungen in der Art und Reichweite deutlich von den
Ankündigungen und Aufforderungen unterscheiden, die
sie zum Teil selbst gemacht oder aus Berichterstattungen
und Kommentaren der Medien übernommen haben, die
sich zeitweise einen fröhlichen Überbietungswettbewerb
für „schärfere Regeln“ geliefert haben. Die CDU/CSU-
Fraktion hat sich daran nie beteiligt, aber zu jedem Zeit-
punkt ihre Bereitschaft zu einer sachgerechten Weiter-
entwicklung des Abgeordnetengesetzes sowie der Ver-
haltensregeln erklärt, die neben den legitimen
Ansprüchen der Öffentlichkeit und insbesondere der
Wähler allerdings auch den Besonderheiten eines freien
Mandates Rechnung tragen müssen.
Im vorliegenden Gesetzentwurf soll nunmehr klarge-
stellt werden, dass die Wahrnehmung des Amtes im Mit-
telpunkt der Tätigkeit eines Abgeordneten steht, Abge-
ordnete außer Spenden keine Zuwendungen ohne
entsprechende Gegenleistung entgegennehmen dürfen,
die Anzeigepflichten gegenüber dem Bundestagspräsi-
denten erweitert werden – insbesondere um die aus Ne-
beneinkünften erzielten Einnahmen –, die Angaben in
pauschalierter Form veröffentlicht werden und ein Sank-
tionssystem in Form von Ordnungsgeldern vorgesehen
wird.
Darüber kann man in der Tat reden und hoffentlich
auch eine gemeinsame Lösung finden. Da die vorgese-
henen Regelungen auch nach Auffassung der Koalition
„teilweise gravierende Eingriffe in die Rechtsstellung
der einzelnen Abgeordneten bedeuten“, ist in den Aus-
schussberatungen allerdings sorgfältig zu prüfen, ob und
inwieweit sie den beiden genannten Ansprüchen in glei-
cher Weise gerecht werden.
Selbstverständlich muss sich ein Mitglied des Bun-
destages andere Ansprüche auf Offenlegung von berufli-
chen und nebenberuflichen Tätigkeiten und damit ver-
bundenen Einkünften zumuten lassen als andere
Bürgerinnen und Bürger ohne öffentliche Ämter und
Mandate. Allerdings verliert ein Mitglied des Deutschen
Bundestages mit seiner Wahl nicht seine Grundrechte,
auch nicht das der informationellen Selbstbestimmung,
für das im Übrigen das Bundesverfassungsgericht ver-
gleichsweise präzise Vorgaben für den Gesetzgeber ge-
macht hat. Einschränkungen dieser Grundrechte müssen
sich aus der Sache, also aus dem Mandat, begründen las-
sen. Dazu gehört ganz gewiss die Offenlegung von Tä-
tigkeiten, die der Öffentlichkeit einen nachprüfbaren
Eindruck vermitteln, ob der jeweilige Abgeordnete zur
Wahrnehmung seines Mandats überhaupt in der Lage ist
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nd/oder in welchem Umfang er dabei eigene oder
remde Interessen wahrnimmt. Die weit verbreitete Ver-
utung, mögliche Abhängigkeiten seien an der Höhe
er Einkünfte zu erkennen, die sich aus beruflichen oder
ebenberuflichen Tätigkeiten ergeben, teile ich persön-
ich nicht: Weder muss ein hohes Einkommen hohe Ab-
ängigkeit bedeuten, noch schließen niedrige Bezüge
ohe Abhängigkeiten aus.
Die im Gesetzentwurf der Koalition vorgesehenen
rei Stufen für die Angabe von „Nebeneinkünften“ sol-
en offensichtlich diesem Problem gerecht werden, ver-
ehlen im Ergebnis aber komplett den damit verbunde-
en Zweck. Die Stufen sind willkürlich; sie weisen keine
bhängigkeiten nach und bedienen im Ergebnis allen-
alls die Neugier des Publikums, nicht aber seinen Infor-
ationsanspruch. Damit wird eben nicht – wie in der
ielsetzung des Gesetzentwurfs ausdrücklich angekün-
igt – „dem berechtigten Interesse der Bevölkerung nach
ehr Transparenz Rechnung getragen“. Dagegen mag
ine ausdrückliche Klarstellung angezeigt sein, dass die
usübung des Mandats im Mittelpunkt der Tätigkeit ei-
es Mitglieds des Bundestages stehe. Allerdings darf
an auch hier keine übertriebenen Erwartungen an die
raktischen Folgen einer solchen deklaratorischen Fest-
egung haben.
Sicher gut gemeint, aber hoch problematisch ist nach
nserer Überzeugung die vorgesehene Normierung der
Angemessenheit“ einer Gegenleistung als Vorausset-
ung der Zulässigkeit für die Annahme von Geld oder
eldwerten Leistungen. Mit dieser hochgradig interpre-
ationsbedürftigen, kaum justitiablen Formel werden
ehr Probleme geschaffen als gelöst. Ohnehin sind Zu-
endungen ohne Gegenleistungen, die an einen Bundes-
agsabgeordneten in der Erwartung gezahlt werden, die
nteressen des Zahlenden zu vertreten, schon nach dem
eltenden Abgeordnetengesetz – § 44 a, Abs. 2, Satz 4 –
nzulässig. Die Scheinpräzisierung der „Angemessen-
eit“ von Zuwendungen hätte im Übrigen und in den
onkreten Fällen, die Anlass der jüngsten Überprüfung
er geltenden Regeln waren, nicht weitergeholfen.
Das freie Mandat ist weder normierbar noch mit dem
rdnungsrecht angemessen sanktionierbar. Dies mag
an bedauern, muss man aber im Interesse der Wähler
ie der Gewählten respektieren. Die vergangenen Fälle
aben zugleich bewiesen, dass falsches Verhalten
selbst, wenn es nicht rechtswidrig ist, nicht einmal
issentlich begangen wird – von den feinen Antennen
er medial verstärkten Öffentlichkeit wahrgenommen
nd zuverlässig, gelegentlich gnadenlos, dem Scharfge-
icht der öffentlichen Diskussion unterzogen wird. Am
nde steht häufig die härteste denkbare Sanktion für ei-
en Parlamentarier: die Abwahl oder der erzwungene
ücktritt. Diese Wirkungsmacht einer funktionierenden
arlamentarischen Demokratie könnte auch das schärfste
bgeordnetengesetz nicht entfalten, weil seine einfach-
esetzliche Regelungskraft an der Grenze elementarer
erfassungsrechtlicher Grundsätze endet.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist bereits die
6. Novelle des Abgeordnetengesetzes und vermutlich
icht die letzte. Wir sollten in der Hektik dieser Wochen
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005 17257
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vor einer möglichen Bundestagswahl nicht der Versu-
chung nachgeben, auf Kosten des Parlaments und des
freien Mandats vermeintlich publikumswirksame, tat-
sächlich aber unangemessene und nicht praktikable Re-
gelungen zu verabschieden. Wir sollten uns deshalb in
Verantwortung auch vor nachfolgenden Parlamentarier-
generationen im Gesetzgebungsverfahren um einen trag-
fähigen Konsens bemühen. Die Rechtsstellungskommis-
sion hat mit ihrer Arbeit und den vorliegenden
Gutachten und Protokollen hierzu wichtige Hinweise ge-
geben.
Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
Koalition hat ihre Beratungen zügig abgeschlossen und
bringt – wie angekündigt – noch vor dem Ablauf dieser
Wahlperiode Regelungen auf den Weg, die künftig mehr
Transparenz bei den Einkünften von Abgeordneten ge-
währleisten. Ziel der Reform ist es, die Unabhängigkeit
der Abgeordneten zu sichern. Verschärfte Anzeige- und
Offenlegungspflichten, die alle Einkünfte betreffen, sol-
len es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, wirt-
schaftliche Einflussnahme auf Abgeordnete besser zu er-
kennen und damit wirkungslos zu machen.
Gegenwärtig unterscheiden die Verhaltensregeln für
Mitglieder des Deutschen Bundestages, was Beruf, sons-
tige Tätigkeiten sowie Einkommen angeht, zwischen
Angaben, die nur dem Präsidenten gegenüber zu machen
sind, und solchen, die im amtlichen Handbuch und im
Internet veröffentlicht werden. Angaben über Einkünfte
werden zur Zeit nicht veröffentlicht und sind dem Präsi-
denten gegenüber im Falle des Berufs im Sinne der Ver-
haltensregeln nicht, im Übrigen bei sonstigen Tätigkei-
ten grundsätzlich nur zu machen, wenn insgesamt ein
bestimmter Mindestbetrag überschritten wird. Bei Ver-
stößen gegen die Pflichten nach den Verhaltensregeln ist
bisher nur die Veröffentlichung einer in einem bestimm-
ten Verfahren getroffenen Feststellung des Präsidenten
vorgesehen, dass ein Mitglied des Bundestages seine
Pflichten verletzt hat.
Diese Rechtslage wird nunmehr geändert. So wird im
Abgeordnetengesetz bzw. in den Verhaltensregeln für
Abgeordnete klargestellt,
– dass die Wahrnehmung des Amtes im Mittelpunkt
der Tätigkeit eines Abgeordneten steht (Tätigkeiten
beruflicher oder anderer Art neben dem Mandat aber
möglich sind),
– Abgeordnete außer Spenden keine Zuwendungen
ohne entsprechende Gegenleistung entgegennehmen
dürfen (insoweit unzulässig erhaltene Zuwendungen
müssen an den Bund zugeführt werden),
– die Anzeigepflichten gegenüber dem Bundestagsprä-
sidenten insofern erweitert werden, als fortan die bis-
herige Unterscheidung von mandatsbegleitender Be-
rufstätigkeit und Nebentätigkeit aufgehoben wird,
– die Angaben in pauschalierter Form stufenweise
(1. Stufe, monatliche Einkünfte von 1 000 bis
3 500 Euro; 2. Stufe: Einkünfte bis 7 000 Euro;
3. Stufe: Einkünfte über 7 000 Euro) im amtlichen
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Handbuch und auf den lnternetseiten des Deutschen
Bundestages veröffentlicht werden und
ein Sanktionssystem in Form von Ordnungsgeldern
vorgesehen wird. Konkret: Kommt der Abgeordnete
in diesem Zusammenhang seinen Pflichten nicht
nach, so kann der Bundestagspräsident gegen ihn ein
Ordnungsgeld bis zur Höhe der Hälfte der jährlichen
Abgeordnetenentschädigung, also rund 48 000 Euro,
verhängen.
Die Opposition hat in der Rechtsstellungskommission
es Ältestenrates, in der auf Grundlage eines rot-grünen
ckpunktepapiers die neuen Regelungen auch mit Ver-
assungsrechtlern besprochen worden waren, beharrlich
as Vorhaben blockiert. Die Vertreter von CDU/CSU und
DP haben während der rund fünfmonatigen Debatte in
er Kommission des Ältestenrats keinen einzigen kon-
reten Gegenvorschlag eingebracht. Die FDP ist grund-
ätzlich nicht zu Veränderungen bereit, die Unionsvertre-
er sind lediglich als Fragesteller und Bedenkenträger
ufgetreten.
Ich kann die Opposition nur davor warnen, die Bera-
ungen des Nebentätigkeitsgesetzes im Bundestag zu
erschleppen. Im federführenden Geschäftsordnungs-
usschuss jedenfalls haben Union und FDP eine Verab-
chiedung in der nächsten Sitzungswoche in Frage ge-
tellt. Ich hoffe, dass es bei Schwarz-Gelb hier in den
ächsten Tagen noch zu einem Meinungsumschwung
ommt.
Jörg van Essen (FDP): Das Thema, das wir heute
n dieser Debatte behandeln, beinhaltet eine Fülle von
ochsensiblen rechtlichen und insbesondere verfas-
ungsrechtlichen Problemen. Meine kurze Redezeit er-
aubt mir daher nur, die wichtigsten Fragen kurz anzu-
prechen. Ich habe großes Verständnis für das Interesse
er Öffentlichkeit an Transparenz und Kontrolle. Die
ürger haben ein berechtigtes Interesse, zu erfahren, für
elche Tätigkeiten die Abgeordneten neben der Wahr-
ehmung ihres Mandats Zeit einsetzen und in welchem
onflikt diese Tätigkeiten möglicherweise mit dem
andat stehen. Parlamentarier stehen unter besonderer
eobachtung durch die Öffentlichkeit und zu Recht
üssen besondere Maßstäbe angelegt werden.
Der Deutsche Bundestag hat sich bereits heute Ver-
altensregeln gegeben, die einen Großteil dessen enthal-
en, was gegenwärtig als angeblich neue Vorschläge dis-
utiert wird. Schon zum Ende der 14. Wahlperiode hat
er Deutsche Bundestag eine Änderung seiner Verhal-
ensregeln vorgenommen. Die Geschäftsordnung des
eutschen Bundestages wurde entsprechend novelliert
nd so besteht bereits jetzt die Pflicht zur Veröffent-
ichung von Beraterverträgen. Anzugeben sind Name
nd Anschrift des Vertragspartners sowie der Gegen-
tand der Tätigkeit. Zu veröffentlichen sind darüber hi-
aus neben dem Beruf oder dem Mandat ausgeübte Tä-
igkeiten, insbesondere gutachterliche, publizistische
nd Vortagstätigkeiten. Anzugeben sind Art der Tätig-
eit, Name und Anschrift des Auftraggebers, sofern das
ntgelt mehr als 3 000 Euro im Monat oder 18 000 Euro
17258 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005
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im Jahr übersteigt. Zudem besteht eine Veröffentli-
chungspflicht bei einer Beteiligung an einer Kapital-
oder Personengesellschaft, wenn dem Mitglied des
Deutschen Bundestages mehr als 25 Prozent der Stimm-
rechte zustehen. Es hat sich bei allen Vorfällen der ver-
gangenen Jahre, wo Abgeordnete durch tatsächliches
oder vermeintliches Fehlverhalten aufgefallen sind,
deutlich gezeigt, dass die Verhaltensregeln bereits in ih-
rer geltenden Fassung ein breites Spektrum bieten, um
diese Fälle angemessen zu erfassen. Kein Fehlverhalten
eines Kollegen oder einer Kollegin blieb ohne gravie-
rende Konsequenzen für den oder die Abgeordnete.
Die Verhandlungen in der Rechtsstellungskommis-
sion des Ältestenrates sind durchgehend konstruktiv ge-
führt worden. Die große Anzahl an diskutierten Fragen
hat deutlich gemacht, wie schwierig es ist, eine Erweite-
rung der Verhaltensregeln vorzunehmen, die sich noch
im verfassungsrechtlich zulässigen Bereich befindet. In-
teressant war zu sehen, dass selbst bei Kollegen von den
Koalitionsfraktionen am Ende der Beratungen eher
Skepsis und Zweifel blieben hinsichtlich der vormals
großspurig vorgetragenen Forderungen.
Das Interesse der Öffentlichkeit an Transparenz ist
ein hohes und zu respektierendes Gut. Aber es hat keine
Grundrechtsqualität. Aus Sicht der FDP lässt der Koali-
tionsentwurf viele Rechtsfragen, insbesondere die nach
der Zulässigkeit der Grundrechtseingriffe, offen und un-
beantwortet. Beispielhaft nenne ich die Grundrechtsbe-
troffenheit von Dritten. Von der geplanten Offenlegungs-
pflicht sind auch Dritte erfasst, insbesondere wenn sie
Ehe- oder Geschäftspartner der Abgeordneten sind.
Auch über sie und ihre wirtschaftlichen Aktivitäten wer-
den der Öffentlichkeit Informationen mitgeteilt. Hier
kann die Offenlegungspflicht bei dem betroffenen Drit-
ten eine Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz
auslösen. Es ist für mich unfassbar, wenn von Rot-Grün
auf diese massiven verfassungsrechtlichen Einwände le-
diglich die Möglichkeit aufgezeigt wird, ein Gesell-
schafter könne sich ja von seiner Firma trennen, falls
Grundrechte Dritter, beispielsweise eines Geschäftspart-
ners, verletzt werden. Meine Frage, ob sich ein Mandats-
träger des Deutschen Bundestages bei gemeinsamer
steuerlicher Veranlagung von seinem Partner scheiden
lassen muss, blieb bei den Beratungen unbeantwortet.
Der Gutachter Professor Waldhoff hat in seinem Gutach-
ten für die Rechtsstellungskommission sehr deutlich und
überzeugend die rechtlichen Grenzen aufgezeigt. Er un-
terstützt die verfassungsrechtlichen und rechtlichen Be-
denken der FDP weitgehend.
Vergessen wird auch oft, dass der Abgeordnete neben
seiner Tätigkeit als Volksvertreter auch Privatperson und
Bürger ist. Dies gilt selbstverständlich auch für die
Grundrechte auf Eigentums- und Berufsfreiheit sowie
für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Bei
Selbstständigen und Freiberuflern würden durch um-
fangreichere Offenlegungspflichten, als wir sie gegen-
wärtig haben, Wettbewerbsnachteile entstehen. Die
Konkurrenten könnten so Einblick in deren unternehme-
rische Tätigkeiten bekommen. Auch hier müssen klare
Grenzen gezogen werden.
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Es ist völlig klar, dass mit den geplanten Neuregelun-
en eins auf jeden Fall erreicht wird: Angestellte, Frei-
erufler und Gewerbetreibende werden künftig von einer
andidatur zum Deutschen Bundestag eher absehen. Sie
aben nicht die Sicherheit der in übergroßer Zahl im
undestag vertretenen Beamten und Gewerkschafts-
unktionäre, jederzeit in den Beruf zurückzukehren. Ge-
ade für sie ist es deshalb außerordentlich wichtig, dass
ie als Abgeordnete auch während der Ausübung des
andats ihre Berufsausübung beibehalten können, um
ach dem Ausscheiden aus dem Mandat ohne Problem
n ihren alten Beruf zurückkehren zu können. Meine
raktion hat einen hohen Anteil von Kolleginnen und
ollegen aus solchen Berufen.
Selbstverständlich ist die FDP-Bundestagsfraktion of-
en für wirkliche Verbesserungen.
Es spricht nichts dagegen, eine Vorschrift in das Ab-
eordnetengesetz aufzunehmen, wonach die Mandatstä-
igkeit im Mittelpunkt des Abgeordneten steht. Dies ist
ine Selbstverständlichkeit. Vernünftigen Sanktionsrege-
ungen wird sich die FDP auch nicht verschließen. Auf
nser Drängen ist von der Koalition eine Verjährungsre-
el aufgenommen worden. Dass diese rechtsstaatliche
elbstverständlichkeit zunächst nicht berücksichtigt war,
eigt, wie oberflächlich die Koalition mit den Rechten
er Kolleginnen und Kollegen umgeht.
Zu all diesen Fragen ist die FDP nach wie vor ge-
prächsbereit. Für die FDP bleibt aber eines klar: Eine
euregelung darf Grundrechte nicht verletzen und die
ahl der im Bundestag ohnehin schon in viel zu geriner
ahl vertretenen Mittelständler, Selbstständigen und
reiberufler nicht noch weiter beeinträchtigen.
nlage 10
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Novellierung der forensischen DNA-Analyse
(Tagesordnungspunkt 28)
Joachim Stünker (SPD): Das geltende Recht der fo-
ensischen DNA-Analyse – §§ 81e bis 81g StPO – hat
ich bewährt und als effektives Mittel für die Aufklärung
on Straftaten erwiesen. Die Ermittlungserfolge der
trafverfolgungsorgane in den zurückliegenden Mona-
en und Jahren zeigen dieses mit Nachdruck. Gleichwohl
nd zum Teil gerade deshalb besteht Änderungs- und Er-
änzungsbedarf. Diesem kommen wir mit dem vorlie-
enden Gesetzentwurf nach. Die Frau Ministerin hat die
inzelheiten des Änderungspaketes erläutert, ich brau-
he diese deshalb nicht zu wiederholen. Wichtig ist, dass
ir mit diesem Gesetzentwurf aber auch ganz deutlich
achen und entgegenstehenden Bestrebungen widerste-
en, dass nämlich die DNA-Analyse nicht mit dem bio-
etrischen Fingerabdruck gleichgestellt werden darf.
as informationelle Selbstbestimmungsrecht gemäß
rt. 2 Grundgesetz verbietet dieses nach der verfas-
ungsgerichtlichen Rechtsprechung eindeutig.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005 17259
(A) )
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Diese Legislaturperiode geht in diesen Tagen ganz of-
fensichtlich ihrem Ende entgegen. Ich will aus diesem
Anlass keine rechtspolitische Bilanz ziehen, einen Hin-
weis möchte ich aber noch einmal mit Nachdruck zu
Protokoll geben. Die drei Jahre dieser Legislaturperiode
sind in der Rechtspolitik geprägt gewesen von immer
neuen Forderungen nach neuen Gesetzen, nach der Ver-
schärfung von Gesetzen durch die CDU/CSU-Fraktion,
die dabei von bestimmten Medien exzessiv unterstützt
worden ist. Dabei hat sich herauskristallisiert: in unse-
rem Land wird zunehmend unzutreffend über Kriminali-
tät informiert. Dazu einige Beispiele: Nach den Daten
der Polizei ist der vollendete Mord zwischen 1993 und
2004 von 666 pro Jahr um fast die Hälfte auf 352 Fälle
zurückgegangen, der Autodiebstahl hat fast um drei
Viertel abgenommen, zum Wohnungseinbruch verzeich-
nen wir eine Abnahme um 45 Prozent und zum Bank-
raub um 40 Prozent. Aber die Opposition profiliert sich
immer wieder damit, die wenigen schlechten Nachrich-
ten groß herauszustellen, die man eben auch aus der po-
lizeilichen Kriminalstatistik ablesen kann.
Zwei Konsequenzen dieses systematischen Ausblen-
dens guter Nachrichten sind kürzlich durch eine Reprä-
sentativbefragung deutlich geworden. Da die Medien
sich in ihrer Berichterstattung über Kriminalität weitge-
hend an dem orientieren, was ihnen von Politik und Poli-
zeigewerkschaften vorgegeben wird, glaubt die Bevölke-
rung im Hinblick auf alle oben genannten Straftaten, es
habe insoweit in den letzten zehn Jahren einen starken
Anstieg der Zahlen gegeben. Die große Mehrheit setzt
derartige Ängste in die Forderung nach einer deutlich
verschärften Strafpraxis um. Da kann es doch nicht über-
raschen, dass die Politik das Strafrecht seit 1992 zu
40 Straftatbeständen deutlich verschärft hat, nach meiner
Überzeugung ein Weg in die falsche Richtung. So ist
dann weiter festzustellen, dass trotz der insgesamt güns-
tigeren Kriminalitätsentwicklung die Zahl der Strafge-
fangenen seit 1992 um mehr als 40 Prozent zugenom-
men hat. Als Folge davon sind im Unterhalt des
Strafvollzuges Mehrkosten in Höhe von über 5 Milliar-
den Euro entstanden. Hinzu kommen 1,4 Milliarden Euro
für 12 000 zusätzliche Gefängniszellen. Die Politik ver-
hält sich damit zunehmend so, als läge die Zukunft unse-
res Landes im Ausbau der Gefängnisse. Dabei wissen
wir doch alle, dass die Prioritäten bei der Frühförderung
von Kindern liegen müssen, beim Ausbau von Schulen
zu Ganztagsschulen und in der Stärkung der Universitä-
ten. Zukunftsinvestition Jugend muss zur zentralen Leit-
linie der Politik werden.
Ich gebe daher meiner Hoffnung und Erwartung Aus-
druck, dass es bei diesem populistischen Kurs, das Straf-
recht laufend verschärfen zu wollen, in der nächsten Le-
gislaturperiode eine Umkehr geben wird.
Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Wir beraten in der
ersten Lesung die Einführung der DNA-Analyse, wie sie
die CDU/CSU seit Jahren gefordert hat. Dazu gilt es
gleich zu Beginn festzustellen, dass die vorgeschlagene
Regelung der Bundesregierung aus unserer Sicht nicht
ausreichend ist; gleichwohl werden wir nicht diejenigen
sein, die dieses Gesetz verhindern wollen, weil wir uns
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m der wirksamen Verbrechensbekämpfung willen zum
etzigen Zeitpunkt auch mit der zweitbesten Lösung zu-
rieden geben wollen.
Die Bundesregierung tut aus unserer Sicht nach wie
or nicht genug, um Sexualstraftäter, die organisierte
riminalität, Terroristen und andere Straftäter zu über-
ühren und zu bestrafen. Zu diesem Zweck müsste sie
iesen genetischen Fingerabdruck mit anderen erken-
ungsdienstlichen Maßnahmen wie dem normalen Fin-
erabdruck oder Fotos des Beschuldigten gleichstellen.
ass die Bundesregierung dies nicht tut, gibt Zeugnis
on einem tief verwurzelten und unangemessenen Miss-
rauen gegenüber Richtern, Staatsanwälten und Polizei.
Die CDU/CSU fordert seit langem, die DNA-Analyse
ur Identifikation möglicher Straftäter einzusetzen. Dies
ordern übrigens auch der Bundesinnenminister und fast
lle Länderinnenminister. Alle weiteren Möglichkeiten
er DNA-Analyse zur Erforschung von Erbanlagen,
rankheiten usw. sollen ausdrücklich davon ausge-
chlossen sein. Es geht nur und ausschließlich um die
dentifikation. Daher ist der genetische Fingerabdruck
ein intensiverer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte als
er normale Fingerabdruck oder Fotos.
Der genetische Fingerabdruck tangiert die Rechte des
inzelnen nicht stärker als der herkömmliche Fingerab-
ruck. Warum ist man nicht konsequent und setzt dies in
iner klaren gesetzlichen Regelung um? Die Bundesre-
ierung hat stattdessen eine Regelung beschlossen, die
lte Fehler durch neue ersetzt. Offensichtlich ist sich die
undesregierung nicht einig, ob sie die DNA-Analyse
ördern oder verdammen soll, denn auch der Bundes-
nnenminister hat in dieser Frage unsere Position vertre-
en.
Der Richtervorbehalt soll nach der vorgeschlagenen
egelung jetzt im Wesentlichen nur für die Fallgruppe
egfallen, bei denen er erst vor drei Jahren von Rot-
rün gegen alle Vernunft eingeführt wurde: Die Unter-
uchung anonymer Tatortspuren, bei der auch der enga-
ierteste Richter bisher nicht wissen konnte, wessen In-
ividualrechte er eigentlich schützen sollte, darf nun
ieder von Staatsanwaltschaft oder Polizei angeordnet
erden.
Dafür werden den Richtern bei Massentests neue Rät-
el beschert. Obwohl diese Tests ohnehin nur auf freiwil-
iger Basis durchgeführt werden, sollen sie nun zusätz-
ich durch einen Richter abzusegnen sein. Welche
riterien er hier anwenden soll, ist unerfindlich.
Auch die Normen, die das Speichern von DNA-Iden-
ifizierungsmustern für die Aufklärung zukünftiger
traftaten gestatten, bleiben halbherzig und kompliziert.
ies soll nur nach ganz bestimmten Delikten erlaubt
ein, die aber im Gesetz nach wie vor nicht klar genug
eschrieben werden: Neben einzelne erhebliche Strafta-
en treten nun auch wiederholte nicht erhebliche Strafta-
en. Was das in der Praxis genau bedeuten soll, weiß nie-
and.
Der heute beratene Gesetzentwurf sieht dazu vor, dass
uch das Vorliegen minderschwerer Straftaten statt einer
17260 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005
(A) )
(B) )
erheblichen Straftat für die Anordnung der DNA-Ana-
lyse genügen soll. Diese Beurteilung dürfte mithilfe der
geplanten richterlichen Prognoseentscheidung prozes-
sual fragwürdig und realitätsfremd sein. Die dazu durch
das Gericht vorzunehmende Gesamtschau muss eine
Gleichwertigkeit der Straftaten zum Ergebnis haben; zu-
dem muss der beurteilende Richter mit weiteren schwe-
ren Taten rechnen. Diese Anforderungen sind kaum ein-
zuhalten bzw. dürften dann instanzgerichtlich einer
Überprüfung kaum standhalten.
Klar und konsequent wäre es, jedes Delikt genügen zu
lassen, das weitere Delikte befürchten lässt. Dass es
nicht darum geht, jeden Ladendieb zu erfassen, versteht
sich ohnehin von selbst.
Fahrlässiges Blockieren wichtiger Maßnahmen zur
Verbrechensbekämpfung, um dann in letzter Minute
doch noch eine unzureichende Lösung durchzuziehen,
ist Regierungsmethode von Rot-Grün in ihrem Endsta-
dium. Vorausschauende Rechtspolitik und an den
Sicherheitsinteressen der Bevölkerung orientierte Ver-
brechensbekämpfung sieht aber anders aus. In der
Rechtspolitik und der Verbrechensbekämpfung reicht es
nicht, erst drei Schritte zurück und dann zwei Schritte
vor zu gehen.
Wir werden daher dieses Gesetzgebungsverfahren
konstruktiv begleiten, um den Spatz in der Hand für die
Verbrechensbekämpfung festzuhalten, aber vom Herbst
an eine konsistente und überzeugende Rechtspolitik an-
stelle von Rot-Grün ins Werk setzen.
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
DNA-Analyse hat sich als ein effektives und modernes
Mittel zur Aufklärung von Straftaten bewährt. Wir Grü-
nen befürworten die Anwendung der DNA-Analyse, so-
fern dieser Einsatz in rechtsstaatlichen Bahnen verläuft.
Die Entnahme von Körperzellen, deren molekulargene-
tische Untersuchung und gegebenenfalls die Speiche-
rung des ermittelten DNA-Musters bedeuten einen tiefen
Eingriff in die Rechte der Betroffenen. Deshalb muss die
DNA-Analyse besonderen Anforderungen unterworfen
bleiben. Eine Gleichsetzung dieses so genannten geneti-
schen Fingerabdrucks mit dem konventionellen Finger-
abdruck, der keinen vergleichbar sensiblen Grundrechts-
eingriff darstellt, wäre nach meiner Überzeugung
verfassungswidrig. Entsprechende Vorstöße der Union in
diese Richtung lehne ich daher auch vehement ab.
Unser Gesetzentwurf erweitert die Anwendungsmög-
lichkeiten der DNA-Analyse, wahrt jedoch die rechts-
staatlichen Begrenzungen. Am Richtervorbehalt werden
wir nicht rütteln. Nur die richterliche Entscheidung
vorab gewährleistet einen effektiven und nachvollzieh-
baren Grundrechtsschutz für die Betroffenen. Nur in
zwei Ausnahmefällen sehen wir von der Notwendigkeit
einer richterlichen Entscheidung ab:
Erstens. Bei so genannten anonymen Spuren, wenn
also das DNA-Material nicht bei einem Menschen ent-
nommen, sondern an einem Tatopfer oder Tatort vorge-
funden wird und keinem konkreten Beschuldigten zuge-
ordnet werden kann. Hier läuft die richterliche Kontrolle
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ns Leere, da noch keine auf einen konkreten Beschul-
igten abzielende Prognose möglich ist. Selbstverständ-
ich bleiben die Ermittlungsbehörden in solchen Fällen
n den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden.
Zweitens. Bei schriftlicher Einwilligung einer über
ie Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters in-
ormierten Person kann eine richterliche Entscheidung
ntfallen. Hier werden die Ermittlungsbehörden gerade
ei inhaftierten Personen besonderen Wert auf eine in-
altlich vollständige Belehrung legen müssen, um dem
esetz Genüge zu tun. Es versteht sich von selbst, dass
einerlei Druck, auch nicht durch Versprechen von Ver-
ünstigungen, auf die Person ausgeübt werden darf, die
hre Einwilligung erklären soll.
Die Gewinnung und Speicherung der DNA-Identi-
izierungsmuster zur Aufklärung zukünftiger Straftaten
teht aus gutem Grund unter der Bedingung, dass Ge-
enstand sowohl bei der Anlass- also auch der Prognose-
at eine erhebliche Straftat ist. Diese Grenze hat das
undesverfassungsgericht mit überzeugender und auch
eute noch geltender Begründung gezogen. Auch des-
alb erübrigen sich alle Forderungen nach Gleichstel-
ung des genetischen mit dem herkömmlichen Finger-
bdruck wegen des von allen staatlichen Behörden zu
chtenden Grundrechtsschutzes. Von der Erheblichkeits-
chwelle dürfen wir grundsätzlich nicht abrücken; wohl
ber können wir sie modifizieren. Das haben wir getan.
ei Mehrfachtätern kann sich aus der notwendigen Ge-
amtbetrachtung aller Straftaten ergeben, dass diese in
hrem Gesamtunrechtsgehalt einer einzigen Straftat von
rheblicher Bedeutung gleichstehen. Das wird bei mehr-
achem Ladendiebstahl sicherlich auszuschließen sein.
edoch können zum Beispiel Körperverletzungen, wenn
ie sich häufen, eine solche Bewertung rechtfertigen.
Diese Grenze verteidigen wir auch gegen die polemi-
chen Anfeindungen der FDP, die auch in dieser Frage
eine klare Position zu haben scheint. Vollmundig ver-
ündet sie in ihrem Parteitagsbeschluss „weiterhin nur
ei Straftaten von erheblicher Bedeutung“ die DNA-
nalyse zu befürworten. Die Realität sieht aber ganz an-
ers aus: Im Rechtsausschuss dürfen wir einen Gesetz-
ntwurf des FDP-Justizministers Baden-Württembergs
ehandeln, der auch „nicht erhebliche Straftaten mit
exuellem Hintergrund“ in den Anlasstatenkatalog auf-
ehmen möchte. Aus der Gesetzesbegründung wird
eutlich, wohin die FDP bei der DNA-Speicherung tat-
ächlich möchte: Sie möchte Beleidigungen und Droh-
nrufe erfassen. Zuletzt hat Herr Goll, FDP, übrigens im
ärz dieses Jahres im Rechtsausschuss des Bundesrates
ür die Ausweitung der Anlasstaten auf „Straftaten von
icht unerheblicher Bedeutung“ gestimmt. Auch FDP-
ustizminister Mertin, Rheinland-Pfalz, regt an, zu prü-
en, ob die DNA mit erkennungsdienstlichen Maßnah-
en gleichgestellt werden kann; nachlesbar im Protokoll
er Justizministerkonferenz vom Juni 2004.
Dies illustriert: Bürgerrechte sind für die FDP neue
ahlkampflyrik. Ihre Politiker in Regierungsverantwor-
ung marschieren in die entgegengesetzte Richtung.
Zugleich werden wir eine gesetzliche Grundlage für
assengentests schaffen. Auch hier gilt, da potenziell
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005 17261
(A) )
(B) )
ein sehr großer Personenkreis betroffen werden kann,
der Richtervorbehalt. Nur wenn ein Richter die engen
Voraussetzungen bejaht, können Personen zum Massen-
gentest gebeten werden. Die Teilnahme darf ausschließ-
lich auf freiwilliger Basis erfolgen. Die Gesetzesbegrün-
dung stellt klar, dass die Weigerung allein nicht dazu
dienen darf, einen Tatverdacht zu begründen.
Und noch eine Änderung, eine Verbesserung des gel-
tenden Rechts, enthält unser Gesetzentwurf: Wird im
konkreten Ermittlungsverfahren eine DNA-Analyse ge-
macht und soll diese später in der DNA-Datei gespei-
chert werden, so muss der Betroffene hierüber künftig
benachrichtigt werden. Dies ermöglicht ihm, gegen die
Umwidmung Rechtsschutz zu suchen. Die bisherige
„Heimlichkeit“ in diesen Fällen wird damit endlich be-
endet.
Unser Gesetzesvorschlag hält die Balance zwischen
unverzichtbaren rechtsstaatlichen Anforderungen und
notwendigen Anpassungen der DNA-Regelungen an die
Realität. DNA-Analysen gehören, so wie wir sie mit un-
serem Gesetz ausgestalten, zum Handwerkszeug der Er-
mittlungsbehörden. Nicht zuletzt sind sie auch ein Mit-
tel, mit dem Unschuldige von ungerechten Vorwürfen
entlastet werden können.
Gisela Piltz (FDP): Für die Bürgerrechte in diesem
Land wäre es ein schwarzer Tag, wenn das von Rot-
Grün vorgelegte Gesetz in Kraft tritt. Das Gesetz trägt
die Handschrift einer Politik, die in der Abwägung zwi-
schen Bürgerrechten und vermeintlicher Steigerung der
Sicherheit immer diejenige Maßnahme wählen wird, die
zulasten der Bürgerrechte geht.
Deshalb wird sich die FDP-Bundestagsfraktion
freuen, wenn dieser Gesetzentwurf in der jetzigen Legis-
laturperiode kein Gesetz mehr wird. Das, was Sie hier
vorgelegt haben, geht weit über das zur Verbesserung
der Verbrechensbekämpfung Notwendige hinaus.
Es gibt ja durchaus gute Ansätze in diesem Gesetz: So
werden die DNA-Reihenuntersuchungen endlich auf
eine rechtliche Grundlage gestellt, wie die FDP-Fraktion
es längst gefordert hat. Die Aufhebung des Richtervor-
behalts bei anonymen Genspuren ist ebenfalls richtig.
Ich stimme Ihnen zu: Es ist nicht einzusehen, warum ein
fremdes Kaugummi am Tatort nicht untersucht werden
darf.
Dann allerdings schießen Sie in den anderen Punkten
wieder weit über das Ziel hinaus, vermutlich angetrieben
von Ihrem Innenminister, Herrn Schily. Nicht, dass wir
uns missverstehen: Ich möchte ganz klar festhalten: Die
DNA-Analyse ist ein wirksames Instrument zur Verbre-
chensaufklärung und sie ist bei der Strafverfolgung nicht
mehr wegzudenken. Aber: Sie ist auch die schärfste
Waffe der Polizei; sie greift tief in das Recht auf infor-
mationelle Selbstbestimmung ein, das ja den Kern-
bereich der Intimsphäre besonders schützt. Vor diesem
Hintergrund müssen wir den Einsatz dieser Technik, ihre
Vorteile und Möglichkeiten, beurteilen und gründlich
abwägen.
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Maßgebliches Kriterium ist für uns Liberale die
echtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Danach
arf die DNA-Analyse bei Taten von nicht erheblicher
edeutung nur dort angewandt werden, wo erwiesener-
aßen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit weiteren
chweren Straftaten zu rechnen ist. Die Genanalyse darf
icht zu einer Routinemaßnahme bei Bagatellkriminali-
ät ausgeweitet werden.
Genau da liegt aber das Problem mit ihrem Gesetzent-
urf. Sie führen die DNA-Analyse bei Wiederholungs-
ätern ein, unabhängig von der Erheblichkeit der Strafta-
en und möglicher Folgedelikte. So werden sich
emnächst wohl auch Ladendiebe und Graffitisprayer in
hrer DNA-Datenbank wiederfinden.
Diese massenhafte Datensammlung steht nicht im
erhältnis zum Zweck. Soll sich die Polizei durch Hun-
erte von Datensätzen wühlen müssen, obwohl doch klar
t, dass die in der Datei vermerkten Personen zumeist
ar nicht als Täter infrage kommen, weil sie einfach nur
reimal beim Klauen erwischt wurden? Die scharfe
affe der DNA-Analyse kann auch stumpf werden, und
war bei einer bedenkenlosen und automatisierten An-
endung.
Auch kann ich Ihrer Forderung, die Anordnung der
NA-Analyse bei Gefahr im Verzug durch die Polizei
der Staatsanwaltschaft durchführen zu lassen, nicht zu-
timmen. Es ist doch klar – das hat ja auch die Praxis in
nderen Bereichen gezeigt –: Bei der Beurteilung von
Gefahr im Verzug“ gibt es einen großen Spielraum, der
egelmäßig genutzt wird. Es verführt doch geradezu, den
ichter vor einer solchen Anordnung gar nicht mehr zu
ragen, sondern allein die Exekutive entscheiden zu las-
en. Dann wird die DNA-Analyse für die Polizei zur blo-
en Routinemaßnahme. Das Recht auf informationelle
elbstbestimmung wird weiter ausgehöhlt. Eine solche
raxis und auch schon das zugrunde liegende Gesetz
erstoßen gegen die Rechtsprechung des Bundesverfas-
ungsgerichts.
Die Menschen in unserem Land werden immer mehr
um Objekt staatlichen Handelns. Ich frage Sie, wo blei-
en die Rechte der Bürger?
Auch der Verlust des Richtervorbehalts bei der frei-
illigen DNA-Analyse birgt massive Gefahren. Ein Ver-
ächtiger, der sich in einer Verhörsituation weigert, die
NA-Analyse durchführen zu lassen, bringt sich mit der
eigerung doch gleich in eine ungünstige Situation.
Dass die Ermittlungsbehörden auf mehr Eingriffs-
echte pochen, liegt in der Natur der Sache. Doch es be-
eutet bei jedem einzelnen Eingriff einen erheblichen
inschnitt in die Rechte der Bürger.
Wir Liberale werden einem blinden Aktionismus
icht nachgeben, weil solche Maßnahmen immer ver-
ältnismäßig bleiben müssen. Die Ausweitung der
NA-Analyse, wie sie Rot-Grün in dem vorgelegten
esetzentwurf vorschlägt, ist unverhältnismäßig.
17262 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005
(A) )
(B) )
Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: Am
12. Mai habe ich den Referentenentwurf eines Gesetzes
zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse vorge-
legt. Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, schon
heute, nur fünf Wochen später parallel einen entspre-
chenden Regierungs- und Fraktionsentwurf präsentieren
zu können.
Ich freue mich auch deshalb, weil die bisherigen Re-
aktionen aus der Praxis – und zwar vor allem aus der po-
lizeilichen Praxis – den Gesetzentwurf ganz überwie-
gend positiv bewerten. Deshalb wundere ich mich über
die bisherigen Reaktionen aus Unionskreisen. Deren
Vertreter haben sich offenbar dazu entschlossen, die Po-
lizei rechts zu überholen, und beharren auf altbekannten
Forderungen, für die sie selbst im unionsdominierten
Bundesrat keine Mehrheit gefunden haben.
Demgegenüber präsentiert die Koalition mit dem vor-
liegenden Entwurf ein in sich stimmiges und schlüssiges
Gesamtkonzept für eine Novellierung der forensischen
DNA-Analyse.
Ziel unseres Entwurfs ist es, in der Praxis aufgetre-
tene Rechtsunsicherheiten durch klare und übersichtli-
che gesetzliche Regelungen abzubauen, ein sachlich ab-
gestuftes System der Richtervorbehalte zu schaffen und
die Anwendungsmöglichkeiten der DNA-Analyse für
Zwecke künftiger Strafverfahren zu erweitern. Dement-
sprechend sehen wir folgende Änderungen vor:
Erstens. Der Richtervorbehalt für die molekulargene-
tische Untersuchung von Spuren wird gestrichen. Es
wird ferner im Gesetz klargestellt, dass bei Einwilligung
der betroffenen Person in eine DNA-Analyse keine ge-
richtliche Entscheidung erforderlich ist. Gerade diese
Frage war in der Rechtsprechung bislang unterschiedlich
beantwortet worden.
Zweitens. Daneben schaffen wir erstmals eine aus-
drückliche gesetzliche Regelung zur Durchführung von
Reihengentests auf der Basis einer freiwilligen Mitwir-
kung der betroffenen Personen nach einer vorherigen
richterlichen Anordnung. Auch hier waren in der Praxis
Unsicherheiten aufgetreten und Zweifel hinsichtlich der
Rechtsgrundlage laut geworden.
Drittens. Die Voraussetzungen für eine DNA-Analyse
zu Zwecken künftiger Strafverfolgung erweitern wir so,
dass die Maßnahme auch bei Beschuldigten zulässig
wird, die wiederholt Straftaten – auch von jeweils nicht
erheblicher Bedeutung – begangen haben oder diese vo-
raussichtlich begehen werden. Einerseits bleibt damit
der „einfache“ Ladendieb und Schwarzfahrer bei der
Speicherung außen vor. Andererseits tragen wir krimino-
logischen Erkenntnissen Rechnung, die uns sagen, dass
in massiver Weise vorgehende Sexualstraftäter oftmals
ihre kriminelle Karriere mit einem Spaziergang quer
durch das Strafgesetzbuch begonnen haben. Insoweit
gleichen wir das Recht der DNA-Analyse an die Praxis
der erkennungsdienstlichen Behandlung an. Denn beim
Ladendieb oder Schwarzfahrer wird regelmäßig auch
kein Fingerabdruck genommen.
Viertens. Und schließlich zu den so genannten Um-
widmungsfällen, bei denen im Rahmen eines laufenden
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rmittlungsverfahrens zur Aufklärung einer Straftat eine
NA-Analyse durchgeführt wird, das erhobene DNA-
dentifizierungsmuster nunmehr aber für Zwecke künfti-
er Strafverfolgung in der DNA-Analysedatei gespei-
hert werden soll. Hier sehen wir eine Benachrichtigung
es Betroffenen über die Speicherung sowie seine Be-
ehrung über die Möglichkeit vor, gerichtlichen Rechts-
chutz zu erlangen.
Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass es angesichts
er voraussichtlichen Neuwahlen nicht einfach sein
ird, die parlamentarischen Beratungen noch rechtzeitig
um Abschluss zu bringen. Ich habe mich gleichwohl
afür entschieden, den Gesetzentwurf einzubringen.
enn ich glaube, dass sämtliche Sachargumente ausge-
auscht sind und auch im Hinblick auf die vor dem Ab-
chluss stehenden Beratungen der Konferenz der Justiz-
inisterinnen und Justizminister ein weiteres Zuwarten
icht sachdienlich sein kann.
Und all denjenigen in der Union, die vom Wahlsieg
nd von einer Koalition mit der FDP träumen, darf ich
um Abschluss eines sagen: Die FDP hat sich hier bis-
ang sehr zurückhaltend gezeigt. Da werden Sie es
chwer haben, zu einem auch nur ansatzweise vernünfti-
en Ergebnis zu kommen. Der von uns vorgelegte Ge-
etzentwurf bietet demgegenüber die Chance, dem Ab-
chluss der Sachdiskussion die richtige politische
ntwort folgen zu lassen. Auf absehbare Zeit ist er so
der so das Maximum des Machbaren.
Lassen Sie uns diese Chance nutzen!
nlage 11
Amtliche Mitteilungen
Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 13. Juni
005 mitgeteilt, dass sie den Antrag Weichenstellungen
ür ein deutsch-russisches Jugendwerk auf Druck-
ache 15/1240 zurückzieht.
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
itgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2
er Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der
achstehenden Vorlage absieht:
Auswärtiger Ausschuss
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit der
Westeuropäischen Union für die Zeit vom 1. Januar bis
31. Dezember 2004
– Drucksachen 15/5198, 15/5288 Nr. 1.1 –
Innenausschuss
– Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Tech-
nikfolgenabschätzung (19. Ausschuss) gemäß § 56 a der
Geschäftsordnung
Technikfolgenabschätzung
hier: TA-Projekt: Biometrische Identifikationssys-
teme – Sachstandsbericht
– Drucksache 14/10005 –
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005 17263
(A) (C)
(B) )
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-
Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische
Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera-
tung abgesehen hat.
Auswärtiger Ausschuss
Drucksache 15/5297 Nr. 1.1
Drucksache 15/5297 Nr. 1.2
Drucksache 15/5297 Nr. 2.9
Drucksache 15/5297 Nr. 2.29
Finanzausschuss
Drucksache 15/5297 Nr. 2.5
Drucksache 15/5297 Nr. 2.17
Drucksache 15/5297 Nr. 2.22
Drucksache 15/5297 Nr. 2.36
Drucksache 15/5396 Nr. 1.4
Drucksache 15/5396 Nr. 1.8
Drucksache 15/5396 Nr. 2.5
Drucksache 15/5 513 Nr. 2.6
Drucksache 15/5513 Nr. 2.9
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Drucksache 15/5172 Nr. 1.2
Drucksache 15/5513 Nr. 2.4
Drucksache 15/5513 Nr. 2.11
Drucksache 15/5513 Nr. 2.17
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Drucksache 15/5297 Nr. 2.4
Drucksache 15/5297 Nr. 2.6
Drucksache 15/5297 Nr. 2.7
Drucksache 15/5297 Nr. 2.14
Drucksache 15/5297 Nr. 2.15
Drucksache 15/5297 Nr. 2.16
Drucksache 15/5297 Nr. 2.27
Drucksache 15/5297 Nr. 2.28
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit
Drucksache 15/5080 Nr. 1.2
Drucksache 15/5080 Nr. 2.18
Drucksache 15/5513 Nr. 2.18
Drucksache 15/5513 Nr. 2.23
Drucksache 15/5513 Nr. 2.28
Haushaltsausschuss
Drucksache 15/5172 Nr. 1.5
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Drucksache 15/5396 Nr. 1.7
Drucksache 15/5396 Nr. 1.10
Drucksache 15/5396 Nr. 1.12
Drucksache 15/5396 Nr. 1.16
Drucksache 15/5396 Nr. 2.9
Drucksache 15/5396 Nr. 2.10
Drucksache 15/5396 Nr. 2.11
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Drucksache 15/5396 Nr. 1.1
Drucksache 15/5396 Nr. 1.2
Drucksache 15/5396 Nr. 2.2
(D
Drucksache 15/5513 Nr. 2.5
Ausschuss für Menschenrechte und
Humanitäre Hilfe
Drucksache 15/5297 Nr. 1.4
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Drucksache 15/5297 Nr. 2.10
Drucksache 15/5297 Nr. 2.30
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Drucksache 15/4705 Nr. 2.1
Drucksache 15/5396 Nr. 1.5
Ausschuss für Kultur und Medien
Drucksache 15/5297 Nr. 2.2
182. Sitzung
Berlin, Freitag, den 17. Juni 2005
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10
Anlage 11