1) Anlage 11
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15053
(A) )
(B) )
weit diese entstandenen und mögliche weitere
h(Wiesloch), Gert
alb ist eine dringende Überprüfung notwendig, inwie-
Vorhaben des Bürokratieabbaus eine erhebliche Benach-
teilung etablierter Betriebe verbunden sein kann. Des-Weisskirchen SPD 24.02.2005*
Anlage 1
Liste der entschuldigt
*
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Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
Bahr (Neuruppin), Ernst SPD 24.02.2005
Barnett, Doris SPD 24.02.2005*
Bettin, Grietje BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
24.02.2005
Carstensen (Nordstrand),
Peter H.
CDU/CSU 24.02.2005
Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 24.02.2005
Göppel, Josef CDU/CSU 24.02.2005
Kossendey, Thomas CDU/CSU 24.02.2005*
Dr. Krings, Günter CDU/CSU 24.02.2005
Lengsfeld, Vera CDU/CSU 24.02.2005
Lips, Patricia CDU/CSU 24.02.2005
Nolte, Claudia CDU/CSU 24.02.2005*
Probst, Simone BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
24.02.2005
Raidel, Hans CDU/CSU 24.02.2005*
Reiche, Katherina CDU/CSU 24.02.2005
Riemann-Hanewinckel,
Christel
SPD 24.02.2005
Ronsöhr, Heinrich-
Wilhelm
CDU/CSU 24.02.2005
Rossmanith, Kurt J. CDU/CSU 24.02.2005*
Schily, Otto SPD 24.02.2005
Steenblock, Rainder BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
24.02.2005
Dr. Thomae, Dieter FDP 24.02.2005
Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
24.02.2005
Türk, Jürgen FDP 24.02.2005
Wegener, Hedi SPD 24.02.2005*
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
en Abgeordneten
für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung des Europarates
nlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Klaus Brähming und Ernst
Hinsken (beide CDU/CSU) zur Abstimmung
über den Entwurf eines Gesetzes zur Umset-
zung von Vorschlägen zu Bürokratieabbau und
Deregulierung aus den Regionen und zur Ände-
rung wohnungsrechtlicher Vorschriften (Tages-
ordnungspunkt 15)
Ernst Hinsken (CDU/CSU): Zu der heutigen Ab-
timmung über das Gesetz zur Umsetzung von Vorschlä-
en zu Bürokratieabbau und Deregulierung aus den Re-
ionen und zur Änderung wohnungsrechtlicher
orschriften möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich
ie vorgesehenen Änderungen in Art. 8 – Änderung des
aststättengesetzes – Nr. l a und b ausdrücklich und
achhaltig ablehne.
Begründung: Im Gaststättengesetz soll die Erlaubnis-
flicht für anderweitige gewerbliche oder freiberufliche
ienstleistungserbringer und den Handel entfallen, wenn
iese eine entgeltliche Abgabe von alkoholfreien Geträn-
en und Speisen im Zusammenhang mit der Erbringung
er Dienstleistung oder dem Handel anbieten. Die wäre
in nicht nachvollziehbarer Wettbewerbsnachteil für
astgewerbliche Unternehmen, die die weiter gehenden
nforderungen des Gaststättengesetzes mit einer Viel-
ahl von Vorschriften und Auflagen, zum Beispiel in Be-
ug auf die Lebensmittelhygiene zu beachten haben.
Weiterhin würde der vorgesehene Entfall der Erlaub-
ispflicht für die Betreibung eines Gaststättengewerbes,
enn dieses nur für einen Tag und ohne die Bereitstel-
ung von Sitzplätzen betrieben wird, die klassische Gas-
ronomie ebenfalls massiv benachteiligen. Damit wären
uch größere Veranstaltungen für einen Tag ohne Beach-
ung von Vorschriften des Jugendschutzes, des Brand-
chutzes und der sicherheitsrelevanten Bestimmungen
owie lebensmittelhygienischer Grundsätze möglich.
In dieser Begründung wird deutlich, dass mit dem
immer (Neuss), Willy CDU/CSU 24.02.2005*
apf, Uta SPD 24.02.2005*
bgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
15054 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
(A) )
(B) )
Wettbewerbsnachteile des etablierten Hotel- und Gast-
stättengewerbes sowie anderer mittelständischer Unter-
nehmen abgebaut werden können.
Um die übrigen richtigen Vorschläge zu Bürokratie-
abbau und Deregulierung nicht zu gefährden, stimme ich
dem Gesetzentwurf als Ganzem zu.
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Maria Michalk (CDU/CSU)
zur Abstimmung über den Entwurf eines Ge-
setzes zur Umsetzung von Vorschlägen zu
Bürokratieabbau und Deregulierung aus den
Regionen zur Änderung wohnungsrechtlicher
Vorschriften (Tagesordnungspunkt 15)
Zu der heutigen Abstimmung über das Gesetz zur
Umsetzung von Vorschlägen zu Bürokratieabbau und
Deregulierung aus den Regionen und zur Änderung
wohnungsrechtlicher Vorschriften gebe ich folgende Be-
denken zu Protokoll: Im Gaststättengesetz soll mit Än-
derungen in Art. 8 Nr. 1 a und b die Erlaubnispflicht für
anderweitige gewerbliche oder freiberufliche Dienstleis-
tungserbringer und den Handel entfallen, wenn diese
eine entgeltliche Abgabe von alkoholfreien Getränken
und Speisen im Zusammenhang mit der Erbringung der
Dienstleistung oder dem Handel anbieten. Dies ist ein
Wettbewerbsnachteil für gastgewerbliche Unternehmen,
die die weiter gehenden Anforderungen des Gaststätten-
gesetzes mit einer Vielzahl von Vorschriften und Aufla-
gen zum Beispiel in Bezug auf die Lebensmittelhygiene
zu beachten haben.
Ein weiterer Nachteil entsteht durch den vorgesehe-
nen Entfall der Erlaubnispflicht für die Betreibung eines
Gaststättengewerbes, wenn dieses nur für einen Tag und
ohne die Bereitstellung von Sitzplätzen betrieben wird.
Damit sind auch größere Veranstaltungen für einen Tag
ohne Beachtung von Vorschriften des Brandschutzes und
der sicherheitsrelevanten Bestimmungen sowie lebens-
mittelhygienischer Grundsätze möglich.
Leider ist mit dem berechtigten Vorhaben des Büro-
kratieabbaus im Gesetz eine erhebliche Benachteilung
etablierter Betriebe verbunden. Deshalb ist aus meiner
Sicht eine Überprüfung notwendig, inwieweit diese ent-
standenen und möglichen weiteren Wettbewerbsnach-
teile des etablierten Hotel- und Gaststättengewerbes so-
wie anderer mittelständischer Unternehmen abgebaut
werden können.
Um die übrigen richtigen Vorschläge zu Bürokratie-
abbau und Deregulierung nicht zu gefährden, stimme ich
dem Gesetzentwurf als Ganzem zu.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Internationale sport-
liche Großveranstaltungen gleichermaßen för-
dern (Tagesordnungspunkt 14)
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Dagmar Freitag (SPD): Wir diskutieren heute den
nions-Antrag mit dem schönen Titel „Internationale
portliche Sportveranstaltungen gleichermaßen fördern“.
ie Zielrichtung bleibt leider auch nach mehrmaligem
onzentrierten Lesen unklar. Auf den ersten Blick wird
llerdings klar, dass unbestrittene Ärgernisse bei der
ergabe internationaler Sportveranstaltungen der Bun-
esregierung angelastet werden sollen. Das kann nur
erwundern.
Gleiches gilt auch für die Forderungen, die konkret an
ie Bundesregierung gestellt werden. Nehmen wir mal
in Beispiel heraus: Sie fordern die Bundesregierung
uf, sich auf internationaler Ebene für andere Modalitä-
en bei der Vergabe von sportlichen Großveranstaltungen
inzusetzen. Ich erinnere mich gut daran, dass wir 1999
iesen Aspekt bei der Diskussion um die steuerliche Be-
andlung der Fußball-WM in unserem Land behandelt
aben. Und wir waren uns einig, dass es wünschenswert
äre, wenn Regierungen Einfluss nehmen könnten.
ber die Lebenswirklichkeit ist eine andere: Kein Welt-
erband wird Eingriffe in seine wirtschaftlichen Planun-
en hinnehmen; im Gegenteil: man wird sich entspre-
hende Einmischungen und Ratschläge von welcher
egierung auch immer verbitten. Auch auf internationa-
er Ebene gilt die Autonomie des Sports.
Aber auch wenn es sich utopisch anhört, letztlich
ann sich nur der Sport selbst solchen Forderungen wi-
ersetzen. Gelingt dies nicht, wird sich die Schraube im-
er weiter drehen, letztlich mit unabsehbaren Folgen für
en Sport.
Nun zum nationalen Part Ihres Antrages. Highlight
hrer Forderungen ist hier folgender Passus: „Der deut-
che Bundestag fordert die Bundesregierung auf, … in-
ernationale Sportveranstaltungen in Deutschland gemäß
hrer Bedeutung gleichermaßen angemessen zu fördern.“
iesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen las-
en. Entweder man fördert „entsprechend der Bedeu-
ung“ oder aber man fördert „gleichermaßen“. Und was
st nach Ihrer Ansicht „angemessen“? Die Diskussionen
öchte ich erleben.
Ich zitiere weiter:
Dies reicht von der Unterstützung bei der Errich-
tung bzw. Ausgestaltung von Sportstätten bis hin
zur Hilfe zur Organisation der Veranstaltung und
dem kulturellen Rahmenprogramm.
m Feststellungsteil beklagen Sie noch die Tatsache,
ass die öffentliche Hand zunehmend mit hohen Sum-
en in internationale Topevents mit eingebunden ist,
nd wenige Zeilen später fordern Sie die Bundesregie-
ung auf, die Veranstaltungen mehr oder weniger kom-
lett zu übernehmen: Sportstättenbau, Organisation,
ahmenprogramm. Widersprüchlich ist eine wirklich
ilde Bewertung für diese Forderungen. Und was den
portstättenbau angeht, muss sich diese Bundesregie-
ung nun wirklich nicht verstecken.
Sie behaupten weiter, dass „Bund und Länder wegen
hrer angespannten Haushaltslage die Investitionen beim
pitzen- und Breitensport massiv gekürzt“ hätten. Wahr-
cheinlich haben Sie da an Baden-Württemberg gedacht.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15055
(A) )
(B) )
Dieses unionsgeführte Bundesland kehrt im Bereich der
Sportförderung in der Tat gerade mit dem eisernen Be-
sen. Und nur der meines Wissens erste Streik von unzäh-
ligen Breitensportlern hat ein begrenztes Einlenken Ihrer
Landesregierung zur Folge gehabt. Der Bund hat dage-
gen seine Sportförderung trotz globaler Kürzungen auf
einem stabilen hohen Niveau gehalten.
Sie stellen in Ihrem Antrag fest, dass „Deutschland in
den vergangenen Jahrzehnten herausragender Gastgeber
unter anderem bei Olympischen Spielen und zahlreichen
Welt- und Europameisterschaften war“. Richtig, und das
trotz der angeblich so unzulänglichen Bedingungen.
Natürlich kennen wir wie Sie die Diskussionen im
deutschen Sport und die Unzufriedenheit einzelner
Spitzenverbände mit bestimmten Rahmenbedingungen.
Kritik wird immer wieder am mittlerweile zu medialer
Berühmtheit gelangten § 50 Abs. 7 Einkommensteuerge-
setz geübt. Es gibt derzeit Bestrebungen im Sport, an-
dere als die bislang im Gesetz stehenden Kriterien für
eine Steuerbefreiung oder -minderung festzulegen. Ich
glaube nicht, dass das zur Problemlösung beiträgt. In der
überwiegenden Zahl der Bewerbungen spielt die Frage
der Besteuerung eine eher untergeordnete Rolle. Anders
ist die hohe Zahl von erfolgreichen deutschen Bewer-
bungen – jüngstes Beispiel ist die Leichtathletik-WM
2009 in Berlin – nicht zu erklären.
Ein Blick ins Ausland bestätigt im Übrigen diese Ein-
schätzung: Australien zum Beispiel ist ebenfalls regel-
mäßig Gastgeber für eine große Anzahl hochkarätiger
internationaler Sportveranstaltungen, in diesem Jahr der
Deaflympic Games, 2006 der Commonwealth Games
und 2007 der Schwimm-WM. Wie sieht die Steuer-
gesetzgebung dort aus? Ähnlich wie in Deutschland.
Ausländische Sportler müssen, als steuerpflichtige Aus-
länder das gesamte in Australien erzielte Einkommen
versteuern. Auch Preisgelder und andere geldwerte Vor-
teile unterliegen in Australien grundsätzlich der Steuer-
pflicht. Steuerliche Fragen spielen auch nach Einschät-
zung des Sportministers von Victoria, Justin Madden für
Erfolg oder Misserfolg der Bewerbung keine entschei-
dende Rolle.
Fazit: Deutschland war und ist ein guter Standort für
den Sport und wird es mit dieser Regierung auch blei-
ben.
Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Die CDU/CSU-
Fraktion hat heute einen Antrag mit dem Titel „Interna-
tionale sportliche Großveranstaltungen gleichermaßen
fördern“ vorgelegt. Darin stellen sie fest, dass „Deutsch-
land in den vergangenen Jahrzehnten herausragender
Gastgeber unter anderem bei Olympischen Spielen so-
wie zahlreichen Welt- und Europameisterschaften“ war.
Das stimmt. Mehr noch: Diese Aussage ist heute aktuel-
ler denn je.
Was allerdings an Sinnlosigkeiten in diesem Antrag
gefordert wird und an Dingen, die nicht in den Aufga-
benbereich der BR fallen, ist erstaunlich.
Die CDU/CSU stellt nur Forderungen, ohne anzuer-
kennen, welche Leistungen diese Bundesregierung unter
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en gegebenen nationalen und internationalen Rahmen-
edingungen in der Einwerbung von sportlichen Groß-
eranstaltungen bereits geleistet hat.
Diese Bundesregierung hat in den vergangenen Jah-
en entscheidend dazu beigetragen, zahlreiche hochkarä-
ige Veranstaltungen nach Deutschland zu holen. Von
004 bis zum Ende des Jahrzehntes finden die Champio-
ate in fast allen olympischen Top-Sportarten in
eutschland statt. Über 25 Weltmeisterschaften – darun-
er so herausragende wie Fußball, Hallenhandball, Rei-
en, Tischtennis, Hockey und zahlreiche Wintersport-
rten – stehen bis 2010 auf dem Programm. Das ist nicht
ur unsere Sportagenda 2010, sondern das beschreibt
uch schon heute die Sportwirklichkeit. Eine vergleich-
are Zusammenballung von sportlichen Höhepunkten
at es in der gesamten deutschen Geschichte nur von
972 bis 1978 gegeben – in der Zeit der SPD-Bundes-
anzler Willy Brandt und Helmut Schmidt.
Ich will das aktuell nur an den in Deutschland stattfin-
enden Weltmeisterschaften illustrieren. In diesen Tagen
treiten die Athleten bei der Nordischen Ski-WM in
berstdorf um die Titel. Im Juni finden der Confedera-
ions Cup und die Beachvolleyball-WM statt.
Im Sommer folgt ein weiteres Highlight: In diesem
ahr wird Deutschland mit der Stadt Duisburg Gastgeber
ein für die World Games 2005. Dazu kommen weitere
eltmeisterschaften: Fechten in Leipzig, Rad-Querfeld-
in in St. Wendel, Röhnrad in Aachen, Hallenradsport in
reiburg, Taek-Wan-Do in Dortmund und Drachenboot
nd 505er-Klasse.
Dass wir im Jahr 2006 Ausrichter für die Fußball-
M und die Weltreiterspiele in Aachen sein werden,
issen Sie alle. Aber auch die Tischtennis-WM im Mai
n Bremen und die Hockey-WM im September in Mön-
hengladbach werfen ihre Schatten voraus.
2007 schließlich wird Deutschland unter anderem
astgeber der Handball-WM sein, wo aufgrund der
röße unserer Sportstätten schon jetzt klar ist, das wir
uch einen Besucherweltrekord zu verzeichnen haben
erden.
Der Winter 2008 wird vom Bob- und Skeletonfahren
n Altenberg, Rodeln in Oberhof und Eisstockschießen
m Berchtesgadener Land dominiert sein.
Im Sommer 2009 folgt mit der Leichtathletik-WM in
erlin ein weiteres absolutes Top-Event.
Die einzige Bewerbung, die in all den Jahren an steu-
rlichen Gesichtpunkten gescheitert ist, war die Bewer-
ung um die Eishockey-WM – und die wurde ja bekann-
ermaßen von einem unionsgeführten Land geblockt.
eute ist der Presse zu entnehmen, dass sich der Deut-
che Eishockey-Bund um die WM 2010 beworben hat –
offentlich stößt er diesmal in Bayern auf sportfreund-
ichere Ohren.
Die rot-grüne Bundesregierung hat einen wesent-
ichen Beitrag zum heutigen Stellenwert des Sportstand-
rtes Deutschland in der internationalen Sportpolitik ge-
eistet. Die aktive Rolle und die große persönliche
15056 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
(A) )
(B) )
Unterstützung von Bundeskanzler Gerhard Schröder ha-
ben die Zielrichtung vorgegeben.
Das Engagement und die kontinuierliche Präsenz des
Bundesinnen- und Bundessportministers Otto Schily
– übrigens „der stärkste Sportminister, den Deutschland
je hatte“ – so Prof. Helmut Digel, Vizepräsident des
IAAF – und „ein Glücksfall für den deutschen Sport“ –
so Theo Zwanziger, Co-Präsident des DFB und CDU-
Funktionär – in den Bewerbungsverfahren haben aus
Deutschland wieder ein Land gemacht, in dem interna-
tionale Spitzenverbände des Sports sich sicher sein
können, ihre Sportevents bestmöglich durchführen zu
können. Daher genießt die Bundesregierung auf natio-
naler und internationaler Ebene hohe Wertschätzung für
ihr sportpolitisches Engagement.
Dieses Engagement beschränkt sich aber nicht nur auf
„aktive Sportveranstaltungen“: Nach schwierigen Ver-
handlungen und gegen starke Mitbewerber, unter ande-
rem Dubai und Melbourne, ist es gelungen, einen der
bedeutensten Sportkongresse nach Deutschland zu ho-
len:
Vom 16. bis 20. April treffen unter der Führung der
General Association of International Sport-Federations
(GAISF) Sportrepräsentanten aus allen Sportbereichen
und Kontinenten in Berlin zusammen, darunter unter an-
derem der Weltverband der Spitzenverbände der Olym-
pischen Sommersportarten (ASOIF), der der Olympi-
schen Wintersportarten (AIOWF) und Vertreter des
Internationalen Olympischen Komitees (IOC). In diesem
Rahmen wird auch das IOC-Exekutivkomitee eine Sit-
zung abhalten. Unsere Bundesregierung, die dieses
Event aus Mitteln des Innenministeriums unterstützen
wird, hat damit einmal mehr bewiesen, dass sie den
Sportstandort Deutschland mehr fördert, als es je eine
Regierung vorher getan hat. Das werden wir auch in Zu-
kunft tun und uns auch weiterhin als zuverlässiger Part-
ner des nationalen und internationalen Sports erweisen.
Eberhard Gienger (CDU/CSU): Großereignisse im
Sport mit Medienpräsenz spielen eine zunehmende Rolle
in unserer Gesellschaft. Das beweisen die Übertragun-
gen der Fußball-Champions-League, der Formel 1, der
jährlich stattfindenden, mehrtätigen Tennis-Turniere, der
Radrundfahrten, der Leichtathletik-Meetings, der Mega-
Events Olympische Spiele oder der Fußball-Europa- und
Weltmeisterschaften. Die staatliche Unterstützung sol-
cher Großereignisse im Sport ist immer wieder Gegen-
stand öffentlicher Diskussion. Die Autonomie des
Sports, die Subsidiarität der Sportförderung sowie die
partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Sport und
Politik bilden die Grundsätze staatlicher Förderung in
der Bundesrepublik. Der Staat will Hilfe zur Selbsthilfe
leisten.
Ich möchte in meinen Ausführungen sowohl die so-
ziale, die ökonomische als auch die repräsentative Funk-
tion herausstellen, die von einer Sportgroßveranstaltung
ausgeht, um der Regierung zu verdeutlichen, wie wichtig
es ist, alle Sportgroßveranstaltungen gleichermaßen zu
fördern und nicht nur die gewinnträchtigsten Verbände,
wie die FIFA und das IOC.
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Die Implementierung eines Präventionsgesetzes zeigt,
ass wir Anreize schaffen müssen, um die Bevölkerung
ieder zum aktiven Sporttreiben zu motivieren. Sport-
roßveranstaltungen lösen positive soziale Wirkungen
uf die Menschen aus. Beispielsweise können sie zu ei-
em wachsenden Sportinteresse führen, das wiederum
ie Menschen anregt, sich im Breitensport zu betätigen.
amit wäre unser Ziel, den Menschen das aktive Sport-
reiben näher zu bringen, tendenziell erreicht. Natürlich
st der Nachfrageboom insbesondere durch die erzielten
rfolge unserer Athleten, bedingt. So war es in den Zei-
en von Franz Beckenbauer, Steffi Graf, Jan Ullrich,
imo Boll, Martin Schmitt, Franzi und noch vielen mehr.
Kommen wir zu den ökonomischen Auswirkungen,
ie von einer internationalen Sportgroßveranstaltung
usgehen. Haben wir erst einmal eine Bewerbung erfolg-
eich abgeschlossen, löst diese Veranstaltung Nachfrage-
rozesse, speziell in der Tourismusbranche, aus. Zusätz-
che Hotelbetten werden benötigt, Restaurants erfreuen
ich eines erhöhten Zulaufs, der Transport zahlreicher
ersonen muss organisiert werden und auch der Verkauf
on Tickets und Merchandisingprodukten bringt zusätz-
che Gelder ein. Zudem führen die zusätzlichen Kon-
um- und Investitionsausgaben zu positiven Beschäfti-
ungseffekten.
Nun kommen wir zum eigentlichen Problem: Welche
portveranstaltung als eine Sportgroßveranstaltung defi-
iert wird und deshalb steuerlich begünstigt wird, liegt
Ermessen der zuständigen Finanzreferenten der Län-
er. Durch den gesetzlichen Rahmen, § 50 Abs. 7 und
50 a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes, wurde der
IFA und dem IOC Steuerbefreiung gewährt. Das war
nd ist durch die weite Auslegung dieser Paragraphen
öglich und das hat die Bundesregierung zu verantwor-
n. Dort heißt es: Steuererleichterungen werden in
sinnvollen Ausnahmefällen“ und nach politischer, öko-
omischer und steuerrechtlicher Überprüfung gewährt.
as sind doch keine Kriterien, mit denen man arbeiten
ann.
Damit sind die Verbände von der Willkür ihrer zu-
tändigen Finanzreferenten auf Landesebene abhängig.
iese können somit nach Gutsherrenart handeln und ge-
en die Bewerbung erst gar nicht an den Bundesfinanz-
inister weiter. Damit gehen, durch die eben genannten
ositiven Effekte, Steuergelder verloren. Das kann und
arf sich Herr Eichel nicht leisten. Die FIFA aber, der
rößte internationale Sportverband, der vor Kraft kaum
ufen kann, wird steuerlich befreit und transferiert die
ingenommenen Gelder in die Schweiz, während der
eutsche Steuerzahler in einer Größenordnung von ins-
esamt 2 bis 5 Milliarden Euro für die Sicherheit, die
nfrastruktur und die Sportstätten der Fußball-WM 2006
ufkommen muss.
Es ist aber nicht einzusehen, warum nur die FIFA und
as IOC volkswirtschaftlichen Nutzen erbringen kön-
en. Auch andere Spitzenverbände ziehen die Men-
chenmassen an und würden somit Steuereinnahmen
ringen. Sie sind jedoch durch das in Deutschland herr-
chende unklare Regelwerk benachteiligt und laufen Ge-
ahr durch die Tatenlosigkeit der rot-grünen Koalition
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15057
(A) )
(B) )
bei der Bewerbung um eine sportliche Großveranstal-
tung zweiter Sieger zu werden. Die erfolgreiche Aus-
richtung einer Sportgroßveranstaltung erzeugt einen
Prestigewert. Schon allein dadurch ist eine staatliche
Intervention in Form einer Steuervergünstigung ge-
rechtfertigt; aber bitte auch für internationale Sportorga-
nisationen, wie den Eishockey-, den Leichtathletikver-
band oder alle olympischen Verbände. Lösen etwa die
Europa- oder Weltmeisterschaften dieser Verbände keine
Synergieeffekte aus?
Wir fordern deshalb von der Bundesregierung, sich
für die Gleichbehandlung der Sportverbände einzusetzen
und ihnen sowohl Rechts- als auch Planungssicherheit
zu geben. Dazu gehört vor allem, klare Kriterien für
Steuervergünstigungen zu schaffen, an denen sich so-
wohl die Verbände als auch die zuständigen Landesfi-
nanzreferenten orientieren können und müssen.
Kollege Reinhold Hemker hat schon in seiner Rede
am 11. April 2003 diesbezüglich mitgeteilt, dass das
Bundesfinanzministerium und das Bundesministerium
für Inneres eine Arbeitsgruppe einrichten, und mit Vehe-
menz versprochen, dass Ergebnisse in Kürze vorliegen
werden. Welche Ergebnisse? Zwar hat die Sportminister-
konferenz die Einrichtung einer solchen Arbeitsgruppe
befürwortet, die Finanzreferenten der Länder haben je-
doch eine Mitarbeit verweigert bzw. lehnen eine solche
Arbeitsgruppe ab. So geht es nicht. Es wird Zeit, dass
hier etwas geschieht. Nach annähernd zwei Jahren sollte
man doch mit einem Ergebnis der Arbeitsgruppe rech-
nen dürfen. Wir stehen aber immer noch auf dem Stand
von 2003 und fordern die Bundesregierung auf, endlich
zu handeln. Aber anstatt einen eigenen Entwurf vorzu-
legen, fordern Sie die Opposition auf, Ihre Arbeit zu er-
ledigen. Legen Sie uns einen Entwurf vor. Sie werden in
uns Mitstreiter für die Gleichbehandlung der Verbände
finden.
Die Bundesregierung gibt Mittel für Fairplay-Kampa-
gnen aus. Ich vermisse ihr Handeln bei der Förderung
von Sportgroßveranstaltungen und ihr Fairplay gegen-
über den nationalen Sportverbänden.
Klaus Riegert (CDU/CSU): Bürgerinnen und Bürger
haben für steuerliche Gleich- oder Ungleichbehandlung
eine hohe Sensibilität entwickelt. Immer mehr Bürgerin-
nen und Bürger fühlen sich durch die Vielzahl von
Steuergesetzen überfordert und übervorteilt. Dies emp-
finden auch unsere Spitzensportverbände. Und dies zu
Recht.
Die Auslegung des § 50 Abs. 7 EStG unterliegt der
Beliebigkeit und der Beurteilung nach Gutsherrenart.
Für eine Steuerbefreiung muss der volkswirtschaftliche
Vorteil erkennbar sein. Der alleine aber scheint nicht
auszureichen.
In ihrer Antwort auf eine schriftliche Anfrage der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Auslegung des § 50
Abs. 7 Einkommensteuergesetz teilt die Parlamentari-
sche Staatssekretärin Hendriks am 21. September 2004
mit: „die volkswirtschaftlichen Vorteile der Eishockey-
weltmeisterschaft werden als nicht derart bedeutsam ein-
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eschätzt“, dass eine Steuerbefreiung gerechtfertigt
äre. Was heißt derart bedeutsam? Entscheidet die
ichtweise eines Steuerreferenten auf Landesebene, ob
ine Steuerbefreiung gewährt wird oder nicht? Es wird
eschätzt, nicht berechnet, nicht gewertet. Was sind
olkswirtschaftliche Vorteile? Übernachtungszahlen,
nzahl der Touristen, das Bruttosozialprodukt, das Geld,
as wegen der Veranstaltung nach Deutschland fließt,
nd die damit verbundenen Steuereinnahmen? Die Ent-
cheidungsgrundlage wird nicht offen gelegt.
Unsere Sportverbände brauchen klare, nachvollzieh-
are und überprüfbare Kriterien und nicht Beliebigkeit.
Der volkswirtschaftliche Vorteil einer sportlichen
roßveranstaltung ist gleichermaßen im nicht monetären
ereich zu sehen. Zahlreiche Untersuchungen belegen:
ede sportliche Großveranstaltung stärkt die Breiten-
portbewegung, regt vor allem junge Menschen zum
porttreiben an. Sport fördert einen gesunden Lebensstil.
usammen mit der sozialen und integrierenden Funktion
es Sports führt dies dauerhaft zu einem höheren volks-
irtschaftlichen Vorteil als die eingeengte fiskalische
nd wirtschaftliche Betrachtung eines Steuerreferenten.
Es kann nicht nach dem Motto gehen: Je größer der
erband, je größer die Popularität der Sportart, je höher
ie Zuwendungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunk-
nstalten, je überdimensionierter die Zuwendungen der
ponsoren und deren steuerlichen Abschreibungen, je
öher die staatlichen Subventionen, desto größer ist die
hance, in den Genuss einer Steuerbefreiung zu kom-
en.
Wenn staatliche Investitionen in Milliardenhöhe flie-
en – circa 5 Milliarden bei der Fußballweltmeister-
chaft 2006 –, dann darf man durchaus positive Effekte
rwarten. Sie sind aber nicht ausschließlich dem Ereig-
is zuzurechnen. Diese Milliarden hätten auch in Bil-
ung und Forschung, in Familienpolitik gesteckt werden
önnen mit sicherlich ebenfalls hohen dauerhaften Vor-
eilen für die Volkswirtschaft.
Die Möglichkeit der großzügigen Billigkeitsregelun-
en des § 50 Abs. 7, wie sie von einigen Finanzministern
ervorgehoben wird, kann ich nicht erkennen. Bisher ha-
en nur die FIFA und die Olympischen Spiele von der
teuerbefreiung profitiert. Sonst, so die Auskunft der
undesregierung, kein weiterer Sportverband.
Der Ausrichter der Weltreiterspiele in Aachen rechnet
it einer Wirtschaftskraft von 240 Millionen Euro und
ann in begrenztem Umfang mit einer Steuermäßigung
echnen. Die Höhe ist bekannt. Der deutsche Leichtath-
etikverband fordert Steuerbefreiung für die Leichtathle-
ik-WM 2009. 4 Millionen Euro würde dies ausmachen.
ommt die Steuerbefreiung nicht, müssten mehr Spon-
orengelder aquiriert werden oder das Land Berlin über-
immt eine Ausfallbürgschaft.
Die Steuerbefreiung für die FIFA wird von der Bun-
esregierung nicht genannt. Auch hier herrscht Beliebig-
eit. Wir wollen eine größere Chance bei der Bewerbung
ller nationalen Spitzensportverbände, unabhängig von
er Größe. Sie können nicht mit staatlichen Subventio-
en in Milliardenhöhe rechnen wie zum Beispiel der
15058 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
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Deutsche Fußball-Bund oder die Bewerber um die Aus-
richtung Olympischer Spiele. Sie sollten zumindest im
steuerlichen Bereich nicht nach Belieben behandelt wer-
den.
Wir freuen uns mit Millionen Menschen in Deutsch-
land und in der ganzen Welt auf die Fußballweltmeister-
schaft 2006 in Deutschland. Wir hätten uns auch über
eine erfolgreiche Bewerbung Leipzigs um die Ausrich-
tung der Olympischen Sommerspiele 2012 gefreut. Wir
wenden uns nicht gegen die ausgesprochene Steuerbe-
freiung. Wir wollen aber eine Gleichbehandlung. Sport-
liche Großveranstaltungen aller Spitzensportverbände
erbringen volkswirtschaftliche Vorteile. Dies ist unbe-
stritten.
Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für Rege-
lungen einzusetzen, die eine Gleichbehandlung gewähr-
leisten. Wir brauchen mehr Transparenz, nachvollzieh-
bare Kriterien und eine Offenlegung der Entscheidung.
Die Bundesregierung sollte ihre Untätigkeit endlich auf-
geben. Sie soll auf nationaler und internationaler Ebene
die Initiative ergreifen.
Klar aber ist: Eine internationale Sportgroßveranstal-
tung, die wegen unserer Steuergesetzgebung erst gar
nicht nach Deutschland vergeben wird, bringt ebenfalls
keine Steuereinnahmen. Jeder Euro Umsatzsteuer, Ein-
nahmen für Verpflegung und Übernachtung der Gäste
etc. geht dann als Steuereinnahme ins Plus! Auch diesen
Gesichtspunkt sollten die Finanzpolitiker bedenken.
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die Sportinteressierten wissen, dass zurzeit die Nordi-
sche Ski-WM in Oberstdorf stattfindet. Über die Region
hinaus wird dort Werbung für guten Sport gemacht. Die
Wettbewerbe sind hervorragend organisiert, das Publi-
kum leistet seinen Beitrag zur tollen Atmosphäre. Bei
der Nordischen Ski-WM hat die Frage der Steuerbefrei-
ung keine Rolle gespielt. Dies trifft auch auf viele wei-
tere Sportveranstaltungen zu, die in den kommenden
Monaten und Jahren in Deutschland stattfinden werden.
Daher auch mein Unverständnis über den vorliegen-
den Antrag der Opposition, in dem faktisch eine Blanko-
Steuerbefreiung für alle internationalen Sportveranstal-
tungen in Deutschland gefordert wird. Meiner Meinung
nach ist das nicht erforderlich, es ist nicht sachgemäß
und es ist mit den geltenden Steuergesetzen nicht verein-
bar.
Die jetzige Regelung im § 50 Abs. 7 des Einkommen-
steuergesetzes ist ausreichend. Dort dreht sich alles um
das alleinige Kriterium des volkswirtschaftlichen Nut-
zens der Sportveranstaltung. Erst wenn dieser volkswirt-
schaftliche Nutzen nachgewiesen ist, kann der veranstal-
tende internationale Sportverband von der Zahlung der
Steuer befreit werden.
Die Prüfung der Steuerbefreiung obliegt den Länder-
finanzministern. Leider konnte sich eine Arbeitsgruppe
der Länder bis heute nicht auf transparente Auslegungs-
kriterien verständigen. Der Ball liegt meiner Meinung
nach also weiter bei den Bundesländern. Es gibt übri-
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ens auch keine Initiative des Bundesrates, in dem ja
ekanntlich die CDU/CSU die Mehrheit hat
Aber wir können uns ja auch hier im Deutschen Bun-
estag umsehen: Eine Regelung für eine generelle
teuerbefreiung für Sportveranstaltungen haben Sie
icht in Ihren eigenen Steuerkonzepten unterbringen
önnen. Mit ihrem heutigen Vorstoß findet die CDU/
SU also keine Mehrheit bei den eigenen Finanzpoliti-
ern, Deshalb wurde auch kein Gesetzentwurf durch die
DU/CSU vorgelegt, weil diese Steuerbefreiung
chlichtweg den eigenen Steuervorschlägen widerspre-
hen würde,
Die vorgebrachte Kritik am Steuersystem halte ich
icht für gerechtfertigt. In den Ausschussberatungen ist
ediglich ein Fall bekannt geworden, in dem eine Bewer-
ung – ich rede von der Eishockey-WM 2009 in
eutschland und dem Antrag auf Steuerbefreiung durch
en Deutschen Eishockey-Bund – gescheitert ist und da-
ür die Steuergesetze verantwortlich gemacht wurden.
ch glaube, man sollte hier klarstellen: Problematisch
ind nicht die Steuergesetze, sondern es war die Ent-cheidung im Einzelfall, die kritikwürdig ist. Die Ableh-
ung des Antrags durch die Finanzbehörden kann jedoch
icht dem Bund angelastet werden, sondern es war auf
bene der Bundesländer eine einstimmige Entschei-
ung. Zeigen Sie daher nicht mit einem Finger auf den
und, sondern nehmen Sie 16 Finger und zeigen damit
n Richtung der Bundesländer!
Dagegen ist die Liste der erfolgreichen Bewerbungen
iel länger. Ich möchte ihnen einige schöne Veranstal-
ungen in Deutschland nennen, die neben den Mega-
vents wie Fußball-WM 2006, Welt-Reiterspiele 2006
der Handball-WM 2007 leider nicht so häufig genannt
erden: die Fecht-WM 2005 in Leipzig, die WM 2007
m Bogenschießen in Leipzig, die Turn-WM 2007 in
tuttgart, die Triathlon-WM 2007 in Hamburg oder die
odel-WM 2008 in Oberhof.
Das sind viele Veranstaltungen, auf die wir uns freuen
önnen. Außerdem haben wir damit auch viele Belege,
ass das Steuersystem in Deutschland nun wirklich kein
nüberwindbares Hindernis im internationalen Bewer-
ungsparcours darstellt. Es kommt doch sehr viel mehr
uf die Sportstätten, ein überzeugendes Gastgeberkon-
ept und die Begeisterung der Fans an.
Eine zukunftsgerichtete Sportpolitik sollte sich daher
icht auf das Thema Steuerbefreiung fokussieren. Statt-
essen sollten die Erfahrungen aus den erfolgreichen Be-
erbungen gezogen werden. Das bedeutet, auf eine
berzeugende nationale wie internationale Strategie zu
etzen. Sport, Politik und Wirtschaft sowie Kulturein-
ichtungen müssen an einem Strang ziehen.
Erfahrungsgemäß werden mehrere Anläufe eines na-
ionalen Bewerbers benötigt, um den Zuschlag zur Aus-
ichtung zu erhalten. Es macht daher politisch keinen
inn, schon den ersten Anlauf einer Bewerbung mit ei-
er Steuerbefreiung zu versehen und somit eine Steuer-
efreiung bei notwendigen Folgebewerbungen vorweg-
unehmen.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15059
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Eine Bewerbung auf internationaler Ebene wird
zunehmend von der Überzeugungskraft bei folgenden
Themen und Faktoren abhängig sein: Sicherheit, Infra-
struktur, Umwelt und Verkehr, Medienpräsenz. Alle
Sportexperten sagen, dass Deutschland bei diesen Fakto-
ren sehr gut aufgestellt ist. Wir haben eine gute Infra-
struktur mit konkurrenzfähigen und modernen Wett-
kampfstätten.
Es muss für andere Nationen deutlich werden, dass
auch der internationale Sportbeitrag Deutschlands ver-
stärkt wird. Wer eine Sportveranstaltung bekommen
will, muss sich immer auch um Partnerschaften mit an-
deren Staaten bemühen.
Ich möchte übrigens noch auf eine Entwicklung hin-
weisen, die von den großen Sportorganisationen wie
dem Internationalen Olympischen Komitee, IOC, und
dem Weltfußballverband, FIFA, ausgeht. Zunehmend
wird das so genannte „Kontinentalprinzip“ bei der Ver-
gabe angewendet werden. Das heißt, dass große Sport-
veranstaltungen alle vier Jahre immer auf einem anderen
Kontinent stattfinden werden. Dies wird viele andere
Vergabefaktoren überlagern. Auch deshalb tun wir gut
daran, die Frage der Steuerbefreiung nicht in den Vorder-
grund zu stellen.
Internationale Sportgroßveranstaltungen sind auch in
Zukunft in Deutschland willkommen. Sorgen wir weiter
dafür, gute Gastgeber für die internationale Sportfamilie
und die zahlreichen Besucherinnen und Besucher unse-
res Landes zu sein. Und freuen wir uns gemeinsam auf
gute und faire Sportwettkämpfe in unserem Land.
Detlev Parr (FDP): Sportgroßveranstaltungen schaf-
fen einen enormen Mehrwert. Sie bringen nicht nur die
Sportlerinnen und Sportler der Welt zusammen, sie ha-
ben dazu eine starke wirtschaftliche Bedeutung. Darüber
hinaus haben wir durch solche Veranstaltungen die beste
Möglichkeit, unser Land in aller Welt zu präsentieren.
Durch die Präsenz dieser Sportveranstaltungen in den
Medien können wir weltweit die Menschen erreichen,
die unser Land weniger kennen, und sie für Deutschland
begeistern.
In den letzten Jahren hatten wir das Glück, und das
Geschick, viele sportliche Großveranstaltungen nach
Deutschland zu holen. Man denke in diesem Jahr an die
World Games und an den Confederations Cup. Im kom-
menden Jahr finden dann die Hockey-WM, die Welt-
meisterschaften im Reiten und die Fußball-WM statt. In
den nächsten Jahren folgen Triathlon-WM, Leichtathle-
tik-WM und andere Veranstaltungen.
Alles bestens, mag man also denken. Leider lastet vor
jeder Vergabe einer Sportgroßveranstaltung nach Deutsch-
land die Bürde der so genannten Quellensteuer auf uns
– mit einer Taxierung von 25 Prozent auf Prämien, Start-
geldern und anderen geldwerten Vorteilen. Bei jeder Be-
werbung um internationale Großveranstaltungen wird sie
wieder zum Diskussionsthema. Im letzten Dezember hat
Berlin den Zuschlag für die Leichtathletik-WM 2009
bekommen. Aber die beantragte Steuerbefreiung beim
Finanzamt Hessen ist noch nicht unter Dach und Fach.
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ine Bürgschaft sichert bislang etwaige Verluste ab.
ieser Mechanismus ist mitunter eine Folge des födera-
stischen Systems der Bundesrepublik.
Eine Voraussetzung, um von dieser Steuer befreit zu
erden, beruht auf dem volkswirtschaftlichen Nutzen.
iesen zu definieren ist keine leichte Aufgabe. Hinzu
ommt die Ungerechtigkeit, die ein solches Verfahren
it sich bringt. Der volkswirtschaftliche Nutzen sollte
en Steuerausfall kompensieren, so die gängige Argu-
entation. Wo bleibt dabei die steuerliche Gerechtig-
eit? Dieses Kriterium führt häufig dazu, dass die größe-
en Verbände – in vielen Fällen bereits durch andere
nfrastrukturmaßnahmen im Vorteil – enorm bevorzugt
erden. Der Deutsche Eishockeybund zog beispiels-
eise seine Bewerbung um die WM 2009 erneut zurück,
eil das bayerische Finanzministerium trotz einer anders
autenden Studie des DEB einen volkswirtschaftlichen
utzen verneinte und somit die Steuerbefreiung nicht
uließ. Dabei ist gerade eine Eishockey-WM eine Veran-
taltung, die komplett privat finanziert wird und somit
eine weiteren öffentlichen Mittel in Anspruch nimmt.
Auch die Spitzen in anderen Sportarten weisen immer
ieder auf die Grenzen des jetzigen Systems hin. Der
eschäftsführende DFB-Präsident Zwanziger warb sogar
n einem Brief an Sportminister Schily für die Abschaf-
ung der Quellensteuer. Für die Fußball-WM hat der
FB eine Befreiung für die FIFA durchsetzen können.
s ist aber zu befürchten, dass beispielsweise die UEFA
ein Finale mehr nach Deutschland vergeben wird, so-
nge diese Besteuerung bestehen bleibt. Wir müssen
lso weiterdenken.
Zurzeit ist die Vergabe von Sportgroßveranstaltungen
on der Entscheidung einzelner Finanzreferenten der
änder abhängig. Es ist die Zeit gekommen, einen Krite-
ienkatalog zu erarbeiten, der unabhängig und für alle
portarten auf die gleiche Art und Weise anwendbar ist.
ie Quellensteuer sollte kein Wettbewerbsnachteil für
en Standort Deutschland sein, sondern sollte, wenn
berhaupt, in einzelnen Fällen angewendet werden. Es
t immer noch so, dass eine WM ohne Quellensteuer
esser als gar keine WM im eigenen Lande ist.
Der Antrag der Union geht in die richtige Richtung.
ie hat das Problem erkannt und darum wird die FDP
hrem Antrag zustimmen.
nlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung
von Vorschlägen zu Bürokratieabbau und De-
regulierung aus den Regionen und zur Ände-
rung wohnungsrechtlicher Vorschriften (Tages-
ordnungspunkt 15)
Hubertus Heil (SPD): Deutschland leidet – darüber
ibt es keinen Zweifel – unter der Dichte seiner Regulie-
ungen. Für alles und jedes gibt es mehr oder weniger
innvolle, mehr oder minder strenge Vorschriften. Die
15060 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
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wirtschaftliche Betätigung leidet darunter ebenso wie
das normale bürgerliche Leben.
Für dieses fein gespannte Regulierungsnetz in
Deutschland gibt es ein ganzes Bündel von Ursachen.
Eine davon ist, dass wir mit unserem ausgeprägten
Drang nach Perfektion und Einzelfallgerechtigkeit dazu
neigen, lieber ein ganzes Meer an Vorschriften hinzuneh-
men, als Verantwortung für eine Entscheidung auf uns
zu nehmen.
Um nur ein Beispiel zu geben: das Vergaberecht hat
sich seit den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts
zu einem über 500 Seiten umfassenden Rechtskonglo-
merat entwickelt, das nur noch Fachleute überblicken.
Auftraggeber laufen ständig Gefahr, Verfahrensfehler zu
machen. Verbreiteter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
Abläufe führt zu vielen Prozessen, die drängende öffent-
liche Aufträge und Projekte möglicherweise jahrelang
blockieren. Auf der anderen Seite leidet insbesondere
der Mittelstand unter diesem Zustand. Wegen der Kom-
plexität und Unübersichtlichkeit der Vorschriften ist die
Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen personal-
intensiv und teuer.
Mit der Initiative für Bürokratieabbau fragen wir uns:
Brauchen wir wirklich Rechtsverordnungen, die das Rei-
ten im Wald ausführlich regeln? Das mag zwar ein span-
nender Musterfall für Verfassungsrechtslehrbücher sein,
wir müssen uns aber fragen: Sind solche Rechtsvor-
schriften wirklich notwendig?
Oder ein anderes Beispiel: Es kann doch nicht sein,
dass wir den Gebrauch des traditionellen Funks bei der
Personenbeförderung vorschreiben, wenn moderner, in-
novativer Mobilfunk diese Aufgabe in gleicher Weise
oder noch besser erledigt.
Dort, wo die Regeln eher einengen und eher Wachs-
tumsbremsen für die Wirtschaft darstellen als vernünf-
tige Regulierung, muss Befreiung das vorrangige Ziel
sein. Betroffen sind alle staatlichen Ebenen – die EU, der
Bundesgesetzgeber, die Bundesländer und die Kommu-
nen.
Mit dem heute abschließend zu beratenden Gesetz re-
formieren wir nicht nur den wichtigen Bereich des
Wohngeldrechts. Es fasst in eindrucksvoller Weise viele
zielgenaue Verbesserungen im Gewerbe- und Immis-
sionsrecht zusammen:
Die Gerichtsverfahren können in Zukunft durch die
Länder durch spezielle Abteilungen für Handelssachen
bei den Amtsgerichten beschleunigt werden. Es werden
übermäßige Dokumentationspflichten im Abfallrecht
und Immobilienhandel auf ein angemessenes Maß zu-
rückgeführt. Innovative Techniken für die Abfallverwer-
tung werden durch das Gesetz gefördert. Immissions-
rechtliche Genehmigungen sind zukünftig auf einem
einfacheren und schnelleren Weg möglich. Dadurch,
dass neben herkömmlichen Funkanlagen auch künftig
Mobiltelefone verwendet werden dürfen, passen wir die
Regeln an die Bedürfnisse der Personenförderungsunter-
nehmen an. Im Gaststättenrecht ermöglichen wir, für
Unternehmenskunden in größerem Maße Getränke und
kleine Speisen anzubieten.
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Die Gewerbeordnung und das Gaststättengesetz wer-
en Experimentierklauseln erhalten: Sie ermöglichen es,
erufsausübungsregelungen befristet außer Kraft zu set-
en, um deren Auswirkung auf die Praxis zu untersu-
hen. Bei positiven Erfahrungsberichten ließe sich später
ogar eine vollständige Aufhebung begründen.
Diese Fülle an wichtigen Verbesserungen – nicht nur
ür die konkret Betroffenen – fügt sich damit ein in die
lare Strategie der „Initiative Bürokratieabbau“ der Bun-
esregierung, die wir nachhaltig fördern und unterstüt-
en.
Gemeinsam konzentrieren wir uns auf die fünf Hand-
ungsfelder, die für die Wettbewerbsfähigkeit des Stand-
rtes und die Entlastung der Bürger zentral sind, nämlich
rbeitsmarkt und Selbstständigkeit, Wirtschaft und Mit-
elstand, Forschung und Technologie, Zivilgesellschaft
nd Ehrenamt und, nicht zuletzt, Dienstleistungen und
ürgerservice.
Bisher haben wir im Rahmen dieser Initiative 74 ganz
onkrete Projekte auf den Weg gebracht. Darunter fallen
ie Reform der Handwerksordnung, die Reduktion von
tatistischen Berichtspflichten, die Modernisierung des
eräte- und Produktsicherheitsgesetzes und der Arbeits-
tätten-Verordnung, die Neuordnung der beruflichen Bil-
ung oder auch die Flexibilisierung der Honorarordnung
ür Architekten.
Die „Initiative Bürokratieabbau“ befindet sich im
eitplan: Knapp die Hälfte der Projekte sind bereits zum
bschluss gebracht worden. Bis zum Jahr 2006 werden
lle abgeschlossen sein.
Der heute zu beschließende Gesetzentwurf ist auch
in Ergebnis der vielen Ideen, die die Modellregionen
räsentiert haben. Zehn dieser Vorschläge sind in das
esetz eingeflossen und sollen als bundesweite Rege-
ungen umgesetzt werden.
Den Regionen möchte ich an dieser Stelle ein großes
ob aussprechen. Sie haben mit ihrem Engagement, ih-
em Ideenreichtum in einem erstmals durchgeführten
erfahren die Grundlage für die Gesetze geschaffen, die
ir im Deutschen Bundestag heute verabschieden, noch
erabschieden werden oder sogar schon verabschiedet
aben.
Ohne Risikobereitschaft ist dieser Erneuerungspro-
ess, der für unsere Wirtschaft, vor allen Dingen für un-
eren Mittelstand, und unsere Wettbewerbsfähigkeit un-
rlässlich ist, nicht zu schaffen. Wer Regeln abbauen
ill, stößt zuallererst auf die „Bedenken“ derer, die frü-
er einmal ihre Wünsche durchsetzen konnten, auf eta-
lierte Interessen. Interessant ist, dass gerade die, die
onst am lautesten nach „Deregulierung“ rufen, genau
ann alles beim Alten belassen wollen, wenn es um die
ahrung eigener Besitzstände geht.
Deregulierung ist für uns kein ideologischer Selbst-
weck. Wir wollen keinen rechtsfreien Raum, in dem der
tärkste sich rücksichtslos auf Kosten der Allgemeinheit
urchsetzen kann.
Wir werden unseren Weg entschlossen weiter verfol-
en: Wir werden den wirksamen, handlungsfähigen
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15061
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Staat bewahren, der für fairen Wettbewerb, Chancen-
gleichheit und nötigen sozialen Ausgleich sorgen kann.
Wir werden auch weiterhin ernsthafte Bedenken ernst
nehmen und Bewahrenswertes bewahren. Aber wir wer-
den mit weiteren Gesetzen, wie dem hier vorliegenden,
die Innovationsfähigkeit unseres Landes beweisen – und
die Bürgerinnen und Bürger auf diesem Weg mitneh-
men.
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Der uns heute
vorliegende Gesetzentwurf trägt den Titel „Entwurf ei-
nes Gesetzes zur Umsetzung von Vorschlägen zu Büro-
kratieabbau und Deregulierung aus den Regionen“. Die-
ses kleine Gesetz ist das Ergebnis einer der wenigen
guten Ideen der Bundesregierung. Das Ergebnis ist lei-
der so dürftig, dass es schon beschämend ist. Darum ist
die Debatte für eine so späte Stunde auf die Tagesord-
nung gesetzt worden. Die Regierung traut sich nicht,
diesen blamablen Entwurf zu normalen Tageszeiten zu
präsentieren. Sie hofft, dass die Journalisten schon
schlafen.
Dass sie es unterlassen hat, auf die Kritik des Bundes-
rates an ihrem Entwurf einzugehen, dass sie die Debatte
zweimal verschoben hat – dies sind nun wirklich eindeu-
tige Indizien, wie sehr sie sich innerlich von diesem Ent-
wurf distanziert hat. Es ist unverschämt, anderthalb Tage
vor der Debatte einen ressortübergreifenden Änderungs-
antrag in Form eines komplizierten Artikelgesetzes vor-
zulegen.
In seiner Eindruck erweckenden Anfangsphase ver-
kündete der Wirtschaftsminister uns die Idee von
Modell-, Test- bzw. Innovationsregionen. Wolfgang
Clement griff damit auf Vorschläge des Altbundeskanz-
lers Helmut Schmidt zurück, der sich hierzu bereits in ei-
nem eindrucksvollen Artikel in der „Zeit“ vom 4. Okto-
ber 2001 geäußert hat.
Über ein halbes Jahr dauerte es dann, bis die drei Mo-
dellregionen Ostwestfalen-Lippe, Bremen und West-
mecklenburg ins Rennen gingen. Ihnen zur Seite stellte
das BMWA die Unternehmensberatung Roland Berger
sowie die Bertelsmann-Stiftung.
1 000 Vorschläge, daraus 34 Vorschläge als Kabinett-
vorlage, 29 Vorschläge als Kabinettsbeschluss, daraus
neun im vorliegenden Artikelgesetz.
Auch die Verbände, die Wirtschaft sowie der Bundes-
rat sehen dieses Gesetz nur als allerersten zaghaften An-
satz. Die Unionsfraktion ist sehr enttäuscht von den er-
folglosen Bemühungen der rot-grünen Bundesregierung
auf diesem Gebiet. Die Idee der Testregionen ist still und
leise begraben worden. Denn direkte bundesweite Um-
setzung von Entbürokratisierungsvorschlägen bedeutet
immer nur eine Einigung auf kleinstem Nenner.
Doch der Wirtschaftsminister hat Anfang Februar un-
ermüdlich die zweite Phase der Testregionen ausgerufen.
Die Hoffnung auf „Vor-Ort-Testen“ wurde diesmal we-
nigstens gleich zu Anfang genommen. Es stellt sich die
Frage, wozu dann das Ganze – bloße Einrichtung regio-
naler Kummerkästen? Und welche Testregionen werden
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ich nun melden, nach den enttäuschenden Erfahrungen
er letzten drei Regionen?
Insgesamt betrachtet ist die Initiative Bürokratieab-
au gescheitert. Mittlerweile gibt es 103 Projekte, von
enen in knapp zwei Jahren 26 abgeschlossen wurden.
ie Bundesregierung hat kein Konzept. Was fehlt, ist
as planvolle und zielgerichtete Vorgehen, welches sich
icht auf Einzelmaßnahmen beschränken darf.
Bürokratieabbau darf einen bestimmten thematischen
ahrplan nicht vermissen. Die Bundsregierung benennt
war auf ihrer Homepage ihre fünf strategischen Hand-
ungsfelder zum Bürokratieabbau; wo diese aber in ih-
em ersten Artikelgesetz wiederzufinden sind, bleibt ihr
eheimnis. Bürokratieabbau muss aber bei den dring-
ichsten Bereichen anfangen.
Die Union hat der Regierung ausgereifte Vorarbeiten
räsentiert. Wir haben zwei Anträge, einen systemati-
chen Antrag mit einem dauerhaft geltenden Grundkon-
ept und einen Antrag, in dem wir die wichtigsten Berei-
he benennen, die es als Erstes anzugehen gilt.
Unsere Forderungen lauten – ich habe sie bereits des
fteren an dieser Stelle erwähnt, aber ich werde nicht
üde, gute Vorschläge immer wieder zu benennen –:
bschaffung des Verbandsklagerechts, denn die kata-
trophale Verzögerung wichtiger Infrastrukturprojekte
urch Verbandsklagen darf Deutschland nicht länger
ahm legen. Das grauenhafteste Beispiel ist hier der
rankfurter Flughafen: Die Planungsunterlagen für den
au der neuen Landebahn sind aneinander gereiht länger
ls die neue Bahn mit ihren geplanten 2 800 Metern
elbst. 650 Sätze von je 60 Aktenordnern mit gut 17 500
extseiten, 790 Plänen und Karten sowie 34 Gutachten
ind ein Beitrag zur Beschäftigung der Papierindustrie;
ie schaden aber unserem Standort im internationalen
ettbewerb. Und von der Idee bis zur Umsetzung wer-
en schätzungsweise zwölf Jahre verstreichen. Bei ei-
em 3 Milliarden Euro teueren Investitionsprojekt mit
00 000 neuen Arbeitsplätzen ist diese Bürokratielast
nverzeihlich.
Die Union will die Azubis aus der Schwellenwertbe-
echnung herausnehmen und den Pro-rata-temporis-
rundsatz bei der Berücksichtigung von Teilzeitbeschäf-
igten in den Schwellenwerten festschreiben. Deutsch-
ands annähernd 160 bestehenden sozialpolitischen
chwellenwerte sind radikal zu vereinfachen.
Ein Grundübel und die Hauptursache der leeren Ver-
prechungen beim Bürokratieabbau aber ist das Men-
chenbild der Bundesregierung. Das Problem ist näm-
ich, dass sie den Bürgerinnen und Bürgern in diesem
taat nichts mehr zutraut. Sie schreibt ihnen alles per
esetz vor, da sie nur an den regelnden Arm des Gesetz-
ebers glaubt. An die Kreativität und den Mut der Bür-
er hat sie noch nie geglaubt.
Wie kann es dann sein, dass eine Staatssekretärin von
undesminister Otto Schily, dem das Thema Bürokratie-
bbau unterstellt ist, erst jüngst folgende Äußerung von
ich gibt: „Ein schlanker Staat, der dünn ist und keine
raft hat, ist nicht das, was wir uns wünschen“?
15062 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
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Jüngster Beweis der Einstellung der Bundesregierung
zu ihren Wählerinnen und Wählern ist das ADG. Wenn
eine Bundesregierung in Zeiten schwächster Konjunktur,
wachsender Arbeitslosenzahlen und überhandnehmen-
der Bürokratie ein solches Gesetz verabschiedet, dann
kann man nur noch die Hände vors Gesicht schlagen.
Der Weg zu Neueinstellungen wäre damit bei uns end-
gültig versperrt. Der einzige Bereich, in dem neue Be-
schäftigung geschaffen würde, wären Anwälte, Gerichte
und Archivare.
Dieses Gesetz ist eine unheilvolle Gemengelage aus
komplizierten Regelungen zu Negativ- und Unschulds-
beweisen, aus Haftung für Diskriminierung durch Dritte
und aus Haftung bei bloßer Gefahr der Diskriminierung.
Außerdem enthält es ein Klagerecht der Gewerkschaften
nach Forderungsabtretung. Dabei verlangt Brüssel dies
gar nicht. Es gibt ein gutes Zitat von Herrn Verheugen zu
dem Problem:
Die deutsche Umsetzung der EU-Gesetzgebung
gleicht einem Pferd, dem nach Durchlaufen des
deutschen Gesetzgebungsverfahrens so viel drauf-
gesattelt wird, dass es danach als Kamel mit zwei
Höckern im Bundesgesetzblatt steht.“
Die Bundesregierung sollte ihre gesetzgeberische
Energie darauf ausrichten, in die andere Richtung zu
marschieren, also Gesetze zu entschlacken. Aber sie will
ja keinen schlanken Staat!
Der Arbeitgeber verliert die Freiheit, in seinem Be-
trieb diejenigen zu beschäftigen, die er beschäftigen
möchte. Der Mensch mit seiner ganzen Persönlichkeit
bleibt so auf der Strecke. Menschen mit schlechteren
Noten werden schlechte Karten haben. Diskriminieren
bedeutet übrigens „unterscheiden“, es ist somit ein neu-
tral besetzter Begriff. Will die Bundesregierung im Ernst
alltägliches Unterscheiden sanktionieren?
Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit dem Chef von
Fraport. Er hat mir erklärt, was es bedeutet, bei jährlich
16 000 Einstellungen für jeden, den man nicht nimmt,
genau zu dokumentieren, warum man ihn nicht nimmt.
Hier wird ein gigantisches bürokratisches Monster ge-
schaffen. Die Dummen sind natürlich wieder ganz be-
sonders die mittelständischen Unternehmen, die keine
üppig ausgestattete Rechtsabteilung haben.
Dieses Bevormundungsgesetz zeigt deutlich den Un-
terschied zwischen unserem Menschenbild und dem der
Regierung. Wir sind für die eigenverantwortliche Frei-
heit des Einzelnen. Dies umfasst auch die Freiheit, Ver-
träge zu schließen, mit wem man will. Die Regierungs-
fraktion aber hat keinerlei Vertrauen in die Bürger und
regelt daher alles, was man – noch – tun darf, in Geset-
zen. Sie schafft die Vertragsfreiheit ab, die die Grund-
lage für Privateigentum und unsere soziale Marktwirt-
schaft ist.
Es geht um den Wahnsinn Bürokratie. Wir leben im-
mer noch in Zeiten, in denen Kommunen die Standfes-
tigkeit von Grabsteinen durch amtlich geprüfte Grab-
steinrüttler überprüfen, weil einmal ein umgefallener
Grabstein eine Friedhofsbesucherin verletzt hat.
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Die Bundesregierung sollte die jüngste Allensbach-
mfrage in der „FAZ“ als tiefrotes Warnsignal nehmen.
uf die Frage „Was schadet der deutschen Wirtschaft
or allem, was beeinträchtigt die Zukunftschancen der
eutschen Wirtschaft besonders?“ geben 83 Prozent der
efragten die Antwort „Zu viel Bürokratie, zu viele Ge-
etze und Verordnungen“. Erst als Zweites werden hohe
teuern und Abgaben genannt.
Wie lange will die Bundesregierung also noch untätig
erumsitzen? Sie sollte mehr auf die Bürger vertrauen
nd staatliche Überregulierung zurückdrängen.
Birgit Homburger (FDP): Bundeswirtschaftsminis-
er Wolfgang Clement war angetreten, überflüssige Bü-
okratie abzubauen. Sein großspurig als Masterplan Bü-
okratieabbau bezeichnetes Vorhaben ist längst zu den
kten gelegt. Der heute vorliegende Gesetzentwurf
tand schon mehrfach auf der Plenartagesordnung. Er
urde mehrfach kurzfristig abgesetzt, da man unbedingt
och Änderungsanträge des Bundesrates einarbeiten
ollte. Wer nun aber erwartet hätte, dass zwischenzeit-
ich nachgebessert wurde, um so substanziell und quali-
ativ beim Bürokratieabbau einen Fortschritt zu errei-
hen, sieht sich getäuscht. Die wohnungsrechtlichen
orschriften wurden aus dem Gesetzentwurf herausge-
ommen, die Überschrift wurde neu gefasst und die Ar-
ikel neu durchnummeriert.
Von den 28 Punkten Änderungsvorschläge des Bun-
esrates werden mit dem seit gestern reichlich spät, aber
ndlich vorliegenden Änderungsantrag, gerade einmal
rei übernommen. Daneben wird mit dem Änderungsan-
rag wieder einmal der eigene Gesetzentwurf von Rot-
rün an etlichen Stellen verschlechtert.
Warum gibt Minister Clement nicht endlich den Weg
u liberaleren Ladenschlussregelungen der Länder frei?
arum schafft er nicht die Pflichtrestmülltonne von
ewerbeabfällen ab? Warum setzt er sich nicht intensi-
er für die generelle Umstellung der Umsatzsteuervor-
uszahlung auf die Ist-Besteuerung ein? Alles das hat
er Wirtschaftsminister schon vorgeschlagen. Alles das
ürde wenigstens zu spürbaren Kostenentlastungen
ühren. Mit all dem ist er aber stets im Kabinett ge-
cheitert. Übrig bleiben solche Gesetzentwürfe, wie der
orliegende. Damit können einige wenige Vereinfa-
hungen erreicht werden, die allerdings nicht wirklich
ostenrelevant sind. Die enormen Kosten komplizierter
teuer- und Abgaberegelungen, des zu starren Arbeits-
echts, umfangreicher statistischer Meldepflichten oder
ines hoch komplizierten Umweltrechts hemmen Wirt-
chaftswachstum und Beschäftigung und behindern den
itter nötigen Aufschwung. Im Bereich dieser zentralen
ostenblöcke tut sich mit diesem Gesetzentwurf weiter-
in nichts, obwohl eine vom Bundeswirtschaftsminister
n Auftrag gegebene Studie des Instituts für Mittel-
tandsforschung die jährliche Belastung der Unterneh-
en zwischenzeitlich bei 46 Milliarden Euro taxiert.
Angesichts der Tatsache, dass dieser Gesetzentwurf
ie Vorschläge der von Bundeswirtschaftsminister
lement eingerichteten so genannten „Testregionen für
nnovationsregionen“ umsetzen soll, ist der Gesetzent-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15063
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wurf eine Blamage. Von den mit großem Aufwand in
drei Testregionen erarbeiteten tausend Vorschlägen wer-
den jetzt nur wenige, vergleichsweise unwesentliche um-
gesetzt. Der Gesetzentwurf offenbart erneut, dass sich
Herr Clement in der Bundesregierung nicht durchsetzen
kann. Dabei ist der Abbau von Bürokratie ein wichtiger
Baustein für den Aufschwung.
Die FDP steht konsequent für Bürokratieabbau. Der
Änderungsantrag enthält, ebenso wie der ursprüngliche
Gesetzentwurf, einige Kleinigkeiten, die in Richtung
Bürokratieabbau gehen. Gleichzeitig enthält er zum Bei-
spiel im Gaststättenrecht Verschlechterungen, die mit
Punkt 3.1. des Änderungsantrags noch weiter verschärft
werden. Hier wird mehr, nicht weniger Bürokratie ge-
schaffen. Dieser Punkt wurde im Übrigen vom Bundes-
rat nicht gefordert, sondern von den Koalitionsfraktio-
nen reingemogelt.
Vorschläge des Bundesrates zur Entbürokratisierung
im Gaststättenrecht, zum Beispiel betreffend Art. 8 Nr. 01,
die wenigstens eine gewisse kostenentlastende Wirkung
hätten entfalten können, werden hingegen nicht aufge-
nommen.
Im Übrigen stellt sich die Frage, ob die unter Punkt 4
des Änderungsantrages aus dem Vorschlag des Bundes-
rates übernommene Änderung wirklich Sinn macht. Dort
wird die Bußgeldobergrenze erhöht für Betriebe, die
nach der Gewerbeordnung einen jährlichen Prüfbericht
vorlegen müssen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass
Gewerbetreibende diesen Prüfbericht „häufig nicht,
nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vor-
legen“. Deshalb solle die Erhöhung des Bußgeldes die
Motivation der Gewerbetreibenden zur Abgabe der Un-
terlagen erhöhen. Dies ist nicht wirklich ein Vorschlag
zum Bürokratieabbau, eher ein Vorschlag zur Einnahme-
verbesserung beim Staat. Bundesrat und Koalition hät-
ten sich besser damit beschäftigt, wie die komplizierten
Anforderungen so vereinfacht werden können, dass be-
troffene Gewerbetreibende die Anforderungen schnell
und ohne großen Aufwand erfüllen und damit problem-
los fristgerecht abgeben können.
Als Fazit bleibt festzuhalten: Der Gesetzentwurf ent-
hält ebenso wie der Änderungsantrag Elemente, die in
die richtige Richtung gehen. Sie enthalten beide aber
auch Elemente zusätzlicher Bürokratisierung. Ansonsten
bleibt das Ganze eine Ansammlung kaum kostenrelevan-
ter Petitessen. Aus diesen Gründen lehnt die FDP-Bun-
destagsfraktion sowohl den Änderungsantrag als auch
den Gesetzentwurf ab und stellt fest, dass Bundeswirt-
schaftsminister Clement beim Bürokratieabbau vollstän-
dig gescheitert ist.
Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Arbeit: Ihnen liegt heute der
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung von
Vorschlägen zu Bürokratieabbau und Deregulierung aus
den Regionen zur Beschlussfassung vor. Wie Ihnen be-
kannt ist, wird damit ein Großteil der Vorschläge zur Än-
derung von Bundesrecht umgesetzt, die von den drei am
Projekt „Innovationsregionen“ beteiligten Regionen
Bremen, Ostwestfalen-Lippe und Westmecklenburg er-
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rbeitet wurden. Die Bundesregierung hatte sich im
pril 2004 zu einer sofortigen bundesweiten Umsetzung
ieser Vorschläge entschlossen. Durch den Verzicht auf
ine Erprobung sollen die vorgesehenen Erleichterungen
ofort allen zugute kommen.
Der Bundesrat hatte dem Gesetzentwurf insgesamt
rundsätzlich zugestimmt, aber gleichzeitig klargestellt,
ass er ihn nur als einen ersten Schritt der Bundesregie-
ung in Richtung Bürokratieabbau betrachtet. Auch ei-
ige Abgeordnete mögen diese zehn Änderungen nicht
erade für die wichtigsten in Sachen Bürokratieabbau
alten. Wer sich aber einen Überblick über die einzelnen
egelungen verschafft, dürfte schnell erkennen, dass
nsbesondere die Vorschläge zum Umweltbereich oder
um Gewerbe- und Gaststättenrecht und auch zur Be-
chleunigung des Gerichtsverfahrens der Wirtschaft eine
anze Reihe von Erleichterungen bringen werden. Einer
llgemeinen Forderung nach einer „Trockenlegung des
ürokratischen Sumpfes“ kann eben nur durch konkrete
inzelmaßnahmen entsprochen werden. Wer realistisch
st, weiß, dass der „große Wurf“ beim Bürokratieabbau
aum gelingen kann.
Die Länder haben während des ersten Durchgangs im
undesrat gezeigt, dass ihre Auffassungen zu einzelnen
ürokratieabbaumaßnahmen teilweise erheblich diffe-
ieren. Beispielsweise sieht das Gesetz in der Gewerbe-
rdnung und im Gaststättengesetz eine „Erprobungs-
lausel“ vor, die den Ländern ein befristetes Abweichen
on Berufsausübungsregelungen ermöglichen soll. Der-
rtige Experimentier- oder Öffnungsklauseln werden an
nderer Stelle oft von den Ländern gefordert. Im Bun-
esrat wurde sie jedoch jeweils mehrheitlich vom Unter-
usschuss Wirtschaft abgelehnt, vom Wirtschaftsaus-
chuss dann aber wieder angenommen, im Plenum
iederum abgelehnt – die reinste Achterbahnfahrt!
Bei den Vorschlägen zur Liberalisierung des Gaststät-
enrechts reichten die Stellungnahmen der Länder von
er Ablehnung jeglicher Änderungen bis hin zur fast
ollständigen Aufhebung der Gaststättenerlaubnis.
Diese wenigen Beispiele zeigen: Auch beim Bürokra-
ieabbau, bei dessen Zielrichtung wir uns doch alle so
chön einig sind, ist es nicht immer einfach, einen an-
ehmbaren Kompromiss für alle Beteiligten zu finden.
ier erinnere ich mich an Bertolt Brechts Ausspruch:
Ein gutes Argument wirkt wundervoll – nur nicht auf
en, der etwas hergeben soll!“
Nochmals zurück zu der vom Bundeskabinett im Mai
004 verabschiedeten Liste von 29 Vorschlägen aus den
egionen: Neben den mit diesem Gesetz umzusetzenden
orschlägen sind weitere sechs Vorschläge zwischen-
eitlich bereits umgesetzt. Zwei Vorschläge sind in eben-
alls im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetzen
nthalten. In Anhörungsverfahren mit den Ländern und
erbänden befinden sich nochmals sechs Vorschläge.
Die Umsetzung einiger Vorschläge ist von der Ent-
cheidung der Länder abhängig. Beispielsweise wird der
orschlag „Erweiterter Zugriff auf Abteilung I des
rundbuches“ durch den Verzicht auf den Nachweis des
erechtigten Interesses von den Ländern abgelehnt. Ein
15064 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
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weiterer – sehr bedeutsamer – Vorschlag ist direkt durch
Vereinbarung der Länder mit den Berufsgenossenschaf-
ten umzusetzen. Es handelt sich um die „Zusammenfüh-
rung des staatlichen und berufsgenossenschaftlichen
Vollzugs im Arbeitsschutz“. Die Umsetzung dieses Vor-
schlags wird zu wesentlichen Erleichterungen im Be-
reich des Arbeitsschutzes führen.
Auch wenn mancher Vertreter der Opposition die im
Gesetzentwurf enthaltenen Änderungen nur als Klein-
kram und als unwesentlich abtun will, bin ich zuver-
sichtlich, dass wir mit dem Artikelgesetz und der Umset-
zung der weiteren Vorschläge aus den Regionen beim
Bürokratieabbau ein ganzes Stück vorankommen wer-
den. Hierdurch bestärkt wird die Bundesregierung eine
weitere Runde zur Sammlung und Umsetzung von Vor-
schlägen zum Bundesrecht unter Einbeziehung von Re-
gionen einleiten. Für die Unterstützung durch die Regio-
nen und aus den Reihen des Parlaments bin ich dankbar
und bitte Sie um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf der
Bundesregierung zur Umsetzung der Vorschläge aus den
Regionen.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Das deutsche Bio-
siegel erfolgreich umsetzen (Tagesordnungs-
punkt 16)
Reinhold Hemker (SPD): Ich beginne mit einer po-
sitiven Nachricht: Mit der Einführung des Biosiegels
2001 wurde ein Zertifizierungsinstrument geschaffen für
Produkte aus ökologischer Landwirtschaft. Das gilt nicht
nur für einzelne Produkte, sondern auch für die Kombi-
nation von Produkten, die auch aus verschiedenen Län-
dern kommen können und teilweise auch kommen müs-
sen. Mit dieser Standardfestlegung sind wir national und
international auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Land-
wirtschaft einen großen Schritt weiter gekommen. Ich
freue mich darüber, dass sich unsere Kolleginnen und
Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion kritisch mit dem
Thema beschäftigt haben. Denn nur die Verbreitung der
hinter dem Biosiegel stehenden Gedanken kann für die
Verbraucher zu immer weiteren möglichst hohen Quali-
tätssicherungen führen. Schade ist allerdings, dass der
Antrag der CDU/CSU-Fraktion vorwiegend die natio-
nale Ebene im Blick hat. Die internationale Komplexität
wird dabei nicht berücksichtigt.
Die internationalen Aspekte dürfen aber nicht unter
den Tisch fallen, denn es muss besonders betont werden:
Viele ausländische Produkte haben einen Qualitätsstan-
dard, der die Bedingungen für das Biosiegel mehr als er-
füllt. Besonders hervorzuheben sind an dieser Stelle die
Produkte aus den ärmeren und ärmsten Regionen der
Welt, Produkte also aus den Entwicklungsländern oder
besser gesagt aus den sich entwickelnden Ländern. Zu
nennen sind nahezu alle Produkte aus dem fairen Han-
del, durch den die Produzenten – meistens Kleinbauern
und Genossenschaften – eine angemessene Bezahlung
und einen Mindestpreis bei niedrigem Weltmarktpreis
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ekommen. Sehr oft sind die Anbaubedingungen quali-
ativ noch besser, als sie bei der Verleihung des Biosie-
els verlangt werden. Das bedeutet, dass zum Beispiel
ie Gesellschaft zur Förderung der Dritten Welt, kurz
epa, und andere Handelsgesellschaften, die fairen Han-
el betreiben, sich nicht nur mit der Frage der sozialen
erechtigkeit beschäftigen, sondern auch besonders den
kologisch-nachhaltigen Aspekt berücksichtigen.
Auf diesem Hintergrund stellen Sie sich bitte eine Ta-
el Schokolade vor, die ein Produkt aus fairem Handel
st. Die Rohstoff- bzw. Zutatenlieferanten dieser Scho-
olade sind Partner aus Bolivien, der Dominikanischen
epublik, Paraguay und den Philippinen. In diesen Ent-
icklungsländern und noch vielen mehr wird in vielen
rojekten des fairen Handels ökologische Landwirt-
chaft betrieben. Die Schokoladen werden von einer un-
bhängigen Kontrollstelle überprüft. Das gilt für weitere
rodukte wie getrocknete Früchte, für Nüsse, für Kaffee
nd für Tee.
Natürlich, und das ist richtig, setzt die EU-Richtlinie
eine Höchststandards an. Das ist aber auch nicht das
iel: Das Biosiegel ist eine Orientierungshilfe für die
erbraucher. Es geht international um eine möglichst
inheitliche und glaubwürdige Zertifizierung im Bereich
er ökologischen Landwirtschaft. Seit der Einführung
es Biosiegels ist die Zahl der Bioprodukte gewachsen.
Die Richtlinie sagt aber nicht, dass die verschiedenen
ersteller nicht über die Kriterien des Biosiegels hinaus-
ehen dürfen. So haben zum Beispiel Produkte des fai-
en Handels aus Nordindien, aber auch aus Sri Lanka ein
usätzliches Siegel des Ökoverbandes Naturland. Ich
reue mich darüber, dass zum Beispiel der Verein Natur-
and e. V. sein Siegel nur an Produzenten vergibt, die
uflagen hinsichtlich des ökologischen Landbaus erfül-
en, die noch um ein Vielfaches strenger als die Anforde-
ungen für das Biosiegel sind
Ich selbst begleite mit vielen Freundinnen und Freun-
en der internationalen Solidaritätsarbeit die Arbeit der
chon genannten gepa und anderer Organisationen, die
ich für die Anliegen des fairen Handels und der ökolo-
ischen Produktion einsetzen. Ich freue mich darüber,
ass die Themen, die mit dem Biosiegel, dem fairen
andel und der ökologischen Produktion zusammenhän-
en, eine immer stärkere Verankerung in der Gesell-
chaft und seit einigen Jahren auch in der Politik gefun-
en haben. Seit einigen Jahren ist ein deutlicher
ewusstseinswandel in der Bevölkerung zu beobachten.
iele Menschen haben verstanden, was sie bewirken
önnen, wenn sie nur ein paar Cent mehr für ihren Kaf-
ee ausgeben und Kaffee kaufen, der mit dem Biosiegel
nd mit dem „TransFair“-Siegel ausgezeichnet ist. Im-
er mehr Menschen kaufen mittlerweile einen Teil ihrer
ebensmittel in Biosupermärkten, Eine-Welt-Läden oder
ie finden die Produkte in den zahlreichen Regalen mit
iosiegel-Produkten im Discounter.
Die Bundesregierung fördert seit einigen Jahren – zu
ennen sind die zuständigen Ministerinnen Renate
ünast und Heidemarie Wieczorek-Zeul – im Rahmen
hrer Öffentlichkeitsarbeit den Gedanken des fairen Han-
els und die ökologische Produktion. Zwei Initiativen
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15065
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nenne ich beispielhaft: erstens die Initiative „Echt ge-
recht – Clever Kaufen“, zweitens die so genannte „fair-
feels-good“-Kampagne. Beide Kampagnen haben mit
unterschiedlichen Schwerpunkten die Verantwortung für
eine gerechtere Welt und die Verantwortung für die
Schöpfung besonders betont. Damit werden die ehrgeizi-
gen Ziele in den Bereichen Armutsbekämpfung, soziale
Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit hervorgehoben.
Im Übrigen: Es gab im November 2000 einen ein-
stimmig vom Bundestag verabschiedeten Antrag „Frei-
willige Agrar-Umwelt/Sozial-Zertifizierung für Ent-
wicklungsländer“. Mit diesem Antrag haben wir
gemeinsam internationale Zertifizierungssysteme und
die damit verbundene Einführung von Qualitätssiegeln
gefordert. Das dann später eingeführte Biosiegel ist ein
herausragender Baustein für die Entwicklung, die wir
damals im Auge hatten. Wir sind national; und interna-
tional auf dem richtigen Weg. Es gibt erste Erfolge. Die
Konzentration auf die Verstärkung eines nationalen An-
satzes wäre bei allem Verständnis für die Förderung von
regionalen und nationalen Produkten im Zuge einer re-
gionalen und nationalen Vermarktung ein Rückschritt.
Eine persönliche Anmerkung zum Schluss: In den
meisten Gemeinden meines Wahlkreises finde ich in den
Hofläden Produkte aus fairem Handel; das Gleiche gilt
für die Bioläden in den Städten und Gemeinden. Gerade
ist ein Produkt auf den Markt gekommen, ein Saft aus
Äpfeln der Region und Mangos aus Entwicklungslän-
dern, natürlich aus ökologischer Produktion. Das ist ein
positives Beispiel. So kann es weitergehen. Wenn wir
alle in diesem Sinne am gleichen Strang ziehen, viel-
leicht können wir dann ja ein Markenkennzeichen finden
– zunächst blau mit goldenen Sternen für Europa und
dann die Symbole für die Vereinten Nationen – sodass
die nationalen Kennzeichnungen überflüssig werden.
Das passt zum Eine-Welt-Gedanken im Zeitalter der
Globalisierung.
Gustav Herzog (SPD): Wir beraten heute mit der
Drucksache 15/4840 den Antrag der Fraktion der CDU/
CSU mit Namen: „Das deutsche Biosiegel erfolgreich
umsetzen.“ Die Überschrift hat leider nichts mit dem fol-
genden Inhalt gemein. Die CDU/CSU war gegen das
Biosiegel und nun will sie das erfolgreiche Wirken unse-
rer Politik torpedieren.
Lassen Sie mich kurz zusammenfassen. Das Biosiegel
ist ein Garant dafür, dass das ausgezeichnete Produkt
nach den strengen Richtlinien der Gemeinschaft für den
ökologischen Landbau erzeugt wurde. Nicht mehr, aber
auch nicht weniger. Das Biosiegel ist weder ein patrioti-
sches Bekenntnis – welches mit den Landesfarben zu
hinterlegen ist – noch ein Markenzeichen oder ein
Schutzwall für die Verbände des ökologischen Land-
baus. Das Biosiegel ist vielmehr eine eindeutige und un-
missverständliche Orientierung für den Verbraucher, der
auf einen Blick weiß, was er von diesem Produkt zu hal-
ten hat. Sie reden von unverzichtbaren Verbraucherinfor-
mationen – das Biosiegel ist fast ein Musterbeispiel für
Verbraucherinformation. Und es wirkt!
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Umsatzsteigerungen wie im Ökolandbausegment su-
hen ihresgleichen, täglich kommen Produkte und Un-
ernehmen dazu, der Ökolandbau geht in die Breite, auch
enn Sie ihn noch als Nischenproduktion kleinreden
ollen.
Meinen Sie wirklich, die großen Unternehmen der
lobalen Ernährungsbranche würden so um Beteiligun-
en kämpfen, wenn da nicht ein entsprechendes Markt-
otenzial dahinter stehen würde? Sie reden von Her-
unftsnachweisen und meinen: Das Biosiegel wird zu
tark und es muss gestutzt werden. Auf welchem Scho-
oriegel steht, aus welchem Land der Kakao stammt, der
erarbeitet wurde? Wo steht, dass verbackener Weizen
hres Frühstücksbrötchens auf deutschem Boden ge-
achsen sein muss?
Was schlagen Sie hier eigentlich vor? Woher wissen
ie, ob der Demeterreis aus Thailand oder Brasilien
ommt? Angebaut wird er nach den strengen, wie Sie sa-
en „höheren Produktionsstandards deutscher Ökover-
ände“. Oder nehmen Sie den Naturlandverband, er ist
wischen Ägypten und Vietnam weltweit tätig, welt-
rößter Zertifizierer für Ökokaffee, bildet Kleinbauern-
rganisationen aus und setzt sich für fairen Handel und
eiterbildung im ländlichen Raum ein, sozusagen ein
lobal-Fair-Player und das alles mit Stammsitz im baye-
ischen Gräfelfing und nach unseren strengen deutschen
erbandsrichtlinien. Wollen Sie das auch alles auf die
tiketten pappen? Ich würde sagen: Sozialstandards sind
uch unverzichtbare Verbraucherinformationen. Wuss-
n Sie, dass Naturland Sozialrichtlinien erlassen hat?
Natürlich sind viele Verbraucherinformationen wün-
chenswert, doch erstens ist das Biosiegel hier der fal-
che Ort und zweitens müssen diese Vorgaben auf alle
ebensmittel übertragen werden. Hätten Sie die Aus-
chussunterlagen dieser Woche gelesen, wüssten Sie,
ass Deutschland – unsere Ministerin Künast – beim
ächsten Agrarrat die Kommission auffordern will,
Vorschläge für eine umfassende Herkunftskennzeich-
ung für alle Lebensmittel vorzulegen“.
Ihre Argumentation zum Schutz des deutschen Öko-
ndbaus ist scheinheilig, da Sie keine Gelegenheit aus-
ssen, den Einsatz der Grünen Gentechnik – im Wider-
pruch zu allen Ökolandbauverbänden – zu fordern.
Der Ökolandbau ist ein Marktsegment wie viele und
r ist genauso dem Wettbewerb ausgesetzt wie alle ande-
en Marktteilnehmer auch. Das Biosiegel ist nicht dazu
eschaffen, deutschen Betrieben einen protektionisti-
chen Marktvorteil zu verschaffen. Die Beurteilungsba-
is ist ausschließlich das Gemeinschaftsrecht, dessen
nforderungen alle Produkte gleich zu erfüllen haben.
Sind hier Standards zu niedrig, so gebe ich Ihnen
erne die Adresse für Änderungsforderungen in Brüssel.
och geben Sie sich keine Mühe: Auf dieser Baustelle
ind wir schon längst aktiv.
Bereits im November 2001 hat die Bundesministerin
einem Memorandum die europäische Weiterentwick-
ng der Ökostandards eingefordert: Ausweitung des
ontrollsystems, Gesamtumstellung, Futter überwie-
end aus eigenem Betrieb, Verbot von konventionellem
15066 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
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Hühnermist und Gülle und anderes mehr. Das Dioxin im
Ei aus Käfig- und Freilandhaltung haben Sie zur Grünen
Woche entdeckt, das Biosiegel zur Biofach. Was soll
dieser billige Aktionismus? Sie schaden nur der deut-
schen Landwirtschaft.
Marlene Mortler (CDU/CSU): In der Diskussion im
Deutschen Bundestag zur großen Anfrage der CDU/
CSU-Fraktion über die Situation des ökologischen Land-
baus in Deutschland am 1. Juli 2004 habe ich gefordert,
dass das Biosiegel für die deutschen Ökobauern zur
Erfolgsstory werden muss. In der Zwischenzeit ist die
Entwicklung nicht stehen geblieben.
Die Messe Nürnberg, der Veranstaltungsort, an dem
heute die Biofach 2005 beginnt, hat im November 2004
in einer Pressemitteilung diese Entwicklung eindeutig
beschrieben. Dort steht, dass die Biobranche weltweit
deutlich zulegt.
Bei manchen Produkten, so die Pressemeldung, san-
ken die Erzeugerpreise, was zu heftigen Protesten der
Bauern führte und einige Betriebe der Biolandwirtschaft
sogar zur Aufgabe zwang. Der Bund Ökologische Le-
bensmittelwirtschaft berichtet anlässlich der Biofach,
dass erstmals die Zahl der Betriebe, die aus der ökologi-
schen Landbewirtschaftung ausscheiden, die Zahl der
Neu-Umsteller leicht übertroffen habe. Dies ist nicht Ge-
genstand einer Erfolgsstory, sondern Ergebnis unzurei-
chender Politik für den Ökolandbau.
Ich werde heute aber nicht nur meine Kritik deutlich
artikulieren, sondern auch aufzeigen, wie man die Politik
für den Ökolandbau aus Sicht der Union verbessern
kann.
Ein wesentlicher Knackpunkt der von der Bundesre-
gierung falsch gestellten Weiche ist das deutsche Biosie-
gel. Es hat eine hohe Marktdurchdringung. Es hat sich
etabliert. Aber es ist mit entscheidenden Mängeln für Er-
zeuger und besonders auch für die Verbraucher verbun-
den. Die Kriterien für das Biosiegel richten sich nach
den aktuellen Bestimmungen der EG-Öko-Verordnung.
Mit dem deutschen Biosiegel können also Erzeugnisse
gekennzeichnet werden, die entsprechend der EG-Öko-
Verordnung produziert und kontrolliert werden. Es bein-
haltet aber keine Informationen über die konkreten
Produktionsstandards und über die Herkunft des Öko-
produktes. Mit den aktuell geltenden gesetzlichen
Grundlagen ist es also möglich, sowohl im Ausland er-
zeugte Ökoprodukte mit dem deutschen Biosiegel zu
kennzeichnen, als auch im Ausland erzeugte ökologi-
sche Nahrungsmittelrohstoffe nach Deutschland einzu-
führen, in Deutschland zu verarbeiten und die Endpro-
dukte mit dem deutschen Biosiegel zu versehen. Der
Verbraucher erfährt nichts über die Herkunft des Öko-
produktes und über die darin enthaltenen Nahrungsmit-
telrohstoffe. Außerdem ist der Verbraucher in dem „gu-
ten“ Glauben, unter dem deutschen Biosiegel ein
deutsches Bioprodukt zu kaufen.
Wie bereits erwähnt, basiert das deutsche Bio-Siegel
auf Grundlage der EG-Öko-Verordnung. Die deutschen
Ökobauern produzieren aber im Gegensatz zu vielen
ausländischen Ökobauern zumeist mit den höheren Pro-
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uktionsstandards deutscher Ökoverbände. Nach Mei-
ung der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
uss dies auch mit dem deutschen Biosiegel kenntlich
emacht werden, erstens, weil die Verbraucherinforma-
ion unzureichend ist, und zweitens, weil eine nachhal-
ige Ausdehnung des Ökolandbaus in Deutschland be-
indert wird. Denn Ministerin Künast betreibt
kopolitik durch die Hintertüre. Wir wollen, dass sich
er Verbraucher bewusst für Produkte entscheiden kann,
ie vor seiner Haustüre wachsen. Ökologie und Regio-
alität gehören für mich sehr stark zusammen.
Vor diesem Hintergrund hat die CDU/CSU-Fraktion
in schlüssiges Konzept zur Weiterentwicklung des
eutschen Biosiegels entworfen. Neben der Konformität
ach EG-Öko-Verordnung 2092/91 müssen weitere Pro-
uktionskriterien verankert werden. Diese zusätzlichen
riterien umfassen die Gesamtbetriebsumstellung, den
usschluss konventioneller Wirtschaftsdünger sowie die
erpflichtung der Fütterung von Grünfutter an Pflan-
enfresser im Sommer und damit das Verbot der Ganz-
ahressilagefütterung. Nur Ökolandbau, der diese zusätz-
ichen Anforderungen erfüllt, wird nach Meinung der
DU/CSU-Bundestagsfraktion dem Grundgedanken des
kologischen Landbaus gerecht. Alles andere ist ein Ver-
at an unseren Ökobauern!
Darüber hinaus ist nach unserer Auffassung vorzu-
chreiben, dass die Angabe der Herkunft als eigenstän-
ige Information in Kombination mit dem Biosiegel ver-
flichtend sein muss. Bei Eiern und bei Rindfleisch
konventionell – schreibt es die EU schon verpflichtend
or. Dabei sollte die Landesfarbe des Herkunftsgebietes
em Biosiegel unterlegt werden. Pflanzliche Erzeug-
isse müssen demnach auf der Anbaufläche in dem je-
eiligen Herkunftsgebiet gewachsen sein. Bei Fleisch
üssen die Tiere im jeweiligen Herkunftsgebiet geboren
nd in einem landwirtschaftlichen Betrieb dieses jewei-
igen Herkunftsgebietes gehalten worden sein. Ein Ver-
rbeitungserzeugnis darf demnach das Biosiegel nur
ann tragen, wenn mindestens 80 Prozent der Zutaten
us dem jeweiligen Herkunftsgebiet stammen.
Wir alle wissen, dass wir in einer zunehmend globa-
isierten Welt leben. Deshalb geht es bei der Nachbes-
erung des Biosiegels nicht darum, ausländische Ware
uszugrenzen. Das heißt, die Verwendung des nachge-
esserten Biosiegels für Produkte aus anderen Mitglied-
taaten muss wie bisher ohne Einschränkung möglich
ein. Vielfalt beim Essen ist auch Lebensqualität
In einem Artikel der „Welt“ vom 20. Januar 2005 hat
ie Vorsitzende der Verbraucherzentrale Bundesverband,
rau Edda Müller, zur missverständlichen und unklaren
ebensmittelkennzeichnung klar Stellung bezogen. Ich
itiere: „Schönfärbende Worte vermitteln das gewisse
xtra, halten aber oft nicht, was sie versprechen“. Genau
as ist der Punkt! Der Verbraucher braucht eindeutige
nd zusätzliche Informationen, damit er wirklich eine
ahlfreiheit hat. Der Verbraucher hat ein Recht darauf!
Natürlich ist es unabdingbar, diese Nachbesserung
es Biosiegels im Einvernehmen mit der Wirtschaft an-
upacken. Deshalb habe ich gestern im Rahmen eines
ressegesprächs mit wichtigen Wirtschaftsvertretern die-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15067
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ses Konzept der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit großem
Erfolg! Unser Konzept stellt dem Verbraucher mehr In-
formationen über die Herkunft der Ökoprodukte zur Ver-
fügung und es sorgt für Standards, die der Ökolandbau
beachten muss, wenn man es mit dem Ökolandbau ernst
meint.
Wo sind eigentlich Ihre Prinzipien geblieben? Nach-
haltiges Denken und Handeln sind für Sie inzwischen
Fremdwörter. Mit Ihrer Politik führen Sie den Grund-
gedanken der Agenda 21, den Grundgedanken des öko-
logischen Landbaus, ad absurdum. Wo bleibt Ihre Ge-
samtbilanz? Wo bleibt Ihr ganzheitlicher Ansatz? Sie
schauen schon längst nicht mehr durch die Brille unserer
Ökobauern, Sie schauen durch die Brille des Macht-
erhalts!
Ich denke an Ihre Worte in der Süddeutschen Zeitung
vom 24. Februar 2005: „Im Handel gibt es einen richti-
gen Schub bei Bioprodukten, der Markt brennt!“ Unsere
Biobauern und unsere Verbraucher brennen auch! Und
sie brennen noch mehr, wenn sie hören, dass Ihr Ministe-
rium gegen Haushaltsrecht verstoßen hat, weil Sie Geld
aus dem Bundesprogramm Ökologischer Landbau für
Ihre Selbstdarstellung, für Ihre politische Grundausrich-
tung zweckwidrig missbraucht haben; so der Bundes-
rechnungshof zweimal, weil Sie es das erste Mal nicht
glauben wollten.
Ihre Politik ist in ein gefährliches Fahrwasser geraten.
Ihre Glaubwürdigkeit leidet immer mehr, wie auch die
Reaktionen auf den Fischer-Erlass zeigen. Sie werfen
uns vor, den Standort Deutschland schlecht zu reden.
Aber Sie machen und Sie regieren ihn schlecht! Ent-
scheiden Sie sich also schnell, ob Sie eine Agrarwende
mit den Biobauern und mit den Verbrauchern wollen
oder gegen sie. Unser Antrag zeigt den richtigen Weg
dorthin. Er ist glaubwürdig und er ist zukunftsweisend.
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Ich freue mich, dass wir heute endlich einmal ei-
nen Antrag der CDU/CSU diskutieren können, der die
ökologisch wirtschaftenden Betriebe ernst nimmt, an-
statt ihnen aus parteipolitischem Kalkül mutwillig Steine
in den Weg zu werfen, wie es die Opposition leider zu
jeder sich bietenden Gelegenheit tut – nicht wahr Frau
Klöckner und Herr Goldmann?
„Die Union entdeckt die Biobauern“ titelte die „Süd-
deutsche Zeitung“ gestern. Der Deutsche Bauernverband
teilt heute mit: Die gestiegene Verbraucherakzeptanz für
Bioprodukte sei auch dem Biosiegel zu verdanken, das
für Markttransparenz sorge. Ich finde es gut, wenn Sie
endlich anerkennen, dass wir es hier mit einer ernst zu
nehmenden Branche mit riesigem Potenzial zu tun ha-
ben. 3,5 Milliarden Euro Umsatz, mehr als 10 Prozent
Zuwachs im letzten Jahr trotz genereller Kaufzurückhal-
tung. Rewe ist dabei, eine eigene Biokette aufzubauen.
Jeden Monat machen bundesweit neue Biomärkte auf.
Heute begann in Nürnberg die weltgrößte Biomesse,
die Biofach. Zwei Drittel der Aussteller sind internatio-
nale Händler. Der brasilianische Minister Rodrigues ist
Hauptgast der Messe und Brasilien Partnerland. Viele
Länder unterstützen ihre Produzenten aktiv bei der Teil-
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ahme an der Biofach, damit sie sich diesen Markt er-
chließen können.
Da ist richtig Musik drin. So etwas muss man doch
nterstützen, anstatt zu sagen: Weil die Künast dafür ist,
in ich dagegen – schon aus Prinzip.
Katastrophal ist das Signal von Brandenburg, Sachsen
nd Baden-Württemberg, ausgerechnet in solch einer Si-
uation als Land aus der Umstellungsförderung für die
andwirtschaftlichen Betriebe auszusteigen.
Ich weiß nicht, ob allen klar ist, wie viele Arbeits-
lätze mittlerweile am Ökolandbau hängen. Der Bund
ür Ökologische Lebensmittelwirtschaft stellte kürzlich
ine interessante Rechnung vor: Die Agrogentechnik-
ranche beschäftigt in Deutschland nach einer Studie
es Wirtschaftsanalyseunternehmens Ernst & Young im
ahr 2003 weniger als 2 000 Personen bei einem Umsatz
on nur 150 Millionen Euro. Dagegen ist die ökologi-
che Landwirtschaft ein boomender Wirtschaftssektor:
it 3,5 Milliarden Euro jährlich liegt er um ein Vielfa-
hes über dem der Agrogentechnik-lndustrie. Die Zahl
er Beschäftigten hat sich in den letzten zehn Jahren auf
50 000 Personen verdoppelt. Ich freue mich, dass Frau
ortler den Erfolg des Biosiegels ausdrücklich betont.
ie von ihr genannte Zahl von mehr als 20 000 gekenn-
eichneten Produkten ist in der Tat eindrucksvoll.
Dieser Antrag zeigt, dass Frau Mortler durchaus viel
on der Praxis des ökologischen Landbaus versteht.
eine Frau und ich stehen seit 1983 bei Bioland unter
ertrag und ich weiß daher um die Probleme, die die un-
erschiedlichen Standards mit sich bringen. Es ist für uns
icht immer leicht, uns als Premiummarke gegen No-
ame-Bioprodukte durchzusetzen.
Ich erinnere mich sehr gut an die Entstehungsge-
chichte des Biosiegels: Damals haben alle mit am Tisch
esessen im Ministerium: die Arbeitsgemeinschaft bäu-
rliche Landwirtschaft, der Deutsche Bauernverband,
ie Bioanbauverbände, die Verbraucherverbände und der
andel. Zwei Linien wurden dabei diskutiert: erstens ein
tarkes nationales Zeichen auf Grundlage der Arbeitsge-
einschaft Ökologischer Landbau, was vor allem der
auernverband unterstützte, oder zweitens ein starkes
uropäisches Zeichen auf Grundlage der EU-Bio-Ver-
rdnung. Die Mehrheit der Verbände, insbesondere die
erbände mit den höchsten Standards, hat damals für
en zweiten Weg gestimmt. Darüber kann man geteilter
einung sein. Aber die Entscheidung ist so gefallen.
etztlich ermöglichen wir damit auch weiterhin einen
ualitätswettbewerb im Ökosektor.
Wenn ich sehe, wie international sich dieser Markt
uf der Biofach präsentiert, so glaube ich, dass es richtig
ar, sich für ein Zeichen auf Basis der einheitlichen EU-
ioverordnung zu entscheiden, deren Standards übrigens
ür jeden nachlesbar sind. Separatismus, den Bayern ja
icht fremd, wäre die falsche Antwort auf diese dynami-
che Marktentwicklung.
Was die Herkunft angeht, so haben wir in der Tat das
roblem, dass wir bisher außerhalb der EU die Her-
unftskennzeichnung nur in sehr wenigen Ausnahmesi-
uationen zwingend vorschreiben können. Das verbietet
15068 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
(A) )
(B) )
uns eine EU-Verordnung mit dem klangvollen Namen
„Lebensmitteletikettierungsrichtlinie“.
Ministerin Renate Künast verhandelt in Brüssel eine
entsprechende Änderung dieser Richtlinie – und insge-
heim weiß ja auch die Opposition, auch wenn sie das
jetzt gleich mit lauter Empörung zurückweisen wird,
dass niemand von uns allen in Brüssel mehr durchsetzen
kann als Renate Künast.
Im Übrigen, Frau Kollegin Mortler, ist es heute schon
jedem Hersteller möglich, freiwillig neben dem Biosie-
gel zum Beispiel die deutsche Fahne als Herkunftssym-
bol anzubringen.
Wenn wir, wie Sie fordern, die EU-Standards für Bio-
produkte weiter anheben wollen, dann müssen wir das in
Brüssel tun, nicht in Berlin. Insofern machen Ihre Forde-
rungen hier keinen Sinn.
Sie sehen, wir sind jederzeit gern bereit, über die
– wie Sie schreiben – „nachhaltige Ausdehnung des öko-
logischen Landbaus in Deutschland“ zu sprechen.
Ich mache das seit 20 Jahren und ich freue mich,
wenn wir das in Zukunft gemeinsam tun!
Hans-Michael Goldmann (FDP): Bio ist nicht
gleich Bio. Ökoprodukte nach der EG-Öko-Verordnung
– und damit auch nach dem deutschen Biosiegel – müs-
sen weniger strengen Kriterien genügen als solche, die
von deutschen Landwirten produziert werden. Dies spie-
gelt sich jedoch in dem deutschen Biosiegel nicht wider.
Damit können alle Produkte ausgezeichnet und bewor-
ben werden, die „nur“ den europäischen Standards genü-
gen. Damit geraten deutsche Landwirte ins Hintertref-
fen. Sie müssen mit Produkten aus aller Welt
konkurrieren, die mit dem deutschen Biosiegel ausge-
zeichnet sind, obwohl sie mehr Aufwand betreiben müs-
sen, um ihre Produkte als „Bio“ oder „Öko“ in Deutsch-
land herstellen und vertreiben zu können.
Die FDP hat Frau Künast, von Anfang an gewarnt,
mit dem deutschen Biosiegel die für die deutschen Öko-
bauern traditionell strengen Anbaurichtlinien zu unter-
laufen. Sie haben mit dem Öko-Kennzeichengesetz die
deutschen Landwirte vor große Probleme gestellt.
Bioprodukte, die nach den deutschen Standards pro-
duziert und veredelt werden, sind Premiumprodukte.
Diesen Standortvorteil müssen wir nutzen. Das deutsche
Biosiegel weckt beim Verbraucher deshalb den Ein-
druck, es handelte sich um Waren mit besonderer Quali-
tät. Doch durch das Öko-Kennzeichengesetz können
auch Waren mit dem deutschen Biosiegel ausgezeichnet
werden, die eben „nur“ nach EU-Standards produziert
und hergestellt werden.
Viel sinnvoller wäre es doch, das deutsche Biosiegel
nur an solche Produkte zu vergeben, die auch nach den
deutschen Biostandards hergestellt werden. Damit kann
das deutsche Biosiegel zu einem echten Marketing-
instrument gerade für die heimische Landwirtschaft wer-
den.
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Natürlich wird daneben die Auszeichnung nach EU-
tandards bestehen bleiben müssen, weil das EU-Recht
ies gebietet. Produkte, die nach der EG-Öko-Verord-
ung produziert werden, müssen in Deutschland weiter-
in entsprechend gekennzeichnet vertrieben werden
önnen. Doch durch Einführung besonderer Qualitäts-
riterien für das deutsche Biosiegel wird dem Verbrau-
her deutlich vor Augen geführt, dass mit diesem ausge-
eichnete Produkte ein Plus an Qualität und Kontrolle
ufweisen. Selbstverständlich müssen auch ausländische
rodukte, insbesondere aus anderen EU-Mitgliedstaaten,
as deutsche Biosiegel verwenden dürfen, sofern die
trengen Auflagen ausnahmslos erfüllt werden.
Die Herkunft eines Lebensmittels ist für die Verbrau-
her ein wichtiges Kriterium. Wir haben das gerade in
iner Kleinen Anfrage, die wir diese Woche eingebracht
aben, nochmals ausdrücklich betont. Die Herkunfts-
ennzeichnung ist aber nicht Sache des Biosiegels. Die
erbraucher brauchen klare und eindeutige Kennzei-
hen, keine Multifunktionskennzeichen, die nur neue
erwirrung stiften. Das Biosiegel gibt Auskunft über
ine bestimmte Produktionsform – und hoffentlich als-
ald über die Eigenschaft als Premium-Ökoprodukt nach
trengen deutschen Standards. Die Herkunftskennzeich-
ung aber muss eigens erfolgen. Auch hierin liegt ein
ichtiges Marketinginstrument für die Landwirtschaft,
ie mit regionalen Produkten und Spezialitäten werben
ann.
Nach der Vorstellung der Liberalen wird sich der Le-
ensmittelmarkt in alle Richtungen diversifizieren. Da-
it in der großen Vielzahl unterschiedlicher Produkte
er Verbraucher eine Leitlinie finden kann, sind klare
orgaben für Kennzeichnungen notwendig. Kennzei-
hen müssen Auskunft über die Art der Produktion
zum Beispiel nach ökologischen Standards –, die be-
ondere Qualität eines Produkts – zum Beispiel durch
in verbessertes deutsches Biosiegel als Premiumpro-
ukt – und die Herkunft – zum Beispiel durch konse-
uente Anwendung der europäischen Herkunftskenn-
eichnungsmöglichkeiten – geben. Mehr Transparenz
chafft Vertrauen und gibt den Verbrauchern notwendige
nformationen für eine aufgeklärte und mündige Ent-
cheidung über ihre Lebensmittel.
Es ist an der Zeit, einmal gründlich über diese Kenn-
eichnungsregelungen zu diskutieren und an Lösungen
u arbeiten, um der heimischen Landwirtschaft Chancen
u eröffnen und das Informationsinteresse der Verbrau-
her zu bedienen.
In diesem Sinne ist die FDP-Fraktion gerne bereit, in
en anstehenden Beratungen des vorliegenden Antrags
er Unionsfraktion sich des Themas einmal grundsätz-
ich anzunehmen.
nlage 7
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Regelung bestimmter Altforderungen (Altfor-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15069
(A) )
(B) )
derungsregelungsgesetz – AFRG) (Tagesord-
nungspunkt 17)
Jutta Krüger-Jacob (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Heute beschäftigen wir uns mit dem Altforderungsrege-
lungsgesetz, einem Gesetz, bei dem nicht gleich auf den
ersten Blick ersichtlich ist, was sich dahinter verbirgt, ei-
nem Gesetz, welches aus lediglich drei Artikeln besteht,
wobei der letzte das In-Kraft-Treten regelt.
Die Kürze des Gesetzes legt die Vermutung nahe,
dass es sich um eine einfache, übersichtliche Norm han-
delt. Ebenso drängt sich zunächst einmal die Frage auf,
ob es sich überhaupt lohnt, ein Gesetz mit nur drei Arti-
keln zu verabschieden. Und spätestens an diesem Punkt
scheiden sich die Geister.
Wir Grüne befürworten den vorliegenden Gesetzes-
entwurf; denn er wird bei einer hochkomplexen Materie
im Bereich der Alteigentumsfragen für Rechtssicherheit
sorgen.
Was verbirgt sich hinter dem AFRG? Grundlage ist
zunächst einmal die Tatsache, dass der Bund nach
Art. 22 Abs. 1 des Einigungsvertrages den gesetzlichen
Auftrag hat, die Forderungen des ehemaligen DDR-
Staatshaushaltes für das Finanzvermögen geltend zu ma-
chen. Hierzu gehören auch Forderungen von Kreditinsti-
tuten und Versicherungen, die durch besatzungsrechtli-
che und -hoheitliche Maßnahmen in der damaligen
sowjetischen Besatzungszone enteignet wurden.
Art. 1 des AFRG regelt, dass die Forderungen dem
Bund, genauer gesagt: dem Entschädigungsfonds, zuste-
hen. Dieser Klarstellung bedarf es, nachdem der BGH
darauf hingewiesen hat, dass Enteignungsmaßnahmen
eines Staates nur Vermögenswerte erfassen können, die
auf seinem Staatsgebiet belegen sind. Rechtsunsicherheit
entstand dadurch in den Fällen, in welchen Kreditinstitut
und Eigentümer zum Zeitpunkt der Enteignung im Wes-
ten wohnten, das dinglich gesicherte Grundstück hinge-
gen im Osten belegen war, denn unter Umständen kann
bei schuldrechtlichen Forderungen eine von der Bele-
genheit des Grundstückes abweichende Belegenheit der
Forderung gegeben sein, so zum Beispiel, wenn auf den
Wohnsitz des Eigentümers als Schuldner abgestellt wird.
Wenn aber von Forderungen im Westen auszugehen
wäre, hätte eine Enteignung nicht erfolgen können. Da-
mit wären die ursprünglichen Gläubiger noch immer
Forderungsinhaber, gehörten die Forderungen nicht zum
Finanzvermögen gemäß Art. 22 Abs. 1 Einigungsver-
trag – würden wir nicht mit diesem Gesetz die Forderun-
gen für die Zukunft dem Entschädigungsfonds zuweisen.
Auf diese Regelungsmöglichkeit hat der BGH aus-
drücklich hingewiesen. Eine solche Regelung ist auch
sachgerecht, da die Kreditinstitute für jene Forderungen
bereits entschädigt worden sind, Ausgleichsforderungen
von den alten Bundesländern erhalten und ihre ursprüng-
lichen Forderungen an das Schuldnerland der Aus-
gleichsforderung abgetreten haben. Der Bund hat die
Ausgleichsforderung überwiegend getilgt; soweit nicht,
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ird ein Ausgleich für die Länder aus Vereinfachungs-
ründen außerhalb dieses Gesetzes stattfinden.
Bis zur zitierten Rechtsprechung des BGHs wurden
ie Forderungen als Finanzvermögen angesehen und
uch geltend gemacht; offen stehen noch Forderungen in
öhe von etwa 5 Millionen Euro, die zumindest wirt-
chaftlich dem Bund zustehen.
Da die Existenz der Forderungen als solche nicht
trittig ist, lediglich Unsicherheit hinsichtlich des Forde-
ungsinhabers besteht, muss nicht zuletzt auch im Inte-
esse der betroffenen Schuldner Klarheit hinsichtlich des
läubigers geschaffen werden. Damit werden künftig
icht nur Zahlungsverweigerungen, sondern auch Rück-
orderungen vermieden werden.
Art. 2 des AFRG bezieht sich auf die Behandlung der
ltforderungen im Zusammenhang mit der Rückübertra-
ung ursprünglich belasteter ehemaliger Unternehmens-
rundstücke und stellt klar, dass trotz Untergang der
rundpfandrechte die Forderungen – das Gesamtvolu-
en wird mit etwa 6,5 Millionen Euro veranschlagt –
eute noch bestehen und auch dann zu begleichen sind,
enn die an sich vorgesehene Anrechnung im Entschä-
igungsverfahren fehlschlägt.
Ungleichbehandlungen bestehen derzeit, da Verbind-
ichkeiten im Falle der Unternehmensschädigung nicht
ei der Restitution der Vermögenswerte, sondern als Ab-
ugsposten bei der Bemessung der Entschädigung be-
ücksichtigt werden. Diese Anrechnung (Entschädigung
Einheitswert des Unternehmens x 1,5–Grundstücks-
ert zum Zeitpunkt der Rückübertragung–Verbindlich-
eiten) schlägt aber regelmäßig wegen des hohen Grund-
tückswertes fehl. Dies hat zur Konsequenz, dass die
estitutionsberechtigten im Vergleich zu denjenigen, die
ur auf eine Entschädigung verwiesen sind, unverhält-
ismäßig bevorteilt werden. Sie erhalten nicht nur ein
rundstück oder einen Teil davon zurück, sondern auch
och lastenfrei.
Indem durch Art. 2 ein Leistungsanspruch zugunsten
er Gläubiger von Forderungen, deren Anrechnung fehl-
chlägt, in Höhe dieses Fehlschlagens geschaffen wird,
erden Ungleichbehandlungen ausgeschlossen, das vom
esetzgeber Gewollte durchgesetzt. Es werden auch
icht etwa neue Benachteiligungen eingeführt. Zum ei-
en sind Doppelleistungen durch Anrechnung sowie
urch Zahlung ausgeschlossen. Zum anderen wird, da
ie ursprüngliche Forderung nach wie vor besteht, insbe-
ondere der Wegfall der dinglichen Sicherung den Be-
tand der Forderung nicht berührt hat, keineswegs ein
usätzlicher Zahlungsanspruch geschaffen, sondern eine
ereits vorhandene Zahlungsverpflichtung neu geregelt.
Auch wenn dieses AFRG für den Entschädigungs-
onds lediglich die rechtliche Grundlage schafft, Forde-
ungen in relativ geringem Umfang geltend zu machen,
o darf dies kein Grund sein, den Gesetzentwurf abzu-
ehnen, zumal auch die Beseitigung von Ungleichbe-
andlungen und die Schaffung von Rechtssicherheit
ohe Werte darstellen, die als solche Gesetze rechtferti-
en.
15070 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
(A) )
(B) )
Anlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Abziehbarkeit von
Aufwendungen zur Altersvorsorge (Tagesor-
dungspunkt 18)
Horst Schild (SPD): Die Unionsfraktionen beab-
sichtigen mit ihrem Antrag, die Abziehbarkeit von Auf-
wendungen für die so genannte Rürup-Rente über den
im AltEinkG gesteckten Rahmen auszuweiten.
Sie fordern den § 10 Abs, 2 EStG so zu modifizieren,
dass Beiträge zum Aufbau einer Rürup-Rente unabhän-
gig davon abziehbar sind, an welchen Anbieter des Al-
tersvorsorgeproduktes sie geleistet werden.
Die SPD-Fraktion signalisiert ihre Diskussionsbereit-
schaft gegenüber diesem Anliegen.
Wir sagen aber deutlich, an den im Gesetz genannten
Kriterien für die Rürup-Rente halten wir fest. Sie darf
weiterhin nicht vererbbar, nicht übertragbar, nicht be-
leihbar, nicht veräußerbar und nicht kapitalisierbar sein
und keinen Anspruch auf Auszahlungen begründen.
Wir sollten in der weiteren Beratung klären, ob aus
Gründen der Wettbewerbsneutralität zwischen Versiche-
rungs- und Investmentfondsanbietern die Auflage von
Produkten zur Alterssicherung möglich ist, wenn der
Ausschluss der Vererbbarkeit und die anderen in § 10
Abs. 1 Nr. 2 b EStG genannten Voraussetzungen vorlie-
gen, Durch diesen Wettbewerb könnte Produktvielfalt
und Preiswettbewerb für den Anlieger sichergestellt
werden.
Die Union stellt in ihrem Antrag fest:
Der kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge
kommt angesichts der demographischen Entwick-
lung in Deutschland eine immer größere Bedeutung
zu. Mit dem Übergang zur nachgelagerten Besteue-
rung im Rahmen des Alterseinkünftegesetzes sind
erste Schritte in die richtige Richtung unternom-
men, um die Attraktivität kapitalgedeckter privater
Altersvorsorge zu erhöhen.
Trotz dieser Feststellung haben sich CDU/CSU im
Deutschen Bundestag bislang jeder politischen Mitver-
antwortung bei den Entscheidungen dieses Hauses zur
Einführung der kapitalgedeckten privaten Altersvor-
sorge und zur Verbesserung der betrieblichen Altersvor-
sorge entzogen.
Nicht genug damit, haben sie in der Vergangenheit
insbesondere gegen die neu geschaffenen Möglichkeiten
der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge polemisiert
und die Menschen verunsichert. Nach einer Anfang des
Jahres veröffentlichten Umfrage des Instituts für Demo-
skopie Allensbach haben 80 Prozent der Befragten bis-
lang keine Kenntnis von der Rürup-Rente. Das muss
sich ändern. Lassen Sie uns zukünftig gemeinsam dafür
werben, dass sich die Situation im Interesse der Alters-
vorsorge der Bürgerinnen und Bürger verbessert.
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Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Mit der Ver-
bschiedung des Alterseinkünftegesetzes wurde im
ergangenen Jahr die einkommensteuerrechtliche Be-
andlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alters-
ezügen neu geordnet. Die CDU/CSU-Bundestagsfrak-
on hat dem schrittweisen Übergang zu einer
achgelagerten Besteuerung von Renteneinkünften zu-
estimmt, da die Einzahlungen und Sparbeiträge für die
pätere Rente ebenfalls in Stufen steuerfrei gestellt wur-
en. Allerdings haben wir dem Gesetz in seiner Gesamt-
eit nicht zugestimmt, weil insbesondere die private und
ie betriebliche Altersvorsorge erhebliche Defizite auf-
iesen.
Heute geht es erneut um die Fragen, die auch im ver-
angenen Jahr während der Debatte eine große Rolle
pielten: Welche Altersvorsorgeprodukte können ge-
ählt werden? Welche Beiträge für diese Altersvorsorge
önnen steuerfrei eingezahlt werden?
Die jetzige Regelung sieht so aus, dass nach der Ver-
bschiedung des Alterseinkünftegesetzes auf der einen
eite Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherun-
en, den landwirtschaftlichen Alterskassen sowie den
erufsständischen Versorgungseinrichtungen und auf der
nderen Seite Beiträge zum Aufbau einer kapitalgedeck-
n Altersversorgung – so genannte Rürup-Rente oder
asisrente – als Sonderausgaben abgezogen werden
önnen.
In der parlamentarischen Beratung haben wir uns da-
als geeinigt. Während in dem ursprünglichen Gesetz-
ntwurf nur Versicherungsprodukte als Altersvorsorge-
rodukte zugelassen waren, wurde auf diese
inschränkung entsprechend einer Forderung der CDU/
SU-Bundestagsfraktion verzichtet. Der Ausdruck
Versicherungsunternehmen“ wurde deshalb aus dem
ext herausgenommen und durch die neutrale Bezeich-
ung „Verträge“ ersetzt. Der Wille des Gesetzgebers, die
orschrift wettbewerbsneutral zu fassen, wurde damit
mgesetzt. Damit sollte ein Wettbewerb um die leis-
ngsfähigsten Finanzprodukte eröffnet werden. Voraus-
etzung war die Garantie einer lebenslangen Rente.
Nach Abschluss der Beratungen wurde ein handwerk-
cher bzw. redaktioneller Fehler festgestellt. Denn be-
üglich der steuerlichen Absetzbarkeit der Beiträge wird
§ 10 Abs. 2 Einkommensteuergesetz festgehalten,
ass nur die Beiträge als begünstigt bezeichnet werden,
ie an Versicherungsunternehmen geleistet werden.
Mit dem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
ur Abziehbarkeit von Aufwendungen zur Altersvor-
orge fordern wir nun, dass die Vorschrift des § 10
bs. 2 des Einkommensteuergesetzes so angepasst wird,
ass die Beiträge zum Aufbau einer Rürup-Rente unab-
ängig davon abziehbar sind, an welchen Anbieter sie
eleistet werden.
Angesichts der demographischen Entwicklung in
eutschland kommt der kapitalgedeckten privaten Al-
rsvorsorge eine immer größere Bedeutung zu. Deshalb
uss um die Zustimmung der Verbraucher geworben
erden und den Wünschen Rechnung getragen werden.
icht alle Verbraucher wollen ihre private Altersvor-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15071
(A) )
(B) )
sorge ausschließlich auf Versicherungsprodukte konzen-
trieren. Erst die Streuung auf eine Vielzahl unterschiedli-
cher Produkte ermöglicht ein Altersvorsorgevermögen
mit gänzlich unterschiedlichem Risiko/Rendite-Profil.
Die Finanzdienstleister müssen in einen Wettbewerb
untereinander eintreten, in dem alle Qualitätsaspekte der
Anlageprodukte auf dem Markt einander transparent ge-
genübergestellt werden können. Dazu benötigen wir eine
produktneutrale Definition der Altersvorsorgeinstru-
mente und somit eine wettbewerbsneutrale Fassung des
§ 10 des Einkommensteuergesetzes.
Erinnert sei in diesem Zusammenhang daran, dass die
Steuervorteile für die Kapitallebensversicherung aufge-
hoben wurden. In der Begründung betonte die Bundesre-
gierung ausdrücklich, dass durch steuerliche Förderun-
gen gegen das vom Gesetzgeber explizit genannte Ziel,
Wettbewerbsbeschränkungen abzubauen, verstoßen
werde.
Eine Emnid-Umfrage für den Allgemeinen Wirt-
schaftsdienst – AWD – vom Februar 2005 hat gezeigt,
dass von 1 000 Befragten nur 20,7 Prozent der jetzigen
Form der Rürup-Rente zustimmen. Insbesondere die
mangelnde Vererbbarkeit und Beleihbarkeit und das Ver-
bot der Kapitalisierbarkeit werden als Gründe genannt.
Es ist deshalb wichtig, dass die Attraktivität einer priva-
ten Altersvorsorge nicht zusätzlich durch Konzentration
auf ein Versicherungsprodukt bzw. auf einen engen
Leibrentenbegriff beschränkt wird.
Das Ziel ist daher – so war es auch bei der Verab-
schiedung des Alterseinkünftegesetzes formuliert –, eine
steuerrechtliche Gleichbehandlung aller Altersvorsorge-
produkte zu erreichen. Hierzu gehören zum Beispiel
auch Fondssparpläne und Banksparpläne, welche eine
Auszahlung des Kapitals gemäß den Vorgaben frühes-
tens ab dem 60. Lebensjahr in Form von lebenslangen
Auszahlplänen bzw. lebenslangen Renten vorsehen. Der
mündige Verbraucher sollte gerade hier ermutigt wer-
den, verschiedene Möglichkeiten der kapitalgedeckten
Altersvorsorge abzuwägen, um die für seine persönliche
Situation passende Form zu wählen. Die jetzige Be-
schränkung der nachgelagerten Besteuerung auf einen
engen Leibrentenbegriff ist nichts anderes als eine Be-
vormundung der Bürgerinnen und Bürger.
Es stehen dem auch keine haushaltspolitischen
Gründe entgegen, da sich der persönliche Sonderausga-
benabzug nicht erhöhen würde, sondern lediglich auf
mehrere Anlageformen verteilt werden könnte.
Zudem ist nicht einzusehen, dass bei der Riester-
Rente, die ja gerade die reduzierten Renten aus der ge-
setzlichen Rentenversicherung kompensieren soll, auf
ein breites Anlagespektrum zurückgegriffen werden
kann, während die Rürup-Rente den starken Einschrän-
kungen auf Versicherungsprodukte unterliegen würde.
Es ist auch nicht einsehbar, dass eine fondsgebundene
Rentenversicherung, also ein Fondssparplan im Mantel
eines Versicherungsvertrages, als Vorsorgeplan akzep-
tiert wird, während einem Banksparplan oder In-
vestmentsparplan die Anerkennung als Vorsorgeprodukt
verwehrt wird. Alle Produkte müssen die lebenslange
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ente garantieren und müssen deshalb entsprechend
leich behandelt werden. Alle Vorsorgeprodukte unter-
iegen den Bedingungen, dass der Anbieter eine Garantie
ür das eingezahlte Kapital sowie eine lebenslange Rente
ewährleistet.
Die jetzige Gesetzeslage entspricht nicht dem ur-
prünglichen Willen des Gesetzgebers. Der Steuerpflich-
ige wählt nicht das passende Produkt, sondern entschei-
et, welches Produkt steuerlich vorteilhafter ist. Dies
ührt erneut zu Wettbewerbsverzerrungen.
Die Begründung der nachgelagerten Besteuerung mit
onzentration auf Leibrenten kann nicht nachvollzogen
erden. Die damit verbundene Einschränkung der Sou-
eränität der Bürger ist weder aus sozialen noch aus
irtschaftlichen oder haushaltspolitischen Gründen ver-
retbar.
Carl-Ludwig Thiele (FDP): Mit diesem Antrag zur
bziehbarkeit von Aufwendungen zur Altersvorsorge
ielt die Fraktion der Union darauf, die Vorschrift des
10 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes so anzupas-
en, dass Beiträge zum Aufbau einer Rürup-Rente unab-
ängig davon abziehbar sind, an welchen Anbieter sie
eleistet werden.
Hierzu möchte ich zunächst für die Fraktion der FDP
esthalten, dass wir es nach wie vor für einen fundamen-
alen Fehler halten, dass die so genannte Rürup-Rente
icht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar, nicht
eräußerbar und nicht kapitalisierbar gestaltet ist. Frak-
ionsübergreifend sind wir der Meinung, dass wir den
ürgern die Empfehlung geben sollen, sich nicht nur auf
ie Rente als einzige Einnahmequelle im Alter zu verlas-
en. Wir müssen die Bürger auffordern, zusätzliche Al-
ersvorsorge zu betreiben. Dies fällt derzeit naturgemäß
esonders schwer, weil durch die Politik von Rot-Grün
as verfügbare Einkommen der Menschen in den ver-
angenen Jahren nicht nennenswert gestiegen ist.
In der Praxis erleben wir insbesondere von Rot-Grün,
ass dazu aufgefordert wird, private Altersvorsorge zu
etreiben. In Wirklichkeit werden aber alle Instrumente,
it denen dieses geschehen kann, erheblich einge-
chränkt und in ihrer Attraktivität so weit reduziert, dass
ie kaum noch Anreiz bieten, zusätzliche private Alters-
orsorge zu betreiben.
Dieses gilt zum Beispiel für neu abgeschlossene Le-
ensversicherungsverträge ab 2005. Bislang waren die
rträge aus den Lebensversicherungen steuerfrei. Für
erträge ab dem 1. Januar 2005 werden wesentliche
eile davon steuerpflichtig. Zudem hat die rot-grüne
oalition gemeinsam mit der Union beschlossen, dass
uf Lebensversicherungen und Betriebsrenten mit der
uszahlung ab dem 1. Januar 2005 der volle Kranken-
ersicherungsbeitrag gezahlt werden muss. Das heißt,
ie angesparten Beträge werden einer zusätzlichen Be-
astung unterzogen. Dieses schmälert die Attraktivität
er Direktversicherungen und Betriebsrenten.
Die auch von der Bundesregierung angesetzte Zahl an
erträgen für zusätzliche Altersvorsorge durch die
ürup-Rente wird bei weitem nicht erreicht. Dieses
15072 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
(A) )
(B) )
müsste für alle Fraktionen des Deutschen Bundestages
Anlass dafür sein, dass das Konzept der zusätzlich priva-
ten kapitalgedeckten Altersvorsorge grundsätzlich über-
arbeitet und mit weiteren Anreizen versehen werden
sollte.
Mit diesem Antrag greift die Union eine Facette die-
ses Komplexes heraus. Hiernach ist im § 10 Abs. 2
Nr. 2 a Einkommensteuergesetz festgelegt, dass Voraus-
setzung für den Abzug der Beträge für Vorsorgeaufwen-
dungen ist, dass sie „an Versicherungsunternehmen“ ge-
leistet werden. Schon im Vorgriff auf die Beratungen im
Finanzausschuss des Deutschen Bundestages bitte ich
die Regierung um eine Stellungnahme, ob es sich bei
dieser Regelung lediglich um ein redaktionelles Verse-
hen handelt. Denn für diesen Fall haben wir die Mög-
lichkeit, diese Regelung kurzfristig zu ändern.
Für die FDP möchte ich vor der entsprechenden Bera-
tung im Finanzausschuss schon feststellen, dass wir eine
Förderung der privaten Altersvorsorge für zwingend not-
wendig erachten. Unter diesem Gesichtspunkt werden
wir auch die Beratungen im Finanzausschuss konstruktiv
begleiten.
Anlage 9
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Ge-
setzes zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes
(Tagesordnungspunkt 19)
Gustav Herzog (SPD): Wir beraten heute den Ge-
setzentwurf der Bundesregierung zur zweiten Änderung
des Pflanzenschutzgesetzes. Die wichtigsten Punkte, die
wir ändern werden, lassen sich schnell auf den Punkt
bringen:
Es geht um eine vernünftige Regelung im Umgang
mit parallelimportierten Pflanzenschutzmitteln – hier
herrscht weitgehend Einvernehmen.
Es geht um die Aufzeichnungspflicht bei der Anwen-
dung von Pflanzenschutzmitteln – auch hier ein erstaun-
lich weit reichendes Einvernehmen.
Gut, die einen möchten den Forst ausklammern, da
der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln dort verschwin-
dend gering sein soll – doch seien wir mal ganz eifrig
und sagen: Wenn dem tatsächlich so ist, dann ist doch
auch der Aufzeichnungsaufwand verschwindend gering!
Sollte es jedoch mal zu einer Anwendung kommen, dann
handelt es sich beim Forst doch um ein ökologisch deut-
lich sensibleres Gut als das Ackerland. Hier muss mit
großer Sorgfalt herangegangen werden und eine zeitnahe
Aufzeichnung kann den Handelnden durchaus helfen,
sich die problematischen Zusammenhänge deutlicher
vor Augen zu führen und auf diese Weise ihr Problembe-
wusstsein weiter zu schärfen.
Andere rufen nach Vereinfachungen für Kleinbe-
triebe, die jedoch oft aufgrund der ihnen möglichen tech-
nischen Ausstattung und wegen ihrer bloßen Vielzahl
fast problematischer sind als Großbetriebe, und noch
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al andere möchten die kommunale Anwendung einbe-
iehen in die Aufzeichnungspflicht – was durchaus eine
berlegung wert ist.
In der Summe muss aber festgehalten werden, dass in
iesem Punkt Einigkeit besteht.
Wo besteht noch Einigkeit? Zum einen in der Gebüh-
enregelung. In der vorläufigen Zulassung nach § 15c –
uch hier Einigkeit.
Was bleibt, ist natürlich die Uneinigkeit. Doch was
äre das auch für ein Bild, wenn wir keine strittigen
unkte hätten. Sonst wären Sie als Opposition im
runde ja vollkommen überflüssig.
Uneinigkeit besteht vor allem in zwei Punkten: Einer-
eits in der Verlängerung von Übergangsfristen für wi-
errufene Pflanzenschutzmittel. Das halte ich aus Grün-
en der Gefahrenvorbeugung im Sinne des
orsorgeprinzips für wenig sinnvoll.
Andererseits steht die Einvernehmensregelung des
mweltbundesamtes mal wieder in der Diskussion. Hier
uss ich feststellen, dass trotz einiger Verbesserungen
atsächlich nicht alles reibungslos läuft. Wir werden die
usammenarbeit und die Arbeitsabläufe bei der Zulas-
ung von Pflanzenschutzmitteln weiterhin aufmerksam
nd kritisch beobachten.
Ich bin sehr erfreut darüber, dass in den wichtigen
unkten Einvernehmen besteht, denn in der Sache betten
ir uns ein in eine Gesamtstrategie, die wir in unserem
and und in Europa weiter nach vorne treiben. Nur um
s noch einmal in Erinnerung zu rufen: In Europa wur-
en im Jahr 2003 knapp 300 000 Tonnen aktive Wirk-
ubstanz in Pflanzenschutzmitteln abgesetzt, in Deutsch-
and 29 000 Tonnen. Das sind im Schnitt 1,7 Kilogramm
irkstoff, die auf jeden Hektar deutscher landwirt-
chaftlicher Nutzfläche verteilt werden. Wir alle wissen,
ber welche Substanzen wir sprechen, und daher muss
ch auch nicht betonen, dass der Umgang mit Substanzen
ieser Art zu Recht reglementiert sein muss und Forde-
ungen nach Lockerungen unverantwortlich sind.
Vielmehr stellen wir nach wie vor fest, dass es immer
ieder Verstöße gegen geltendes Pflanzenschutzrecht
ibt, denn sonst dürften wir weder Rückstände im Pro-
ukt noch in Gewässern oder Saumbiotopen finden. Sie
lle wissen, diese Analysewerte sind unbestechliche
eugen, und es ist an uns, diese Missstände auszuräu-
en.
Das breit abgestimmte und von der Praxis bereits an-
enommene Reduktionsprogramm der Bundesregierung
reift diesen Faden auf und wir müssen ihn in unseren
ahlkreisen weiterspinnen. Das Prinzip „so viel wie nö-
ig, so wenig wie möglich“ muss immer wieder an die
nwenderbasis herangetragen und in den kommenden
ahren weiterentwickelt werden. Eine künstliche Fron-
enbildung ist hier vollkommen fehl am Platze, denn es
eht schließlich um unser aller Umwelt.
Schlagworte wie „Zwangsökologisierung“ schüren
berflüssige Ressentiments, und, meine Damen und Her-
en der Opposition, falls Sie es noch nicht bemerkt ha-
en: Umweltsünder zu decken und die Schäden, soweit
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15073
(A) )
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überhaupt möglich, auf Kosten der Gemeinschaft zu be-
heben, führt uns nicht weiter.
Wir setzen darauf, die Ökologisierung der Landwirt-
schaft in die Horizontale zu bringen.
Ihre ewige Schwarz-Weiß-Malerei bringt uns da kei-
nen Zoll weiter. Ob bei Dioxin in Freilandeiern oder in
der Grünen Gentechnik: Stets packen Sie die Wadenbei-
ßer aus, die noch nicht gemerkt haben, dass die Zeit sie
längst überholt hat.
Minimierung von Schadstoffen ist keine Opferbrin-
gung der Landwirtschaft mehr, sondern selbstverständ-
lich und dauerhaft in den Berufsgeist integriert. Der
überwiegende Großteil der Berufsständler weiß, dass ein
Raubbau am eigenen Land und Gewässer zum eigenen
Schaden beiträgt. Alle übrigen müssen mit Fortbildungs-
programmen und gezielten Wissenstransfers von der
Forschung in die Praxis noch überzeugt werden. Zur
Orientierung und zumindest in den Mindeststandards der
Gleichbehandlung wegen brauchen alle einen klaren ge-
setzlichen Rahmen. Dieser soll natürlich auch europä-
isch einheitlich sein. Das ist selbstredend und diese Bau-
stellen werden stetig beschickt, um der europäischen
Harmonisierung Schritt für Schritt näher zu kommen.
Im Pflanzenschutzbereich haben wir mit der europäi-
schen Vereinheitlichung der Rückstandshöchstmengen
und der Marktbereinigung bei Wirkstoffen bereits viel
erreicht. Wir sind auf dem richtigen Weg für die Land-
wirtschaft, Verbraucher und unsere Umwelt. Begleiten
Sie uns doch zur Abwechslung ein Stück, statt sich hin-
ter Wadenbeißern und deren Scheinargumenten zu ver-
stecken!
Dr. Peter Jahr (CDU/CSU): Gestatten Sie mir eine
Vorbemerkung. Ich freue mich immer wieder, wenn der
Terminus „Pflanzenschutzmittel“ verwendet wird, ge-
rade weil er den eigentlichen Verwendungszweck besser
verdeutlicht. In Abwandlung eines bekannten Werbe-
spruches könnte man sagen: Für den einen ist es Teufels-
zeug, für den anderen eine wichtige Medizin. Und beides
ist richtig.
Denn eines wird in der hektischen Debatte schnell
vergessen: Pflanzenschutzmittel wurden in erster Linie
eingesetzt und entwickelt, um Pflanzen zu schützen und
damit gesunde, reichhaltige Nahrungsmittel zu produzie-
ren. Gleichzeitig müssen wir unerwünschte Nebenwir-
kungen bekämpfen, wie zum Beispiel Einträge ins
Grundwasser und die Problematik von Rückständen im
Boden bzw. in Nahrungsmitteln. Beide Seiten muss man
beachten.
Gerade aus diesen Gründen unterstützt die CDU/
CSU-Bundestagsfraktion das Pflanzenschutz-Reduk-
tionsprogramm, weil es vom Ansatz her richtig ist.
Gleichzeitig weist meine Fraktion aber auch auf mindes-
tens drei entscheidende Mängel hin. Da wäre erstens das
Problem der ausufernden Bürokratie, ein Monster, das
ständig neue Kinder bekommt.
Zum zweiten sollten Sie, meine Damen und Herren
von der SPD und von den Grünen, besonders bei diesem
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rogramm Ihre ideologischen Scheuklappen entfernen.
flanzenschutz-Reduktionsprogramm, das heißt für
ich, die Wirkungen und Chancen der Grünen Gentech-
ik auch hinsichtlich der Reduzierung von Pflanzen-
chutzmitteln zu erforschen und zu erproben und nicht
tändig die Verbotskeule zu schwenken. Zum dritten
ein Appell an die Ministerin Künast und an den Minis-
er Trittin: Hören Sie endlich auf, die deutschen Land-
irte zu kriminalisieren und stampfen Sie Ihr Projekt der
o genannten verdeckten Feldbeobachtung endlich ein!
uchen Sie wieder die vertrauensvolle Zusammenarbeit
it den Landwirten, die ausdrücklich dazu bereit sind
nd das mehrfach angeboten haben!
Beim Einsatz und der Produktion von Pflanzen-
chutzmitteln haben wir in Deutschland ein anerkannt
ohes Niveau. Mit der Vollendung des gemeinsamen
innenmarktes ist die Harmonisierung der Zulassung
on Pflanzenschutzmitteln eingeleitet worden. Für die
flanzenschutzmittel ist dabei konkret festgelegt, dass
ie Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln auf Gemein-
chaftsebene geprüft werden, die Zulassung der Pflan-
enschutzmittel jedoch nach wie vor national erfolgt.
omit wurde der freie Warenverkehr bei Pflanzenschutz-
itteln nur eingeschränkt verwirklicht. Allerdings benö-
igen importierte Pflanzenschutzmittel keine Zulassung,
enn sie mit einem in diesem Mitgliederstaat zugelasse-
en Mittel übereinstimmen. Aus dem einschlägigen Ur-
eil des EuGH geht gleichzeitig hervor, dass ein verein-
achtes Verfahren zur Feststellung der Übereinstimmung
ulässig ist.
Diese Probleme beim Import von Pflanzenschutzmit-
eln werden vom vorliegenden Gesetzentwurf aufgegrif-
en. Es werden Lösungsvorschläge formuliert.
Die in diesem Bereich noch vorhandene Rechts-
nsicherheit wegen des Fehlens von gesetzlichen
egelungen muss behoben werden. Ansonsten wird das
llgemein anerkannte deutsche Spitzenniveau bei der
ulassung von Pflanzenschutzmitteln wegen der derzeit
orhandenen Umgehungstatbestände konterkariert.
Meine Fraktion bestätig ausdrücklich den grundsätzli-
hen Handlungsbedarf, der mit dem vorliegenden Ge-
etzentwurf aufgegriffen werden soll. Andererseits sieht
ie CDU/CSU-Fraktion erheblichen Nachbesserungsbe-
arf, der im zuständigen Ausschuss noch diskutiert wer-
en muss. Dazu einige Beispiele.
Erstens. Bei der Pflicht des Landwirtes, Aufzeichnungen
ber eingesetzte Pflanzenschutzmittel zu führen – § 6 –
üssen wir endlich Ordnung in das gesamte System
ringen. Beispielsweise sollte die Dokumentationsart
assfähig sein mit den Anforderungen, die sich aus den
o genannten Cross-Compliance-Regelungen ergeben.
aneben muss sichergestellt werden, dass sich diese Do-
umentationspflichten zwingend am europäischen Stan-
ard orientieren und nicht neue Wettbewerbsnachteile
ür deutsche Landwirte schaffen.
Zweitens. In § 7 wird geregelt, dass Pflanzenschutz-
ittel, deren Anwendung durch Verordnung verboten
st, nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz zu
ntsorgen sind. Zu prüfen wäre, ob nicht eine generelle
15074 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
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Rücknahmepflicht des Herstellers bzw. des Importeurs
der bessere und sinnvollere Lösungsansatz wäre. Gleich-
zeitig würden dann so genannte Stoßgeschäfte seitens
des Herstellers bei Ablauf der Genehmigungsfrist ver-
mieden.
Drittens. In letzter Zeit ist die so genannte Einfuhr
zum Eigenverbrauch durch gewerbliche Vermittler so
professionalisiert, dass dadurch ein gesetzlich sanktio-
nierter Umgehungstatbestand geschaffen wird. Durch
die so genannten Abholfälle können deutsche Anwender
einen bedeutenden Teil der zum Eigenverbrauch vorge-
sehenen Pflanzenschutzmittel direkt vom Hersteller be-
ziehen, ohne dass diese Mittel auf ihre Verkehrsfähigkeit
überprüft werden müssen. § 16 des Gesetzentwurfes
sollte in diesem Sinne eindeutiger formuliert werden.
Viertens. § 16 scheint ohnehin der Gesetzesteil zu
sein, mit dem wir uns im Ausschuss noch intensiv be-
schäftigen müssen, und das mit folgenden Fragen: Was
bedeutet eigentlich chemische Übereinstimmung der
Beistoffe und des Formulierungstyps? Wie zwingend
muss diese Übereinstimmung nachgewiesen werden? Ist
die Formulierung hinsichtlich der Herstelleridentität aus-
reichend oder wird hier das geistige Eigentum des
Herstellers gefährdet? Warum wurde, im Gegensatz zu
deutschen Herstellern, für Importprodukte eine Ausver-
kaufsfrist bei Widerruf der Zulassung im Gesetzestext
verankert? Auf welchen Verpackungseinheiten muss die
sich wie die Kennzeichnungspflicht niederschlagen?
Welche Geldbußen drohen bei Kennzeichnungsverstö-
ßen?
Insgesamt, so meine ich, sollte über die Genehmi-
gungspraxis in der EU grundsätzlich diskutiert werden.
Die Vorgaben zur Prüfung der Identität von parallel im-
portierten Pflanzenschutzmitteln verdeutlicht einmal
mehr die Notwendigkeit einer europäischen Zulassung,
nicht nur für Pflanzenschutzwirkstoffe, sondern auch für
Pflanzenschutzmittel.
Beim Umgang mit Pflanzenschutzmitteln sollten wir
stets auch folgendes Zitat des amerikanischen Dichters
und Philosophen Ralph Waldo Emerson im Sinn haben,
der uns schon im 19. Jahrhundert in die Stammbücher
schrieb:
Unkraut nennt man die Pflanzen, deren Vorzüge
noch nicht erkannt worden sind.
In diesem Sinne freue ich mich auf eine konstruktive
Ausschussberatung.
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Die Debatte, die wir gestern im Ausschuss zum
Thema Pflanzenschutzmittel geführt haben, hat mich
schockiert! Die CDU/CSU hat offenbar die einfachsten
Grundlagen noch immer nicht verstanden. Sie werfen al-
les durcheinander, weil Sie bei keiner Vorlage mehr als
die Überschrift lesen, und wenn sie so weiter machen,
werden Sie uns in einer vernünftigen Pflanzenschutzpo-
litik um Jahre zurückwerfen.
Da erklärte zum Beispiel der Kollege Peter Jahr ges-
tern allen Ernstes, Pflanzenschutzmittel seien keine
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ifte. Herr Jahr, ich weiß nicht, ob wir uns hier wirklich
uf einen Kenntnisstand von vor 30 Jahren zurückverset-
en sollten. Pestizide, wie die wissenschaftlich korrekte
ezeichnung für Pflanzenschutzmittel lautet, sind in den
llermeisten Fällen hochgiftige Substanzen. Wir haben
eltweit jährlich Tausende Fälle von Pestizidvergiftun-
en. Sämtliche Fachleute sind sich heute einig, dass Pes-
izide im Wasser und in der Nahrung nichts zu suchen
aben, weil sie giftig sind. Wollen Sie das ernsthaft be-
treiten, Herr Kollege Jahr?
Absolut indiskutabel sind aber auch die andauernden
ußerungen vom Kollegen Peter Bleser.
Wir haben ein „Reduktionsprogramm chemischer
flanzenschutz“ aufgelegt, das sich sehen lassen kann.
ieses Programm ist hervorgegangen aus einem vorbild-
ichen Dialog aller betroffenen Gruppen: Landwirtschaft,
mweltschutz, Verbraucherschutz, Wissenschaft, Ver-
altung und Politik. Über 60 Gruppen! Gemeinsam ha-
en sie die Grundlagen für das Reduktionsprogramm ge-
egt. Bei diesem Reduktionsprogramm geht es darum, an
llen Stellschrauben zu drehen, um unter den gegebenen
edingungen das Bestmögliche zu erreichen. Problem-
ereiche identifizieren, Prozesse optimieren, Anwen-
ungsfehler abstellen und die Anwendung von Pestizi-
en auf das notwendige Mindestmaß reduzieren – darum
eht es im Reduktionsprogramm. Ich halte dieses Reduk-
ionsprogramm für einmalig und ich rechne es den Betei-
igten hoch an, dass sie trotz aller Differenzen am Tisch
eblieben sind und weiter zusammen am Tisch sitzen.
Und dann kommen Sie, Herr Kollege Bleser, nach-
em Sie diese Entwicklung zweieinhalb Jahre lang ver-
chlafen haben, daher, erklären reflexartig, das Pro-
ramm sei überflüssig und fordern die Bundesregierung
uf – so wörtlich –: „Stoppt diesen Unsinn!“ Sie wollen
as Reduktionsprogramm kaputtmachen, Herr Bleser,
hne es überhaupt zu kennen! Damit machen Sie aber
icht, wie Sie vielleicht meinen, ein Projekt der Grünen
aputt, sondern ein einmaliges gemeinsames Projekt der
andwirtschaft, der Industrie und des Umweltschutzes
n Deutschland!
Ein Wort noch zur so genannten verdeckten Feldbe-
bachtung. Was die Sache betrifft, so haben wir uns zu
em Verfahren von Anfang an eindeutig positioniert,
em ist nichts hinzuzufügen. Es stellt sich allerdings
chon die Frage, woher wir die notwendigen Daten be-
ommen sollen, wenn die Länder sie nicht liefern. Denn
iese Daten werden benötigt und die Länder müssen lie-
ern. Bisher ist aber offenbar von den Ländern nicht sehr
iel vorgelegt worden. Ich fordere daher die Opposition
uf, hier und heute Vorschläge zu machen, woher die
aten kommen sollen.
Im Übrigen hoffe ich, dass Herr Bleser nicht öffent-
ich wiederholen wird, was er im Ausschuss zum Einsatz
on Jagdhunden gesagt hat, weil man das als Ermunte-
ung zur körperlichen Gewalt gegenüber Kontrolleuren
erstehen könnte. Vielmehr erwarte ich, dass er sich von
iesen Äußerungen klar distanziert. Darüber werden wir
och zu sprechen haben.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15075
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(B) )
Das Zweite Gesetz zur Änderung des Pflanzenschutz-
gesetzes, das wir heute erstmals beraten und über das wir
dann im Ausschuss im Detail diskutieren können, ist ein
weiterer Baustein in unserer Strategie für mehr Sicher-
heit bei der Anwendung von Pestiziden. Wir regeln da-
mit unter anderem den Umgang mit parallel importierten
Pflanzenschutzmitteln und führen eine schlagbezogene
Aufzeichnungspflicht ein. Beides dient der Verbesserung
der Sicherheit im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln.
Die schlagbezogene Aufzeichnungspflicht wird uns
in Zukunft bessere Auskunft über den Einsatz von Pflan-
zenschutzmitteln geben.
Sie von der Opposition haben das Pestizidproblem
jahrelang liegen lassen. Wir von Rot-Grün versuchen,
uns mit allen Betroffenen vernünftigen, selbstverant-
wortlichen Lösungen zu nähern. Das ist moderne rot-
grüne Agrar- und Verbraucherpolitik, um das Thema
Pflanzenschutz aus der Schmuddelecke zu holen. Aber
Sie machen weiterhin nichts als destruktive Bremserpo-
litik.
Wenn Politik ein Autorennen wäre, würden Sie von
der CDU sich nur darauf konzentrieren, den Mitbewer-
bern die Reifen zu zerstechen, anstatt schneller zu fah-
ren!
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Chemischer
Pflanzenschutz ist unverzichtbar. In den letzten Jahren
ist ein sehr hohes Qualitätsniveau erreicht worden: Die
Beeinträchtigung von Natur und Umwelt durch chemi-
sche Pflanzenschutzmittel konnte kontinuierlich verrin-
gert werden, in den Lebensmitteln sind zumeist keinerlei
Rückstände nachweisbar. Der von der Senatsarbeits-
gruppe „Qualitative Bewertung von Lebensmitteln aus
alternativer und konventioneller Produktion“ vorgelegte
Statusbericht 2003 hebt hervor: „Dass für die Gesund-
heit des Menschen in erster Linie eine ausgewogene Er-
nährung wichtig ist, also insgesamt eine geringere Ver-
zehrsmenge und dabei weniger Fett und Fleisch, jedoch
viel Gemüse und Obst“. Eine Schweizer Studie stellt
fest: „Die Annahme, biologische Lebensmittel seien si-
cherer und gesünder als herkömmlich hergestellte oder
gentechnisch veränderte, konnte bisher wissenschaftlich
nicht belegt werden.“ Damit wird deutlich, dass die Ver-
fahren für die Zulassung chemischer Pflanzenschutzmit-
tel sehr effektiv sind, die Landwirte sehr verantwortlich
mit dem Einsatz dieser Mittel umgehen.
Dennoch macht der Einsatz von Pflanzenschutzmit-
teln Schlagzeilen, weil Verbände ihn zu problematisieren
versuchen, ohne dafür sachlich nachvollziehbare
Begründungen zu haben. Die Bundesregierung hat ein
Pflanzenschutz-Minimierungsprogramm im Konsens
mit allen beteiligten Verbänden auf den Weg gebracht.
Dies ist auch aus Sicht der FDP eine gute Grundlage und
der richtige Weg. Klar muss aber sein, dass nicht nach-
träglich auf Druck von einzelnen Verbänden dieses Mit-
einander zerstört wird. Extrempositionen wie die Fest-
schreibung von Steuern auf Pflanzenschutzmittel oder
das Festschreiben von Mengenzielen würden diesen ge-
meinsamen Weg beenden. Ein entscheidendes Defizit
des Reduktionsprogramms ist in jedem Fall, dass auf-
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rund von ideologischen Blockaden die Chancen der
rünen Gentechnik nicht zum Einsatz kommen, um alle
öglichkeiten zur Verringerung der Anwendung von
flanzenschutzmitteln zu nutzen.
Das vom Umweltministerium betriebene Projekt der
auernspione lehnt die FDP dagegen ab. Mit einem sol-
hen Konfrontationskurs wird nichts für den Umwelt-
nd Verbraucherschutz gewonnen, aber jede Menge Por-
ellan zerschlagen. Insgesamt ist die Politik der Bundes-
egierung scheinheilig. Auf der einen Seite fordert sie
on den Betrieben, dass sie um Vertrauen der Verbrau-
herinnen und Verbraucher werben sollen, und auf der
nderen Seite trägt sie selbst dazu bei, das Vertrauen der
erbraucherinnen und Verbraucher in die landwirtschaft-
iche Produktion zu zerstören.
Der vorliegende Gesetzentwurf muss an mehreren
tellen nachgebessert werden.
Der Gesetzentwurf macht einmal mehr deutlich, wie
ringend eine europäische Zulassung nicht nur der
flanzenwirkstoffe, sondern auch der Pflanzenschutz-
ittel ist. Gäbe es diese, könnten wir uns verschiedene
eitere komplizierte gesetzliche Regelwerke ersparen,
ürden wir die Wettbewerbsbedingungen für unsere Be-
iebe verbessern. Beim Import von Pflanzenschutzmit-
ln muss sichergestellt sein, dass auch importierte
flanzenschutzmittel die hohen Qualitätsanforderungen
Deutschland erfüllen. Dafür ist ein Identitätsprüfver-
ahren erforderlich, aber auch der Nachweis der Formu-
erungsidentität. Da auch die Schutzgüter Natur und
mwelt betroffen sind, darf es keine Sonderregelungen
ür den Eigenverbrauch geben. Es ist bemerkenswert
nd nicht begründbar, dass die Bundesregierung auf die
ndrohung eines Bußgeldes verzichtet hat.
Unbefriedigend gelöst ist ebenfalls die Entsorgung
on Pflanzenschutzmitteln, für die ein Anwendungsver-
ot besteht.
Die im Gesetzentwurf geforderten vermehrten Doku-
entationspflichten lehnt die FDP ab. Das sich in dieser
orderung ausdrückende Misstrauen gegen Land- und
orstwirte, gegen Gärtner und Winzer ist unbegründet.
ir können im Gegenteil feststellen, dass entsprechend
em Wasserwirtschaftsbericht der Bundesregierung im
rundwasser nur noch punktuell Pflanzenschutzmittel
efunden werden und in der Tendenz rückläufig sind.
Dr. Gerald Thalheim (SPD): Die Bundesregierung
egt heute das Zweite Gesetz zur Änderung des Pflan-
enschutzgesetzes vor.
Schwerpunkt des Gesetzes ist eine Regelung zum
mgang mit parallel importierten Pflanzenschutzmit-
eln, das heißt solchen Mitteln, die mit einem in
eutschland zugelassenen Mittel übereinstimmen, ohne
ier über eine eigene Zulassung zu verfügen.
Bis jetzt enthält das deutsche Pflanzenschutzgesetz
eine entsprechende Regelung, vielmehr stützt sich das
eutsche Verfahren auf die Rechtsprechung der Ge-
ichte. Danach waren Parallelimporte ohne vorherige
rüfung frei verkehrsfähig. Dies erschwerte die Kontrol-
en und führte in der Praxis zur Rechtsunsicherheit.
15076 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
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Allerdings sind Parallelimporte entsprechend dem
Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit innerhalb der EU
und der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich zuläs-
sig.
Die neue Regelung sieht nun vor, dass der Importeur
vor dem In-Verkehr-Bringen seines Produktes einen An-
trag beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Le-
bensmittelsicherheit auf Feststellung der Verkehrsfähig-
keit seines Produktes stellen muss.
Bestätigt das Bundesamt aufgrund der vorgelegten
Unterlagen und gegebenenfalls eigener Untersuchungen
die Verkehrsfähigkeit, kann das Produkt vermarktet wer-
den. Auf diese Weise wird einerseits Markttransparenz
hergestellt und die Kontrollierbarkeit verbessert, ande-
rerseits aber auch der Grundsatz der Warenverkehrsfrei-
heit innerhalb der Europäischen Union beachtet.
Des Weiteren wird jetzt die Aufzeichnungspflicht bei
der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in einem Be-
trieb der Landwirtschaft, des Gartenbaus und der Forst-
wirtschaft – die bisher schon in den Grundsätzen der gu-
ten fachlichen Praxis vorgesehen war – im Gesetzestext
selbst verankert. Damit wird ein Beitrag geleistet zur
sachgerechten Anwendung von Pflanzenschutzmitteln,
die Kontrollmöglichkeiten durch die zuständigen Behör-
den werden verbessert.
Vorgesehen ist außerdem eine Entsorgungspflicht für
Pflanzenschutzmittel, deren Anwendung durch die
Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverordnung vollstän-
dig verboten wurde. Durch solche Mittel können Schä-
den entstehen, insbesondere wenn sie längere Zeit
unsachgemäß gelagert werden. Dem soll mit der Veran-
kerung der Entsorgungspflicht vorgebeugt werden.
Als weitere Änderung ist die Regelung so genannter
Vertriebsvereinbarungen vorgesehen. Das sind Verträge
zwischen dem Zulassungsinhaber eines Pflanzenschutz-
mittels und einem Lizenznehmer. Hier hatte es in der
Praxis Unklarheiten über die richtige Kennzeichnung
dieser Produkte und die Information der Zulassungsbe-
hörde gegeben, die nun gesetzlich geregelt werden.
Außerdem wird der § 37 in Anpassung an das EU-
Recht erweitert. Dieser Paragraph legt einerseits fest, für
welche Handlungen das Bundesamt für Verbraucher-
schutz und Lebensmittelsicherheit Gebühren erhebt. An-
dererseits ist er die Ermächtigungsgrundlage für eine
Verordnung über den Umgang mit so genannten Nutzun-
gen, die im integrierten Pflanzenschutz eine wichtige
Rolle spielen.
Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu dem Gesetzent-
wurf.
Anlage 10
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Dreizehnten
Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgeset-
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Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): „Was lange währt“,
o beginnt ein nicht nur in der Politik geläufiges Sprich-
ort. Nicht jeder langwierige Prozess endet zwangsläu-
ig mit einem guten Ergebnis. Ich denke jedoch, dass wir
eute in erster Lesung über einen Entwurf beraten, der
u einem sehr guten Teil den Erfordernissen der Land-
irtschaft, der Tierärzte und nicht zuletzt des Verbrau-
herschutzes gerecht wird.
Lassen Sie mich kurz zurückblicken auf einen langen
nd nicht immer einfachen Diskussionsprozess: Von
einem ersten Tag im Parlament an, also seit mittler-
eile fast zweieinhalb Jahren, habe ich mich dafür ein-
esetzt, dass die gesetzlichen Bestimmungen über den
erkehr mit Tierarzneimitteln praxisorientiert überarbei-
et werden. Nach anfänglichen sehr ermutigenden Dis-
ussionen kam die ganze Angelegenheit ins Stocken.
och jetzt sieht es wieder danach aus, dass wir schließ-
ich doch noch zu einem guten und tragfähigen Ergebnis
ommen.
Als einer von nur zwei praktizierenden Tierärzten in
iesem Hause kenne ich aus eigener Erfahrung – als un-
ittelbar Rechtsunterworfener – die Schwächen des gel-
enden Rechts. Diese wurden in der bisherigen Diskus-
ion lang und breit erörtert. Daher will ich nur die
tichworte „Rechtsunsicherheit bei den Fristen“ und
Umwidmungskaskade“ herausgreifen. Auslegungsfra-
en bei der Sieben-Tage-Frist wurden angemessen klar-
estellt, die Umwidmungsregelungen wurden an EU-
echt angepasst. Als Praktiker begrüße ich besonders
ie Aufhebung des unsinnigen Umpackverbots wie auch
ie Erleichterung des Bezugs von Medikamenten aus
em Ausland und die neu geschaffene Möglichkeit, eine
ierärztliche Hausapotheke an den Nachfolger oder die
achfolgerin zu übergeben. Auch glaube ich, dass die
erbesserung der Überwachung von Fütterungsarznei-
itteln dringend notwendig war.
Wir sind also auf etlichen Problemfeldern zu vernünf-
igen und praktikablen Lösungen gekommen. Wenn ich
wir“ sage, dann meine ich ausdrücklich alle am bisheri-
en Gesetzgebungsprozess Beteiligten: Bundesregie-
ung, Bundesrat und wir Fachpolitiker aller Fraktionen.
enn man dieser Tage so viele Klagen über Blockaden
n der Politik hört, so kann die Debatte über die 13. No-
elle des Arzneimittelgesetzes als gutes Gegenbeispiel
ienen: Die Bundesregierung hat einen guten Entwurf
orgelegt, von Seiten des Bundesrates kam eine sach-
undige und zielführende Stellungnahme. Die darin ent-
altenen Vorschläge und Ergänzungswünsche stießen
um allergrößten Teil auf Anerkennung, und jetzt ist erst
inmal der Bundestag an der Reihe, um dem Gesetz den
etzten Schliff zu geben. Es ist gut, dass beide Seiten,
undesregierung und Länder, sehr weit aufeinander zu-
egangen sind. Dafür möchte ich schon jetzt von Herzen
anken. Ich kann nicht verhehlen, dass ich mich etwas
arüber gewundert habe, wie schnell man seitens des
undesrates davon abgerückt ist, die Sieben-Tage-Frist
ür die systemisch wirkenden Antibiotika komplett strei-
hen zu wollen, aber ich begrüße diesen Sinneswandel
usdrücklich.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15077
(A) )
(B) )
Es wäre freilich verfrüht, zu vermelden, dass alle Pro-
bleme gelöst, alle offenen Fragen geklärt sind. Zunächst
einmal sei hier von der noch zu errichtenden Sachver-
ständigenkommission zu sprechen, die Leitlinien für die
Anwendung von Antibiotika entwickeln und diese per-
manent nach dem neuesten Stand der tiermedizinischen
Wissenschaft weiterentwickeln soll. Dieser Ansatz ist im
Prinzip zweifelsohne zu begrüßen – dynamische Leitli-
nien sind in meinen Augen ein guter Ersatz für statische,
nur in langwierigen Verfahren veränderbare Indikatio-
nenlisten. Wir alle kennen den Verordnungsweg. Zwi-
schen Erkenntnis und Verordnung könnten etliche Tiere,
die man ohne weiteres hätte behandeln können, ein trau-
riges Ende gefunden haben.
Wie dieses Gremium mit dem sperrigen Namen
Tierarzneimittelanwendungskommission am Ende aus-
sehen wird, wie sich seine praktische Arbeit darstellen
wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Dem entspre-
chenden Verordnungsentwurf, der meiner Meinung nach
vor der zweiten und dritten Lesung vorliegen muss, sehe
ich mit großer Spannung entgegen. Ich gehe davon aus,
dass die Seite der Praktiker bei der Zusammensetzung
angemessen berücksichtigt wird. Die bisher veran-
schlagten Haushaltsmittel von 7 000 Euro halte ich je-
doch – bei aller Ausgabendisziplin – für sehr knapp be-
messen.
Ein Thema, das in der Diskussion lange Zeit eine
große Rolle spielte, ist die Frage der Definition der tier-
ärztlichen Bestandsbetreuung. Diese findet sich im vor-
liegenden Entwurf ebenso wenig wieder wie in der Stel-
lungnahme des Bundesrates, und das aus gutem Grund.
Meiner Meinung nach kann das Arzneimittelgesetz diese
Frage auch gar nicht regeln. Eine gesetzliche Regelung
ist jedoch immer noch dringend und zwingend erforder-
lich.
Nach wie vor unbefriedigend ist, dass es an einer Un-
terscheidung zwischen Lebensmittel liefernden Tieren
und reinen Gesellschafts- und Sporttieren mangelt. Eine
klare Abgrenzung nach Gattungen ist nicht möglich. Ich
verweise nur auf Kaninchen und Pferde. Für letztere gibt
es in Deutschland den Equidenpass, der jedoch jenseits
unserer Grenzen – bei der Schlachtung in Frankreich
oder Belgien – keinerlei Bedeutung hat. Hier ist die Bun-
desregierung aufgefordert, sich auf Europäischer Ebene
im Sinne des internationalen Verbraucherschutzes für
eine Kennzeichnungsverordnung einzusetzen.
Ein guter Teil des langen Weges hin zu praxistaugli-
chen nationalen gesetzlichen Bestimmungen über den
Verkehr mit Tierarzneimitteln liegt hinter uns, über das
weitere Vorgehen wird im Ausschuss zu beraten sein. Ich
persönlich stehe dem Gedanken einer Länderanhörung
aufgeschlossen gegenüber, um den bisher so gedeihli-
chen und konstruktiven Dialog bis zum Schluss auf-
rechtzuerhalten. In jedem Falle bin ich sicher, dass wir
schon bald dem eingangs gesagten „was lange währt“
seinen wohlverdienten Schlussteil anfügen.
Peter Bleser (CDU/CSU): Der jetzt vorgelegte Ge-
setzentwurf ist wenigstens ein kleiner Fortschritt im
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inne des Tier- und Verbraucherschutzes. Damit hat die
undesregierung ihre Fehlleistung beim jetzt geltenden
rzneimittelgesetz von 2002 zumindest in einigen Punk-
en eingestanden. Nur der Druck der Tierärzteschaft, der
andwirtschaft vertreten durch den Bauernverband, aber
or allem der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat Bewe-
ung in diese, an der Praxis vorbei gehenden Regelun-
en gebracht.
Es gehört aber auch zu den angenehmen Erfahrungen
n diesem Parlament, dass sich die zuständigen Bericht-
rstatter aller Fraktionen übereinstimmend für eine Re-
orm das Arzneimittelgesetzes ausgesprochen haben.
eider ist die Dokumentation dieses einstimmigen Än-
erungswunsches in Form eines Briefes an die Bundes-
egierung auf Druck derselben auf die Berichterstatter
on Rot-Grün nicht zustande gekommen. Der Entwurf
es Briefes, in dem die Änderungswünsche aufgeführt
aren, war aber bei allen Beteiligten unstrittig.
Teile dieser Wünsche sind in dem neuen Gesetzent-
urf dankenswerter Weise umgesetzt worden. Hierzu
ählen: die Möglichkeit, im Therapienotstand auch für
ebensmittel liefernde Tiere Arzneimittel in öffentlichen
potheken herstellen zu lassen; die Aufhebung des Ab-
abeverbots für umgewidmete Arzneimittel; die Um-
andlung der Genehmigungs- in eine Anzeigepflicht bei
er Einfuhr von Arzneimitteln; die leichte Flexibilisie-
ung von nicht antimikrobiell wirksamen Stoffen auf bis
u 31 Tage.
Den Kern der Kritik an der bestehenden Gesetzeslage
reift jedoch auch der jetzt vorliegende Gesetzentwurf
icht auf. Frau Künast hat die Aufbewahrungsfrist von
ntibiotisch wirkenden Arzneimitteln zum Dogma er-
lärt. Damit ignoriert sie hartnäckig die Praxiserfahrun-
en sowohl der Tierärzte, als auch der landwirtschaftli-
hen Betriebe. Zwar erkennt sie in ihrem Gesetzentwurf
n dem Bereich Handlungsbedarf an – sie hat deshalb die
bgabefrist auf bis zu 31Tage ausgedehnt –, diese soll
edoch nur unter den Leitlinien die durch eine Tierarznei-
ittelanwendungskommission definiert werden sollen,
öglich werden. Kurz: Sie misstraut der tierärztlichen
achkompetenz und verhindert damit, dass die neuesten
issenschaftlich-technischen Erkenntnisse schnell in der
raxis eingeführt werden können.
Hauptkritikpunkt unsererseits ist jedoch, dass mit die-
er Fristenregelung der Medikamenteneinsatz keines-
egs verringert wird, sondern im Gegenteil das wirt-
chaftliche Interesse zur Abgabe von Medikamenten
urch Tierärzte eher dominiert.
In den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass es
m Interesse der Verbesserung der Tiergesundheit, ge-
ade in landwirtschaftlichen Tierbeständen, sinnvoller
st, stärker die Beratungsleistung von Tierärzten zur Ver-
esserung der Bestandsgesundheit zu nutzen. Somit
ient die Bindung von Medikamentenabgaben an land-
irtschaftliche Betriebe unter der Voraussetzung der
ufstellung eines Behandlungsplanes oder dem Ab-
chluss einer Betreuungsvereinbarung, gleich mehreren
ewünschten, politische Zielsetzungen:
15078 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
(A) )
(B) )
Erstens. Eine zeitnahe und damit für das Tier
schmerzmindernde Behandlung ist unter diesen Bedin-
gungen auch in kleinen Betrieben zeitnah möglich.
Zweitens. Durch den Abschluss einer Betreuungsver-
einbarung oder die Erstellung eines Behandlungsplanes
ist der Tierarzt bei der Abgabe von Medikamenten und
deren Verwendung mit verantwortlich.
Drittens. Die jetzt schon in landwirtschaftlichen Be-
trieben sinnvolle und notwendige Dokumentation so-
wohl des Bezuges als auch des Einsatzes von Medika-
menten gewinnt erheblich an Glaubwürdigkeit.
Viertens. Die Nachteile insbesondere der Landwirt-
schaft in den westlichen Bundesländern, wo der Tierarzt-
besuch in der Regel nicht im Sieben-Tage-Rhythmus
stattfindet, würden gegenüber der großstrukturierten
Landwirtschaft in den neuen Bundesländern, wo in vie-
len Fällen ein eigener Tierarzt beschäftigt wird, ausge-
glichen.
Aus dem letzten Grund appelliere ich gerade an die
neuen Bundesländer, auch an die CDU-geführten, sich in
dieser Frage mit den Bundesländern mit einer kleiner
strukturierten Landwirtschaft solidarisch zu erklären.
Darüber hinaus kündigen wir Ihnen schon jetzt an, dass
wir zum Arzneimittelgesetz eine weitere öffentliche An-
hörung beantragen werden. Wir geben die Hoffnung
nicht auf, dass Sie sich der Meinung der Fachleute nicht
länger verschließen können. Ich appelliere an die Bun-
desregierung und die sie tragende Koalition, den Argu-
menten des Verbraucher- und Tierschutzes, des Bauern-
verbandes und der Tierärzte zu folgen, und bei den jetzt
anstehenden Ausschussberatungen auch dem letzten
noch strittigen Punkt, nämlich der Abschaffung der Sie-
ben-Tage-Regelung, zu entsprechen.
Nur wenn dieses Ziel erreicht ist, werden CDU und
CSU diesem Gesetz die Zustimmung geben können.
Julia Klöckner (CDU): Wir befassen uns heute zum
vierten Mal in diesem Plenum mit der Novelle des Tier-
arzneimittelrechtes. Intensive Beratungen sind im Zu-
sammenhang mit dieser wichtigen Materie auch tun-
lichst angeraten; denn ich kann mich der Annahme nicht
verwehren, dass der eine oder andere Beteiligte den
Sachzusammenhang noch nicht ganz verstanden hat. Zu-
gegeben, die infrage stehenden Normen sind durchaus
komplex und bewegen sich auf der Schnittstelle zwi-
schen veterinärmedizinischem Sachverstand, juristischer
Finesse und ganz handfester Praxisarbeit im landwirt-
schaftlichen Alltag. Lassen Sie mich deshalb noch ein-
mal auf die Notwendigkeit eingehen, das geltende Tier-
arzneimittelgesetz zu überarbeiten. Bislang nämlich sind
wir im Sinne der Tierärzte, der Tierhalter, der Verbrau-
cher und der Tiere selbst noch keinen wirklich großen
Schritt weitergekommen.
Nach langem Zögern hat es die Bundesregierung mitt-
lerweile endlich geschafft, einen Gesetzentwurf vorzule-
gen. Zu diesem Etappenerfolg darf ich die Bundesregie-
rung erst einmal recht herzlich beglückwünschen. Leider
ist ihr Entwurf eher das Ergebnis zögerlicher Flickschus-
terei.
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Wir haben in der CDU/CSU-Fraktion schon vor zwei
ahren die Erarbeitung einer sachgerechten und prakti-
ablen Lösung im Sinne des Verbraucher- und Tierschut-
es angemahnt. Leider hat es sehr lange gedauert, bis die
egierung tätig wurde. Als wir uns im Plenum bei der
ergangenen Debatte mit diesem Thema befasst haben,
abe ich bereits eine schlimme Vorahnung geäußert:
bgesehen von redaktionellen Änderungen würde der
egierungsentwurf wohl eher an den Symptomen herum-
oktern, als eine tatsächliche und umfassende Novellie-
ung des Tierarzneimittelrechtes anzupacken.
Fest steht: Die vorrangigen Ziele, denen wir uns auch
eute noch verpflichtet sehen – ein verbesserter Verbrau-
her- und Tierschutz –, sind mit dem Tierarzneimittelge-
etz in seiner jetzigen Form nicht wirklich zu erreichen.
ie Folgen: Rechtsunsicherheit, kaum zumutbare Mehr-
elastungen für Tierärzte und -halter und allem voran
angelnder Tierschutz. Also muss das Gesetz verändert
erden, und zwar richtig und umfassend.
Nun werfen wir einen Blick in den aktuellen Regie-
ungsentwurf und müssen mit Erstaunen feststellen: Das,
orüber wir die ganze Zeit geredet haben, der einzige
irkliche Knackpunkt und Auslöser der ganzen Novel-
ierungsdebatte, nämlich die Sieben-Tage-Regelung, ist
einahe unverändert übernommen worden. Ist es das,
as Sie unter einer Novellierung verstehen?
Die Sieben-Tage-Regelung stellt aber das zentrale
roblem der bestehenden Rechtslage dar. Welche Krank-
eit hält sich an eine willkürliche Vorgabe von
ieben Tagen? Bei der Abgabe eines Arzneimittels für
ehr als sieben Tage verstößt der Tierarzt derzeit gegen
eltendes Recht. Um dies zu verhindern, müsste der
ierarzt jedem kranken Tier einen persönlichen Kran-
enbesuch abstatten und eine Diagnose mit Behand-
ungsanweisung aussprechen, bevor der Tierhalter die
ötige Behandlung durchführen darf.
Ich betone nochmals ausdrücklich: Es geht nicht um
ine ersatzlose Streichung der Sieben-Tage-Regelung,
ondern um ein praxisnahes alternatives Modell: Fle-
ible tierärztliche Behandlungspläne oder die Aufnahme
on Behandlungsplänen sind beispielsweise geeignete
nstrumente. Eine reine Veränderung der zeitlichen An-
orderungen wäre sicherlich nicht akzeptabel, da eine
tarre Frist, von welcher Länge auch immer, der Vielfalt
er Tiererkrankungen und deren Verläufen nicht gerecht
erden kann. Ich darf in diesem Zusammenhang an
nseren Antrag erinnern. Dieser steht für ein Tierarznei-
ittelgesetz, das mehr Verbraucherschutz bringt, ohne
ierquälerei zu verursachen und ohne Landwirten und
ierärzten ein bürokratisches Überwachungsmonstrum
ufzuhalsen, und das die Beteiligten aus der rechtlichen
rauzone herausholt.
Da wir gerade von bürokratischen Ungetümen spre-
hen. Eine der wesentlichen Leistungen des jetzt vorge-
egten Regierungsentwurfes ist die geplante Schaffung
iner Tierarzneimittelanwendungskommission. Ganz
ach Belieben der Regierung zusammengesetzt und
hne Beteiligung der Länder – ein Meisterstück dreister
ompetenzverschiebung. Denn die Kommission wird
urch Rechtsverordnung ohne Beteiligung des Bundes-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15079
(A) )
(B) )
rates eingesetzt. Da hilft es wenig, dass bei der Arbeit
der Kommission der Bundesrat dann doch wieder ins
Boot soll. Ziel der Kommission kann nur die Fortschrei-
bung der Antibiotikaleitlinien sein. Dazu ist dieses Gre-
mium aber nicht das geeignete Instrument. Schon gar
nicht, wenn es mit den von der Bundesregierung vorge-
sehenen Finanzmitteln ausgestattet ist. Von 7 000 Euro
lässt sich die Arbeit von Experten jedenfalls nicht bezah-
len. Ich bin mir ganz sicher, dass die Ministerialbeamten
da nicht anders denken. Man muss sich vergegenwärti-
gen, dass die Kommission etliche Mitglieder haben wird,
die zu den regelmäßigen Sitzungen reisen müssten. Der
von der Bundesregierung vorgesehene Betrag würde
nicht einmal annähernd die Reisekosten decken, ge-
schweige denn eine sachgerechte inhaltliche Arbeit von
hoch dotierten Experten ermöglichen.
Doch ich will mich nicht in Kritik allein versteigen,
schließlich geht es uns um die Sache. Lassen Sie uns mit
vereinten Kräften nach Gemeinsamkeiten und wirklich
praktikablen Lösungsansätzen suchen. Lob verdient der
von uns seit Anbeginn und im CDU/CSU-Antrag aus-
drücklich formulierte Vorstoß, den Tierärzten das Um-
füllen von Arzneimitteln aus fertigen Gebinden und
fachgerechte Neuverpacken zu ermöglichen, um eine be-
darfsgerechte Abgabe von Tierarzneimitteln zu gewähr-
leisten. Es kann nicht sein, dass riesige angebrochene
Packungen zu einem ökonomischen und ökologischen
Problem der Tierhalter werden. Positiv anzumerken ist
auch der zu Beginn noch in den Verhandlungen immer
wieder propagierte Vorschlag einer Indikationenliste.
Dass die Regierung auch hier auf eine der vielen For-
derungen von unserer Seite eingegangen ist, verdient
Anerkennung. Auch die Anpassung der Umwidmungs-
kaskade an europäisches Recht und die Abschaffung des
Abgabeverbotes für umgewidmete Arzneimittel halten
wir für den richtigen Weg.
Derart konstruktive Vorschläge gilt es aufzugreifen
und in einen neuen Gesetzentwurf einzuarbeiten. Die
Beteiligten, allen voran die Tierärzte und Landwirte, ste-
hen für die Umgestaltung nach wie vor zur Verfügung.
Daher regen wir – gemeinsam mit unseren Oppositions-
kollegen von der FDP – an, die Novelle im Rahmen ei-
ner Expertenanhörung im Ausschuss noch einmal der
Beratung der tatsächlich Betroffenen zuzuführen. Ich bin
zuversichtlich, dass meine Kollegen im Ausschuss eine
erneute Anhörung der Verbände fraktionsübergreifend
mittragen werden.
Das Thema ist einfach zu wichtig, um es parteipoliti-
schem Kalkül zu opfern. Dankenswerterweise hatte sich
ein gemeinsamer Wille ja unter den Kollegen im Aus-
schuss bereits im vergangenen Jahr gezeigt, als sich die
Berichterstatter aller Fraktionen auf ein gemeinsames
Schreiben an Ministerin Künast geeinigt hatten und um
Hilfe bei der Formulierung eines fraktionsübergreifen-
den Gesetzesantrages aus der Mitte des Parlaments ba-
ten. Dass dies von Ministerin Künast damals nicht ge-
wollt war und den Grünen die Mitarbeit untersagt wurde,
ist hinlänglich bekannt. Lassen Sie uns nun gemeinsam
diese Chance wieder aufgreifen und auf eine wirklich
sachgerechte und praktikable Lösung im Sinne des Ver-
braucher- und Tierschutzes hinarbeiten. Der jetzt vorge-
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egte Gesetzentwurf ist so noch nicht tragbar und wird
en Problemen in der Praxis nicht umfassend gerecht.
och haben wir Gelegenheit, eine wirkliche Novelle auf
en Weg zu bringen, die uns in der Anwendungspraxis
eiterbringt und einen gesteigerten Verbraucherschutz
nd Tierschutz garantiert.
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN): Worum geht es bei dieser 13. Novelle des Arznei-
ittelgesetzes, die wir heute beraten? Mit dem im Jahr
002 in Kraft getretenen 11. Gesetz zur Änderung des
rzneimittelgesetzes wurden neue Regeln für den Um-
ang mit Tierarzneimitteln aufgestellt. Ziel war es, im
inne des Gesundheits- und Verbraucherschutzes den
insatz von Tierarzneimittein auf ein therapeutisch not-
endiges Mindestmaß zu reduzieren und dadurch die
usbreitung von Antibiotikaresistenzen zu vermeiden,
ie Qualität von Tierarzneimitteln zu verbessern und die
icherheit im Tierarzneimittelverkehr zu erhöhen. Erfah-
ungen mit der Anwendung und dem Vollzug der Vor-
chriften dieses Gesetzes haben inzwischen gezeigt, dass
ei einigen Regelungen offenbar Anpassungsbedarf im
inblick auf die Anwendbarkeit in der Praxis besteht.
ir haben uns im Verbraucherausschuss frühzeitig die-
er Probleme angenommen und ich glaube für uns alle
agen zu können, dass wir einen langen und intensiven
iskussionsprozess hinter uns haben.
Wir sind auf die Kritik des Bundesrates und der Tier-
rzte eingegangen, wir haben Anhörungen durchgeführt,
ir haben eine interfraktionelle Arbeitsgruppe einge-
ichtet. Wir mussten allerdings auch feststellen, dass sich
ie Tierärzteschaft als besonders betroffene gesellschaft-
iche Gruppe offenbar in der Bewertung des Gesetzes al-
es andere als einig ist. Und auch der Bundesrat vertritt
eute eine etwas andere Meinung als vor einem Jahr. Wir
egrüßen das. Insbesondere die ursprünglich von vielen
eiten als praxisfremd kritisierte Sieben-Tage-Regelung
at sich offenbar inzwischen als wesentlich unproblema-
ischer erwiesen, als zunächst behauptet. So schreibt der
undesrat in seiner Stellungnahme zum vorliegenden
esetzentwurf: „Bei der Umsetzung der Sieben-Tage-
egelung für Antibiotika wurden keine konkret nach-
eisbaren Probleme in der tierärztlichen Praxis festge-
tellt …“
Ich denke, dass damit die dickste Kuh vom Eis ist und
ir zu einer zügigen Verabschiedung der 13. AMG-No-
elle kommen können. Wir haben ansonsten eine Reihe
on Änderungen vorgenommen, die der Praxis Erleich-
rungen bringen, etwa bei der Abgabe von Teilmengen,
er Anpassung der so genannten Umwidmungskaskade
n die EU-Richtlinie 2004/28/EG oder der Aufhebung
es Abgabeverbotes umgewidmeter Arzneimittel.
Was die zu bildende Sachverständigenkommission
ngeht, so brauchen wir uns an dieser Stelle über deren
usammensetzung den Kopf nicht zu zerbrechen, da
iese ohnehin erst durch eine nachfolgende Rechtsver-
rdnung festgesetzt werden wird.
Ich denke, die lange und schwierige Diskussion, die
ir um diese 13. AMG-Novelle geführt haben, sollte uns
llen eine Warnung sein, die jetzt gefundene weitge-
ende Einigkeit mit den Ländern nicht wieder infrage zu
15080 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
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stellen. Ich glaube, wir haben jetzt den Punkt erreicht,
wo wir sagen sollten: Jetzt machen wir den Sack zu! Die
Praxis braucht vor allem eines: Rechtssicherheit. Daher:
Die praxisuntauglichste aller Regelungen ist die, die
nicht beschlossen wird!
Hans-Michael Goldmann (FDP): Der Entwurf ei-
nes 13. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
weist sicherlich eine ganze Reihe von Verbesserungen
auf. Nach wie vor ist er aber geprägt von Misstrauen ge-
genüber den gute fachliche Praxis anwendenden Tierärz-
ten und auch den Bauern.
Die 13. AMG-Novelle legt denn Fachmann, dem
Tierarzt, nach wie vor unnötige Fesseln an, wenn es da-
rum geht, Krankheiten zu vermeiden oder die Gesund-
heit eines Tieres wiederherzustellen. Die 13. Änderung
des Arzneimittelgesetzes hat viel zu wenig den Grundge-
danken verinnerlicht, dass die stärkste Triebfeder für je-
den Tierarzt die Gesunderhaltung und Wiederherstellung
der Gesundheit der Tiere ist. Dieser Grundsatz gilt beim
Erlernen und der fachgerechten Ausübung des Berufes.
Diese grundsätzliche Kritik wird auch nicht durch
eine Reihe von verbessernden Neuregelungen korrigiert,
die in der 13. AMG-Novelle zum Tragen kommen: Weg-
fall der Indikationsliste, Erleichterung der Abgabe von
Teilmengen, sofern eine Qualitätsminderung nicht zu be-
fürchten ist, Anpassung der Umwidmungskaskade an
europäisches Gesetz – obwohl auch hier noch weitere
Schritte hätten gegangen werden können –, Abschaffung
des Abgabeverbotes für geöffnete Arzneimittel.
Aus Sicht der FDP sind zwei Punkte dringend ände-
rungsbedürftig. Erstens die Sieben-Tage-Regelung: Hier
wurden durch die Begrenzung der Sieben-Tage-Frist auf
die Abgabe von Antibiotika und der Klarstellung, dass
eine persönliche Untersuchung der Tiere durch den Tier-
arzt im Falle einer Weiterbehandlung nicht immer not-
wendig ist, zwar Fortschritte erzielt. Die FDP hält aber
die vom Bundesverband praktizierender Tierärzte vorge-
schlagene Regelung zur Bindung der verlängerten Ab-
gabe von Antibiotika an die Erstellung eines Behand-
lungsplanes nach wie vor für sachgerechter. Ein solcher
Behandlungsplan könnte durch Einbindung der Tierärzte
und Landwirte sowie durch eine fachliche Überwachung
einen erheblichen Beitrag zur Transparenz des Tierarz-
neimittelverkehrs leisten.
Zweitens die Tierarzneimittelanwendungskommis-
sion: Die FDP schlägt vor, aus fachlicher Sicht dieses
Wort zum Unwort des Jahres zu erklären. Im derzeitigen
Entwurf soll die Kommission nämlich im Wesentlichen
mit der Aufgabe betraut werden, die Antibiotika-Leitli-
nien fortzuschreiben. Wir sind davon überzeugt, dass
eine Sachverständigenkommission, die per Gesetz oder
Verordnung alle am Tierarzneimittelverkehr Beteiligten
paritätisch berücksichtigen muss, eine solch wichtige
Fragestellung nicht zielführend wird lösen können. Die
FDP hält diese Kommission für absolut entbehrlich.
Die Fortschreibung der Antibiotika-Leitlinien ist eine
wissenschaftliche Aufgabe. Sie muss nach Auffassung
der FDP durch die entsprechenden wissenschaftlichen
Fachgesellschaften erfolgen. Dies wäre im Falle der Ve-
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erinärmedizin die Deutsche Veterinärmedizinische Ge-
ellschaft (DVG). In dieser Fachgesellschaft ist in allen
inzelnen Fachgruppen der notwendige Sachverstand
ervorragend versammelt, um die Leitlinien sinnvoll
eiterzuentwickeln.
Solche Leitlinien können einen wichtigen Beitrag
eisten, Antibiotika noch zielgerichteter einzusetzen. Da-
it würden sie der fachlichen Fort- und Weiterbildung
er Anwender dienen. Sie brauchen aber ganz sicherlich
einen Gesetzesrahmen.
Wie wenig ernst selbst die Bundesregierung diese
ierarzneimittelanwendungskommision nimmt, kann
an schon aus den Mittelbereitstellungen für diese
ommission ersehen: 7 000 Euro pro Jahr sind ein Witz.
enn diese Summe könnte bestenfalls einen Teil der
eisekosten für möglicherweise zwei Sitzungen pro Jahr
bdecken. Eine personelle Betreuung durch das zustän-
ige Ministerium oder eine Bundesoberbehörde kann bei
ieser Kalkulation keine Berücksichtigung gefunden ha-
en.
Um die von uns kritisierten Sachverhalte, Sieben-
age-Regelung und Tierarzneimittelanwendungskom-
ission, gründlich zu erörtern und um zu einer besseren
ösung zu kommen, die in der Praxis das Wohl der
iere, der Verbraucher und der Bauern im Auge hat und
ich nicht an der speziellen Interessenlage von Verwal-
ungsbeamten orientiert, wird die FDP bei den Aus-
chussberatungen eine Anhörung beantragen.
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär im Bun-
esministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und
andwirtschaft: Die 13. AMG-Novelle ist ein wichtiges
hema für den Verbraucherschutz, den Tierschutz und
ie Landwirtschaft. Die Behandlung von erkrankten Tie-
en mit Arzneimitteln ist ein Gebot des Tierschutzes. Ein
ebot des Verbraucherschutzes ist die gesundheitliche
nbedenklichkeit von Lebensmitteln, die von behandel-
en Tieren stammen. Beides, die Verfügbarkeit wirksa-
er Arzneimittel und die gesundheitliche Unbedenklich-
eit von Lebensmitteln tierischer Herkunft, muss
erücksichtigung finden, wenn über tierarzneimittel-
echtliche Vorschriften diskutiert wird.
Eine besondere Problematik kommt bei den Antibio-
ika hinzu: Antibiotika sind besonders wichtig für die
herapie von Menschen und Tieren und sie sind beson-
ers gefährdet in ihrer Wirksamkeit durch unkritischen
insatz. Jede Anwendung von Antibiotika kann zur Ent-
icklung von Resistenzen führen und damit zum Verlust
es Stoffes für die Therapie von Mensch und Tier beitra-
en. Antibiotika bedürfen daher unseres besonderen Au-
enmerks und Schutzes.
Die Bekämpfung der Ausbreitung von Antibiotikare-
istenzen ist der Bundesregierung daher auch ein beson-
eres Anliegen. Zu der Strategie zur Bekämpfung der
usbreitung von Antibiotikaresistenzen gehört auch die
o genannte Sieben-Tage-Regel im Arzneimittelgesetz.
ir sind daher nicht bereit – wie von verschiedenen Sei-
en mehr oder weniger deutlich betrieben –, diese Sie-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15081
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ben-Tage-Regel für Antibiotika aufzugeben oder so weit
auszuhöhlen, dass sie nur noch auf dem Papier steht.
Der vorliegende Entwurf der Bundesregierung zur
Änderung des Arzneimittelgesetzes trägt der besonderen
Bedeutung der Antibiotika Rechnung und zeigt gleich-
zeitig eine Möglichkeit der Flexibilisierung der Sieben-
Tage-Regel für bestimmte Anwendungsgebiete auf.
Diese vorgesehene Flexibilisierung hätte insbesondere
klare und für jeden nachvollziehbare Grenzen.
Der Bundesrat ist selbst diesem wohlabgewogenem
Ansatz mit Verweis auf den gesundheitlichen Verbrau-
cherschutz und die Strategie zur Bekämpfung der Aus-
breitung von Antibiotikaresistenzen nicht gefolgt, ob-
wohl er selbst vor nicht allzu langer Zeit einen
Gesetzentwurf zur Flexibilisierung eingebracht hat. Das
zeigt, wie sensibel und wie schwierig die Thematik ist.
Verständlich wird die Haltung des Bundesrates, wenn
man die Entwicklung seit der Vorlage des Referentenent-
wurfes betrachtet. Wie es häufig der Fall ist, hat der Ent-
wurf intensive Diskussionen zwischen allen Beteiligten
ausgelöst, die durchaus nicht fruchtlos waren, sondern
zu einer Weiterentwicklung der Sichtweisen geführt und
insbesondere auch einige Missverständnisse über die
geltende Rechtslage ausgeräumt haben. Es ist nämlich
nicht so, dass die Sieben-Tage-Regel zwangsläufig be-
deutet, dass der Tierarzt alle sieben Tage in den Bestand
gehen muss. Was der Tierarzt alles machen muss, damit
er in Übereinstimmung mit den arzneimittelrechtlichen
Vorschriften Arzneimittel abgeben darf, ist ganz woan-
ders, nämlich in der auf dem Arzneimittelgesetz basie-
renden tierärztlichen Hausapothekenverordnung geregelt
und diese Regelungen gelten unabhängig voneinander.
Wenn es also so ist, dass die Diskussion des Entwur-
fes zu dem Ergebnis geführt hat, dass eine Flexibilisie-
rung der Sieben-Tage-Regel für Antibiotika unter Be-
rücksichtigung dieser geltenden Rechtslage gar nicht
erforderlich ist und – wie der Bundesrat ebenfalls aus-
führt – sich inzwischen zeigt, dass das mit der Regelung
verfolgte Ziel erreicht wird, dann kann man ja nur die
Konsequenz ziehen, die der Bundesrat gezogen hat,
nämlich dass die Sieben-Tage-Regelung für Antibiotika
so bestehen bleiben sollte, wie sie ist. Dementsprechend
hat sich die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme ge-
äußert.
Das macht natürlich den Gesetzentwurf nicht überflüs-
sig. Der Entwurf enthält ja noch viel mehr als die Sieben-
Tage-Regel für Antibiotika. So soll der Abgabezeitraum
für alle übrigen betroffenen Arzneimittel auf 31 Tage aus-
geweitet werden, die Abgabe von Arzneimittelteilmengen
durch den Tierarzt erleichtert werden, die Herstellung von
Arzneimitteln für Lebensmittel liefernde Tiere in Apothe-
ken ermöglicht werden, das Abgabeverbot umgewidmeter
Arzneimittel für Lebensmittel liefernde Tiere aufgehoben
werden, eine Tierarzneimittelanwendungskommission zur
Weiterentwicklung der Antibiotika-Leitlinien geschaffen
werden und der Import von Tierarzneimitteln neu geregelt
werden.
Der Entwurf enthält also eine Fülle von Anpassungen
geltender Regelungen aufgrund der Erfahrungen in der
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raxis und ein großer Teil dieser Änderungen wird die
andhabung für Tierärzte und Tierhalter erleichtern.
Ich bin überzeugt, dass wir hier ein rundes Paket ge-
chnürt haben, mit dem alle am Verkehr mit Tierarznei-
itteln Beteiligten zufrieden sein können und das glei-
hermaßen die Belange des Tierschutzes und des
erbraucherschutzes berücksichtigt.
nlage 11
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Organisationsstruktur der Telematik im Ge-
sundheitswesen (Tagesordnungspunkt 21)
Eike Hovermann (SPD): Eins vorweg: Der Gesetz-
ntwurf ist zustimmungspflichtig im Bundesrat. Doch
ie Gesundheitskarte ist ein Projekt, das von allen ge-
ollt ist und gewollt werden muss, die es ernst meinen
it der Steigerung von Effizienz und Qualität in unse-
em Gesundheitswesen. Sie kennen vielleicht die aktu-
lle Umfrage der TK, wonach 75 Prozent der Bürgerin-
en und Bürger die Gesundheitskarte und ihre
öglichkeiten begrüßen.
Damit diese Karte nach langen Jahren des Diskutie-
ens nun endlich Realität wird, müssen wir dafür sorgen,
ass der Prozess der Umsetzung, der bereits begonnen
at, nun weitergeführt wird, zugunsten einer besseren
edizinischen Versorgung der Patientinnen und Patien-
en. Der nun vorliegende Gesetzentwurf ist ein richtiger
chritt auf dem Weg dahin. Er beinhaltet die notwendige
onkretisierung der gesetzlichen Aufgaben der „Gema-
ik“, welche die Selbstverwaltung bewusst übernommen
at, um an der Gestaltung der Gesundheitskarte mitzu-
irken.
Daher soll nun eine bundesweit gesetzliche Regelung
afür sorgen, dass im Einklang mit den Bundesländern
nd maßgeblichen Spitzenorganisationen ein Bauplan
ntsteht, mit dem entsprechend § 291 a, Abs. 7 SGB V
ine interoperable und kompatible Informations-, Kom-
unikations- und Sicherheitsstruktur gewährleistet wird,
uch um Medienbrüche – respektive Insellösungen –
uszuschließen und für alle Beteiligten Planungssicher-
eit und Investitionsbereitschaft zu erhöhen. Die Archi-
ektur wird zugleich so offen gestaltet, dass etwa gesetz-
iche Änderungen ohne Schwierigkeit online
ingearbeitet werden können.
Die PKV ist in diesen Prozess eingebunden. Leis-
ungserbringer, die jetzt noch nicht integriert worden
ind, wie zum Beispiel Psychotherapeuten, werden Zug
m Zug in das wachsende System eingebaut, innerhalb
essen auch die Frage der Datenspeicherung, das heißt,
ie Serverfrage gelöst werden muss.
Wir wissen, wie lange es gedauert hat, bis aus dem
heoretischen Ansatz, „wir wollen die intelligente Chip-
arte“ ein praktisches Verfahren wurde. Auf Podiums-
iskussionen, in Arbeitskreisen und Gesellschaften
urde vielfach diskutiert und darüber das Handeln
15082 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
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(B) )
vergessen. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die
Interessen von Kassen, Ärzten, Apothekern etc. an die-
sem Projekt sehr unterschiedlich gelagert sind.
In Kenntnis der bisherigen Abstimmungsprozeduren
ist deshalb der Vorschlag, das Einstimmigkeitsprinzip
durch eine qualifizierte Mehrheit zu ersetzen, nur zu be-
grüßen. Um weitere denkbare, zeitintensive Blockaden
abzuwenden, sind in das Gesetz Interventionsmöglich-
keiten für das BMGS eingebaut. Das ist nicht nur auf-
grund gemachter Erfahrungen geboten, sondern auch
deshalb, weil ein weiteres Gelingen hinsichtlich der Ein-
führung der Gesundheitskarte in 2006 nicht verzögert
werden darf.
Wir wissen: Die Gesundheitskarte ist eine wesentli-
che Voraussetzung für das Funktionieren der integrierten
Versorgung; ohne sie geht nichts. Umso wichtiger wird
es sein, die Menschen davon zu überzeugen, dass die
Gesundheitskarte ihnen Vorteile bringt: dass mehr Trans-
parenz zu besserer Versorgung führt, von der Prävention
über die ambulante und stationäre Versorgung bis hin zur
Nachsorge und den Einsatz von Heil- und Hilfsmitteln;
dass eine bessere Evaluation der Daten hilfreich ist,
organisatorische und qualitative Brüche auszuräumen.
Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die schwer-
wiegenden Folgen von Fehlmedikamentierungen, die
jährlich nicht nur zu 10 000 Todesfällen führen, sondern
auch zu zahllosen vermeidbaren und teuren Folgebe-
handlungen.
Auf Dauer werden mit der Gesundheitskarte – hier in
Sonderheit über den Einstieg mit dem elektronischen
Rezept – auch Einsparungen realisiert werden können.
Erinnert sei an die hohen Kosten im Zusammenhang mit
den rund 700 Millionen papiergebundenen Rezepten pro
Jahr. Durch das elektronische Rezept können Einsparun-
gen von 100 bis 150 Millionen Euro pro Jahr realisiert
werden.
Hinsichtlich des Finanzplans bleibt festzuhalten, dass
bisher 0,7 Milliarden Euro angesetzt waren. Andere Ein-
schätzungen beruhen unter anderem darauf, dass unter-
schiedliche Ansätze zum Beispiel für die Speicherkapa-
zität der Karte im Raum stehen. Rechnerische
Differenzen entstehen hier durch Preisschätzungen von
6 bis 10 Euro.
Gleichwohl gilt, dass die KBV das anstehende Finan-
zierungstableau erstens kannte und zweitens unterschrie-
ben hat. Dies hat zu unterschiedlichen Reaktionen bei
den KVen auf Länderebene geführt. Hier steht zu vermu-
ten, dass die Kommunikationsstränge nicht effektiv ge-
nutzt worden sind. Denn es wird nicht hinreichend kom-
muniziert, dass die Ärzte Entgelte für die Implantation
und den Gebrauch der Gesundheitskarte via Zuschläge
bekommen. Dieses zusätzliche Geld führen sie an die
KVen ab. Über den genauen Anteil von Ärzten und
Krankenhäusern verhandeln die Kassen mit den selbi-
gen.
Es ist verständlich, dass die in den Entwurf eingear-
beitete Konstruktion der Finanzierung des Forschungs-
und Entwicklungsvorhabens durch die Selbstverwaltung
auf wenig Gegenliebe stößt. Doch so abwegig, wie es
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argestellt wird ist dieser Vorschlag nicht: Nach § 291a
bs. 1 sind die Krankenkassen verpflichtet, die bishe-
ige Krankenversichertenkarte bis spätestens 1. Januar
006 zu einer elektronischen Gesundheitskarte zu erwei-
ern. Es ist bekannt; dass die Selbstverwaltung die Frist
ur Vorlage der Lösungsarchitektur zum 30. September
004 nicht einhalten konnte. Das Ergebnis ist das nun
aufende Forschungs- und Entwicklungsprojekt, das in
bsprache mit der Selbstverwaltung im Oktober 2004
ereinbart wurde und für welches das BMGS formal den
uftrag erteilt hat. Aus dieser Konstruktion eine Kosten-
bernahme durch das Ministerium herzuleiten, ist zu-
indest gewagt.
Ungeachtet dieser Diskussion ist eins unbestreitbar:
ie Einführung der Gesundheitskarte muss weiter vo-
angetrieben werden, damit die gesetzlich vorhandenen
öglichkeiten der integrierten Versorgung auch prak-
isch nutzbar werden. Es schadet nichts, sich vor Augen
u führen, dass letztlich alle Beteiligten davon profitie-
en werden.
Die Umsetzung der Rahmenarchitektur in eine Lö-
ungsarchitektur ist deshalb eine Aufgabe, die im Kon-
ens mit Selbstverwaltung, Wissenschaft und Industrie
urchgeführt werden muss. An dieser Aufgabe müssen
ir gemeinsam festhalten.
Dr. Carola Reimann (SPD): Mit dem GKV-Moder-
isierungsgesetz wurde die Einführung der elektroni-
chen Gesundheitskarte beschlossen. Sie wird die Pro-
essabläufe im Gesundheitswesen grundlegend
erändern. Das ist ein notwendiger Schritt für ein mo-
ernes und effizientes Gesundheitssystem. Man schätzt,
ass circa 20 bis 40 Prozent der Leistungen im Gesund-
eitswesen auf Kommunikation und Information entfal-
en. Diese Zahlen verdeutlichen das verfügbare Poten-
ial für die Verbesserungen der Qualität und
irtschaftlichkeit in unserem Gesundheitssystem.
Mit der Gesundheitsreform wurden die Krankenkas-
en dazu verpflichtet, die bisherige Krankenversicher-
enkarte zu einer elektronischen Gesundheitskarte zu er-
eitern sowie die dafür notwendige Infrastruktur zu
chaffen. Die bisherige Entscheidungsstruktur, die ein
instimmigkeitsprinzip vorsah, hat sich hierbei als unzu-
eichend erwiesen. Deshalb haben sich die beteiligten
pitzenorganisationen auf die Gründung einer neuen Be-
riebsorganisation geeinigt. Der vorliegende Entwurf
erankert die Betrieborganisation auch gesetzlich. Da-
urch werden Entscheidungsprozesse optimiert und be-
chleunigt, denn die Beschlüsse werden jetzt mit einer
ualifizierten Mehrheit getroffen werden können. Die
rganisation erhält mit dem Gesetzentwurf den Sicher-
tellungsauftrag und muss für die notwendige Interope-
abilität der zu entwickelnden Komponenten sorgen.
Die Selbstverwaltung hat mit dem Aufbau einer Be-
riebsorganisation gezeigt, dass sie in der Lage ist, die
ür die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte
rforderlichen Rahmenbedingungen zu planen und prak-
isch umzusetzen. Der Gesetzentwurf enthält jedoch
uch Konfliktlösungswege für den Fall, dass die Akteure
u keiner Entscheidung kommen.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15083
(A) )
(B) )
Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte
ist nur ein Teil des Projektes „Telematikinfrastruktur“.
Eingebunden werden 80 Millionen Patienten, 350 000
Ärzte und Zahnärzte, 2 000 Krankenhäuser, 22 000 Apo-
theken und 300 Krankenkassen. Diese Zahlen machen es
deutlich: Wir sprechen von einem der größten IT-Pro-
jekte Europas. Es wird nicht nur wirtschaftliche Reser-
ven erschließen, sondern die Behandlungsqualität der
Patientinnen und Patienten verbessern. Unsere Aus-
gangslage ist gut. Wir verfügen über eine ausgezeichnete
Infrastruktur für Informations- und Kommunikations-
technologien. Jetzt geht es darum, diese auch für die Ge-
sundheitsversorgung besser zu nutzen. Eine erfolgreiche
Realisierung des Telematikprojektes wird den For-
schungs- und Entwicklungsstandort Deutschland stär-
ken.
Eine erste verpflichtende Anwendung wird die elek-
tronische Übermittlung von Verordnungsdaten – also das
elektronische Rezept – sein. Es wird das herkömmliche
Papierrezept ersetzen. Die Vorteile des elektronischen
Rezeptes liegen auf der Hand. Dabei geht es nicht nur
um die Vermeidung von Medienbrüchen und Doppelar-
beiten, also letztlich um organisatorische und wirtschaft-
liche Fragen, sondern um die Verbesserung des Schutzes
und der Sicherheit der Patientinnen und Patienten. Nach
den vorliegenden Studien fordern falsch verordnete Me-
dikamente in Deutschland jährlich mehr Todesopfer als
der Straßenverkehr. Hier bietet das elektronische Rezept
die Möglichkeit, Falsch- und Doppelmedikation wirk-
sam zu verhindern, und hilft so, Leben zu retten.
Das elektronische Rezept ist nur der erste Baustein
der Telematikinfrastruktur. Viele Fragen werden auf dem
Weg noch geklärt werden müssen. Dazu gehört auch der
Aspekt der Abfrage der Zuzahlungsbefreiung. Diese An-
wendung muss es ermöglichen, in der Apotheke den Sta-
tus der Zuzahlungsbefreiung, also „befreit“ oder nicht
„befreit“, abzufragen. Ich denke, das ist ein wichtiger
Gesichtspunkt des elektronischen Rezeptes.
Der Einsatz moderner Informations- und Kommuni-
kationstechnologien wird dazu beitragen, zentrale Pro-
bleme unseres Gesundheitswesens zu lösen und die Si-
cherheit und Qualität der Behandlung der Patientinnen
und Patienten zu verbessern. Wir müssen jetzt, zusam-
men mit allen Beteiligten, dafür sorgen, dass die elektro-
nische Gesundheitskarte ein Erfolg wird. Die Etablie-
rung der Betriebsorganisation der Selbstverwaltung ist
ein wichtiger Schritt zur Einführung der elektronischen
Gesundheitskarte.
Matthias Sehling (CDU/CSU): Im GKV-Moderni-
sierungsgesetz von 2003 haben sich die Fraktionen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen und von CDU/CSU zu
einem wichtigen Schritt in die gesundheitspolitische Zu-
kunft bekannt: zur Einführung der elektronischen Ge-
sundheitskarte. Mit ihrer Einführung sind große Erwar-
tungen aller am Gesundheitswesen Beteiligten,
insbesondere aber auch der Patientinnen und Patienten
verbunden.
Für die Patienten geht es um mehr Qualität in der me-
dizinischen Versorgung, zum Beispiel bei der freiwilli-
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en Anwendung von Arzneimitteldokumentation oder
em Notfallausweis. Außerdem erhoffen sich die Versi-
herten mittelfristig niedrigere Beitragssätze, weil über-
lüssige Mehrfachuntersuchungen und Verwaltungsauf-
ände vermieden werden sollen. Die Union hat in dem
esetzgebungsverfahren der Einführung „spätestens
um 1. Januar 2006“ zugestimmt, wie das Gesetz wört-
ich festhält.
Die tatsächliche Umsetzung des Gesetzes in diesem
unkt durch die Bundesregierung – sie bleibt trotz der
ufgaben der Selbstverwaltung für die rechtzeitige und
achgerechte Einführung der elektronischen Gesund-
eitskarte verantwortlich – lässt allerdings zu wünschen
brig. Es hapert. Selbst Bundesgesundheitsministerin
lla Schmidt glaubt nicht mehr daran, dass der ur-
prüngliche Zeitplan einzuhalten sein wird. Droht nach
er LKW-Maut ein neues Fiasko eines IT-Großprojektes
er Bundesregierung – diesmal nicht aus technischen
ründen, sondern wegen vertaner Diskussionszeit?
Schon der Titel des jetzt von den Regierungsfraktio-
en vorgelegten Entwurfs eines Gesetzes zur Organisa-
onsstruktur der Telematik im Gesundheitswesen ist nur
ie halbe Wahrheit. Es geht in dem Gesetz mindestens
ur Hälfte auch um die Finanzierung der Gesundheits-
arte, und dies sogar an zwei unterschiedlichen Ecken.
as Hintanstellen – um nicht zu sagen: Verstecken – die-
er Anliegen soll wohl den Goodwill der Beteiligten und
etroffenen rund um die Gesundheitskarte fördern. Ob
as mit diesem Gesetz gelingen kann, ist indes sehr
weifelhaft. Die Union hat deshalb jedenfalls eine Anhö-
ung der Betroffenen beantragt.
Das Ziel, die zögerliche Behandlung der nötigen Ver-
räge über die „erforderliche Informations-, Kommuni-
ations- und Sicherheitsinfrastruktur“ durch die im
MG genannten Spitzenorganisationen der Selbstver-
altung – möglichst unter Einbeziehung der privaten
rankenversicherung, der Patientenvertreter, der Daten-
chützer und der IT-lndustrie – deutlich anzuschieben, ist
öblich und wird auch von der CDU/CSU-Fraktion aus-
rücklich unterstützt. Der vorliegende Gesetzentwurf er-
cheint aber dazu als typisches überbürokratisiertes
onstrum mit einer Vielzahl von Fristsetzungen, Ersatz-
ornahmeandrohungen aller Art sowie einer bis ins De-
il gehenden Fremdbestimmung der Selbstverwaltung
enig geeignet. Er nimmt Abschied von der ursprüng-
ich vorgesehenen eigenverantwortlichen Entscheidung
urch die Selbstverantwortung mit möglichst breiter
onsensbildung im Gesundheitswesen.
Im Januar dieses Jahres hat die Selbstverwaltung mit
eburtshilfe des Ministeriums die Gesellschaft für Tele-
atik „Gematik“ gegründet, die jetzt mit qualifizierter
ehrheit von 67 Prozent die im GMG vorgesehenen
ufgaben erfüllen kann.
Der im Gesetzentwurf vorgesehene Übergang zur
ehrheitsentscheidung unter den Partnern der Selbstver-
altung vollzieht konsequenterweise diesen vertragli-
hen Übergang vom Einstimmigkeits- zum Mehrheits-
rinzip gesetzgeberisch nach. Keineswegs erscheint es
ber geboten, die Inhalte des Gesellschaftsvertrags bis in
ede Einzelheit vorzuschreiben, wie das im Gesetzent-
urf vorgesehen ist. Warum muss selbst der beratende
15084 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
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Fachbeirat in seiner Zusammensetzung bis ins Detail ge-
regelt werden? Warum wird dies nicht der Gesellschaf-
terversammlung überlassen? Schon die Aufnahme wei-
terer Gesellschafter bedarf nicht nur des Benehmens mit
dem Ministerium, sondern sogar dessen ausdrücklicher
Zustimmung. Aber selbst die Aufnahme weiterer Mit-
glieder in den ohnehin nur beratenden Fachbeirat ist aus-
schließlich im Einvernehmen mit dem Ministerium, also
mit dessen ausdrücklicher Zustimmung möglich.
Die Regelungen zur Gesellschaft für Telematik sind
nach dem Motto gestrickt: „Ministerium ist überall.“
Warum entscheiden die Ministerin und ihr Haus dann
nicht gleich selbst? Faktisch führt der Gesetzentwurf
eine bislang unübliche Fachaufsicht in einem Bereich
der Sozialversicherung ein. Es drängt sich der Eindruck
auf, als säße da dem Hause der Bundeskanzler im Na-
cken, der seiner Bundesgesundheitsministerin den Auf-
trag gegeben hat, keine zweite Großpanne bei einem IT-
Projekt der Bundesregierung zu riskieren.
Der Bundesregierung muss dabei klar sein: Sie über-
nimmt umso größere Verantwortung für die rechtzeitige
Einführung der elektronischen Gesundheitskarte, je stär-
ker sie die Aufgaben der Selbstverwaltung an sich zieht.
Auch Finanzierungsregelungen sieht der Gesetzent-
wurf vor, die im Bereich der Schaffung der Telematik-
struktur immerhin als Restkompetenz bei den bisherigen
Selbstverwaltungspartnern verbleiben. Die Spitzenorga-
nisationen aus den Bereichen Leistungserbringer und
Kostenträger haben auf drei Feldern Kostenvereinbarun-
gen zu treffen: für die Kosten der Gesellschaft selbst, für
die erstmaligen Ausstattungskosten und für den laufen-
den Betrieb.
Diese Konkretisierung schon bestehender Aufgaben
ist grundsätzlich zu begrüßen, haben doch zahlreiche
Studien der Vergangenheit auf Defizite bei der Kosten-
Nutzen-Verteilung durch die Einführung der elektroni-
schen Gesundheitskarte hingewiesen. Immerhin geht es
um mindestens 1,8 Milliarden Euro Einführungskosten
insgesamt. Rund 1,4 Milliarden Euro davon entfallen auf
die Kartenherstellung und -verteilung, 400 Millionen
Euro auf den Verwaltungsaufwand der Krankenkassen.
Unbeziffert sind weitere Investitionskosten der Gesund-
heitsberufe und anderer.
Aber auch hier wieder diese Orgie von Dirigismus und
Ersatzvornahmeandrohungen: Fünf zusätzliche Absätze
allein einer Vorschrift regeln detailliert Regelungsart,
Telematikzuschläge, Finanzierungsbeiträge, gesetzliche
oder behördliche Fristen sowie Schiedsstellenfähigkeit
– also Befugnis zur Ersetzung durch Schiedsspruch –
oder ministerielle Ersatzvornahmemöglichkeiten. Das
Ministerium zeigt nicht einmal mehr Zuckerbrot, zeigt
gleich die Peitsche.
Wo bleibt da noch Entscheidungsraum für die Selbst-
verwaltung? Warum greift das Gesundheitsministerium
nicht auf die bereits getroffene Finanzierungsvereinba-
rung der Selbstverwaltung, gegebenenfalls mit Ände-
rungsauflagen, zurück? Warum wird keine Kostenrege-
lung entlang dem jeweiligen Nutzen gefordert? Warum
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oll den Kostenvereinbarungen keine Kosten-Nutzen-
nalyse zugrunde gelegt werden?
Ein dreistes Bubenstück erlaubt sich das Bundesge-
undheitsministerium mit gesetzlichen Blankoabbu-
hungserlaubnissen für selbst verursachte Telematikkos-
n ganz am Ende der Vorschrift zur Gesellschaft für
elematik. In der Selbstbedienungsvorschrift mit blo-
em Rechtsfolgenverweis ist vorgesehen, dass das Mi-
isterium ohne jede Einschränkung oder vorherige Kon-
ultation der Gesellschaft für Telematik Kosten für
igene Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten für die
elematikstruktur der Gesellschaft zur Bezahlung wei-
rreichen kann, sobald sie die Forschungsergebnisse der
esellschaft „zur Verfügung gestellt“ hat. Also: Das Mi-
isterium bestellt – die Selbstverwaltung bezahlt. Es
ehlt eigentlich nur die Abbuchungserlaubnis für Frau
inisterin Ulla Schmidt! Den Juristen in der Anhörung
ird sicher vieles an interessanten Rechtsfiguren einfal-
n, von unzulässiger aufgedrängter Bereicherung über
icht GKV-gerechte Verwendung von Beitragsmitteln
us der Sozialversicherung bis hin zum verletzten Haus-
altsrecht des Parlaments.
Was hier für alle Zukunft gelten soll – die Gesell-
chaft für Telematik soll ja dauerhaft auch den Betrieb
er elektronischen Gesundheitskarte organisieren –, wird
leich danach auch für die jüngste Vergangenheit vorge-
ehen: Gemäß einer weiteren Passage sollen zusätzliche
echnungen des Gesundheitsministeriums an die Kran-
enkassen möglich sein, wenn sie nur bis zum Tag der
esetzesverkündung „finanziert wurden“. Die Begrün-
ung spricht von Kosten, die das Ministerium im Jahr
004 ungefragt für Telematikzwecke gedeckt hat, ohne
Übrigen die genaue Höhe oder auch nur die Größen-
rdnung anzugeben. Gab es hierzu nicht einschlägige
aushaltstitel?
Parallel zum bisherigen gesetzlichen Auftrag der
elbstverwaltung zur Vereinbarung der Telematikinfra-
truktur hatte das Ministerium mindestens ein For-
chungsprojekt in Eigenregie in Auftrag gegeben, dessen
osten sich das Ministerium offenbar von den Kranken-
assen über die Gematik zurückholen möchte. Es gilt
ber noch immer der Grundsatz: Wer zahlt, schafft an;
ber wer anschafft, muss auch zahlen!
Offen bleiben dagegen in dem Gesetzentwurf zahlrei-
he andere wichtige Fragen, wie denn der aktuelle Zeit-
lan zur Einführung der Gesundheitskarte aussieht, ob er
gerade wegen häufig vorgesehener Beanstandungsfris-
n des Ministeriums – nicht noch weiter ins Wanken ge-
ät, wie die Europäische Krankenversichertenkarte zeit-
erecht eingeführt werden kann, wie denn die
ittelständische Industrie beteiligt werden und die Be-
orzugung der Großindustrie vermieden werden kann,
ie die Interessen des Datenschutzes der Versicherten
it den öffentlichen Interessen an sozialversicherungs-
echtlich interessierenden Statistiken in Einklang ge-
racht werden kann.
Auf diese auf der Hand liegenden Fragen gibt der Ge-
etzentwurf noch keine Antwort. Ein hartes Stück Arbeit
egt bei der Anhörung und in den Ausschussberatungen
or den Parlamentariern.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005 15085
(A) )
(B) )
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich
bin keine Hellseherin. Trotzdem traue ich mich, vorher-
zusagen, dass künftige Akteure die Einführung der elek-
tronischen Gesundheitskarte einmal als einen der ganz
großen Modernisierungsschritte in unserem Gesund-
heitswesen bewerten werden. Der Aufbau eines umfas-
senden elektronischen Kommunikationsnetzes wird dia-
gnostische und therapeutische Prozesse gründlich
verändern. Die Zusammenarbeit zwischen den verschie-
denen Leistungserbringern, die in den beiden letzten Ge-
sundheitsreformen ganz oben auf der Agenda stand, er-
hält endlich die notwendige informationstechnische
Grundlage. Die Integrationsversorgung und ein elektro-
nisch vernetztes Gesundheitswesen gehören zusammen.
Ein Medizinjournalist hat es kürzlich in einem Artikel
auf den prägnanten Satz gebracht:
Eine Vernetzung der medizinischen Leistungser-
bringer zusammen mit einer intelligenten Nutzung
von Datenverarbeitungsprogrammen wird neue
Versorgungsstrukturen entstehen lassen, die mit der
klassisch-dualen Versorgung … so viel zu tun ha-
ben werden wie eine moderne Zahnklinik mit Dok-
tor Eisenbart.
Angesichts dieser Dimensionen wirken die Auseinan-
dersetzungen innerhalb der Selbstverwaltung um die
elektronische Gesundheitskarte manchmal etwas klein-
kariert. Ängste, angestammte Einkommensquellen und
Einflusssphären zu verlieren, haben auch bei diesem Re-
formvorhaben im letzten Jahr zu erheblichen Zeitverzö-
gerungen geführt. Es ist dem energischen Eingreifen der
Bundesgesundheitsministerin und ihrer Mitarbeiter zu
verdanken, dass diese Selbstblockade innerhalb der
Selbstverwaltung aufgelöst werden konnte.
Durch die neu gegründete Betriebsgesellschaft wird
das Projektmanagement gestrafft und professionalisiert
werden. Die Ablösung des Einstimmigkeitsprinzips
stellt die Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltungspart-
ner wieder her. Damit können wir uns endlich wieder
den wirklich wichtigen Fragen zuwenden, die sich mit
der Einführung der Gesundheitskarte stellen.
Die elektronische Gesundheitskarte steigert nicht nur
die Qualität der Gesundheitsversorgung und hilft Kosten
sparen. Darüber hinaus bietet sie als eines der größten
IT-Projekte der Welt erhebliche Geschäftschancen für
Technologieberater und Dienstleister. Vor allem aber
bietet sie die Chance, die Rolle der Patientinnen und Pa-
tienten deutlich zu stärken. Patienten wollen heute
selbstständig und aktiv an Behandlungsprozessen teil-
nehmen. Dazu müssen sie verstehen und gelegentlich
auch überprüfen können, was die Medizin mit ihnen und
ihren Körpern tut. Die elektronische Gesundheitskarte
kann ihnen diese Möglichkeit eröffnen. Dies setzt vo-
raus, dass sie die gespeicherten Daten ohne allzu großen
Aufwand einsehen können. Außerdem müssen sie die
Möglichkeit haben, zu regeln, wer Zugriff auf ihre Daten
haben soll und wer nicht.
Mit der Gesundheitsreform haben wir hierfür bereits
wichtige Vorgaben gemacht. Der Zugang zu den medizi-
nischen Daten über die Gesundheitskarte setzt die Ein-
willigung des Versicherten voraus. Sie ist widerruflich
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nd kann auf einzelne Anwendungen beschränkt wer-
en. Vorgeschrieben ist auch, dass die Versicherten das
echt erhalten, auf alle Rezept- und medizinischen Da-
en zuzugreifen.
An diesen informationellen Selbstbestimmungsrech-
en der Patientinnen und Patienten hat sich die konkrete
usgestaltung der Gesundheitskarte und der mit ihr ver-
undenen Infrastruktur zu orientieren. In diesem Sinne
erden wir den weiteren Prozess zur Einführung der
lektronischen Gesundheitskarte begleiten.
Detlef Parr (FDP): Das Gesetz zur Bildung einer
euen Organisationsstruktur der Telematik im Gesund-
eitswesen, das uns die Regierungsfraktionen hier vorle-
en, ist symptomatisch für die Politik der Bundesregie-
ung – denn eigentlich kommt der Entwurf, wie wir alle
issen, von ihr –, ein klassisches Beispiel für eine Miss-
chtung des Parlaments.
Symptomatisch für diese Politik ist zum einen, dass
ier im Nachhinein legitimiert werden soll, was schon
ängst geschaffen wurde und dass der entsprechende Ge-
etzentwurf erst einen Tag vor der ersten Lesung zur
einungsbildung zugeleitet wird.
Symptomatisch ist der Gesetzentwurf zum anderen
ber auch für das Grundverständnis der Bundesregierung
egenüber dem Prinzip der Selbstverwaltung. Ihre Orga-
isationen werden zu Auftragserfüllern degradiert, de-
en – wie schon im GKV-Modernisierungsgesetz –
leich mit Ersatzvornahmen gedroht wird, wenn sie
icht tun, was das Ministerium wünscht.
Bei der Einführung der elektronischen Gesundheits-
arte treibt die Bundesregierung sich selbst und sucht
ich die Selbstverwaltung als Sündenbock aus, wenn sie
eststellen muss, dass der völlig überzogene Zeitplan aus
uten Gründen nicht einzuhalten ist. Als ob sie aus den
rfahrungen mit Toll Collect nichts gelernt hätte, begibt
ie sich überstürzt in das nächste Highttechabenteuer.
Besser schnell als sicher“ scheint auch hier die Devise
u sein.
Gott sei Dank hat sich die Regierung Anfang des
ahres von der Illusion gelöst, zum Januar 2006 alle Ver-
icherten mit der Karte ausgestattet zu haben und mit
em ersten Schritt der Einführung der Gesundheitskarte
dem elektronischen Rezept – flächendeckend zu begin-
en. Zu dieser Einsicht musste sie aber erst einmal getra-
en werden.
Größere Effizienz bei Entscheidungsstrukturen auch
uf der Seite derjenigen, die für die Einführung der Ge-
undheitskarte maßgeblich sind, ist wünschenswert und
obenswert. Daher war die Umwandlung von protego.net
u Gematik mit dem Wechsel vom Einstimmigkeits- zum
ehrheitsprinzip sicherlich ein richtiger Schritt. Das
ohl weltweit größte Telematikprojekt im Gesundheits-
esen ist zu groß angelegt und zu sensibel, als dass es mit
ektik und faulen Kompromissen durchgeführt werden
ollte. 80 Millionen Krankenversicherte mit den entspre-
henden Karten auszustatten, alle Leistungserbringer an
ie Technik anzuschließen und dafür Sorge zu tragen,
ass in diesem Feld der hochsensiblen Daten die Technik
15086 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
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reibungslos und absolut sicher vor unerwünschten Zu-
griffen funktioniert, dafür sind professionelle Strukturen
und eine sorgfältige Vorbereitung unerlässlich.
Nicht zu verstehen ist, dass die Selbstverwaltung dazu
getrieben wurde, die neue Betriebsstruktur zu schaffen,
um diese dann erst im Nachhinein gesetzlich zu legiti-
mieren. Das hat wenig mit demokratischem Grundver-
ständnis zu tun. Ein solches Verfahren zeugt vor allem
von geringem Respekt dem Parlament gegenüber, das
scheinbar – so wie gerade bei so vielen mit unnötigem
Zeitdruck durchgeboxten Gesetzesinitiativen – nur noch
wahrnehmen soll.
Man hätte bei diesem ungewöhnlichen Verfahren
dann wenigstens damit rechnen können, dass es mit den
betroffenen Einrichtungen der Selbstverwaltung und der
Verbände abgesprochen ist. Dies scheint auf den ersten
Blick auch so zu sein. Doch die Kritik der Krankenkas-
sen, dass mit diesem Gesetz nicht nur im Nachhinein
legitimiert wurde, was schon längst geschaffen wurde,
sondern die Kassen auch noch im Nachhinein dazu
verpflichtet werden, Kosten für den Forschungs- und
Entwicklungsauftrag, den das Bundesministerium für
Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) an die
Fraunhofer-Gesellschaft vergeben hat, zu übernehmen,
ist mehr als berechtigt. Wie schon beim Entwurf zum
Präventionsgesetz scheint Frau Ministerin Schmidt die
Mitgliedsbeiträge der gesetzlich Versicherten als zweites
Haushaltsbudget ihres Ministeriums misszuverstehen,
um dann die Kassen umso lauter zu tadeln, dass sie ihre
Beitragssätze nicht genug absenken würden.
Wir werden die weiteren Ausschussberatungen nut-
zen, um hier weitere Klärung zu schaffen.
160. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2005
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10
Anlage 11