1) Anlage 11
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15053
        (A) )
        (B) )
        weit diese entstandenen und mögliche weitere
        h(Wiesloch), Gert
        alb ist eine dringende Überprüfung notwendig, inwie-
        Vorhaben des Bürokratieabbaus eine erhebliche Benach-
        teilung etablierter Betriebe verbunden sein kann. Des-Weisskirchen SPD 24.02.2005*
        Anlage 1
        Liste der entschuldigt
        *
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        Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
        Bahr (Neuruppin), Ernst SPD 24.02.2005
        Barnett, Doris SPD 24.02.2005*
        Bettin, Grietje BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        24.02.2005
        Carstensen (Nordstrand),
        Peter H.
        CDU/CSU 24.02.2005
        Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 24.02.2005
        Göppel, Josef CDU/CSU 24.02.2005
        Kossendey, Thomas CDU/CSU 24.02.2005*
        Dr. Krings, Günter CDU/CSU 24.02.2005
        Lengsfeld, Vera CDU/CSU 24.02.2005
        Lips, Patricia CDU/CSU 24.02.2005
        Nolte, Claudia CDU/CSU 24.02.2005*
        Probst, Simone BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        24.02.2005
        Raidel, Hans CDU/CSU 24.02.2005*
        Reiche, Katherina CDU/CSU 24.02.2005
        Riemann-Hanewinckel,
        Christel
        SPD 24.02.2005
        Ronsöhr, Heinrich-
        Wilhelm
        CDU/CSU 24.02.2005
        Rossmanith, Kurt J. CDU/CSU 24.02.2005*
        Schily, Otto SPD 24.02.2005
        Steenblock, Rainder BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        24.02.2005
        Dr. Thomae, Dieter FDP 24.02.2005
        Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        24.02.2005
        Türk, Jürgen FDP 24.02.2005
        Wegener, Hedi SPD 24.02.2005*
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        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        en Abgeordneten
        für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
        sammlung des Europarates
        nlage 2
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Klaus Brähming und Ernst
        Hinsken (beide CDU/CSU) zur Abstimmung
        über den Entwurf eines Gesetzes zur Umset-
        zung von Vorschlägen zu Bürokratieabbau und
        Deregulierung aus den Regionen und zur Ände-
        rung wohnungsrechtlicher Vorschriften (Tages-
        ordnungspunkt 15)
        Ernst Hinsken (CDU/CSU): Zu der heutigen Ab-
        timmung über das Gesetz zur Umsetzung von Vorschlä-
        en zu Bürokratieabbau und Deregulierung aus den Re-
        ionen und zur Änderung wohnungsrechtlicher
        orschriften möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich
        ie vorgesehenen Änderungen in Art. 8 – Änderung des
        aststättengesetzes – Nr. l a und b ausdrücklich und
        achhaltig ablehne.
        Begründung: Im Gaststättengesetz soll die Erlaubnis-
        flicht für anderweitige gewerbliche oder freiberufliche
        ienstleistungserbringer und den Handel entfallen, wenn
        iese eine entgeltliche Abgabe von alkoholfreien Geträn-
        en und Speisen im Zusammenhang mit der Erbringung
        er Dienstleistung oder dem Handel anbieten. Die wäre
        in nicht nachvollziehbarer Wettbewerbsnachteil für
        astgewerbliche Unternehmen, die die weiter gehenden
        nforderungen des Gaststättengesetzes mit einer Viel-
        ahl von Vorschriften und Auflagen, zum Beispiel in Be-
        ug auf die Lebensmittelhygiene zu beachten haben.
        Weiterhin würde der vorgesehene Entfall der Erlaub-
        ispflicht für die Betreibung eines Gaststättengewerbes,
        enn dieses nur für einen Tag und ohne die Bereitstel-
        ung von Sitzplätzen betrieben wird, die klassische Gas-
        ronomie ebenfalls massiv benachteiligen. Damit wären
        uch größere Veranstaltungen für einen Tag ohne Beach-
        ung von Vorschriften des Jugendschutzes, des Brand-
        chutzes und der sicherheitsrelevanten Bestimmungen
        owie lebensmittelhygienischer Grundsätze möglich.
        In dieser Begründung wird deutlich, dass mit dem
        immer (Neuss), Willy CDU/CSU 24.02.2005*
        apf, Uta SPD 24.02.2005*
        bgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
        15054 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
        (A) )
        (B) )
        Wettbewerbsnachteile des etablierten Hotel- und Gast-
        stättengewerbes sowie anderer mittelständischer Unter-
        nehmen abgebaut werden können.
        Um die übrigen richtigen Vorschläge zu Bürokratie-
        abbau und Deregulierung nicht zu gefährden, stimme ich
        dem Gesetzentwurf als Ganzem zu.
        Anlage 3
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Maria Michalk (CDU/CSU)
        zur Abstimmung über den Entwurf eines Ge-
        setzes zur Umsetzung von Vorschlägen zu
        Bürokratieabbau und Deregulierung aus den
        Regionen zur Änderung wohnungsrechtlicher
        Vorschriften (Tagesordnungspunkt 15)
        Zu der heutigen Abstimmung über das Gesetz zur
        Umsetzung von Vorschlägen zu Bürokratieabbau und
        Deregulierung aus den Regionen und zur Änderung
        wohnungsrechtlicher Vorschriften gebe ich folgende Be-
        denken zu Protokoll: Im Gaststättengesetz soll mit Än-
        derungen in Art. 8 Nr. 1 a und b die Erlaubnispflicht für
        anderweitige gewerbliche oder freiberufliche Dienstleis-
        tungserbringer und den Handel entfallen, wenn diese
        eine entgeltliche Abgabe von alkoholfreien Getränken
        und Speisen im Zusammenhang mit der Erbringung der
        Dienstleistung oder dem Handel anbieten. Dies ist ein
        Wettbewerbsnachteil für gastgewerbliche Unternehmen,
        die die weiter gehenden Anforderungen des Gaststätten-
        gesetzes mit einer Vielzahl von Vorschriften und Aufla-
        gen zum Beispiel in Bezug auf die Lebensmittelhygiene
        zu beachten haben.
        Ein weiterer Nachteil entsteht durch den vorgesehe-
        nen Entfall der Erlaubnispflicht für die Betreibung eines
        Gaststättengewerbes, wenn dieses nur für einen Tag und
        ohne die Bereitstellung von Sitzplätzen betrieben wird.
        Damit sind auch größere Veranstaltungen für einen Tag
        ohne Beachtung von Vorschriften des Brandschutzes und
        der sicherheitsrelevanten Bestimmungen sowie lebens-
        mittelhygienischer Grundsätze möglich.
        Leider ist mit dem berechtigten Vorhaben des Büro-
        kratieabbaus im Gesetz eine erhebliche Benachteilung
        etablierter Betriebe verbunden. Deshalb ist aus meiner
        Sicht eine Überprüfung notwendig, inwieweit diese ent-
        standenen und möglichen weiteren Wettbewerbsnach-
        teile des etablierten Hotel- und Gaststättengewerbes so-
        wie anderer mittelständischer Unternehmen abgebaut
        werden können.
        Um die übrigen richtigen Vorschläge zu Bürokratie-
        abbau und Deregulierung nicht zu gefährden, stimme ich
        dem Gesetzentwurf als Ganzem zu.
        Anlage 4
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Internationale sport-
        liche Großveranstaltungen gleichermaßen för-
        dern (Tagesordnungspunkt 14)
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        Dagmar Freitag (SPD): Wir diskutieren heute den
        nions-Antrag mit dem schönen Titel „Internationale
        portliche Sportveranstaltungen gleichermaßen fördern“.
        ie Zielrichtung bleibt leider auch nach mehrmaligem
        onzentrierten Lesen unklar. Auf den ersten Blick wird
        llerdings klar, dass unbestrittene Ärgernisse bei der
        ergabe internationaler Sportveranstaltungen der Bun-
        esregierung angelastet werden sollen. Das kann nur
        erwundern.
        Gleiches gilt auch für die Forderungen, die konkret an
        ie Bundesregierung gestellt werden. Nehmen wir mal
        in Beispiel heraus: Sie fordern die Bundesregierung
        uf, sich auf internationaler Ebene für andere Modalitä-
        en bei der Vergabe von sportlichen Großveranstaltungen
        inzusetzen. Ich erinnere mich gut daran, dass wir 1999
        iesen Aspekt bei der Diskussion um die steuerliche Be-
        andlung der Fußball-WM in unserem Land behandelt
        aben. Und wir waren uns einig, dass es wünschenswert
        äre, wenn Regierungen Einfluss nehmen könnten.
        ber die Lebenswirklichkeit ist eine andere: Kein Welt-
        erband wird Eingriffe in seine wirtschaftlichen Planun-
        en hinnehmen; im Gegenteil: man wird sich entspre-
        hende Einmischungen und Ratschläge von welcher
        egierung auch immer verbitten. Auch auf internationa-
        er Ebene gilt die Autonomie des Sports.
        Aber auch wenn es sich utopisch anhört, letztlich
        ann sich nur der Sport selbst solchen Forderungen wi-
        ersetzen. Gelingt dies nicht, wird sich die Schraube im-
        er weiter drehen, letztlich mit unabsehbaren Folgen für
        en Sport.
        Nun zum nationalen Part Ihres Antrages. Highlight
        hrer Forderungen ist hier folgender Passus: „Der deut-
        che Bundestag fordert die Bundesregierung auf, … in-
        ernationale Sportveranstaltungen in Deutschland gemäß
        hrer Bedeutung gleichermaßen angemessen zu fördern.“
        iesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen las-
        en. Entweder man fördert „entsprechend der Bedeu-
        ung“ oder aber man fördert „gleichermaßen“. Und was
        st nach Ihrer Ansicht „angemessen“? Die Diskussionen
        öchte ich erleben.
        Ich zitiere weiter:
        Dies reicht von der Unterstützung bei der Errich-
        tung bzw. Ausgestaltung von Sportstätten bis hin
        zur Hilfe zur Organisation der Veranstaltung und
        dem kulturellen Rahmenprogramm.
        m Feststellungsteil beklagen Sie noch die Tatsache,
        ass die öffentliche Hand zunehmend mit hohen Sum-
        en in internationale Topevents mit eingebunden ist,
        nd wenige Zeilen später fordern Sie die Bundesregie-
        ung auf, die Veranstaltungen mehr oder weniger kom-
        lett zu übernehmen: Sportstättenbau, Organisation,
        ahmenprogramm. Widersprüchlich ist eine wirklich
        ilde Bewertung für diese Forderungen. Und was den
        portstättenbau angeht, muss sich diese Bundesregie-
        ung nun wirklich nicht verstecken.
        Sie behaupten weiter, dass „Bund und Länder wegen
        hrer angespannten Haushaltslage die Investitionen beim
        pitzen- und Breitensport massiv gekürzt“ hätten. Wahr-
        cheinlich haben Sie da an Baden-Württemberg gedacht.
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15055
        (A) )
        (B) )
        Dieses unionsgeführte Bundesland kehrt im Bereich der
        Sportförderung in der Tat gerade mit dem eisernen Be-
        sen. Und nur der meines Wissens erste Streik von unzäh-
        ligen Breitensportlern hat ein begrenztes Einlenken Ihrer
        Landesregierung zur Folge gehabt. Der Bund hat dage-
        gen seine Sportförderung trotz globaler Kürzungen auf
        einem stabilen hohen Niveau gehalten.
        Sie stellen in Ihrem Antrag fest, dass „Deutschland in
        den vergangenen Jahrzehnten herausragender Gastgeber
        unter anderem bei Olympischen Spielen und zahlreichen
        Welt- und Europameisterschaften war“. Richtig, und das
        trotz der angeblich so unzulänglichen Bedingungen.
        Natürlich kennen wir wie Sie die Diskussionen im
        deutschen Sport und die Unzufriedenheit einzelner
        Spitzenverbände mit bestimmten Rahmenbedingungen.
        Kritik wird immer wieder am mittlerweile zu medialer
        Berühmtheit gelangten § 50 Abs. 7 Einkommensteuerge-
        setz geübt. Es gibt derzeit Bestrebungen im Sport, an-
        dere als die bislang im Gesetz stehenden Kriterien für
        eine Steuerbefreiung oder -minderung festzulegen. Ich
        glaube nicht, dass das zur Problemlösung beiträgt. In der
        überwiegenden Zahl der Bewerbungen spielt die Frage
        der Besteuerung eine eher untergeordnete Rolle. Anders
        ist die hohe Zahl von erfolgreichen deutschen Bewer-
        bungen – jüngstes Beispiel ist die Leichtathletik-WM
        2009 in Berlin – nicht zu erklären.
        Ein Blick ins Ausland bestätigt im Übrigen diese Ein-
        schätzung: Australien zum Beispiel ist ebenfalls regel-
        mäßig Gastgeber für eine große Anzahl hochkarätiger
        internationaler Sportveranstaltungen, in diesem Jahr der
        Deaflympic Games, 2006 der Commonwealth Games
        und 2007 der Schwimm-WM. Wie sieht die Steuer-
        gesetzgebung dort aus? Ähnlich wie in Deutschland.
        Ausländische Sportler müssen, als steuerpflichtige Aus-
        länder das gesamte in Australien erzielte Einkommen
        versteuern. Auch Preisgelder und andere geldwerte Vor-
        teile unterliegen in Australien grundsätzlich der Steuer-
        pflicht. Steuerliche Fragen spielen auch nach Einschät-
        zung des Sportministers von Victoria, Justin Madden für
        Erfolg oder Misserfolg der Bewerbung keine entschei-
        dende Rolle.
        Fazit: Deutschland war und ist ein guter Standort für
        den Sport und wird es mit dieser Regierung auch blei-
        ben.
        Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Die CDU/CSU-
        Fraktion hat heute einen Antrag mit dem Titel „Interna-
        tionale sportliche Großveranstaltungen gleichermaßen
        fördern“ vorgelegt. Darin stellen sie fest, dass „Deutsch-
        land in den vergangenen Jahrzehnten herausragender
        Gastgeber unter anderem bei Olympischen Spielen so-
        wie zahlreichen Welt- und Europameisterschaften“ war.
        Das stimmt. Mehr noch: Diese Aussage ist heute aktuel-
        ler denn je.
        Was allerdings an Sinnlosigkeiten in diesem Antrag
        gefordert wird und an Dingen, die nicht in den Aufga-
        benbereich der BR fallen, ist erstaunlich.
        Die CDU/CSU stellt nur Forderungen, ohne anzuer-
        kennen, welche Leistungen diese Bundesregierung unter
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        en gegebenen nationalen und internationalen Rahmen-
        edingungen in der Einwerbung von sportlichen Groß-
        eranstaltungen bereits geleistet hat.
        Diese Bundesregierung hat in den vergangenen Jah-
        en entscheidend dazu beigetragen, zahlreiche hochkarä-
        ige Veranstaltungen nach Deutschland zu holen. Von
        004 bis zum Ende des Jahrzehntes finden die Champio-
        ate in fast allen olympischen Top-Sportarten in
        eutschland statt. Über 25 Weltmeisterschaften – darun-
        er so herausragende wie Fußball, Hallenhandball, Rei-
        en, Tischtennis, Hockey und zahlreiche Wintersport-
        rten – stehen bis 2010 auf dem Programm. Das ist nicht
        ur unsere Sportagenda 2010, sondern das beschreibt
        uch schon heute die Sportwirklichkeit. Eine vergleich-
        are Zusammenballung von sportlichen Höhepunkten
        at es in der gesamten deutschen Geschichte nur von
        972 bis 1978 gegeben – in der Zeit der SPD-Bundes-
        anzler Willy Brandt und Helmut Schmidt.
        Ich will das aktuell nur an den in Deutschland stattfin-
        enden Weltmeisterschaften illustrieren. In diesen Tagen
        treiten die Athleten bei der Nordischen Ski-WM in
        berstdorf um die Titel. Im Juni finden der Confedera-
        ions Cup und die Beachvolleyball-WM statt.
        Im Sommer folgt ein weiteres Highlight: In diesem
        ahr wird Deutschland mit der Stadt Duisburg Gastgeber
        ein für die World Games 2005. Dazu kommen weitere
        eltmeisterschaften: Fechten in Leipzig, Rad-Querfeld-
        in in St. Wendel, Röhnrad in Aachen, Hallenradsport in
        reiburg, Taek-Wan-Do in Dortmund und Drachenboot
        nd 505er-Klasse.
        Dass wir im Jahr 2006 Ausrichter für die Fußball-
        M und die Weltreiterspiele in Aachen sein werden,
        issen Sie alle. Aber auch die Tischtennis-WM im Mai
        n Bremen und die Hockey-WM im September in Mön-
        hengladbach werfen ihre Schatten voraus.
        2007 schließlich wird Deutschland unter anderem
        astgeber der Handball-WM sein, wo aufgrund der
        röße unserer Sportstätten schon jetzt klar ist, das wir
        uch einen Besucherweltrekord zu verzeichnen haben
        erden.
        Der Winter 2008 wird vom Bob- und Skeletonfahren
        n Altenberg, Rodeln in Oberhof und Eisstockschießen
        m Berchtesgadener Land dominiert sein.
        Im Sommer 2009 folgt mit der Leichtathletik-WM in
        erlin ein weiteres absolutes Top-Event.
        Die einzige Bewerbung, die in all den Jahren an steu-
        rlichen Gesichtpunkten gescheitert ist, war die Bewer-
        ung um die Eishockey-WM – und die wurde ja bekann-
        ermaßen von einem unionsgeführten Land geblockt.
        eute ist der Presse zu entnehmen, dass sich der Deut-
        che Eishockey-Bund um die WM 2010 beworben hat –
        offentlich stößt er diesmal in Bayern auf sportfreund-
        ichere Ohren.
        Die rot-grüne Bundesregierung hat einen wesent-
        ichen Beitrag zum heutigen Stellenwert des Sportstand-
        rtes Deutschland in der internationalen Sportpolitik ge-
        eistet. Die aktive Rolle und die große persönliche
        15056 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
        (A) )
        (B) )
        Unterstützung von Bundeskanzler Gerhard Schröder ha-
        ben die Zielrichtung vorgegeben.
        Das Engagement und die kontinuierliche Präsenz des
        Bundesinnen- und Bundessportministers Otto Schily
        – übrigens „der stärkste Sportminister, den Deutschland
        je hatte“ – so Prof. Helmut Digel, Vizepräsident des
        IAAF – und „ein Glücksfall für den deutschen Sport“ –
        so Theo Zwanziger, Co-Präsident des DFB und CDU-
        Funktionär – in den Bewerbungsverfahren haben aus
        Deutschland wieder ein Land gemacht, in dem interna-
        tionale Spitzenverbände des Sports sich sicher sein
        können, ihre Sportevents bestmöglich durchführen zu
        können. Daher genießt die Bundesregierung auf natio-
        naler und internationaler Ebene hohe Wertschätzung für
        ihr sportpolitisches Engagement.
        Dieses Engagement beschränkt sich aber nicht nur auf
        „aktive Sportveranstaltungen“: Nach schwierigen Ver-
        handlungen und gegen starke Mitbewerber, unter ande-
        rem Dubai und Melbourne, ist es gelungen, einen der
        bedeutensten Sportkongresse nach Deutschland zu ho-
        len:
        Vom 16. bis 20. April treffen unter der Führung der
        General Association of International Sport-Federations
        (GAISF) Sportrepräsentanten aus allen Sportbereichen
        und Kontinenten in Berlin zusammen, darunter unter an-
        derem der Weltverband der Spitzenverbände der Olym-
        pischen Sommersportarten (ASOIF), der der Olympi-
        schen Wintersportarten (AIOWF) und Vertreter des
        Internationalen Olympischen Komitees (IOC). In diesem
        Rahmen wird auch das IOC-Exekutivkomitee eine Sit-
        zung abhalten. Unsere Bundesregierung, die dieses
        Event aus Mitteln des Innenministeriums unterstützen
        wird, hat damit einmal mehr bewiesen, dass sie den
        Sportstandort Deutschland mehr fördert, als es je eine
        Regierung vorher getan hat. Das werden wir auch in Zu-
        kunft tun und uns auch weiterhin als zuverlässiger Part-
        ner des nationalen und internationalen Sports erweisen.
        Eberhard Gienger (CDU/CSU): Großereignisse im
        Sport mit Medienpräsenz spielen eine zunehmende Rolle
        in unserer Gesellschaft. Das beweisen die Übertragun-
        gen der Fußball-Champions-League, der Formel 1, der
        jährlich stattfindenden, mehrtätigen Tennis-Turniere, der
        Radrundfahrten, der Leichtathletik-Meetings, der Mega-
        Events Olympische Spiele oder der Fußball-Europa- und
        Weltmeisterschaften. Die staatliche Unterstützung sol-
        cher Großereignisse im Sport ist immer wieder Gegen-
        stand öffentlicher Diskussion. Die Autonomie des
        Sports, die Subsidiarität der Sportförderung sowie die
        partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Sport und
        Politik bilden die Grundsätze staatlicher Förderung in
        der Bundesrepublik. Der Staat will Hilfe zur Selbsthilfe
        leisten.
        Ich möchte in meinen Ausführungen sowohl die so-
        ziale, die ökonomische als auch die repräsentative Funk-
        tion herausstellen, die von einer Sportgroßveranstaltung
        ausgeht, um der Regierung zu verdeutlichen, wie wichtig
        es ist, alle Sportgroßveranstaltungen gleichermaßen zu
        fördern und nicht nur die gewinnträchtigsten Verbände,
        wie die FIFA und das IOC.
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        Die Implementierung eines Präventionsgesetzes zeigt,
        ass wir Anreize schaffen müssen, um die Bevölkerung
        ieder zum aktiven Sporttreiben zu motivieren. Sport-
        roßveranstaltungen lösen positive soziale Wirkungen
        uf die Menschen aus. Beispielsweise können sie zu ei-
        em wachsenden Sportinteresse führen, das wiederum
        ie Menschen anregt, sich im Breitensport zu betätigen.
        amit wäre unser Ziel, den Menschen das aktive Sport-
        reiben näher zu bringen, tendenziell erreicht. Natürlich
        st der Nachfrageboom insbesondere durch die erzielten
        rfolge unserer Athleten, bedingt. So war es in den Zei-
        en von Franz Beckenbauer, Steffi Graf, Jan Ullrich,
        imo Boll, Martin Schmitt, Franzi und noch vielen mehr.
        Kommen wir zu den ökonomischen Auswirkungen,
        ie von einer internationalen Sportgroßveranstaltung
        usgehen. Haben wir erst einmal eine Bewerbung erfolg-
        eich abgeschlossen, löst diese Veranstaltung Nachfrage-
        rozesse, speziell in der Tourismusbranche, aus. Zusätz-
        che Hotelbetten werden benötigt, Restaurants erfreuen
        ich eines erhöhten Zulaufs, der Transport zahlreicher
        ersonen muss organisiert werden und auch der Verkauf
        on Tickets und Merchandisingprodukten bringt zusätz-
        che Gelder ein. Zudem führen die zusätzlichen Kon-
        um- und Investitionsausgaben zu positiven Beschäfti-
        ungseffekten.
        Nun kommen wir zum eigentlichen Problem: Welche
        portveranstaltung als eine Sportgroßveranstaltung defi-
        iert wird und deshalb steuerlich begünstigt wird, liegt
        Ermessen der zuständigen Finanzreferenten der Län-
        er. Durch den gesetzlichen Rahmen, § 50 Abs. 7 und
        50 a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes, wurde der
        IFA und dem IOC Steuerbefreiung gewährt. Das war
        nd ist durch die weite Auslegung dieser Paragraphen
        öglich und das hat die Bundesregierung zu verantwor-
        n. Dort heißt es: Steuererleichterungen werden in
        sinnvollen Ausnahmefällen“ und nach politischer, öko-
        omischer und steuerrechtlicher Überprüfung gewährt.
        as sind doch keine Kriterien, mit denen man arbeiten
        ann.
        Damit sind die Verbände von der Willkür ihrer zu-
        tändigen Finanzreferenten auf Landesebene abhängig.
        iese können somit nach Gutsherrenart handeln und ge-
        en die Bewerbung erst gar nicht an den Bundesfinanz-
        inister weiter. Damit gehen, durch die eben genannten
        ositiven Effekte, Steuergelder verloren. Das kann und
        arf sich Herr Eichel nicht leisten. Die FIFA aber, der
        rößte internationale Sportverband, der vor Kraft kaum
        ufen kann, wird steuerlich befreit und transferiert die
        ingenommenen Gelder in die Schweiz, während der
        eutsche Steuerzahler in einer Größenordnung von ins-
        esamt 2 bis 5 Milliarden Euro für die Sicherheit, die
        nfrastruktur und die Sportstätten der Fußball-WM 2006
        ufkommen muss.
        Es ist aber nicht einzusehen, warum nur die FIFA und
        as IOC volkswirtschaftlichen Nutzen erbringen kön-
        en. Auch andere Spitzenverbände ziehen die Men-
        chenmassen an und würden somit Steuereinnahmen
        ringen. Sie sind jedoch durch das in Deutschland herr-
        chende unklare Regelwerk benachteiligt und laufen Ge-
        ahr durch die Tatenlosigkeit der rot-grünen Koalition
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15057
        (A) )
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        bei der Bewerbung um eine sportliche Großveranstal-
        tung zweiter Sieger zu werden. Die erfolgreiche Aus-
        richtung einer Sportgroßveranstaltung erzeugt einen
        Prestigewert. Schon allein dadurch ist eine staatliche
        Intervention in Form einer Steuervergünstigung ge-
        rechtfertigt; aber bitte auch für internationale Sportorga-
        nisationen, wie den Eishockey-, den Leichtathletikver-
        band oder alle olympischen Verbände. Lösen etwa die
        Europa- oder Weltmeisterschaften dieser Verbände keine
        Synergieeffekte aus?
        Wir fordern deshalb von der Bundesregierung, sich
        für die Gleichbehandlung der Sportverbände einzusetzen
        und ihnen sowohl Rechts- als auch Planungssicherheit
        zu geben. Dazu gehört vor allem, klare Kriterien für
        Steuervergünstigungen zu schaffen, an denen sich so-
        wohl die Verbände als auch die zuständigen Landesfi-
        nanzreferenten orientieren können und müssen.
        Kollege Reinhold Hemker hat schon in seiner Rede
        am 11. April 2003 diesbezüglich mitgeteilt, dass das
        Bundesfinanzministerium und das Bundesministerium
        für Inneres eine Arbeitsgruppe einrichten, und mit Vehe-
        menz versprochen, dass Ergebnisse in Kürze vorliegen
        werden. Welche Ergebnisse? Zwar hat die Sportminister-
        konferenz die Einrichtung einer solchen Arbeitsgruppe
        befürwortet, die Finanzreferenten der Länder haben je-
        doch eine Mitarbeit verweigert bzw. lehnen eine solche
        Arbeitsgruppe ab. So geht es nicht. Es wird Zeit, dass
        hier etwas geschieht. Nach annähernd zwei Jahren sollte
        man doch mit einem Ergebnis der Arbeitsgruppe rech-
        nen dürfen. Wir stehen aber immer noch auf dem Stand
        von 2003 und fordern die Bundesregierung auf, endlich
        zu handeln. Aber anstatt einen eigenen Entwurf vorzu-
        legen, fordern Sie die Opposition auf, Ihre Arbeit zu er-
        ledigen. Legen Sie uns einen Entwurf vor. Sie werden in
        uns Mitstreiter für die Gleichbehandlung der Verbände
        finden.
        Die Bundesregierung gibt Mittel für Fairplay-Kampa-
        gnen aus. Ich vermisse ihr Handeln bei der Förderung
        von Sportgroßveranstaltungen und ihr Fairplay gegen-
        über den nationalen Sportverbänden.
        Klaus Riegert (CDU/CSU): Bürgerinnen und Bürger
        haben für steuerliche Gleich- oder Ungleichbehandlung
        eine hohe Sensibilität entwickelt. Immer mehr Bürgerin-
        nen und Bürger fühlen sich durch die Vielzahl von
        Steuergesetzen überfordert und übervorteilt. Dies emp-
        finden auch unsere Spitzensportverbände. Und dies zu
        Recht.
        Die Auslegung des § 50 Abs. 7 EStG unterliegt der
        Beliebigkeit und der Beurteilung nach Gutsherrenart.
        Für eine Steuerbefreiung muss der volkswirtschaftliche
        Vorteil erkennbar sein. Der alleine aber scheint nicht
        auszureichen.
        In ihrer Antwort auf eine schriftliche Anfrage der
        CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Auslegung des § 50
        Abs. 7 Einkommensteuergesetz teilt die Parlamentari-
        sche Staatssekretärin Hendriks am 21. September 2004
        mit: „die volkswirtschaftlichen Vorteile der Eishockey-
        weltmeisterschaft werden als nicht derart bedeutsam ein-
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        eschätzt“, dass eine Steuerbefreiung gerechtfertigt
        äre. Was heißt derart bedeutsam? Entscheidet die
        ichtweise eines Steuerreferenten auf Landesebene, ob
        ine Steuerbefreiung gewährt wird oder nicht? Es wird
        eschätzt, nicht berechnet, nicht gewertet. Was sind
        olkswirtschaftliche Vorteile? Übernachtungszahlen,
        nzahl der Touristen, das Bruttosozialprodukt, das Geld,
        as wegen der Veranstaltung nach Deutschland fließt,
        nd die damit verbundenen Steuereinnahmen? Die Ent-
        cheidungsgrundlage wird nicht offen gelegt.
        Unsere Sportverbände brauchen klare, nachvollzieh-
        are und überprüfbare Kriterien und nicht Beliebigkeit.
        Der volkswirtschaftliche Vorteil einer sportlichen
        roßveranstaltung ist gleichermaßen im nicht monetären
        ereich zu sehen. Zahlreiche Untersuchungen belegen:
        ede sportliche Großveranstaltung stärkt die Breiten-
        portbewegung, regt vor allem junge Menschen zum
        porttreiben an. Sport fördert einen gesunden Lebensstil.
        usammen mit der sozialen und integrierenden Funktion
        es Sports führt dies dauerhaft zu einem höheren volks-
        irtschaftlichen Vorteil als die eingeengte fiskalische
        nd wirtschaftliche Betrachtung eines Steuerreferenten.
        Es kann nicht nach dem Motto gehen: Je größer der
        erband, je größer die Popularität der Sportart, je höher
        ie Zuwendungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunk-
        nstalten, je überdimensionierter die Zuwendungen der
        ponsoren und deren steuerlichen Abschreibungen, je
        öher die staatlichen Subventionen, desto größer ist die
        hance, in den Genuss einer Steuerbefreiung zu kom-
        en.
        Wenn staatliche Investitionen in Milliardenhöhe flie-
        en – circa 5 Milliarden bei der Fußballweltmeister-
        chaft 2006 –, dann darf man durchaus positive Effekte
        rwarten. Sie sind aber nicht ausschließlich dem Ereig-
        is zuzurechnen. Diese Milliarden hätten auch in Bil-
        ung und Forschung, in Familienpolitik gesteckt werden
        önnen mit sicherlich ebenfalls hohen dauerhaften Vor-
        eilen für die Volkswirtschaft.
        Die Möglichkeit der großzügigen Billigkeitsregelun-
        en des § 50 Abs. 7, wie sie von einigen Finanzministern
        ervorgehoben wird, kann ich nicht erkennen. Bisher ha-
        en nur die FIFA und die Olympischen Spiele von der
        teuerbefreiung profitiert. Sonst, so die Auskunft der
        undesregierung, kein weiterer Sportverband.
        Der Ausrichter der Weltreiterspiele in Aachen rechnet
        it einer Wirtschaftskraft von 240 Millionen Euro und
        ann in begrenztem Umfang mit einer Steuermäßigung
        echnen. Die Höhe ist bekannt. Der deutsche Leichtath-
        etikverband fordert Steuerbefreiung für die Leichtathle-
        ik-WM 2009. 4 Millionen Euro würde dies ausmachen.
        ommt die Steuerbefreiung nicht, müssten mehr Spon-
        orengelder aquiriert werden oder das Land Berlin über-
        immt eine Ausfallbürgschaft.
        Die Steuerbefreiung für die FIFA wird von der Bun-
        esregierung nicht genannt. Auch hier herrscht Beliebig-
        eit. Wir wollen eine größere Chance bei der Bewerbung
        ller nationalen Spitzensportverbände, unabhängig von
        er Größe. Sie können nicht mit staatlichen Subventio-
        en in Milliardenhöhe rechnen wie zum Beispiel der
        15058 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
        (A) )
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        Deutsche Fußball-Bund oder die Bewerber um die Aus-
        richtung Olympischer Spiele. Sie sollten zumindest im
        steuerlichen Bereich nicht nach Belieben behandelt wer-
        den.
        Wir freuen uns mit Millionen Menschen in Deutsch-
        land und in der ganzen Welt auf die Fußballweltmeister-
        schaft 2006 in Deutschland. Wir hätten uns auch über
        eine erfolgreiche Bewerbung Leipzigs um die Ausrich-
        tung der Olympischen Sommerspiele 2012 gefreut. Wir
        wenden uns nicht gegen die ausgesprochene Steuerbe-
        freiung. Wir wollen aber eine Gleichbehandlung. Sport-
        liche Großveranstaltungen aller Spitzensportverbände
        erbringen volkswirtschaftliche Vorteile. Dies ist unbe-
        stritten.
        Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für Rege-
        lungen einzusetzen, die eine Gleichbehandlung gewähr-
        leisten. Wir brauchen mehr Transparenz, nachvollzieh-
        bare Kriterien und eine Offenlegung der Entscheidung.
        Die Bundesregierung sollte ihre Untätigkeit endlich auf-
        geben. Sie soll auf nationaler und internationaler Ebene
        die Initiative ergreifen.
        Klar aber ist: Eine internationale Sportgroßveranstal-
        tung, die wegen unserer Steuergesetzgebung erst gar
        nicht nach Deutschland vergeben wird, bringt ebenfalls
        keine Steuereinnahmen. Jeder Euro Umsatzsteuer, Ein-
        nahmen für Verpflegung und Übernachtung der Gäste
        etc. geht dann als Steuereinnahme ins Plus! Auch diesen
        Gesichtspunkt sollten die Finanzpolitiker bedenken.
        Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Die Sportinteressierten wissen, dass zurzeit die Nordi-
        sche Ski-WM in Oberstdorf stattfindet. Über die Region
        hinaus wird dort Werbung für guten Sport gemacht. Die
        Wettbewerbe sind hervorragend organisiert, das Publi-
        kum leistet seinen Beitrag zur tollen Atmosphäre. Bei
        der Nordischen Ski-WM hat die Frage der Steuerbefrei-
        ung keine Rolle gespielt. Dies trifft auch auf viele wei-
        tere Sportveranstaltungen zu, die in den kommenden
        Monaten und Jahren in Deutschland stattfinden werden.
        Daher auch mein Unverständnis über den vorliegen-
        den Antrag der Opposition, in dem faktisch eine Blanko-
        Steuerbefreiung für alle internationalen Sportveranstal-
        tungen in Deutschland gefordert wird. Meiner Meinung
        nach ist das nicht erforderlich, es ist nicht sachgemäß
        und es ist mit den geltenden Steuergesetzen nicht verein-
        bar.
        Die jetzige Regelung im § 50 Abs. 7 des Einkommen-
        steuergesetzes ist ausreichend. Dort dreht sich alles um
        das alleinige Kriterium des volkswirtschaftlichen Nut-
        zens der Sportveranstaltung. Erst wenn dieser volkswirt-
        schaftliche Nutzen nachgewiesen ist, kann der veranstal-
        tende internationale Sportverband von der Zahlung der
        Steuer befreit werden.
        Die Prüfung der Steuerbefreiung obliegt den Länder-
        finanzministern. Leider konnte sich eine Arbeitsgruppe
        der Länder bis heute nicht auf transparente Auslegungs-
        kriterien verständigen. Der Ball liegt meiner Meinung
        nach also weiter bei den Bundesländern. Es gibt übri-
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        ens auch keine Initiative des Bundesrates, in dem ja
        ekanntlich die CDU/CSU die Mehrheit hat
        Aber wir können uns ja auch hier im Deutschen Bun-
        estag umsehen: Eine Regelung für eine generelle
        teuerbefreiung für Sportveranstaltungen haben Sie
        icht in Ihren eigenen Steuerkonzepten unterbringen
        önnen. Mit ihrem heutigen Vorstoß findet die CDU/
        SU also keine Mehrheit bei den eigenen Finanzpoliti-
        ern, Deshalb wurde auch kein Gesetzentwurf durch die
        DU/CSU vorgelegt, weil diese Steuerbefreiung
        chlichtweg den eigenen Steuervorschlägen widerspre-
        hen würde,
        Die vorgebrachte Kritik am Steuersystem halte ich
        icht für gerechtfertigt. In den Ausschussberatungen ist
        ediglich ein Fall bekannt geworden, in dem eine Bewer-
        ung – ich rede von der Eishockey-WM 2009 in
        eutschland und dem Antrag auf Steuerbefreiung durch
        en Deutschen Eishockey-Bund – gescheitert ist und da-
        ür die Steuergesetze verantwortlich gemacht wurden.
        ch glaube, man sollte hier klarstellen: Problematisch
        ind nicht die Steuergesetze, sondern es war die Ent-cheidung im Einzelfall, die kritikwürdig ist. Die Ableh-
        ung des Antrags durch die Finanzbehörden kann jedoch
        icht dem Bund angelastet werden, sondern es war auf
        bene der Bundesländer eine einstimmige Entschei-
        ung. Zeigen Sie daher nicht mit einem Finger auf den
        und, sondern nehmen Sie 16 Finger und zeigen damit
        n Richtung der Bundesländer!
        Dagegen ist die Liste der erfolgreichen Bewerbungen
        iel länger. Ich möchte ihnen einige schöne Veranstal-
        ungen in Deutschland nennen, die neben den Mega-
        vents wie Fußball-WM 2006, Welt-Reiterspiele 2006
        der Handball-WM 2007 leider nicht so häufig genannt
        erden: die Fecht-WM 2005 in Leipzig, die WM 2007
        m Bogenschießen in Leipzig, die Turn-WM 2007 in
        tuttgart, die Triathlon-WM 2007 in Hamburg oder die
        odel-WM 2008 in Oberhof.
        Das sind viele Veranstaltungen, auf die wir uns freuen
        önnen. Außerdem haben wir damit auch viele Belege,
        ass das Steuersystem in Deutschland nun wirklich kein
        nüberwindbares Hindernis im internationalen Bewer-
        ungsparcours darstellt. Es kommt doch sehr viel mehr
        uf die Sportstätten, ein überzeugendes Gastgeberkon-
        ept und die Begeisterung der Fans an.
        Eine zukunftsgerichtete Sportpolitik sollte sich daher
        icht auf das Thema Steuerbefreiung fokussieren. Statt-
        essen sollten die Erfahrungen aus den erfolgreichen Be-
        erbungen gezogen werden. Das bedeutet, auf eine
        berzeugende nationale wie internationale Strategie zu
        etzen. Sport, Politik und Wirtschaft sowie Kulturein-
        ichtungen müssen an einem Strang ziehen.
        Erfahrungsgemäß werden mehrere Anläufe eines na-
        ionalen Bewerbers benötigt, um den Zuschlag zur Aus-
        ichtung zu erhalten. Es macht daher politisch keinen
        inn, schon den ersten Anlauf einer Bewerbung mit ei-
        er Steuerbefreiung zu versehen und somit eine Steuer-
        efreiung bei notwendigen Folgebewerbungen vorweg-
        unehmen.
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15059
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        Eine Bewerbung auf internationaler Ebene wird
        zunehmend von der Überzeugungskraft bei folgenden
        Themen und Faktoren abhängig sein: Sicherheit, Infra-
        struktur, Umwelt und Verkehr, Medienpräsenz. Alle
        Sportexperten sagen, dass Deutschland bei diesen Fakto-
        ren sehr gut aufgestellt ist. Wir haben eine gute Infra-
        struktur mit konkurrenzfähigen und modernen Wett-
        kampfstätten.
        Es muss für andere Nationen deutlich werden, dass
        auch der internationale Sportbeitrag Deutschlands ver-
        stärkt wird. Wer eine Sportveranstaltung bekommen
        will, muss sich immer auch um Partnerschaften mit an-
        deren Staaten bemühen.
        Ich möchte übrigens noch auf eine Entwicklung hin-
        weisen, die von den großen Sportorganisationen wie
        dem Internationalen Olympischen Komitee, IOC, und
        dem Weltfußballverband, FIFA, ausgeht. Zunehmend
        wird das so genannte „Kontinentalprinzip“ bei der Ver-
        gabe angewendet werden. Das heißt, dass große Sport-
        veranstaltungen alle vier Jahre immer auf einem anderen
        Kontinent stattfinden werden. Dies wird viele andere
        Vergabefaktoren überlagern. Auch deshalb tun wir gut
        daran, die Frage der Steuerbefreiung nicht in den Vorder-
        grund zu stellen.
        Internationale Sportgroßveranstaltungen sind auch in
        Zukunft in Deutschland willkommen. Sorgen wir weiter
        dafür, gute Gastgeber für die internationale Sportfamilie
        und die zahlreichen Besucherinnen und Besucher unse-
        res Landes zu sein. Und freuen wir uns gemeinsam auf
        gute und faire Sportwettkämpfe in unserem Land.
        Detlev Parr (FDP): Sportgroßveranstaltungen schaf-
        fen einen enormen Mehrwert. Sie bringen nicht nur die
        Sportlerinnen und Sportler der Welt zusammen, sie ha-
        ben dazu eine starke wirtschaftliche Bedeutung. Darüber
        hinaus haben wir durch solche Veranstaltungen die beste
        Möglichkeit, unser Land in aller Welt zu präsentieren.
        Durch die Präsenz dieser Sportveranstaltungen in den
        Medien können wir weltweit die Menschen erreichen,
        die unser Land weniger kennen, und sie für Deutschland
        begeistern.
        In den letzten Jahren hatten wir das Glück, und das
        Geschick, viele sportliche Großveranstaltungen nach
        Deutschland zu holen. Man denke in diesem Jahr an die
        World Games und an den Confederations Cup. Im kom-
        menden Jahr finden dann die Hockey-WM, die Welt-
        meisterschaften im Reiten und die Fußball-WM statt. In
        den nächsten Jahren folgen Triathlon-WM, Leichtathle-
        tik-WM und andere Veranstaltungen.
        Alles bestens, mag man also denken. Leider lastet vor
        jeder Vergabe einer Sportgroßveranstaltung nach Deutsch-
        land die Bürde der so genannten Quellensteuer auf uns
        – mit einer Taxierung von 25 Prozent auf Prämien, Start-
        geldern und anderen geldwerten Vorteilen. Bei jeder Be-
        werbung um internationale Großveranstaltungen wird sie
        wieder zum Diskussionsthema. Im letzten Dezember hat
        Berlin den Zuschlag für die Leichtathletik-WM 2009
        bekommen. Aber die beantragte Steuerbefreiung beim
        Finanzamt Hessen ist noch nicht unter Dach und Fach.
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        ine Bürgschaft sichert bislang etwaige Verluste ab.
        ieser Mechanismus ist mitunter eine Folge des födera-
        stischen Systems der Bundesrepublik.
        Eine Voraussetzung, um von dieser Steuer befreit zu
        erden, beruht auf dem volkswirtschaftlichen Nutzen.
        iesen zu definieren ist keine leichte Aufgabe. Hinzu
        ommt die Ungerechtigkeit, die ein solches Verfahren
        it sich bringt. Der volkswirtschaftliche Nutzen sollte
        en Steuerausfall kompensieren, so die gängige Argu-
        entation. Wo bleibt dabei die steuerliche Gerechtig-
        eit? Dieses Kriterium führt häufig dazu, dass die größe-
        en Verbände – in vielen Fällen bereits durch andere
        nfrastrukturmaßnahmen im Vorteil – enorm bevorzugt
        erden. Der Deutsche Eishockeybund zog beispiels-
        eise seine Bewerbung um die WM 2009 erneut zurück,
        eil das bayerische Finanzministerium trotz einer anders
        autenden Studie des DEB einen volkswirtschaftlichen
        utzen verneinte und somit die Steuerbefreiung nicht
        uließ. Dabei ist gerade eine Eishockey-WM eine Veran-
        taltung, die komplett privat finanziert wird und somit
        eine weiteren öffentlichen Mittel in Anspruch nimmt.
        Auch die Spitzen in anderen Sportarten weisen immer
        ieder auf die Grenzen des jetzigen Systems hin. Der
        eschäftsführende DFB-Präsident Zwanziger warb sogar
        n einem Brief an Sportminister Schily für die Abschaf-
        ung der Quellensteuer. Für die Fußball-WM hat der
        FB eine Befreiung für die FIFA durchsetzen können.
        s ist aber zu befürchten, dass beispielsweise die UEFA
        ein Finale mehr nach Deutschland vergeben wird, so-
        nge diese Besteuerung bestehen bleibt. Wir müssen
        lso weiterdenken.
        Zurzeit ist die Vergabe von Sportgroßveranstaltungen
        on der Entscheidung einzelner Finanzreferenten der
        änder abhängig. Es ist die Zeit gekommen, einen Krite-
        ienkatalog zu erarbeiten, der unabhängig und für alle
        portarten auf die gleiche Art und Weise anwendbar ist.
        ie Quellensteuer sollte kein Wettbewerbsnachteil für
        en Standort Deutschland sein, sondern sollte, wenn
        berhaupt, in einzelnen Fällen angewendet werden. Es
        t immer noch so, dass eine WM ohne Quellensteuer
        esser als gar keine WM im eigenen Lande ist.
        Der Antrag der Union geht in die richtige Richtung.
        ie hat das Problem erkannt und darum wird die FDP
        hrem Antrag zustimmen.
        nlage 5
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung
        von Vorschlägen zu Bürokratieabbau und De-
        regulierung aus den Regionen und zur Ände-
        rung wohnungsrechtlicher Vorschriften (Tages-
        ordnungspunkt 15)
        Hubertus Heil (SPD): Deutschland leidet – darüber
        ibt es keinen Zweifel – unter der Dichte seiner Regulie-
        ungen. Für alles und jedes gibt es mehr oder weniger
        innvolle, mehr oder minder strenge Vorschriften. Die
        15060 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
        (A) )
        (B) )
        wirtschaftliche Betätigung leidet darunter ebenso wie
        das normale bürgerliche Leben.
        Für dieses fein gespannte Regulierungsnetz in
        Deutschland gibt es ein ganzes Bündel von Ursachen.
        Eine davon ist, dass wir mit unserem ausgeprägten
        Drang nach Perfektion und Einzelfallgerechtigkeit dazu
        neigen, lieber ein ganzes Meer an Vorschriften hinzuneh-
        men, als Verantwortung für eine Entscheidung auf uns
        zu nehmen.
        Um nur ein Beispiel zu geben: das Vergaberecht hat
        sich seit den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts
        zu einem über 500 Seiten umfassenden Rechtskonglo-
        merat entwickelt, das nur noch Fachleute überblicken.
        Auftraggeber laufen ständig Gefahr, Verfahrensfehler zu
        machen. Verbreiteter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
        Abläufe führt zu vielen Prozessen, die drängende öffent-
        liche Aufträge und Projekte möglicherweise jahrelang
        blockieren. Auf der anderen Seite leidet insbesondere
        der Mittelstand unter diesem Zustand. Wegen der Kom-
        plexität und Unübersichtlichkeit der Vorschriften ist die
        Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen personal-
        intensiv und teuer.
        Mit der Initiative für Bürokratieabbau fragen wir uns:
        Brauchen wir wirklich Rechtsverordnungen, die das Rei-
        ten im Wald ausführlich regeln? Das mag zwar ein span-
        nender Musterfall für Verfassungsrechtslehrbücher sein,
        wir müssen uns aber fragen: Sind solche Rechtsvor-
        schriften wirklich notwendig?
        Oder ein anderes Beispiel: Es kann doch nicht sein,
        dass wir den Gebrauch des traditionellen Funks bei der
        Personenbeförderung vorschreiben, wenn moderner, in-
        novativer Mobilfunk diese Aufgabe in gleicher Weise
        oder noch besser erledigt.
        Dort, wo die Regeln eher einengen und eher Wachs-
        tumsbremsen für die Wirtschaft darstellen als vernünf-
        tige Regulierung, muss Befreiung das vorrangige Ziel
        sein. Betroffen sind alle staatlichen Ebenen – die EU, der
        Bundesgesetzgeber, die Bundesländer und die Kommu-
        nen.
        Mit dem heute abschließend zu beratenden Gesetz re-
        formieren wir nicht nur den wichtigen Bereich des
        Wohngeldrechts. Es fasst in eindrucksvoller Weise viele
        zielgenaue Verbesserungen im Gewerbe- und Immis-
        sionsrecht zusammen:
        Die Gerichtsverfahren können in Zukunft durch die
        Länder durch spezielle Abteilungen für Handelssachen
        bei den Amtsgerichten beschleunigt werden. Es werden
        übermäßige Dokumentationspflichten im Abfallrecht
        und Immobilienhandel auf ein angemessenes Maß zu-
        rückgeführt. Innovative Techniken für die Abfallverwer-
        tung werden durch das Gesetz gefördert. Immissions-
        rechtliche Genehmigungen sind zukünftig auf einem
        einfacheren und schnelleren Weg möglich. Dadurch,
        dass neben herkömmlichen Funkanlagen auch künftig
        Mobiltelefone verwendet werden dürfen, passen wir die
        Regeln an die Bedürfnisse der Personenförderungsunter-
        nehmen an. Im Gaststättenrecht ermöglichen wir, für
        Unternehmenskunden in größerem Maße Getränke und
        kleine Speisen anzubieten.
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        Die Gewerbeordnung und das Gaststättengesetz wer-
        en Experimentierklauseln erhalten: Sie ermöglichen es,
        erufsausübungsregelungen befristet außer Kraft zu set-
        en, um deren Auswirkung auf die Praxis zu untersu-
        hen. Bei positiven Erfahrungsberichten ließe sich später
        ogar eine vollständige Aufhebung begründen.
        Diese Fülle an wichtigen Verbesserungen – nicht nur
        ür die konkret Betroffenen – fügt sich damit ein in die
        lare Strategie der „Initiative Bürokratieabbau“ der Bun-
        esregierung, die wir nachhaltig fördern und unterstüt-
        en.
        Gemeinsam konzentrieren wir uns auf die fünf Hand-
        ungsfelder, die für die Wettbewerbsfähigkeit des Stand-
        rtes und die Entlastung der Bürger zentral sind, nämlich
        rbeitsmarkt und Selbstständigkeit, Wirtschaft und Mit-
        elstand, Forschung und Technologie, Zivilgesellschaft
        nd Ehrenamt und, nicht zuletzt, Dienstleistungen und
        ürgerservice.
        Bisher haben wir im Rahmen dieser Initiative 74 ganz
        onkrete Projekte auf den Weg gebracht. Darunter fallen
        ie Reform der Handwerksordnung, die Reduktion von
        tatistischen Berichtspflichten, die Modernisierung des
        eräte- und Produktsicherheitsgesetzes und der Arbeits-
        tätten-Verordnung, die Neuordnung der beruflichen Bil-
        ung oder auch die Flexibilisierung der Honorarordnung
        ür Architekten.
        Die „Initiative Bürokratieabbau“ befindet sich im
        eitplan: Knapp die Hälfte der Projekte sind bereits zum
        bschluss gebracht worden. Bis zum Jahr 2006 werden
        lle abgeschlossen sein.
        Der heute zu beschließende Gesetzentwurf ist auch
        in Ergebnis der vielen Ideen, die die Modellregionen
        räsentiert haben. Zehn dieser Vorschläge sind in das
        esetz eingeflossen und sollen als bundesweite Rege-
        ungen umgesetzt werden.
        Den Regionen möchte ich an dieser Stelle ein großes
        ob aussprechen. Sie haben mit ihrem Engagement, ih-
        em Ideenreichtum in einem erstmals durchgeführten
        erfahren die Grundlage für die Gesetze geschaffen, die
        ir im Deutschen Bundestag heute verabschieden, noch
        erabschieden werden oder sogar schon verabschiedet
        aben.
        Ohne Risikobereitschaft ist dieser Erneuerungspro-
        ess, der für unsere Wirtschaft, vor allen Dingen für un-
        eren Mittelstand, und unsere Wettbewerbsfähigkeit un-
        rlässlich ist, nicht zu schaffen. Wer Regeln abbauen
        ill, stößt zuallererst auf die „Bedenken“ derer, die frü-
        er einmal ihre Wünsche durchsetzen konnten, auf eta-
        lierte Interessen. Interessant ist, dass gerade die, die
        onst am lautesten nach „Deregulierung“ rufen, genau
        ann alles beim Alten belassen wollen, wenn es um die
        ahrung eigener Besitzstände geht.
        Deregulierung ist für uns kein ideologischer Selbst-
        weck. Wir wollen keinen rechtsfreien Raum, in dem der
        tärkste sich rücksichtslos auf Kosten der Allgemeinheit
        urchsetzen kann.
        Wir werden unseren Weg entschlossen weiter verfol-
        en: Wir werden den wirksamen, handlungsfähigen
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15061
        (A) )
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        Staat bewahren, der für fairen Wettbewerb, Chancen-
        gleichheit und nötigen sozialen Ausgleich sorgen kann.
        Wir werden auch weiterhin ernsthafte Bedenken ernst
        nehmen und Bewahrenswertes bewahren. Aber wir wer-
        den mit weiteren Gesetzen, wie dem hier vorliegenden,
        die Innovationsfähigkeit unseres Landes beweisen – und
        die Bürgerinnen und Bürger auf diesem Weg mitneh-
        men.
        Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Der uns heute
        vorliegende Gesetzentwurf trägt den Titel „Entwurf ei-
        nes Gesetzes zur Umsetzung von Vorschlägen zu Büro-
        kratieabbau und Deregulierung aus den Regionen“. Die-
        ses kleine Gesetz ist das Ergebnis einer der wenigen
        guten Ideen der Bundesregierung. Das Ergebnis ist lei-
        der so dürftig, dass es schon beschämend ist. Darum ist
        die Debatte für eine so späte Stunde auf die Tagesord-
        nung gesetzt worden. Die Regierung traut sich nicht,
        diesen blamablen Entwurf zu normalen Tageszeiten zu
        präsentieren. Sie hofft, dass die Journalisten schon
        schlafen.
        Dass sie es unterlassen hat, auf die Kritik des Bundes-
        rates an ihrem Entwurf einzugehen, dass sie die Debatte
        zweimal verschoben hat – dies sind nun wirklich eindeu-
        tige Indizien, wie sehr sie sich innerlich von diesem Ent-
        wurf distanziert hat. Es ist unverschämt, anderthalb Tage
        vor der Debatte einen ressortübergreifenden Änderungs-
        antrag in Form eines komplizierten Artikelgesetzes vor-
        zulegen.
        In seiner Eindruck erweckenden Anfangsphase ver-
        kündete der Wirtschaftsminister uns die Idee von
        Modell-, Test- bzw. Innovationsregionen. Wolfgang
        Clement griff damit auf Vorschläge des Altbundeskanz-
        lers Helmut Schmidt zurück, der sich hierzu bereits in ei-
        nem eindrucksvollen Artikel in der „Zeit“ vom 4. Okto-
        ber 2001 geäußert hat.
        Über ein halbes Jahr dauerte es dann, bis die drei Mo-
        dellregionen Ostwestfalen-Lippe, Bremen und West-
        mecklenburg ins Rennen gingen. Ihnen zur Seite stellte
        das BMWA die Unternehmensberatung Roland Berger
        sowie die Bertelsmann-Stiftung.
        1 000 Vorschläge, daraus 34 Vorschläge als Kabinett-
        vorlage, 29 Vorschläge als Kabinettsbeschluss, daraus
        neun im vorliegenden Artikelgesetz.
        Auch die Verbände, die Wirtschaft sowie der Bundes-
        rat sehen dieses Gesetz nur als allerersten zaghaften An-
        satz. Die Unionsfraktion ist sehr enttäuscht von den er-
        folglosen Bemühungen der rot-grünen Bundesregierung
        auf diesem Gebiet. Die Idee der Testregionen ist still und
        leise begraben worden. Denn direkte bundesweite Um-
        setzung von Entbürokratisierungsvorschlägen bedeutet
        immer nur eine Einigung auf kleinstem Nenner.
        Doch der Wirtschaftsminister hat Anfang Februar un-
        ermüdlich die zweite Phase der Testregionen ausgerufen.
        Die Hoffnung auf „Vor-Ort-Testen“ wurde diesmal we-
        nigstens gleich zu Anfang genommen. Es stellt sich die
        Frage, wozu dann das Ganze – bloße Einrichtung regio-
        naler Kummerkästen? Und welche Testregionen werden
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        ich nun melden, nach den enttäuschenden Erfahrungen
        er letzten drei Regionen?
        Insgesamt betrachtet ist die Initiative Bürokratieab-
        au gescheitert. Mittlerweile gibt es 103 Projekte, von
        enen in knapp zwei Jahren 26 abgeschlossen wurden.
        ie Bundesregierung hat kein Konzept. Was fehlt, ist
        as planvolle und zielgerichtete Vorgehen, welches sich
        icht auf Einzelmaßnahmen beschränken darf.
        Bürokratieabbau darf einen bestimmten thematischen
        ahrplan nicht vermissen. Die Bundsregierung benennt
        war auf ihrer Homepage ihre fünf strategischen Hand-
        ungsfelder zum Bürokratieabbau; wo diese aber in ih-
        em ersten Artikelgesetz wiederzufinden sind, bleibt ihr
        eheimnis. Bürokratieabbau muss aber bei den dring-
        ichsten Bereichen anfangen.
        Die Union hat der Regierung ausgereifte Vorarbeiten
        räsentiert. Wir haben zwei Anträge, einen systemati-
        chen Antrag mit einem dauerhaft geltenden Grundkon-
        ept und einen Antrag, in dem wir die wichtigsten Berei-
        he benennen, die es als Erstes anzugehen gilt.
        Unsere Forderungen lauten – ich habe sie bereits des
        fteren an dieser Stelle erwähnt, aber ich werde nicht
        üde, gute Vorschläge immer wieder zu benennen –:
        bschaffung des Verbandsklagerechts, denn die kata-
        trophale Verzögerung wichtiger Infrastrukturprojekte
        urch Verbandsklagen darf Deutschland nicht länger
        ahm legen. Das grauenhafteste Beispiel ist hier der
        rankfurter Flughafen: Die Planungsunterlagen für den
        au der neuen Landebahn sind aneinander gereiht länger
        ls die neue Bahn mit ihren geplanten 2 800 Metern
        elbst. 650 Sätze von je 60 Aktenordnern mit gut 17 500
        extseiten, 790 Plänen und Karten sowie 34 Gutachten
        ind ein Beitrag zur Beschäftigung der Papierindustrie;
        ie schaden aber unserem Standort im internationalen
        ettbewerb. Und von der Idee bis zur Umsetzung wer-
        en schätzungsweise zwölf Jahre verstreichen. Bei ei-
        em 3 Milliarden Euro teueren Investitionsprojekt mit
        00 000 neuen Arbeitsplätzen ist diese Bürokratielast
        nverzeihlich.
        Die Union will die Azubis aus der Schwellenwertbe-
        echnung herausnehmen und den Pro-rata-temporis-
        rundsatz bei der Berücksichtigung von Teilzeitbeschäf-
        igten in den Schwellenwerten festschreiben. Deutsch-
        ands annähernd 160 bestehenden sozialpolitischen
        chwellenwerte sind radikal zu vereinfachen.
        Ein Grundübel und die Hauptursache der leeren Ver-
        prechungen beim Bürokratieabbau aber ist das Men-
        chenbild der Bundesregierung. Das Problem ist näm-
        ich, dass sie den Bürgerinnen und Bürgern in diesem
        taat nichts mehr zutraut. Sie schreibt ihnen alles per
        esetz vor, da sie nur an den regelnden Arm des Gesetz-
        ebers glaubt. An die Kreativität und den Mut der Bür-
        er hat sie noch nie geglaubt.
        Wie kann es dann sein, dass eine Staatssekretärin von
        undesminister Otto Schily, dem das Thema Bürokratie-
        bbau unterstellt ist, erst jüngst folgende Äußerung von
        ich gibt: „Ein schlanker Staat, der dünn ist und keine
        raft hat, ist nicht das, was wir uns wünschen“?
        15062 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
        (A) )
        (B) )
        Jüngster Beweis der Einstellung der Bundesregierung
        zu ihren Wählerinnen und Wählern ist das ADG. Wenn
        eine Bundesregierung in Zeiten schwächster Konjunktur,
        wachsender Arbeitslosenzahlen und überhandnehmen-
        der Bürokratie ein solches Gesetz verabschiedet, dann
        kann man nur noch die Hände vors Gesicht schlagen.
        Der Weg zu Neueinstellungen wäre damit bei uns end-
        gültig versperrt. Der einzige Bereich, in dem neue Be-
        schäftigung geschaffen würde, wären Anwälte, Gerichte
        und Archivare.
        Dieses Gesetz ist eine unheilvolle Gemengelage aus
        komplizierten Regelungen zu Negativ- und Unschulds-
        beweisen, aus Haftung für Diskriminierung durch Dritte
        und aus Haftung bei bloßer Gefahr der Diskriminierung.
        Außerdem enthält es ein Klagerecht der Gewerkschaften
        nach Forderungsabtretung. Dabei verlangt Brüssel dies
        gar nicht. Es gibt ein gutes Zitat von Herrn Verheugen zu
        dem Problem:
        Die deutsche Umsetzung der EU-Gesetzgebung
        gleicht einem Pferd, dem nach Durchlaufen des
        deutschen Gesetzgebungsverfahrens so viel drauf-
        gesattelt wird, dass es danach als Kamel mit zwei
        Höckern im Bundesgesetzblatt steht.“
        Die Bundesregierung sollte ihre gesetzgeberische
        Energie darauf ausrichten, in die andere Richtung zu
        marschieren, also Gesetze zu entschlacken. Aber sie will
        ja keinen schlanken Staat!
        Der Arbeitgeber verliert die Freiheit, in seinem Be-
        trieb diejenigen zu beschäftigen, die er beschäftigen
        möchte. Der Mensch mit seiner ganzen Persönlichkeit
        bleibt so auf der Strecke. Menschen mit schlechteren
        Noten werden schlechte Karten haben. Diskriminieren
        bedeutet übrigens „unterscheiden“, es ist somit ein neu-
        tral besetzter Begriff. Will die Bundesregierung im Ernst
        alltägliches Unterscheiden sanktionieren?
        Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit dem Chef von
        Fraport. Er hat mir erklärt, was es bedeutet, bei jährlich
        16 000 Einstellungen für jeden, den man nicht nimmt,
        genau zu dokumentieren, warum man ihn nicht nimmt.
        Hier wird ein gigantisches bürokratisches Monster ge-
        schaffen. Die Dummen sind natürlich wieder ganz be-
        sonders die mittelständischen Unternehmen, die keine
        üppig ausgestattete Rechtsabteilung haben.
        Dieses Bevormundungsgesetz zeigt deutlich den Un-
        terschied zwischen unserem Menschenbild und dem der
        Regierung. Wir sind für die eigenverantwortliche Frei-
        heit des Einzelnen. Dies umfasst auch die Freiheit, Ver-
        träge zu schließen, mit wem man will. Die Regierungs-
        fraktion aber hat keinerlei Vertrauen in die Bürger und
        regelt daher alles, was man – noch – tun darf, in Geset-
        zen. Sie schafft die Vertragsfreiheit ab, die die Grund-
        lage für Privateigentum und unsere soziale Marktwirt-
        schaft ist.
        Es geht um den Wahnsinn Bürokratie. Wir leben im-
        mer noch in Zeiten, in denen Kommunen die Standfes-
        tigkeit von Grabsteinen durch amtlich geprüfte Grab-
        steinrüttler überprüfen, weil einmal ein umgefallener
        Grabstein eine Friedhofsbesucherin verletzt hat.
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        Die Bundesregierung sollte die jüngste Allensbach-
        mfrage in der „FAZ“ als tiefrotes Warnsignal nehmen.
        uf die Frage „Was schadet der deutschen Wirtschaft
        or allem, was beeinträchtigt die Zukunftschancen der
        eutschen Wirtschaft besonders?“ geben 83 Prozent der
        efragten die Antwort „Zu viel Bürokratie, zu viele Ge-
        etze und Verordnungen“. Erst als Zweites werden hohe
        teuern und Abgaben genannt.
        Wie lange will die Bundesregierung also noch untätig
        erumsitzen? Sie sollte mehr auf die Bürger vertrauen
        nd staatliche Überregulierung zurückdrängen.
        Birgit Homburger (FDP): Bundeswirtschaftsminis-
        er Wolfgang Clement war angetreten, überflüssige Bü-
        okratie abzubauen. Sein großspurig als Masterplan Bü-
        okratieabbau bezeichnetes Vorhaben ist längst zu den
        kten gelegt. Der heute vorliegende Gesetzentwurf
        tand schon mehrfach auf der Plenartagesordnung. Er
        urde mehrfach kurzfristig abgesetzt, da man unbedingt
        och Änderungsanträge des Bundesrates einarbeiten
        ollte. Wer nun aber erwartet hätte, dass zwischenzeit-
        ich nachgebessert wurde, um so substanziell und quali-
        ativ beim Bürokratieabbau einen Fortschritt zu errei-
        hen, sieht sich getäuscht. Die wohnungsrechtlichen
        orschriften wurden aus dem Gesetzentwurf herausge-
        ommen, die Überschrift wurde neu gefasst und die Ar-
        ikel neu durchnummeriert.
        Von den 28 Punkten Änderungsvorschläge des Bun-
        esrates werden mit dem seit gestern reichlich spät, aber
        ndlich vorliegenden Änderungsantrag, gerade einmal
        rei übernommen. Daneben wird mit dem Änderungsan-
        rag wieder einmal der eigene Gesetzentwurf von Rot-
        rün an etlichen Stellen verschlechtert.
        Warum gibt Minister Clement nicht endlich den Weg
        u liberaleren Ladenschlussregelungen der Länder frei?
        arum schafft er nicht die Pflichtrestmülltonne von
        ewerbeabfällen ab? Warum setzt er sich nicht intensi-
        er für die generelle Umstellung der Umsatzsteuervor-
        uszahlung auf die Ist-Besteuerung ein? Alles das hat
        er Wirtschaftsminister schon vorgeschlagen. Alles das
        ürde wenigstens zu spürbaren Kostenentlastungen
        ühren. Mit all dem ist er aber stets im Kabinett ge-
        cheitert. Übrig bleiben solche Gesetzentwürfe, wie der
        orliegende. Damit können einige wenige Vereinfa-
        hungen erreicht werden, die allerdings nicht wirklich
        ostenrelevant sind. Die enormen Kosten komplizierter
        teuer- und Abgaberegelungen, des zu starren Arbeits-
        echts, umfangreicher statistischer Meldepflichten oder
        ines hoch komplizierten Umweltrechts hemmen Wirt-
        chaftswachstum und Beschäftigung und behindern den
        itter nötigen Aufschwung. Im Bereich dieser zentralen
        ostenblöcke tut sich mit diesem Gesetzentwurf weiter-
        in nichts, obwohl eine vom Bundeswirtschaftsminister
        n Auftrag gegebene Studie des Instituts für Mittel-
        tandsforschung die jährliche Belastung der Unterneh-
        en zwischenzeitlich bei 46 Milliarden Euro taxiert.
        Angesichts der Tatsache, dass dieser Gesetzentwurf
        ie Vorschläge der von Bundeswirtschaftsminister
        lement eingerichteten so genannten „Testregionen für
        nnovationsregionen“ umsetzen soll, ist der Gesetzent-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15063
        (A) )
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        wurf eine Blamage. Von den mit großem Aufwand in
        drei Testregionen erarbeiteten tausend Vorschlägen wer-
        den jetzt nur wenige, vergleichsweise unwesentliche um-
        gesetzt. Der Gesetzentwurf offenbart erneut, dass sich
        Herr Clement in der Bundesregierung nicht durchsetzen
        kann. Dabei ist der Abbau von Bürokratie ein wichtiger
        Baustein für den Aufschwung.
        Die FDP steht konsequent für Bürokratieabbau. Der
        Änderungsantrag enthält, ebenso wie der ursprüngliche
        Gesetzentwurf, einige Kleinigkeiten, die in Richtung
        Bürokratieabbau gehen. Gleichzeitig enthält er zum Bei-
        spiel im Gaststättenrecht Verschlechterungen, die mit
        Punkt 3.1. des Änderungsantrags noch weiter verschärft
        werden. Hier wird mehr, nicht weniger Bürokratie ge-
        schaffen. Dieser Punkt wurde im Übrigen vom Bundes-
        rat nicht gefordert, sondern von den Koalitionsfraktio-
        nen reingemogelt.
        Vorschläge des Bundesrates zur Entbürokratisierung
        im Gaststättenrecht, zum Beispiel betreffend Art. 8 Nr. 01,
        die wenigstens eine gewisse kostenentlastende Wirkung
        hätten entfalten können, werden hingegen nicht aufge-
        nommen.
        Im Übrigen stellt sich die Frage, ob die unter Punkt 4
        des Änderungsantrages aus dem Vorschlag des Bundes-
        rates übernommene Änderung wirklich Sinn macht. Dort
        wird die Bußgeldobergrenze erhöht für Betriebe, die
        nach der Gewerbeordnung einen jährlichen Prüfbericht
        vorlegen müssen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass
        Gewerbetreibende diesen Prüfbericht „häufig nicht,
        nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vor-
        legen“. Deshalb solle die Erhöhung des Bußgeldes die
        Motivation der Gewerbetreibenden zur Abgabe der Un-
        terlagen erhöhen. Dies ist nicht wirklich ein Vorschlag
        zum Bürokratieabbau, eher ein Vorschlag zur Einnahme-
        verbesserung beim Staat. Bundesrat und Koalition hät-
        ten sich besser damit beschäftigt, wie die komplizierten
        Anforderungen so vereinfacht werden können, dass be-
        troffene Gewerbetreibende die Anforderungen schnell
        und ohne großen Aufwand erfüllen und damit problem-
        los fristgerecht abgeben können.
        Als Fazit bleibt festzuhalten: Der Gesetzentwurf ent-
        hält ebenso wie der Änderungsantrag Elemente, die in
        die richtige Richtung gehen. Sie enthalten beide aber
        auch Elemente zusätzlicher Bürokratisierung. Ansonsten
        bleibt das Ganze eine Ansammlung kaum kostenrelevan-
        ter Petitessen. Aus diesen Gründen lehnt die FDP-Bun-
        destagsfraktion sowohl den Änderungsantrag als auch
        den Gesetzentwurf ab und stellt fest, dass Bundeswirt-
        schaftsminister Clement beim Bürokratieabbau vollstän-
        dig gescheitert ist.
        Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
        minister für Wirtschaft und Arbeit: Ihnen liegt heute der
        Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung von
        Vorschlägen zu Bürokratieabbau und Deregulierung aus
        den Regionen zur Beschlussfassung vor. Wie Ihnen be-
        kannt ist, wird damit ein Großteil der Vorschläge zur Än-
        derung von Bundesrecht umgesetzt, die von den drei am
        Projekt „Innovationsregionen“ beteiligten Regionen
        Bremen, Ostwestfalen-Lippe und Westmecklenburg er-
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        rbeitet wurden. Die Bundesregierung hatte sich im
        pril 2004 zu einer sofortigen bundesweiten Umsetzung
        ieser Vorschläge entschlossen. Durch den Verzicht auf
        ine Erprobung sollen die vorgesehenen Erleichterungen
        ofort allen zugute kommen.
        Der Bundesrat hatte dem Gesetzentwurf insgesamt
        rundsätzlich zugestimmt, aber gleichzeitig klargestellt,
        ass er ihn nur als einen ersten Schritt der Bundesregie-
        ung in Richtung Bürokratieabbau betrachtet. Auch ei-
        ige Abgeordnete mögen diese zehn Änderungen nicht
        erade für die wichtigsten in Sachen Bürokratieabbau
        alten. Wer sich aber einen Überblick über die einzelnen
        egelungen verschafft, dürfte schnell erkennen, dass
        nsbesondere die Vorschläge zum Umweltbereich oder
        um Gewerbe- und Gaststättenrecht und auch zur Be-
        chleunigung des Gerichtsverfahrens der Wirtschaft eine
        anze Reihe von Erleichterungen bringen werden. Einer
        llgemeinen Forderung nach einer „Trockenlegung des
        ürokratischen Sumpfes“ kann eben nur durch konkrete
        inzelmaßnahmen entsprochen werden. Wer realistisch
        st, weiß, dass der „große Wurf“ beim Bürokratieabbau
        aum gelingen kann.
        Die Länder haben während des ersten Durchgangs im
        undesrat gezeigt, dass ihre Auffassungen zu einzelnen
        ürokratieabbaumaßnahmen teilweise erheblich diffe-
        ieren. Beispielsweise sieht das Gesetz in der Gewerbe-
        rdnung und im Gaststättengesetz eine „Erprobungs-
        lausel“ vor, die den Ländern ein befristetes Abweichen
        on Berufsausübungsregelungen ermöglichen soll. Der-
        rtige Experimentier- oder Öffnungsklauseln werden an
        nderer Stelle oft von den Ländern gefordert. Im Bun-
        esrat wurde sie jedoch jeweils mehrheitlich vom Unter-
        usschuss Wirtschaft abgelehnt, vom Wirtschaftsaus-
        chuss dann aber wieder angenommen, im Plenum
        iederum abgelehnt – die reinste Achterbahnfahrt!
        Bei den Vorschlägen zur Liberalisierung des Gaststät-
        enrechts reichten die Stellungnahmen der Länder von
        er Ablehnung jeglicher Änderungen bis hin zur fast
        ollständigen Aufhebung der Gaststättenerlaubnis.
        Diese wenigen Beispiele zeigen: Auch beim Bürokra-
        ieabbau, bei dessen Zielrichtung wir uns doch alle so
        chön einig sind, ist es nicht immer einfach, einen an-
        ehmbaren Kompromiss für alle Beteiligten zu finden.
        ier erinnere ich mich an Bertolt Brechts Ausspruch:
        Ein gutes Argument wirkt wundervoll – nur nicht auf
        en, der etwas hergeben soll!“
        Nochmals zurück zu der vom Bundeskabinett im Mai
        004 verabschiedeten Liste von 29 Vorschlägen aus den
        egionen: Neben den mit diesem Gesetz umzusetzenden
        orschlägen sind weitere sechs Vorschläge zwischen-
        eitlich bereits umgesetzt. Zwei Vorschläge sind in eben-
        alls im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetzen
        nthalten. In Anhörungsverfahren mit den Ländern und
        erbänden befinden sich nochmals sechs Vorschläge.
        Die Umsetzung einiger Vorschläge ist von der Ent-
        cheidung der Länder abhängig. Beispielsweise wird der
        orschlag „Erweiterter Zugriff auf Abteilung I des
        rundbuches“ durch den Verzicht auf den Nachweis des
        erechtigten Interesses von den Ländern abgelehnt. Ein
        15064 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
        (A) )
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        weiterer – sehr bedeutsamer – Vorschlag ist direkt durch
        Vereinbarung der Länder mit den Berufsgenossenschaf-
        ten umzusetzen. Es handelt sich um die „Zusammenfüh-
        rung des staatlichen und berufsgenossenschaftlichen
        Vollzugs im Arbeitsschutz“. Die Umsetzung dieses Vor-
        schlags wird zu wesentlichen Erleichterungen im Be-
        reich des Arbeitsschutzes führen.
        Auch wenn mancher Vertreter der Opposition die im
        Gesetzentwurf enthaltenen Änderungen nur als Klein-
        kram und als unwesentlich abtun will, bin ich zuver-
        sichtlich, dass wir mit dem Artikelgesetz und der Umset-
        zung der weiteren Vorschläge aus den Regionen beim
        Bürokratieabbau ein ganzes Stück vorankommen wer-
        den. Hierdurch bestärkt wird die Bundesregierung eine
        weitere Runde zur Sammlung und Umsetzung von Vor-
        schlägen zum Bundesrecht unter Einbeziehung von Re-
        gionen einleiten. Für die Unterstützung durch die Regio-
        nen und aus den Reihen des Parlaments bin ich dankbar
        und bitte Sie um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf der
        Bundesregierung zur Umsetzung der Vorschläge aus den
        Regionen.
        Anlage 6
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Das deutsche Bio-
        siegel erfolgreich umsetzen (Tagesordnungs-
        punkt 16)
        Reinhold Hemker (SPD): Ich beginne mit einer po-
        sitiven Nachricht: Mit der Einführung des Biosiegels
        2001 wurde ein Zertifizierungsinstrument geschaffen für
        Produkte aus ökologischer Landwirtschaft. Das gilt nicht
        nur für einzelne Produkte, sondern auch für die Kombi-
        nation von Produkten, die auch aus verschiedenen Län-
        dern kommen können und teilweise auch kommen müs-
        sen. Mit dieser Standardfestlegung sind wir national und
        international auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Land-
        wirtschaft einen großen Schritt weiter gekommen. Ich
        freue mich darüber, dass sich unsere Kolleginnen und
        Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion kritisch mit dem
        Thema beschäftigt haben. Denn nur die Verbreitung der
        hinter dem Biosiegel stehenden Gedanken kann für die
        Verbraucher zu immer weiteren möglichst hohen Quali-
        tätssicherungen führen. Schade ist allerdings, dass der
        Antrag der CDU/CSU-Fraktion vorwiegend die natio-
        nale Ebene im Blick hat. Die internationale Komplexität
        wird dabei nicht berücksichtigt.
        Die internationalen Aspekte dürfen aber nicht unter
        den Tisch fallen, denn es muss besonders betont werden:
        Viele ausländische Produkte haben einen Qualitätsstan-
        dard, der die Bedingungen für das Biosiegel mehr als er-
        füllt. Besonders hervorzuheben sind an dieser Stelle die
        Produkte aus den ärmeren und ärmsten Regionen der
        Welt, Produkte also aus den Entwicklungsländern oder
        besser gesagt aus den sich entwickelnden Ländern. Zu
        nennen sind nahezu alle Produkte aus dem fairen Han-
        del, durch den die Produzenten – meistens Kleinbauern
        und Genossenschaften – eine angemessene Bezahlung
        und einen Mindestpreis bei niedrigem Weltmarktpreis
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        ekommen. Sehr oft sind die Anbaubedingungen quali-
        ativ noch besser, als sie bei der Verleihung des Biosie-
        els verlangt werden. Das bedeutet, dass zum Beispiel
        ie Gesellschaft zur Förderung der Dritten Welt, kurz
        epa, und andere Handelsgesellschaften, die fairen Han-
        el betreiben, sich nicht nur mit der Frage der sozialen
        erechtigkeit beschäftigen, sondern auch besonders den
        kologisch-nachhaltigen Aspekt berücksichtigen.
        Auf diesem Hintergrund stellen Sie sich bitte eine Ta-
        el Schokolade vor, die ein Produkt aus fairem Handel
        st. Die Rohstoff- bzw. Zutatenlieferanten dieser Scho-
        olade sind Partner aus Bolivien, der Dominikanischen
        epublik, Paraguay und den Philippinen. In diesen Ent-
        icklungsländern und noch vielen mehr wird in vielen
        rojekten des fairen Handels ökologische Landwirt-
        chaft betrieben. Die Schokoladen werden von einer un-
        bhängigen Kontrollstelle überprüft. Das gilt für weitere
        rodukte wie getrocknete Früchte, für Nüsse, für Kaffee
        nd für Tee.
        Natürlich, und das ist richtig, setzt die EU-Richtlinie
        eine Höchststandards an. Das ist aber auch nicht das
        iel: Das Biosiegel ist eine Orientierungshilfe für die
        erbraucher. Es geht international um eine möglichst
        inheitliche und glaubwürdige Zertifizierung im Bereich
        er ökologischen Landwirtschaft. Seit der Einführung
        es Biosiegels ist die Zahl der Bioprodukte gewachsen.
        Die Richtlinie sagt aber nicht, dass die verschiedenen
        ersteller nicht über die Kriterien des Biosiegels hinaus-
        ehen dürfen. So haben zum Beispiel Produkte des fai-
        en Handels aus Nordindien, aber auch aus Sri Lanka ein
        usätzliches Siegel des Ökoverbandes Naturland. Ich
        reue mich darüber, dass zum Beispiel der Verein Natur-
        and e. V. sein Siegel nur an Produzenten vergibt, die
        uflagen hinsichtlich des ökologischen Landbaus erfül-
        en, die noch um ein Vielfaches strenger als die Anforde-
        ungen für das Biosiegel sind
        Ich selbst begleite mit vielen Freundinnen und Freun-
        en der internationalen Solidaritätsarbeit die Arbeit der
        chon genannten gepa und anderer Organisationen, die
        ich für die Anliegen des fairen Handels und der ökolo-
        ischen Produktion einsetzen. Ich freue mich darüber,
        ass die Themen, die mit dem Biosiegel, dem fairen
        andel und der ökologischen Produktion zusammenhän-
        en, eine immer stärkere Verankerung in der Gesell-
        chaft und seit einigen Jahren auch in der Politik gefun-
        en haben. Seit einigen Jahren ist ein deutlicher
        ewusstseinswandel in der Bevölkerung zu beobachten.
        iele Menschen haben verstanden, was sie bewirken
        önnen, wenn sie nur ein paar Cent mehr für ihren Kaf-
        ee ausgeben und Kaffee kaufen, der mit dem Biosiegel
        nd mit dem „TransFair“-Siegel ausgezeichnet ist. Im-
        er mehr Menschen kaufen mittlerweile einen Teil ihrer
        ebensmittel in Biosupermärkten, Eine-Welt-Läden oder
        ie finden die Produkte in den zahlreichen Regalen mit
        iosiegel-Produkten im Discounter.
        Die Bundesregierung fördert seit einigen Jahren – zu
        ennen sind die zuständigen Ministerinnen Renate
        ünast und Heidemarie Wieczorek-Zeul – im Rahmen
        hrer Öffentlichkeitsarbeit den Gedanken des fairen Han-
        els und die ökologische Produktion. Zwei Initiativen
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15065
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        nenne ich beispielhaft: erstens die Initiative „Echt ge-
        recht – Clever Kaufen“, zweitens die so genannte „fair-
        feels-good“-Kampagne. Beide Kampagnen haben mit
        unterschiedlichen Schwerpunkten die Verantwortung für
        eine gerechtere Welt und die Verantwortung für die
        Schöpfung besonders betont. Damit werden die ehrgeizi-
        gen Ziele in den Bereichen Armutsbekämpfung, soziale
        Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit hervorgehoben.
        Im Übrigen: Es gab im November 2000 einen ein-
        stimmig vom Bundestag verabschiedeten Antrag „Frei-
        willige Agrar-Umwelt/Sozial-Zertifizierung für Ent-
        wicklungsländer“. Mit diesem Antrag haben wir
        gemeinsam internationale Zertifizierungssysteme und
        die damit verbundene Einführung von Qualitätssiegeln
        gefordert. Das dann später eingeführte Biosiegel ist ein
        herausragender Baustein für die Entwicklung, die wir
        damals im Auge hatten. Wir sind national; und interna-
        tional auf dem richtigen Weg. Es gibt erste Erfolge. Die
        Konzentration auf die Verstärkung eines nationalen An-
        satzes wäre bei allem Verständnis für die Förderung von
        regionalen und nationalen Produkten im Zuge einer re-
        gionalen und nationalen Vermarktung ein Rückschritt.
        Eine persönliche Anmerkung zum Schluss: In den
        meisten Gemeinden meines Wahlkreises finde ich in den
        Hofläden Produkte aus fairem Handel; das Gleiche gilt
        für die Bioläden in den Städten und Gemeinden. Gerade
        ist ein Produkt auf den Markt gekommen, ein Saft aus
        Äpfeln der Region und Mangos aus Entwicklungslän-
        dern, natürlich aus ökologischer Produktion. Das ist ein
        positives Beispiel. So kann es weitergehen. Wenn wir
        alle in diesem Sinne am gleichen Strang ziehen, viel-
        leicht können wir dann ja ein Markenkennzeichen finden
        – zunächst blau mit goldenen Sternen für Europa und
        dann die Symbole für die Vereinten Nationen – sodass
        die nationalen Kennzeichnungen überflüssig werden.
        Das passt zum Eine-Welt-Gedanken im Zeitalter der
        Globalisierung.
        Gustav Herzog (SPD): Wir beraten heute mit der
        Drucksache 15/4840 den Antrag der Fraktion der CDU/
        CSU mit Namen: „Das deutsche Biosiegel erfolgreich
        umsetzen.“ Die Überschrift hat leider nichts mit dem fol-
        genden Inhalt gemein. Die CDU/CSU war gegen das
        Biosiegel und nun will sie das erfolgreiche Wirken unse-
        rer Politik torpedieren.
        Lassen Sie mich kurz zusammenfassen. Das Biosiegel
        ist ein Garant dafür, dass das ausgezeichnete Produkt
        nach den strengen Richtlinien der Gemeinschaft für den
        ökologischen Landbau erzeugt wurde. Nicht mehr, aber
        auch nicht weniger. Das Biosiegel ist weder ein patrioti-
        sches Bekenntnis – welches mit den Landesfarben zu
        hinterlegen ist – noch ein Markenzeichen oder ein
        Schutzwall für die Verbände des ökologischen Land-
        baus. Das Biosiegel ist vielmehr eine eindeutige und un-
        missverständliche Orientierung für den Verbraucher, der
        auf einen Blick weiß, was er von diesem Produkt zu hal-
        ten hat. Sie reden von unverzichtbaren Verbraucherinfor-
        mationen – das Biosiegel ist fast ein Musterbeispiel für
        Verbraucherinformation. Und es wirkt!
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        Umsatzsteigerungen wie im Ökolandbausegment su-
        hen ihresgleichen, täglich kommen Produkte und Un-
        ernehmen dazu, der Ökolandbau geht in die Breite, auch
        enn Sie ihn noch als Nischenproduktion kleinreden
        ollen.
        Meinen Sie wirklich, die großen Unternehmen der
        lobalen Ernährungsbranche würden so um Beteiligun-
        en kämpfen, wenn da nicht ein entsprechendes Markt-
        otenzial dahinter stehen würde? Sie reden von Her-
        unftsnachweisen und meinen: Das Biosiegel wird zu
        tark und es muss gestutzt werden. Auf welchem Scho-
        oriegel steht, aus welchem Land der Kakao stammt, der
        erarbeitet wurde? Wo steht, dass verbackener Weizen
        hres Frühstücksbrötchens auf deutschem Boden ge-
        achsen sein muss?
        Was schlagen Sie hier eigentlich vor? Woher wissen
        ie, ob der Demeterreis aus Thailand oder Brasilien
        ommt? Angebaut wird er nach den strengen, wie Sie sa-
        en „höheren Produktionsstandards deutscher Ökover-
        ände“. Oder nehmen Sie den Naturlandverband, er ist
        wischen Ägypten und Vietnam weltweit tätig, welt-
        rößter Zertifizierer für Ökokaffee, bildet Kleinbauern-
        rganisationen aus und setzt sich für fairen Handel und
        eiterbildung im ländlichen Raum ein, sozusagen ein
        lobal-Fair-Player und das alles mit Stammsitz im baye-
        ischen Gräfelfing und nach unseren strengen deutschen
        erbandsrichtlinien. Wollen Sie das auch alles auf die
        tiketten pappen? Ich würde sagen: Sozialstandards sind
        uch unverzichtbare Verbraucherinformationen. Wuss-
        n Sie, dass Naturland Sozialrichtlinien erlassen hat?
        Natürlich sind viele Verbraucherinformationen wün-
        chenswert, doch erstens ist das Biosiegel hier der fal-
        che Ort und zweitens müssen diese Vorgaben auf alle
        ebensmittel übertragen werden. Hätten Sie die Aus-
        chussunterlagen dieser Woche gelesen, wüssten Sie,
        ass Deutschland – unsere Ministerin Künast – beim
        ächsten Agrarrat die Kommission auffordern will,
        Vorschläge für eine umfassende Herkunftskennzeich-
        ung für alle Lebensmittel vorzulegen“.
        Ihre Argumentation zum Schutz des deutschen Öko-
        ndbaus ist scheinheilig, da Sie keine Gelegenheit aus-
        ssen, den Einsatz der Grünen Gentechnik – im Wider-
        pruch zu allen Ökolandbauverbänden – zu fordern.
        Der Ökolandbau ist ein Marktsegment wie viele und
        r ist genauso dem Wettbewerb ausgesetzt wie alle ande-
        en Marktteilnehmer auch. Das Biosiegel ist nicht dazu
        eschaffen, deutschen Betrieben einen protektionisti-
        chen Marktvorteil zu verschaffen. Die Beurteilungsba-
        is ist ausschließlich das Gemeinschaftsrecht, dessen
        nforderungen alle Produkte gleich zu erfüllen haben.
        Sind hier Standards zu niedrig, so gebe ich Ihnen
        erne die Adresse für Änderungsforderungen in Brüssel.
        och geben Sie sich keine Mühe: Auf dieser Baustelle
        ind wir schon längst aktiv.
        Bereits im November 2001 hat die Bundesministerin
        einem Memorandum die europäische Weiterentwick-
        ng der Ökostandards eingefordert: Ausweitung des
        ontrollsystems, Gesamtumstellung, Futter überwie-
        end aus eigenem Betrieb, Verbot von konventionellem
        15066 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
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        Hühnermist und Gülle und anderes mehr. Das Dioxin im
        Ei aus Käfig- und Freilandhaltung haben Sie zur Grünen
        Woche entdeckt, das Biosiegel zur Biofach. Was soll
        dieser billige Aktionismus? Sie schaden nur der deut-
        schen Landwirtschaft.
        Marlene Mortler (CDU/CSU): In der Diskussion im
        Deutschen Bundestag zur großen Anfrage der CDU/
        CSU-Fraktion über die Situation des ökologischen Land-
        baus in Deutschland am 1. Juli 2004 habe ich gefordert,
        dass das Biosiegel für die deutschen Ökobauern zur
        Erfolgsstory werden muss. In der Zwischenzeit ist die
        Entwicklung nicht stehen geblieben.
        Die Messe Nürnberg, der Veranstaltungsort, an dem
        heute die Biofach 2005 beginnt, hat im November 2004
        in einer Pressemitteilung diese Entwicklung eindeutig
        beschrieben. Dort steht, dass die Biobranche weltweit
        deutlich zulegt.
        Bei manchen Produkten, so die Pressemeldung, san-
        ken die Erzeugerpreise, was zu heftigen Protesten der
        Bauern führte und einige Betriebe der Biolandwirtschaft
        sogar zur Aufgabe zwang. Der Bund Ökologische Le-
        bensmittelwirtschaft berichtet anlässlich der Biofach,
        dass erstmals die Zahl der Betriebe, die aus der ökologi-
        schen Landbewirtschaftung ausscheiden, die Zahl der
        Neu-Umsteller leicht übertroffen habe. Dies ist nicht Ge-
        genstand einer Erfolgsstory, sondern Ergebnis unzurei-
        chender Politik für den Ökolandbau.
        Ich werde heute aber nicht nur meine Kritik deutlich
        artikulieren, sondern auch aufzeigen, wie man die Politik
        für den Ökolandbau aus Sicht der Union verbessern
        kann.
        Ein wesentlicher Knackpunkt der von der Bundesre-
        gierung falsch gestellten Weiche ist das deutsche Biosie-
        gel. Es hat eine hohe Marktdurchdringung. Es hat sich
        etabliert. Aber es ist mit entscheidenden Mängeln für Er-
        zeuger und besonders auch für die Verbraucher verbun-
        den. Die Kriterien für das Biosiegel richten sich nach
        den aktuellen Bestimmungen der EG-Öko-Verordnung.
        Mit dem deutschen Biosiegel können also Erzeugnisse
        gekennzeichnet werden, die entsprechend der EG-Öko-
        Verordnung produziert und kontrolliert werden. Es bein-
        haltet aber keine Informationen über die konkreten
        Produktionsstandards und über die Herkunft des Öko-
        produktes. Mit den aktuell geltenden gesetzlichen
        Grundlagen ist es also möglich, sowohl im Ausland er-
        zeugte Ökoprodukte mit dem deutschen Biosiegel zu
        kennzeichnen, als auch im Ausland erzeugte ökologi-
        sche Nahrungsmittelrohstoffe nach Deutschland einzu-
        führen, in Deutschland zu verarbeiten und die Endpro-
        dukte mit dem deutschen Biosiegel zu versehen. Der
        Verbraucher erfährt nichts über die Herkunft des Öko-
        produktes und über die darin enthaltenen Nahrungsmit-
        telrohstoffe. Außerdem ist der Verbraucher in dem „gu-
        ten“ Glauben, unter dem deutschen Biosiegel ein
        deutsches Bioprodukt zu kaufen.
        Wie bereits erwähnt, basiert das deutsche Bio-Siegel
        auf Grundlage der EG-Öko-Verordnung. Die deutschen
        Ökobauern produzieren aber im Gegensatz zu vielen
        ausländischen Ökobauern zumeist mit den höheren Pro-
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        uktionsstandards deutscher Ökoverbände. Nach Mei-
        ung der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
        uss dies auch mit dem deutschen Biosiegel kenntlich
        emacht werden, erstens, weil die Verbraucherinforma-
        ion unzureichend ist, und zweitens, weil eine nachhal-
        ige Ausdehnung des Ökolandbaus in Deutschland be-
        indert wird. Denn Ministerin Künast betreibt
        kopolitik durch die Hintertüre. Wir wollen, dass sich
        er Verbraucher bewusst für Produkte entscheiden kann,
        ie vor seiner Haustüre wachsen. Ökologie und Regio-
        alität gehören für mich sehr stark zusammen.
        Vor diesem Hintergrund hat die CDU/CSU-Fraktion
        in schlüssiges Konzept zur Weiterentwicklung des
        eutschen Biosiegels entworfen. Neben der Konformität
        ach EG-Öko-Verordnung 2092/91 müssen weitere Pro-
        uktionskriterien verankert werden. Diese zusätzlichen
        riterien umfassen die Gesamtbetriebsumstellung, den
        usschluss konventioneller Wirtschaftsdünger sowie die
        erpflichtung der Fütterung von Grünfutter an Pflan-
        enfresser im Sommer und damit das Verbot der Ganz-
        ahressilagefütterung. Nur Ökolandbau, der diese zusätz-
        ichen Anforderungen erfüllt, wird nach Meinung der
        DU/CSU-Bundestagsfraktion dem Grundgedanken des
        kologischen Landbaus gerecht. Alles andere ist ein Ver-
        at an unseren Ökobauern!
        Darüber hinaus ist nach unserer Auffassung vorzu-
        chreiben, dass die Angabe der Herkunft als eigenstän-
        ige Information in Kombination mit dem Biosiegel ver-
        flichtend sein muss. Bei Eiern und bei Rindfleisch
        konventionell – schreibt es die EU schon verpflichtend
        or. Dabei sollte die Landesfarbe des Herkunftsgebietes
        em Biosiegel unterlegt werden. Pflanzliche Erzeug-
        isse müssen demnach auf der Anbaufläche in dem je-
        eiligen Herkunftsgebiet gewachsen sein. Bei Fleisch
        üssen die Tiere im jeweiligen Herkunftsgebiet geboren
        nd in einem landwirtschaftlichen Betrieb dieses jewei-
        igen Herkunftsgebietes gehalten worden sein. Ein Ver-
        rbeitungserzeugnis darf demnach das Biosiegel nur
        ann tragen, wenn mindestens 80 Prozent der Zutaten
        us dem jeweiligen Herkunftsgebiet stammen.
        Wir alle wissen, dass wir in einer zunehmend globa-
        isierten Welt leben. Deshalb geht es bei der Nachbes-
        erung des Biosiegels nicht darum, ausländische Ware
        uszugrenzen. Das heißt, die Verwendung des nachge-
        esserten Biosiegels für Produkte aus anderen Mitglied-
        taaten muss wie bisher ohne Einschränkung möglich
        ein. Vielfalt beim Essen ist auch Lebensqualität
        In einem Artikel der „Welt“ vom 20. Januar 2005 hat
        ie Vorsitzende der Verbraucherzentrale Bundesverband,
        rau Edda Müller, zur missverständlichen und unklaren
        ebensmittelkennzeichnung klar Stellung bezogen. Ich
        itiere: „Schönfärbende Worte vermitteln das gewisse
        xtra, halten aber oft nicht, was sie versprechen“. Genau
        as ist der Punkt! Der Verbraucher braucht eindeutige
        nd zusätzliche Informationen, damit er wirklich eine
        ahlfreiheit hat. Der Verbraucher hat ein Recht darauf!
        Natürlich ist es unabdingbar, diese Nachbesserung
        es Biosiegels im Einvernehmen mit der Wirtschaft an-
        upacken. Deshalb habe ich gestern im Rahmen eines
        ressegesprächs mit wichtigen Wirtschaftsvertretern die-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15067
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        ses Konzept der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit großem
        Erfolg! Unser Konzept stellt dem Verbraucher mehr In-
        formationen über die Herkunft der Ökoprodukte zur Ver-
        fügung und es sorgt für Standards, die der Ökolandbau
        beachten muss, wenn man es mit dem Ökolandbau ernst
        meint.
        Wo sind eigentlich Ihre Prinzipien geblieben? Nach-
        haltiges Denken und Handeln sind für Sie inzwischen
        Fremdwörter. Mit Ihrer Politik führen Sie den Grund-
        gedanken der Agenda 21, den Grundgedanken des öko-
        logischen Landbaus, ad absurdum. Wo bleibt Ihre Ge-
        samtbilanz? Wo bleibt Ihr ganzheitlicher Ansatz? Sie
        schauen schon längst nicht mehr durch die Brille unserer
        Ökobauern, Sie schauen durch die Brille des Macht-
        erhalts!
        Ich denke an Ihre Worte in der Süddeutschen Zeitung
        vom 24. Februar 2005: „Im Handel gibt es einen richti-
        gen Schub bei Bioprodukten, der Markt brennt!“ Unsere
        Biobauern und unsere Verbraucher brennen auch! Und
        sie brennen noch mehr, wenn sie hören, dass Ihr Ministe-
        rium gegen Haushaltsrecht verstoßen hat, weil Sie Geld
        aus dem Bundesprogramm Ökologischer Landbau für
        Ihre Selbstdarstellung, für Ihre politische Grundausrich-
        tung zweckwidrig missbraucht haben; so der Bundes-
        rechnungshof zweimal, weil Sie es das erste Mal nicht
        glauben wollten.
        Ihre Politik ist in ein gefährliches Fahrwasser geraten.
        Ihre Glaubwürdigkeit leidet immer mehr, wie auch die
        Reaktionen auf den Fischer-Erlass zeigen. Sie werfen
        uns vor, den Standort Deutschland schlecht zu reden.
        Aber Sie machen und Sie regieren ihn schlecht! Ent-
        scheiden Sie sich also schnell, ob Sie eine Agrarwende
        mit den Biobauern und mit den Verbrauchern wollen
        oder gegen sie. Unser Antrag zeigt den richtigen Weg
        dorthin. Er ist glaubwürdig und er ist zukunftsweisend.
        Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN): Ich freue mich, dass wir heute endlich einmal ei-
        nen Antrag der CDU/CSU diskutieren können, der die
        ökologisch wirtschaftenden Betriebe ernst nimmt, an-
        statt ihnen aus parteipolitischem Kalkül mutwillig Steine
        in den Weg zu werfen, wie es die Opposition leider zu
        jeder sich bietenden Gelegenheit tut – nicht wahr Frau
        Klöckner und Herr Goldmann?
        „Die Union entdeckt die Biobauern“ titelte die „Süd-
        deutsche Zeitung“ gestern. Der Deutsche Bauernverband
        teilt heute mit: Die gestiegene Verbraucherakzeptanz für
        Bioprodukte sei auch dem Biosiegel zu verdanken, das
        für Markttransparenz sorge. Ich finde es gut, wenn Sie
        endlich anerkennen, dass wir es hier mit einer ernst zu
        nehmenden Branche mit riesigem Potenzial zu tun ha-
        ben. 3,5 Milliarden Euro Umsatz, mehr als 10 Prozent
        Zuwachs im letzten Jahr trotz genereller Kaufzurückhal-
        tung. Rewe ist dabei, eine eigene Biokette aufzubauen.
        Jeden Monat machen bundesweit neue Biomärkte auf.
        Heute begann in Nürnberg die weltgrößte Biomesse,
        die Biofach. Zwei Drittel der Aussteller sind internatio-
        nale Händler. Der brasilianische Minister Rodrigues ist
        Hauptgast der Messe und Brasilien Partnerland. Viele
        Länder unterstützen ihre Produzenten aktiv bei der Teil-
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        ahme an der Biofach, damit sie sich diesen Markt er-
        chließen können.
        Da ist richtig Musik drin. So etwas muss man doch
        nterstützen, anstatt zu sagen: Weil die Künast dafür ist,
        in ich dagegen – schon aus Prinzip.
        Katastrophal ist das Signal von Brandenburg, Sachsen
        nd Baden-Württemberg, ausgerechnet in solch einer Si-
        uation als Land aus der Umstellungsförderung für die
        andwirtschaftlichen Betriebe auszusteigen.
        Ich weiß nicht, ob allen klar ist, wie viele Arbeits-
        lätze mittlerweile am Ökolandbau hängen. Der Bund
        ür Ökologische Lebensmittelwirtschaft stellte kürzlich
        ine interessante Rechnung vor: Die Agrogentechnik-
        ranche beschäftigt in Deutschland nach einer Studie
        es Wirtschaftsanalyseunternehmens Ernst & Young im
        ahr 2003 weniger als 2 000 Personen bei einem Umsatz
        on nur 150 Millionen Euro. Dagegen ist die ökologi-
        che Landwirtschaft ein boomender Wirtschaftssektor:
        it 3,5 Milliarden Euro jährlich liegt er um ein Vielfa-
        hes über dem der Agrogentechnik-lndustrie. Die Zahl
        er Beschäftigten hat sich in den letzten zehn Jahren auf
        50 000 Personen verdoppelt. Ich freue mich, dass Frau
        ortler den Erfolg des Biosiegels ausdrücklich betont.
        ie von ihr genannte Zahl von mehr als 20 000 gekenn-
        eichneten Produkten ist in der Tat eindrucksvoll.
        Dieser Antrag zeigt, dass Frau Mortler durchaus viel
        on der Praxis des ökologischen Landbaus versteht.
        eine Frau und ich stehen seit 1983 bei Bioland unter
        ertrag und ich weiß daher um die Probleme, die die un-
        erschiedlichen Standards mit sich bringen. Es ist für uns
        icht immer leicht, uns als Premiummarke gegen No-
        ame-Bioprodukte durchzusetzen.
        Ich erinnere mich sehr gut an die Entstehungsge-
        chichte des Biosiegels: Damals haben alle mit am Tisch
        esessen im Ministerium: die Arbeitsgemeinschaft bäu-
        rliche Landwirtschaft, der Deutsche Bauernverband,
        ie Bioanbauverbände, die Verbraucherverbände und der
        andel. Zwei Linien wurden dabei diskutiert: erstens ein
        tarkes nationales Zeichen auf Grundlage der Arbeitsge-
        einschaft Ökologischer Landbau, was vor allem der
        auernverband unterstützte, oder zweitens ein starkes
        uropäisches Zeichen auf Grundlage der EU-Bio-Ver-
        rdnung. Die Mehrheit der Verbände, insbesondere die
        erbände mit den höchsten Standards, hat damals für
        en zweiten Weg gestimmt. Darüber kann man geteilter
        einung sein. Aber die Entscheidung ist so gefallen.
        etztlich ermöglichen wir damit auch weiterhin einen
        ualitätswettbewerb im Ökosektor.
        Wenn ich sehe, wie international sich dieser Markt
        uf der Biofach präsentiert, so glaube ich, dass es richtig
        ar, sich für ein Zeichen auf Basis der einheitlichen EU-
        ioverordnung zu entscheiden, deren Standards übrigens
        ür jeden nachlesbar sind. Separatismus, den Bayern ja
        icht fremd, wäre die falsche Antwort auf diese dynami-
        che Marktentwicklung.
        Was die Herkunft angeht, so haben wir in der Tat das
        roblem, dass wir bisher außerhalb der EU die Her-
        unftskennzeichnung nur in sehr wenigen Ausnahmesi-
        uationen zwingend vorschreiben können. Das verbietet
        15068 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
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        uns eine EU-Verordnung mit dem klangvollen Namen
        „Lebensmitteletikettierungsrichtlinie“.
        Ministerin Renate Künast verhandelt in Brüssel eine
        entsprechende Änderung dieser Richtlinie – und insge-
        heim weiß ja auch die Opposition, auch wenn sie das
        jetzt gleich mit lauter Empörung zurückweisen wird,
        dass niemand von uns allen in Brüssel mehr durchsetzen
        kann als Renate Künast.
        Im Übrigen, Frau Kollegin Mortler, ist es heute schon
        jedem Hersteller möglich, freiwillig neben dem Biosie-
        gel zum Beispiel die deutsche Fahne als Herkunftssym-
        bol anzubringen.
        Wenn wir, wie Sie fordern, die EU-Standards für Bio-
        produkte weiter anheben wollen, dann müssen wir das in
        Brüssel tun, nicht in Berlin. Insofern machen Ihre Forde-
        rungen hier keinen Sinn.
        Sie sehen, wir sind jederzeit gern bereit, über die
        – wie Sie schreiben – „nachhaltige Ausdehnung des öko-
        logischen Landbaus in Deutschland“ zu sprechen.
        Ich mache das seit 20 Jahren und ich freue mich,
        wenn wir das in Zukunft gemeinsam tun!
        Hans-Michael Goldmann (FDP): Bio ist nicht
        gleich Bio. Ökoprodukte nach der EG-Öko-Verordnung
        – und damit auch nach dem deutschen Biosiegel – müs-
        sen weniger strengen Kriterien genügen als solche, die
        von deutschen Landwirten produziert werden. Dies spie-
        gelt sich jedoch in dem deutschen Biosiegel nicht wider.
        Damit können alle Produkte ausgezeichnet und bewor-
        ben werden, die „nur“ den europäischen Standards genü-
        gen. Damit geraten deutsche Landwirte ins Hintertref-
        fen. Sie müssen mit Produkten aus aller Welt
        konkurrieren, die mit dem deutschen Biosiegel ausge-
        zeichnet sind, obwohl sie mehr Aufwand betreiben müs-
        sen, um ihre Produkte als „Bio“ oder „Öko“ in Deutsch-
        land herstellen und vertreiben zu können.
        Die FDP hat Frau Künast, von Anfang an gewarnt,
        mit dem deutschen Biosiegel die für die deutschen Öko-
        bauern traditionell strengen Anbaurichtlinien zu unter-
        laufen. Sie haben mit dem Öko-Kennzeichengesetz die
        deutschen Landwirte vor große Probleme gestellt.
        Bioprodukte, die nach den deutschen Standards pro-
        duziert und veredelt werden, sind Premiumprodukte.
        Diesen Standortvorteil müssen wir nutzen. Das deutsche
        Biosiegel weckt beim Verbraucher deshalb den Ein-
        druck, es handelte sich um Waren mit besonderer Quali-
        tät. Doch durch das Öko-Kennzeichengesetz können
        auch Waren mit dem deutschen Biosiegel ausgezeichnet
        werden, die eben „nur“ nach EU-Standards produziert
        und hergestellt werden.
        Viel sinnvoller wäre es doch, das deutsche Biosiegel
        nur an solche Produkte zu vergeben, die auch nach den
        deutschen Biostandards hergestellt werden. Damit kann
        das deutsche Biosiegel zu einem echten Marketing-
        instrument gerade für die heimische Landwirtschaft wer-
        den.
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        Natürlich wird daneben die Auszeichnung nach EU-
        tandards bestehen bleiben müssen, weil das EU-Recht
        ies gebietet. Produkte, die nach der EG-Öko-Verord-
        ung produziert werden, müssen in Deutschland weiter-
        in entsprechend gekennzeichnet vertrieben werden
        önnen. Doch durch Einführung besonderer Qualitäts-
        riterien für das deutsche Biosiegel wird dem Verbrau-
        her deutlich vor Augen geführt, dass mit diesem ausge-
        eichnete Produkte ein Plus an Qualität und Kontrolle
        ufweisen. Selbstverständlich müssen auch ausländische
        rodukte, insbesondere aus anderen EU-Mitgliedstaaten,
        as deutsche Biosiegel verwenden dürfen, sofern die
        trengen Auflagen ausnahmslos erfüllt werden.
        Die Herkunft eines Lebensmittels ist für die Verbrau-
        her ein wichtiges Kriterium. Wir haben das gerade in
        iner Kleinen Anfrage, die wir diese Woche eingebracht
        aben, nochmals ausdrücklich betont. Die Herkunfts-
        ennzeichnung ist aber nicht Sache des Biosiegels. Die
        erbraucher brauchen klare und eindeutige Kennzei-
        hen, keine Multifunktionskennzeichen, die nur neue
        erwirrung stiften. Das Biosiegel gibt Auskunft über
        ine bestimmte Produktionsform – und hoffentlich als-
        ald über die Eigenschaft als Premium-Ökoprodukt nach
        trengen deutschen Standards. Die Herkunftskennzeich-
        ung aber muss eigens erfolgen. Auch hierin liegt ein
        ichtiges Marketinginstrument für die Landwirtschaft,
        ie mit regionalen Produkten und Spezialitäten werben
        ann.
        Nach der Vorstellung der Liberalen wird sich der Le-
        ensmittelmarkt in alle Richtungen diversifizieren. Da-
        it in der großen Vielzahl unterschiedlicher Produkte
        er Verbraucher eine Leitlinie finden kann, sind klare
        orgaben für Kennzeichnungen notwendig. Kennzei-
        hen müssen Auskunft über die Art der Produktion
        zum Beispiel nach ökologischen Standards –, die be-
        ondere Qualität eines Produkts – zum Beispiel durch
        in verbessertes deutsches Biosiegel als Premiumpro-
        ukt – und die Herkunft – zum Beispiel durch konse-
        uente Anwendung der europäischen Herkunftskenn-
        eichnungsmöglichkeiten – geben. Mehr Transparenz
        chafft Vertrauen und gibt den Verbrauchern notwendige
        nformationen für eine aufgeklärte und mündige Ent-
        cheidung über ihre Lebensmittel.
        Es ist an der Zeit, einmal gründlich über diese Kenn-
        eichnungsregelungen zu diskutieren und an Lösungen
        u arbeiten, um der heimischen Landwirtschaft Chancen
        u eröffnen und das Informationsinteresse der Verbrau-
        her zu bedienen.
        In diesem Sinne ist die FDP-Fraktion gerne bereit, in
        en anstehenden Beratungen des vorliegenden Antrags
        er Unionsfraktion sich des Themas einmal grundsätz-
        ich anzunehmen.
        nlage 7
        Zu Protokoll gegebene Rede
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Regelung bestimmter Altforderungen (Altfor-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15069
        (A) )
        (B) )
        derungsregelungsgesetz – AFRG) (Tagesord-
        nungspunkt 17)
        Jutta Krüger-Jacob (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Heute beschäftigen wir uns mit dem Altforderungsrege-
        lungsgesetz, einem Gesetz, bei dem nicht gleich auf den
        ersten Blick ersichtlich ist, was sich dahinter verbirgt, ei-
        nem Gesetz, welches aus lediglich drei Artikeln besteht,
        wobei der letzte das In-Kraft-Treten regelt.
        Die Kürze des Gesetzes legt die Vermutung nahe,
        dass es sich um eine einfache, übersichtliche Norm han-
        delt. Ebenso drängt sich zunächst einmal die Frage auf,
        ob es sich überhaupt lohnt, ein Gesetz mit nur drei Arti-
        keln zu verabschieden. Und spätestens an diesem Punkt
        scheiden sich die Geister.
        Wir Grüne befürworten den vorliegenden Gesetzes-
        entwurf; denn er wird bei einer hochkomplexen Materie
        im Bereich der Alteigentumsfragen für Rechtssicherheit
        sorgen.
        Was verbirgt sich hinter dem AFRG? Grundlage ist
        zunächst einmal die Tatsache, dass der Bund nach
        Art. 22 Abs. 1 des Einigungsvertrages den gesetzlichen
        Auftrag hat, die Forderungen des ehemaligen DDR-
        Staatshaushaltes für das Finanzvermögen geltend zu ma-
        chen. Hierzu gehören auch Forderungen von Kreditinsti-
        tuten und Versicherungen, die durch besatzungsrechtli-
        che und -hoheitliche Maßnahmen in der damaligen
        sowjetischen Besatzungszone enteignet wurden.
        Art. 1 des AFRG regelt, dass die Forderungen dem
        Bund, genauer gesagt: dem Entschädigungsfonds, zuste-
        hen. Dieser Klarstellung bedarf es, nachdem der BGH
        darauf hingewiesen hat, dass Enteignungsmaßnahmen
        eines Staates nur Vermögenswerte erfassen können, die
        auf seinem Staatsgebiet belegen sind. Rechtsunsicherheit
        entstand dadurch in den Fällen, in welchen Kreditinstitut
        und Eigentümer zum Zeitpunkt der Enteignung im Wes-
        ten wohnten, das dinglich gesicherte Grundstück hinge-
        gen im Osten belegen war, denn unter Umständen kann
        bei schuldrechtlichen Forderungen eine von der Bele-
        genheit des Grundstückes abweichende Belegenheit der
        Forderung gegeben sein, so zum Beispiel, wenn auf den
        Wohnsitz des Eigentümers als Schuldner abgestellt wird.
        Wenn aber von Forderungen im Westen auszugehen
        wäre, hätte eine Enteignung nicht erfolgen können. Da-
        mit wären die ursprünglichen Gläubiger noch immer
        Forderungsinhaber, gehörten die Forderungen nicht zum
        Finanzvermögen gemäß Art. 22 Abs. 1 Einigungsver-
        trag – würden wir nicht mit diesem Gesetz die Forderun-
        gen für die Zukunft dem Entschädigungsfonds zuweisen.
        Auf diese Regelungsmöglichkeit hat der BGH aus-
        drücklich hingewiesen. Eine solche Regelung ist auch
        sachgerecht, da die Kreditinstitute für jene Forderungen
        bereits entschädigt worden sind, Ausgleichsforderungen
        von den alten Bundesländern erhalten und ihre ursprüng-
        lichen Forderungen an das Schuldnerland der Aus-
        gleichsforderung abgetreten haben. Der Bund hat die
        Ausgleichsforderung überwiegend getilgt; soweit nicht,
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        ird ein Ausgleich für die Länder aus Vereinfachungs-
        ründen außerhalb dieses Gesetzes stattfinden.
        Bis zur zitierten Rechtsprechung des BGHs wurden
        ie Forderungen als Finanzvermögen angesehen und
        uch geltend gemacht; offen stehen noch Forderungen in
        öhe von etwa 5 Millionen Euro, die zumindest wirt-
        chaftlich dem Bund zustehen.
        Da die Existenz der Forderungen als solche nicht
        trittig ist, lediglich Unsicherheit hinsichtlich des Forde-
        ungsinhabers besteht, muss nicht zuletzt auch im Inte-
        esse der betroffenen Schuldner Klarheit hinsichtlich des
        läubigers geschaffen werden. Damit werden künftig
        icht nur Zahlungsverweigerungen, sondern auch Rück-
        orderungen vermieden werden.
        Art. 2 des AFRG bezieht sich auf die Behandlung der
        ltforderungen im Zusammenhang mit der Rückübertra-
        ung ursprünglich belasteter ehemaliger Unternehmens-
        rundstücke und stellt klar, dass trotz Untergang der
        rundpfandrechte die Forderungen – das Gesamtvolu-
        en wird mit etwa 6,5 Millionen Euro veranschlagt –
        eute noch bestehen und auch dann zu begleichen sind,
        enn die an sich vorgesehene Anrechnung im Entschä-
        igungsverfahren fehlschlägt.
        Ungleichbehandlungen bestehen derzeit, da Verbind-
        ichkeiten im Falle der Unternehmensschädigung nicht
        ei der Restitution der Vermögenswerte, sondern als Ab-
        ugsposten bei der Bemessung der Entschädigung be-
        ücksichtigt werden. Diese Anrechnung (Entschädigung
        Einheitswert des Unternehmens x 1,5–Grundstücks-
        ert zum Zeitpunkt der Rückübertragung–Verbindlich-
        eiten) schlägt aber regelmäßig wegen des hohen Grund-
        tückswertes fehl. Dies hat zur Konsequenz, dass die
        estitutionsberechtigten im Vergleich zu denjenigen, die
        ur auf eine Entschädigung verwiesen sind, unverhält-
        ismäßig bevorteilt werden. Sie erhalten nicht nur ein
        rundstück oder einen Teil davon zurück, sondern auch
        och lastenfrei.
        Indem durch Art. 2 ein Leistungsanspruch zugunsten
        er Gläubiger von Forderungen, deren Anrechnung fehl-
        chlägt, in Höhe dieses Fehlschlagens geschaffen wird,
        erden Ungleichbehandlungen ausgeschlossen, das vom
        esetzgeber Gewollte durchgesetzt. Es werden auch
        icht etwa neue Benachteiligungen eingeführt. Zum ei-
        en sind Doppelleistungen durch Anrechnung sowie
        urch Zahlung ausgeschlossen. Zum anderen wird, da
        ie ursprüngliche Forderung nach wie vor besteht, insbe-
        ondere der Wegfall der dinglichen Sicherung den Be-
        tand der Forderung nicht berührt hat, keineswegs ein
        usätzlicher Zahlungsanspruch geschaffen, sondern eine
        ereits vorhandene Zahlungsverpflichtung neu geregelt.
        Auch wenn dieses AFRG für den Entschädigungs-
        onds lediglich die rechtliche Grundlage schafft, Forde-
        ungen in relativ geringem Umfang geltend zu machen,
        o darf dies kein Grund sein, den Gesetzentwurf abzu-
        ehnen, zumal auch die Beseitigung von Ungleichbe-
        andlungen und die Schaffung von Rechtssicherheit
        ohe Werte darstellen, die als solche Gesetze rechtferti-
        en.
        15070 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
        (A) )
        (B) )
        Anlage 8
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Abziehbarkeit von
        Aufwendungen zur Altersvorsorge (Tagesor-
        dungspunkt 18)
        Horst Schild (SPD): Die Unionsfraktionen beab-
        sichtigen mit ihrem Antrag, die Abziehbarkeit von Auf-
        wendungen für die so genannte Rürup-Rente über den
        im AltEinkG gesteckten Rahmen auszuweiten.
        Sie fordern den § 10 Abs, 2 EStG so zu modifizieren,
        dass Beiträge zum Aufbau einer Rürup-Rente unabhän-
        gig davon abziehbar sind, an welchen Anbieter des Al-
        tersvorsorgeproduktes sie geleistet werden.
        Die SPD-Fraktion signalisiert ihre Diskussionsbereit-
        schaft gegenüber diesem Anliegen.
        Wir sagen aber deutlich, an den im Gesetz genannten
        Kriterien für die Rürup-Rente halten wir fest. Sie darf
        weiterhin nicht vererbbar, nicht übertragbar, nicht be-
        leihbar, nicht veräußerbar und nicht kapitalisierbar sein
        und keinen Anspruch auf Auszahlungen begründen.
        Wir sollten in der weiteren Beratung klären, ob aus
        Gründen der Wettbewerbsneutralität zwischen Versiche-
        rungs- und Investmentfondsanbietern die Auflage von
        Produkten zur Alterssicherung möglich ist, wenn der
        Ausschluss der Vererbbarkeit und die anderen in § 10
        Abs. 1 Nr. 2 b EStG genannten Voraussetzungen vorlie-
        gen, Durch diesen Wettbewerb könnte Produktvielfalt
        und Preiswettbewerb für den Anlieger sichergestellt
        werden.
        Die Union stellt in ihrem Antrag fest:
        Der kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge
        kommt angesichts der demographischen Entwick-
        lung in Deutschland eine immer größere Bedeutung
        zu. Mit dem Übergang zur nachgelagerten Besteue-
        rung im Rahmen des Alterseinkünftegesetzes sind
        erste Schritte in die richtige Richtung unternom-
        men, um die Attraktivität kapitalgedeckter privater
        Altersvorsorge zu erhöhen.
        Trotz dieser Feststellung haben sich CDU/CSU im
        Deutschen Bundestag bislang jeder politischen Mitver-
        antwortung bei den Entscheidungen dieses Hauses zur
        Einführung der kapitalgedeckten privaten Altersvor-
        sorge und zur Verbesserung der betrieblichen Altersvor-
        sorge entzogen.
        Nicht genug damit, haben sie in der Vergangenheit
        insbesondere gegen die neu geschaffenen Möglichkeiten
        der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge polemisiert
        und die Menschen verunsichert. Nach einer Anfang des
        Jahres veröffentlichten Umfrage des Instituts für Demo-
        skopie Allensbach haben 80 Prozent der Befragten bis-
        lang keine Kenntnis von der Rürup-Rente. Das muss
        sich ändern. Lassen Sie uns zukünftig gemeinsam dafür
        werben, dass sich die Situation im Interesse der Alters-
        vorsorge der Bürgerinnen und Bürger verbessert.
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        Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Mit der Ver-
        bschiedung des Alterseinkünftegesetzes wurde im
        ergangenen Jahr die einkommensteuerrechtliche Be-
        andlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alters-
        ezügen neu geordnet. Die CDU/CSU-Bundestagsfrak-
        on hat dem schrittweisen Übergang zu einer
        achgelagerten Besteuerung von Renteneinkünften zu-
        estimmt, da die Einzahlungen und Sparbeiträge für die
        pätere Rente ebenfalls in Stufen steuerfrei gestellt wur-
        en. Allerdings haben wir dem Gesetz in seiner Gesamt-
        eit nicht zugestimmt, weil insbesondere die private und
        ie betriebliche Altersvorsorge erhebliche Defizite auf-
        iesen.
        Heute geht es erneut um die Fragen, die auch im ver-
        angenen Jahr während der Debatte eine große Rolle
        pielten: Welche Altersvorsorgeprodukte können ge-
        ählt werden? Welche Beiträge für diese Altersvorsorge
        önnen steuerfrei eingezahlt werden?
        Die jetzige Regelung sieht so aus, dass nach der Ver-
        bschiedung des Alterseinkünftegesetzes auf der einen
        eite Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherun-
        en, den landwirtschaftlichen Alterskassen sowie den
        erufsständischen Versorgungseinrichtungen und auf der
        nderen Seite Beiträge zum Aufbau einer kapitalgedeck-
        n Altersversorgung – so genannte Rürup-Rente oder
        asisrente – als Sonderausgaben abgezogen werden
        önnen.
        In der parlamentarischen Beratung haben wir uns da-
        als geeinigt. Während in dem ursprünglichen Gesetz-
        ntwurf nur Versicherungsprodukte als Altersvorsorge-
        rodukte zugelassen waren, wurde auf diese
        inschränkung entsprechend einer Forderung der CDU/
        SU-Bundestagsfraktion verzichtet. Der Ausdruck
        Versicherungsunternehmen“ wurde deshalb aus dem
        ext herausgenommen und durch die neutrale Bezeich-
        ung „Verträge“ ersetzt. Der Wille des Gesetzgebers, die
        orschrift wettbewerbsneutral zu fassen, wurde damit
        mgesetzt. Damit sollte ein Wettbewerb um die leis-
        ngsfähigsten Finanzprodukte eröffnet werden. Voraus-
        etzung war die Garantie einer lebenslangen Rente.
        Nach Abschluss der Beratungen wurde ein handwerk-
        cher bzw. redaktioneller Fehler festgestellt. Denn be-
        üglich der steuerlichen Absetzbarkeit der Beiträge wird
        § 10 Abs. 2 Einkommensteuergesetz festgehalten,
        ass nur die Beiträge als begünstigt bezeichnet werden,
        ie an Versicherungsunternehmen geleistet werden.
        Mit dem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
        ur Abziehbarkeit von Aufwendungen zur Altersvor-
        orge fordern wir nun, dass die Vorschrift des § 10
        bs. 2 des Einkommensteuergesetzes so angepasst wird,
        ass die Beiträge zum Aufbau einer Rürup-Rente unab-
        ängig davon abziehbar sind, an welchen Anbieter sie
        eleistet werden.
        Angesichts der demographischen Entwicklung in
        eutschland kommt der kapitalgedeckten privaten Al-
        rsvorsorge eine immer größere Bedeutung zu. Deshalb
        uss um die Zustimmung der Verbraucher geworben
        erden und den Wünschen Rechnung getragen werden.
        icht alle Verbraucher wollen ihre private Altersvor-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15071
        (A) )
        (B) )
        sorge ausschließlich auf Versicherungsprodukte konzen-
        trieren. Erst die Streuung auf eine Vielzahl unterschiedli-
        cher Produkte ermöglicht ein Altersvorsorgevermögen
        mit gänzlich unterschiedlichem Risiko/Rendite-Profil.
        Die Finanzdienstleister müssen in einen Wettbewerb
        untereinander eintreten, in dem alle Qualitätsaspekte der
        Anlageprodukte auf dem Markt einander transparent ge-
        genübergestellt werden können. Dazu benötigen wir eine
        produktneutrale Definition der Altersvorsorgeinstru-
        mente und somit eine wettbewerbsneutrale Fassung des
        § 10 des Einkommensteuergesetzes.
        Erinnert sei in diesem Zusammenhang daran, dass die
        Steuervorteile für die Kapitallebensversicherung aufge-
        hoben wurden. In der Begründung betonte die Bundesre-
        gierung ausdrücklich, dass durch steuerliche Förderun-
        gen gegen das vom Gesetzgeber explizit genannte Ziel,
        Wettbewerbsbeschränkungen abzubauen, verstoßen
        werde.
        Eine Emnid-Umfrage für den Allgemeinen Wirt-
        schaftsdienst – AWD – vom Februar 2005 hat gezeigt,
        dass von 1 000 Befragten nur 20,7 Prozent der jetzigen
        Form der Rürup-Rente zustimmen. Insbesondere die
        mangelnde Vererbbarkeit und Beleihbarkeit und das Ver-
        bot der Kapitalisierbarkeit werden als Gründe genannt.
        Es ist deshalb wichtig, dass die Attraktivität einer priva-
        ten Altersvorsorge nicht zusätzlich durch Konzentration
        auf ein Versicherungsprodukt bzw. auf einen engen
        Leibrentenbegriff beschränkt wird.
        Das Ziel ist daher – so war es auch bei der Verab-
        schiedung des Alterseinkünftegesetzes formuliert –, eine
        steuerrechtliche Gleichbehandlung aller Altersvorsorge-
        produkte zu erreichen. Hierzu gehören zum Beispiel
        auch Fondssparpläne und Banksparpläne, welche eine
        Auszahlung des Kapitals gemäß den Vorgaben frühes-
        tens ab dem 60. Lebensjahr in Form von lebenslangen
        Auszahlplänen bzw. lebenslangen Renten vorsehen. Der
        mündige Verbraucher sollte gerade hier ermutigt wer-
        den, verschiedene Möglichkeiten der kapitalgedeckten
        Altersvorsorge abzuwägen, um die für seine persönliche
        Situation passende Form zu wählen. Die jetzige Be-
        schränkung der nachgelagerten Besteuerung auf einen
        engen Leibrentenbegriff ist nichts anderes als eine Be-
        vormundung der Bürgerinnen und Bürger.
        Es stehen dem auch keine haushaltspolitischen
        Gründe entgegen, da sich der persönliche Sonderausga-
        benabzug nicht erhöhen würde, sondern lediglich auf
        mehrere Anlageformen verteilt werden könnte.
        Zudem ist nicht einzusehen, dass bei der Riester-
        Rente, die ja gerade die reduzierten Renten aus der ge-
        setzlichen Rentenversicherung kompensieren soll, auf
        ein breites Anlagespektrum zurückgegriffen werden
        kann, während die Rürup-Rente den starken Einschrän-
        kungen auf Versicherungsprodukte unterliegen würde.
        Es ist auch nicht einsehbar, dass eine fondsgebundene
        Rentenversicherung, also ein Fondssparplan im Mantel
        eines Versicherungsvertrages, als Vorsorgeplan akzep-
        tiert wird, während einem Banksparplan oder In-
        vestmentsparplan die Anerkennung als Vorsorgeprodukt
        verwehrt wird. Alle Produkte müssen die lebenslange
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        ente garantieren und müssen deshalb entsprechend
        leich behandelt werden. Alle Vorsorgeprodukte unter-
        iegen den Bedingungen, dass der Anbieter eine Garantie
        ür das eingezahlte Kapital sowie eine lebenslange Rente
        ewährleistet.
        Die jetzige Gesetzeslage entspricht nicht dem ur-
        prünglichen Willen des Gesetzgebers. Der Steuerpflich-
        ige wählt nicht das passende Produkt, sondern entschei-
        et, welches Produkt steuerlich vorteilhafter ist. Dies
        ührt erneut zu Wettbewerbsverzerrungen.
        Die Begründung der nachgelagerten Besteuerung mit
        onzentration auf Leibrenten kann nicht nachvollzogen
        erden. Die damit verbundene Einschränkung der Sou-
        eränität der Bürger ist weder aus sozialen noch aus
        irtschaftlichen oder haushaltspolitischen Gründen ver-
        retbar.
        Carl-Ludwig Thiele (FDP): Mit diesem Antrag zur
        bziehbarkeit von Aufwendungen zur Altersvorsorge
        ielt die Fraktion der Union darauf, die Vorschrift des
        10 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes so anzupas-
        en, dass Beiträge zum Aufbau einer Rürup-Rente unab-
        ängig davon abziehbar sind, an welchen Anbieter sie
        eleistet werden.
        Hierzu möchte ich zunächst für die Fraktion der FDP
        esthalten, dass wir es nach wie vor für einen fundamen-
        alen Fehler halten, dass die so genannte Rürup-Rente
        icht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar, nicht
        eräußerbar und nicht kapitalisierbar gestaltet ist. Frak-
        ionsübergreifend sind wir der Meinung, dass wir den
        ürgern die Empfehlung geben sollen, sich nicht nur auf
        ie Rente als einzige Einnahmequelle im Alter zu verlas-
        en. Wir müssen die Bürger auffordern, zusätzliche Al-
        ersvorsorge zu betreiben. Dies fällt derzeit naturgemäß
        esonders schwer, weil durch die Politik von Rot-Grün
        as verfügbare Einkommen der Menschen in den ver-
        angenen Jahren nicht nennenswert gestiegen ist.
        In der Praxis erleben wir insbesondere von Rot-Grün,
        ass dazu aufgefordert wird, private Altersvorsorge zu
        etreiben. In Wirklichkeit werden aber alle Instrumente,
        it denen dieses geschehen kann, erheblich einge-
        chränkt und in ihrer Attraktivität so weit reduziert, dass
        ie kaum noch Anreiz bieten, zusätzliche private Alters-
        orsorge zu betreiben.
        Dieses gilt zum Beispiel für neu abgeschlossene Le-
        ensversicherungsverträge ab 2005. Bislang waren die
        rträge aus den Lebensversicherungen steuerfrei. Für
        erträge ab dem 1. Januar 2005 werden wesentliche
        eile davon steuerpflichtig. Zudem hat die rot-grüne
        oalition gemeinsam mit der Union beschlossen, dass
        uf Lebensversicherungen und Betriebsrenten mit der
        uszahlung ab dem 1. Januar 2005 der volle Kranken-
        ersicherungsbeitrag gezahlt werden muss. Das heißt,
        ie angesparten Beträge werden einer zusätzlichen Be-
        astung unterzogen. Dieses schmälert die Attraktivität
        er Direktversicherungen und Betriebsrenten.
        Die auch von der Bundesregierung angesetzte Zahl an
        erträgen für zusätzliche Altersvorsorge durch die
        ürup-Rente wird bei weitem nicht erreicht. Dieses
        15072 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
        (A) )
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        müsste für alle Fraktionen des Deutschen Bundestages
        Anlass dafür sein, dass das Konzept der zusätzlich priva-
        ten kapitalgedeckten Altersvorsorge grundsätzlich über-
        arbeitet und mit weiteren Anreizen versehen werden
        sollte.
        Mit diesem Antrag greift die Union eine Facette die-
        ses Komplexes heraus. Hiernach ist im § 10 Abs. 2
        Nr. 2 a Einkommensteuergesetz festgelegt, dass Voraus-
        setzung für den Abzug der Beträge für Vorsorgeaufwen-
        dungen ist, dass sie „an Versicherungsunternehmen“ ge-
        leistet werden. Schon im Vorgriff auf die Beratungen im
        Finanzausschuss des Deutschen Bundestages bitte ich
        die Regierung um eine Stellungnahme, ob es sich bei
        dieser Regelung lediglich um ein redaktionelles Verse-
        hen handelt. Denn für diesen Fall haben wir die Mög-
        lichkeit, diese Regelung kurzfristig zu ändern.
        Für die FDP möchte ich vor der entsprechenden Bera-
        tung im Finanzausschuss schon feststellen, dass wir eine
        Förderung der privaten Altersvorsorge für zwingend not-
        wendig erachten. Unter diesem Gesichtspunkt werden
        wir auch die Beratungen im Finanzausschuss konstruktiv
        begleiten.
        Anlage 9
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Ge-
        setzes zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes
        (Tagesordnungspunkt 19)
        Gustav Herzog (SPD): Wir beraten heute den Ge-
        setzentwurf der Bundesregierung zur zweiten Änderung
        des Pflanzenschutzgesetzes. Die wichtigsten Punkte, die
        wir ändern werden, lassen sich schnell auf den Punkt
        bringen:
        Es geht um eine vernünftige Regelung im Umgang
        mit parallelimportierten Pflanzenschutzmitteln – hier
        herrscht weitgehend Einvernehmen.
        Es geht um die Aufzeichnungspflicht bei der Anwen-
        dung von Pflanzenschutzmitteln – auch hier ein erstaun-
        lich weit reichendes Einvernehmen.
        Gut, die einen möchten den Forst ausklammern, da
        der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln dort verschwin-
        dend gering sein soll – doch seien wir mal ganz eifrig
        und sagen: Wenn dem tatsächlich so ist, dann ist doch
        auch der Aufzeichnungsaufwand verschwindend gering!
        Sollte es jedoch mal zu einer Anwendung kommen, dann
        handelt es sich beim Forst doch um ein ökologisch deut-
        lich sensibleres Gut als das Ackerland. Hier muss mit
        großer Sorgfalt herangegangen werden und eine zeitnahe
        Aufzeichnung kann den Handelnden durchaus helfen,
        sich die problematischen Zusammenhänge deutlicher
        vor Augen zu führen und auf diese Weise ihr Problembe-
        wusstsein weiter zu schärfen.
        Andere rufen nach Vereinfachungen für Kleinbe-
        triebe, die jedoch oft aufgrund der ihnen möglichen tech-
        nischen Ausstattung und wegen ihrer bloßen Vielzahl
        fast problematischer sind als Großbetriebe, und noch
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        al andere möchten die kommunale Anwendung einbe-
        iehen in die Aufzeichnungspflicht – was durchaus eine
        berlegung wert ist.
        In der Summe muss aber festgehalten werden, dass in
        iesem Punkt Einigkeit besteht.
        Wo besteht noch Einigkeit? Zum einen in der Gebüh-
        enregelung. In der vorläufigen Zulassung nach § 15c –
        uch hier Einigkeit.
        Was bleibt, ist natürlich die Uneinigkeit. Doch was
        äre das auch für ein Bild, wenn wir keine strittigen
        unkte hätten. Sonst wären Sie als Opposition im
        runde ja vollkommen überflüssig.
        Uneinigkeit besteht vor allem in zwei Punkten: Einer-
        eits in der Verlängerung von Übergangsfristen für wi-
        errufene Pflanzenschutzmittel. Das halte ich aus Grün-
        en der Gefahrenvorbeugung im Sinne des
        orsorgeprinzips für wenig sinnvoll.
        Andererseits steht die Einvernehmensregelung des
        mweltbundesamtes mal wieder in der Diskussion. Hier
        uss ich feststellen, dass trotz einiger Verbesserungen
        atsächlich nicht alles reibungslos läuft. Wir werden die
        usammenarbeit und die Arbeitsabläufe bei der Zulas-
        ung von Pflanzenschutzmitteln weiterhin aufmerksam
        nd kritisch beobachten.
        Ich bin sehr erfreut darüber, dass in den wichtigen
        unkten Einvernehmen besteht, denn in der Sache betten
        ir uns ein in eine Gesamtstrategie, die wir in unserem
        and und in Europa weiter nach vorne treiben. Nur um
        s noch einmal in Erinnerung zu rufen: In Europa wur-
        en im Jahr 2003 knapp 300 000 Tonnen aktive Wirk-
        ubstanz in Pflanzenschutzmitteln abgesetzt, in Deutsch-
        and 29 000 Tonnen. Das sind im Schnitt 1,7 Kilogramm
        irkstoff, die auf jeden Hektar deutscher landwirt-
        chaftlicher Nutzfläche verteilt werden. Wir alle wissen,
        ber welche Substanzen wir sprechen, und daher muss
        ch auch nicht betonen, dass der Umgang mit Substanzen
        ieser Art zu Recht reglementiert sein muss und Forde-
        ungen nach Lockerungen unverantwortlich sind.
        Vielmehr stellen wir nach wie vor fest, dass es immer
        ieder Verstöße gegen geltendes Pflanzenschutzrecht
        ibt, denn sonst dürften wir weder Rückstände im Pro-
        ukt noch in Gewässern oder Saumbiotopen finden. Sie
        lle wissen, diese Analysewerte sind unbestechliche
        eugen, und es ist an uns, diese Missstände auszuräu-
        en.
        Das breit abgestimmte und von der Praxis bereits an-
        enommene Reduktionsprogramm der Bundesregierung
        reift diesen Faden auf und wir müssen ihn in unseren
        ahlkreisen weiterspinnen. Das Prinzip „so viel wie nö-
        ig, so wenig wie möglich“ muss immer wieder an die
        nwenderbasis herangetragen und in den kommenden
        ahren weiterentwickelt werden. Eine künstliche Fron-
        enbildung ist hier vollkommen fehl am Platze, denn es
        eht schließlich um unser aller Umwelt.
        Schlagworte wie „Zwangsökologisierung“ schüren
        berflüssige Ressentiments, und, meine Damen und Her-
        en der Opposition, falls Sie es noch nicht bemerkt ha-
        en: Umweltsünder zu decken und die Schäden, soweit
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15073
        (A) )
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        überhaupt möglich, auf Kosten der Gemeinschaft zu be-
        heben, führt uns nicht weiter.
        Wir setzen darauf, die Ökologisierung der Landwirt-
        schaft in die Horizontale zu bringen.
        Ihre ewige Schwarz-Weiß-Malerei bringt uns da kei-
        nen Zoll weiter. Ob bei Dioxin in Freilandeiern oder in
        der Grünen Gentechnik: Stets packen Sie die Wadenbei-
        ßer aus, die noch nicht gemerkt haben, dass die Zeit sie
        längst überholt hat.
        Minimierung von Schadstoffen ist keine Opferbrin-
        gung der Landwirtschaft mehr, sondern selbstverständ-
        lich und dauerhaft in den Berufsgeist integriert. Der
        überwiegende Großteil der Berufsständler weiß, dass ein
        Raubbau am eigenen Land und Gewässer zum eigenen
        Schaden beiträgt. Alle übrigen müssen mit Fortbildungs-
        programmen und gezielten Wissenstransfers von der
        Forschung in die Praxis noch überzeugt werden. Zur
        Orientierung und zumindest in den Mindeststandards der
        Gleichbehandlung wegen brauchen alle einen klaren ge-
        setzlichen Rahmen. Dieser soll natürlich auch europä-
        isch einheitlich sein. Das ist selbstredend und diese Bau-
        stellen werden stetig beschickt, um der europäischen
        Harmonisierung Schritt für Schritt näher zu kommen.
        Im Pflanzenschutzbereich haben wir mit der europäi-
        schen Vereinheitlichung der Rückstandshöchstmengen
        und der Marktbereinigung bei Wirkstoffen bereits viel
        erreicht. Wir sind auf dem richtigen Weg für die Land-
        wirtschaft, Verbraucher und unsere Umwelt. Begleiten
        Sie uns doch zur Abwechslung ein Stück, statt sich hin-
        ter Wadenbeißern und deren Scheinargumenten zu ver-
        stecken!
        Dr. Peter Jahr (CDU/CSU): Gestatten Sie mir eine
        Vorbemerkung. Ich freue mich immer wieder, wenn der
        Terminus „Pflanzenschutzmittel“ verwendet wird, ge-
        rade weil er den eigentlichen Verwendungszweck besser
        verdeutlicht. In Abwandlung eines bekannten Werbe-
        spruches könnte man sagen: Für den einen ist es Teufels-
        zeug, für den anderen eine wichtige Medizin. Und beides
        ist richtig.
        Denn eines wird in der hektischen Debatte schnell
        vergessen: Pflanzenschutzmittel wurden in erster Linie
        eingesetzt und entwickelt, um Pflanzen zu schützen und
        damit gesunde, reichhaltige Nahrungsmittel zu produzie-
        ren. Gleichzeitig müssen wir unerwünschte Nebenwir-
        kungen bekämpfen, wie zum Beispiel Einträge ins
        Grundwasser und die Problematik von Rückständen im
        Boden bzw. in Nahrungsmitteln. Beide Seiten muss man
        beachten.
        Gerade aus diesen Gründen unterstützt die CDU/
        CSU-Bundestagsfraktion das Pflanzenschutz-Reduk-
        tionsprogramm, weil es vom Ansatz her richtig ist.
        Gleichzeitig weist meine Fraktion aber auch auf mindes-
        tens drei entscheidende Mängel hin. Da wäre erstens das
        Problem der ausufernden Bürokratie, ein Monster, das
        ständig neue Kinder bekommt.
        Zum zweiten sollten Sie, meine Damen und Herren
        von der SPD und von den Grünen, besonders bei diesem
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        rogramm Ihre ideologischen Scheuklappen entfernen.
        flanzenschutz-Reduktionsprogramm, das heißt für
        ich, die Wirkungen und Chancen der Grünen Gentech-
        ik auch hinsichtlich der Reduzierung von Pflanzen-
        chutzmitteln zu erforschen und zu erproben und nicht
        tändig die Verbotskeule zu schwenken. Zum dritten
        ein Appell an die Ministerin Künast und an den Minis-
        er Trittin: Hören Sie endlich auf, die deutschen Land-
        irte zu kriminalisieren und stampfen Sie Ihr Projekt der
        o genannten verdeckten Feldbeobachtung endlich ein!
        uchen Sie wieder die vertrauensvolle Zusammenarbeit
        it den Landwirten, die ausdrücklich dazu bereit sind
        nd das mehrfach angeboten haben!
        Beim Einsatz und der Produktion von Pflanzen-
        chutzmitteln haben wir in Deutschland ein anerkannt
        ohes Niveau. Mit der Vollendung des gemeinsamen
        innenmarktes ist die Harmonisierung der Zulassung
        on Pflanzenschutzmitteln eingeleitet worden. Für die
        flanzenschutzmittel ist dabei konkret festgelegt, dass
        ie Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln auf Gemein-
        chaftsebene geprüft werden, die Zulassung der Pflan-
        enschutzmittel jedoch nach wie vor national erfolgt.
        omit wurde der freie Warenverkehr bei Pflanzenschutz-
        itteln nur eingeschränkt verwirklicht. Allerdings benö-
        igen importierte Pflanzenschutzmittel keine Zulassung,
        enn sie mit einem in diesem Mitgliederstaat zugelasse-
        en Mittel übereinstimmen. Aus dem einschlägigen Ur-
        eil des EuGH geht gleichzeitig hervor, dass ein verein-
        achtes Verfahren zur Feststellung der Übereinstimmung
        ulässig ist.
        Diese Probleme beim Import von Pflanzenschutzmit-
        eln werden vom vorliegenden Gesetzentwurf aufgegrif-
        en. Es werden Lösungsvorschläge formuliert.
        Die in diesem Bereich noch vorhandene Rechts-
        nsicherheit wegen des Fehlens von gesetzlichen
        egelungen muss behoben werden. Ansonsten wird das
        llgemein anerkannte deutsche Spitzenniveau bei der
        ulassung von Pflanzenschutzmitteln wegen der derzeit
        orhandenen Umgehungstatbestände konterkariert.
        Meine Fraktion bestätig ausdrücklich den grundsätzli-
        hen Handlungsbedarf, der mit dem vorliegenden Ge-
        etzentwurf aufgegriffen werden soll. Andererseits sieht
        ie CDU/CSU-Fraktion erheblichen Nachbesserungsbe-
        arf, der im zuständigen Ausschuss noch diskutiert wer-
        en muss. Dazu einige Beispiele.
        Erstens. Bei der Pflicht des Landwirtes, Aufzeichnungen
        ber eingesetzte Pflanzenschutzmittel zu führen – § 6 –
        üssen wir endlich Ordnung in das gesamte System
        ringen. Beispielsweise sollte die Dokumentationsart
        assfähig sein mit den Anforderungen, die sich aus den
        o genannten Cross-Compliance-Regelungen ergeben.
        aneben muss sichergestellt werden, dass sich diese Do-
        umentationspflichten zwingend am europäischen Stan-
        ard orientieren und nicht neue Wettbewerbsnachteile
        ür deutsche Landwirte schaffen.
        Zweitens. In § 7 wird geregelt, dass Pflanzenschutz-
        ittel, deren Anwendung durch Verordnung verboten
        st, nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz zu
        ntsorgen sind. Zu prüfen wäre, ob nicht eine generelle
        15074 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
        (A) )
        (B) )
        Rücknahmepflicht des Herstellers bzw. des Importeurs
        der bessere und sinnvollere Lösungsansatz wäre. Gleich-
        zeitig würden dann so genannte Stoßgeschäfte seitens
        des Herstellers bei Ablauf der Genehmigungsfrist ver-
        mieden.
        Drittens. In letzter Zeit ist die so genannte Einfuhr
        zum Eigenverbrauch durch gewerbliche Vermittler so
        professionalisiert, dass dadurch ein gesetzlich sanktio-
        nierter Umgehungstatbestand geschaffen wird. Durch
        die so genannten Abholfälle können deutsche Anwender
        einen bedeutenden Teil der zum Eigenverbrauch vorge-
        sehenen Pflanzenschutzmittel direkt vom Hersteller be-
        ziehen, ohne dass diese Mittel auf ihre Verkehrsfähigkeit
        überprüft werden müssen. § 16 des Gesetzentwurfes
        sollte in diesem Sinne eindeutiger formuliert werden.
        Viertens. § 16 scheint ohnehin der Gesetzesteil zu
        sein, mit dem wir uns im Ausschuss noch intensiv be-
        schäftigen müssen, und das mit folgenden Fragen: Was
        bedeutet eigentlich chemische Übereinstimmung der
        Beistoffe und des Formulierungstyps? Wie zwingend
        muss diese Übereinstimmung nachgewiesen werden? Ist
        die Formulierung hinsichtlich der Herstelleridentität aus-
        reichend oder wird hier das geistige Eigentum des
        Herstellers gefährdet? Warum wurde, im Gegensatz zu
        deutschen Herstellern, für Importprodukte eine Ausver-
        kaufsfrist bei Widerruf der Zulassung im Gesetzestext
        verankert? Auf welchen Verpackungseinheiten muss die
        sich wie die Kennzeichnungspflicht niederschlagen?
        Welche Geldbußen drohen bei Kennzeichnungsverstö-
        ßen?
        Insgesamt, so meine ich, sollte über die Genehmi-
        gungspraxis in der EU grundsätzlich diskutiert werden.
        Die Vorgaben zur Prüfung der Identität von parallel im-
        portierten Pflanzenschutzmitteln verdeutlicht einmal
        mehr die Notwendigkeit einer europäischen Zulassung,
        nicht nur für Pflanzenschutzwirkstoffe, sondern auch für
        Pflanzenschutzmittel.
        Beim Umgang mit Pflanzenschutzmitteln sollten wir
        stets auch folgendes Zitat des amerikanischen Dichters
        und Philosophen Ralph Waldo Emerson im Sinn haben,
        der uns schon im 19. Jahrhundert in die Stammbücher
        schrieb:
        Unkraut nennt man die Pflanzen, deren Vorzüge
        noch nicht erkannt worden sind.
        In diesem Sinne freue ich mich auf eine konstruktive
        Ausschussberatung.
        Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN): Die Debatte, die wir gestern im Ausschuss zum
        Thema Pflanzenschutzmittel geführt haben, hat mich
        schockiert! Die CDU/CSU hat offenbar die einfachsten
        Grundlagen noch immer nicht verstanden. Sie werfen al-
        les durcheinander, weil Sie bei keiner Vorlage mehr als
        die Überschrift lesen, und wenn sie so weiter machen,
        werden Sie uns in einer vernünftigen Pflanzenschutzpo-
        litik um Jahre zurückwerfen.
        Da erklärte zum Beispiel der Kollege Peter Jahr ges-
        tern allen Ernstes, Pflanzenschutzmittel seien keine
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        ifte. Herr Jahr, ich weiß nicht, ob wir uns hier wirklich
        uf einen Kenntnisstand von vor 30 Jahren zurückverset-
        en sollten. Pestizide, wie die wissenschaftlich korrekte
        ezeichnung für Pflanzenschutzmittel lautet, sind in den
        llermeisten Fällen hochgiftige Substanzen. Wir haben
        eltweit jährlich Tausende Fälle von Pestizidvergiftun-
        en. Sämtliche Fachleute sind sich heute einig, dass Pes-
        izide im Wasser und in der Nahrung nichts zu suchen
        aben, weil sie giftig sind. Wollen Sie das ernsthaft be-
        treiten, Herr Kollege Jahr?
        Absolut indiskutabel sind aber auch die andauernden
        ußerungen vom Kollegen Peter Bleser.
        Wir haben ein „Reduktionsprogramm chemischer
        flanzenschutz“ aufgelegt, das sich sehen lassen kann.
        ieses Programm ist hervorgegangen aus einem vorbild-
        ichen Dialog aller betroffenen Gruppen: Landwirtschaft,
        mweltschutz, Verbraucherschutz, Wissenschaft, Ver-
        altung und Politik. Über 60 Gruppen! Gemeinsam ha-
        en sie die Grundlagen für das Reduktionsprogramm ge-
        egt. Bei diesem Reduktionsprogramm geht es darum, an
        llen Stellschrauben zu drehen, um unter den gegebenen
        edingungen das Bestmögliche zu erreichen. Problem-
        ereiche identifizieren, Prozesse optimieren, Anwen-
        ungsfehler abstellen und die Anwendung von Pestizi-
        en auf das notwendige Mindestmaß reduzieren – darum
        eht es im Reduktionsprogramm. Ich halte dieses Reduk-
        ionsprogramm für einmalig und ich rechne es den Betei-
        igten hoch an, dass sie trotz aller Differenzen am Tisch
        eblieben sind und weiter zusammen am Tisch sitzen.
        Und dann kommen Sie, Herr Kollege Bleser, nach-
        em Sie diese Entwicklung zweieinhalb Jahre lang ver-
        chlafen haben, daher, erklären reflexartig, das Pro-
        ramm sei überflüssig und fordern die Bundesregierung
        uf – so wörtlich –: „Stoppt diesen Unsinn!“ Sie wollen
        as Reduktionsprogramm kaputtmachen, Herr Bleser,
        hne es überhaupt zu kennen! Damit machen Sie aber
        icht, wie Sie vielleicht meinen, ein Projekt der Grünen
        aputt, sondern ein einmaliges gemeinsames Projekt der
        andwirtschaft, der Industrie und des Umweltschutzes
        n Deutschland!
        Ein Wort noch zur so genannten verdeckten Feldbe-
        bachtung. Was die Sache betrifft, so haben wir uns zu
        em Verfahren von Anfang an eindeutig positioniert,
        em ist nichts hinzuzufügen. Es stellt sich allerdings
        chon die Frage, woher wir die notwendigen Daten be-
        ommen sollen, wenn die Länder sie nicht liefern. Denn
        iese Daten werden benötigt und die Länder müssen lie-
        ern. Bisher ist aber offenbar von den Ländern nicht sehr
        iel vorgelegt worden. Ich fordere daher die Opposition
        uf, hier und heute Vorschläge zu machen, woher die
        aten kommen sollen.
        Im Übrigen hoffe ich, dass Herr Bleser nicht öffent-
        ich wiederholen wird, was er im Ausschuss zum Einsatz
        on Jagdhunden gesagt hat, weil man das als Ermunte-
        ung zur körperlichen Gewalt gegenüber Kontrolleuren
        erstehen könnte. Vielmehr erwarte ich, dass er sich von
        iesen Äußerungen klar distanziert. Darüber werden wir
        och zu sprechen haben.
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15075
        (A) )
        (B) )
        Das Zweite Gesetz zur Änderung des Pflanzenschutz-
        gesetzes, das wir heute erstmals beraten und über das wir
        dann im Ausschuss im Detail diskutieren können, ist ein
        weiterer Baustein in unserer Strategie für mehr Sicher-
        heit bei der Anwendung von Pestiziden. Wir regeln da-
        mit unter anderem den Umgang mit parallel importierten
        Pflanzenschutzmitteln und führen eine schlagbezogene
        Aufzeichnungspflicht ein. Beides dient der Verbesserung
        der Sicherheit im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln.
        Die schlagbezogene Aufzeichnungspflicht wird uns
        in Zukunft bessere Auskunft über den Einsatz von Pflan-
        zenschutzmitteln geben.
        Sie von der Opposition haben das Pestizidproblem
        jahrelang liegen lassen. Wir von Rot-Grün versuchen,
        uns mit allen Betroffenen vernünftigen, selbstverant-
        wortlichen Lösungen zu nähern. Das ist moderne rot-
        grüne Agrar- und Verbraucherpolitik, um das Thema
        Pflanzenschutz aus der Schmuddelecke zu holen. Aber
        Sie machen weiterhin nichts als destruktive Bremserpo-
        litik.
        Wenn Politik ein Autorennen wäre, würden Sie von
        der CDU sich nur darauf konzentrieren, den Mitbewer-
        bern die Reifen zu zerstechen, anstatt schneller zu fah-
        ren!
        Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Chemischer
        Pflanzenschutz ist unverzichtbar. In den letzten Jahren
        ist ein sehr hohes Qualitätsniveau erreicht worden: Die
        Beeinträchtigung von Natur und Umwelt durch chemi-
        sche Pflanzenschutzmittel konnte kontinuierlich verrin-
        gert werden, in den Lebensmitteln sind zumeist keinerlei
        Rückstände nachweisbar. Der von der Senatsarbeits-
        gruppe „Qualitative Bewertung von Lebensmitteln aus
        alternativer und konventioneller Produktion“ vorgelegte
        Statusbericht 2003 hebt hervor: „Dass für die Gesund-
        heit des Menschen in erster Linie eine ausgewogene Er-
        nährung wichtig ist, also insgesamt eine geringere Ver-
        zehrsmenge und dabei weniger Fett und Fleisch, jedoch
        viel Gemüse und Obst“. Eine Schweizer Studie stellt
        fest: „Die Annahme, biologische Lebensmittel seien si-
        cherer und gesünder als herkömmlich hergestellte oder
        gentechnisch veränderte, konnte bisher wissenschaftlich
        nicht belegt werden.“ Damit wird deutlich, dass die Ver-
        fahren für die Zulassung chemischer Pflanzenschutzmit-
        tel sehr effektiv sind, die Landwirte sehr verantwortlich
        mit dem Einsatz dieser Mittel umgehen.
        Dennoch macht der Einsatz von Pflanzenschutzmit-
        teln Schlagzeilen, weil Verbände ihn zu problematisieren
        versuchen, ohne dafür sachlich nachvollziehbare
        Begründungen zu haben. Die Bundesregierung hat ein
        Pflanzenschutz-Minimierungsprogramm im Konsens
        mit allen beteiligten Verbänden auf den Weg gebracht.
        Dies ist auch aus Sicht der FDP eine gute Grundlage und
        der richtige Weg. Klar muss aber sein, dass nicht nach-
        träglich auf Druck von einzelnen Verbänden dieses Mit-
        einander zerstört wird. Extrempositionen wie die Fest-
        schreibung von Steuern auf Pflanzenschutzmittel oder
        das Festschreiben von Mengenzielen würden diesen ge-
        meinsamen Weg beenden. Ein entscheidendes Defizit
        des Reduktionsprogramms ist in jedem Fall, dass auf-
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        rund von ideologischen Blockaden die Chancen der
        rünen Gentechnik nicht zum Einsatz kommen, um alle
        öglichkeiten zur Verringerung der Anwendung von
        flanzenschutzmitteln zu nutzen.
        Das vom Umweltministerium betriebene Projekt der
        auernspione lehnt die FDP dagegen ab. Mit einem sol-
        hen Konfrontationskurs wird nichts für den Umwelt-
        nd Verbraucherschutz gewonnen, aber jede Menge Por-
        ellan zerschlagen. Insgesamt ist die Politik der Bundes-
        egierung scheinheilig. Auf der einen Seite fordert sie
        on den Betrieben, dass sie um Vertrauen der Verbrau-
        herinnen und Verbraucher werben sollen, und auf der
        nderen Seite trägt sie selbst dazu bei, das Vertrauen der
        erbraucherinnen und Verbraucher in die landwirtschaft-
        iche Produktion zu zerstören.
        Der vorliegende Gesetzentwurf muss an mehreren
        tellen nachgebessert werden.
        Der Gesetzentwurf macht einmal mehr deutlich, wie
        ringend eine europäische Zulassung nicht nur der
        flanzenwirkstoffe, sondern auch der Pflanzenschutz-
        ittel ist. Gäbe es diese, könnten wir uns verschiedene
        eitere komplizierte gesetzliche Regelwerke ersparen,
        ürden wir die Wettbewerbsbedingungen für unsere Be-
        iebe verbessern. Beim Import von Pflanzenschutzmit-
        ln muss sichergestellt sein, dass auch importierte
        flanzenschutzmittel die hohen Qualitätsanforderungen
        Deutschland erfüllen. Dafür ist ein Identitätsprüfver-
        ahren erforderlich, aber auch der Nachweis der Formu-
        erungsidentität. Da auch die Schutzgüter Natur und
        mwelt betroffen sind, darf es keine Sonderregelungen
        ür den Eigenverbrauch geben. Es ist bemerkenswert
        nd nicht begründbar, dass die Bundesregierung auf die
        ndrohung eines Bußgeldes verzichtet hat.
        Unbefriedigend gelöst ist ebenfalls die Entsorgung
        on Pflanzenschutzmitteln, für die ein Anwendungsver-
        ot besteht.
        Die im Gesetzentwurf geforderten vermehrten Doku-
        entationspflichten lehnt die FDP ab. Das sich in dieser
        orderung ausdrückende Misstrauen gegen Land- und
        orstwirte, gegen Gärtner und Winzer ist unbegründet.
        ir können im Gegenteil feststellen, dass entsprechend
        em Wasserwirtschaftsbericht der Bundesregierung im
        rundwasser nur noch punktuell Pflanzenschutzmittel
        efunden werden und in der Tendenz rückläufig sind.
        Dr. Gerald Thalheim (SPD): Die Bundesregierung
        egt heute das Zweite Gesetz zur Änderung des Pflan-
        enschutzgesetzes vor.
        Schwerpunkt des Gesetzes ist eine Regelung zum
        mgang mit parallel importierten Pflanzenschutzmit-
        eln, das heißt solchen Mitteln, die mit einem in
        eutschland zugelassenen Mittel übereinstimmen, ohne
        ier über eine eigene Zulassung zu verfügen.
        Bis jetzt enthält das deutsche Pflanzenschutzgesetz
        eine entsprechende Regelung, vielmehr stützt sich das
        eutsche Verfahren auf die Rechtsprechung der Ge-
        ichte. Danach waren Parallelimporte ohne vorherige
        rüfung frei verkehrsfähig. Dies erschwerte die Kontrol-
        en und führte in der Praxis zur Rechtsunsicherheit.
        15076 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
        (A) )
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        Allerdings sind Parallelimporte entsprechend dem
        Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit innerhalb der EU
        und der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich zuläs-
        sig.
        Die neue Regelung sieht nun vor, dass der Importeur
        vor dem In-Verkehr-Bringen seines Produktes einen An-
        trag beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Le-
        bensmittelsicherheit auf Feststellung der Verkehrsfähig-
        keit seines Produktes stellen muss.
        Bestätigt das Bundesamt aufgrund der vorgelegten
        Unterlagen und gegebenenfalls eigener Untersuchungen
        die Verkehrsfähigkeit, kann das Produkt vermarktet wer-
        den. Auf diese Weise wird einerseits Markttransparenz
        hergestellt und die Kontrollierbarkeit verbessert, ande-
        rerseits aber auch der Grundsatz der Warenverkehrsfrei-
        heit innerhalb der Europäischen Union beachtet.
        Des Weiteren wird jetzt die Aufzeichnungspflicht bei
        der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in einem Be-
        trieb der Landwirtschaft, des Gartenbaus und der Forst-
        wirtschaft – die bisher schon in den Grundsätzen der gu-
        ten fachlichen Praxis vorgesehen war – im Gesetzestext
        selbst verankert. Damit wird ein Beitrag geleistet zur
        sachgerechten Anwendung von Pflanzenschutzmitteln,
        die Kontrollmöglichkeiten durch die zuständigen Behör-
        den werden verbessert.
        Vorgesehen ist außerdem eine Entsorgungspflicht für
        Pflanzenschutzmittel, deren Anwendung durch die
        Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverordnung vollstän-
        dig verboten wurde. Durch solche Mittel können Schä-
        den entstehen, insbesondere wenn sie längere Zeit
        unsachgemäß gelagert werden. Dem soll mit der Veran-
        kerung der Entsorgungspflicht vorgebeugt werden.
        Als weitere Änderung ist die Regelung so genannter
        Vertriebsvereinbarungen vorgesehen. Das sind Verträge
        zwischen dem Zulassungsinhaber eines Pflanzenschutz-
        mittels und einem Lizenznehmer. Hier hatte es in der
        Praxis Unklarheiten über die richtige Kennzeichnung
        dieser Produkte und die Information der Zulassungsbe-
        hörde gegeben, die nun gesetzlich geregelt werden.
        Außerdem wird der § 37 in Anpassung an das EU-
        Recht erweitert. Dieser Paragraph legt einerseits fest, für
        welche Handlungen das Bundesamt für Verbraucher-
        schutz und Lebensmittelsicherheit Gebühren erhebt. An-
        dererseits ist er die Ermächtigungsgrundlage für eine
        Verordnung über den Umgang mit so genannten Nutzun-
        gen, die im integrierten Pflanzenschutz eine wichtige
        Rolle spielen.
        Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu dem Gesetzent-
        wurf.
        Anlage 10
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Dreizehnten
        Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgeset-
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        Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): „Was lange währt“,
        o beginnt ein nicht nur in der Politik geläufiges Sprich-
        ort. Nicht jeder langwierige Prozess endet zwangsläu-
        ig mit einem guten Ergebnis. Ich denke jedoch, dass wir
        eute in erster Lesung über einen Entwurf beraten, der
        u einem sehr guten Teil den Erfordernissen der Land-
        irtschaft, der Tierärzte und nicht zuletzt des Verbrau-
        herschutzes gerecht wird.
        Lassen Sie mich kurz zurückblicken auf einen langen
        nd nicht immer einfachen Diskussionsprozess: Von
        einem ersten Tag im Parlament an, also seit mittler-
        eile fast zweieinhalb Jahren, habe ich mich dafür ein-
        esetzt, dass die gesetzlichen Bestimmungen über den
        erkehr mit Tierarzneimitteln praxisorientiert überarbei-
        et werden. Nach anfänglichen sehr ermutigenden Dis-
        ussionen kam die ganze Angelegenheit ins Stocken.
        och jetzt sieht es wieder danach aus, dass wir schließ-
        ich doch noch zu einem guten und tragfähigen Ergebnis
        ommen.
        Als einer von nur zwei praktizierenden Tierärzten in
        iesem Hause kenne ich aus eigener Erfahrung – als un-
        ittelbar Rechtsunterworfener – die Schwächen des gel-
        enden Rechts. Diese wurden in der bisherigen Diskus-
        ion lang und breit erörtert. Daher will ich nur die
        tichworte „Rechtsunsicherheit bei den Fristen“ und
        Umwidmungskaskade“ herausgreifen. Auslegungsfra-
        en bei der Sieben-Tage-Frist wurden angemessen klar-
        estellt, die Umwidmungsregelungen wurden an EU-
        echt angepasst. Als Praktiker begrüße ich besonders
        ie Aufhebung des unsinnigen Umpackverbots wie auch
        ie Erleichterung des Bezugs von Medikamenten aus
        em Ausland und die neu geschaffene Möglichkeit, eine
        ierärztliche Hausapotheke an den Nachfolger oder die
        achfolgerin zu übergeben. Auch glaube ich, dass die
        erbesserung der Überwachung von Fütterungsarznei-
        itteln dringend notwendig war.
        Wir sind also auf etlichen Problemfeldern zu vernünf-
        igen und praktikablen Lösungen gekommen. Wenn ich
        wir“ sage, dann meine ich ausdrücklich alle am bisheri-
        en Gesetzgebungsprozess Beteiligten: Bundesregie-
        ung, Bundesrat und wir Fachpolitiker aller Fraktionen.
        enn man dieser Tage so viele Klagen über Blockaden
        n der Politik hört, so kann die Debatte über die 13. No-
        elle des Arzneimittelgesetzes als gutes Gegenbeispiel
        ienen: Die Bundesregierung hat einen guten Entwurf
        orgelegt, von Seiten des Bundesrates kam eine sach-
        undige und zielführende Stellungnahme. Die darin ent-
        altenen Vorschläge und Ergänzungswünsche stießen
        um allergrößten Teil auf Anerkennung, und jetzt ist erst
        inmal der Bundestag an der Reihe, um dem Gesetz den
        etzten Schliff zu geben. Es ist gut, dass beide Seiten,
        undesregierung und Länder, sehr weit aufeinander zu-
        egangen sind. Dafür möchte ich schon jetzt von Herzen
        anken. Ich kann nicht verhehlen, dass ich mich etwas
        arüber gewundert habe, wie schnell man seitens des
        undesrates davon abgerückt ist, die Sieben-Tage-Frist
        ür die systemisch wirkenden Antibiotika komplett strei-
        hen zu wollen, aber ich begrüße diesen Sinneswandel
        usdrücklich.
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15077
        (A) )
        (B) )
        Es wäre freilich verfrüht, zu vermelden, dass alle Pro-
        bleme gelöst, alle offenen Fragen geklärt sind. Zunächst
        einmal sei hier von der noch zu errichtenden Sachver-
        ständigenkommission zu sprechen, die Leitlinien für die
        Anwendung von Antibiotika entwickeln und diese per-
        manent nach dem neuesten Stand der tiermedizinischen
        Wissenschaft weiterentwickeln soll. Dieser Ansatz ist im
        Prinzip zweifelsohne zu begrüßen – dynamische Leitli-
        nien sind in meinen Augen ein guter Ersatz für statische,
        nur in langwierigen Verfahren veränderbare Indikatio-
        nenlisten. Wir alle kennen den Verordnungsweg. Zwi-
        schen Erkenntnis und Verordnung könnten etliche Tiere,
        die man ohne weiteres hätte behandeln können, ein trau-
        riges Ende gefunden haben.
        Wie dieses Gremium mit dem sperrigen Namen
        Tierarzneimittelanwendungskommission am Ende aus-
        sehen wird, wie sich seine praktische Arbeit darstellen
        wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Dem entspre-
        chenden Verordnungsentwurf, der meiner Meinung nach
        vor der zweiten und dritten Lesung vorliegen muss, sehe
        ich mit großer Spannung entgegen. Ich gehe davon aus,
        dass die Seite der Praktiker bei der Zusammensetzung
        angemessen berücksichtigt wird. Die bisher veran-
        schlagten Haushaltsmittel von 7 000 Euro halte ich je-
        doch – bei aller Ausgabendisziplin – für sehr knapp be-
        messen.
        Ein Thema, das in der Diskussion lange Zeit eine
        große Rolle spielte, ist die Frage der Definition der tier-
        ärztlichen Bestandsbetreuung. Diese findet sich im vor-
        liegenden Entwurf ebenso wenig wieder wie in der Stel-
        lungnahme des Bundesrates, und das aus gutem Grund.
        Meiner Meinung nach kann das Arzneimittelgesetz diese
        Frage auch gar nicht regeln. Eine gesetzliche Regelung
        ist jedoch immer noch dringend und zwingend erforder-
        lich.
        Nach wie vor unbefriedigend ist, dass es an einer Un-
        terscheidung zwischen Lebensmittel liefernden Tieren
        und reinen Gesellschafts- und Sporttieren mangelt. Eine
        klare Abgrenzung nach Gattungen ist nicht möglich. Ich
        verweise nur auf Kaninchen und Pferde. Für letztere gibt
        es in Deutschland den Equidenpass, der jedoch jenseits
        unserer Grenzen – bei der Schlachtung in Frankreich
        oder Belgien – keinerlei Bedeutung hat. Hier ist die Bun-
        desregierung aufgefordert, sich auf Europäischer Ebene
        im Sinne des internationalen Verbraucherschutzes für
        eine Kennzeichnungsverordnung einzusetzen.
        Ein guter Teil des langen Weges hin zu praxistaugli-
        chen nationalen gesetzlichen Bestimmungen über den
        Verkehr mit Tierarzneimitteln liegt hinter uns, über das
        weitere Vorgehen wird im Ausschuss zu beraten sein. Ich
        persönlich stehe dem Gedanken einer Länderanhörung
        aufgeschlossen gegenüber, um den bisher so gedeihli-
        chen und konstruktiven Dialog bis zum Schluss auf-
        rechtzuerhalten. In jedem Falle bin ich sicher, dass wir
        schon bald dem eingangs gesagten „was lange währt“
        seinen wohlverdienten Schlussteil anfügen.
        Peter Bleser (CDU/CSU): Der jetzt vorgelegte Ge-
        setzentwurf ist wenigstens ein kleiner Fortschritt im
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        inne des Tier- und Verbraucherschutzes. Damit hat die
        undesregierung ihre Fehlleistung beim jetzt geltenden
        rzneimittelgesetz von 2002 zumindest in einigen Punk-
        en eingestanden. Nur der Druck der Tierärzteschaft, der
        andwirtschaft vertreten durch den Bauernverband, aber
        or allem der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat Bewe-
        ung in diese, an der Praxis vorbei gehenden Regelun-
        en gebracht.
        Es gehört aber auch zu den angenehmen Erfahrungen
        n diesem Parlament, dass sich die zuständigen Bericht-
        rstatter aller Fraktionen übereinstimmend für eine Re-
        orm das Arzneimittelgesetzes ausgesprochen haben.
        eider ist die Dokumentation dieses einstimmigen Än-
        erungswunsches in Form eines Briefes an die Bundes-
        egierung auf Druck derselben auf die Berichterstatter
        on Rot-Grün nicht zustande gekommen. Der Entwurf
        es Briefes, in dem die Änderungswünsche aufgeführt
        aren, war aber bei allen Beteiligten unstrittig.
        Teile dieser Wünsche sind in dem neuen Gesetzent-
        urf dankenswerter Weise umgesetzt worden. Hierzu
        ählen: die Möglichkeit, im Therapienotstand auch für
        ebensmittel liefernde Tiere Arzneimittel in öffentlichen
        potheken herstellen zu lassen; die Aufhebung des Ab-
        abeverbots für umgewidmete Arzneimittel; die Um-
        andlung der Genehmigungs- in eine Anzeigepflicht bei
        er Einfuhr von Arzneimitteln; die leichte Flexibilisie-
        ung von nicht antimikrobiell wirksamen Stoffen auf bis
        u 31 Tage.
        Den Kern der Kritik an der bestehenden Gesetzeslage
        reift jedoch auch der jetzt vorliegende Gesetzentwurf
        icht auf. Frau Künast hat die Aufbewahrungsfrist von
        ntibiotisch wirkenden Arzneimitteln zum Dogma er-
        lärt. Damit ignoriert sie hartnäckig die Praxiserfahrun-
        en sowohl der Tierärzte, als auch der landwirtschaftli-
        hen Betriebe. Zwar erkennt sie in ihrem Gesetzentwurf
        n dem Bereich Handlungsbedarf an – sie hat deshalb die
        bgabefrist auf bis zu 31Tage ausgedehnt –, diese soll
        edoch nur unter den Leitlinien die durch eine Tierarznei-
        ittelanwendungskommission definiert werden sollen,
        öglich werden. Kurz: Sie misstraut der tierärztlichen
        achkompetenz und verhindert damit, dass die neuesten
        issenschaftlich-technischen Erkenntnisse schnell in der
        raxis eingeführt werden können.
        Hauptkritikpunkt unsererseits ist jedoch, dass mit die-
        er Fristenregelung der Medikamenteneinsatz keines-
        egs verringert wird, sondern im Gegenteil das wirt-
        chaftliche Interesse zur Abgabe von Medikamenten
        urch Tierärzte eher dominiert.
        In den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass es
        m Interesse der Verbesserung der Tiergesundheit, ge-
        ade in landwirtschaftlichen Tierbeständen, sinnvoller
        st, stärker die Beratungsleistung von Tierärzten zur Ver-
        esserung der Bestandsgesundheit zu nutzen. Somit
        ient die Bindung von Medikamentenabgaben an land-
        irtschaftliche Betriebe unter der Voraussetzung der
        ufstellung eines Behandlungsplanes oder dem Ab-
        chluss einer Betreuungsvereinbarung, gleich mehreren
        ewünschten, politische Zielsetzungen:
        15078 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
        (A) )
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        Erstens. Eine zeitnahe und damit für das Tier
        schmerzmindernde Behandlung ist unter diesen Bedin-
        gungen auch in kleinen Betrieben zeitnah möglich.
        Zweitens. Durch den Abschluss einer Betreuungsver-
        einbarung oder die Erstellung eines Behandlungsplanes
        ist der Tierarzt bei der Abgabe von Medikamenten und
        deren Verwendung mit verantwortlich.
        Drittens. Die jetzt schon in landwirtschaftlichen Be-
        trieben sinnvolle und notwendige Dokumentation so-
        wohl des Bezuges als auch des Einsatzes von Medika-
        menten gewinnt erheblich an Glaubwürdigkeit.
        Viertens. Die Nachteile insbesondere der Landwirt-
        schaft in den westlichen Bundesländern, wo der Tierarzt-
        besuch in der Regel nicht im Sieben-Tage-Rhythmus
        stattfindet, würden gegenüber der großstrukturierten
        Landwirtschaft in den neuen Bundesländern, wo in vie-
        len Fällen ein eigener Tierarzt beschäftigt wird, ausge-
        glichen.
        Aus dem letzten Grund appelliere ich gerade an die
        neuen Bundesländer, auch an die CDU-geführten, sich in
        dieser Frage mit den Bundesländern mit einer kleiner
        strukturierten Landwirtschaft solidarisch zu erklären.
        Darüber hinaus kündigen wir Ihnen schon jetzt an, dass
        wir zum Arzneimittelgesetz eine weitere öffentliche An-
        hörung beantragen werden. Wir geben die Hoffnung
        nicht auf, dass Sie sich der Meinung der Fachleute nicht
        länger verschließen können. Ich appelliere an die Bun-
        desregierung und die sie tragende Koalition, den Argu-
        menten des Verbraucher- und Tierschutzes, des Bauern-
        verbandes und der Tierärzte zu folgen, und bei den jetzt
        anstehenden Ausschussberatungen auch dem letzten
        noch strittigen Punkt, nämlich der Abschaffung der Sie-
        ben-Tage-Regelung, zu entsprechen.
        Nur wenn dieses Ziel erreicht ist, werden CDU und
        CSU diesem Gesetz die Zustimmung geben können.
        Julia Klöckner (CDU): Wir befassen uns heute zum
        vierten Mal in diesem Plenum mit der Novelle des Tier-
        arzneimittelrechtes. Intensive Beratungen sind im Zu-
        sammenhang mit dieser wichtigen Materie auch tun-
        lichst angeraten; denn ich kann mich der Annahme nicht
        verwehren, dass der eine oder andere Beteiligte den
        Sachzusammenhang noch nicht ganz verstanden hat. Zu-
        gegeben, die infrage stehenden Normen sind durchaus
        komplex und bewegen sich auf der Schnittstelle zwi-
        schen veterinärmedizinischem Sachverstand, juristischer
        Finesse und ganz handfester Praxisarbeit im landwirt-
        schaftlichen Alltag. Lassen Sie mich deshalb noch ein-
        mal auf die Notwendigkeit eingehen, das geltende Tier-
        arzneimittelgesetz zu überarbeiten. Bislang nämlich sind
        wir im Sinne der Tierärzte, der Tierhalter, der Verbrau-
        cher und der Tiere selbst noch keinen wirklich großen
        Schritt weitergekommen.
        Nach langem Zögern hat es die Bundesregierung mitt-
        lerweile endlich geschafft, einen Gesetzentwurf vorzule-
        gen. Zu diesem Etappenerfolg darf ich die Bundesregie-
        rung erst einmal recht herzlich beglückwünschen. Leider
        ist ihr Entwurf eher das Ergebnis zögerlicher Flickschus-
        terei.
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        Wir haben in der CDU/CSU-Fraktion schon vor zwei
        ahren die Erarbeitung einer sachgerechten und prakti-
        ablen Lösung im Sinne des Verbraucher- und Tierschut-
        es angemahnt. Leider hat es sehr lange gedauert, bis die
        egierung tätig wurde. Als wir uns im Plenum bei der
        ergangenen Debatte mit diesem Thema befasst haben,
        abe ich bereits eine schlimme Vorahnung geäußert:
        bgesehen von redaktionellen Änderungen würde der
        egierungsentwurf wohl eher an den Symptomen herum-
        oktern, als eine tatsächliche und umfassende Novellie-
        ung des Tierarzneimittelrechtes anzupacken.
        Fest steht: Die vorrangigen Ziele, denen wir uns auch
        eute noch verpflichtet sehen – ein verbesserter Verbrau-
        her- und Tierschutz –, sind mit dem Tierarzneimittelge-
        etz in seiner jetzigen Form nicht wirklich zu erreichen.
        ie Folgen: Rechtsunsicherheit, kaum zumutbare Mehr-
        elastungen für Tierärzte und -halter und allem voran
        angelnder Tierschutz. Also muss das Gesetz verändert
        erden, und zwar richtig und umfassend.
        Nun werfen wir einen Blick in den aktuellen Regie-
        ungsentwurf und müssen mit Erstaunen feststellen: Das,
        orüber wir die ganze Zeit geredet haben, der einzige
        irkliche Knackpunkt und Auslöser der ganzen Novel-
        ierungsdebatte, nämlich die Sieben-Tage-Regelung, ist
        einahe unverändert übernommen worden. Ist es das,
        as Sie unter einer Novellierung verstehen?
        Die Sieben-Tage-Regelung stellt aber das zentrale
        roblem der bestehenden Rechtslage dar. Welche Krank-
        eit hält sich an eine willkürliche Vorgabe von
        ieben Tagen? Bei der Abgabe eines Arzneimittels für
        ehr als sieben Tage verstößt der Tierarzt derzeit gegen
        eltendes Recht. Um dies zu verhindern, müsste der
        ierarzt jedem kranken Tier einen persönlichen Kran-
        enbesuch abstatten und eine Diagnose mit Behand-
        ungsanweisung aussprechen, bevor der Tierhalter die
        ötige Behandlung durchführen darf.
        Ich betone nochmals ausdrücklich: Es geht nicht um
        ine ersatzlose Streichung der Sieben-Tage-Regelung,
        ondern um ein praxisnahes alternatives Modell: Fle-
        ible tierärztliche Behandlungspläne oder die Aufnahme
        on Behandlungsplänen sind beispielsweise geeignete
        nstrumente. Eine reine Veränderung der zeitlichen An-
        orderungen wäre sicherlich nicht akzeptabel, da eine
        tarre Frist, von welcher Länge auch immer, der Vielfalt
        er Tiererkrankungen und deren Verläufen nicht gerecht
        erden kann. Ich darf in diesem Zusammenhang an
        nseren Antrag erinnern. Dieser steht für ein Tierarznei-
        ittelgesetz, das mehr Verbraucherschutz bringt, ohne
        ierquälerei zu verursachen und ohne Landwirten und
        ierärzten ein bürokratisches Überwachungsmonstrum
        ufzuhalsen, und das die Beteiligten aus der rechtlichen
        rauzone herausholt.
        Da wir gerade von bürokratischen Ungetümen spre-
        hen. Eine der wesentlichen Leistungen des jetzt vorge-
        egten Regierungsentwurfes ist die geplante Schaffung
        iner Tierarzneimittelanwendungskommission. Ganz
        ach Belieben der Regierung zusammengesetzt und
        hne Beteiligung der Länder – ein Meisterstück dreister
        ompetenzverschiebung. Denn die Kommission wird
        urch Rechtsverordnung ohne Beteiligung des Bundes-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15079
        (A) )
        (B) )
        rates eingesetzt. Da hilft es wenig, dass bei der Arbeit
        der Kommission der Bundesrat dann doch wieder ins
        Boot soll. Ziel der Kommission kann nur die Fortschrei-
        bung der Antibiotikaleitlinien sein. Dazu ist dieses Gre-
        mium aber nicht das geeignete Instrument. Schon gar
        nicht, wenn es mit den von der Bundesregierung vorge-
        sehenen Finanzmitteln ausgestattet ist. Von 7 000 Euro
        lässt sich die Arbeit von Experten jedenfalls nicht bezah-
        len. Ich bin mir ganz sicher, dass die Ministerialbeamten
        da nicht anders denken. Man muss sich vergegenwärti-
        gen, dass die Kommission etliche Mitglieder haben wird,
        die zu den regelmäßigen Sitzungen reisen müssten. Der
        von der Bundesregierung vorgesehene Betrag würde
        nicht einmal annähernd die Reisekosten decken, ge-
        schweige denn eine sachgerechte inhaltliche Arbeit von
        hoch dotierten Experten ermöglichen.
        Doch ich will mich nicht in Kritik allein versteigen,
        schließlich geht es uns um die Sache. Lassen Sie uns mit
        vereinten Kräften nach Gemeinsamkeiten und wirklich
        praktikablen Lösungsansätzen suchen. Lob verdient der
        von uns seit Anbeginn und im CDU/CSU-Antrag aus-
        drücklich formulierte Vorstoß, den Tierärzten das Um-
        füllen von Arzneimitteln aus fertigen Gebinden und
        fachgerechte Neuverpacken zu ermöglichen, um eine be-
        darfsgerechte Abgabe von Tierarzneimitteln zu gewähr-
        leisten. Es kann nicht sein, dass riesige angebrochene
        Packungen zu einem ökonomischen und ökologischen
        Problem der Tierhalter werden. Positiv anzumerken ist
        auch der zu Beginn noch in den Verhandlungen immer
        wieder propagierte Vorschlag einer Indikationenliste.
        Dass die Regierung auch hier auf eine der vielen For-
        derungen von unserer Seite eingegangen ist, verdient
        Anerkennung. Auch die Anpassung der Umwidmungs-
        kaskade an europäisches Recht und die Abschaffung des
        Abgabeverbotes für umgewidmete Arzneimittel halten
        wir für den richtigen Weg.
        Derart konstruktive Vorschläge gilt es aufzugreifen
        und in einen neuen Gesetzentwurf einzuarbeiten. Die
        Beteiligten, allen voran die Tierärzte und Landwirte, ste-
        hen für die Umgestaltung nach wie vor zur Verfügung.
        Daher regen wir – gemeinsam mit unseren Oppositions-
        kollegen von der FDP – an, die Novelle im Rahmen ei-
        ner Expertenanhörung im Ausschuss noch einmal der
        Beratung der tatsächlich Betroffenen zuzuführen. Ich bin
        zuversichtlich, dass meine Kollegen im Ausschuss eine
        erneute Anhörung der Verbände fraktionsübergreifend
        mittragen werden.
        Das Thema ist einfach zu wichtig, um es parteipoliti-
        schem Kalkül zu opfern. Dankenswerterweise hatte sich
        ein gemeinsamer Wille ja unter den Kollegen im Aus-
        schuss bereits im vergangenen Jahr gezeigt, als sich die
        Berichterstatter aller Fraktionen auf ein gemeinsames
        Schreiben an Ministerin Künast geeinigt hatten und um
        Hilfe bei der Formulierung eines fraktionsübergreifen-
        den Gesetzesantrages aus der Mitte des Parlaments ba-
        ten. Dass dies von Ministerin Künast damals nicht ge-
        wollt war und den Grünen die Mitarbeit untersagt wurde,
        ist hinlänglich bekannt. Lassen Sie uns nun gemeinsam
        diese Chance wieder aufgreifen und auf eine wirklich
        sachgerechte und praktikable Lösung im Sinne des Ver-
        braucher- und Tierschutzes hinarbeiten. Der jetzt vorge-
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        egte Gesetzentwurf ist so noch nicht tragbar und wird
        en Problemen in der Praxis nicht umfassend gerecht.
        och haben wir Gelegenheit, eine wirkliche Novelle auf
        en Weg zu bringen, die uns in der Anwendungspraxis
        eiterbringt und einen gesteigerten Verbraucherschutz
        nd Tierschutz garantiert.
        Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        EN): Worum geht es bei dieser 13. Novelle des Arznei-
        ittelgesetzes, die wir heute beraten? Mit dem im Jahr
        002 in Kraft getretenen 11. Gesetz zur Änderung des
        rzneimittelgesetzes wurden neue Regeln für den Um-
        ang mit Tierarzneimitteln aufgestellt. Ziel war es, im
        inne des Gesundheits- und Verbraucherschutzes den
        insatz von Tierarzneimittein auf ein therapeutisch not-
        endiges Mindestmaß zu reduzieren und dadurch die
        usbreitung von Antibiotikaresistenzen zu vermeiden,
        ie Qualität von Tierarzneimitteln zu verbessern und die
        icherheit im Tierarzneimittelverkehr zu erhöhen. Erfah-
        ungen mit der Anwendung und dem Vollzug der Vor-
        chriften dieses Gesetzes haben inzwischen gezeigt, dass
        ei einigen Regelungen offenbar Anpassungsbedarf im
        inblick auf die Anwendbarkeit in der Praxis besteht.
        ir haben uns im Verbraucherausschuss frühzeitig die-
        er Probleme angenommen und ich glaube für uns alle
        agen zu können, dass wir einen langen und intensiven
        iskussionsprozess hinter uns haben.
        Wir sind auf die Kritik des Bundesrates und der Tier-
        rzte eingegangen, wir haben Anhörungen durchgeführt,
        ir haben eine interfraktionelle Arbeitsgruppe einge-
        ichtet. Wir mussten allerdings auch feststellen, dass sich
        ie Tierärzteschaft als besonders betroffene gesellschaft-
        iche Gruppe offenbar in der Bewertung des Gesetzes al-
        es andere als einig ist. Und auch der Bundesrat vertritt
        eute eine etwas andere Meinung als vor einem Jahr. Wir
        egrüßen das. Insbesondere die ursprünglich von vielen
        eiten als praxisfremd kritisierte Sieben-Tage-Regelung
        at sich offenbar inzwischen als wesentlich unproblema-
        ischer erwiesen, als zunächst behauptet. So schreibt der
        undesrat in seiner Stellungnahme zum vorliegenden
        esetzentwurf: „Bei der Umsetzung der Sieben-Tage-
        egelung für Antibiotika wurden keine konkret nach-
        eisbaren Probleme in der tierärztlichen Praxis festge-
        tellt …“
        Ich denke, dass damit die dickste Kuh vom Eis ist und
        ir zu einer zügigen Verabschiedung der 13. AMG-No-
        elle kommen können. Wir haben ansonsten eine Reihe
        on Änderungen vorgenommen, die der Praxis Erleich-
        rungen bringen, etwa bei der Abgabe von Teilmengen,
        er Anpassung der so genannten Umwidmungskaskade
        n die EU-Richtlinie 2004/28/EG oder der Aufhebung
        es Abgabeverbotes umgewidmeter Arzneimittel.
        Was die zu bildende Sachverständigenkommission
        ngeht, so brauchen wir uns an dieser Stelle über deren
        usammensetzung den Kopf nicht zu zerbrechen, da
        iese ohnehin erst durch eine nachfolgende Rechtsver-
        rdnung festgesetzt werden wird.
        Ich denke, die lange und schwierige Diskussion, die
        ir um diese 13. AMG-Novelle geführt haben, sollte uns
        llen eine Warnung sein, die jetzt gefundene weitge-
        ende Einigkeit mit den Ländern nicht wieder infrage zu
        15080 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
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        stellen. Ich glaube, wir haben jetzt den Punkt erreicht,
        wo wir sagen sollten: Jetzt machen wir den Sack zu! Die
        Praxis braucht vor allem eines: Rechtssicherheit. Daher:
        Die praxisuntauglichste aller Regelungen ist die, die
        nicht beschlossen wird!
        Hans-Michael Goldmann (FDP): Der Entwurf ei-
        nes 13. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
        weist sicherlich eine ganze Reihe von Verbesserungen
        auf. Nach wie vor ist er aber geprägt von Misstrauen ge-
        genüber den gute fachliche Praxis anwendenden Tierärz-
        ten und auch den Bauern.
        Die 13. AMG-Novelle legt denn Fachmann, dem
        Tierarzt, nach wie vor unnötige Fesseln an, wenn es da-
        rum geht, Krankheiten zu vermeiden oder die Gesund-
        heit eines Tieres wiederherzustellen. Die 13. Änderung
        des Arzneimittelgesetzes hat viel zu wenig den Grundge-
        danken verinnerlicht, dass die stärkste Triebfeder für je-
        den Tierarzt die Gesunderhaltung und Wiederherstellung
        der Gesundheit der Tiere ist. Dieser Grundsatz gilt beim
        Erlernen und der fachgerechten Ausübung des Berufes.
        Diese grundsätzliche Kritik wird auch nicht durch
        eine Reihe von verbessernden Neuregelungen korrigiert,
        die in der 13. AMG-Novelle zum Tragen kommen: Weg-
        fall der Indikationsliste, Erleichterung der Abgabe von
        Teilmengen, sofern eine Qualitätsminderung nicht zu be-
        fürchten ist, Anpassung der Umwidmungskaskade an
        europäisches Gesetz – obwohl auch hier noch weitere
        Schritte hätten gegangen werden können –, Abschaffung
        des Abgabeverbotes für geöffnete Arzneimittel.
        Aus Sicht der FDP sind zwei Punkte dringend ände-
        rungsbedürftig. Erstens die Sieben-Tage-Regelung: Hier
        wurden durch die Begrenzung der Sieben-Tage-Frist auf
        die Abgabe von Antibiotika und der Klarstellung, dass
        eine persönliche Untersuchung der Tiere durch den Tier-
        arzt im Falle einer Weiterbehandlung nicht immer not-
        wendig ist, zwar Fortschritte erzielt. Die FDP hält aber
        die vom Bundesverband praktizierender Tierärzte vorge-
        schlagene Regelung zur Bindung der verlängerten Ab-
        gabe von Antibiotika an die Erstellung eines Behand-
        lungsplanes nach wie vor für sachgerechter. Ein solcher
        Behandlungsplan könnte durch Einbindung der Tierärzte
        und Landwirte sowie durch eine fachliche Überwachung
        einen erheblichen Beitrag zur Transparenz des Tierarz-
        neimittelverkehrs leisten.
        Zweitens die Tierarzneimittelanwendungskommis-
        sion: Die FDP schlägt vor, aus fachlicher Sicht dieses
        Wort zum Unwort des Jahres zu erklären. Im derzeitigen
        Entwurf soll die Kommission nämlich im Wesentlichen
        mit der Aufgabe betraut werden, die Antibiotika-Leitli-
        nien fortzuschreiben. Wir sind davon überzeugt, dass
        eine Sachverständigenkommission, die per Gesetz oder
        Verordnung alle am Tierarzneimittelverkehr Beteiligten
        paritätisch berücksichtigen muss, eine solch wichtige
        Fragestellung nicht zielführend wird lösen können. Die
        FDP hält diese Kommission für absolut entbehrlich.
        Die Fortschreibung der Antibiotika-Leitlinien ist eine
        wissenschaftliche Aufgabe. Sie muss nach Auffassung
        der FDP durch die entsprechenden wissenschaftlichen
        Fachgesellschaften erfolgen. Dies wäre im Falle der Ve-
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        erinärmedizin die Deutsche Veterinärmedizinische Ge-
        ellschaft (DVG). In dieser Fachgesellschaft ist in allen
        inzelnen Fachgruppen der notwendige Sachverstand
        ervorragend versammelt, um die Leitlinien sinnvoll
        eiterzuentwickeln.
        Solche Leitlinien können einen wichtigen Beitrag
        eisten, Antibiotika noch zielgerichteter einzusetzen. Da-
        it würden sie der fachlichen Fort- und Weiterbildung
        er Anwender dienen. Sie brauchen aber ganz sicherlich
        einen Gesetzesrahmen.
        Wie wenig ernst selbst die Bundesregierung diese
        ierarzneimittelanwendungskommision nimmt, kann
        an schon aus den Mittelbereitstellungen für diese
        ommission ersehen: 7 000 Euro pro Jahr sind ein Witz.
        enn diese Summe könnte bestenfalls einen Teil der
        eisekosten für möglicherweise zwei Sitzungen pro Jahr
        bdecken. Eine personelle Betreuung durch das zustän-
        ige Ministerium oder eine Bundesoberbehörde kann bei
        ieser Kalkulation keine Berücksichtigung gefunden ha-
        en.
        Um die von uns kritisierten Sachverhalte, Sieben-
        age-Regelung und Tierarzneimittelanwendungskom-
        ission, gründlich zu erörtern und um zu einer besseren
        ösung zu kommen, die in der Praxis das Wohl der
        iere, der Verbraucher und der Bauern im Auge hat und
        ich nicht an der speziellen Interessenlage von Verwal-
        ungsbeamten orientiert, wird die FDP bei den Aus-
        chussberatungen eine Anhörung beantragen.
        Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär im Bun-
        esministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und
        andwirtschaft: Die 13. AMG-Novelle ist ein wichtiges
        hema für den Verbraucherschutz, den Tierschutz und
        ie Landwirtschaft. Die Behandlung von erkrankten Tie-
        en mit Arzneimitteln ist ein Gebot des Tierschutzes. Ein
        ebot des Verbraucherschutzes ist die gesundheitliche
        nbedenklichkeit von Lebensmitteln, die von behandel-
        en Tieren stammen. Beides, die Verfügbarkeit wirksa-
        er Arzneimittel und die gesundheitliche Unbedenklich-
        eit von Lebensmitteln tierischer Herkunft, muss
        erücksichtigung finden, wenn über tierarzneimittel-
        echtliche Vorschriften diskutiert wird.
        Eine besondere Problematik kommt bei den Antibio-
        ika hinzu: Antibiotika sind besonders wichtig für die
        herapie von Menschen und Tieren und sie sind beson-
        ers gefährdet in ihrer Wirksamkeit durch unkritischen
        insatz. Jede Anwendung von Antibiotika kann zur Ent-
        icklung von Resistenzen führen und damit zum Verlust
        es Stoffes für die Therapie von Mensch und Tier beitra-
        en. Antibiotika bedürfen daher unseres besonderen Au-
        enmerks und Schutzes.
        Die Bekämpfung der Ausbreitung von Antibiotikare-
        istenzen ist der Bundesregierung daher auch ein beson-
        eres Anliegen. Zu der Strategie zur Bekämpfung der
        usbreitung von Antibiotikaresistenzen gehört auch die
        o genannte Sieben-Tage-Regel im Arzneimittelgesetz.
        ir sind daher nicht bereit – wie von verschiedenen Sei-
        en mehr oder weniger deutlich betrieben –, diese Sie-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15081
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        ben-Tage-Regel für Antibiotika aufzugeben oder so weit
        auszuhöhlen, dass sie nur noch auf dem Papier steht.
        Der vorliegende Entwurf der Bundesregierung zur
        Änderung des Arzneimittelgesetzes trägt der besonderen
        Bedeutung der Antibiotika Rechnung und zeigt gleich-
        zeitig eine Möglichkeit der Flexibilisierung der Sieben-
        Tage-Regel für bestimmte Anwendungsgebiete auf.
        Diese vorgesehene Flexibilisierung hätte insbesondere
        klare und für jeden nachvollziehbare Grenzen.
        Der Bundesrat ist selbst diesem wohlabgewogenem
        Ansatz mit Verweis auf den gesundheitlichen Verbrau-
        cherschutz und die Strategie zur Bekämpfung der Aus-
        breitung von Antibiotikaresistenzen nicht gefolgt, ob-
        wohl er selbst vor nicht allzu langer Zeit einen
        Gesetzentwurf zur Flexibilisierung eingebracht hat. Das
        zeigt, wie sensibel und wie schwierig die Thematik ist.
        Verständlich wird die Haltung des Bundesrates, wenn
        man die Entwicklung seit der Vorlage des Referentenent-
        wurfes betrachtet. Wie es häufig der Fall ist, hat der Ent-
        wurf intensive Diskussionen zwischen allen Beteiligten
        ausgelöst, die durchaus nicht fruchtlos waren, sondern
        zu einer Weiterentwicklung der Sichtweisen geführt und
        insbesondere auch einige Missverständnisse über die
        geltende Rechtslage ausgeräumt haben. Es ist nämlich
        nicht so, dass die Sieben-Tage-Regel zwangsläufig be-
        deutet, dass der Tierarzt alle sieben Tage in den Bestand
        gehen muss. Was der Tierarzt alles machen muss, damit
        er in Übereinstimmung mit den arzneimittelrechtlichen
        Vorschriften Arzneimittel abgeben darf, ist ganz woan-
        ders, nämlich in der auf dem Arzneimittelgesetz basie-
        renden tierärztlichen Hausapothekenverordnung geregelt
        und diese Regelungen gelten unabhängig voneinander.
        Wenn es also so ist, dass die Diskussion des Entwur-
        fes zu dem Ergebnis geführt hat, dass eine Flexibilisie-
        rung der Sieben-Tage-Regel für Antibiotika unter Be-
        rücksichtigung dieser geltenden Rechtslage gar nicht
        erforderlich ist und – wie der Bundesrat ebenfalls aus-
        führt – sich inzwischen zeigt, dass das mit der Regelung
        verfolgte Ziel erreicht wird, dann kann man ja nur die
        Konsequenz ziehen, die der Bundesrat gezogen hat,
        nämlich dass die Sieben-Tage-Regelung für Antibiotika
        so bestehen bleiben sollte, wie sie ist. Dementsprechend
        hat sich die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme ge-
        äußert.
        Das macht natürlich den Gesetzentwurf nicht überflüs-
        sig. Der Entwurf enthält ja noch viel mehr als die Sieben-
        Tage-Regel für Antibiotika. So soll der Abgabezeitraum
        für alle übrigen betroffenen Arzneimittel auf 31 Tage aus-
        geweitet werden, die Abgabe von Arzneimittelteilmengen
        durch den Tierarzt erleichtert werden, die Herstellung von
        Arzneimitteln für Lebensmittel liefernde Tiere in Apothe-
        ken ermöglicht werden, das Abgabeverbot umgewidmeter
        Arzneimittel für Lebensmittel liefernde Tiere aufgehoben
        werden, eine Tierarzneimittelanwendungskommission zur
        Weiterentwicklung der Antibiotika-Leitlinien geschaffen
        werden und der Import von Tierarzneimitteln neu geregelt
        werden.
        Der Entwurf enthält also eine Fülle von Anpassungen
        geltender Regelungen aufgrund der Erfahrungen in der
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        raxis und ein großer Teil dieser Änderungen wird die
        andhabung für Tierärzte und Tierhalter erleichtern.
        Ich bin überzeugt, dass wir hier ein rundes Paket ge-
        chnürt haben, mit dem alle am Verkehr mit Tierarznei-
        itteln Beteiligten zufrieden sein können und das glei-
        hermaßen die Belange des Tierschutzes und des
        erbraucherschutzes berücksichtigt.
        nlage 11
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Organisationsstruktur der Telematik im Ge-
        sundheitswesen (Tagesordnungspunkt 21)
        Eike Hovermann (SPD): Eins vorweg: Der Gesetz-
        ntwurf ist zustimmungspflichtig im Bundesrat. Doch
        ie Gesundheitskarte ist ein Projekt, das von allen ge-
        ollt ist und gewollt werden muss, die es ernst meinen
        it der Steigerung von Effizienz und Qualität in unse-
        em Gesundheitswesen. Sie kennen vielleicht die aktu-
        lle Umfrage der TK, wonach 75 Prozent der Bürgerin-
        en und Bürger die Gesundheitskarte und ihre
        öglichkeiten begrüßen.
        Damit diese Karte nach langen Jahren des Diskutie-
        ens nun endlich Realität wird, müssen wir dafür sorgen,
        ass der Prozess der Umsetzung, der bereits begonnen
        at, nun weitergeführt wird, zugunsten einer besseren
        edizinischen Versorgung der Patientinnen und Patien-
        en. Der nun vorliegende Gesetzentwurf ist ein richtiger
        chritt auf dem Weg dahin. Er beinhaltet die notwendige
        onkretisierung der gesetzlichen Aufgaben der „Gema-
        ik“, welche die Selbstverwaltung bewusst übernommen
        at, um an der Gestaltung der Gesundheitskarte mitzu-
        irken.
        Daher soll nun eine bundesweit gesetzliche Regelung
        afür sorgen, dass im Einklang mit den Bundesländern
        nd maßgeblichen Spitzenorganisationen ein Bauplan
        ntsteht, mit dem entsprechend § 291 a, Abs. 7 SGB V
        ine interoperable und kompatible Informations-, Kom-
        unikations- und Sicherheitsstruktur gewährleistet wird,
        uch um Medienbrüche – respektive Insellösungen –
        uszuschließen und für alle Beteiligten Planungssicher-
        eit und Investitionsbereitschaft zu erhöhen. Die Archi-
        ektur wird zugleich so offen gestaltet, dass etwa gesetz-
        iche Änderungen ohne Schwierigkeit online
        ingearbeitet werden können.
        Die PKV ist in diesen Prozess eingebunden. Leis-
        ungserbringer, die jetzt noch nicht integriert worden
        ind, wie zum Beispiel Psychotherapeuten, werden Zug
        m Zug in das wachsende System eingebaut, innerhalb
        essen auch die Frage der Datenspeicherung, das heißt,
        ie Serverfrage gelöst werden muss.
        Wir wissen, wie lange es gedauert hat, bis aus dem
        heoretischen Ansatz, „wir wollen die intelligente Chip-
        arte“ ein praktisches Verfahren wurde. Auf Podiums-
        iskussionen, in Arbeitskreisen und Gesellschaften
        urde vielfach diskutiert und darüber das Handeln
        15082 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
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        vergessen. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die
        Interessen von Kassen, Ärzten, Apothekern etc. an die-
        sem Projekt sehr unterschiedlich gelagert sind.
        In Kenntnis der bisherigen Abstimmungsprozeduren
        ist deshalb der Vorschlag, das Einstimmigkeitsprinzip
        durch eine qualifizierte Mehrheit zu ersetzen, nur zu be-
        grüßen. Um weitere denkbare, zeitintensive Blockaden
        abzuwenden, sind in das Gesetz Interventionsmöglich-
        keiten für das BMGS eingebaut. Das ist nicht nur auf-
        grund gemachter Erfahrungen geboten, sondern auch
        deshalb, weil ein weiteres Gelingen hinsichtlich der Ein-
        führung der Gesundheitskarte in 2006 nicht verzögert
        werden darf.
        Wir wissen: Die Gesundheitskarte ist eine wesentli-
        che Voraussetzung für das Funktionieren der integrierten
        Versorgung; ohne sie geht nichts. Umso wichtiger wird
        es sein, die Menschen davon zu überzeugen, dass die
        Gesundheitskarte ihnen Vorteile bringt: dass mehr Trans-
        parenz zu besserer Versorgung führt, von der Prävention
        über die ambulante und stationäre Versorgung bis hin zur
        Nachsorge und den Einsatz von Heil- und Hilfsmitteln;
        dass eine bessere Evaluation der Daten hilfreich ist,
        organisatorische und qualitative Brüche auszuräumen.
        Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die schwer-
        wiegenden Folgen von Fehlmedikamentierungen, die
        jährlich nicht nur zu 10 000 Todesfällen führen, sondern
        auch zu zahllosen vermeidbaren und teuren Folgebe-
        handlungen.
        Auf Dauer werden mit der Gesundheitskarte – hier in
        Sonderheit über den Einstieg mit dem elektronischen
        Rezept – auch Einsparungen realisiert werden können.
        Erinnert sei an die hohen Kosten im Zusammenhang mit
        den rund 700 Millionen papiergebundenen Rezepten pro
        Jahr. Durch das elektronische Rezept können Einsparun-
        gen von 100 bis 150 Millionen Euro pro Jahr realisiert
        werden.
        Hinsichtlich des Finanzplans bleibt festzuhalten, dass
        bisher 0,7 Milliarden Euro angesetzt waren. Andere Ein-
        schätzungen beruhen unter anderem darauf, dass unter-
        schiedliche Ansätze zum Beispiel für die Speicherkapa-
        zität der Karte im Raum stehen. Rechnerische
        Differenzen entstehen hier durch Preisschätzungen von
        6 bis 10 Euro.
        Gleichwohl gilt, dass die KBV das anstehende Finan-
        zierungstableau erstens kannte und zweitens unterschrie-
        ben hat. Dies hat zu unterschiedlichen Reaktionen bei
        den KVen auf Länderebene geführt. Hier steht zu vermu-
        ten, dass die Kommunikationsstränge nicht effektiv ge-
        nutzt worden sind. Denn es wird nicht hinreichend kom-
        muniziert, dass die Ärzte Entgelte für die Implantation
        und den Gebrauch der Gesundheitskarte via Zuschläge
        bekommen. Dieses zusätzliche Geld führen sie an die
        KVen ab. Über den genauen Anteil von Ärzten und
        Krankenhäusern verhandeln die Kassen mit den selbi-
        gen.
        Es ist verständlich, dass die in den Entwurf eingear-
        beitete Konstruktion der Finanzierung des Forschungs-
        und Entwicklungsvorhabens durch die Selbstverwaltung
        auf wenig Gegenliebe stößt. Doch so abwegig, wie es
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        argestellt wird ist dieser Vorschlag nicht: Nach § 291a
        bs. 1 sind die Krankenkassen verpflichtet, die bishe-
        ige Krankenversichertenkarte bis spätestens 1. Januar
        006 zu einer elektronischen Gesundheitskarte zu erwei-
        ern. Es ist bekannt; dass die Selbstverwaltung die Frist
        ur Vorlage der Lösungsarchitektur zum 30. September
        004 nicht einhalten konnte. Das Ergebnis ist das nun
        aufende Forschungs- und Entwicklungsprojekt, das in
        bsprache mit der Selbstverwaltung im Oktober 2004
        ereinbart wurde und für welches das BMGS formal den
        uftrag erteilt hat. Aus dieser Konstruktion eine Kosten-
        bernahme durch das Ministerium herzuleiten, ist zu-
        indest gewagt.
        Ungeachtet dieser Diskussion ist eins unbestreitbar:
        ie Einführung der Gesundheitskarte muss weiter vo-
        angetrieben werden, damit die gesetzlich vorhandenen
        öglichkeiten der integrierten Versorgung auch prak-
        isch nutzbar werden. Es schadet nichts, sich vor Augen
        u führen, dass letztlich alle Beteiligten davon profitie-
        en werden.
        Die Umsetzung der Rahmenarchitektur in eine Lö-
        ungsarchitektur ist deshalb eine Aufgabe, die im Kon-
        ens mit Selbstverwaltung, Wissenschaft und Industrie
        urchgeführt werden muss. An dieser Aufgabe müssen
        ir gemeinsam festhalten.
        Dr. Carola Reimann (SPD): Mit dem GKV-Moder-
        isierungsgesetz wurde die Einführung der elektroni-
        chen Gesundheitskarte beschlossen. Sie wird die Pro-
        essabläufe im Gesundheitswesen grundlegend
        erändern. Das ist ein notwendiger Schritt für ein mo-
        ernes und effizientes Gesundheitssystem. Man schätzt,
        ass circa 20 bis 40 Prozent der Leistungen im Gesund-
        eitswesen auf Kommunikation und Information entfal-
        en. Diese Zahlen verdeutlichen das verfügbare Poten-
        ial für die Verbesserungen der Qualität und
        irtschaftlichkeit in unserem Gesundheitssystem.
        Mit der Gesundheitsreform wurden die Krankenkas-
        en dazu verpflichtet, die bisherige Krankenversicher-
        enkarte zu einer elektronischen Gesundheitskarte zu er-
        eitern sowie die dafür notwendige Infrastruktur zu
        chaffen. Die bisherige Entscheidungsstruktur, die ein
        instimmigkeitsprinzip vorsah, hat sich hierbei als unzu-
        eichend erwiesen. Deshalb haben sich die beteiligten
        pitzenorganisationen auf die Gründung einer neuen Be-
        riebsorganisation geeinigt. Der vorliegende Entwurf
        erankert die Betrieborganisation auch gesetzlich. Da-
        urch werden Entscheidungsprozesse optimiert und be-
        chleunigt, denn die Beschlüsse werden jetzt mit einer
        ualifizierten Mehrheit getroffen werden können. Die
        rganisation erhält mit dem Gesetzentwurf den Sicher-
        tellungsauftrag und muss für die notwendige Interope-
        abilität der zu entwickelnden Komponenten sorgen.
        Die Selbstverwaltung hat mit dem Aufbau einer Be-
        riebsorganisation gezeigt, dass sie in der Lage ist, die
        ür die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte
        rforderlichen Rahmenbedingungen zu planen und prak-
        isch umzusetzen. Der Gesetzentwurf enthält jedoch
        uch Konfliktlösungswege für den Fall, dass die Akteure
        u keiner Entscheidung kommen.
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15083
        (A) )
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        Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte
        ist nur ein Teil des Projektes „Telematikinfrastruktur“.
        Eingebunden werden 80 Millionen Patienten, 350 000
        Ärzte und Zahnärzte, 2 000 Krankenhäuser, 22 000 Apo-
        theken und 300 Krankenkassen. Diese Zahlen machen es
        deutlich: Wir sprechen von einem der größten IT-Pro-
        jekte Europas. Es wird nicht nur wirtschaftliche Reser-
        ven erschließen, sondern die Behandlungsqualität der
        Patientinnen und Patienten verbessern. Unsere Aus-
        gangslage ist gut. Wir verfügen über eine ausgezeichnete
        Infrastruktur für Informations- und Kommunikations-
        technologien. Jetzt geht es darum, diese auch für die Ge-
        sundheitsversorgung besser zu nutzen. Eine erfolgreiche
        Realisierung des Telematikprojektes wird den For-
        schungs- und Entwicklungsstandort Deutschland stär-
        ken.
        Eine erste verpflichtende Anwendung wird die elek-
        tronische Übermittlung von Verordnungsdaten – also das
        elektronische Rezept – sein. Es wird das herkömmliche
        Papierrezept ersetzen. Die Vorteile des elektronischen
        Rezeptes liegen auf der Hand. Dabei geht es nicht nur
        um die Vermeidung von Medienbrüchen und Doppelar-
        beiten, also letztlich um organisatorische und wirtschaft-
        liche Fragen, sondern um die Verbesserung des Schutzes
        und der Sicherheit der Patientinnen und Patienten. Nach
        den vorliegenden Studien fordern falsch verordnete Me-
        dikamente in Deutschland jährlich mehr Todesopfer als
        der Straßenverkehr. Hier bietet das elektronische Rezept
        die Möglichkeit, Falsch- und Doppelmedikation wirk-
        sam zu verhindern, und hilft so, Leben zu retten.
        Das elektronische Rezept ist nur der erste Baustein
        der Telematikinfrastruktur. Viele Fragen werden auf dem
        Weg noch geklärt werden müssen. Dazu gehört auch der
        Aspekt der Abfrage der Zuzahlungsbefreiung. Diese An-
        wendung muss es ermöglichen, in der Apotheke den Sta-
        tus der Zuzahlungsbefreiung, also „befreit“ oder nicht
        „befreit“, abzufragen. Ich denke, das ist ein wichtiger
        Gesichtspunkt des elektronischen Rezeptes.
        Der Einsatz moderner Informations- und Kommuni-
        kationstechnologien wird dazu beitragen, zentrale Pro-
        bleme unseres Gesundheitswesens zu lösen und die Si-
        cherheit und Qualität der Behandlung der Patientinnen
        und Patienten zu verbessern. Wir müssen jetzt, zusam-
        men mit allen Beteiligten, dafür sorgen, dass die elektro-
        nische Gesundheitskarte ein Erfolg wird. Die Etablie-
        rung der Betriebsorganisation der Selbstverwaltung ist
        ein wichtiger Schritt zur Einführung der elektronischen
        Gesundheitskarte.
        Matthias Sehling (CDU/CSU): Im GKV-Moderni-
        sierungsgesetz von 2003 haben sich die Fraktionen von
        SPD und Bündnis 90/Die Grünen und von CDU/CSU zu
        einem wichtigen Schritt in die gesundheitspolitische Zu-
        kunft bekannt: zur Einführung der elektronischen Ge-
        sundheitskarte. Mit ihrer Einführung sind große Erwar-
        tungen aller am Gesundheitswesen Beteiligten,
        insbesondere aber auch der Patientinnen und Patienten
        verbunden.
        Für die Patienten geht es um mehr Qualität in der me-
        dizinischen Versorgung, zum Beispiel bei der freiwilli-
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        en Anwendung von Arzneimitteldokumentation oder
        em Notfallausweis. Außerdem erhoffen sich die Versi-
        herten mittelfristig niedrigere Beitragssätze, weil über-
        lüssige Mehrfachuntersuchungen und Verwaltungsauf-
        ände vermieden werden sollen. Die Union hat in dem
        esetzgebungsverfahren der Einführung „spätestens
        um 1. Januar 2006“ zugestimmt, wie das Gesetz wört-
        ich festhält.
        Die tatsächliche Umsetzung des Gesetzes in diesem
        unkt durch die Bundesregierung – sie bleibt trotz der
        ufgaben der Selbstverwaltung für die rechtzeitige und
        achgerechte Einführung der elektronischen Gesund-
        eitskarte verantwortlich – lässt allerdings zu wünschen
        brig. Es hapert. Selbst Bundesgesundheitsministerin
        lla Schmidt glaubt nicht mehr daran, dass der ur-
        prüngliche Zeitplan einzuhalten sein wird. Droht nach
        er LKW-Maut ein neues Fiasko eines IT-Großprojektes
        er Bundesregierung – diesmal nicht aus technischen
        ründen, sondern wegen vertaner Diskussionszeit?
        Schon der Titel des jetzt von den Regierungsfraktio-
        en vorgelegten Entwurfs eines Gesetzes zur Organisa-
        onsstruktur der Telematik im Gesundheitswesen ist nur
        ie halbe Wahrheit. Es geht in dem Gesetz mindestens
        ur Hälfte auch um die Finanzierung der Gesundheits-
        arte, und dies sogar an zwei unterschiedlichen Ecken.
        as Hintanstellen – um nicht zu sagen: Verstecken – die-
        er Anliegen soll wohl den Goodwill der Beteiligten und
        etroffenen rund um die Gesundheitskarte fördern. Ob
        as mit diesem Gesetz gelingen kann, ist indes sehr
        weifelhaft. Die Union hat deshalb jedenfalls eine Anhö-
        ung der Betroffenen beantragt.
        Das Ziel, die zögerliche Behandlung der nötigen Ver-
        räge über die „erforderliche Informations-, Kommuni-
        ations- und Sicherheitsinfrastruktur“ durch die im
        MG genannten Spitzenorganisationen der Selbstver-
        altung – möglichst unter Einbeziehung der privaten
        rankenversicherung, der Patientenvertreter, der Daten-
        chützer und der IT-lndustrie – deutlich anzuschieben, ist
        öblich und wird auch von der CDU/CSU-Fraktion aus-
        rücklich unterstützt. Der vorliegende Gesetzentwurf er-
        cheint aber dazu als typisches überbürokratisiertes
        onstrum mit einer Vielzahl von Fristsetzungen, Ersatz-
        ornahmeandrohungen aller Art sowie einer bis ins De-
        il gehenden Fremdbestimmung der Selbstverwaltung
        enig geeignet. Er nimmt Abschied von der ursprüng-
        ich vorgesehenen eigenverantwortlichen Entscheidung
        urch die Selbstverantwortung mit möglichst breiter
        onsensbildung im Gesundheitswesen.
        Im Januar dieses Jahres hat die Selbstverwaltung mit
        eburtshilfe des Ministeriums die Gesellschaft für Tele-
        atik „Gematik“ gegründet, die jetzt mit qualifizierter
        ehrheit von 67 Prozent die im GMG vorgesehenen
        ufgaben erfüllen kann.
        Der im Gesetzentwurf vorgesehene Übergang zur
        ehrheitsentscheidung unter den Partnern der Selbstver-
        altung vollzieht konsequenterweise diesen vertragli-
        hen Übergang vom Einstimmigkeits- zum Mehrheits-
        rinzip gesetzgeberisch nach. Keineswegs erscheint es
        ber geboten, die Inhalte des Gesellschaftsvertrags bis in
        ede Einzelheit vorzuschreiben, wie das im Gesetzent-
        urf vorgesehen ist. Warum muss selbst der beratende
        15084 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
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        (B) )
        Fachbeirat in seiner Zusammensetzung bis ins Detail ge-
        regelt werden? Warum wird dies nicht der Gesellschaf-
        terversammlung überlassen? Schon die Aufnahme wei-
        terer Gesellschafter bedarf nicht nur des Benehmens mit
        dem Ministerium, sondern sogar dessen ausdrücklicher
        Zustimmung. Aber selbst die Aufnahme weiterer Mit-
        glieder in den ohnehin nur beratenden Fachbeirat ist aus-
        schließlich im Einvernehmen mit dem Ministerium, also
        mit dessen ausdrücklicher Zustimmung möglich.
        Die Regelungen zur Gesellschaft für Telematik sind
        nach dem Motto gestrickt: „Ministerium ist überall.“
        Warum entscheiden die Ministerin und ihr Haus dann
        nicht gleich selbst? Faktisch führt der Gesetzentwurf
        eine bislang unübliche Fachaufsicht in einem Bereich
        der Sozialversicherung ein. Es drängt sich der Eindruck
        auf, als säße da dem Hause der Bundeskanzler im Na-
        cken, der seiner Bundesgesundheitsministerin den Auf-
        trag gegeben hat, keine zweite Großpanne bei einem IT-
        Projekt der Bundesregierung zu riskieren.
        Der Bundesregierung muss dabei klar sein: Sie über-
        nimmt umso größere Verantwortung für die rechtzeitige
        Einführung der elektronischen Gesundheitskarte, je stär-
        ker sie die Aufgaben der Selbstverwaltung an sich zieht.
        Auch Finanzierungsregelungen sieht der Gesetzent-
        wurf vor, die im Bereich der Schaffung der Telematik-
        struktur immerhin als Restkompetenz bei den bisherigen
        Selbstverwaltungspartnern verbleiben. Die Spitzenorga-
        nisationen aus den Bereichen Leistungserbringer und
        Kostenträger haben auf drei Feldern Kostenvereinbarun-
        gen zu treffen: für die Kosten der Gesellschaft selbst, für
        die erstmaligen Ausstattungskosten und für den laufen-
        den Betrieb.
        Diese Konkretisierung schon bestehender Aufgaben
        ist grundsätzlich zu begrüßen, haben doch zahlreiche
        Studien der Vergangenheit auf Defizite bei der Kosten-
        Nutzen-Verteilung durch die Einführung der elektroni-
        schen Gesundheitskarte hingewiesen. Immerhin geht es
        um mindestens 1,8 Milliarden Euro Einführungskosten
        insgesamt. Rund 1,4 Milliarden Euro davon entfallen auf
        die Kartenherstellung und -verteilung, 400 Millionen
        Euro auf den Verwaltungsaufwand der Krankenkassen.
        Unbeziffert sind weitere Investitionskosten der Gesund-
        heitsberufe und anderer.
        Aber auch hier wieder diese Orgie von Dirigismus und
        Ersatzvornahmeandrohungen: Fünf zusätzliche Absätze
        allein einer Vorschrift regeln detailliert Regelungsart,
        Telematikzuschläge, Finanzierungsbeiträge, gesetzliche
        oder behördliche Fristen sowie Schiedsstellenfähigkeit
        – also Befugnis zur Ersetzung durch Schiedsspruch –
        oder ministerielle Ersatzvornahmemöglichkeiten. Das
        Ministerium zeigt nicht einmal mehr Zuckerbrot, zeigt
        gleich die Peitsche.
        Wo bleibt da noch Entscheidungsraum für die Selbst-
        verwaltung? Warum greift das Gesundheitsministerium
        nicht auf die bereits getroffene Finanzierungsvereinba-
        rung der Selbstverwaltung, gegebenenfalls mit Ände-
        rungsauflagen, zurück? Warum wird keine Kostenrege-
        lung entlang dem jeweiligen Nutzen gefordert? Warum
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        oll den Kostenvereinbarungen keine Kosten-Nutzen-
        nalyse zugrunde gelegt werden?
        Ein dreistes Bubenstück erlaubt sich das Bundesge-
        undheitsministerium mit gesetzlichen Blankoabbu-
        hungserlaubnissen für selbst verursachte Telematikkos-
        n ganz am Ende der Vorschrift zur Gesellschaft für
        elematik. In der Selbstbedienungsvorschrift mit blo-
        em Rechtsfolgenverweis ist vorgesehen, dass das Mi-
        isterium ohne jede Einschränkung oder vorherige Kon-
        ultation der Gesellschaft für Telematik Kosten für
        igene Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten für die
        elematikstruktur der Gesellschaft zur Bezahlung wei-
        rreichen kann, sobald sie die Forschungsergebnisse der
        esellschaft „zur Verfügung gestellt“ hat. Also: Das Mi-
        isterium bestellt – die Selbstverwaltung bezahlt. Es
        ehlt eigentlich nur die Abbuchungserlaubnis für Frau
        inisterin Ulla Schmidt! Den Juristen in der Anhörung
        ird sicher vieles an interessanten Rechtsfiguren einfal-
        n, von unzulässiger aufgedrängter Bereicherung über
        icht GKV-gerechte Verwendung von Beitragsmitteln
        us der Sozialversicherung bis hin zum verletzten Haus-
        altsrecht des Parlaments.
        Was hier für alle Zukunft gelten soll – die Gesell-
        chaft für Telematik soll ja dauerhaft auch den Betrieb
        er elektronischen Gesundheitskarte organisieren –, wird
        leich danach auch für die jüngste Vergangenheit vorge-
        ehen: Gemäß einer weiteren Passage sollen zusätzliche
        echnungen des Gesundheitsministeriums an die Kran-
        enkassen möglich sein, wenn sie nur bis zum Tag der
        esetzesverkündung „finanziert wurden“. Die Begrün-
        ung spricht von Kosten, die das Ministerium im Jahr
        004 ungefragt für Telematikzwecke gedeckt hat, ohne
        Übrigen die genaue Höhe oder auch nur die Größen-
        rdnung anzugeben. Gab es hierzu nicht einschlägige
        aushaltstitel?
        Parallel zum bisherigen gesetzlichen Auftrag der
        elbstverwaltung zur Vereinbarung der Telematikinfra-
        truktur hatte das Ministerium mindestens ein For-
        chungsprojekt in Eigenregie in Auftrag gegeben, dessen
        osten sich das Ministerium offenbar von den Kranken-
        assen über die Gematik zurückholen möchte. Es gilt
        ber noch immer der Grundsatz: Wer zahlt, schafft an;
        ber wer anschafft, muss auch zahlen!
        Offen bleiben dagegen in dem Gesetzentwurf zahlrei-
        he andere wichtige Fragen, wie denn der aktuelle Zeit-
        lan zur Einführung der Gesundheitskarte aussieht, ob er
        gerade wegen häufig vorgesehener Beanstandungsfris-
        n des Ministeriums – nicht noch weiter ins Wanken ge-
        ät, wie die Europäische Krankenversichertenkarte zeit-
        erecht eingeführt werden kann, wie denn die
        ittelständische Industrie beteiligt werden und die Be-
        orzugung der Großindustrie vermieden werden kann,
        ie die Interessen des Datenschutzes der Versicherten
        it den öffentlichen Interessen an sozialversicherungs-
        echtlich interessierenden Statistiken in Einklang ge-
        racht werden kann.
        Auf diese auf der Hand liegenden Fragen gibt der Ge-
        etzentwurf noch keine Antwort. Ein hartes Stück Arbeit
        egt bei der Anhörung und in den Ausschussberatungen
        or den Parlamentariern.
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15085
        (A) )
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        Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich
        bin keine Hellseherin. Trotzdem traue ich mich, vorher-
        zusagen, dass künftige Akteure die Einführung der elek-
        tronischen Gesundheitskarte einmal als einen der ganz
        großen Modernisierungsschritte in unserem Gesund-
        heitswesen bewerten werden. Der Aufbau eines umfas-
        senden elektronischen Kommunikationsnetzes wird dia-
        gnostische und therapeutische Prozesse gründlich
        verändern. Die Zusammenarbeit zwischen den verschie-
        denen Leistungserbringern, die in den beiden letzten Ge-
        sundheitsreformen ganz oben auf der Agenda stand, er-
        hält endlich die notwendige informationstechnische
        Grundlage. Die Integrationsversorgung und ein elektro-
        nisch vernetztes Gesundheitswesen gehören zusammen.
        Ein Medizinjournalist hat es kürzlich in einem Artikel
        auf den prägnanten Satz gebracht:
        Eine Vernetzung der medizinischen Leistungser-
        bringer zusammen mit einer intelligenten Nutzung
        von Datenverarbeitungsprogrammen wird neue
        Versorgungsstrukturen entstehen lassen, die mit der
        klassisch-dualen Versorgung … so viel zu tun ha-
        ben werden wie eine moderne Zahnklinik mit Dok-
        tor Eisenbart.
        Angesichts dieser Dimensionen wirken die Auseinan-
        dersetzungen innerhalb der Selbstverwaltung um die
        elektronische Gesundheitskarte manchmal etwas klein-
        kariert. Ängste, angestammte Einkommensquellen und
        Einflusssphären zu verlieren, haben auch bei diesem Re-
        formvorhaben im letzten Jahr zu erheblichen Zeitverzö-
        gerungen geführt. Es ist dem energischen Eingreifen der
        Bundesgesundheitsministerin und ihrer Mitarbeiter zu
        verdanken, dass diese Selbstblockade innerhalb der
        Selbstverwaltung aufgelöst werden konnte.
        Durch die neu gegründete Betriebsgesellschaft wird
        das Projektmanagement gestrafft und professionalisiert
        werden. Die Ablösung des Einstimmigkeitsprinzips
        stellt die Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltungspart-
        ner wieder her. Damit können wir uns endlich wieder
        den wirklich wichtigen Fragen zuwenden, die sich mit
        der Einführung der Gesundheitskarte stellen.
        Die elektronische Gesundheitskarte steigert nicht nur
        die Qualität der Gesundheitsversorgung und hilft Kosten
        sparen. Darüber hinaus bietet sie als eines der größten
        IT-Projekte der Welt erhebliche Geschäftschancen für
        Technologieberater und Dienstleister. Vor allem aber
        bietet sie die Chance, die Rolle der Patientinnen und Pa-
        tienten deutlich zu stärken. Patienten wollen heute
        selbstständig und aktiv an Behandlungsprozessen teil-
        nehmen. Dazu müssen sie verstehen und gelegentlich
        auch überprüfen können, was die Medizin mit ihnen und
        ihren Körpern tut. Die elektronische Gesundheitskarte
        kann ihnen diese Möglichkeit eröffnen. Dies setzt vo-
        raus, dass sie die gespeicherten Daten ohne allzu großen
        Aufwand einsehen können. Außerdem müssen sie die
        Möglichkeit haben, zu regeln, wer Zugriff auf ihre Daten
        haben soll und wer nicht.
        Mit der Gesundheitsreform haben wir hierfür bereits
        wichtige Vorgaben gemacht. Der Zugang zu den medizi-
        nischen Daten über die Gesundheitskarte setzt die Ein-
        willigung des Versicherten voraus. Sie ist widerruflich
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        nd kann auf einzelne Anwendungen beschränkt wer-
        en. Vorgeschrieben ist auch, dass die Versicherten das
        echt erhalten, auf alle Rezept- und medizinischen Da-
        en zuzugreifen.
        An diesen informationellen Selbstbestimmungsrech-
        en der Patientinnen und Patienten hat sich die konkrete
        usgestaltung der Gesundheitskarte und der mit ihr ver-
        undenen Infrastruktur zu orientieren. In diesem Sinne
        erden wir den weiteren Prozess zur Einführung der
        lektronischen Gesundheitskarte begleiten.
        Detlef Parr (FDP): Das Gesetz zur Bildung einer
        euen Organisationsstruktur der Telematik im Gesund-
        eitswesen, das uns die Regierungsfraktionen hier vorle-
        en, ist symptomatisch für die Politik der Bundesregie-
        ung – denn eigentlich kommt der Entwurf, wie wir alle
        issen, von ihr –, ein klassisches Beispiel für eine Miss-
        chtung des Parlaments.
        Symptomatisch für diese Politik ist zum einen, dass
        ier im Nachhinein legitimiert werden soll, was schon
        ängst geschaffen wurde und dass der entsprechende Ge-
        etzentwurf erst einen Tag vor der ersten Lesung zur
        einungsbildung zugeleitet wird.
        Symptomatisch ist der Gesetzentwurf zum anderen
        ber auch für das Grundverständnis der Bundesregierung
        egenüber dem Prinzip der Selbstverwaltung. Ihre Orga-
        isationen werden zu Auftragserfüllern degradiert, de-
        en – wie schon im GKV-Modernisierungsgesetz –
        leich mit Ersatzvornahmen gedroht wird, wenn sie
        icht tun, was das Ministerium wünscht.
        Bei der Einführung der elektronischen Gesundheits-
        arte treibt die Bundesregierung sich selbst und sucht
        ich die Selbstverwaltung als Sündenbock aus, wenn sie
        eststellen muss, dass der völlig überzogene Zeitplan aus
        uten Gründen nicht einzuhalten ist. Als ob sie aus den
        rfahrungen mit Toll Collect nichts gelernt hätte, begibt
        ie sich überstürzt in das nächste Highttechabenteuer.
        Besser schnell als sicher“ scheint auch hier die Devise
        u sein.
        Gott sei Dank hat sich die Regierung Anfang des
        ahres von der Illusion gelöst, zum Januar 2006 alle Ver-
        icherten mit der Karte ausgestattet zu haben und mit
        em ersten Schritt der Einführung der Gesundheitskarte
        dem elektronischen Rezept – flächendeckend zu begin-
        en. Zu dieser Einsicht musste sie aber erst einmal getra-
        en werden.
        Größere Effizienz bei Entscheidungsstrukturen auch
        uf der Seite derjenigen, die für die Einführung der Ge-
        undheitskarte maßgeblich sind, ist wünschenswert und
        obenswert. Daher war die Umwandlung von protego.net
        u Gematik mit dem Wechsel vom Einstimmigkeits- zum
        ehrheitsprinzip sicherlich ein richtiger Schritt. Das
        ohl weltweit größte Telematikprojekt im Gesundheits-
        esen ist zu groß angelegt und zu sensibel, als dass es mit
        ektik und faulen Kompromissen durchgeführt werden
        ollte. 80 Millionen Krankenversicherte mit den entspre-
        henden Karten auszustatten, alle Leistungserbringer an
        ie Technik anzuschließen und dafür Sorge zu tragen,
        ass in diesem Feld der hochsensiblen Daten die Technik
        15086 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
        (A) (C)
        (B) (D)
        reibungslos und absolut sicher vor unerwünschten Zu-
        griffen funktioniert, dafür sind professionelle Strukturen
        und eine sorgfältige Vorbereitung unerlässlich.
        Nicht zu verstehen ist, dass die Selbstverwaltung dazu
        getrieben wurde, die neue Betriebsstruktur zu schaffen,
        um diese dann erst im Nachhinein gesetzlich zu legiti-
        mieren. Das hat wenig mit demokratischem Grundver-
        ständnis zu tun. Ein solches Verfahren zeugt vor allem
        von geringem Respekt dem Parlament gegenüber, das
        scheinbar – so wie gerade bei so vielen mit unnötigem
        Zeitdruck durchgeboxten Gesetzesinitiativen – nur noch
        wahrnehmen soll.
        Man hätte bei diesem ungewöhnlichen Verfahren
        dann wenigstens damit rechnen können, dass es mit den
        betroffenen Einrichtungen der Selbstverwaltung und der
        Verbände abgesprochen ist. Dies scheint auf den ersten
        Blick auch so zu sein. Doch die Kritik der Krankenkas-
        sen, dass mit diesem Gesetz nicht nur im Nachhinein
        legitimiert wurde, was schon längst geschaffen wurde,
        sondern die Kassen auch noch im Nachhinein dazu
        verpflichtet werden, Kosten für den Forschungs- und
        Entwicklungsauftrag, den das Bundesministerium für
        Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) an die
        Fraunhofer-Gesellschaft vergeben hat, zu übernehmen,
        ist mehr als berechtigt. Wie schon beim Entwurf zum
        Präventionsgesetz scheint Frau Ministerin Schmidt die
        Mitgliedsbeiträge der gesetzlich Versicherten als zweites
        Haushaltsbudget ihres Ministeriums misszuverstehen,
        um dann die Kassen umso lauter zu tadeln, dass sie ihre
        Beitragssätze nicht genug absenken würden.
        Wir werden die weiteren Ausschussberatungen nut-
        zen, um hier weitere Klärung zu schaffen.
        160. Sitzung
        Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
        Inhalt:
        Redetext
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Anlage 2
        Anlage 3
        Anlage 4
        Anlage 5
        Anlage 6
        Anlage 7
        Anlage 8
        Anlage 9
        Anlage 10
        Anlage 11