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    Plenarprotokoll 15/166 unser Land: Deutschlands Kräfte stärken Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Angela Merkel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem OCCAR-Geheimschutz- übereinkommen vom 24. September 2004 (Drucksache 15/4979) . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 28. März 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutsch- land und der Bundesrepublik Nigeria über die Förderung und den gegensei- tigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache 15/4980) . . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- 15484 B 15496 B 15502 C 15506 D 15509 D 15515 A 15527 C 15527 C Deutscher B Stenografisc 166. Si Berlin, Donnerstag, I n h a Beileid zum Tode des früheren Bundes- ministers für Arbeit und Sozialordnung, Mitglied des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments Walter Arendt . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Volker Kröning . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler: Aus Verantwortung für 15483 A 15483 B 15484 B Peer Steinbrück, Ministerpräsident (Nordrhein-Westfalen) . . . . . . . . . . . . . . . . 15521 A undestag her Bericht tzung den 17. März 2005 l t : Dr. Gesine Lötzsch (fraktions- los) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 28. August 1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Kirgisischen Republik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalan- lagen (Drucksache 15/4978) . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- 15526 C 15527 C zes zu dem Vertrag vom 17. Oktobe 2003 zwischen der Bundesrepubl Deutschland und der Republik Guat mala über die Förderung und de r ik e- n II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 gegenseitigen Schutz von Kapitalan- lagen (Drucksache 15/4981) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 30. Oktober 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Angola über die Förderung und den gegenseiti- gen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache 15/4982) . . . . . . . . . . . . . . . . f) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 1. Dezem- ber 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanla- gen (Drucksache 15/4983) . . . . . . . . . . . . . . . . g) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 19. Januar 2004 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache 15/4984) . . . . . . . . . . . . . . . . h) Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, Christoph Hartmann (Homburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gashydratfor- schung fest in die Forschungen „System Erde“ und „Neue Technologien“ inte- grieren (Drucksache 15/3814) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: „Meer für Morgen“ – Impulse für die maritime Verbundwirt- schaft (Drucksache 15/5099) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs 15527 D 15527 D 15528 A 15528 A 15528 A 15528 B eines Gesetzes zur Reform des Reisekos- tenrechts (Drucksachen 15/4919, 15/5127) . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Sprengstoffgesetzes und anderer Vorschriften (3. SprengÄndG) (Drucksachen 15/5002, 15/5129) . . . . . . . c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bun- des-Apothekerordnung und anderer Gesetze (Drucksachen 15/4784, 15/5093, 15/5108) d) Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Günther Friedrich Nolting, Helga Daub, Jörg van Essen, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ehemaligen Soldaten der Nationa- len Volksarmee das Führen ihrer frühe- ren Dienstgrade erlauben (Drucksachen 15/3357, 15/4949) . . . . . . . e) Dritter Bericht des Ausschusses für Wahl- prüfung, Immunität und Geschäftsord- nung: zu den Überprüfungsverfahren nach § 44 b des Abgeordnetengesetzes (AbgG) Überprüfung auf Tätigkeit oder politi- sche Verantwortung für das Ministe- rium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Drucksache 15/4971) . . . . . . . . . . . . . . . f)– j) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 192, 193, 194, 195 und 196 zu Petitionen (Drucksachen 15/5039, 15/5035, 15/5036, 15/5037, 15/5038) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Beschlussempfehlung des Rechtsaus- schusses: Übersicht 10 über die dem Deutschen Bundestag zu- geleiteten Streitsachen vor dem Bundes- verfassungsgericht (Drucksache 15/5114) . . . . . . . . . . . . . . . 15528 A 15528 D 15529 C 15529 B 15529 C 15529 C 15530 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 III b) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses: zu der Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht – 1 BvR 357/05 (Drucksache 15/5113) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 6: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungs- ausschuss) zu dem Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes (Drucksachen 15/3168, 15/3214, 15/3455, 15/3510, 15/3871, 15/5121) . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 7: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungs- ausschuss) zu dem Dritten Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschrif- ten (Drucksachen 15/3280, 15/4419, 15/4634, 15/5122) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsaus- schuss) zu dem Zweiten Gesetz zur Ände- rung des Straßenverkehrsgesetzes und an- derer Gesetze (Drucksachen 15/3351, 15/4730, 15/4921, 15/5123) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Große Anfrage der Abgeordneten Julia Klöckner, Thomas Rachel, Andreas Storm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Förderung der Organspende (Drucksachen 15/2707, 15/4542) . . . . . . . . . . Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . . . . Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Selg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Julia Klöckner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 15530 B 15530 B 15530 C 15530 D 15530 D 15531 A 15532 C 15534 A 15535 A 15536 A Marion Caspers-Merk (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Wodarg (SPD) . . . . . . . . . . . . . Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Kirschner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: a) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: 61. Tagung der Menschenrechtskom- mission der Vereinten Nationen – Reform und Normensetzung für einen verbesserten Menschenrechtsschutz (Drucksache 15/5118) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Hermann Gröhe, Holger Haibach, Rainer Eppelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Die 61. Tagung der VN-Menschenrechts- kommission als Chance zur Reform – Mehr Engagement für Menschenrechte weltweit (Drucksache 15/5098) . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: EU-Jahresbericht 2004 zur Menschenrechtslage Ratsdok. 11922/1/04 REV 1 (Drucksachen 15/4001 Nr. 1.1, 15/4757) d) Beschlussempfehlung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe – zu dem Antrag der Abgeordneten Rudolf Bindig, Detlef Dzembritzki, Siegmund Ehrmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Christa Nickels, Volker Beck (Köln), Thilo Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Nepal – Menschenrechte schützen und Gewalt beenden – zu dem Antrag der Abgeordneten Rainer Funke, Ulrich Heinrich, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter 15537 D 15538 B 15538 C 15539 D 15541 A 15542 B 15542 C 15542 C IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 und der Fraktion der FDP: Einhaltung der Menschenrechte in Nepal (Drucksachen 15/4397, 15/3231, 15/4899) e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- ordneten Rainer Funke, Dr. Karl Addicks, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ratifikation des 12. Zusatzprotokolls zur Europäi- schen Menschenrechtskonvention (Drucksachen 15/4405, 15/4898) . . . . . . . f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- ordneten Dr. Werner Hoyer, Rainer Funke, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Men- schenrechte in der Volksrepublik China einfordern (Drucksachen 15/4402, 15/4953) . . . . . . . g) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Ab- geordneten Holger Haibach, Dr. Martina Krogmann, Melanie Oßwald, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Presse- und Meinungsfreiheit im Internet weltweit durchsetzen – Jour- nalisten, Menschenrechtsverteidiger und private Internetnutzer besser schützen (Drucksachen 15/3709, 15/5040) . . . . . . . h) Antrag der Abgeordneten Rainer Funke, Dr. Karl Addicks, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für die mandatsgebundene Begleitung VN-mandatierter Friedens- missionen durch Menschenrechtsbe- obachter (Drucksache 15/4946) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hermann Gröhe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . 15542 D 15542 D 15543 A 15543 A 15543 B 15543 C 15544 D 15546 B 15547 D 15548 D 15550 A Dr. Werner Hoyer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Klaus Rose (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Gradistanac, Sabine Bätzing, Ute Berg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ekin Deligöz, Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Kinder und Jugendliche wirksam vor sexueller Gewalt und Ausbeutung schützen (Drucksachen 15/3211, 15/4553) . . . . . . . . . . Renate Gradistanac (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Angela Schmid (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Haupt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Thomas Rachel, Dr. Maria Böhmer, Hubert Hüppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Forschungsförderung der Europäi- schen Union unter Respektierung ethischer und verfassungsmäßiger Prinzipien der Mitgliedstaaten (Drucksache 15/4934) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Rachel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vera Dominke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Jörg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 15550 C 15551 D 15553 C 15553 D 15554 D 15556 C 15557 D 15558 C 15559 D 15559 D 15561 B 15562 B 15563 A 15564 B 15565 B 15565 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 V Tagesordnungspunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (Drucksachen 15/4736, 15/5112) . . . . . . . . . . Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär BMVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Bleser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . Julia Klöckner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Detlef Parr, Ulrike Flach, Rainer Funke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Präimplan- tationsdiagnostik (Präimplantations- diagnostikgesetz – PräimpG) (Drucksache 15/1234) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung ge- mäß § 56 a der Geschäftsordnung: Tech- nikfolgenabschätzung hier: Sachstandsbericht Präimplanta- tionsdiagnostik – Praxis und rechtliche Regulierung in sieben ausgewählten Ländern (Drucksache 15/3500) . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erika Ober (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Eichhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des von den Abge- ordneten Joachim Stünker, Wolfgang Spanier, 15566 D 15567 A 15568 A 15569 B 15570 B 15571 A 15572 A 15573 D 15573 D 15574 A 15575 B 15576 C 15578 A 15579 B Hermann Bachmaier, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD sowie den Abge- ordneten Jerzy Montag, Franziska Eichstädt- Bohlig, Volker Beck (Köln), weiteren Abge- ordneten und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ein- führungsgesetzes zum Bürgerlichen Ge- setzbuche (Drucksachen 15/4134, 15/5132) . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Funke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Spanier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Große Anfrage der Abgeordneten Gitta Connemann, Dr. Wolfgang Bötsch, Günter Nooke, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Situation der Breiten- kultur in Deutschland (Drucksache 15/4140) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Bötsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckhardt Barthel (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Bildung, Forschung und Tech- nikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Ab- geordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann, Jörg Tauss, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD, der Abge- ordneten Grietje Bettin, Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN sowie der Abgeordneten Cornelia 15580 B 15580 C 15581 C 15584 B 15585 B 15585 D 15587 A 15587 B 15588 C 15589 D 15590 D 15592 A 15593 A VI Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 Pieper, Dr. Karl Addicks, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Impulse für eine internationale Aus- richtung des Schulwesens – Den Bildungs- standort Deutschland auch im Schulbe- reich stärken (Drucksachen 15/4723, 15/5097) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Grundstückverkehrsgesetzes und des Landpachtverkehrsgesetzes (Drucksache 15/4535) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Karin Kortmann, Detlef Dzembritzki, Siegmund Ehrmann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Volker Beck (Köln), Winfried Hermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Zum Beginn der Dekade „Wasser zum Leben“ der Verein- ten Nationen (Drucksache 15/5115) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP: Die Wahlrichtlinien der Ent- wicklungsgemeinschaft der Staaten im süd- lichen Afrika (SADC) als Maßstab für freie und faire Wahlen auch in Simbabwe (Drucksache 15/5117) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Impulse für eine internationale 15594 C 15594 D 15595 A 15595 C 15595 D 15597 A Ausrichtung des Schulwesens – Den Bildungsstandort Deutschland auch im Schulbereich stärken (Tagesordnungs- punkt 12) Gesine Multhaupt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernward Müller (Gera) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundstückverkehrsgesetzes und des Landpachtverkehrsgesetzes (Tagesordnungs- punkt 13) Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . Kurt Segner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Zum Beginn der Dekade „Was- ser zum Leben“ der Vereinten Nationen (Ta- gesordnungspunkt 14) Dagmar Schmidt (Meschede) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Christa Reichard (Dresden) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Heinrich (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) . . . . . . . . . . Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15597 B 15598 B 15599 D 15600 C 15601 B 15602 B 15603 B 15604 C 15605 A 15605 D 15607 B 15608 B 15609 B 15610 A 15610 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 VII Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Die Wahlrichtlinien der Ent- wicklungsgemeinschaft der Staaten im süd- lichen Afrika (SADC) als Maßstab für freie und faire Wahlen auch in Simbabwe (Tages- ordnungspunkt 15) Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . 15611 B 15613 B 15615 B 15616 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 15483 (A) (C) (B) (D) 166. Si Berlin, Donnerstag, Beginn: 9
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    3) Anlage 5 4) Redebeitrag wird als Anlage zum Stenografischen Bericht der 167. Sitzung abgedruckt. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 15597 (A) (C) (B) (D) bei der jungen Generation, sich verstärkt an Förderpro- grammen im Jugend- und Bildungsbereich zu beteiligen: Nachbarstaaten konkret in der Bildungsplanung und For- schungsforderung zu verbessern. mokratischen Abgeordneten im europäischen Parlament zielen, die guten Beziehungen zu unseren europäischen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Impulse für eine in- ternationale Ausrichtung des Schulwesens – Den Bildungsstandort Deutschland auch im Schulbereich stärken (Tagesordnungspunkt 12) Gesine Multhaupt (SPD): „In die Ferne, um Neues kennen zu lernen, und zu- rück in die Heimat, um das Erlebte weiter zu erzäh- len und das Gewohnte mit „europäischen“ Augen zu sehen.“ Mit dieser Anleitung zum Reisen werben die sozialde- Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Andres, Gerd SPD 17.03.2005 Bulmahn, Edelgard SPD 17.03.2005 Carstensen (Nordstrand), Peter H. CDU/CSU 17.03.2005 Deittert, Hubert CDU/CSU 17.03.2005* Ernstberger, Petra SPD 17.03.2005 Göppel, Josef CDU/CSU 17.03.2005 Haack (Extertal), Karl Hermann SPD 17.03.2005 Hilsberg, Stephan SPD 17.03.2005 Minkel, Klaus CDU/CSU 17.03.2005 Nickels, Christa BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.03.2005 Probst, Simone BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.03.2005 Seib, Marion CDU/CSU 17.03.2005 Dr. Thomae, Dieter FDP 17.03.2005 Dr. Winterstein, Claudia FDP 17.03.2005 Anlagen zum Stenografischen Bericht Neugierig machen auf die vielen Möglichkeiten die Eu- ropa für Jugendliche bereithält; gemeinsam Hand anle- gen und mitbauen am Haus Europa; Lust bekommen auf die europäischen Förderprogramme; Fremdsprachen ler- nen und ausländische Schulen und Hochschulen besu- chen. Das sind unsere konkreten Ideen und Ziele, wie wir Schüler, Studierende und Erwachsene motivieren, auch einmal über den nationalen Tellerrand hinauszusehen. Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2010 einen europäi- schen Bildungs- und Forschungsraum zu schaffen. Auch von außen – zum Beispiel seitens der USA oder von Asien her – soll ein einheitliches, eben „europäisches“ Bildungssystem erkennbar werden. Die Grundlagen für späteres Leben, Lernen und Arbeiten werden in den all- gemeinbildenden, den Berufsbildenden und den weiter- führenden Schulen und Hochschulen gelegt. Deshalb setzt der vorliegende Antrag mit seinen Forderungen zu Recht an einer europäischen und internationalen Aus- richtung des Bildungssystems an. Wenn Europa immer enger zusammenwächst, sind die Förderung von Mobili- tät, der Austausch von Lehrkräften und Jugendlichen, das Intensivieren von Fremdsprachenerwerb, das Einführen von vergleichbaren Schul- und Bildungsstrukturen sowie das Anerkennen von Bildungsabschlüssen, und eine ziel- gerichtete Finanzierung von grenzüberschreitenden Ju- gendbegegnungen wesentliche Ziele einer europäischen und internationalen Ausrichtung unseres Bildungssys- tems. Aktuell befinden sich circa 10 Prozent der Menschen in Ausbildung und Bildung in den verschiedenen euro- päischen Ländern. Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle, dass dieser Anteil erheblich gesteigert werden muss, wenn wir das ehrgeizige Ziel der Lissa- bon-Strategie erreichen wollen, die Europäische Union bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dyna- mischsten wissensbasierten Raum der Welt zu machen. Die rot-grüne Bundesregierung unterstützt im Rah- men ihrer Zuständigkeit zielgerichtet die nationale Um- setzung der auf EU-Ebene vereinbarten Maßnahmen. Eine Verbesserung des Istzustandes kann jedoch nur in einer gemeinsamen Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen gelingen. Bund, Länder und freie Bildungs- träger müssen neben ihren Bemühungen um zunehmende Europäisierung und Internationalisierung in Hochschu- len und beruflicher Bildung auch den Schulbereich ver- stärkt in den Blick nehmen. Hier sind insbesondere die Länder gefordert, eine Ausweitung der Angebote an Schulen mit europäischer Ausrichtung, frühzeitige An- gebote für Fremdsprachenunterricht und Förderung des internationalen Schüleraustauschs verantwortlich zu rea- lisieren. In diesem Zusammenhang begrüßen und unter- stützen wir die vielfältigen Aktivitäten von Bund und Ländern in der Bund/Länder-Kommission, die darauf ab- 15598 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 (A) (C) (B) (D) Durch Personalabbau bei Lehrkräften, Psychologen und Sozialpädagogen mit der Folge, dass Integrations- maßnahmen, Ausländerförderungen und Sprachförde- rung gerade auch bei Schulkindern wegfallen, wie es beispielsweise die amtierende niedersächsische Landes- regierung in meinem eigenen Bundesland praktiziert, werden gerade eben nicht Impulse für eine zunehmend europäische Ausrichtung unseres Schulsystems gegeben. Ein gutes Beispiel hingegen ist der gerade zustande ge- kommene Koalitionsvertrag in Schleswig-Holstein. Hier wird konkret verabredet, den grenzüberschreitenden Austausch von Schülern, Auszubildenden, Studierenden und Berufstätigen zu fördern, um ihnen Praktika und Hospitationen im europäischen Ostseeraum zu ermögli- chen. Ich komme zum Schluss. Ein Europaprojekt an einer Schule am Bildungsstandort Deutschland mit seiner Partnerschule in Kopenhagen, Barcelona oder Warschau, ein freiwilliges soziales Jahr im bosnischen Kinderheim, ein Studienaufenthalt in Italien, ein Betriebspraktikum in Polen das sind alles Beispiele, wie wir junge Menschen neugierig, aber auch fit machen für den internationalen Wettbewerb um die „besten Köpfe“. Mit Ihrem Engage- ment in den von Ihnen regierten Bundesländern können Sie diesen spannenden Prozess in Europa ganz konkret durch eine bessere finanzielle Ausstattung der Schulen unterstützen. Im Interesse der vielen Begegnungen der jungen Generation sind Sie aufgefordert, Ihre Länderak- tivitäten voranzubringen. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Der vorlie- gende Antrag „Impulse für eine internationale Ausrich- tung des Schulwesens – den Bildungsstandort Deutsch- land auch im Schulbereich stärken“ wird zusammen eingebracht von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Er geht zurück auf eine Initiative der FDP aus dem Fe- bruar 2003, mit der die FDP die Bundesregierung auffor- dern wollte, die Bereitschaft von staatlich anerkannten oder genehmigten Schulen, ausländische Schülerinnen und Schüler aufzunehmen, grundsätzlich zu unterstützen und die entsprechenden Verwaltungsvorschriften so zu gestalten, dass beim Vorliegen der entsprechenden Vo- raussetzungen eine schnelle, unbürokratische Erteilung der Aufenthaltsbewilligung erfolgen kann. In der dama- ligen Debatte, die zu Pfingsten 2003 in diesem Hause stattfand, sprachen sich Vertreter aller Fraktionen dafür aus, eine solche internationale Ausrichtung im Schulwe- sen in Deutschland zu befördern. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Erstens. Die Bedeutung von Internationalität auch im Schulwesen wird ernsthaft von niemandem bestritten werden. Sprachen lernen, andere Länder kennen lernen, sich in anderen Kulturen bewegen können, den Aus- tausch zwischen Jugendlichen und jungen Menschen fördern, Weltoffenheit, globales Bewusstsein und Ver- antwortung ausbilden sind Bildungsziele, die in der Zu- kunft noch viel wichtiger werden, als sie es schon in der Vergangenheit waren. Wenn wir uns wünschen, dass deutsche Jugendliche Internationalität durch ein weltof- fenes Schulwesen in anderen Ländern erfahren, sind wir erst recht verpflichtet, ausländischen Jugendlichen diese Weltoffenheit auch in unserem Schulwesen entgegenzu- bringen. Im Bereich der Europäischen Union gibt es diese europäische Internationalität bereits. Über die Eu- ropäische Union hinaus sehen wir uns verpflichtet, auch jungen Menschen anderer Staaten dieser Welt Zugang zu unserem Bildungswesen und den Austausch zu ermögli- chen. Zweitens. Bildung ist ein öffentliches Gut und Bil- dung ist zugleich ein Gut, das in staatlicher wie freier Trägerschaft angeboten wird. Die Vermittlung von Bil- dung ist zudem ein Arbeitsfeld, das in der Wissensge- sellschaft der Zukunft noch mehr Anteil an der gesamt- staatlichen Wertschöpfung haben wird, als es schon jetzt der Fall ist. Auch in Deutschland haben wir dem interna- tionalen Bildungsbedürfnis konkrete Angebote zu ma- chen: im staatlichen Bereich, in den engen Grenzen, dass natürlich staatliche Mittel in erster Linie für den Bil- dungsanspruch auch der hier geborenen Kinder und Ju- gendlichen einzusetzen sind; im freien und privaten Be- reich in der Form, dass internationales Interesse an diesen Schulen angeboten und in Deutschland wahrge- nommen werden kann und dass Bildungsinstitutionen in Deutschland ihren Anteil am wachsenden so genannten Bildungsmarkt mit sichern und ausbauen können. Dies ist nicht nur gut für die Sicherung und den Ausbau von Arbeitsplätzen in diesem Bereich. Dies ist umso mehr verantwortbar, als die deutschen Bildungseinrichtungen hier auch ein hohes Niveau, eine gut organisierte und ab- gesicherte schulische Ausbildung anbieten können und daher das Interesse von ausländischen Kindern, Jugend- lichen und ihren Familien an den in Deutschland ange- botenen Bildungsgängen und Schulen auch eine Bestäti- gung für den Bildungsstandort Deutschland generell ist. Um es konkret zu sagen: Natürlich würden wir uns alle darüber freuen, wenn von den 20 000 Internatsplät- zen in Deutschland, von denen aktuell 5 000 unbesetzt sind, über die schon hier unterrichteten 1 500 Schülerin- nen und Schüler hinaus weitere diese Bildungsangebote wahrnehmen würden. Natürlich sollten wir zusammen daran arbeiten, dass von den rund 40 Trägern, die sich im Bereich der freien und privaten Schulen mit der Aus- bildung von Nicht-EU-Bürgern befassen, auch mehr als die bisher nur zehn Träger die Aus- und Weiterbildung für Nicht-EU-Bürger tatsächlich durchführen, ihre Bil- dungsangebote erfolgreich umsetzen könnten. Experten sprechen davon, dass auch hier rund 2 000 Plätze wahr- genommen werden können im Bereich der Sprachenaus- bildung, des Deutschzertifikats unterschiedlicher Stufen, im Bereich der allgemeinen Abschlüsse, was Abitur und die Fachhochschulreife angeht, im Bereich der berufs- qualifizierenden Schulen, was zum Beispiel Fremdspra- chenkorrespondenz betrifft und im Bereich der Weiter- bildung, was zum Beispiel Abschlüsse als Betriebswirt im Wellnessbereich etc. einschließt. An dieser Stelle konnten wir seinerzeit in der Debatte zu Pfingsten 2003 breite Übereinstimmung im Haus fest- stellen. Dies hat die SPD ermutigt, einen fraktionsüber- greifenden Antrag anzustreben, der gerade die Bereit- schaft und das Bewusstsein, diese Internationalität des deutschen Bildungswesens weiterzuentwickeln, über den Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 15599 (A) (C) (B) (D) bis dahin vorliegenden Antrag der FDP hinaus in den Mittelpunkt der Diskussion stellen wollte. Wir freuen uns, dass wir hierfür letztlich auch die FDP mit gewinnen konnten, damit es gemeinschaftlichen Rückhalt dafür gibt, dass die Marketingaktivitäten im Bereich der beruf- lichen Bildung und der Hochschulen in Kooperation mit den Ländern auch im Bereich der allgemeinbildenden Schulen ausgedehnt werden können. Wir stehen hinter dem Konzept der Europäisierung des Schulwesens mit dem System der bilingualen deutsch-französischen Part- nerschulen und freuen uns, dass es erste Ansätze hierfür auch im deutsch-tschechischen Bereich gibt. Wir nehmen mit Genugtuung auf, dass auch auf EU-Ebene in der nächsten Generation der Bildungsprogramme ab 2007 ein besonderer Schwerpunkt auf die Förderung der Mo- bilität und des Fremdsprachenerwerbs im schulischen Bereich gelegt werden soll. Diese drei Akzente sollen beispielhaft verdeutlichen, was Internationalisierung des Schulwesens meint und welche verstärkenden Initiativen Bund wie Länder in Deutschland hierzu ergreifen können. Zugleich hat die SPD zusammen mit Bündnis 90/Die Grünen und der FDP die Erwartung, dass in Zukunft mehr Erkenntnisse auf Ebene des Bundes und der Länder über den Stand der Europäisierung und Internationalisierung des Schul- wesens gewonnen werden. Wenn wir ehrlich sind, müs- sen wir zusammen feststellen, dass wir hierzu leider viel zu wenig exaktes Material vorliegen haben, was Daten über Mobilität und Austausch von Deutschen ins Aus- land und umgekehrt angeht. Gerade wenn wir eine ziel- führende Verbesserung in diesem Bereich erreichen wol- len, ist es unumgänglich, hier zu einer klareren Datengrundlage zu kommen. Bei aller Zustimmung und Unterstützung für eine In- ternationalisierung des Schulwesens dürfen wir nicht verkennen, dass im Bereich des Ausländerrechtes natür- lich auch Probleme liegen, die mit klarer Steuerung, kla- rer Gesetzgebung und ebenso konsistentem wie konse- quentem Verhalten angegangen werden müssen. Auch hierauf hatte die FDP in ihrem Ursprungsantrag hinge- wiesen und mit Recht moniert, dass es leider noch keine deutsche Tradition gibt, auch im Bildungswesen insge- samt Internationalisierung als Zukunftsförderung und nicht als Bedrohung anzusehen. Hierzu musste ehrlich- keitshalber jetzt festgestellt werden, dass der Fortschritt in diesem Bereich nur in sehr kleinen, sehr kalkulierten und sehr auf Sicherheit bedachten Schritten erreichbar ist. Machen wir uns doch zusammen klar: Als die FDP Pfingsten 2003 ihren Antrag ins Parlament einbrachte, hatten wir noch kein Zuwanderungsgesetz in Deutsch- land. Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Schulbesuchs war im Ausländerrecht kein Bestand. Alleine in einer Verwaltungsvorschrift wird dies geregelt. Mittlerweile ist die Entwicklung hier weitergegangen. Immerhin ha- ben wir ein Zuwanderungsrecht vorliegen, das erstmals in einem eigenen Abschnitt ausdrücklich den Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung enthält, nämlich in den § 16, in dem es um Studium, Sprachkurse und Schulbesuche geht, und im § 17, in dem es um sonstige Ausbildungs- zwecke geht. Gerade der Aufenthalt zum Zweck des Stu- diums hat nicht zuletzt durch die Beharrlichkeit der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen deutliche Verbesserun- gen für die Studentinnen und Studenten erbracht. Im Be- reich der Schulbesuche müssen wir nüchtern konstatie- ren, dass die Aufnahme in das Gesetz ein Fortschritt ist, die bisherige Verwaltungshandhabung gleichwohl noch sehr enge Grenzen sieht. Mit dem gemeinsamen Antrag wollen SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und die FDP deshalb die Bundesregierung nachdrücklich dazu auffordern, bei der Formulierung der allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu Regelungen zu kommen, die im Interesse einer zunehmenden internatio- nalen Öffnung des Schulwesens liegen. Ziel muss es sein, in einem ersten Schritt bei vorliegender allgemei- ner Erteilungsvoraussetzung positive Ausnahmen zum Zwecke der Erlangung des Hochschulzugangs oder zur Erlangung einer Berufsausbildung zu ermöglichen. Dies läge auch im Geiste des gemeinsam beschlossenen Zu- wanderungsgesetzes, das immerhin bei der abschließen- den Abstimmung im Bundestag am 1. Juli 2004 mit fast allen Stimmen des Hauses gegen zwei Stimmen aus der Fraktion der CDU/CSU und gegen zwei Stimmen der fraktionslosen Abgeordneten angenommen worden ist. Jetzt kommt es darauf an, im ersten Schritt hin zu mehr Internationalität in unserem Schulwesen konkrete Brü- cken zu bauen, ohne dem illegalen Zugang, dem Miss- brauch von Bildungsmotivation durch Geschäftemacher und Bildungsschleppern Vorschub zu leisten und ohne falsche Gettobildung im Bildungsbereich Türen zu öff- nen; denn gerade eine solche Gettobildung würde sich mit der internationalen Ausrichtung des Schulwesens nicht vertragen. Auf der anderen Seite müssen und wollen wir aber auch darauf bestehen, dass in dem Bemühen um klare Grundsätze, einheitliches Verhalten und hilfreiche Struk- turen für bildungsmotivierte Nicht-EU-Ausländer in Deutschland stete Fortschritte erreicht werden. Hierin waren wir uns im Jahr 2003 doch alle einig. Hierin kön- nen wir auch heute in der gemeinsamen Beschlussfas- sung einen weiteren Baustein setzen. Ich fordere auch die CDU/CSU auf, diesem gemeinsamen Antrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zuzustimmen, um damit ein klares Zeichen zu setzen, was wir von der Bundesregierung, aber auch den Landesregierungen er- warten, in der Weiterentwicklung des Bildungsstandorts Deutschland und der fairen und bildungsfreundlichen Unterstützung für Bildungswillige, Bildungsmotivierte und Bildungsangebote machende Institutionen in Deutschland mit Blick auf die internationale Ausrich- tung des Schulwesens. Kristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU): Ich muss Ihnen etwas ganz offen bekennen: Ihr Antrag hat mir reichlich Kopfzerbrechen bereitet. Ich habe ihn eifrig studiert, gründlich darüber nachgedacht und sorgfältig gewogen. Ich habe aber dennoch nicht verstanden, in welche Richtung die Reise nun eigentlich gehen soll. Ich würde aber gerne nachvollziehen können, was Sie mit Ihrem Antrag eigentlich beabsichtigen. 15600 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 (A) (C) (B) (D) Da gibt es zwei mögliche Interpretationen: Entweder Sie sind mit der bestehenden Rechtslage nach dem Zu- wanderungskompromiss total zufrieden. Dieser Ein- druck entsteht bei mir, da Sie in Ihrem Antrag bei Ihren Forderungen einfach nur mit großer Akribie die Anwen- dungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Zuwanderungsgesetz wiedergeben. Die Passagen zum Beispiel, in denen die Ausnahmen für einen Schulbesuch von Ausländern festgelegt werden, haben Sie einfach eins zu eins abgeschrieben. Wollen Sie also auch nicht mehr als das, was im Zu- wanderungskompromiss ohnehin geregelt ist? Dort ha- ben wir nämlich geregelt, den Schulbesuch von Auslän- dern nur in bestimmten wohldosierten Ausnahmen zuzulassen. Diese Regelungen geben Sie wörtlich wie- der. Erschöpft sich also Ihr Antrag in der Widergabe der bestehenden Rechtslage? Dann frage ich Sie: Wozu ein solcher Antrag? Ist es nicht reichlich profan, zu etwas aufzufordern, was der tatsächlichen Situation bereits ent- spricht? Nein, es ist mehr als das. Es schadet. Ein An- trag, der lediglich Selbstzweck ist, schadet. Er ver- schwendet Ressourcen, unser aller Zeit und schafft über- flüssige Bürokratie. Die sollte aber bei uns allen ins Visier genommen und keinesfalls gefördert werden. Man merkt, dass Sie Ihren Antrag vor einiger Zeit gemacht haben, vor der fulminanten Rede des Bundespräsidenten Horst Köhler; denn sonst hätten Sie sicher den seit Dienstag so vielzitierten Satz des Philosophen Montes- quieu beachtet: „Wenn es nicht nötig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es nötig, kein Gesetz zu machen.“ Oder – jetzt komme ich zu der zweiten Interpretation – Ihr Antrag ist so zu verstehen, dass Sie getroffene Kom- promisse aufkündigen wollen. Dann ist Ihr Antrag in der Tat keineswegs überflüssig, sondern enthält ein Novum, eine Intention, die deutlich über die Gesetzeslage hin- ausgeht. Dafür spricht auch einiges; denn in Ihrer For- mulierung taucht ganz versteckt das Wörtchen „zuneh- mend“ auf. Es heißt nämlich: „… zu Regelungen zu kommen, die im Interesse einer zunehmenden internatio- nalen Öffnung des Schulsystems liegen“. Und Sie be- nennen es als Ihr Ziel, Ausnahmen zu ermöglichen. Wir haben aber bereits Ausnahmen geregelt. Dann muss ich das doch wohl so verstehen, dass Sie immer mehr Aus- nahmen schaffen wollen. Sie wollen also den Ausnahmecharakter unterwan- dern. Sie wollen die Ausnahme zur Regel machen. Mehr noch: Sie schreiben, eine Aufenthaltserlaubnis solle er- teilt werden, wenn es sich um Angehörige von Staaten handelt, mit denen keine Rückführungsschwiergkeiten bestehen. Das kann prinzipiell jedes Land sein. Das In- nenministerium hat aber zum Zuwanderungskompro- miss festgelegt, dass nur in wenigen – genau genommen in elf Staaten – eine Ausnahme möglich sein soll. Diese Länder sind auch namentlich aufgeführt. Eine Verallge- meinerung, wie im Antrag vorgesehen, würde diesen be- grenzten Katalog also unüberschaubar ausweiten. Haben Sie das eigentlich mit Ihren Kollegen vom Innenaus- schuss besprochen? Dieser friedfertig wirkende Antrag mit den guten Ab- sichten schnürt das sorgsam gebündelte Zuwanderungs- paket wieder auf und davor kann ich nur warnen. Wir ha- ben um dieses Gesetz lange gerungen und wir haben jede einzelne Regelung sorgfältig geprüft und bewusst so ge- setzt. Sie gefährden diesen Kompromiss, indem Sie – ver- mutlich unbeabsichtigt – Zuwanderung durch die Hinter- tür ermöglichen, indem Sie die Ausnahmen ausweiten und sie zur Regel küren. Oder aber Ihr Antrag beabsich- tigt eben nicht ein Mehr als die bestehende Gesetzeslage. Dann allerdings wären wir wieder bei der ersten Variante. Es ist Ihr Antrag. Bitte sagen Sie mir, wie er zu verstehen ist. Ich kann Ihnen aber jetzt schon sagen, dass er entwe- der dem Gebot Montesquieu zuwiderläuft oder aber im Widerspruch zum Zuwanderungskompromiss steht. Ich kann allerdings weder die eine noch die andere Ausle- gung gutheißen. Bernward Müller (Gera) (CDU/CSU): Wir sprechen heute über einen Antrag, der gemeinsam von den Frak- tionen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP verantwortet und befürwortet wird. Wir sprechen über eine stärkere internationale Ausrichtung des Schul- wesens. Es geht um den Bildungsstandort Deutschland. Und daher wird jeder fragen: Das ist doch eine gute Sache! Warum macht die Union dabei nicht mit? Die CDU/CSU-Fraktion spricht sich ganz klar für eine Stärkung des Bildungsstandortes Deutschland aus. Auch wir sehen in der wachsenden europäischen und in- ternationalen Ausrichtung des Bildungssystems eine der wichtigsten aktuellen Herausforderungen an die Bil- dungspolitik. Bildung ist für die Union ein entscheiden- der Standortfaktor. Für die wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Weiterentwicklung der Bundesre- publik ist es von elementarer Bedeutung, den Bildungs- standort Deutschland insgesamt attraktiver zu gestalten. Daher haben wir uns auch schon bei der Debatte im Juni 2003 dafür ausgesprochen, Schülerinnen und Schü- lern von außerhalb der EU einen Schulbesuch in Deutschland zu ermöglichen. Es gibt gute Gründe, die Möglichkeit des Schulbesuchs in Deutschland zu er- leichtern. Die Internatsschüler in England und in der Schweiz haben sich zu einem Wirtschaftsfaktor für viele Regionen entwickelt. Darüber hinaus gibt es auch lang- fristig positive Effekte für den Standort Deutschland. Viele der jungen Menschen, die einen Schulbesuch im Ausland absolvieren, werden in einigen Jahren in Wirt- schaft und Politik ihres Heimatlandes in herausgehobe- nen Positionen tätig sein. Gerade in Zeiten der verstärk- ten Vernetzung der internationalen Märkte und des Zusammenrückens in Europa ist es wichtig, schon früh funktionierende Netzwerke zu knüpfen. Es spricht nichts dagegen, bereits in der Schule damit zu beginnen. Ich denke, wir sind alle darin einig, dass die Grund- lage für späteres Leben, Lernen und Arbeiten besonders in den Schulen gelegt wird. Daher ist es wünschenswert, schon dort anzusetzen und auf eine internationale Aus- richtung zu achten. Auch die Union sieht die Bedeutung einer internationalen Orientierung des Bildungswesens für den anstehenden Wettbewerb um die „besten Köpfe“ auf internationalem Parkett. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 15601 (A) (C) (B) (D) Doch die CDU/CSU-Fraktion verliert darüber hinaus auch nicht den Überblick über bestehendes Recht in Deutschland. Und das scheint etwas, was die Antragstel- ler in ihrem gut gemeinten Eifer zu übersehen scheinen. Es sind vor allem zwei Punkte, die wir kritisch sehen und die wir daher nicht mit unterschreiben wollen: Erstens. Der Antrag übergeht die Länderkompetenz im Bereich der Schulen. Wieder einmal wird versucht, über den Bund Einfluss auf die Bildungshoheit der Län- der zu nehmen und in Landesentscheidungen hineinzure- gieren. Der Antrag versucht, dies mit verbalen Arabes- ken wie „in enger Abstimmung mit den Ländern“ und „in Kooperation mit den Ländern“ zu überdecken. Ja, es wird sogar die Formulierung verwendet: „Er bittet daher die Länder“. Doch in letzter Konsequenz lautet die For- derung des Antrages, dass der Bund sich in die Länder- kompetenz der Schulen einmischen möge, um dort die Internationalisierung voranzutreiben. So funktioniert das nicht! Zweitens. In den Forderungen werden Gegenstände des Aufenthaltsgesetzes berührt. Dem Wortlaut nach wer- den Formulierungen der vorläufigen Anwendungshin- weise des Innenministeriums (Stand: 22. Dezember 2004) zitiert. Doch der Kontext des Antrags legt die Vermutung nahe, dass eine erhebliche Ausdehnung der geltenden Rechtslage intendiert ist. Das wird Ihnen die Kollegin Kristina Köhler aus dem Innenausschuss in ihrem Rede- beitrag noch ausführlich darlegen. Sie haben sich in Ihrem Antrag einem wichtigen Thema gewidmet. Leider können wir es in dieser Form nicht unterstützen. Dennoch sollten wir die Punkte festhalten, in denen wir uns einig sind: Bildung ist ein entscheidender Standortfaktor. Für die wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Weiter- entwicklung der Bundesrepublik ist es wichtig, den Bil- dungsstandort Deutschland insgesamt attraktiver zu ge- stalten. Eine europäische und internationale Ausrichtung un- serer Bildungseinrichtungen in Deutschland ist begrü- ßenswert. Dies sollte schon bei den Schulen beginnen. Es ist wichtig, im „Ringen um die besten Köpfe“ auch ausländische Schüler an deutsche Schulen zu bringen. Gerade die vorhandenen und unbesetzten Plätze in privat geführten Internaten bieten dabei ein großes Po- tenzial, das genutzt werden sollte. Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der heute abzustimmende Antrag verfolgt ein vielleicht eher unspektakuläres, aber dennoch wichtiges politisches Ziel: Wir wollen Schülerinnen und Schülern aus Län- dern außerhalb der EU den Schulbesuch in Deutschland erleichtern. Das ist ein gutes Ziel, und zwar nicht nur in ökonomischer Hinsicht. In unserer globalisierten Gegen- wart kann man nicht genug auf den internationalen Aus- tausch setzen, vor allem wenn es um junge Menschen geht. Wer einmal in anderen Ländern gelebt und gelernt hat, kann sich meist auch später auf Neues, vielleicht recht Fremdes besser einlassen. Das ist eine Grundvo- raussetzung für gegenseitigen Respekt und internationa- len Austausch. Im Bereich der Berufsbildung haben wir dafür jetzt gemeinsam die Weichen gestellt. Teile der Ausbildung können im Ausland absolviert und im Inland anerkannt werden. Ähnliches gilt für den Bologna-Prozess. Aller- dings muss hier die Vergleichbarkeit des in anderen Län- dern Gelernten noch gesichert werden. Im vorliegenden Antrag geht es um den umgekehrten Weg: den Austausch nach Deutschland hinein. Deswe- gen greift er bestimmte migrationspolitische Aspekte auf. So soll der Zugang zur schulischen Ausbildung in Deutschland nur dann möglich sein, wenn für die mate- rielle und soziale Absicherung der Schülerinnen und Schüler gesorgt ist und wenn gleichzeitig mit ihrer Rückkehr fest gerechnet werden kann. Deswegen verstehe ich auch nicht die Vorbehalte der Union gegen diesen Antrag. Schauen wir uns an, wer da- von profitiert: Einerseits natürlich diejenigen Schülerin- nen und Schüler aus Nicht-EU-Staaten, bei denen in der Regel wohlhabende Eltern für die Finanzierung des Auf- enthaltes in Deutschland aufkommen werden. Das ist doch genau die Art von Zuwanderung, der sogar ein Herr Beckstein offen gegenübersteht! Andererseits profitieren vor allem private Bildungsin- stitutionen, also Internate und berufliche Schulen in Deutschland. Sie können in Zukunft ihre Angebote ver- stärkt auf die ausländische Klientel ausrichten. Ziel un- seres heutigen Antrages ist es, die Rahmenbedingungen für private Bildungsträger erheblich zu verbessern. Aus grüner Sicht lösen wir mit diesem Antrag natür- lich nicht die zentralen bildungspolitischen Probleme in unserem Land. Die liegen, wie wir alle schon lange und nicht erst seit PISA wissen, unter anderem in der Inte- gration der in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten. Die Kompromisse im Zuwanderungsgesetz nehmen zwar die sprachliche und kulturelle Integration als Recht und Pflicht eines jeden Einwandernden auf. Wir Grünen halten aber – das ist ja bekannt – die Rah- menbedingungen für Integrationskurse noch nicht für ausreichend. Ich hoffe, wir können nach den ersten Er- fahrungen mit diesen Kursen noch an der einen oder an- deren Stelle nachjustieren, und setze dabei auf Ihre kon- struktive Mitarbeit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union! Was ebenso fehlt, ist eine umfassende Qualitätssiche- rung, die auch die privaten Schulen berücksichtigt. Der- zeit haben sie zwar einen besseren Ruf als die öffentli- chen Schulen. Dass sie wirklich besser sind, müssen sie erst noch beweisen. PISA jedenfalls kann das nicht bestä- tigen. Umso dringender ist es, dass ausländische Schüle- rinnen und Schüler – ebenso wie die deutschen – sich bei ihrer Entscheidung für einen Schulbesuch in Deutsch- land an klaren Qualitätskriterien orientieren und eine ge- eignete Schule für sich aussuchen können. Nichts wäre schlechter für unseren Bildungsstandort Deutschland, als wenn schwarze Schafe in der Bildungslandschaft die im 15602 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 (A) (C) (B) (D) Antrag geforderten Erleichterungen für pure Abzocke missbrauchen würden! Der neue Anlauf in der Föderalismusfrage, der wohl jetzt in Angriff genommen wird, stimmt mich optimis- tisch, dass wir auch in Sachen Qualitätssicherung im Bil- dungswesen eine effiziente Lösung hinbekommen wer- den. Wie auch immer diese Lösung aussieht – die Länder haben jedenfalls große Verantwortung dafür, dass inlän- dische wie ausländische Schülerinnen und Schüler eine qualitativ hochwertige Ausbildung erhalten – egal an welcher Bildungsinstitution sie lernen und sich ausbil- den lassen. Abschließend möchte ich betonen: Die Einführung qualitätssichernder Instrumente geschieht immer noch viel zu langsam. Dabei müssen wir hier das Rad gar nicht neu erfinden, auch wenn die KMK immer diesen Anschein erweckt! Andere Länder – besonders in Skan- dinavien – betreiben seit Jahren und Jahrzehnten eine er- gebnisorientierte Bildungspolitik. Ein Blick über den Tellerrand kann hier enorm helfen und die Arbeit wohl- möglich immens vereinfachen. Wir drehen mit diesem Antrag an einem wichtigen, aber dennoch kleinen Rad der Bildungspolitik. Ich hoffe, wir werden – zum Nutzen unseres Bildungswesens! – auch wieder mal gemeinsam an großen bildungspoliti- schen Rädern drehen können. Anlass hierzu hätten wir genug! Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundstückverkehrsgesetzes und des Landpachtverkehrsgesetzes (Tagesord- nungspunkt 13) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Das Problem des verstärkten Flächenkaufs bzw. der Pacht durch zahlungs- kräftige schweizerische Landwirte im deutsch-schweize- rischen Grenzgebiet besteht seit geraumer Zeit. Es kon- zentriert sich auf bestimmte Grenzregionen, wie zum Beispiel die Landkreise Waldshut, Schwarzwald-Baar und Konstanz. Während der durchschnittliche jährliche Erwerb von Flächen in den Jahren 1993 bis einschließ- lich 2002 mit rund 38 Hektar – bzw. 53 Hektar bei Pacht – relativ niedrig war, ist ein sprunghafter Anstieg seit dem Jahr 2003 zu verzeichnen. Insgesamt werden derzeit circa 3 500 Hektar von Schweizer Bauern bewirtschaftet, in einzelnen Landkrei- sen sind es bis zu 20 Prozent der Ackerfläche. Schweizer Landwirte profitieren von den Subventionssystemen ih- res Landes stärker und erreichen auf dem Schweizer Markt für ihre Agrarprodukte einen bis zu dreifach höhe- ren Marktpreis im Vergleich zu ihren deutschen Kolle- gen. Das erlaubt ihnen, die Kauf- oder Pachtpreisange- bote ihrer deutschen Kollegen wesentlich zu überbieten, was für expansionswillige deutsche Betriebe zu Proble- men führt. Dass ein deutsch-schweizerisches Grenzproblem be- steht, ist, wie ich festgestellt habe, auch unter Kollegen hier im Hause nicht strittig, sondern einzig und allein, welcher Weg zur Lösung dessen beschritten werden kann und soll. Gemeinsam mit dem Bundesrat und insbesondere dem Land Baden-Württemberg hat die Bundesregierung bereits verschiedene Ansätze zur Lösung des Problems geprüft. Sowohl der deutsch-schweizerische Regierungsaus- schuss für Wirtschafts- und Finanzfragen als auch die von ihm eingesetzte gemischte und ressortübergreifende Ex- pertenkommission haben versucht, geeignete Lösungs- vorschläge und ihre Umsetzungsmöglichkeiten zu erar- beiten. So wurde unter anderem nach Art. 26 des Grenzver- kehrsabkommens von 1958 die so genannte Gemischte Kommission einberufen, um zu prüfen, inwieweit die Zollbefreiung der im deutschen Grenzgebiet geernteten Erzeugnisse bei Einfuhr in die Schweiz ganz oder teil- weise eingeschränkt werden kann. Doch sowohl dieser Vorschlag als auch der, dass deutsche Landwirte für in Grenzregionen erwirtschafte Produkte bei Einfuhr in die Schweiz von Abgaben befreit werden, wurde von der Schweiz abgelehnt. Mit der uns heute zur Diskussion vorliegenden Geset- zesinitiative des Bundesrates zur Änderung des Grund- stücksverkehrsgesetzes und des Landpachtverkehrsge- setzes soll eine Preisschwelle, bei deren Überschreitung einem Grundstückskaufvertrag die Genehmigung ver- sagt bzw. ein Landpachtvertrag beanstandet werden kann, festgelegt werden. Zurzeit liegt diese Grenze nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei 150 Prozent. Die von Schweizer Landwirten gezahlten Preise beliefen sich in der Vergangenheit auf 125 bis 149 Prozent des Grundstücksverkehrswertes. Um für die deutschen Landwirte in diesen Regionen die Möglichkeit zum Flä- chenerwerb zu verbessern, soll nach dem Vorschlag des Landes Baden-Württemberg bzw. des Bundesrates die Landesregierung ermächtigt werden, die Schwelle auf 120 Prozent des ansonsten üblichen Wertes festzusetzen. Begründet wird dies vor allem mit dem Ziel des Erhalts der Agrarstruktur. Der vorliegende Gesetzentwurf ist unserer Meinung nach nicht geeignet, dieses regional begrenzte Problem zu lösen. Es bestehen unsererseits vor allem verfassungs- rechtliche Bedenken im Hinblick auf das in Art. 14 Grundgesetz verankerte Eigentumsrecht. Die vom Bun- desrat gewünschte Beschränkung der Verfügungsfreiheit der betroffenen Grundstückseigentümer auf einen eng begrenzten Preisrahmen ist unzumutbar. Außerdem liegt eine Verletzung des in Art. 3 Abs. 1 definierten Gleichbehandlungsverbotes vor, denn die Umsetzung des Gesetzentwurfes würde zu einer verfas- sungswidrigen Ungleichbehandlung zwischen Grund- stückseigentümern, die ihr Grundstück an Schweizer Landwirte verkaufen oder verpachten wollen, und Grund- stückseigentümern, die dasselbe Rechtsgeschäft mit deut- schen Landwirten tätigen wollen, führen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 15603 (A) (C) (B) (D) Auch die im Rechtsgutachten von Professor Dr. Ferdinand Kirchhof dargelegten Argumente reichen nach unserer Meinung nicht aus, um die eben erwähnten verfassungsrechtlichen Bedenken auszuräumen. Außerdem drängt sich die Frage auf: Wird es neben der Festlegung eines Schwellenwertes für bestimmte Re- gionen in Höhe von 120 Prozent zukünftig in Einzelfäl- len auch noch eine Feststellung eines „groben Missver- hältnisses“ seitens der zuständigen Landesstellen geben, wenn der Verkaufspreis in dieser Größenregion liegt? Mit dieser Festlegung wird das Ermessen der für die Überwachung des landwirtschaftlichen Grundstücksver- kehrs zuständigen Stellen auf null reduziert – auch das ist nicht Ziel unserer Politik. Abschließend möchte ich noch die Frage an den Bun- desrat stellen: Wollten Sie wirklich Geschäfte in Zukunft auch dann versagen, wenn sich für das betroffene Grundstück überhaupt kein deutscher Landwirt interes- siert? Die starke Zunahme von Kauf bzw. Pacht deutscher Flächen seitens der Schweizer Landwirte ist ein akutes Problem, welches sich, wenn nicht politisch darauf re- agiert wird, in den nächsten Jahren noch verschärft. Aus diesem Grund unterstützen wir alle Bemühungen, die zu einer Entschärfung des Problems beitragen. Klar sollte Ihnen jedoch auch sein: Aus Respekt vor dem bundes- deutschen Grundgesetz werden wir nur einen Gesetzent- wurf unterstützen, der nicht das Risiko beinhaltet, Grundrechte zu verletzen. Lassen Sie uns gemeinsam Alternativen prüfen, in- wiefern seitens der EU, des Bundes bzw. des Landes Re- gelungen gefunden werden können, um den Landwirten Unterstützung zu gewähren. Kurt Segner (CDU/CSU): Seit rund 30 Jahren erfah- ren die deutschen Landwirte entlang der Schweizer Grenze leidvoll, was es heißt, ihre berufliche Existenz an der Nahtstelle unterschiedlicher Agrarsysteme behaup- ten zu müssen. In keiner anderen Region Deutschlands müssen sich Landwirte einem derart ungleichen Wettbe- werb um den Produktionsfaktor Boden stellen. Seit rund 30 Jahren kaufen und pachten Schweizer Landwirte in immer größerem Umfang landwirtschaftliche Flächen in der deutschen Zollgrenzzone. Dies wird begünstigt durch erstens das Zollabkom- men von 1958, zweitens die Marktstützungsmaßnahmen der Schweiz, die ihnen im Vergleich zu Landwirten in der EU bis zu dreifach höhere Erlöse garantieren und drittens das schweizerische Direktzahlungssystem, das ihnen bis zu dreifach höhere Prämien gewährt, wenn sie die Fläche mindestens seit dem 1. Mai 1984 bewirt- schaften. Vor diesem Hintergrund zahlen Schweizer Landwirte Kauf- und Pachtpreise, mit denen sie jedes Angebot deutscher Landwirte überbieten. Wenn Schweizer Land- wirte zwischen 20 und 49 Prozent über dem ortsüblichen Preis zahlen, dann übersteigt dies die finanzielle Leis- tungsfähigkeit unserer Landwirte bei weitem. In den zurückliegenden 30 Jahren sind über 3 300 Hek- tar landwirtschaftliche Fläche, weit überwiegend Acker- land, in Schweizer Bewirtschaftung übergegangen. Seit 1993 hat sich die von Schweizer Landwirten gekaufte Fläche mehr als verdoppelt. Die gepachtete Fläche, die bereits 1985 ein hohes Niveau von 1 500 Hektar erreicht hatte, ist seither um weitere 850 Hektar gestiegen. Allein in den beiden zurückliegenden Jahren betrug der Flä- chenverlust nahezu 500 Hektar. Wie so oft sagen Zahlen zur Dramatik einer Entwick- lung nicht alles aus. Fakt ist aber, dass der bisherige Flä- chenverlust der durchschnittlichen Flächenausstattung von 83 landwirtschaftlichen Betrieben entspricht. Ange- sichts dieser Dimension besitzt die Problematik eine ganz erhebliche Sprengkraft, die über die regionale Be- troffenheit weit hinausreicht. Um auf Betriebsgrößen zu wachsen, die ihnen auf überschaubare Zeit das betriebliche Überleben sichert, wären die landwirtschaftlichen Betriebe in Baden- Württemberg dringend auf die Aufstockung mit diesen Flächen angewiesen. Die Landwirte wollen auch vom Strukturwandel in der Landwirtschaft der Region profi- tieren und Zukunftsperspektiven entwickeln können! Stattdessen müssen sie sich mit den durch die Flächen- verluste ausgelösten Existenzsorgen herumschlagen. Die Unsicherheit, ob bei durchschnittlich zwei Dritteln Pacht- flächenanteil an der Betriebsfläche ein Pachtvertrag ver- längert wird oder ob eine größere Pachtfläche demnächst an einen zahlungskräftigen Schweizer Landwirt fällt, ver- hindert jede vernünftige, langfristige Betriebsplanung. Die Konsequenzen dieser Entwicklung sind viel- schichtig und haben jeweils eine eigene, Besorgnis erre- gende Dynamik erlangt: Der anhaltende Verlust an Pachtflächen bringt immer mehr Betriebe in akute Existenznöte. Schon jetzt haben zahlreiche Schweine haltende Be- triebe in der Region allergrößte Schwierigkeiten, in zu- mutbarer Entfernung genügend betriebseigene Flächen zur Gülleausbringung vorzuhalten. Viele dieser Betriebe sehen sich um den Lohn jahre- langer Anstrengungen gebracht. Das Herauskaufen oder -pachten von Flächen aus großen Bewirtschaftungseinheiten verschlechtert die Produktions- und Arbeitsbedingungen der baden- württembergischen Betriebe zusehends. Der Verlust potenzieller Aufstockungsflächen schmä- lert die Wachstumschancen der einheimischen Betriebe. Ohne Wachstumschancen gibt es keine Investitionsbe- reitschaft. Ohne Investitionsbereitschaft verlieren die Betriebe den Anschluss an die Entwicklung und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit. Ohne Investitionen gibt es keine Modernisierung und ohne Modernisierung keine Hofnachfolge. Der Effekt der öffentlichen Mittel, die das Land Ba- den-Württemberg für die Flurneuordnung eingesetzt hat und einsetzt, geht zunehmend an den Landwirten vorbei. 15604 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 (A) (C) (B) (D) Die Landesregierung Baden-Württembergs hat in der Vergangenheit alle Anstrengungen zur Lösung des Kon- flikts unternommen. Erstens. In der Verwaltungspraxis wurden alle rechtli- chen Möglichkeiten des Grundstück- und des Land- pachtverkehrs ausgeschöpft. Aber aufgrund der gegen- wärtigen Rechtslage gelingt eine Steuerung im Sinne der deutschen Landwirte immer seltener. Deshalb ist die Ge- setzesinitiative des Landes Baden-Württemberg unver- zichtbar! Zweitens. Die Landesregierung hat immer wieder das Gespräch mit der Schweiz gesucht. Die Regierungen der angrenzenden Kantone sollten auf ihre Landwirte mäßi- gend einwirken. Nach kurzzeitigem Rückgang erreichte der Umfang der von Schweizer Landwirten gekauften und gepachteten Flächen nicht nur den alten Stand, son- dern ging darüber hinaus. Drittens. Das Land hat die Bundeslandwirtschaftsmi- nisterin wiederholt gebeten, sich bei den Eidgenossen für eine Selbstbeschränkung einzusetzen. Doch leider konnte Rot-Grün keinen Erfolg erzielen. Nach Ansicht des Auswärtigen Amtes sei die Agrar- politik der Schweiz auf eine Annäherung an die Bedin- gungen der EU gerichtet. Diesem Ziel einer Annähe- rung, die die Situation in der Zollgrenzzone entspannt, sind wir bis heute keinen einzigen Schritt näher gekom- men. Viertens. Der Bundesrat hat am 2. April 2004 in einer auf Initiative Baden-Württembergs gefassten Entschlie- ßung die Bundesregierung aufgefordert, den Grund- stück- und Landpachtverkehr an der Schweizer Grenze von den Wirkungen des am 1. Juni 2002 in Kraft getrete- nen Freizügigkeitsabkommens zwischen der EU, ihren Mitgliedsstaaten und der Schweiz auszunehmen. In Verhandlungen mit der Schweiz sollte eine Ände- rung des bilateralen Zollabkommens von 1958 erreicht werden. Diesem Entschluss ist die Bundesregierung nach meiner Beobachtung nicht mit Nachdruck nachge- kommen. Die Bemühungen waren deshalb nicht von Er- folg gekrönt. Nachdem alle Versuche fehlgeschlagen sind, hatte das Land Baden-Württemberg den vorliegenden Gesetz- entwurf eingebracht. Er zielt darauf ab, in das Grund- stückverkehrsgesetz und das Landpachtverkehrsgesetz – beides Gesetze zum Schutz der einheimischen Agrar- struktur – eine Verordnungsermächtigung aufzunehmen. Die Rechtsprechung definiert bislang den Schwellen- wert für die Annahme eines groben Missverhältnisses zwischen Kaufpreis und Verkehrswert bei 150 Prozent. Die Länder sollen nun in die Lage versetzt werden, diesen Schwellenwert auf 120 Prozent des Verkehrswer- tes absenken zu können. Mit dieser Ermächtigung kann die bisher bestehende Regelungslücke, die zur ungesunden Verteilung von Grund und Boden führte, geschlossen werden. Der Schwellenwert von mindestens 120 Prozent mu- tet deutschen Landwirten immer noch zu, mit einem Ge- bot bis an die Grenze ihrer finanziellen Leistungsfähig- keit zu gehen. Ich bin der Meinung, dass seine Einführung auf nationaler Ebene ein wirksames Mittel ist, wieder faire Wettbewerbschancen herzustellen. Ich bedauere sehr, dass die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung Bedenken verlauten lässt. Damit die Landwirte vor Ort aber den Glauben an die Handlungsfähigkeit der Politik nicht verlieren, sollten wir daher über alle Parteigrenzen hinweg eine tragfähige Lösung finden. Im Interesse der betroffenen Landwirte, die akut in ihrer Existenz bedroht sind, sollten wir ge- meinsam ein schnellstmögliches Ergebnis erzielen. In diesem Sinne bedanke ich mich jetzt schon bei al- len Parteien für die Gesprächsbereitschaft. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Als Bauer kann ich durchaus verstehen, dass die deutschen Bauern an der Grenze zur Schweiz verärgert darüber sind, wenn ihre Kollegen aus der Schweiz sehr hohe Preise für landwirtschaftliche Flächen in Deutsch- land bieten und damit den deutschen Grenzbauern das Mitbieten schwer oder gar unmöglich machen. Das ist sicherlich ein Problem, für das man eine Lösung finden muss. Ich ärgere mich als Nicht-Baulandbesitzer auch oft über die Flächenkonkurrenz der Baulandbauern, die immer einen unvernünftig hohen Preis bieten. So etwas gibt es immer wieder in den verschiedensten Konstella- tionen. Als Abgeordneter des Bundestages muss ich aller- dings einen etwas anderen Blick auf die Sache haben, als im vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesrates zum Ausdruck kommt. In der Problembeschreibung des Ge- setzentwurfes heißt es, dass zwischen 1993 und 2002 jährlich 78 Hektar und 2003 310 Hektar an schweizer Landwirte verpachtet oder verkauft worden seien. Zum Vergleich: Die landwirtschaftliche Fläche in Deutschland beträgt insgesamt 17 Millionen Hektar. Da- von gehen jährlich 47 000 Hektar verloren, nicht an Schweizer, sondern wegen des fortschreitenden Flächen- verbrauchs – übrigens ein riesiges Problem, dessen sich der Bundesrat meines Wissens bisher leider noch nie an- genommen hat. Wir sprechen hier also von einem winzi- gen Teil der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland, der nicht an deutsche, sondern an Schweizer Bauern ver- pachtet oder verkauft wird. Ich betone das nur, um die Größenordnungen klarzumachen, von denen wir hier re- den. Dafür will der Bundesrat das bewährte Grund- stücksverkehrsgesetz und das Landpachtverkehrsgesetz ändern. Ich will damit deutlich machen, dass wir aufpassen müssen, bei aller individuellen Betroffenheit die Verhält- nismäßigkeit der Mittel nicht aus dem Auge zu verlieren. Ich glaube, wir sind als Bundesgesetzgeber gut beraten, uns bei unserer Arbeit nicht von einer allzu stark isolier- ten und eingeengten Perspektive leiten zu lassen, son- dern immer den Blick für das Ganze zu behalten und nicht damit zu beginnen, jedem sein eigenes Gesetz zu schreiben. Das führt zu nichts. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 15605 (A) (C) (B) (D) Daher haben wir auch große Bedenken, ob eine Ge- setzesänderung vertretbar ist, die nur an den – ohne Frage berechtigten – Interessen einer sehr kleinen Gruppe orientiert ist, die aber von der Bundesregierung erstens als verfassungsrechtlich bedenklich und zweitens als außenpolitisch, das heißt bezüglich der Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz, bei denen es durchaus noch andere Interessen zu wahren gilt, proble- matisch eingestuft wird. Es ist noch nicht einmal ausge- schlossen, dass dieser Gesetzentwurf gegen das Freizü- gigkeitsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Schweiz verstößt. Auf solche Unwägbarkeiten können und dürfen wir uns nicht einlassen. Gleichzeitig ist selbst unter den deutschen Bauern an der Schweizer Grenze die Interessenlage keineswegs einheitlich: Während die einen Land günstig kaufen oder pachten wollen, hoffen die anderen auf günstige Ge- schäfte mit Schweizer Landwirten, um sich beispiels- weise ihre Altersversorgung zu sichern. Wir haben verabredet, dieses Thema in einer inter- fraktionellen Arbeitsgruppe zu beraten, um zu einer Lö- sung des Problems zu kommen. Ich kann mir gut vorstel- len, dass sich eine Lösung finden lässt, jedoch auf einem geeigneteren Weg, als ihn der Bundesrat vorschlägt. Ernst Burgbacher (FDP): Als Vorsitzender der süd- badischen FDP kenne ich die Problematik von Land- pachten und Landkäufen durch Schweizer Landwirte im südbadischen Raum seit geraumer Zeit. Diese Land- käufe und Landpachten von Schweizer Landwirten in unserer Region stellen für unsere Bauern eine ernst zu nehmende Existenzgefährdung großen Ausmaßes dar. Hier ist Handeln, und zwar rasches Handeln, dringend geboten. Auch wenn das Problem des Grundstücks- und Land- pachtverkehrs bereits seit 30 Jahren existiert, hat es sich in den letzten Jahren durch verschiedene Änderungen der Rahmenbedingungen deutlich verschärft und zuneh- mend bedrohlichere Ausmaße angenommen. Auf Initiative des Landes Baden-Württemberg hat der Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundstücksverkehrs- und Landpachtverkehrsgesetzes vorgelegt. Ich unterstütze diese Gesetzesinitiative nach- drücklich. Die FDP-Bundestagsfraktion steht an der Seite unserer Landwirte. Die bestehenden Ungerechtig- keiten zulasten unserer Bauern dürfen nicht länger hin- genommen werden. Ursache für die massiven Wettbe- werbsverzerrungen ist eine hoch subventionierte Landwirtschaft in der Schweiz, die es Schweizer Land- wirten ermöglicht, baden-württembergische Landwirte bei Erwerb und Pacht von landwirtschaftlichen Flächen aus dem Feld zu schlagen. Ich habe mich in dieser Angelegenheit bereits im Jahr 2003 aktiv eingeschaltet und die zuständigen Stellen auf die Schwierigkeiten, denen sich unsere südbadischen Landwirte ausgesetzt sehen, hingewiesen und Abhilfe angemahnt. Im Sommer letzten Jahres hatte ich den da- maligen zuständigen EU-Kommissar Fischler ange- schrieben, um ihn für diese Thematik zu sensibilisieren. Mehrfach hatte ich mich mit Anfragen an die Bundesre- gierung gewandt. Ich hatte an Bundeslandwirtschaftsmi- nisterin Renate Künast geschrieben und sie eindringlich aufgefordert, sich vor Ort ein Bild von der Lage zu ma- chen. Doch trotz eines Besuchs in der Schweiz, bei dem sie sich über Hühnerhaltung informierte, hat es die zu- ständige Ministerin nicht für nötig befunden, auch das Gespräch mit den Landwirten in Baden-Württemberg zu suchen und sich persönlich einen Eindruck von der Situa- tion unserer Bauern und ihrer Familien zu verschaffen. Ein Besuch vor Ort und das Gespräch mit südbadi- schen Landwirten im Grenzgebiet hätte ihr sicher die Augen geöffnet, wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann. Ich habe mich oft mit betroffenen Landwirten un- terhalten und stehe in regelmäßigem Austausch mit dem Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband. Die Tatenlosigkeit der rot-grünen Bundesregierung ist unverständlich und völlig inakzeptabel. Auch das Ver- halten von Bundesaußenminister Fischer war eine bittere Enttäuschung für die betroffenen Landwirte. Erst Ende November letzten Jahres hatte dieser dem baden- württembergischen Ministerpräsidenten Teufel schrift- lich versichert, dass ihm an einer Lösung des Problems gelegen sei. Doch entgegen diesen – wie wir nun wis- sen – leeren Versprechungen hat die Bundesregierung eine negative Stellungnahme zum Gesetzentwurf abge- geben. Die von der Bundesregierung geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des baden-württembergischen Gesetzentwurfs sind durch ein Rechtsgutachten von Pro- fessor Kirchhof von der Universität Tübingen entkräftet worden. Professor Kirchhof kommt zu dem Ergebnis, dass der Gesetzentwurf zur Änderung des Grundstücks- verkehrsgesetzes und des Landpachtverkehrsgesetzes den Vorgaben für Rechtsverordnungsermächtigungen des Art. 80 Abs. 1 GG genüge und sich im Einklang mit den Grundrechten der Art. 14 und 12 GG halte. Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass wir zu einer raschen und möglichst unbürokratischen Lösung des Problems kommen. Wie und auf welchem Wege dies ge- schieht, erscheint mir im Augenblick eher sekundär. Viele unserer Betriebe in Südbaden sind in ihrer Exis- tenz bedroht. Wichtig ist, dass hier zügig Abhilfe ge- schaffen wird, um diese Bedrohung abzuwenden. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Zum Beginn der De- kade „Wasser zum Leben“ der Vereinten Natio- nen (Tagesordnungspunkt 14) Dagmar Schmidt (Meschede) (SPD): Nächsten Dienstag, am 22. März, am Weltwassertag, beginnt die UN-Dekade „Wasser für das Leben“. Damit unterstrei- chen die Vereinten Nationen ihre Entschlossenheit, das Thema Wasser im Blickpunkt zu behalten. Es muss ge- lingen, den Anteil der Menschen ohne Zugang zu 15606 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 (A) (C) (B) (D) sauberem Trinkwasser und ohne Zugang zu sanitären Basiseinrichtungen bis 2015 zu halbieren. Wir möchten mit dieser Debatte zum Gelingen beitra- gen. Wieder einmal sind wir es, die dieses Thema in den Bundestag gebracht haben. Schon vor zweieinhalb Jah- ren waren es die Regierungsparteien, die die Wasser- frage erörtert und mit einem Antrag deren Bedeutung für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit unterstrichen haben. Eines haben wir bereits damals deutlich gemacht: Wasser ist kein beliebiges Wirtschaftsgut, Wasser ist ein öffentliches Gut. Wir haben bereits damals deutlich ge- macht, dass der Zugang zu sauberem Trinkwasser ein Menschenrecht ist. Das bestreitet in diesem Hause sicher niemand. Dennoch überlegen Sie einmal, wenn Sie vier Tage alle Wasserhähne und sanitären Einrichtungen in Küche und Bad einmal nicht benutzen, vier Tage den Wasserkasten in der Ecke einmal nicht anrühren, vier Tage einmal versuchen, Wasser zur Befriedigung der Grundbedürfhisse im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße zu finden. Nur vier Tage – dies ist nämlich ungefähr die Zeit, die ein Mensch ohne Wasseraufnahme überleben kann. Diese Tatsache unterstreicht unsere Abhängigkeit von den natürlichen Lebensgrundlagen und unsere Verletz- barkeit, eine Verletzbarkeit, die wir in unserer Überfluss- gesellschaft, in der sauberes Trinkwasser eine Selbstver- ständlichkeit ist, häufig verdrängen. Machen wir es uns eigentlich ausreichend klar, ist es uns überhaupt bewusst, dass die Versorgung mit saube- rem Trinkwasser und eine effiziente Abwasserentsor- gung die Grundvoraussetzung für soziale und wirtschaft- liche Entwicklung ist? Stört es uns denn überhaupt nicht, dass noch immer mehr als eine Milliarde Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser sind? Immer noch ha- ben mehr als 2,5 Milliarden Menschen keinen Zugang zu einer geregelten Abwasserentsorgung. Schenken wir die- sen Menschen doch unser Gehör. Sie alle sind arm! Sie alle haben dieses gemeinsame Merkmal, egal ob Sie in Südasien, in Lateinamerika oder ob Sie in Afrika südlich der Sahara leben. Armut und der Mangel an sauberem Trinkwasser bzw. an sanitären Basiseinrichtungen gehen Hand in Hand. Die Folgen für die Betroffenen sind gravierend. 1,8 Mil- lionen Menschen sterben pro Jahr an den Folgen von Durchfallerkrankungen. Insbesondere Kinder sind durch unhygienische sanitäre Zustände bedroht. Alleine am heutigen Tag sind wieder 4 000 Kinder weltweit an den Folgen von verunreinigtem Trinkwasser qualvoll zu- grunde gegangen. In Afrika gehen nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation 40 Milliarden Arbeitsstun- den pro Jahr durch die Beschaffung von Trinkwasser verloren – 40 Milliarden! Diese Zeit wird gerade Mäd- chen und Frauen weggenommen. Wegen ihrer Pflichten bei der Beschaffung von Trinkwasser können sie nicht zur Schule gehen. Analphabetismus hat einen fatalen Bezug zur Wasser- und Abwasserfrage. Deshalb sind das Trinkwasserziel der Millenniums- Deklaration und das Sanitärziel des Johannesburg-Ak- tionsplanes Grundvoraussetzungen für eine nachhaltige Bekämpfung der Armut! Mit unserem heutigen Antrag wollen wir fünf Jahre nach der Verabschiedung der Millenniums-Entwick- lungsziele erstmals Bilanz ziehen. Wo stehen wir heute? Die Weltgesundheitsorganisation WHO und das UN- Kinderhilfswerk UNICEF haben im August 2004 eine Zwischenbilanz über die Erreichung der Millenniums- Entwicklungsziele bei der Trinkwasserversorgung und bei der Entsorgung von Abwässern vorgelegt. Basierend auf den Ausgangswerten von 1990 und den Zahlen von 2002 kommen die UN-Organisationen zu folgendem Ergebnis: Die Weltgemeinschaft ist zwar auf einem guten Weg, das Trinkwasser-Ziel der Millen- niums-Deklaration zu erreichen, ohne eine deutliche Kraftanstrengung wird das Ziel im Bereich der Abwas- serentsorgung jedoch um eine halbe Milliarde Menschen verfehlt. Unabhängig von den Durchschnittswerten zeigt die Bilanz aber Licht und Schatten. Die Unterschiede zwi- schen den Regionen, zwischen Stadt und Land und zwi- schen Arm und Reich sind gewaltig. Immerhin haben zwischen 1990 und 2002 1,1 Milliarden Menschen erst- mals Zugang zu sicherem Trinkwasser erhalten. Immer- hin haben eine Milliarde Menschen im selben Zeitraum erstmals Zugang zu einer geregelten Abwasserversor- gung erhalten. Dies sind beeindruckende Zahlen, die je- doch durch das gleichzeitige Bevölkerungswachstum re- lativiert werden. Was bleibt also zu tun? Angesichts der enormen menschlichen Opfer, die ein Verfehlen der Entwick- lungsziele im Bereich der Trinkwasserversorgung und der Abwasserentsorgung zur Folge hätte, dürfen wir mit unseren Bemühungen nicht nachlassen. Im Gegenteil, trotz der gewaltigen Steigerungsraten müssen wir unsere Anstrengungen im Bereich der Trinkwasserversorgung verstärken. Unser Hauptaugenmerk muss dabei den ärmsten Ländern und den ärmsten Bevölkerungsschich- ten in den städtischen Slums und den ländlichen Regio- nen gelten. Wir müssen unsere Anstrengungen im Be- reich der Abwasserentsorgung – auch mit Beteiligung der Privatwirtschaft – deutlich intensivieren. Eine Ana- lyse der Weltgesundheitsorganisation hat ergeben, dass jährlich 11,3 Milliarden US-Dollar zusätzlich investiert werden müssten, um im Jahr 2015 die Millenniumsziele im Wasser- und Sanitärbereich zu erreichen. Die Investi- tion lohnt sich auf jeden Fall. Durch die Eindämmung von Seuchen könnten die Ge- sundheitskosten in den betroffenen Ländern deutlich ge- senkt werden. Die Zeitersparnis bei der Beschaffung von Trinkwasser könnte in höhere Produktivität, höhere Bil- dung und mehr Freizeit umgewandelt werden. Auf die- ser Grundlage kommt die Weltgesundheitsorganisation pro investierten Dollar auf eine Gewinnspanne zwischen 3 und 34 US-Dollar. Uns, der rot-grünen Bundesregierung sind diese Zu- sammenhänge klar. Deutschland ist mit rund 350 Millio- nen Euro jährlich der zweitgrößte Geber im Wassersek- tor weltweit. Der Wassersektor ist ein Schwerpunkt in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit 27 Län- dern. Diese Anstrengungen zeigen greifbare Erfolge. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 15607 (A) (C) (B) (D) Wir sollten, statt immer zu klagen und Kassandra zu spielen, solche Erfolge herausstreichen. Tansania und Vietnam gehören zu denjenigen Län- dern, die in ihren Regionen die größten Fortschritte bei der Versorgung mit sauberem Trinkwasser gemacht ha- ben. Das belegen die Zahlen des Entwicklungspro- gramms der UN. In Tansania konnte der Anteil der Be- völkerung mit Zugang zu sauberem Trinkwasser von 38 Prozent auf 69 Prozent gesteigert werden. In Vietnam wurde ebenfalls eine Steigerung von 55 Prozent auf 78 Prozent erreicht. In beiden Ländern ist der Wasser- sektor ein Schwerpunkt der bilateralen Entwicklungszu- sammenarbeit mit Deutschland. Unser Antrag geht gerade auf diejenigen Länder ein, in denen der Wassersektor in der Entwicklungszusam- menarbeit einen Schwerpunkt bildet. Wir werden dafür kämpfen, dass in diesen Ländern die Millenniumsziele im Wasser- und Sanitärbereich erreicht werden. Mit un- seren Forderungen unterstreichen wir: Es ist uns Ernst mit der Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele, wir tauchen nicht ab angesichts von Herauforderungen und Unwägbarkeiten. Mit unseren Forderungen unter- streichen wir auch, dass es uns Ernst ist mit der Bekämp- fung der weltweiten Armut und dem Schutz unserer na- türlichen Lebensgrundlagen. Wir befinden uns dabei in Übereinstimmung mit UN-Generalsekretär Kofi Annan, der anlässlich des Weltwassertages 2004 die zentrale Be- deutung der Wasserfrage für die Armutsbekämpfung und für eine nachhaltige Entwicklung betonte. Mit der beginnenden UN-Dekade „Wasser für das Le- ben“ unterstreicht die Weltgemeinschaft nochmals diese Aussage und konzentriert ihre Kräfte in diesem Bereich. Kofi Annan kann sich unserer Unterstützung bei seinen Bemühungen sicher sein. Abschließend möchte ich noch einmal auf die ent- wicklungspolitische Debatte vom Juni 2002 zurückkom- men. Die Oppositionsparteien haben sich bei der damali- gen Abstimmung zu unserem Wasser-Antrag enthalten. Inhaltlich hatten Sie weder durch einen eigenen Antrag noch in einem Ihrer Debattenbeiträge etwas Konstrukti- ves beizutragen. Zu einer Zustimmung zu richtigen Schritten konnten Sie sich nicht durchringen. Das Fehlen eigener inhaltlicher Konzepte entschuldigte der Kollege Hedrich damit, die Opposition wolle der überladenen Tagesordnung keine weiteren Punkte hinzufügen. Diese Ausrede wird Ihnen heute niemand abnehmen. Bei ei- nem einzigen Thema unter diesem Tagesordnungspunkt hätten Sie wirklich in der Lage sein können, etwas Eige- nes auf die Beine zu stellen. Leider Fehlanzeige! – Viel- leicht aber auch ein Ausdruck Ihrer klammheimlichen Zufriedenheit mit unserer Arbeit bei der Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele und des Johannesburg- Aktionsplanes. Wir erwarten auf jeden Fall gelassen Ihre Vorschläge in den bevorstehenden Beratungen. Wandeln Sie Ihre klammheimliche Zustimmung in eine konstruktive um. Ulrich Petzold (CDU/CSU): Ich kann mich bei dem vorliegenden Antrag des Eindrucks nicht erwehren: Hier hat jemand gerade noch rechtzeitig mitbekommen, dass am 22. März, am Weltwassertag, die von den Vereinten Nationen ausgerufene Dekade „Wasser zum Leben“ be- ginnt, und er möchte noch ein wenig davon politisch profitieren. Doch die allzu große Hast und Eile, die wir bei der Einbringung des Antrages erlebt haben, tut einem Antrag selten gut. So wird in dem Antrag das Wasser- problem leider weitgehend auf die soziale Frage einge- engt, während andere Aspekte eher vernachlässigt wer- den. Bereits in den 80er-Jahren war von den VN eine De- kade der „Trinkwasserversorgung und Hygiene“ ausge- rufen worden. Allerdings, so muss man heute konstatie- ren, nur mit mäßigem Erfolg. Statt des angestrebten hundertprozentigen Versorgungsgrades wurde trotz einer bemerkenswerten Mobilisierung nationaler und interna- tionaler Investitionsmittel der Bevölkerungsanteil in den Entwicklungsländern mit direktem Zugang zu sauberem Trinkwasser lediglich auf 70 Prozent erhöht. Aufgrund des Bevölkerungswachstums und der Verstädterung konnte mit diesem Programm die absolute Zahl von Menschen ohne qualitativ und quantitativ ausreichende Wasserversorgung und sanitäre Anlagen nicht oder nur unwesentlich verringert werden. Deshalb bin ich gegen- über der überschwänglichen Begeisterung, mit der der Antrag den Beginn der Dekade feiert, eher etwas skep- tisch. Die bescheidenen Ergebnisse der Dekade in den 80er-Jahren sollten uns eher zum Überlegen als zu Schnellschüssen veranlassen. Daher meine Fragen an Sie, meine Damen und Herren der Regierungskoalition: Warum wurde in dem Antrag nicht mehr auf demographische Trends wie Bevölke- rungsentwicklung und Wanderungsbewegungen einge- gangen? Wieso kommen die ökologischen Faktoren wie Klimaveränderungen, Versteppung, Wüstenbildung und Versalzung von Böden, wenn überhaupt, nur in Neben- sätzen vor? Grundwasserbildung und Oberflächenwasserrückhal- tung durch Ökosysteme dürfen in einem solchen Antrag ebenfalls nicht fehlen, soll in ihm auch nur ansatzweise die Problematik der Wasserversorgung aufgezeigt wer- den. Wasserversorgung ist damit ein zutiefst ökologi- sches Problem. Die Zahl der Länder, in denen eine Wasserentnahme über dem erneuerbaren Angebot erfolgt, ist durchaus lang und wird von Libyen angeführt, in dem fast viermal so viel Wasser entnommen wird, wie durch Niederschlag erneuert wird. Darüber hinaus entnehmen viele Länder einen so hohen Anteil am erneuerbaren Wasserangebot, dass natürliche Ökosysteme keine Chance haben. Doch Wasser, welches man ökologischen Systemen zur Nut- zung für den Menschen zu viel entnimmt, wird erst dem System und dann dem Menschen fehlen. Durch die Urbanisierung und Industrialisierung der Entwicklungsländer in einer frühindustriellen Form wird das Problem der Wasserverschmutzung, das wir aus der Übergangsgesellschaft Osteuropas kennen, immer aku- ter. Agrarchemikalien, die in den Industrieländern längst verboten sind, belasten das Wasser und zerstören die 15608 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 (A) (C) (B) (D) Bodenstrukturen, sodass eine Regenerierung von Ab- wässern nicht mehr erfolgt. Die ökologische Dimension von Wasserverschmut- zung und Wasserverknappung ist auf internationaler Ebene erkannt. Gleichwohl weichen die Meinungen er- heblich voneinander ab. In einigen Entwicklungsländern besteht weiterhin die Einschätzung, dass der Norden in internationalen Verhandlungen zu einer Überakzentuie- rung ökologischer Aspekte tendiere, die er selbst aber nicht umsetze und deren Realisierung die Länder des Sü- dens überfordere. Deshalb müssen wir die wassersparenden Technolo- gien, die bei uns entwickelt wurden, auch bei uns einset- zen. Es kann nicht sein, dass eine abwasserfreie Auto- waschanlage zwar bei uns den blauen Umweltengel bekommt, aber der Einsatz in der Praxis regelmäßig scheitert, weil die Kommunen anscheinend auf das Ab- wasser aus den Waschanlagen für die kommunalen Klär- anlagen angewiesen sind. Oder denken Sie daran, wel- che Probleme bei uns Kleinkläranlagen bereitet werden. Der Einsatz von Endomykorrhizapilzen – bei uns zu Pra- xisreife gebracht –, mit denen man Wasser- und Dünge- mittel sparend Landwirtschaft betreiben kann, kommt bei uns nicht voran, weil sich die Einsatzkosten erst in nachfolgenden Jahren rechnen. Wenn wir nicht bereit sind, unsere modernsten Wassertechnologien bei uns selbst einzusetzen, wie sollen andere uns glauben und unsere Technologien anwenden? Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass das Beschließen weltweiter Aktionsprogramme allein kein Königsweg für den Aufbau nationaler Handlungskapazi- täten im Wassermanagement ist. Es wäre wünschens- wert, das Aktionsprogramm einer neuen Wasserdekade mit der Verabschiedung eines politisch, möglichst auch rechtlich verbindlichen Übereinkommens zu verbinden. Mit einem völkerrechtlich verbindlichen Übereinkom- men, das bindende Berichts- und Kontrollmechanismen, eine verbesserte und sichere Finanzierung sowie eine wissenschaftliche Begleitung beinhaltet, könnte unserer Auffassung nach der neuen Dekade auch in ökologi- schen Fragen am ehesten zum Erfolg verholfen werden. Christa Reichard (Dresden) (CDU/CSU): Klaus Töpfer, der Direktor des UN-Umweltprogramms, sagt bereits seit Jahren: Die Frage, wie wir auf der Welt mit Wasser umge- hen, wird an vielen Orten über Krieg und Frieden mitentscheiden. Aber die Wasserprobleme, denen unsere Welt gegen- übersteht, müssen nicht nur Ursache für Spannungen sein; sie können auch als Katalysator für Zusammenar- beit wirken. Zwei Drittel der größten Flüsse der Welt durchfließen mehrere Staaten, mehr als 300 Flüsse über- queren nationale Grenzen. Erstmalig brachten die Vereinten Nationen 2003 ei- nen Weltwasserentwicklungsbericht heraus. Der Bericht beschreibt die Ausgangssituation der Weltwasserkrise und analysiert die globalen Süßwasservorkommen. Er befasst sich mit den Herausforderungen für die Siche- rung von Gesundheit und Ernährung einer wachsenden Bevölkerung und dem Wassermanagement zugunsten ei- ner nachhaltigen Bewirtschaftung und Ordnungspolitik. Die Welt steuert nach Einschätzung der Vereinten Na- tionen auf eine dramatische Wasserkrise zu. Mitte dieses Jahrhunderts haben demnach im schlimmsten Fall 7 Mil- liarden Menschen, im günstigsten Fall 2 Milliarden mit Wasserknappheit zu kämpfen. Die weltweite Wasserkrise sei die größte Bedrohung für das Überleben der Menschheit, lautet die eindringli- che Warnung dieses ersten Welt-Wasser-Berichts der Vereinten Nationen. Während in den reichen Industrie- staaten Wasser verschwendet wird, bringt das Bevölke- rungswachstum in den trockenen Gebieten der Erde – im Nahen Osten, in Nordafrika und Südasien – akute Was- serknappheit mit sich. Eine einzige Toilettenspülung in den Industrieländern verbraucht so viel Wasser, wie eine Person in einem Entwicklungsland pro Tag für Waschen, Trinken und Kochen zur Verfügung hat. 1,1 Milliarden Menschen, etwa ein Sechstel der Welt- bevölkerung, haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. In den Entwicklungsländern versickern 90 Prozent der Abwässer ungeklärt oder werden in Flüsse abgeleitet. Verschmutztes Trinkwasser und mangelhafte Abwasser- entsorgung sind die Ursache für 80 Prozent aller Krank- heiten in Entwicklungsländern. Täglich sterben 6 000 Kinder an Krankheiten, die durch unsauberes Wasser übertragen werden. „Diese Krise ist eine Krise des Wassermanagements, verursacht im Wesentlichen durch unsere falsche Be- wirtschaftung von Wasser“, heißt es im Welt-Wasser-Be- richt. Deutschland hat diese dramatische Situation schon seit längerer Zeit erkannt und ist nach wie vor mit etwa 350 Millionen Euro jährlich der größte europäische Ge- ber im Wassersektor, weltweit der zweitgrößte. Auch bei den Ausgaben der Weltbank hat der Wassersektor hohe Priorität. Ein erheblicher Teil des jährlichen Weltbank- budgets fließt daher in Projekte für Wassermanagement, Wasserversorgung, häusliche Hygiene, Abwasserbe- handlung, Hochwasserschutz und Abfallwirtschaft. Der Schwerpunkt liegt zunehmend auf sektorüber- greifenden Projekten, in denen neben Umweltaspekten auch sozioökonomische Aspekte wie Hygieneerziehung berücksichtigt werden. Im Rahmen eines Fraunhofer Weltbankprojektes befasst sich die Arbeitsgruppe „Was- ser, Abwasser und Abfall“ mit diesem Themenkomplex. Gemeinsam mit Unternehmen verbindet das Fraunhofer Institut technologische Expertise und innovative Ansätze in den Bereichen Wassermanagement, Wasserversor- gung, Abwasserreinigung und Abfallwirtschaft für Pro- blemlösungen in ausgewählten Zielländern. Weltweit ist die Entwicklungshilfe rückläufig. Nur private Investitionen können die riesigen Bedarfe an In- frastrukturinvestitionen decken. Für private Unterneh- men wird dementsprechend ein Wachstum des Marktes von derzeit circa 90 Milliarden Euro auf 450 Milliarden Euro im Jahre 2010 erwartet. Gefordert sind Investitio- nen in schwierigem Umfeld, also im besten Sinne des Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 15609 (A) (C) (B) (D) Wortes unternehmerisches Handeln im weltweiten Wett- bewerb. Der Wandel des Weltwassermarkts hin zum Betrei- bergeschäft hat in Deutschland mit dem Ausverkauf des deutschen Wasseranlagenbaus bereits erste Spuren hin- terlassen. Bei einer Beibehaltung des Status quo wird die deutsche Wasserwirtschaft ebenso wie im Energiebe- reich erhebliche Chancen auf den Weltmärken verpas- sen. Hier setzen meine Fragen und Forderungen an die Bundesregierung an. Hier sehe ich auch ein wesentliches Defizit im Antrag von Rot-Grün, der uns gestern anläss- lich des Beginns der Dekade „Wasser zum Leben“ vor- gelegt wurde. Wenn wir uns als größter europäischer Ge- ber im internationalen Wassersektor hervortun, muss doch auch die Frage erlaubt sein, welchen Anteil deut- sche Technologien und die deutsche Wasserwirtschaft insgesamt an diesem Auftragsvolumen haben. Mir sind Klagen aus der deutschen Wasserwirtschaft bekannt, dass durch die Kleinteiligkeit der kommunalen Wasserpolitik in Deutschland viel zu wenig Potenzial entwickelt wurde, um sich bei internationalen Aus- schreibungen erfolgreich zu beteiligen. Ein weiterer Grund für erfolglose Beteiligungen bei Ausschreibungen ist der Mangel an Erfahrungen und nachgewiesenen Pro- jekten im internationalen Wassergeschäft. Wie schätzt die Bundesregierung die Möglichkeiten ein, im Rahmen des Wiederaufbaus in den Tsunami-Katastrophengebie- ten bei Projekten im Wassersektor, die von deutschen Geldern finanziert werden, deutsche Anbieter zu bevor- zugen, um endlich auch Referenzprojekte vorweisen zu können? Denn eines ist sicher: Die deutsche Wasserwirt- schaft besitzt hervorragende Voraussetzungen, um kurz-, mittel- und langfristig beim Wiederaufbau, der Erweite- rung oder der Erstellung der Infrastruktur in der Wasser- ver- oder Abwasserentsorgung in den betroffenen Staa- ten mitzuwirken. Die deutsche Wasserwirtschaft hat ihre Unterstützung angeboten. Die Bundesregierung sollte diese Hilfsbereitschaft nicht mit unnötig komplizierten Ausschreibungsgrundsätzen und einem starren Örtlich- keitsprinzip behindern, sondern die Entbürokratisierung vorantreiben. Ich sagte zu Beginn meiner Rede, dass die Wasserpro- blematik auch als Katalysator für die Zusammenarbeit dienen kann. Hier haben wir die Chance, die internatio- nale Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Unter- nehmen und die interkommunale Zusammenarbeit in Form von Public Private Partnerships zu fördern, um die Ressource Wasser, die die Vereinten Nationen in den Mittelpunkt dieser Dekade gestellt haben, nachhaltig zu erhalten und für alle verfügbar zu machen. Ulrich Heinrich (FDP): Meiner Rede möchte ich ein Zitat von Kofi Annan voranstellen: Die Verfügbarkeit von Wasser ist ein fundamentales menschliches Bedürfnis und deshalb ein Grund- recht. Verseuchtes Wasser bedroht die körperliche Gesundheit, aber auch die Gemeinschaft der Men- schen. Es ist ein Verstoß gegen die Menschen- würde. Diesem Zitat stimmen wir ausdrücklich zu. Wir wol- len deshalb auch dazu beitragen, dass die vorhandenen Ressourcen sparsam und ökonomisch genutzt werden und gleichzeitig der Zugang zum Lebensmittel Nummer eins für alle ermöglicht wird. Wasser muss allen Menschen frei, aber nicht kosten- los zur Verfügung stehen. Das bedeutet, Wasser hat ei- nen Preis. Nur so wird mit dem vorhandenen Wasser sorgsam umgegangen und nur so kann die Ressource Wasser auch in Zukunft gesichert werden. Es kostet Geld, Wasser aufzubereiten, Wasserleitungen zu legen und Abwasser zu reinigen. Es steht jedem Staat frei, durch Subventionen die Kosten für Bedürftige abzumil- dern. Doch die öffentliche Hand hat nur die Aufgabe, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um das öffentliche Gut Wasser zu verteilen, die Gesundheits- standards festzulegen und die Reserven nachhaltig zu schützen. Die private Wirtschaft ist es, die kosteneffi- zient und -transparent Investitionen und Dienstleistungen rund um das Wasser anbieten kann. So muss beispiels- weise die technische Ausführung für die Wasseraufbe- reitung, Verteilung und Abwasserreinigung in einer Re- gion durch öffentliche Ausschreibung an private Firmen vergeben werden. Die überragende Bedeutung des Wassers möchte ich Ihnen anhand einiger Zahlen verdeutlichen. Jedes zweite Klinikbett weltweit wird von jemandem gebraucht, der durch schmutziges Wasser krank geworden ist. Täglich sterben 6 000 Kinder an Krankheiten, die durch fehlende sanitäre Anlagen verursacht werden. Hier wird deutlich, dass nicht nur der Zugang zu sauberem Wasser lebens- notwendig ist, sondern auch die Entsorgung und Aufbe- reitung des Abwassers eine große Herausforderung dar- stellt. Und noch zwei Zahlen: 40 Prozent der Welternte wächst auf künstlich bewässertem Land. Dafür werden 70 Prozent des weltweit verbrauchten Süßwassers benö- tigt. Aus diesem Grund ist es so dringend notwendig, in den Gebieten, die ohne zusätzliche Bewässerung Nah- rungsmittel produzieren können, die Produktion zu stei- gern und alle Möglichkeiten des modernen Landbaus zu nutzen. Ich unterstreiche hier ausdrücklich, alle Mög- lichkeiten, auch die der Grünen Gentechnik. Heute schon haben wir hier Züchtungen, die aufgrund ihrer Salzresistenz auf Flächen angebaut werden könnten, die bislang nicht agrarisch genutzt werden konnten. Der zweite Bereich, den ich ansprechen möchte, ist die Schaffung von neuen Anbaugebieten. Die Wissen- schaft hat festgestellt, dass die Dürre der Sahelzone durch veränderte Temperaturen im Atlantik verursacht wurde und die wiederum durch die Luftverschmutzung der Amerikaner und Europäer. Deshalb sind wir aufge- fordert, insbesondere den Ausstoß an CO2 drastisch zuverringern und aktiv gegen weitere Versteppungen und Verkarstungen vorzugehen. Dies kann durch eine pro- gressive Wiederaufforstungspolitik und mit moderner Landbewirtschaftung erreicht werden. Zum Schluss möchte ich ein paar Anmerkungen zu ihrem Antrag machen. Sie stellen fest, dass sich die Bun- desregierung stark im Bereich Wasser engagiert. Das ist gut und wird zu Recht gelobt. Wir können Ihren Antrag 15610 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 (A) (C) (B) (D) im Grundsatz auch akzeptieren. Um ihm zuzustimmen, müssten jedoch drei Veränderungen vorgenommen wer- den. Erstens. Sie fordern, dass auf die Entwicklungsländer bei der Liberalisierung des Wassersektors im Rahmen der GATS-Abkommen kein Druck ausgeübt werden soll. Diese Liberalisierung ist jedoch notwendig für Investiti- onen und die Entwicklung dieses Dienstleistungsberei- ches. Nicht der Staat ist der effektivste Verteiler von Wasser, sondern die private Wirtschaft. Zweitens. Ihrem Antrag fehlt die ökonomische Be- trachtung der sozialen, ökologischen und finanziell nachhaltigen Wasserversorgung. Drittens. Es gibt keinerlei Bezug zur Versteppung und Desertifikation in Ihrem Antrag und die Verbindung und Verzahnung zu anderen Umweltbereichen, zum Beispiel dem Wald als Reservoir für Grundwasser, wird völlig vernachlässigt. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Anfang diesen Jahres fand in Brasilien, in Porto Alegre, das 5. Weltso- zialforum statt. Ich habe an diesem Treffen teilgenom- men und auf zahlreichen Veranstaltungen miterlebt, wie sehr die Frage des Zugangs zu sauberem und gesundem Wasser die Menschen vor allem der Länder des Südens bewegt. Der Zugang zu Wasser – so die übereinstim- mende Aussage – ist ein Menschenrecht. Uns sollte vor allem die Frage beschäftigen, wie wir hier in Deutsch- land und in Europa dazu beitragen, dass dieser Zugang für alle Menschen auf der Welt gewährleistet wird. Ich kann einerseits die im Antrag formulierten Ziele unter- stützen, will aber andererseits die Initiatoren des Antra- ges auffordern, sehr genau darauf zu achten, was mit ih- rem Antrag geschieht. Bundeskanzler Schröder hat heute in seiner Regie- rungserklärung unter großem Beifall der SPD-Fraktion gesagt, dass die Bolkestein-Richtlinie so nicht in Kraft treten wird. Der Aussage hier vor dem Deutschen Bun- destag muss aber auch eine wirksame Einflussnahme in Brüssel folgen. In vielen Ländern des Südens sind die Bedingungen von Wasserver- und Abwasserentsorgung prekär. Durch die fehlende Wasserver- und Abwasserentsorgung wer- den die nahen Ressourcen übernutzt und verseucht. Da- mit wird ein teuflischer Kreislauf in Gang gesetzt. Die Bedingungen verschlechtern sich immer mehr. Wasser- knapphheit und schlechte Wasserinfrastruktur behindern die Entwicklung in den Ländern des Südens gravierend. Aber auch Industrieländer haben zunehmend mit Was- serknappheit und schlechter Infrastruktur zu kämpfen. Deshalb ist es so entscheidend, dass das öffentliche Gut Wasser nicht den Verwertungsinteressen von Kartellen und Konzernen ausgeliefert wird. Hier sehen wir als PDS eine besondere Verantwortung der Bundesrepublik. Immer wieder seit der Konferenz von Rio de Janeiro 1992 hat die internationale Staatengemeinschaft ihren Willen bekräftigt, die internationalen Wasserressourcen zu schützen. Das Problem besteht allerdings in Folgendem: So- wohl Staaten als auch Entwicklungshilfeinstitutionen setzen auf die „Washington Consensus“-Strategie priva- ter Investitionen. Was ist die Folge? Kredite werden an die Beteiligung großer Konzerne des Privatsektors ge- kuppelt. Die lukrative städtische Versorgung wird priva- tisiert. Die Konzerne sitzen gegenüber den Gemeinden am längeren Hebel und können es sich leisten, perma- nent die Verträge zu brechen. Bei Konflikten vor Ort droht die Gefahr, dass die Entwicklungsländer den Kür- zeren ziehen und Strafen zahlen müssen. In Bolivien und Südafrika wurden private Unternehmen aus den Versor- gungsgebieten verjagt. In Uruguay wurde per Volksab- stimmung eine Verfassungsänderung angenommen, in deren Ergebnis die Privatisierung von Wasserressourcen verboten wurde. Wir als PDS sind der Auffassung, dass es nicht der richtige Weg sein kann, dass deutsche Entwicklungshil- fegelder als Garantie und Stütze in internationale Vorha- ben deutscher Unternehmen fließen. Die bessere und vor allem auch nachhaltigere Alternative ist die konsequente Unterstützung regional entwickelter Projekte mit einem Minimum an notwendiger Technik und einem Maximum an Anpassung an die konkreten Bedingungen vor Ort. Der richtige Weg heißt aus unserer Sicht Hilfe zur Selbsthilfe statt kommerzielle Freundschaftsdienste für die Wasserkonzerne. Der Zugang zu sauberem und gesundem Wasser ist ein Menschenrecht. Tun wir alles, um dieses Menschen- recht weltweit zu verwirklichen. Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin bei der Bun- desministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Am kommenden Dienstag, am 22. März, wird der UNO-Generalsekretär Kofi Annan die UNO- Wasserdekade ausrufen. Deswegen ist es gut, dass der Deutsche Bundestag diese Debatte heute führt. Wasser zum Leben – was für uns in Deutschland eine Selbstverständlichkeit ist, ist in vielen Entwicklungslän- dern immer noch eine Vision. Vielerorts fehlt es an einer sicheren Versorgung mit sauberem Wasser. Etwa 1,3 Mil- liarden Menschen sind hiervon betroffen. Doppelt so viele haben keine ausreichende Abwasserentsorgung. Über 95 Prozent aller Abwässer aus Industrie und Land- wirtschaft werden nicht geklärt und verschmutzen wert- volles Trinkwasser. Es ist daher mehr als berechtigt, wenn die Vereinten Nationen von einer „ernsthaften Wasserkrise“ sprechen. Die Folgen dieser Krise liegen auf der Hand: Das Leben der Menschen steht auf dem Spiel. Tag für Tag sterben 6 000 Menschen an vermeid- baren Krankheiten, die durch verunreinigtes Wasser übertragen wurden. Hinzu kommen enorme volkswirt- schaftliche Schäden. Die Tatsache, dass Frauen und Kin- der das Wasser über weite Strecken hinweg holen müs- sen, bedeutet verlorene Zeit, für die Schule, für die Arbeit. Nach Unicef-Schätzungen bedeutet dies bei- spielsweise den Verlust von 40 Milliarden Arbeitsstun- den jedes Jahr. Wasser ist ein Schlüssel für die Zukunft der Men- schen. Sauberes Wasser bedeutet Gesundheit, Nahrung, Wohlergehen. Wasser ist ein wichtiger Faktor im Kampf gegen die Armut. Wasser ist eine wichtige Ressource für Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 15611 (A) (C) (B) (D) die Landwirtschaft. Ohne Wasser keine Zukunft – das ist die Herausforderung, vor der wir stehen. Daher ist es sehr wichtig, dass anlässlich des Welt- wassertages am kommenden Dienstag, dem 22. März, der UNO-Generalsekretär zugleich die internationale Wasserdekade der Vereinten Nationen ausruft. Die Zeit bis 2015 muss zu einem Jahrzehnt des Wassers werden. Jedem muss klar sein, dass nachhaltige Entwicklung und sichere Wasserversorgung eng miteinander verknüpft sind. Dabei ist natürlich auch der Beitrag der Bundesregie- rung gefragt, und der kann sich sehen lassen, schließlich ist Deutschland mit rund 350 Millionen Euro pro Jahr nach Japan der zweitgrößte Geber im Wasserbereich. Lassen Sie mich einige wesentliche Punkte der deut- schen Entwicklungszusammenarbeit im Wassersektor skizzieren. Erstens. Zurzeit kooperieren wir mit 27 Ländern schwerpunktmäßig im Wasserbereich. Wir unterstützen unsere Partnerländer darin, den Wassersektor zu refor- mieren und die verantwortlichen Institutionen zu stärken. Es geht angesichts der immer noch hohen Wasserverluste um eine verbesserte landwirtschaftliche Bewässerung, um den Ausbau der Infrastruktur, darum, sauberes Trink- wasser zu den Menschen zu bringen, und schließlich auch darum, die sanitäre Basisversorgung zu verbessern. Nur so werden die wasserinduzierten Krankheiten zu- rückgehen. Wir fördern angepasste Bewässerungssys- teme und den Aufbau von Wassernutzungsgruppen. Zweitens. Ein weiterer Schwerpunkt unserer interna- tionalen Wasserpolitik liegt auf dem grenzüberschreiten- den Wassermanagement. Es werden internationale Dia- loge initiiert und Flussgebietskommissionen unterstützt, in denen Flussanrainerstaaten gemeinsam das Flusswas- ser managen. Dies dient der Prävention von Konflikten, die es unter Umständen bei Verknappung des Wassers geben könnte. Wasser ist unersetzlich für den Menschen. Es ist ein Menschenrecht. Ermutigend ist, dass einige Länder wie Tansania oder Tschad beachtliche Erfolge bei der Was- serversorgung erzielen konnten. Aber die Erreichung der Wasserziele bis 2015 ist deshalb noch kein Selbstläufer. Dass die Vereinten Nationen die Wasserdekade ausrufen, verdient deshalb unsere volle Unterstützung. Daher be- grüße ich sehr den vorliegenden Antrag. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Die Wahlrichtlinien der Entwicklungsgemeinschaft der Staaten im südlichen Afrika (SADC) als Maßstab für freie und faire Wahlen auch in Simbabwe (Tagesord- nungspunkt 15) Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD): Ist gut, dass sich der Deutsche Bundestag zu dieser späten Stunde mit Afrika befasst. Wir von der SPD-Fraktion haben den vorliegenden Antrag erarbeitet, in dem wir, also der Bundestag, – unsere Regierung, die Europäische Union, aber auch unsere Partnerstaaten im südlichen Afrika dazu auf- fordern, die Grundsätze der Entwicklungsgemein- schaft der Staaten im Südlichen Afrika, also der SADC, für rechtsstaatliche, freie und faire Wahlen zu unterstützen, – in dem wir mit Hochachtung und Respekt zur Kenntnis nehmen, dass die Wahlen im Jahr 2004 in Botswana, Namibia und Mosambik weitgehend unter Beachtung und Einhaltung dieser Wahlgrundsätze stattgefunden haben, was die Akzeptanz ihrer Ergebnisse durch die Bevölkerung in diesen Ländern, aber auch deren An- sehen in der Welt und die Bedeutung der SADC deut- lich erhöhte, – und in dem wir die Machthaber in Simbabwe auffor- dern, bei den anstehenden Wahlen am 31. März 2005 peinlich genau auf die Einhaltung dieser Grundsätze zu achten. Ich freue mich sehr, dass es uns gelungen ist, für die- sen Antrag alle Fraktionen des Deutschen Bundestages zu gewinnen. Das erhöht die Bedeutung unserer Initia- tive. Es zeigt zugleich, dass der Deutsche Bundestag sich um die Belange in Afrika kümmert. In der Debatte des Deutschen Bundestages über Afrika vor rund einem Jahr hat unser leider viel zu früh verstorbener Kollege und Freund Hans Büttner, der die Parlamentariergruppe SADC-Staaten des Deutschen Bundestages und den Gesprächskreis Afrika der SPD- Bundestagsfraktion vor mir leitete, auf die geradezu schicksalhafte Verbindung zwischen Afrika und Europa hingewiesen. In jener Debatte warb er – und dann auch die Sprecherinnen und Sprecher der anderen Fraktionen, aber auch der Bundsregierung – eindringlich um Hilfe, um Unterstützung und Kooperation für die Menschen und Staaten Afrikas und betonte die besondere Verant- wortung gerade Europas aufgrund der kolonialen Ver- gangenheit. Hintergrund jener Verantwortung war das, was in der Öffentlichkeit unseres Landes, aber auch der Öffentlichkeit Europas das Bild Afrika prägte: Afrika, der „sterbende Kontinent“, der Kontinent der Katastro- phen, der Diktaturen und der Korruption, der Kontinent von Völkermord und Bürgerkriegen, Afrika, der Konti- nent, in dem gerade auch durch Hunger, Armut und Aids jeden Tag unzählige Menschen sterben. Diese Verantwortung besteht auch heute. Ganz ohne Zweifel. Europa und Afrika sind auf vielfältige Weise miteinander verbunden und aufeinander angewiesen. Darauf haben nicht nur wir hier im Bundestag, darauf haben auch Bundeskanzler Schröder, Bundespräsident Rau, Bundespräsident Köhler, aber durch Reden, Initiati- ven und politisches Handeln, beispielsweise im Rahmen von NEPAD, auch Bundesministerin Wieczorek-Zeul und ihre Afrika-Beauftragte, Frau Staatssekretärin Eid, immer wieder hingewiesen. Afrika steht im Fokus der Aufmerksamkeit des Außenministeriums, jetzt auch im 15612 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 (A) (C) (B) (D) Zentrum neuer Initiativen der künftigen EU-Präsident- schaft Großbritannien und der G 8. Dabei hat sich – und das lohnt sicherlich, hier deutlich hervorgehoben zu werden – unser Blick auf Afrika wei- ter geschärft und konzentriert: Wir sehen heute neben der Notwendigkeit zur Hilfe, Unterstützung und Koope- ration von außen gerade auch den entschlossenen Willen von immer mehr Engagierten und Aktiven in allen Be- reichen, auch von politisch verantwortlichen Politikern in Afrika selbst, – sich auf die eigene Kraft zu besinnen, – durch Änderungen im eigenen Land zur Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, von Wirtschafts- kraft und Zukunftssicherung beizutragen und damit der eigenen Bevölkerung Zukunft und Chancen zu garantieren, – durch Kooperation auf regionaler und gesamtafrikani- scher Ebene mehr Wirkung im Kampf um Frieden und Gerechtigkeit und gegen Hunger, Krankheiten und Elend zu erreichen. Diese Entwicklung, dieses neue Selbstbewusstsein, diese Entschlossenheit machen Mut und fordern unsere Kooperation und unsere Unterstützung in besonderer Weise. Die Entwicklungsgemeinschaft der Staaten im Südli- chen Afrika, SADC, ist eine solche regionale Gemein- schaft, die sich neben der Förderung von Wirtschaft und Entwicklung eben auch und gerade die Förderung demo- kratisch-rechtsstaatlicher Strukturen und freier und fairer Wahlen zum Ziel gesetzt hat. Sie tut das aus dem glei- chen Antrieb heraus, aus dem auch wir diese Ziele teilen, aus der Erkenntnis nämlich, dass eine friedliche, eine ge- rechte und zukunftsfähige Gesellschaft beides braucht wie wir die Luft zum Atmen. Diese SADC-Gemeinschaft hat im vergangenen Au- gust ganz konkrete Grundsätze erarbeitet, die genau dar- legen, was alles zu freien und fairen Wahlen gehört: Das sind insbesondere – regelmäßige Wahlen, an denen alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger gleichberechtigt teilnehmen können, ebenso wie – in der Vorbereitungsphase und in den Zeiten des Wahlkampfs faire und gleiche Bedingungen für Kan- didaten, Gruppen und Parteien, was sich gerade auch im Zugang zu den Medien zeigt, aber auch – ein fairer Wahlprozess selbst und die – Sicherstellung der ehrlichen Auszählung der abgege- benen Stimmen. Außerdem legen diese Grundsätze fest, dass die Wahlbeobachtungskommission SEOM der SADC-Orga- nisation bei Bedarf ein Mandat zur Wahlüberwachung bekommen soll, aufgrund dessen sie dann nach dem Maßstab der Grundsätze und der übrigen vertraglichen Grundlagen von SADC die Wahlen nicht nur beobachtet und prüft, sondern auch bewertet und der SADC-Ge- meinschaft darüber berichtet, ob Wahlvorbereitungszeit, Wahldurchführung und Wahlauszählung wirklich den Anforderungen von freien und fairen Wahlen genügen. Wie schon erwähnt, sind diese Wahlgrundsätze von allen, ich wiederhole, von allen Mitgliedstaaten von SADC beschlossen worden. Kein Land hat Vorbehalte angemeldet. Botswana, Mosambik, Namibia haben in ih- ren Wahlen im Herbst und Winter des letzten Jahres diese Grundsätze angewandt und – soweit dies gesagt werden kann – auch erfüllt. Das ist eine große Leistung und hat ganz ohne Zweifel dazu beigetragen, dass einer- seits die Bevölkerung selbst die Ergebnisse der Wahlen akzeptiert. Zum anderen haben diese freien und fairen Wahlen ebenfalls ganz ohne Zweifel viel zum wachsen- den Respekt vor diesen Staaten des südlichen Afrika in aller Welt beigetragen und den Wert ihrer Stimme in der Völkergemeinschaft erhöht. In den letzen Monaten hat Angola, ebenfalls Mit- gliedstaat von SADC, erklärt, seinen Wahlgesetzen die Wahlgrundsätze der SADC zugrunde zu legen. Auch das begrüßen wir. Nächster Prüfstein sind jedoch die Wahlen am 31. März 2005 in Simbabwe. Auch dieses wunderschöne Land mit seinen vielen tüchtigen Menschen, die jeden für sich einnehmen, der sie besucht, hat, wie wir alle wissen, seit Jahren unendlich viele Probleme. Dazu ge- hören große Schwierigkeiten im Innern, die, nicht zuletzt verursacht durch die Regierung und ihr nahe stehende Gruppen und Verbände, zur tiefen Spaltung der Gesell- schaft, zu Unterdrückung und Gewalt geführt haben. Auch Simbabwe hat im vergangenen August den Wahlgrundsätzen von SADC zugestimmt. Deshalb ist es nicht mehr als recht und billig, die Geltung dieser Grundsätze auch vor und während der kommenden Wah- len anzumahnen und auf ihre Einhaltung zu drängen. Das tun wir mit dem vorliegenden Antrag. Was wir jetzt, also schon in der Vorbereitungszeit der Wahlen, aus Simbabwe hören, muss allerding große Sor- gen bereiten: – Willkür der Polizei gegenüber Kandidatinnen und Kandidaten von Gruppen, die nicht zur Regierungs- partei gehören, – Behinderung ihrer Veranstaltungen bis hin zur Gewalt, Einschüchterung von Kandidaten und Sym- patisanten, – Behinderung des Zugangs zu staatlichen und anderen Medien, damit zugleich Beschneidung des Rechts der Wahlwerbung. Das sind nur einige der Klagen, die aus Simbabwe zu hören sind. Auch die Informationen über die Wahlbeobachtung und -überwachung stimmen uns sorgenvoll: – Da wird das SADC-Parlament, also das SADC-Fo- rum durch die simbabwische Regierung von der Wahlbeobachtung ausgeschlossen, weil der Bericht über die letzten Wahlen berechtigterweise kritisch ausgefallen ist. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 15613 (A) (C) (B) (D) – Da werden von der simbabwischen Regierung nur ausgesuchte Länder und Organisationen zur Wahlbeo- bachtung eingeladen und das auch noch zu einem so späten Zeitpunkt, dass die Phase des Vorwahlkampfes mit Beeinträchtigungen, Gewalt und Einschüchterung nicht mehr überwacht werden kann. Das alles erfüllt uns mit großer Sorge. Sinn unseres Antrags und auch unseres heute wohl einstimmig zu fas- senden Bundestagsbeschlusses ist es, diese Sorge zum Ausdruck zu bringen und sie unseren Partnern in Afrika deutlich vorzutragen. In unserem Antrag fordern wir deshalb die Bundesre- gierung auf, mit unseren Partnern in Europa und Afrika für die Durchführung freier und fairer Wahlen einzutre- ten – auch noch in letzter Minute, also bis hin zum Schluss des Wahlgangs am 31. März. Wir wollen da- rüber gerade auch mit unseren Freunden in Südafrika re- den, also in dem stärksten und einflussreichsten Land der Region, das in den letzten Tagen mit unterschied- lichen Stellungnahmen Beobachtermissionen nach Sim- babwe geschickt hat: Die Verantwortlichkeit für demo- kratische, freie und faire Wahlen wiegt umso schwerer, als wir alle wissen, dass nur solche Wahlen darüber ent- scheiden können, wer in Simbabwe am gesellschaft- lichen Dialog über die Zukunft dieses wunderschönen Landes mit seinen begabten und tüchtigen Menschen be- teiligt sein kann. Dabei unterstützen wir alle Bemühun- gen, Beobachtermissionen in ausreichender Zahl nach Simbabwe zu entsenden. Ich denke, es ist wichtig, dass auch wir darüber hi- naus auf der uns gegebenen parlamentarischen Ebene jede Möglichkeit ergreifen, um auf die Notwendigkeit der Einhaltung der Grundsätze von SADC hinzuweisen. Wir werden das tun. Wir treten auch dafür ein, nach den Wahlen einen Pro- zess der Wahlbewertung in Gang zu setzen, der nicht al- lein die Beobachtungen und Bewertungen der von der simbabwischen Regierung ausgesuchten Missionen ein- bezieht, sondern gerade auch die im Lande tätigen Nichtregierungsorganisationen mit Verantwortlichen aus SADC-Staaten und der Europäischen Union an einen Tisch bringt, um zu klaren und belastbaren Ergebnissen zu kommen. Diese Bewertung wird dann ganz ohne Zweifel die Kooperation mit Simbabwe ebenso beein- flussen wie etwa die Frage von Sanktionen. Lassen Sie mich nochmals unterstreichen, was ich ein- gangs gesagt habe: Europa und Afrika sind aufeinander angewiesen. Kooperation, aber auch die gleichberech- tigte Auseinandersetzung um Probleme und Zukunftsfra- gen gehören dazu, die Entwicklung von Demokratie, freien und fairen Wahlen eingeschlossen. Das unterstrei- chen wir mit unserem Antrag. Ich freue mich über Ihre Zustimmung. Arnold Vaatz (CDU/CSU): Der heutige Tag steht ganz im Zeichen des Jobgipfels. Umso bemerkenswerter ist es, dass der Deutsche Bundestag sich heute – wenn auch in kleiner Runde und zu später Stunde – auch mit der Situation in Simbabwe beschäftigt. Ich freue mich, dass es uns – wie bereits im Sommer letzten Jahres – wieder gelungen ist, kurzfristig einen ge- meinsamen Antrag zu Simbabwe in den Deutschen Bun- destag einzubringen. Um auf die bedrückenden Zustände in diesem kleinen Land aufmerksam zu machen, ist dies dringend erforderlich. Denn Simbabwe findet hierzu- lande keine Beachtung mehr, wie ich nach Sichtung der internationalen Pressespiegel der letzten Wochen traurig feststellen musste. Dabei stehen in diesem Land unmittelbar – und das ist ja auch der Anlass unseres Antrages – die Parlaments- wahlen vor der Tür. Robert Mugabe macht sich daran, am 31. März 2005 eine Zweidrittelmehrheit zu errei- chen. Dann ist für ihn der Weg frei, die Verfassung end- gültig auf sich zuzuschneidern. Um dieses Ziel zu errei- chen, ist ihm jedes Mittel recht. Bevor ich auf unseren konkreten Anlass – die Parla- mentswahlen und die Einhaltung der SADC-Wahlkrite- rien durch das Mugabe-Regime – eingehe, lassen Sie mich kurz einige Anmerkungen zur allgemeinen Situa- tion in Simbabwe machen; denn anders wird die diaboli- sche Strategie eines Herrn Mugabe leider nicht deutlich. Die wirtschaftliche Situation ist weiter verheerend. Dazu nur drei Zahlen zur Jahreswende 2004/05: Die In- flationsrate liegt bei 200 Prozent. Die Arbeitslosenquote bei 70 Prozent und 80 Prozent der simbabwischen Fami- lien leben an oder unter der Armutsgrenze. Die ver- meintliche Landreform ist außerhalb Simbabwes schein- bar überhaupt kein Thema mehr. Hier hat Robert Mugabe innerhalb kurzer Zeit – in nur vier Jahren – unumkehrbare Tatsachen geschaffen; Deshalb wohl auch der von der regierenden ZANU-PF gewählte – zynische – Begriff des „fast track“-Umsied- lungsprogrammes. Dahinter verbirgt sich – und so muss man das benennen – rassistisch motiviertes Handeln: Es ist ausdrückliche simbabwische Regierungspolitik, aus- schließlich weiße Farmer zu enteignen. Mit der Enteig- nung von 4 200 der 4 500 landwirtschaftlichen Betriebe sind diese Maßnahmen jetzt so gut wie abgeschlossen. Um sich überhaupt das Ausmaß dieser Aktion bewusst machen zu können, hier noch eine Zahl: Wir sprechen hier über 11,5 Millionen Hektar enteignetes Land. Und schließlich noch eine letzte Anmerkung zu die- sem Thema: Wie wir alle wissen, sind diese Güter – an- ders als die vermeintlich revolutionäre ZANU-PF immer propagiert hat – natürlich nicht dem simbabwischen Volk zugute gekommen. Auf Kosten des Volkes haben sich natürlich wieder Partei- und Regierungsfunktionäre bereichert. Dies hat übrigens eine von Mugabe einberu- fene Kommission zur Evaluierung der Landreform fest- gestellt. Natürlich ist dieser Bericht bis heute nicht ver- öffentlicht. Allein das Thema „Landreform“ zeigt, was George Orwell in seinem Roman „Animal Farm“ in be- drückender Weise dargestellt hat: Wenn kommunistische so genannte Befreiungsbewegungen an die Fleischtöpfe kommen, bleibt für das einfache Volk nicht einmal die Brosame übrig. In Simbabwe haben sich mit den Sorgen und Nöten in der Vergangenheit nur noch die so genannten Nichtregie- rungsorganisationen NGOs beschäftigt. Damit soll jetzt 15614 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 (A) (C) (B) (D) mit dem so genannten „NGO Act 2004“ auch Schluss sein. Kernpunkt dieses Gesetzes ist, dass sich die Nicht- regierungsorganisationen jetzt staatlich registrieren las- sen müssen. Eine für die Fortsetzung der Arbeit notwen- dige Registrierung ist ausgeschlossen, sobald – ich zitiere wörtlich – „die Förderung und der Schutz von Menschenrechten und Fragen politischer Gouvernanz“ Gegenstand der Arbeit der Organisationen ist. Die Konsequenz ist offensichtlich: Die im Bereich der politischen Bildung tätigen Organisationen müssen das Land verlassen. Das Mugabe-Regime will nämlich auch weiterhin ungehindert schalten und walten. Wir müssen leider konstatieren, dass Mugabe weiter- hin fest im Sattel sitzt. Dies ermöglicht es ihm, wie die letzten Monate zeigen, seine Partei nach seinen Vorstel- lungen umzugruppieren. Bei näherer Betrachtung muss man leider feststellen, dass es sich um nichts weiter als klassische Verteilungskampfe in einer diktatorischen Einheitspartei handelt. Dies belegt die Berufung der dienstältesten Ministerin Joice Mujuru zur zweiten Vize- präsidentin. Dabei handelt es sich um eine Konzessions- entscheidung Mugabes an seinen verdienten politischen Weggefährten, den ehemaligen Armeechef Solomon Mujuru, der Ehemann der Ministerin ist. Allein diese Personalie verdeutlicht, dass von der Staatspartei ZANU-PF auch in Zukunft für das Land Simbabwe nichts zu erwarten sein wird. Lassen Sie mich jetzt auf unseren konkreten Anlass, die unmittelbar bevorstehenden Parlamentswahlen, ein- gehen. In diesen Zusammenhang möchte ich mich ausdrück- lich bei der mauritischen Regierung bedanken, die zur- zeit den Vorsitz der SADC-Länder – Entwicklungsge- meinschaft der Staaten im Südlichen Afrika – inne hat. Auf besonderes Drängen von Mauritius haben sich die SADC-Staaten im Sommer vergangenen Jahres auf ihrem Gipfeltreffen einstimmig auf die so genannten „SADC Principles and Guidelines governing democratic elections“ – kurz gesagt: die Mindeststandards für die Durchführung freier und fairer Wahlen geeinigt. Diese gilt es jetzt auch in Simbabwe durchzusetzen. Dabei – und das möchte ich hier ganz deutlich betonen – dürfen diese Maßstäbe nicht nur am Wahltag selbst an- gelegt werden. Das würde zu kurz greifen! Nein, ent- scheidend ist bereits die schon angelaufene Phase der Wahlvorbereitung. Hier meine ich insbesondere den Wahlkampf. Und das, was wir da aus Simbabwe mitge- teilt bekommen, lässt das Schlimmste befürchten. Wie sieht der Wahlkampf tatsächlich aus? Allein in den letzten Tagen wurden mehr als 100 Fälle von Men- schenrechtsverletzungen festgestellt, die direkt der Re- gierung beziehungsweise der ZANU-PF zuzurechnen sind. Die Bandbreite reicht von Nötigungen bis hin zu schweren Körperverletzungen des politischen Gegners. Auch vor Vergewaltigungen wird nicht zurückge- schreckt. Dass die Rechnung aufgeht, belegen Hilferufe der einzigen Oppositionspartei, des Movement for De- mocratic Change MDC: Teile des Landes sind für den MDC aufgrund des geschilderten Terrors zu so genann- ten „No-go-Areas“ geworden. Das heißt, hier kann die Opposition überhaupt keinen Wahlkampf führen, da sie sowie ihre Anhänger und Sympathisanten um Leib und Leben fürchten müssen. Die Einschüchterung der Opposition hat mit der In- haftierung des Oppositionspolitikers Roy Bennett unter fadenscheinigen Gründen einen weiteren Höhepunkt er- reicht. Wegen einer Rangelei im Parlament wurde Roy Bennett Ende letzten Jahres auf einen bloßen Parla- mentsbeschluss hin für ein Jahr in ein Arbeitslager weg- gesperrt. Über die Unverhältnismäßigkeit – glaube ich – brauchen wir hier nicht länger zu sprechen. Es liegt auf der Hand, dass mit dem Verschwindenlassen Roy Bennetts von der politischen Bühne ein unliebsamer Regimekritiker ausgeschlossen werden sollte. Dies ist dem Regime leider gelungen, auch wenn in dieser Wo- che ein simbabwisches Gericht entschieden hat, dass Roy Bennett „ebenso aus seiner Zelle heraus“ für die Parlamentswahlen kandidieren könne! An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich bei Herrn Bundestagspräsident Thierse für seinen Brief vom November 2004 an den simbabwischen Parlamentspräsi- denten bedanken. Dass seine Forderung nach Überprü- fung der Verhältnismäßigkeit von Roy Bennetts Inhaftie- rung leider nicht aufgenommen worden ist, belegt das gerade von mir erwähnte Urteil auf zynische Art und Weise. Dass Mugabe mit dem MDC im Grunde genommen Katz und Maus spielt, zeigt auch ein noch prominenterer Vorfall. Am 15. Oktober 2004 wurde der MDC-Partei- vorsitzende Morgan Tsvangirai vom höchsten Gericht vom Vorwurf des Landesverrates freigesprochen. Dieses in der internationalen Presse ganz überwiegend positiv, ja sogar fast euphorisch aufgenommene Urteil ist bei nä- herer Betrachtung so überraschend nicht. Der umgehend durch die SADC-Staaten und Europa gereiste Tsvangirai sollte der Weltöffentlichkeit ein demokratisches und rechtsstaatliches Simbabwe vorgaukeln. Was dabei völ- lig in den Hintergrund getreten ist, ist die Tatsache, dass gegen Morgan Tsvangirai noch ein weiteres Hochver- ratsverfahren läuft. Ich bin gespannt, – und darauf, liebe Kollegen, sollten wir achten –, was daraus nach den Wahlen wird! Auch die vom Mugabe-Regime unlängst durchge- führten Maßnahmen zur Organisation der Wahl lassen nichts Gutes erwarten: Kurz vor Weihnachten wurden sämtliche Wahlkreise neu zugeschnitten. Schon jetzt ist absehbar, dass dadurch der MDC mindestens drei Direktmandate verlieren wird. Wie schon bei den letzten Parlamentswahlen hat sich auch diesmal das Mugabe- Regime eine erhebliche Verfügungsmasse an Wähler- stimmen verschafft. In den von ihm kontrollierten Wählerlisten befinden sich nach Aussage des MDC 800 00 Verstorbene und 300 000 Doppelregistrierungen. Das entscheidende Kriterium aber ist, dass die nach den SADC-Richtlinien vorgesehene Einladung von Wahlbeobachtern nur – ja ich möchte das einmal so for- mulieren – sehr selektiv erfolgt ist: Weder das dafür an sich zuständige „SADC-Parlamentary Forum“ noch die Afrikanische Union haben eine Einladung zur Wahlbeo- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 15615 (A) (C) (B) (D) bachtung erhalten. Von der EU oder beispielsweise von den USA brauche ich hier gar nicht weiter zu sprechen. Stattdessen hat Mugabe aus der nicht afrikanischen Welt China, Russland und den Iran eingeladen. Ich denke, wir sind uns hier alle einig darin, dass freie und faire Wahlen nach den Wahlrichtlinien der SADC in Simbabwe nur stattfinden können, wenn eine ordentliche Wahlbeobachtung gewährleistet ist. Ich möchte heute am Vorabend der Parlamentswahlen noch kein abschließen- des Urteil fallen. Aber das von mir Geschilderte lässt das Schlimmste befürchten. Was können wir als Deutscher Bundestag mit unseren europäischen Partnern aus der Ferne zur Verbesserung der Lage dort im südlichen Afrika beitragen? Meines Er- achtens gibt es nur einen Weg: Wir müssen Südafrika an seine Rolle als Ankermacht im südlichen Afrika, das heißt an seine regionalpolitische Verantwortung für sei- nen Nachbarn Simbabwe, nicht nur erinnern, sondern dies vom südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki auch einfordern. Denn dieser verzichtet bisher auf jede öffentliche Kri- tik an dem Mugabe-Regime. Diese von Thabo Mbeki als „stille Diplomatie“ verkaufte Politik ist jedoch nicht auf- gegangen: Die von ihm propagierten Verhandlungen zwischen ZANU-PF und MDC sind nämlich längst ge- scheitert. Umso unverständlicher ist der jüngste Kom- mentar des südafrikanischen Präsidenten zu den simbab- wischen Parlamentswahlen. Es klingt wie Hohn, wenn er meint, dass es sich hierbei um freie Wahlen handeln würde und keinerlei Beschränkungen der Opposition zu registrieren seien. Hier ist die Bundesregierung aufgefordert, sich kurz- fristig, – das heißt noch vor den Wahlen –, bei der süd- afrikanischen Regierung dafür einzusetzen, dass diese für die Einhaltung der SADC-Richtlinien in Simbabwe eintritt. Mehr ist gegenwärtig von dieser Stelle in realis- tischer Selbsteinschätzung leider tatsächlich nicht mög- lich. Aber ich denke, wir sind uns alle darüber einig: Heute haben wir hier im Deutschen Bundestag das Thema „Simbabwe“ aufgerufen, um auf die bevorstehenden Parlamentswahlen hinzuweisen, und ich bin mir sicher, wir werden sehr bald gemeinsam das Thema wieder er- örtern. Denn Robert Mugabe muss aufgezeigt werden, dass wir Simbabwe nicht aus den Augen verlieren. Nicht zuletzt sind wir das der demokratischen Opposition in Simbabwe schuldig. Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen): Auf unserer Ausschussreise in verschiedene Staaten im südlichen Afrika haben wir selbstverständlich die Situa- tion in Simbabwe bei allen Begegnungen explizit ange- sprochen. Unsere Gesprächspartner zeigten sich ent- täuscht und besorgt über die katastrophale politische und wirtschaftliche Entwicklung Simbabwes. Immerhin ge- hörte dieses Land früher zu den großen Hoffnungsträ- gern in Afrika. Die gewaltsamen Landbesetzungen sowie die illegalen Enteignungen und Vertreibungen von Farmern haben dazu beigetragen, dass die landwirtschaftliche Produk- tion weit gehend daniederliegt. Die Besetzer der Farmen sind nicht in der Lage, das fruchtbare Land ertragreich zu bestellen. Anstelle der weißen Farmer sind häufig Regie- rungsmitglieder und andere systemtreue Honoratioren getreten, von denen einige gleich mehrere große Farmen besitzen und Ländereien brach liegen lassen. Die gesamte wirtschaftliche Lage hat sich dramatisch verschlechtert. Die Situation der Bevölkerung ist zum Teil zum Verzweifeln. Die Grundversorgung ist längst nicht mehr gesichert. Viele hungern. Menschenrechts- verletzungen sind an der Tagesordnung. Von rechtsstaat- lichen Verhältnissen kann keine Rede mehr sein. Die Re- gierung bekämpft die politische Opposition mit Milizen, Militärkräften und Jugendgruppen, die gewalttätig nicht nur gegen den politischen Gegner vorgehen. Aber wir haben eben in unseren vielen Gesprächen auch erfahren müssen, dass unsere Sicht von der Bevöl- kerung im südlichen Afrika, besonders bei ärmeren Be- völkerungsschichten, keineswegs geteilt wird. Mugabe wird dort von sehr vielen weiterhin als Held der Befrei- ung vom Kolonialismus und der Durchsetzung der Un- abhängigkeit Afrikas geradezu gefeiert. Das gilt nicht nur in Simbabwe unter Druck der Regierung, sondern auch in vielen anderen Ländern der Region. Die Landreform und auch die Besetzungen werden ungeachtet der eingetretenen ökonomischen Katastrophe von vielen als im Prinzip richtig angesehen. Diese Ein- stellung ist für uns nur schwer verständlich. Aber sie ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass Landreform und die häufig versprochene Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Armen nicht vorankommen. Die Lebens- verhältnisse der Bevölkerung der afrikanischen Staaten haben sich häufig nur wenig verbessert. Immer noch scheinen die Weißen, die wahren Herrn im Land, und die, denen der Reichtum zugute kommt. Die koloniale Vergangenheit bleibt wach. Das sind die Hintergründe, die eine politische Isola- tion des Präsidenten in Simbabwe und seines Regimes so schwer machen und verhindern. So hat die Afrikanische Union – AU – jüngst eine Re- solution gegen Simbabwe mit Mehrheit abgelehnt. Hinzu kommt, dass die Proteste der Industriestaaten we- gen Korruption, staatlicher Gewaltrepression, Folter und Mord in Simbabwe als wenig glaubhaft angesehen wer- den, wenn dieselben Staaten mit anderen Machthabern und Ländern beste Beziehungen in der Vergangenheit unterhalten hatten und auch noch unterhalten, in denen ähnliche Verhältnisse herrschen. In diesem Zusammenhang ist auch kritisch anzumer- ken, dass trotz aller Vorwürfe gegen das Regime Mu- gabe simbabwische Polizisten im Kosovo eingesetzt werden! Was ist nun zu tun? – Die bevorstehenden Wahlen in Simbabwe geben An- lass zu ernster Besorgnis, aber auch eine Möglichkeit, die Zustände in Simbabwe zu problematisieren und zu handeln. Berichte über die erhebliche und eskalierende 15616 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 166. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 (A) (C) (B) (D) Gewalt gegen die Opposition, gegen die Regionen, in denen vorwiegend oppositionell gewählt wird, und in- zwischen auch innerhalb des Regierungslagers selbst weisen deutlich aus, dass von freien Wahlen nicht die Rede sein kann. Die Gewalt macht auch nicht Halt ge- genüber ausländischen Journalisten, wie zum Beispiel die „taz“ am 23. Februar berichten musste. Insofern ist es richtig, dass wir heute klar und in gro- ßer Gemeinsamkeit vom Deutschen Bundestag aus auf die Notwendigkeit hinweisen, die von den afrikanischen Staaten der SADC selbst formulierten und vertraglich vereinbarten demokratischen Standards für Wahlen ein- zuhalten, und dass wir Robert Mugabe deutlich sagen, wir nehmen nicht hin, dass diese Standards in keiner Weise bisher eingehalten werden. Wir stellen uns an die Seite der Opposition, wenn es schrieben. Wir sind uns alle einig in der Zielrichtung un- seres gemeinsamen Antrages. Wir müssen erkennen, dass sich die afrikanischen Staaten sehr schwer tun, einen anderen afrikanischen Staat zu kritisieren. Das kann nur kulturell und vielleicht aus einer gemeinsamen kolonialen Vergangenheit erklärt werden. Das macht die Sache aber nicht einfacher. Es er- schwert politisches Handeln in Afrika zum Wohle der Menschen. Wir müssen aber als Deutsche und Europäer immer wieder klar machen, dass die Lösung der afrika- nischen Probleme nur durch Afrikaner vorgenommen werden kann. Wir müssen an die Verantwortung der Staaten für die gesamte Region apellieren. Erster Adressat ist natürlich Simbabwe selbst. Aber es ist zu befürchten, dass hier Hopfen und Malz verloren ist; auch Sanktionen haben ja bisher keine diesbezügli- gilt, faire Chancen für freie Wahlen zu fordern. Wir unterstützen auch die Kräfte im Regierungslager, die für bald oder spätestens für die Zeit nach Mugabe de- mokratische Reformen und die Herstellung von Rechts- staatlichkeit wollen und sich schon heute häufig unter großem persönlichen Risiko dafür einsetzen. Und in die- sem Sinne stimmen wir dem Antrag voll und ganz zu. Aber ich sage in der längeren Perspektive auch, dass eine wirksame Abkehr der verheerenden Politik von Mu- gabe, gerade weil sie leider eben auch Unterstützung ge- nießt und deshalb weder umfassende noch „smarte“ Sanktionen hier greifen, nur erreicht werden kann, wenn in anderen Staaten Afrikas durch erfolgreiche Landrefor- men und Verbesserungen der Lebensverhältnisse der Ar- men und Ärmsten sichtbare Alternativen entstehen, an denen die Massen im südlichen Afrika sich orientieren können. An solchen friedlichen, gewaltfreien und rechtsstaat- lichen Alternativen können und sollten wir mitwirken. Zum Beispiel im nahen Namibia. Dr. Rainer Stinner (FDP): Die Fakten in Simbabwe sind bekannt und von meinen Kollegen hinreichend be- che Verbesserung gebracht. Zweiter Adressat sind die einzelnen Staaten der SADC. Hier ist Südafrika das Schlüsselland. Aber auch die anderen Länder sind in der Verpflichtung, selbst gesetzte Maßstäbe einzuhalten. Drittens ist die SADC als Organisation gefordert. Ge- nauso wie wir von Europa verlangen, die Probleme aufdem Balkan aktiv zu lösen, genauso wie wir von der ara- bischen Welt einen aktiveren Beitrag zur Lösung des Nahost-Problems erwarten, genauso wie wir die Afrika- nische Union auffordern, das Morden in Darfur zu unter- binden, genauso müssen wir die SADC als Organisation auffordern, hart und unmissverständlich das Mitglieds- land Simbabwe zur Einhaltung der gemeinsamen Regeln zu bewegen. Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit der SADC. Es stehen weitere Wahlen an und die Durchset- zungsfähigkeit der SADC steht auf dem Spiel. Das müs- sen wir diesen Ländern deutlich sagen. Wir Europäer sind zu einem Beitrag zur Verbesserung der Situation auf diesem geplagten Kontinent bereit. Aber dieser Beitrag ist nur vertretbar, wenn wir den deutlichen Willen und das deutliche Handeln dieser Länder erkennen können, selbst ihren Beitrag zu leisten. Dazu gehört auch die un- missverständliche Kritik an Simbabwe, auch wenn das manchem noch so schwer fallen mag. 166. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 17. März 2005 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von René Röspel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren! Im Januar 2002 – Herr Rachel erwähnte es ein-
    gangs – gab es im Deutschen Bundestag eine sehr große
    fünfstündige Debatte über die Frage, ob an embryonalen
    Stammzellen und an Embryonen in Deutschland ge-
    forscht werden soll. Ein Journalist hat diese Debatte da-
    mals – wie ich glaube, zu Recht – als Sternstunde des
    Parlaments bezeichnet. Es standen damals drei unter-
    schiedliche Anträge zur Wahl und die Mehrheit des
    Deutschen Bundestages hat sich dafür entschieden, dass,
    wie Margot von Renesse es einmal ausdrückte, für deut-
    sche Forschung kein Embryo sterben solle. Es wurde
    letztlich ein Kompromiss beschlossen, der im April 2002
    im Stammzellimportgesetz seinen Ausdruck fand. Da-
    nach darf in Deutschland an embryonalen Stamm-
    zellen, die zu einem bestimmten Stichtag schon herge-
    stellt waren, für die also kein neuer Embryo zerstört
    werden musste, geforscht werden. Die deutsche Rechts-
    und Gesetzeslage war damit seit dem Jahr 2002 klar.

    Anders ist es auf europäischer Ebene. Dort gibt es das
    6. EU-Forschungsrahmenprogramm – ein gutes Pro-
    gramm. Als zentrales Instrument europäischer For-
    schungsförderung sieht es die Zentralisierung, die Bün-
    delung von Forschungsaktivitäten in Europa vor. Das ist
    sinnvoll und vernünftig. Allerdings enthält dieses Pro-
    gramm aus Sicht der Mehrheit des Bundestages auch das
    Problem, dass mit diesen europäischen Mitteln eben
    auch embryonale Stammzellforschung gefördert werden
    kann und soll. Das hieße in der Konsequenz, dass mit
    Geld, das unter anderem auch aus Deutschland stammt,
    auf europäischer Ebene Projekte gefördert werden dürf-
    ten, die nach deutscher Rechtslage nicht erlaubt, ja sogar
    strafbar wären.

    Wir haben deshalb im Januar 2002 gleichzeitig auch
    beschlossen, die Bundesregierung aufzufordern, darauf
    hinzuwirken – ich darf zitieren –,

    dass auch auf europäischer Ebene bei den For-
    schungsprojekten eine Beschränkung auf beste-
    hende Stammzelllinien vorgenommen wird. Sie
    wird aufgefordert, entsprechende Regeln für die
    Stammzellforschung aus Mitteln der Europäischen
    Union durchzusetzen.

    Die Bundesregierung hat diesen Auftrag angenommen,
    übrigens als einziges Land in der Europäischen Union,
    und hat ihn sehr erfolgreich umgesetzt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich will auch deutlich machen, dass der ehemalige
    Parlamentarische Staatssekretär und jetzige Staatssekre-
    tär Wolf-Michael Catenhusen großes Verhandlungsge-
    schick bewiesen hat und auch erfolgreich war.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Er hat es nämlich geschafft, innerhalb der Europäischen
    Union ein Moratorium zu erreichen, durch das eine
    Förderung von Forschung, die in Deutschland verboten
    wäre, nicht stattfindet. Dieser Beschluss gilt auch weiter.

    Allerdings hat sich bei den Rahmenbedingungen eini-
    ges verändert. Wir haben in der Europäischen Union
    zehn neue Mitgliedstaaten, deren Haltung noch nicht
    klar ist. Wir haben mit Spanien und Portugal zwei Län-
    der, die die Auffassung der Bundesregierung unterstützt
    haben, bei denen aber die Regierung gewechselt hat und
    jetzt eher eine andere Tendenz herrscht. Das heißt, die
    Situation hat sich verändert; sie ist schwieriger gewor-
    den.

    Nicht verändert aber hat sich das Handeln der deut-
    schen Bundesregierung,


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    die entsprechend dem Auftrag, den wir ihr im
    Januar 2002 erteilt haben, agiert und auf europäischer
    Ebene versucht, dafür zu sorgen, dass keine Förderung
    von embryonaler Stammzellforschung stattfindet bzw.
    keine Embryonen zerstört werden. Das ist nicht einfach.
    Die Schwierigkeit ist, dass in vielen europäischen Län-
    dern eine andere Rechtslage herrscht. In Großbritannien
    ist viel mehr erlaubt als nach deutschem Gesetz möglich.






    (A) (C)



    (B) (D)


    René Röspel

    Unsere Gesetzeslage wird sicherlich von der breiten
    Mehrheit des Bundestages – es gibt ja in jeder Fraktion
    unterschiedliche Positionen dazu; in fast jeder, bis auf
    die FDP –


    (Ulrike Flach [FDP]: Gott sei Dank, Herr Röspel!)


    unterstützt.
    Jetzt bringt die CDU/CSU einen Antrag ein, der im

    Wesentlichen dem Antrag folgt, den wir im Juli 2003
    quer durch alle Fraktionen hier beschlossen haben, und
    der die Bundesregierung auffordert, ihr Handeln fortzu-
    setzen. Wir haben es als rot-grüne Koalition nicht für nö-
    tig gehalten, einen neuen Antrag zu stellen, weil wir se-
    hen, dass das Verhalten der Bundesregierung weiterhin
    im Sinne der Beschlusslage ist. Aber weil wir Ihren An-
    trag inhaltlich im Wesentlichen unterstützen können


    (Jörg Tauss [SPD]: Er ist überflüssig!)

    – zumindest die Mehrheit unserer Fraktion; auch bei uns
    gibt es unterschiedliche Positionen, das ist kein Geheim-
    nis, entspricht aber guter demokratischer Gepflogen-
    heit –, strecken wir unsere Hand aus und bieten Ihnen
    an, im Rahmen des Ausschussverfahrens zu versuchen,
    einen gemeinsamen Antrag hinzubekommen, der die
    Bundesregierung in Fortsetzung der mehrfach gefassten
    Beschlüsse


    (Jörg Tauss [SPD]: Ermuntert!)

    – ermuntert – ermutigt und auffordert, sich auf europäi-
    scher Ebene weiterhin dafür einzusetzen, dass embryo-
    nale Stammzellforschung nicht gefördert wird. Das ist
    ein schwieriges Unterfangen. Wir wünschen der Bundes-
    regierung an dieser Stelle weiterhin viel Glück und Er-
    folg dabei.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Das Wort hat nun die Kollegin Ulrike Flach, FDP-

Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ulrike Flach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr

    Röspel hat eben auf die Jahre 2002 und 2003 verwiesen.
    Die FDP war damals anderer Meinung und es wird Sie
    mit Sicherheit nicht erstaunen, dass wir selbstverständ-
    lich auch heute anderer Meinung sind.


    (Nicolette Kressl [SPD]: Doch, das erstaunt uns schon!)


    Für uns ist die Ethik des Heilens der Maßstab, an dem
    wir uns ausrichten. Angesichts dieses Maßstabes kann
    Ihr heutiger Antrag natürlich nicht gut sein. Er ist sach-
    lich falsch und er ist politisch schädlich.


    (Beifall bei der FDP)

    Erstens. Die Forschung an embryonalen Stammzel-

    len gehört zu den vielversprechendsten Forschungsge-
    bieten innerhalb der thematischen Schwerpunkte im EU-
    Forschungsprogramm.


    (Jörg Tauss [SPD]: Na ja!)

    Eine sinnvolle Zusammenarbeit auf der Basis wissen-
    schaftlicher Exzellenz kann nicht erfolgen, wenn Wis-
    senschaftler einzelner Länder aufgrund ethischer Beden-
    ken nicht an Forschungen teilnehmen können, bei denen
    es auch um menschliche Embryonen geht.


    (Jörg Tauss [SPD]: Zwei Anträge! Einen Popanz sollte man da nicht aufbauen!)


    – Ja, Herr Tauss, aber so ist es. Wenn man Ihnen folgt,
    wird es auf der EU-Ebene eine solche Forschung nicht
    mehr geben. Das wollen wir Liberalen nicht.


    (Beifall bei der FDP)

    Ihr Antrag bedeutet das Aus für solche Projekte. Das

    Irrwitzige dabei ist, dass Sie damit im Prinzip überhaupt
    nichts erreichen. Denn natürlich wird es national in den
    jeweiligen Nachbarländern weiter Forschung an über-
    zähligen Embryonen geben. Das ist in Frankreich der
    Fall, auch außerhalb des EU-Bereichs, in der Schweiz,
    und selbstverständlich in Belgien, Skandinavien und
    Spanien.


    (Jörg Tauss [SPD]: Da geht Herr Rachel dann hin!)


    Um es kurz zu sagen: Sie gehen hier mit einem symboli-
    schen Akt ins Parlament, mit dem Sie auf EU-Ebene
    nichts erreichen können.


    (Beifall bei der FDP)

    Zweitens. Sie behaupten, die Stichtagsregelung in

    Deutschland habe sich bewährt. Sie hat sich nicht be-
    währt. Diese Meinung haben wir immer wieder geäußert
    und wir haben uns auch die Mühe gemacht, mit den be-
    troffenen Forschern hier in Deutschland zu reden. Jeder
    von ihnen hat uns bestätigt, dass man selbstverständlich
    Stammzellmaterial braucht, das jenseits des derzeit fest-
    gelegten Stichtages liegt.


    (René Röspel [SPD]: Die sind noch lange nicht am Ende ihres Erkenntnisgewinns!)


    In dieser Situation, mit der die Politik fertig werden
    muss, muss diesen Forschern geholfen werden.

    Drittens. Wenn man nationale ethische Standards im
    Bereich der Stammzellenforschung als Kriterium der
    Finanzierung aufstellt, dann müssen diese auch für alle
    anderen EU-Forschungsvorhaben gelten. Aber das wol-
    len Sie nicht. Sie handeln also ausgesprochen inkonse-
    quent. Das würde im Endeffekt dazu führen, dass der ge-
    samte EU-Forschungsbereich völlig anders geregelt
    werden müsste, als dies zurzeit der Fall ist.

    Meine Redezeit ist kurz. Daher fasse ich zusammen.
    Ich bedauere es, dass wir uns heute erneut mit einem sol-
    chen Antrag befassen müssen. Herr Rachel, ich hätte mir
    gewünscht, dass Sie im Hinblick auf die EU zu weiterge-
    henden und weiterführenden, für das Heilen in diesem
    Lande besseren Ergebnissen gekommen wären.






    (A) (C)



    (B) (D)


    Ulrike Flach


    (Thomas Rachel [CDU/CSU]: Das geht in die falsche Richtung! – Zuruf von der SPD: Das sind doch immer nur unbelegte Behauptungen!)


    Ich sehe im Gegensatz zu Herrn Röspel nicht, dass die
    Bundesregierung mit ihren alten Anträgen Erfolg gehabt
    hat. Auch diesem Antrag wird mit Sicherheit kein Erfolg
    beschieden sein. Deswegen blicken wir, obwohl wir uns
    heute nicht durchsetzen werden, recht frohgemut in die
    Zukunft.


    (Beifall bei der FDP – René Röspel [SPD]: Aber richtig ist es trotzdem nicht! Die Bundesregierung war erfolgreich!)