1) Anlage 8 2)
        (DAnlage 9
        14756 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
        (A) (C)
        (B) (D)
        Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
        Berichtigung
        156. Sitzung, Seite 14593 (D), Anlage 3, Antwort zu
        Frage 5, der erste Satz ist wie folgt zu lesen: „Der Vor-
        wurf aus 1995 bestand darin, dass SAAS 1986 bei der
        erteilten Dauerbetriebsgenehmigung es unterlassen
        habe, sie mit Einschränkungen oder Änderungen zu ver-
        sehen und die Verantwortlichen im BMU und BfS es un-
        terlassen hätten, ab 3. Oktober 1990 entsprechend zu
        handeln.“
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14757
        (A) )
        (B) )
        der Sache sind wir eigentlich einer Meinung. Im Rechts- der Elbe und habe sozusagen persönlich davon profitiert.
        wurf wäre ein gutes Signal gewesen, um zu zeigen: In B
        eispiel bei der Flutkatastrophe 2002. Ich komme von
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm-
        lung des Europarates
        Anlage 2
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung eines Gesetzes über die Neuordnung
        der Reserve der Streitkräfte und zur Rechtsberei-
        nigung des Wehrpflichtgesetzes (Streitkräftere-
        serve-Neuordnungsgesetz – SkResNOG) (Tages-
        ordnungspunkt 13)
        Hedi Wegener (SPD): Wir feiern in diesem Jahr das
        50-jährige Bestehen der Bundeswehr. Die Welt hat sich
        in diesen 50 Jahren massiv verändert und mit ihr die An-
        forderungen an unsere Bundeswehr. Dieser Gesetzent-
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        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Bahr (Neuruppin), Ernst SPD 17.02.2005
        Bodewig, Kurt SPD 17.02.2005
        Carstensen (Nordstrand),
        Peter H.
        CDU/CSU 17.02.2005
        Friedrich (Mettmann),
        Lilo
        SPD 17.02.2005
        Göppel, Josef CDU/CSU 17.02.2005
        Günther (Plauen),
        Joachim
        FDP 17.02.2005
        Koppelin, Jürgen FDP 17.02.2005
        Dr. Küster, Uwe SPD 17.02.2005
        Lengsfeld, Vera CDU/CSU 17.02.2005
        Lintner, Eduard CDU/CSU 17.02.2005*
        Polenz, Ruprecht CDU/CSU 17.02.2005
        Probst, Simone BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        17.02.2005
        Ronsöhr, Heinrich-
        Wilhelm
        CDU/CSU 17.02.2005
        Dr. Thomae, Dieter FDP 17.02.2005
        Türk, Jürgen FDP 17.02.2005
        (C
        (D
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        usschuss, im Haushaltsausschuss und im Ausschuß
        SFJ hat die CDU sich enthalten, im Innenausschuss so-
        ar zugestimmt. Deshalb werden Außenstehende unsere
        ontroverse Debatte kaum verstehen!
        Meine Vorredner haben zu den Feinheiten und der
        prachakrobatik schon viel gesagt, deshalb nutze ich die
        elegenheit, auf die besondere Situation der Reservisten
        n dieser Stelle einmal einzugehen. Die Bundeswehr ist
        nzwischen eine Armee im globalen Einsatz. Deutsch-
        and übernimmt verlässlich seine gewachsenen interna-
        ionalen Verpflichtungen und wir beteiligen uns in viel-
        ältiger Weise an multinationalen Friedenseinsätzen.
        onflikt- und Krisenprävention, Worte die noch vor Jah-
        en bei der Bundeswehr Fremdworte gewesen wären,
        ind jetzt nicht nur im Sprachgebrauch, sie sind auch ge-
        ebte Praxis. Häufig außerhalb des Bündnisgebiets gehö-
        en solche Arbeitsfelder heute zu den Aufgaben der Sol-
        atinnen und Soldaten.
        Die neuen Herausforderungen und Aufgaben können
        atürlich nicht spurenlos an der Bundeswehr vorbeige-
        en, auch an dem Konzept für die Reservistinnen und
        eservisten nicht. In den Verteidigungspolitischen
        ichtlinien vom Mai 2003 wurde festgelegt: „Das Poten-
        ial der Reservisten ist konsequent zur Ergänzung der
        ähigkeiten der aktiven Truppe zu nutzen.“ Im Septem-
        er 2003 hat der Verteidigungsminister eine Neukonzep-
        ion für die Reservistinnen und Reservisten erlassen, die
        er Neuorientierung der Streitkräfte und den Anforde-
        ungen an die Bundesrepublik Deutschland gerecht wird.
        urch diesen Gesetzentwurf wird Rechtssicherheit für
        as Engagement und den Einsatz der Reservistinnen und
        eservisten geschaffen.
        Über 600 Reservisten befinden sich gegenwärtig in
        uslandseinsätzen. Diese Einsätze unserer Soldaten von
        unduz bis ans Horn von Afrika wären ohne Reservisten
        icht vorstellbar. Bis zu 20 Prozent der im Ausland ein-
        esetzten Soldaten sind Reservisten. Häufig sind sie
        achleute und Spezialisten mit besonderen Qualifikatio-
        en, die sie im Zivilleben erworben haben. Sie spielen
        ine große Rolle beim Wiederaufbau und bei der Frie-
        ensgestaltung in den Einsatzländern. So im Kosovo
        der in Afghanistan, wo Material bereitgestellt wird,
        äuser und Spielplätze gebaut werden, Wasser- und
        lektrizitätswerke wieder in Betrieb gesetzt, Schulen
        nd Krankenhäuser gebaut werden. Dolmetscher, Ärzte
        nd Bauingenieure werden gebraucht!
        Die Bundeswehr kann solches Spezialpersonal nicht
        n großem Umfang bereithalten, weil es im täglichen
        ienst keine Aufgaben für sie gibt. Deshalb ist die Bun-
        eswehr darauf angewiesen, auf ein sorgfältig ausge-
        uchtes und ausgebildetes Reservistenpotenzial zurück-
        reifen zu können, das mit in den Einsatz geht und dort
        ie Krisennachsorge übernimmt. Aber auch im Inland
        rfüllen die Reservisten zahlreiche Aufgaben, wie zum
        14758 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
        (A) )
        (B) )
        Reservisten werden deshalb immer wichtiger und ich
        möchte Ihnen und Ihren Familien von hier aus ganz herz-
        lich danken. Ich nutze auch die Gelegenheit, um Ihnen an-
        hand eines kleinen Beispiels aus meinem Wahlkreis von
        dem positiven Wirken der Reservisten zu berichten. Seit
        zehn Jahren besteht ein Reservistenaustausch zwischen
        Lüneburg und Iisalmi in Finnland. Im Vordergrund die-
        ser Treffen stehen die Bereiche Europäische Sicherheits-
        politik und Auslandseinsätze. Mit viel persönlichem En-
        gagement wird der Kontakt gepflegt und gehalten. Wer
        hätte das vor 50 Jahren gedacht. Dies ist ein gutes Bei-
        spiel für praktische Sicherheitskooperation in Europa.
        Die neue Reservistenkonzeption und ihre Umsetzung
        in den einzelnen Gesetzen, über die wir hier heute ent-
        scheiden, verwirklichen dabei einen grundlegenden
        Neuansatz. Die freiwillige Beorderung steht nun im Mit-
        telpunkt, lässt aber die Verpflichtung zum Einsatz im
        Spannungs- und Verteidigungsfall grundsätzlich beste-
        hen. Das heißt, der Einsatz bekommt nun eine gesicherte
        rechtliche Grundlage, ohne dass auf die klassische Mo-
        bilmachung zurückgegriffen werden muss. Eigentlich ist
        auch klar, dass der freiwillige Einsatz und die besondere
        Auslandsverwendung nicht auf die Gesamtdauer der ge-
        setzlich festgelegten Pflichtwehrübungen angerechnet
        werden. Mit 60 Jahren ist dann für alle wirklich Schluss.
        Gleichzeitig machen wir mit dem Gesetz einen weite-
        ren Schritt hin zu unserem Ziel des Bürokratieabbaus:
        denn es werden alte Zöpfe aus den Gesetzen gestrichen.
        Dieses Gesetz stellt eine, wie es so schön im Neudeut-
        schen heißt, Win-Win-Situation dar. Die Einsatzfähig-
        keit unserer Bundeswehr wird gestärkt, die rechtliche
        Stellung der Reservistinnen geklärt, Bürokratie abge-
        baut.
        An die Opposition gerichtet: Geben Sie Ihrem Herzen
        einen Stoß und stimmen sie mit uns dafür.
        Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU):
        Mit dem heutigen Streitkräftereserve-Neuordnungsge-
        setz zieht die Bundesregierung die notwendigen gesetz-
        geberischen Konsequenzen aus der am 10. September
        2003 erlassenen Reservistenkonzeption. Im Schwer-
        punkt werden dabei das Wehrpflicht- und das Soldaten-
        gesetz den neuen Erfordernissen angepasst sowie insge-
        samt 18 weitere Folgegesetze und Verordnungen
        geändert.
        Diese Harmonisierung ist notwendig und, wenn man
        an die inzwischen gewachsene Zahl von Reservistinnen
        denkt, auch längst überfällig. Im Abschnitt Dienstleis-
        tungspflicht – § 60 Soldatengesetz – werden Regelun-
        gen, die bislang nur für männliche Reservisten festge-
        schrieben waren – Frauen unterliegen ja nicht der
        Wehrpflicht –, auch für Reservistinnen übernommen.
        Die Dauer der Wehrpflicht wird einheitlich für alle
        Laufbahngruppen auf das 60. Lebensjahr begrenzt. Die
        Gesamtdauer der Wehrübungen wird reduziert und in
        den Laufbahngruppen einheitlich geregelt: für Offiziere
        zwölf Monate – bislang sieht hier das Wehrpflichtgesetz
        18 Monate, das Soldatengesetz sechs Monate vor –, für
        Unteroffiziere neun Monate statt 15 bzw. fünf Monate
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        nd für Mannschaften sechs Monate. Darüber hinaus
        ind freiwillige Wehrübungen bis zu einem Monat im
        alenderjahr unter bestimmten Voraussetzungen mög-
        ich.
        Der im Wehrpflichtgesetz neu geschaffene § 6c, „Hil-
        eleistung im Innern“, ermöglicht es den Reservistinnen
        nd Reservisten zukünftig, auch freiwillig im Zivil- und
        atastrophenschutz tätig zu werden. Die bereits an vie-
        en Orten erprobte Zusammenarbeit von Reservistenka-
        eradschaften mit dem THW, der Feuerwehr und dem
        oten Kreuz erhält so eine gesetzliche Grundlage. Ich
        egrüße das ausdrücklich. Auch die im Wehrsoldgesetz
        orgesehenen finanziellen Anreize für Reservisten mit
        pezialfähigkeiten in besonderen Auslandseinsätzen und
        ie Zuschläge für Reserveoffiziersanwärter im Truppen-
        ienst sind im Sinne der Attraktivitätssteigerung positiv
        u werten.
        Damit könnte die Welt der Reservisten – sieht man
        inmal von der flächendeckenden Auflösung nicht akti-
        er Truppenteile in der Streitkräftebasis einmal ab –
        eitgehend in Ordnung sein, wäre nicht am 1. Oktober
        004 das Zweite Zivildienständerungsgesetz in Kraft ge-
        reten. Neben einer ganzen Fülle von Wehrdienstausnah-
        en und Befreiungstatbeständen wird in diesem Gesetz,
        as federführend im Familienministerium entstand, der
        isherige Tauglichkeitsgrad „verwendungsfähig mit Ein-
        chränkung in der Grundausbildung und für bestimmte
        ätigkeiten (T 3)“ gestrichen. Gemusterte, ungediente
        ehrpflichtige sind von nun an als „T-3-wehrdienstunfä-
        ig“ dem Zugriff von Bundeswehr und Zivildienst für
        lle Zeiten entzogen.
        Ich habe damals in der zweiten und dritten Lesung
        es Zweiten Zivildienständerungsgesetzes die Ableh-
        ung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit Hinweis
        uf die verheerenden Folgen für die Wehrpflicht begrün-
        et. Aber keiner der damals hier im Plenum Beteiligten
        auch das BMVg nicht – hat damit gerechnet oder auch
        ur daran gedacht, dass damit quasi über Nacht zigtau-
        ende von Reservisten, wehrdienstunfähig würden.
        Ist es ohnehin schon bizarr, wenn die Tauglich-
        eitskriterien für die Bundeswehr federführend im Fa-
        ilienministerium definiert werden, so ist es gänzlich
        nbegreiflich, dass damit rückwirkend das Reservisten-
        otenzial dezimiert und eine sinnvolle Reservistenarbeit
        rheblich erschwert wird. Verwunderlich und für Reser-
        isten in hohem Maße befremdlich war die Erfahrung,
        ass die Kreiswehrersatzämter bereits vom 1. Oktober
        004, also vom ersten Geltungstag des Zweiten Zivil-
        ienständerungsgesetzes, an T-3-gemusterte, beorderte
        eservisten mit Feuereifer ausplanten. Bis zum 14. De-
        ember 2004, an dem der Bundesminister der Verteidi-
        ung die Aktion „Reservistenrauswurf“ stoppte, war be-
        eits mehr als eine kriegsstarke Division ausgemustert.
        ei den aktiven Reservisten hat dies helle Empörung
        usgelöst. Viele Proteste, die mich als Präsidenten des
        eservistenverbandes erreichten, wären im Plenum nur
        nter Inkaufnahme eines Ordnungsrufes zu zitieren.
        In einem Gespräch am 23. November 2004 im Bun-
        esministerium der Verteidigung sicherte Minister
        r. Struck mir und dem Kollegen Gerd Höfer zu, den
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14759
        (A) )
        (B) )
        Status quo ante für Reservisten wiederherzustellen und
        dies, falls erforderlich, durch das bereits im parlamenta-
        rischen Verfahren eingebrachte Streitkräftereserve-Neu-
        ordnungsgesetz zu bewerkstelligen.
        Obwohl in der Zielsetzung Einmütigkeit bei allen
        Mitgliedern des Verteidigungsausschusses herrscht, ist
        es leider in mehreren Anläufen nicht gelungen, auch den
        Weg dahin einvernehmlich festzulegen. Unser Ansatz
        war: Was im Gesetz verbockt wurde, muss auch im Ge-
        setz geheilt werden. Dazu stehe ich, weil ich diesen Weg
        auch im Sinne der Rechtssicherheit für die Reservisten
        für den besseren Weg halte.
        Für mein Selbstverständnis als Reservist ist es eben
        nicht unwichtig, ob ich kraft Gesetzes wehrdienstunfä-
        hig bin und nur aufgrund eines gesonderten Erlasses des
        BMVg Dienst leisten darf oder ob ich weiter auch ge-
        setzlich als wehrdienstfähig gelte und mich wie gewohnt
        zu Beginn einer Wehrübung einer ärztlichen Untersu-
        chung zu stellen habe, bei der dann entschieden wird, ob
        ich der Dienstleistung gesundheitlich gewachsen bin
        oder nicht.
        Die von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vorge-
        schlagene Ergänzung des § 8 a Wehrpflichtgesetz um ei-
        nen Abs. 3, der lautet: „Gediente Wehrpflichtige, die bis
        zum 30. September 2004 nach Maßgabe des ärztlichen
        Urteils T 3 waren, bleiben wehrdienstfähig“, stellt den
        vorherigen Rechtszustand sofort wieder her. Auf dieser
        Basis können alle Bestimmungen, die bis zum 30. Sep-
        tember 2004 für den angesprochenen Personenkreis gül-
        tig waren, sofort wieder in Kraft gesetzt werden. Dass
        diese Lösung ebenso wie die in der Sitzung des Verteidi-
        gungsausschusses am 16. Februar 2005 als Kompromiss
        vorgelegte Formulierung: „Wehrpflichtige, die ihren
        Grundwehrdienst bis zum 30. September 2004 abgeleis-
        tet haben und nach Maßgabe des ärztlichen Urteils ver-
        wendungsfähig mit Einschränkungen in der Grundaus-
        bildung und für bestimmte Tätigkeiten wehrdienstfähig
        waren, können als wehrdienstfähig zu Wehrübungen ge-
        mäß § 6 Wehrpflichtgesetz und zu besonderen Auslands-
        verwendungen gemäß § 6 a Wehrpflichtgesetz herange-
        zogen werden“, aus gesetzestechnischen Gründen nicht
        machbar sein soll, leuchtet mir nicht ein. Außer man
        möchte sich die Peinlichkeit der Korrektur eines offen-
        kundigen Fehlers in einem erst kürzlich, aber eher
        schlampig fabrizierten Gesetz ersparen.
        Die von der Mehrheit beschlossene Ausschussfassung
        sieht nun vor, durch eine Ergänzung des § 6 Wehrpflicht-
        gesetz das Ministerium zu ermächtigen, auf dem Wege
        der Rechtsverordnung von § 8 a Abs. 2 Satz 1 abwei-
        chende Regelungen zu treffen. In einer Protokollerklä-
        rung hat das Bundesministerium der Verteidigung zuge-
        sichert, dass es diese Ermächtigung unverzüglich durch
        Befehle und Erlasse in der Weise ausüben wird, dass Re-
        servisten, die zum 1. Oktober 2004 T-3-gemustert waren,
        „weiterhin eine freiwillige Dienstleistung in der Truppe
        ermöglicht“ wird.
        Der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Peter
        Struck, hat in einem Interview mit dem Reservistenma-
        gazin „Loyal“ – 1/2005 – zudem erklärt, dass den Reser-
        visten ein weiteres Engagement offen stehen soll, „und
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        war ohne langwierige Einzelfallprüfungen und Ausnah-
        egenehmigungen.“ Dies erscheint mir in der Tat von
        ntscheidender Bedeutung für die zukünftige Reservis-
        enarbeit. Wenn wir die einfache gesetzliche Lösung
        eute nicht haben können, dann wünschen wir uns we-
        igstens eine einfache, unbürokratische und klare Ver-
        rdnung im Sinne der von Minister Struck gemachten
        usagen.
        Eine weitere Verzögerung des Streitkräftereserve-
        euordnungsgesetzes ist auch deshalb nicht zu verant-
        orten, weil der für die T-3-gemusterten Reservisten un-
        altbare Zustand weiter andauern würde. Der Minister
        teht gegenüber den Reservisten im Wort. Sollte sich die
        etzt vorgelegte Regelung nicht bewähren, dann steht das
        hema vor der Sommerpause zur Wiedervorlage in die-
        em Hause an.
        Seit Bestehen der Bundeswehr engagieren sich Reser-
        isten ehrenamtlich in den Streitkräften, meist in ihrer
        reizeit, im Urlaub und sehr oft unter großen persönli-
        hen Opfern. Sehr selten erhalten die Reservisten für ih-
        en Dienst Dank und die gebührende öffentliche Aner-
        ennung. Darüber hinaus werden sie manches Mal für
        hren Einsatz belächelt, bei Straßensammlungen angepö-
        elt und bei öffentlichen Auftritten ausgebuht. Es ist mir
        aher heute ein Anliegen, allen Soldatinnen und Solda-
        en der Reserve für ihren großartigen Einsatz zu danken.
        otivierte und qualifizierte Reservistinnen und Re-
        ervisten tragen bereits heute mit ihrem freiwilligen
        ngagement in hohem Maße zur erfolgreichen Auftrags-
        rfüllung der Bundeswehr bei. Dieses Engagement zu
        ördern und nicht zu behindern ist unsere gemeinsame
        ufgabe in diesem Hohen Hause.
        Die neue Reservistenkonzeption wird schrittweise im
        usammenhang mit der Weiterentwicklung der Bundes-
        ehr verwirklicht werden müssen. Gerade weil in der
        ukunft nur ein Teil der Reservisten in bestehende mili-
        ärische Strukturen eingebunden werden kann, steigt die
        edeutung der freiwilligen oder beordnungsunabhäni-
        igen Reservistenarbeit in ihrer Mittlerfunktion zwi-
        chen Streitkräften und der Bevölkerung. Wir müssen
        ns darüber im Klaren sein, dass eine befriedigende Lö-
        ung der T-3-Problematik für die Motivation der Reser-
        isten von herausragender Bedeutung ist.
        Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        ie Bedeutung der Reservisten für die Bundeswehr hat
        ich mit Überwindung der Ost-West-Konfrontation
        rundlegend geändert. Weit deutsches Territorium auf
        bsehbare Zeit nicht mehr durch andere konventionelle
        treitkräfte bedroht ist, bedarf es längst nicht mehr eines
        o großen Reservistenpotenzials.
        Wo Unterstützung multinationaler Krisenbewältigung
        m Rahmen des VN-Systems die neue Hauptaufgabe der
        undeswehr ist, werden viel weniger, dafür qualifizierte
        nd motivierte Reservisten benötigt: wegen ihrer Spe-
        ialfähigkeiten bei besonderen Auslandsverwendungen,
        um qualifizierten Ausgleich der durch Einsätze entste-
        enden Lücken in aktiven Truppenteilen oder zum Aus-
        leich von in den Streitkräften nicht ausreichend vorhan-
        enen Qualifikationen, für Hilfeleistungen im Innern, als
        14760 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
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        Kern für die Fähigkeit zum Wiederaufbau einer Kapazi-
        tät zur Landesverteidigung und als Mittler zwischen
        Streitkräften und ziviler Gesellschaft.
        Das Artikelgesetz passt im Wesentlichen die im
        Wehrpflicht- und Soldatengesetz festgelegten Grundla-
        gen für die Reservisten der Bundeswehr an die neuen si-
        cherheitspolitischen Rahmenbedingungen, die Verteidi-
        gungspolitischen Richtlinien und die am 10. September
        2003 erlassene neue Reservistenkonzeption an. Im Mit-
        telpunkt stehen die Stärkung des Freiwilligkeitsprinzips
        und der Verzicht auf die schnelle Mobilmachung.
        Unfreiwillige Reservisteneinberufungen soll es nur
        noch in Ausnahmefällen geben. Die Gesamtdauer der
        Wehrübungen wird für alle Laufbahngruppen reduziert.
        Neu eingeführt wird als neue Wehrdienstform „Hilfeleis-
        tung im Innern“ bei Naturkatastrophen und besonders
        schweren Unglücksfällen nach Art. 35 des Grundgeset-
        zes.
        Zu besonderen Auslandsverwendungen und Hilfeleis-
        tungen im Innern können Reservisten nur herangezogen
        werden, wenn sie sich grundsätzlich in einer freiwilligen
        schriftlichen Verpflichtung dazu bereit erklärt haben.
        Auf diese Weise werden der Bedarf der Streitkräfte und
        das freiwillige Engagement von Reservisten bestmöglich
        miteinander vereinbart. Eine solche Regelung könnte
        auch Vorbild sein für die schnelle Gewinnung von Fach-
        leuten für zivile Friedensmissionen. Diese Missionen
        leiden immer wieder unter der mangelnden schnellen
        Verfügbarkeit von Zivilexperten. Nach der Aufstellung
        des „Zivilen Planziels 2008“ der EU im Dezember 2004
        besteht hier besonderer Handlungsbedarf.
        Aufgegeben wird die Fähigkeit zum schnellen Auf-
        wuchs eines größeren Kräftepotenzials. Um dennoch bei
        einer Verschlechterung der sicherheitspolitischen Lage
        eine Fähigkeit zur Landesverteidigung wieder aufbauen
        zu können – insbesondere im Hinblick auf die zeitinten-
        sive Ausbildung –, kann die Wehrpflicht für frühere
        Mannschaftsdienstgrade schon im Spannungsfall wieder
        aufleben.
        Das Streitkräftereserve-Neuordnungsgesetz ist fak-
        tisch ein weiterer Schritt weg von der Wehrpflicht. Of-
        fenkundig brauchen die Streitkräfte immer weniger ver-
        pflichtete Reservisten und Grundwehrdienstleistende,
        aber immer mehr Qualifikation, Motivation und Freiwil-
        ligkeit.
        Insofern drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass
        wir es heute mit einer der letzten, vielleicht sogar der
        vorletzten Änderung des Wehrpflichtgesetzes zu tun ha-
        ben. Aber auch wenn die Wehrpflichtigen gehen – Re-
        servisten bleiben. In einer künftigen Freiwilligenarmee
        werden sie sogar eine größere Rolle spielen.
        Helga Daub (FDP): Mit vielen Aspekten dieses Ge-
        setzentwurfes geht die FDP-Fraktion konform. Mit dem
        Abbau von Bürokratie laufen Sie bei uns offene Türen
        ein. Auch bezüglich der Attraktivitätssteigerung der
        Bundeswehr haben wir schon lange darauf gedrängt, ins-
        besondere die Vergütung den Anforderungen anzupas-
        sen. Es gibt viele Spezialisten unter den Reservisten und
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        ine weitere, lassen Sie es mich so nennen, Ressourcen-
        erschwendung können wir uns nicht leisten.
        Zu begrüßen ist der im Verteidigungsausschuss erzielte
        ompromiss, den Tauglichkeitsgrad 3 nicht wirkungs-
        leich auf Wehrpflichtige und Reservisten anzuwenden.
        bgesehen davon, dass die Tauglichkeitskriterien eines
        ehrpflichtigen eben nicht deckungsgleich mit denen ei-
        es Reservisten sind, passt es auch nicht zum Ansatz der
        ntbürokratisierung, für die Reservisten weitere bürokra-
        sche Hürden aufzubauen.
        Bei allen lobenswerten Ansätzen, die sich in diesem
        esetzesentwurf finden mögen, verstehe ich eines nicht:
        ur Zeit ist im Hinblick auf die künftige Wehrverfassung
        lles im Fluss. Dieses Thema hat endlich in großem Um-
        ang die öffentliche Debatte erreicht, was die FDP natür-
        ich sehr begrüsst. Im November dieses Jahres wird sich
        ie SPD auf ihrem Parteitag mit einem Leitantrag zur
        ehrpflicht befassen. Es gibt innerhalb Ihrer Partei un-
        erschiedlichste Auffassungen zur Wehrform, das reicht
        on Minister Strucks klarem Bekenntnis zur Wehrpflicht
        n sich, bis hin zur Forderung, diese abzuschaffen. Bei
        ll der Meinungsvielfalt blicken wir auf diesen Parteitag
        it der einzigen Gewissheit, dass es die Wehrpflicht in
        er jetzigen Form nicht mehr geben wird.
        Warum muss dann jetzt mit heißer Nadel an einem
        esetz weitergestrickt werden, wo doch noch keine Ge-
        issheit herrscht, wie die Wehrform aussehen wird?
        iese Regierung hat wahrlich schon genug Stückwerk
        orgelegt, man wird müde, das Wort „Nachjustierung“
        u hören. Die Bundeswehr und ihre Angehörigen haben
        s verdient, dass bei allen notwendigen Härten der Um-
        trukturierung weiteres Stückwerk vermieden wird. Aus-
        ahmsweise möchte ich zur „Politik der etwas ruhigeren
        and“ mahnen. Unser Appell an Sie ist es, dieses Ge-
        etzvorhaben auf die Zeit nach der Meinungsfindung in-
        erhalb der SPD zu verschieben. Die positiven Aspekte
        ieses Gesetzes für die Reservisten der Bundeswehr ha-
        en schließlich kein Verfallsdatum, das vor November
        bläuft.
        Die FDP will das Beste für die Soldaten und die Re-
        ervisten der Bundeswehr. Wir möchten, dass sicherge-
        tellt wird, dass dieses Gesetz nicht auf den tönernen Fü-
        en einer Wehrpflicht steht, die es in dieser Form am
        nde dieses Jahres nicht mehr geben wird.
        Petra Pau (fraktionslos): Erstens. Der vorliegende
        esetzentwurf soll Änderungen im Wehrpflichtgesetz,
        m Soldatengesetz, im Wehrsoldgesetz und im Ar-
        eitsplatzschutzgesetz bewirken. Sie beziehen sich auf
        ie Aufgaben, die Versorgung und Rechtsstellung der
        eservistinnen und Reservisten der Bundeswehr. Die
        DS im Bundestag wird diesen Gesetzentwurf ablehnen.
        icht weil wir dagegen wären, dass Reservistinnen und
        eservisten Rechtssicherheit und Arbeitsschutz genie-
        en. Darauf haben sie einen rechtlichen und einen per-
        önlichen Anspruch. Wir sind dagegen, weil sie ein tro-
        anisches Pferd in Stellung bringen.
        Zweitens. Der Gesetzentwurf entspringt einer inhaltli-
        hen Logik, der wir nicht folgen. Es geht darum, den
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14761
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        Status und die Pflichten von Reservistinnen und Reser-
        visten an die offensiven militärpolitischen Leitlinien an-
        zupassen. Noch klarer gesagt: Reservistinnen und Reser-
        visten sollen in den Umbau der Bundeswehr von einer
        Verteidigungsarmee zu einer weltweit agierenden Inter-
        ventionsarmee aktiv einbezogen werden. Die PDS ist ge-
        gen weltweite Militäreinsätze der Bundeswehr. Wir hal-
        ten die militärpolitischen Leitlinien für falsch, ja für
        gefährlich. Also sind wir auch dagegen, dass dieser Feh-
        ler auch noch auf Reservistinnen und Reservisten ausge-
        dehnt wird.
        Drittens. Hinzu kommt: Mit § 6 c des vorliegenden
        Gesetzentwurfes wollen sie den Einsatz der Bundeswehr
        im Inneren der Bundesrepublik Deutschland vorbereiten.
        Sie weisen Reservistinnen und Reservisten entspre-
        chende Aufgaben zu. Sie wissen: Im Gegensatz zur
        CDU/CSU halten wir Inlandseinsätze der Bundeswehr
        für grundgesetzwidrig. Sie wären obendrein fachlich
        falsch, politisch sind sie es aus Sicht der PDS ohnehin.
        Viertens. Genau betrachtet rangiert der Antrag in der
        Grauzone zum Trickbetrug. Denn das eigentliche Ziel
        dieses Gesetzes verkehrt sein vermeintliches Anliegen
        ins Gegenteil: Es schafft nicht mehr Rechtssicherheit
        und Arbeitsschutz für Reservistinnen und Reservisten.
        Es schafft neue Risiken und Gefahren für alle.
        Die PDS im Bundestag stimmt daher logisch und
        konsequent mit Nein.
        Anlage 3
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Anträge:
        – Nationales Energieforschungsprogramm vor-
        legen
        – Energieforschung zukunftsfähig gestalten
        – Zukunftsorientierte Energieforschung –
        Fusionsforschung in Deutschland und
        Europa vorantreiben
        – Unterstützung für eine Bewerbung des
        Standortes Greifswald/Lubmin für den
        ITER (Internationaler Thermonuklearer
        Experimenteller Reaktor)
        – Technikfolgenabschätzung hier: Monitoring
        „Kernfusion“
        (Tagesordnungspunkt 14 a und b)
        Gesine Multhaupt (SPD): Energieforschung ist nun
        einmal kein Gemischtwarenladen. Eine nachhaltige
        Energieforschungspolitik ist auf Prioritäten angewiesen.
        Industrie und Energiewirtschaft brauchen Verlässlich-
        keit. Dazu gehört ein Energieforschungsprogramm mit
        einem genauen Zeithorizont für die technische und in-
        dustrielle Umsetzung; denn Energieforschung braucht
        Beständigkeit über lange Zeiträume. Ein nationales
        Energieforschungsprogramm muss inhaltlich und finan-
        ziell sinnvoll abgestimmt sein mit dem 7. Forschungs-
        rahmenprogramm der Europäischen Union.
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        Für die Energiewirtschaftsbranche in der Europäi-
        chen Union ist eine grenzüberschreitende Zusammen-
        rbeit schon längst Realität. Die Öffnung und die Liberali-
        ierung der Strom- und Gasmärkte haben beispielsweise
        ur Folge, dass Betreiber von Strom- und Erdgasnetzen
        ittelfristig einen gemeinsamen europäischen Binnen-
        arkt gestalten. Eine besondere Herausforderung für die
        ünftige Energieforschung besteht von daher auch in der
        tärkeren Vernetzung von Grundlagenforschung und an-
        ewandter Forschung sowie in der erweiterten Zusam-
        enarbeit auf europäischer Ebene. Großtechnische An-
        ätze, die weit entfernt sind von einer unmittelbar
        echnischen Umsetzung sollen vermehrt auf EU-Ebene
        tattfinden. Forschungsintensive Felder wie die Kern-
        usion, die noch weit weg von der marktwirtschaftlichen
        inführung sind, können besser europäisch geregelt wer-
        en. Aber auch zukunftsträchtige Forschungsfelder wie
        ie Clean-Coal-Mechnologie bei fossilen Energieträgern
        der die Herstellung effizienter biogener Kraftstoffe
        önnen im europäischen Kontext besser umgesetzt wer-
        en als im nationalen Alleingang.
        Gestern trat das Kioto-Protokoll zur Reduktion von
        reibhausgasen in Kraft. Für eine erfolgreiche Umset-
        ung des Protokolls ist eine grenzüberschreitende nach-
        altige Energie- und Energieforschungspolitik eine
        lementare Bedingung. Nun hat jedoch der Abschlussbe-
        icht der Energie-Enquéte-Kommission klar festgestellt,
        ass unser gegenwärtiges Energiesystem nicht nachhal-
        ig ist. Nachhaltig ist unsere Energieversorgung erst
        ann, wenn sie in der Lage ist, die C02-Emmission dras-isch zu reduzieren, Versorgungssicherheit zu garantie-
        en und mit dezentralen Lösungen Antworten auf den
        teigenden Energiebedarf in Entwicklungsländern und
        chwellenländern zu geben.
        Zusammengefasst heißt das für uns: Wir brauchen ein
        ukunftsfähiges nachhaltiges Energieforschungspro-
        ramm, das den Fokus auf marktfähige erneuerbare
        nergien wie der Photovoltaik, der Geothermie sowie
        er Windenergie und flankierend dazu auf Energieein-
        parung und Energieeffizienz setzt.
        Lassen Sie mich für die Geothermie und die Wind-
        nergie nur zwei aktuelle Beispiel nennen: In der Geo-
        hermic ist im November 2003 in Neustadt-Glewe in
        ecklenburg-Vorpommern das erste deutsche geother-
        ische Kraftwerk in Betrieb genommen worden. Es hält
        brigens eine Art technologischen Weltrekord. Nir-
        endwo auf unserem Planeten wird mit derart niedrigen
        emperaturen von 98°C elektrischer Strom aus Erd-
        ärme erzeugt. Auf dem Feld der Windenergie ist die
        rste Offshore-Windkraftanlage mit einer Leistung von
        ,5 Megawatt in der Nähe von Emden errichtet worden.
        ie Windkraftanlage ist ein Prototyp einer neuen Gene-
        ation und wird im Jahr rund 15 Millionen Kilowattstun-
        en Strom erzeugen. Dies entspricht dem Jahresbedarf
        on etwa 15 000 Verbrauchern und erspart der Atmos-
        häre fast 10 000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Beide
        eispiele zeigen deutlich: Eine nachhaltige zukunftsfä-
        ige Energieversorgung ist technisch machbar, wirt-
        chaftlich leistbar und für den Industriestandort Deutsch-
        and vorteilhaft, indem hier Arbeitsplätze gesichert und
        eu geschaffen werden.
        14762 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
        (A) )
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        In der Erforschung und dem Aufbau von dezentralen
        und integrierten Energiesystemen sorgen wir dafür, dass
        die Strom- und Wärmeversorgung von Haushalten und
        Gewerbebetrieben im Inland gesichert ist. Mit der Erpro-
        bung und Weiterentwicklung dieser neuen risikofreien
        Technologien im Inland machen wir uns gleichzeitig fit
        für den Export.
        Der Weltenergieverbrauch wird in den nächsten
        30 Jahren um zwei Drittel zunehmen. Insbesondere für
        Entwicklungsländer ist eine ausreichende Versorgung
        mit Energie Bedingung, aber auch limitierender Faktor
        für Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Gerade hier
        wird die Prioritätensetzung auf erneuerbare Energien in
        unserer Energieforschungspolitik Früchte tragen. Was
        diese Länder brauchen, ist eine dezentrale Energieinfra-
        struktur mit einer effektiven Energiespeicherung in ei-
        nem in sich geschlossenen Energiesystem. Aber das sind
        nun einmal Photovoltaik, Windenergie, Biomasse und
        Geothermie und nicht atomare Großprojekte in Ländern,
        die über keine ausgebauten Stromversorgungsnetze ver-
        fügen.
        Neue geschlossene, dezentrale Energiesysteme brin-
        gen somit nicht nur entscheidende Impulse für Industrie
        und Wirtschaft im Inland. Sie schaffen darüber hinaus
        neue Wege für den Export. Warum müssen immer nur
        Autos „Made in Germany“ zum Exportschlager werden?
        Warum sollen nicht bei uns entwickelte, in sich schlüs-
        sige neue Energiesysteme zum Exportschlager werden?
        Mit der Regierungsübernahme hat die rot-grüne Ko-
        alition die Wende in der Energiepolitik eingeleitet. Neue
        Wege erfordern Mut und Innovation. Fortschritt und
        nicht Stillstand sind in diesen Zeiten gefragt. Wirtschaft
        und Wissenschaft brauchen verlässliche Rahmendaten
        für ihre weitere Forschungsarbeit. Angesichts der Res-
        sourcenknappheit und des Klimawandels erwarten die
        Menschen in unserem Land neue Wege bei der Moderni-
        sierung des Standortes Deutschland. Das neue Ener-
        gieforschungsprogramm der Bundesregierung, das sich
        meines Wissens zurzeit in der Feinabstimmung der be-
        teiligten Ministerien befindet, wird einen nachhaltigen
        Impuls für die Erneuerung unseres Landes geben und
        mittelfristig neue Chancen für deutsche Unternehmen
        auf den Weltmärkten eröffnen, davon bin ich fest über-
        zeugt.
        Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Die
        aktuellen Zahlen zum Wirtschaftswachstum in Deutsch-
        land und zur Arbeitslosigkeit belegen es eindeutig: Die
        Bundesregierung hat mit ihrem Konzept der sozialen und
        ökologischen Erneuerung Deutschlands auf der ganzen
        Linie versagt. Anstatt die Arbeitslosigkeit zu senken hat
        sie sich erheblich erhöht. Uns erreichen monatlich neue
        Horrormeldungen über das Ausmaß der Perspektivlosig-
        keit auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland. Wirtschafts-
        wachstum gibt es in Deutschland unter Rot-Grün natürlich
        auch keins mehr. Dafür darf das deutsche Volk staunend
        zur Kenntnis nehmen, dass die globale Wirtschaft derzeit
        um rund 5 Prozent jährlich wächst. Offensichtlich wird
        anderswo der Wohlstand gemehrt, während diese Bundes-
        regierung eine so genannte „ökologische und soziale Er-
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        euerung“ betreibt. Die negativen und asozialen Auswir-
        ungen dieser Politik auf unsere Gesellschaft werden nach
        nd nach immer deutlicher.
        Hohe Energiepreise durch EEG, Ökosteuer und Kraft-
        ärme-Kopplung treiben nicht nur energieintensive Un-
        ernehmen ins Ausland. Die ausufernden Sozialkosten
        erstören viele produktive Arbeitsplätze mit ansonsten
        usreichender Wertschöpfung. Die planwirtschaftliche
        berregulierung und Überbürokratisierung verhindert
        ystematisch die Entstehung neuer produktiver Unter-
        ehmen. Dafür zahlen alle, aber es profitieren nur we-
        ige staatlich geschaffene Beschäftigungsgesellschaften.
        ies alles zusammen mindert den Wohlstand in
        eutschland erheblich, bremst die Weiterentwicklung
        nserer Wirtschaft. Wie Gulliver von Rot-Grün gefes-
        elt, fallen wir gegenüber dem Ausland immer mehr
        urück. Rot-Grün ermöglicht immer weniger Menschen
        roduktive Arbeitsleistungen. Die rot-grüne Arbeits-
        osigkeit erreicht immer schwindeleregendere Rekord-
        öhen.
        Der Forschungsbereich ist von dieser rot-grünen Atta-
        ke auf unseren Wohlstand keineswegs ausgenommen.
        er Antrag von Rot-Grün zeugt davon: Wer glaubt, hier
        erde ein Programm gefordert, das auf die Nutzung der
        reativität junger Wissenschaftler in der Grundlagenfor-
        chung zielt, der irrt. Hier geht es nicht um neue Ideen
        nd neues Wissen als Grundvoraussetzung für neue Pro-
        ukte, Verfahren und Innovationen. Hier geht es in erster
        inie um staatliche Lenkung, um staatliche Planung, um
        eure Markteinführungsprogramme wie bei den erneuer-
        aren Energien, um Forschung zur Verhinderung von In-
        ovationen, zur Verhinderung von Wachstum und Be-
        chäftigung in Deutschland. Wir brauchen aber keine
        inführung teurer unrentabler Techniken, wir brauchen
        uch keine neue Kaste akademischer Berufsbedenken-
        räger auf Staatskosten. Wir brauchen mehr Geld für
        ukunftsweisende Bereiche der Grundlagenforschung.
        ndere Länder haben das übrigens auch erkannt. Im Ge-
        ensatz zu Rot-Grün in Deutschland handeln die dorti-
        en Regierungen auch entsprechend diesen Erfordernis-
        en. Ich muss hier nicht einmal auf die Vereinigten
        taaten von Amerika verweisen, den mächtigen For-
        chungsmagneten für deutsche Wissenschaftler jenseits
        es Atlantiks. Nein, Länder wie Indien und China, die
        on uns sogar Entwicklungshilfe bekommen, investieren
        ngeheure Summen in die Grundlagenforschung. Wie
        uch die „FAZ“ von dieser Woche berichtet, ist es durch-
        us denkbar, dass deutsche Studenten und Forscher in
        enigen Jahren in erster Linie nicht mehr nur in die
        SA, sondern auch nach Asien abwandern werden.
        Denkverbote oder gar Ausstiegsbeschlüsse wie in der
        ernforschung sind der falsche Weg. Nachfolgende Ent-
        cheidungsträger sollen selbst entscheiden können, wel-
        he Art der Energieversorgung sie gerne hätten. Ihnen
        ollten für eine nutzbringende Entscheidung möglichst
        iele Möglichkeiten offen stehen. Es wäre unverantwort-
        ich, ihnen aus einem überkommenen Zeitgeist heraus
        eute wesentliche Wege verbauen zu wollen und damit
        ptionen vorzuenthalten. Die wichtigen Zentren der
        ernforschung in Deutschland sind daher zu stärken.
        en Forschern in Greifswald, München, Rossendorf,
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14763
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        Jülich oder Karlsruhe darf nicht weiter der Geldhahn ab-
        gedreht werden. Stattdessen muss die große Bedeutung
        der Kernforschung für wesentliche Bereiche der Welt-
        raum-, Energie-, Material- und medizinischen Forschung
        stärker öffentlich hervorgehoben werden.
        Mit der Markteinführung von Windkraftwerken oder
        anderen unrentablen Formen der Energiegewinnung
        werden wir die Zukunft in Deutschland sicherlich nicht
        sinnvoll meistern können. Auch Energiesparen ist – ent-
        gegen dem Eindruck, den man nach der Lektüre des rot-
        grünen Antrages gewinnen könnte – kein Selbstzweck.
        Wenn wir hier in Deutschland 1 Euro investieren müssen
        und dann hinterher nur für 10 Cent Energie sparen, dann
        mag das den Bundesumweltminister, einige Umweltver-
        bände und vielleicht auch manch anderen noch freuen.
        Damit wird jedoch das Geld der Bürger verbrannt und
        unser aller Wohlstand gemindert. Wenn die Kosten hö-
        her sind als der Nutzen, dann sollten die Bürger das Geld
        besser für andere Dinge ausgeben können. Dann können
        auch wieder Arbeitsplätze entstehen, die produktiv sind
        und an denen tatsächlich ein Mehrwert für unser Land
        erwirtschaftet wird.
        Deutschlands Chancen liegen in Produkten, die eine
        hervorragende Infrastruktur und gut ausgebildete Ar-
        beitskräfte voraussetzen, in Forschungsleistungen und
        Innovationen, in zuverlässig hoher Qualität und in kom-
        plexen Produkten und Problemlösungen. Unsere Zu-
        kunft hängt vor allem davon ab, wie unser Land auf die
        internationalen Entwicklungen reagiert, inwieweit wir
        alle Kräfte einsetzen, um unsere Stärken zur Geltung zu
        bringen. Wir von der Union haben in unserem Antrag
        beschrieben, wie wir uns eine dauerhaft wohlstandsför-
        dernde Energieforschung vorstellen: Wir müssen Chan-
        cen nutzen, nicht Risiken minimieren. Wir müssen den
        Menschen etwas zutrauen – auch unseren Forschern. Wir
        müssen die Bürokratie abbauen – auch für unsere For-
        scher. Und wir müssen den Menschen wieder mehr Frei-
        heit geben – auch unseren Forschern.
        Franz Obermaier (CDU/CSU): Mit der Entschei-
        dung über den Weg der Energieforschung in Deutsch-
        land greifen wir massiv in das Entscheidungsspektrum
        unserer Nachfahren ein. Das heißt, wie wir diese For-
        schung politisch unterstützen und staatlicherseits finan-
        ziell fördern wollen, betrifft nicht nur uns, sondern vor
        allem auch künftige Generationen. Denn die Energiever-
        sorgung ist die Basis unseres Wohlstandes.
        So wie es in den Anträgen der Regierungsfraktionen
        und zwangsläufig auch in der Beschlussempfehlung des
        Wirtschaftsausschusses steht, soll es in Deutschland in
        Zukunft eine technologieoffene Forschung und Entwick-
        lung im Bereich Energie nicht mehr geben.
        Es wird einseitig und ausdrücklich eine zentrale Prio-
        rität für Techniken zur Nutzung erneuerbarer Energien
        und Energiespartechnologien eingeräumt. Das heißt im
        Klartext, ergebnisoffene Grundlagenforschung wird
        nicht unterstützt.
        Ich halte das für fatal. Wir dürfen auch im Energiebe-
        reich nicht von vornherein ganze Forschungszweige fak-
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        isch ausgrenzen. Wenn die politische Unterstützung ver-
        agt wird, wenn kaum mehr Mittel zur Verfügung stehen,
        tirbt unser Wissen in wichtigen Teilbereichen ab. Fol-
        en sind Know-how- und Kompetenzverlust. Das hat
        uswirkungen auf den gesamten Wissenschaftsstandort
        eutschland. Vor allem die jungen Wissenschaftler wer-
        en sich noch stärker als bisher aus Deutschland weg
        rientieren.
        Weiter werden mit dieser rot-grünen Einseitigkeit
        rastisch die Entscheidungsmöglichkeiten bei der Ener-
        ieversorgung verkürzt. Es kommt zu einer Bevormun-
        ung. Wenn die Vorstellungen wahr werden, wird es in
        er Zukunft nicht möglich sein, aus möglichst vielen
        ptionen eine neue und eigene Auswahl zu treffen.
        enn eines wird es nicht geben: ein vielfältiges Energie-
        ngebot mit unterschiedlichen Vorzügen und Nachteilen,
        it dem eine Gesellschaft auf globale Entwicklungen
        lexibel reagieren kann.
        Nicht jede erneuerbare Energie ist etwa per se vorteil-
        aft, etwa versorgungssicher oder auch wirtschaftlich
        innvoll. Nicht jede wünschbare Energieeinsparmaß-
        ahme hält einer ökonomischen Betrachtung stand. Was
        st, wenn Bürgerinnen und Bürger mit Mehrheit kosten-
        ünstige Energie wollen, die sozial schwächere Gruppen
        nserer Gesellschaft nicht mehr überproportional belas-
        et? Was, wenn sie vor allem wettbewerbsfähige Arbeits-
        lätze in Deutschland wollen? Was, wenn die Menschen
        ine Energieversorgung wollen, die Umweltschutz nicht
        utomatisch überhöht und auch wirtschaftliche Sinnhaf-
        igkeit mit beachtet?
        Die Frage, ob es dann überhaupt noch Wahlmöglich-
        eiten gibt, betrifft sowohl nachkommende Generatio-
        en als auch andere politische Schwerpunkte und Mehr-
        eiten.
        Wir brauchen eine breit gefächerte Energieforschung
        hne Vorurteile. So wie wir in der Demokratie keinen
        aulkorb bei der Meinungsbildung und offene Diskus-
        ionen wollen, so wollen wir auch keine Fesseln für das
        enken und Forschen bei der Energieversorgung. Des-
        alb dürfen Mittel nicht primär nur für regenerative
        nergien bereitgestellt werden. Das errichtet Denkblo-
        kaden. Sie müssen gleichermaßen auch für kohlenstoff-
        asierte Energien mit Dekarbonisierung als auch neue
        erntechnik zur Verfügung gestellt werden. Es müssen
        lle technologischen Möglichkeiten offen gehalten wer-
        en. Das betrifft die Gewinnung von Energierohstoffen,
        ie Energieerzeugung, die Speicherung und den Trans-
        ort sowie den Verbrauch und die Entsorgung.
        Lassen wir doch wenigstens einen Wettstreit der
        nergieforschung zu. Ich frage Sie: Wer von uns, die Re-
        ierungsmitglieder eingeschlossen, die wir nicht einmal
        issenschaftler sind, kann beurteilen, wie neue Energie-
        uellen erschlossen werden können, zum Beispiel Methan-
        as am Meeresboden, wo vielleicht der technologische
        urchbruch lauert, wo ungeahnte Effizienzsteigerungen
        öglich sind, wo heutige Gefahren gebannt werden kön-
        en?
        Das betrifft insbesondere die politische Voreingenom-
        enheit für den Bereich Kerntechnik: Die Forschung zur
        14764 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
        (A) )
        (B) )
        sicheren Entsorgung radioaktiver Abfälle wird nahezu
        ausgehebelt. Gerade hat sich das Forschungszentrum
        Karlruhe im Januar per Brandbrief an das Bundesum-
        weltministerium gewandt. Der Grund: Obwohl es von
        der Bundesregierung den Auftrag erhalten hat, die Lang-
        zeitsicherung der Endlagerung zu untersuchen, wird das
        Budget einschneidend gekürzt. 2005 beträgt der Etat für
        Forschung und Entwicklung nur noch 67 Prozent des
        Jahresetats 2002. Dazu kommt eine weitere Reduzierung
        von 10 Prozent in den letzen fünf Jahren. Dabei sollte
        man doch meinen, dass die Sicherheit einer Endlagerung
        allen am Herzen liegt.
        Die Transmutationstechnik zur Behandlung radioakti-
        ver Brennstäbe, die Energieerzeugung und Abbau von
        Radioaktivität in sich vereint, wird nicht unterstützt.
        Ebenso bedauerlich: Die international von allen namhaf-
        ten Staaten als erfolgversprechend angesehene Kernfu-
        sion wird hierzulande im wahrsten Sinnen des Wortes
        von links liegen gelassen.
        Aber auch auf die im europäischen und sonstigen
        Ausland geplanten Anlagen kann aus Deutschland kein
        positiver Einfluss in Richtung Sicherheit kerntechni-
        scher Anlagen mehr genommen werden.
        Wer nun meint, wenigstens die Lieblingsbereiche von
        Rot-Grün, die erneuerbaren Energien und die rationelle
        Energienutzung, würden nun mit Forschungsmitteln ge-
        hätschelt, irrt gewaltig: Der Haushalt 2004 weist auch
        für erneuerbare Energien allerorten abnehmende Ten-
        denz aus. Im BMU werden die Forschungsmittel um
        35 Prozent reduziert – Solarenergie, Geothermie und
        Windenergie –, im BMWA um 7 Prozent – rationelle
        Energieverwendung, Brennstoffzelle und Wasserstoff –
        und im BMVEL um 30 Prozent, Biomasse und nach-
        wachsende Rohstoffe.
        Was ist zu tun? Wir brauchen eine gute Ausbildung
        für qualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
        ler. Dazu müssen wir auch die Attraktivität des Ener-
        gieforschungsstandortes Deutschland erhöhen. Sonst
        wird es noch mehr Abwanderung ins Ausland geben.
        Seit 1991 sind die Aufwendungen für Energiefor-
        schung des Bundes von rund 700 Millionen Euro um
        etwa 40 Prozent zurückgegangen. Gemessen als Anteil
        am Bruttoinlandsprodukt sind die Ausgaben in den
        USA, Frankreich oder Japan mehr als doppelt so hoch
        wie in Deutschland.
        Wir brauchen als Erstes eine Bündelung der Ener-
        gieforschungsförderung in einem Ressort. Unsere Emp-
        fehlung dazu ist das Bundesministerium für Bildung und
        Forschung. Dazu gehört weiter eine deutliche Anhebung
        der Förderung der öffentlichen Energieforschung als
        Grundlagenforschung. Die Wirtschaft orientiert sich nun
        einmal zuvörderst an absehbarer Rentabilität. Deshalb
        spart sie manche Bereiche erst einmal aus. Hier muss es
        öffentliche Forschung geben. Dabei darf kein For-
        schungszweig ausgegrenzt werden. Es ist ein Unding,
        dass öffentliche Mittel heute nicht für neue Reaktorkon-
        zepte eingesetzt werden dürfen. Folge ist, dass es für
        deutsche Anlagen quasi einen Neuerungsstopp zur Erhö-
        hung der Sicherheit gibt.
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        Wir brauchen eine sichere Energieversorgung und
        ostengünstige Energie unter Schonung der Umwelt.
        ir brauchen dazu die Freiheit von Wissenschaft und
        orschung. Dazu gehört auch eine gleiche finanzielle
        örderung, keine Zensur durch einseitige politische Pri-
        ritäten.
        Wir dürfen unsere Basis für die Zukunft nicht engstir-
        ig und unnötig verkleinern. Wir dürfen künftige Gene-
        ationen nicht bevormunden und nicht ihren Entschei-
        ungsspielraum von vornherein einengen.
        Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        0 Jahre lang sind OECD-weit 80 Prozent der Ener-
        ieforschungsmittel in die Erforschung der Kernenergie
        eflossen. Das Ergebnis ist: 3 oder 5 Prozent, je nach
        erechnungsbasis, des Weltenergiebedarfs werden durch
        ernenergie gedeckt. Es gibt keinen größeren Misser-
        olg für aufgewandte Forschungsmittel als den in diesem
        ereich. Die Mittel sind völlig deplatziert.
        Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie
        alten weiterhin daran fest. Sie nennen einen finnischen
        tomreaktor als Beispiel für eine sinnvolle Energietech-
        ologie. Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass dieses
        rojekt nur möglich wird, wenn es massive Subventio-
        en gibt. So hat zum Beispiel die Bayerische Landes-
        ank eine nicht notifizierte Beihilfe für den finnischen
        eaktor gegeben. Für den Kredit in Höhe von 2 Milliar-
        en Euro werden nur 2,6 Prozent Zinsen verlangt. Nur
        it solchen Aktionen wird die angeblich billige Atom-
        echnologie in Finnland möglich. Dies lehnen wir ab.
        Nehmen wir die Kernfusion. Wir wissen, dass wir
        ahrzehntelang nicht einen einzigen Beitrag dazu sehen
        onnten und das auch in den nächsten 50 Jahren nicht
        er Fall sein wird. Kein Fusionsforscher sagt, dass in den
        ächsten 50 Jahren auch nur eine Kilowattstunde Strom
        urch Kernfusion erzeugt werden könnte. Warum also
        as Geld in großem Maße aus dem Fenster werfen? Wir
        ollen, dass das Geld in Forschungsprojekte investiert
        ird, die schon in wenigen Jahren Klimaschäden ver-
        eiden helfen und Energieversorgungssicherheit brin-
        en. Wir wollen, dass sich damit auch unsere Unterneh-
        en im globalen Wettbewerb durchsetzen können.
        aher werden wir heute den Antrag, ein nationales Ener-
        ieforschungsprogramm vorzulegen, verabschieden. Wir
        etzen auf die Priorität erneuerbarer Energien und auf
        nergieeinsparung. Damit schaffen wir eine verantwor-
        ungsvolle Energiepolitik für die Zukunft.
        Deutschland ist Weltmeister bei der Windenergie und
        eit letztem Jahr sind wir auch Weltmeister beim Solar-
        trom. Wir haben hier 130 000 Arbeitsplätze geschaffen,
        ie im internationalen Wettbewerb stehen. Ob sich un-
        ere Unternehmen in den Zukunftsmärkten durchsetzen
        önnen, wird zu einem Großteil davon abhängen, wie in-
        ovativ sie sind. Hier spielen Investitionen in Forschung
        nd Entwicklung eine entscheidende Rolle. Und hierauf
        üssen wir unsere Mittel konzentrieren, anstatt sie für
        ie Kernfusion oder die PR-Strategie „Clean Coal“ aus
        em Fenster zu werfen.
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14765
        (A) )
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        Wir wissen, dass erneuerbare Energien, die Energie-
        versorgung zu 100 Prozent abdecken können. Wir wis-
        sen, dass wir große Anstrengungen benötigen, damit sie
        die alten Versorgungsstrukturen verdrängen können. Die
        Geothermie und die Bioenergie können in Verbindung
        mit neuen Speichertechnologien und Nachfragemanage-
        ment beim Strom die Grundlast abdecken sowie Ange-
        botsschwankungen von Wind- und Solarstrom ausglei-
        chen.
        Bei der Geothermieforschung sind wir noch im Früh-
        stadium. Die Bioenergien sind zwar weiter entwickelt,
        aber noch längst nicht in ihrer Breite ausgereift. Und
        auch bei der Windenergie gibt es noch erhebliche techni-
        sche Potenziale – vor allem bei der Erschließung der
        Meere. Apropos Meere: Wir kennen heute nicht einmal
        die Meeresenergiepotenziale vor Deutschlands Küsten –
        geschweige denn, dass wir Technologien entwickelt hät-
        ten, diese zu erschließen. Hier besteht dringender Hand-
        lungsbedarf.
        Ich komme zum Solarstrom, der als photovoltaische
        Stromerzeugung in Stromnetzen noch weit von der Be-
        triebswirtschaftlichkeit entfernt ist. Hier müssen wir
        noch Technologiesprünge hinbekommen. Mit großer
        Freude nehme ich zur Kenntnis, dass auch hier das Er-
        neuerbare-Energien-Gesetz wirkt. Die Unternehmen ver-
        dienen Geld und investieren eine Menge davon in ihre
        technologische Entwicklung. Und diese technische Ent-
        wicklung ermöglicht es uns, jährlich die Vergütungshö-
        hen für Neuanlagen abzusenken.
        Doch Strom ist nicht alles. Nehmen wir die Mobilität.
        Wie viel haben wir bislang in die Kombination von
        steckdosenkompatiblen Hybridfahrzeugen investiert, die
        wesentlich weniger Energie verbrauchen werden als
        heutige Fahrzeuge. In welchem Blindflug bewegt sich
        die Luftfahrt, wenn deren Branche ohne Treibstoffkon-
        zept mit Hochgeschwindigkeit auf die nächste Erdöl-
        krise zufliegt. Hier müssen dringend Ideen auf den Tisch
        gelegt werden, damit mit der Forschung zum Erdölersatz
        wenigstens begonnen werden kann.
        Einen Lichtblick gibt es zum Beispiel bei der Schiff-
        fahrt. Ein deutsches Start-up-Unternehmen entwickelt
        derzeit Zugdrachen, die neben dem Schiffsdiesel die
        Schiffe vorantreiben sollen. Das könnte der Schiffs-
        hybrid der Zukunft werden. Wie beim Straßenverkehr
        wird es dann nur noch darauf ankommen, den fossilen
        Zufeuerungsanteil durch Biokraftstoffe zu ersetzen.
        Die Aufgaben, die vor uns liegen, sind gewaltig. Kli-
        mawandel und bevorstehende Erdölverknappung müssen
        angepackt werden. Das neue Energieforschungspro-
        gramm muss daran gemessen werden, ob es den Heraus-
        forderungen gerecht wird – sowohl quantitativ als auch
        qualitativ.
        Hellmut Königshaus (FDP): Ob und wie eine der
        bedeutenden Herausforderungen unserer Zeit, die Siche-
        rung der Energieversorgung, gemeistert wird, liegt in un-
        seren Händen.
        Die FDP-Bundestagsfraktion hat diesem Haus bereits
        vor geraumer Zeit einen Antrag für ein 5. Energiefor-
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        chungsprogramm vorgelegt und darin auf mögliche
        chwerpunkte verwiesen. Immer wieder wurde uns ver-
        ichert, dass die Bundesregierung ein solches Programm
        rarbeitet und auch schnell vorlegen wird. Ich frage
        errn Clement, ich frage Frau Bulmahn: Wo ist dieses
        rogramm? Noch besitzt Deutschland die wirtschaftliche
        raft sowie das wissenschaftliche und technologische
        otenzial, sich auf abzeichnende Energieprobleme einzu-
        tellen, erfolgreich eingeschlagene Entwicklungspfade
        uszubauen, neue Wege auszuloten und verantwortungs-
        ewusst zu ebnen sowie den Aufbau nachhaltiger Ener-
        iegewinnungs- und Nutzungsstrukturen beispielhaft
        oranzutreiben. Andere Staaten, insbesondere die Ent-
        icklungs- und Schwellenländer, können davon profitie-
        en. Doch sind wir heute auch in der Lage, das hierfür
        otwendige gesellschaftliche Problembewusstsein auf-
        ubringen, das uns den Realismus für die vordringlichen
        hemen in der Energieforschung und der Energiefor-
        chungspolitik zurückbringt?
        Deutschland importiert heute bereits über zwei Drittel
        einer Primärenergieträger und befindet sich so in einer
        xtremen wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeit.
        s steht damit allerdings nicht allein; denn der Löwenan-
        eil aller heute bekannten Öl- und Gasreserven liegt nun
        inmal rund um den Persischen Golf, das Kaspische
        eer und in Russland. Die eigenen europäischen Öl-
        nd Gasreserven neigen sich ihrem Ende zu. Zugleich
        ächst die Nachfrage aus den asiatischen Staaten, allen
        oran China. China löst derzeit mit seinem schier uner-
        ättlichen Rohstoff- und Energiehunger ernste Liefer-
        ngpässe, verbunden mit enormen Preisaufschlägen auf
        ast alle technologisch wichtigen Rohstoffe und Energie-
        räger, aus. Das ist nicht lediglich ein Trend, dessen
        ende wir beruhigt abwarten können. Nein, in vielen
        egionen unserer Erde wächst die Bevölkerung. Demo-
        raphen gehen bis 2050 von einem Wachstum auf dann
        ehn bis zwölf Milliarden Menschen aus.
        Diese globalen Entwicklungen gehen mit grundlegen-
        en politischen und ökologischen Problemen einher, die
        icht zuletzt auf die Sicherheit der heutigen Industriena-
        ionen Einfluss haben werden. Doch wie kann die inter-
        ationale Gemeinschaft eine Bedarfsdeckung erreichen,
        hne dass hierdurch ernste Krisen oder gar Kriege aus-
        elöst werden, wie wir sie aus dem arabischen Raum
        nd vom afrikanischen Kontinent kennen?
        Für Deutschland steht viel auf dem Spiel, nicht nur
        eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, sondern auch
        in breiter Wohlstand und eine kulturelle Vielfalt, die ih-
        esgleichen sucht. Eine zukunftsweisende Energiefor-
        chungspolitik ist für uns Langfristpolitik. Dabei muss
        ich Deutschland auch in Zukunft als ein handlungsfähi-
        er Akteur bei der Lösung energietechnischer Aufgaben-
        tellungen erweisen. Das gilt insbesondere für die
        rforschung und Entwicklung völlig neuer Energietech-
        ologien, aber auch für die Weiterentwicklung bestehen-
        er Verfahren und Anlagen. Um in Forschung, Entwick-
        ung und Betrieb einen „Fadenriss“ bei der Aus- und
        eiterbildung zu verhindern, muss auch in der Lehre
        ine Kontinuität gewahrt bleiben. Die Hochschulen so-
        ie die außeruniversitären Forschungsinstitute sind
        ichtige Kooperationspartner der Wirtschaft für die En-
        14766 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
        (A) )
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        ergieforschung. Diese Zusammenarbeit muss gestärkt
        werden; denn die Hochschulen leisten einen Beitrag für
        den weiteren Ausbau der energietechnischen Grundla-
        genforschung einerseits, und für eine gezielte Ausbil-
        dung des wissenschaftlichen und ingenieurtechnischen
        Nachwuchses andererseits.
        Die von der Wirtschaft getragene industrielle For-
        schung und Entwicklung – 70 Prozent der deutschen
        Forschungsmittel – richtet sich primär darauf, eine rela-
        tiv zeitnahe Amortisation der Forschungsinvestitionen
        zu erreichen. Die forschenden Unternehmen brauchen
        bessere Rahmenbedingungen, um neue Ergebnisse der
        Energieforschung rascher aufzunehmen und umzuset-
        zen.
        Eine Energieforschungspolitik muss die Einbindung
        Deutschlands in die internationale und gesamteuropäi-
        sche Energieforschung sicherstellen und einen nationa-
        len Ansatz in einem 5. Programm „Energieforschung
        und Energietechnologie“ finden. Dieses muss in seiner
        Ausrichtung mittel- und langfristige Ziele benennen, die
        der Wissenschaft und der Wirtschaft eine verlässliche
        Entwicklungsperspektive aufzeigen. Insbesondere vor
        dem Hintergrund einer sehr ehrgeizigen internationalen
        und nationalen Klimaschutzpolitik wäre ein „Weiter wie
        bisher“ mit Kohle, Erdgas und Öl eine fatale Fehlein-
        schätzung. Jedoch ist vor dem Hintergrund einer noch
        andauernden Nutzung fossiler Energieträger die Weiter-
        entwicklung konventioneller Kraftwerkstechnik von ent-
        scheidender Bedeutung. Allein die Erhöhung des Wir-
        kungsgrades dieser Kraftwerke um l Prozent – ich habe
        darauf bereits bei unserer letzten Debatte hingewiesen –
        entspricht der erzeugten Energie von 1 000 Windener-
        gieanlagen oder eines Großkraftwerks.
        Auch die Abscheidung von Kohlendioxid aus den
        Abgasen großer Kohlekraftwerke und die Erforschung
        von Verfahren der CO2-Sequestrierung, wie sie bereitsdurch das GEO-Forschungszentrum Potsdam in be-
        stimmten geologischen Formationen durchgeführt wer-
        den, müssen weitergeführt werden. Die Erforschung der
        Gashydratvorkommen in den Ozeanen und Meeren und
        in Permafrostregionen – auch hier ist Deutschland Vor-
        reiter – ist zur Erschließung weiterer möglicher Energie-
        reserven voranzubringen, um so die Möglichkeit ihrer
        energetischen Nutzbarkeit zu untersuchen.
        Schon heute zeigt sich, dass der eingeleitete Abschied
        von der Kernenergie ein nationaler Alleingang war und
        somit der falsche Weg ist. Denn solange die zentrale
        Frage offen bleibt, wie die Kernenergie langfristig ersetzt
        werden kann, ohne die Atmosphäre durch den verstärk-
        ten Einsatz fossiler Brennstoffe zusätzlich zu belasten, ist
        der beabsichtigte Ausstieg aus der Kernenergie nicht zu
        vertreten. Nach wie vor müssen große Anstrengungen
        auf dem Gebiet der Sicherheitsforschung für die Kern-
        energie, insbesondere für inhärent sichere Reaktoren und
        zum erweiterten Schutz gegen Einwirkungen von außen,
        und zu verbessertem Strahlenschutz unternommen wer-
        den. Auch zur Reduzierung der Menge und Gefährlich-
        keit des Abfalls sind umfassende Untersuchungen unum-
        gänglich. Das gilt insbesondere für die Abtrennung und
        Transmutation extrem langlebiger Nuklide. Dazu muss
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        ie deutsche Forschung neben nationalen Aktivitäten
        tärker in die europäische und internationale Energiefor-
        chung integriert werden. Die Bundesregierung geht ei-
        en gefährlichen Weg der Abkoppelung von der interna-
        ionalen Forschung. Mit Blick auf ein künftiges 7. For-
        chungsrahmenprogramm der Europäischen Union für
        en Bereich der Forschung und technologischen Ent-
        icklung und das Förderungsrahmenprogramm der Eu-
        opäischen Atomgemeinschaft – EURATOM – ist dieser
        ntwicklung unbedingt Einhalt zu gebieten.
        Zur gesicherten Entsorgung nuklearer Spaltprodukte
        Aufbereitung und Entsorgung abgebrannter Brennele-
        ente – müssen die Forschungsarbeiten zur Endlage-
        ung konsequent fortgeführt werden. Das bestehende
        oratorium zur Erforschung der Tauglichkeit und Lang-
        eitsicherheit von Salzstöcken im Forschungsbergwerk
        orleben ist sofort zu beenden. Die verbleibenden Ar-
        eiten sind zügig fortzuführen.
        Die Fusionsforschung ist unverzichtbar für die Lö-
        ung globaler Energieprobleme. Die Forschungs- und
        ntwicklungsprojekte sind sowohl in Deutschland als
        uch in Europa zielgerichtet fortzuführen. Mit der deut-
        chen Förderung der Fusionsforschung im internationa-
        en Maßstab muss das Ziel verfolgt werden, einen Proto-
        yp eines Fusionsreaktors in Caderache, Frankreich, zu
        auen. Die Fusionsforschung hat inzwischen ein Sta-
        ium erreicht, das es erlaubt, mit dem Bau des Experi-
        entalreaktors ITER als einer Vorstufe zu einem Fu-
        ionskraftwerk zu beginnen. Deutschland muss eine
        uropäische Bewerbung um einen Standort für diesen
        eaktor unterstützen und sich an dem Plan, dem Bau
        nd dem Forschungsbetrieb maßgeblich beteiligen.
        Das Fusionsforschungsprojekt Wendelstein 7-X ist als
        eutscher Beitrag zum Nachweis der Funktionsfähigkeit
        es Stellarator-Prinzips fortzuführen.
        Auch aus Gründen des Klimaschutzes und einer Ver-
        ingerung der Abhängigkeit von anderen Energieträgern
        üssen die erneuerbaren Energien einen ihnen angemes-
        enen Platz einnehmen.
        Die FDP will für den breiten Einsatz erneuerbarer
        nergien vor allem die Erforschung und technische Wei-
        erentwicklung der Energiespeichertechnologien voran-
        ringen. Neben anderen Techniken und Verfahren
        ommt dabei der Produktion und Nutzung von Wasser-
        toff zur Substitution fossiler Brennstoffe eine besondere
        edeutung zu. Über die derzeit praktizierte anwen-
        ungsorientierte Forschung zur Marktfähigkeit und
        irtschaftlichkeit von bereits bekannten Energiespei-
        hersystemen hinaus muss die Grundlagenforschung in
        er Chemie und Physik, den Geowissenschaften, den
        aterialwissenschaften, der Mathematik und den Inge-
        ieurwissenschaften die notwendigen Voraussetzungen
        ür eine breit angelegte interdisziplinäre Energiespei-
        herforschung schaffen.
        In diesem Zusammenhang ist auch eine Biomasse-
        orschungsstrategie zu entwickeln. Themenschwerpunkte
        ind die Forschung und Entwicklung von Verfahren zur
        ereitstellung kohlenstoffstämmiger Kraftstoffe aus
        iomasse, Vergasung von biogenen Abfallstoffen zur
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14767
        (A) )
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        Nutzung des Synthesegases für Brennstoffzellen, Opti-
        mierung der landwirtschaftlichen Koppelproduktion
        Nahrung-Energie, Schnittstellentechnologien zu ver-
        schiedenen thermodynamischen Energiewandlern und
        Integration von modernen Biomassesystemen in Strom-
        versorgungsstrukturen. Auf der Basis einer Bestandsauf-
        nahme laufender Programme ist dazu beizutragen, dass
        zukünftige nationale und EU-weite Biomasse-Energie-
        Programme, zum Beispiel im Rahmen des EU-Pro-
        gramms „Intelligente Energie – Europa“, koordiniert
        werden.
        Eine sinnvolle Einbindung der erneuerbaren Energien
        setzt zugleich einen rationellen und verlustarmen Ener-
        gietransport voraus und verlangt nach weiteren Forschun-
        gen und Entwicklungen zu neuartigen Energieübertra-
        gungstechnologien wie gasisolierte Leitungssysteme,
        Gleichstrom-Hochspannungs-Übertragung und supralei-
        tenden Energietransportsystemen sowie zur Netzplanung
        und Netzsteuerung.
        Das alles kostet viel Geld, gewiss, aber es ist gut an-
        gelegtes Geld. Schließlich handelt es sich hierbei um Zu-
        kunftsinvestitionen in den Standort Deutschland.
        Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bun-
        desminister für Wirtschaft und Arbeit: Energieforschung
        ist in Deutschland – wie die Anträge der Fraktionen von
        SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie der CDU/CSU-
        Fraktion zeigen – ein aktuelles Thema. Ich begrüße da-
        her die heutige Debatte. Sie streicht die Bedeutung von
        Forschung und Entwicklung im Energiebereich heraus.
        Auf lange Sicht ist die Energieforschung das strategische
        Instrument jeder guten Energiepolitik. Forschung und
        Entwicklung bestimmen die Technologien der Zukunft.
        Moderne Technologien sind für eine sichere, wirtschaft-
        liche und umweltverträgliche – sprich: nachhaltige –
        Energieversorgung unverzichtbar.
        Die Bundesregierung wird daher in Kürze ein neues
        Energieforschungsprogramm vorlegen, mit dem sie drei
        Grundlinien verfolgt:
        Erstens soll die Energieforschungspolitik einen kon-
        kreten Beitrag zur Erfüllung der energiepolitischen
        Vorgaben leisten. Das heißt, wir geben den Energietech-
        nologien Priorität, die darauf hinwirken, dass ein ausge-
        wogener Mix der verschiedensten Energieträger erhalten
        bleibt, eine steigende Energieeffizienz realisiert wird
        und der Beitrag der erneuerbaren Energien zur Primär-
        energiebedarfsdeckung wächst.
        Zweitens soll die Energieforschungspolitik die tech-
        nologischen Optionen für die Zukunft sichern und erwei-
        tern. Damit verbessern wir die Reaktions- und Anpas-
        sungsfähigkeit der Energieversorgung in Deutschland an
        neue energiewirtschaftliche Entwicklungen. Wir sehen
        darin einen unverzichtbaren Beitrag der Energiefor-
        schung zur gesamtwirtschaftlichen Risikovorsorge.
        Drittens ist die Energieforschungspolitik Bestandteil
        der Gesamtpolitik der Bundesregierung und dient somit
        auch der Verfolgung anderer politischer Ziele. Insbeson-
        dere ist die Energieforschungspolitik Teil unserer Strate-
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        ie für mehr Innovation, mehr Wachstum und mehr Be-
        chäftigung.
        Die drei genannten Grundlinien der Energieforschung
        ühren direkt hin zu einer strategisch und inhaltlich breit
        ngelegten Förderung von Forschung und Entwicklung
        oderner Energietechnologien. Sie reicht von der
        rundlagenforschung bis zur anwendungsnahen For-
        chung und berührt viele Anwendungsfelder – von den
        erschiedenen Technologien zur Nutzung der erneuerba-
        en Energien über Kraftwerkstechnik, Brennstoffzellen
        nd Wasserstoff bis zu den modernen Energieeinspar-
        echnologien.
        Ich stelle fest, dass – über die Fraktionsgrenzen hin-
        eg – Einigkeit über die grundlegenden Ziele der Ener-
        ieforschungspolitik und über die Förderschwerpunkte
        esteht. Das begrüße ich sehr. Unterschiedliche Auffas-
        ungen bestehen über die Rolle der Fusionsforschung
        nd der Kernenergie, insbesondere bei der Förderung
        on Forschung und Entwicklung neuer Reaktorkon-
        epte.
        Zunächst ein paar Worte zur Fusionsforschung. Die
        undesregierung sieht die Fusion als eine mögliche Op-
        ion der künftigen Energieversorgung. Sie unterstützt da-
        er – neben der nationalen Fusionsforschung – das inter-
        ationale Fusionsexperiment ITER und die Bewerbung
        rankreichs um den Standort Cadarache. Dagegen hat
        ie Bundesregierung den geordneten Ausstieg aus der
        ernenergie beschlossen. Es ist daher nur logisch, auch
        ie Förderung von Forschung und Entwicklung neuer
        eaktorkonzepte einzustellen. Ich füge allerdings hinzu:
        ie Bundesregierung sieht sich in der Verantwortung,
        orschung und Entwicklung im Bereich der „Nuklearen
        icherheit und Endlagerung“ zu unterstützen. Darüber
        inaus wird das Energieforschungsprogramm der Bun-
        esregierung einen Beitrag dazu leisten, dass der Kern-
        nergieausstieg ohne Beeinträchtigung einer sicheren
        nd wirtschaftlichen Stromversorgung ermöglicht wird.
        Lassen Sie mich zum Schluss noch ein Wort zu dem
        ktuellen Stand der Arbeiten an dem neuen Energiefor-
        chungsprogramm sagen. Die Bundesregierung wird
        wie in der Koalitionsvereinbarung festgelegt – in die-
        er Legislaturperiode eine neues Energieforschungspro-
        ramm vorlegen. Die Arbeiten dazu sind unter Federfüh-
        ung des BMWA und unter Beteiligung des BMU, des
        MVEL und des BMBF weit fortgeschritten. Das Pro-
        ramm wird ein wichtiger Teil der „Innovationsinitia-
        ive“ der Bundesregierung sein und die Bemühungen für
        ehr Wachstum und Beschäftigung in Deutschland un-
        erstützen.
        nlage 4
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Änderung des Gesetzes über die Werbung auf
        dem Gebiet des Heilwesens (Tagesordnungs-
        punkt 15)
        Dr. Carola Reimann (SPD): Für Arzneimittel darf in
        eutschland gar nicht oder nur eingeschränkt geworben
        14768 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
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        werden. Denn alle Pharmazeuten wissen: keine Haupt-
        wirkung ohne Nebenwirkung. Arzneimittel können nicht
        nur helfen, sondern unter ganz bestimmten Umständen,
        zum Beispiel bei unsachgemäßer Anwendung, auch
        schwere Schäden zufügen. Deshalb bedarf es bei ihrer
        Anwendung zur Behandlung ernsthafter Erkrankungen
        der medizinischen Diagnose und Beratung. Vor der Ein-
        nahme braucht es eine fundierte und seriöse Aufklärung
        und Information durch den behandelnden Arzt. Da reicht
        auch nicht der Hinweis: „Zu Risiken und Nebenwirkun-
        gen fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker.“
        Wir stellen ein wachsendes Informationsbedürfnis in
        Bezug auf neue Arzneimittel und neue Behandlungsme-
        thoden bei den Patientinnen und Patienten fest. Und wir
        sind uns darüber einig, dass Werbung und seriöse Infor-
        mation zweierlei sein können. Wir sind uns über die
        Funktion und das primäre Ziel von Werbung im Klaren,
        dennoch liegt im Marketing auch eine Facette von Infor-
        mation – ohne dass ich über die Qualität dieser Informa-
        tion an dieser Stelle urteilen will.
        Aus all diesen Gründen stehen wir der Diskussion,
        das strikte Verbot von Werbung für OTC-Präparate
        – also Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig
        sind und seit der Gesundheitsreform selbst bezahlt wer-
        den – zu überdenken, offen gegenüber. Vor dem Hinter-
        grund der steigenden Eigenverantwortung und auch der
        höheren finanziellen Eigenleistung in diesem Segment
        möchten wir diesem Gedanken Rechnung tragen, indem
        wir das strikte Verbot der Werbung für diese Medika-
        mente im Hinblick auf die Endverbraucher verändern
        wollen.
        Allerdings muss das, was für OTC-Präparate gilt,
        auch für Heilmittel und Medizinprodukte sowie auch für
        Therapien gelten. Deswegen springt der Entwurf des
        Bundesrates, der sich nur auf Human- und Tierarznei-
        mittel bezieht, zu kurz. Dies muss meiner Ansicht nach
        ausführlicher und differenzierter diskutiert werden.
        Denn wie so vieles im Leben, besitzt auch Werbung
        zwei Seiten: Sie kann einerseits durchaus (sinnvolle) In-
        formationen enthalten, sie kann aber andererseits mani-
        pulieren und in die Irre führen. Gerade bei schweren Er-
        krankungen, wie zum Beispiel Krebs, die mit großen
        Ängsten und Verzweiflung der Betroffenen verbunden
        sind, kann die Suggestion, ihr Leiden ließe sich auch
        ohne Hinzuziehung eines Arztes heilen, zu schwersten
        Schäden führen. Noch problematischer wird es bei In-
        fektionen und übertragbaren Erkrankungen, denn hier
        können auch unbeteiligte Dritte schweren Schaden neh-
        men, wenn der Arzt nicht oder zu spät konsultiert wird.
        Der Schutz der gesundheitlichen Individualinteressen
        und auch der Schutz der Allgemeinheit müssen der Maß-
        stab für eine Werbung in diesem sensiblen Bereich sein.
        Deshalb muss sich auch in Zukunft Werbung für Arznei-
        mittel zur Behandlung schwerer Erkrankung auf Fach-
        kreise beschränken.
        Einen Vorschlag im Bundesratsentwurf halte ich für
        ausgesprochen unterstützenswert, nämlich das Verbot
        von Werbung für Schönheitsoperationen. Allein die
        Frauenzeitschrift „Brigitte“ verzeichnet in ihrer neuesten
        Ausgabe über 40 Anzeigen unter der Rubrik „Schön-
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        eitschirurgie“ mit den dazugehörigen Internetadressen
        m In- und Ausland. Wenn Sie die mal anklicken, dann
        ehen Sie Angebote, ohne dass auf die Risiken mit einer
        ilbe eingegangen wird! Der Vorschlag, irreführende
        nd suggestive Werbung für Schönheitsoperationen zu
        erbieten, ist deshalb richtig. Das ist ein erster Schritt,
        em Medienhype um den scheinbar risikolosen Schön-
        eitswahn zu begegnen. Hier wird in fragwürdigen TV-
        hows einem überzogenen Schönheitsideal gehuldigt,
        hne auf die Risiken solcher Schönheitsoperationen ein-
        ugehen. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt
        ormulierte dazu sehr treffend: „Daher dürfen wir nicht
        ulassen, dass mit Schönheitsoperationen – bis hin zur
        underneuerung – so geworben wird, als sei alles pro-
        lemlos möglich.“ Ich denke, mit dieser Ansicht steht sie
        icht allein. Das Werbeverbot für chirurgische Eingriffe
        hne medizinische Notwendigkeit kann da ein wichtiges
        ignal sein.
        Ich glaube, es besteht ein breiter Konsens über den
        rundsätzlichen Bedarf zur Änderung des Heilmittelwer-
        egesetzes in diesem Haus. Aber wie so oft steckt der
        eufel im Detail. So gibt es meiner Ansicht nach noch
        iele offene Fragen, die durch den Entwurf des Bundes-
        ates nicht beantwortet werden. An anderer Stelle greift
        er Bundesratsentwurf, wie ich gezeigt habe, entschie-
        en zu kurz. Im Sinne der Patientinnen und Patienten
        tehen wir aber einer intensiven Diskussion offen gegen-
        ber, um eine möglichst umfassende Regelung für die-
        en Bereich zu finden.
        Dr. Marlies Volkmer (SPD): Auch die Koalition will
        as Heilmittelwerbegesetz novellieren – wir müssen das
        ogar, weil wir europäisches Recht umzusetzen haben.
        ir wollen die Diskussion aber in einem größeren Zu-
        ammenhang führen, im Rahmen der 14. AMG-Novelle.
        lle diesbezüglichen Änderungen des deutschen Rechts
        etreffen die Industrie in der einen oder anderen Weise.
        eshalb ist es sinnvoller, die zu treffenden Regelungen
        n ein Gesamtpaket zu packen.
        Lassen Sie mich meine Ausführungen beschränken
        uf den Kern des vorliegenden Gesetzes, die Erleichte-
        ung der Publikumswerbung für nicht verschreibungs-
        flichtige Medikamente. Tatsächlich stehen die pharma-
        eutischen Unternehmen seit der Ausgliederung der
        TC-Präparate aus dem Leistungskatalog der gesetzli-
        hen Krankenversicherung vor einem Problem: Die Ver-
        rdnungen zulasten der GKV sind drastisch zurückge-
        angen, ohne dass die Zunahme der Selbstmedikation
        nd der Privatverordnungen dies hätte kompensieren
        önnen.
        Die Umsätze lassen sich aber auch nicht einfach mit
        erstärkter Werbung steigern, da das geltende Heilmit-
        elwerbegesetz der Publikumswerbung enge Schranken
        etzt. Diese Schranken freilich gibt es nicht ohne Grund.
        Arzneimittel sind ein besonderes Gut. Werbebe-
        chränkungen gibt es, um die Sicherheit der Patientinnen
        nd Patienten zu schützen. Diese Sicherheit ist vor allem
        ei der Anwendung von Arzneimitteln gefährdet, die der
        ehandlung schwerer Erkrankungen dienen. Diese Me-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14769
        (A) )
        (B) )
        dikamente unterliegen zum größten Teil der ärztlichen
        Verschreibungspflicht.
        Die Ausgrenzung der OTC-Präparate ist möglich ge-
        wesen, da diese größtenteils, wenn auch bei weitem
        nicht ausschließlich, der Behandlung geringfügiger Ge-
        sundheitsstörungen dienen. Sie sind gut verträglich und
        haben geringe Nebenwirkungen. Es ist einzig dieser be-
        sondere Charakter der OTC-Präparate, der es zulässt,
        über eine Neuregelung der Publikumswerbung in diesem
        Bereich zu sprechen.
        Der Gesetzgeber bleibt in jedem Fall in der Pflicht,
        zwischen den berechtigten Interessen der Pharmaindus-
        trie und den berechtigten Sicherheitsinteressen der Pa-
        tientinnen und Patienten einen Weg zu finden, der beiden
        Seiten gerecht wird. Der Weg, den der Bundesrat vor-
        schlägt, ist meiner Ansicht nach nur bedingt im Interesse
        der Patientinnen und Patienten.
        Eine erhebliche Gefährdung der Patientinnen und Pa-
        tienten besteht zum Beispiel bei rezeptfreien Medika-
        menten, die bei Krebs eingesetzt werden können. So
        könnte ein Patient, angeregt durch die Werbung, ohne
        Kontrolle eines Arztes sich selbst behandeln und damit
        unter Umständen auf eine notwendige hochwirksame
        Behandlung verzichten. Gerade bei Krebs ist die direkte
        Information durch den Arzt ohne Beeinflussungen durch
        die Werbung wichtig. Bei schweren Infektionskrankhei-
        ten besteht sogar eine Gefahr für Dritte, wenn nicht um-
        gehend ärztliche Hilfe in Anspruch genommen wird.
        Die Pubiikumswerbung für Arzneimittel, die bei gra-
        vierenden Krankheiten und Leiden eingesetzt werden,
        sollte daher weiterhin verboten sein. Dies sind Präparate,
        die zur Behandlung von Krebs, einer Sucht, schweren
        meldepflichtigen Infektionen oder zur Behandlung von
        Komplikationen im Wochenbett eingesetzt werden.
        Im gesamten Gesundheitsbereich besteht eine gravie-
        rende Wissenskluft zwischen Arzt und Apotheker auf
        der einen und dem Patienten auf der anderen Seite, die
        sich nicht einfach durch ein paar bunte Fernsehspots
        oder witzige Werbebroschüren beseitigen lässt. Der Pa-
        tient wird immer – das betone ich vor allem für die, die
        gern der weiteren Privatisierung unseres Gesundheitswe-
        sens das Wort reden – auf die Beratung durch einen Arzt
        oder Apotheker oder eine unabhängige Informations-
        stelle angewiesen sein und dieser sein Vertrauen schen-
        ken müssen.
        Wenn die Pharmafirmen intensiver für ihre Produkte
        werben dürfen, werden die Patienten in der Apotheke öf-
        ter als bisher bestimmte Präparate nachfragen und eben
        nicht mehr darum bitten, zum Beispiel ein Mittel gegen
        Sodbrennen zu erhalten. Das kann durchaus Gefahren
        für die Patientinnen und Patienten bergen, denn die Be-
        ratungskompetenz des Apothekers ist in diesem Fall be-
        sonders wichtig. Hier unterscheiden sich Medikamente
        deutlich von anderen Produkten. Auch wenn Name und
        Hersteller des Arzneimittels bekannt sind, muss das eben
        nicht heißen, dass der Patient über Wirkungen und Ne-
        benwirkungen tatsächlich Bescheid weiß. Die Bedeu-
        tung des Apothekers wird meiner Ansicht nach zukünf-
        tig noch zunehmen.
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        Patientinnen und Patienten brauchen daneben unab-
        ängige, vergleichende Informationen. Dazu gehört ne-
        en der Information über medikamentöse und nicht me-
        ikamentöse Methoden auch die Information darüber,
        b und gegebenenfalls wie auf eine Behandlung ver-
        ichtet werden kann. Diese Funktion erfüllen jetzt schon
        eilweise die Verbraucherzentralen und Selbsthilfegrup-
        en. Das neu gegründete Institut für Qualität und Wirt-
        chaftlichkeit in der Medizin wird zusätzlich dazu beitra-
        en, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht allein auf die
        nformationen angewiesen sind, die die Pharmaindustrie
        ur Steigerung ihres Absatzes bereitstellt.
        Viele der im Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnah-
        en sind sinnvoll und richtig. Aber lassen Sie uns die
        iskussion im größeren Zusammenhang der 14. AMG-
        ovelle führen. Ich bin mir sicher, dass wir zu den meis-
        en Punkten gemeinsam zu guten Lösungen kommen
        önnen.
        Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seit
        er Gesundheitsreform 2003 werden die meisten rezept-
        reien Arzneimittel nicht mehr durch die gesetzliche
        rankenversicherung finanziert. Dieses Segment des
        rzneimittelmarkts liegt damit in der Selbstverantwor-
        ung der Patientinnen und Patienten.
        Damit haben wir auch den Wettbewerb auf dem
        arkt für verschreibungsfreie Arzneimittel stärken wol-
        en. Wenn wir aber Wettbewerb wollen, müssen wir den
        erstellern auch das Recht zugestehen, ihre Produkte zu
        ewerben und bekannt zu machen. Gerade für viele klei-
        ere und mittelständische Arzneimittelhersteller, die
        icht darauf vertrauen können, dass ihre Medikamente in
        en Apotheken besonders herausgestellt werden, ist das
        ichtig.
        Dies ist aber auch wichtig mit Blick auf die Entschei-
        ungsspielräume der Patientinnen und Patienten. Wie
        uf anderen Produktmärkten auch, muss es ihr selbstver-
        tändliches Recht sein, sich möglichst umfassend über
        ie verschiedenen Angebote informieren zu können.
        Zu einem hohen Informationsstand beitragen kann
        er weitere Ausbau unabhängiger Informationsangebote.
        ie Infrastruktur der Verbraucherinformationen und -be-
        atung, die auf den meisten anderen Märkten mittler-
        eile einen hohen Standard erreicht hat, ist im Gesund-
        eitswesen immer noch unzureichend. Zur notwendigen
        nformation beitragen können aber auch erweiterte Wer-
        emöglichkeiten für rezeptfreie Arzneimittel.
        In den vergangenen Jahrzehnten hat sich auch im Ge-
        undheitswesen das Verbraucherverhalten stark verän-
        ert. Das Verhältnis vieler Patientinnen und Patienten
        ur Arzneimittelwerbung ist heute nüchterner und von
        inem höheren Wissensstand über medizinische Zusam-
        enhänge geprägt als noch vor 20 oder 30 Jahren. Arz-
        eimittelwerbung ist damit nicht mehr nur ein Instru-
        ent der Beeinflussung, sondern eben auch eine
        ichtige Quelle für die Patienteninformationen.
        Dies gilt umso mehr, als das Heilmittelwerbegesetz
        n die Arzneimittelwerbung hohe Anforderungen stellt.
        rzneimittelwerbung muss möglichst sachlich erfolgen
        14770 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
        (A) )
        (B) )
        und notwendige Informationen über die Anwendungs-
        weise, Zusammensetzung und Risiken der beworbenen
        Medikamente enthalten. Die Patientinnen und Patienten
        werden vor allzu manipulierender Werbung durch sug-
        gestive Bilder und Texte geschützt.
        Ich teile grundsätzlich das Anliegen des Bundesrates,
        die Werbemöglichkeiten für rezeptfreie Arzneimittel zu
        erweitern. Ich bin aber der Ansicht, dass die Länder in
        ihrem Gesetzesentwurf über das gemeinsame Ziel hin-
        ausschießen. Das Heilmittelwerbegesetz enthält eine
        Liste mit Krankheiten, für deren medikamentöse Be-
        handlung nicht geworben werden darf. Diese Liste will
        der Bundesrat fast vollständig streichen. Damit wäre
        Werbung zum Beispiel auch für solche Medikamente er-
        laubt, die bei Krebserkrankungen, Suchtkrankheiten
        oder bei Komplikationen während der Schwangerschaft
        eingesetzt werden. Das halte ich für falsch.
        Auch bei rezeptfreien Arzneimitteln werden wir nicht
        vollständig auf Werbebeschränkungen verzichten kön-
        nen. Menschen, die an sich selber Symptome einer
        schweren Erkrankung beobachten, können leicht in eine
        psychische Ausnahmesituation geraten. Licht könnten
        sie versucht sein, zu ungeeigneten Arzneimitteln zu grei-
        fen, von denen sie sich schnelle Heilung versprechen.
        Damit könnte aber vielfach wichtige Zeit für eine not-
        wendige ärztliche Behandlung verloren gehen und könn-
        ten Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln her-
        vorgerufen werden.
        Auch in einem stärker vom Wettbewerbsgedanken
        und von der Selbstverantwortung der Patientinnen und
        Patienten geprägten Arzneimittelmarkt muss der Patien-
        tenschutz gewährleistet sein. Das Recht der Hersteller
        auf die Präsentation ihrer Produkte, die Selbstverantwor-
        tung der Patientinnen und Patienten und der Verbrau-
        cherschutz müssen vernünftig miteinander austariert
        werden. Dem Gesetzesentwurf des Bundesrates gelingt
        diese notwendige Balance nicht.
        Detlef Parr (FDP): Die Bundesregierung hat hier ei-
        nen Gesetzentwurf vorgelegt, der – grob gesprochen –
        zwei Zielrichtungen verfolgt: Zum einen soll im Bereich
        der Schönheitschirurgie die Werbetätigkeit stärker kon-
        trolliert und einschränkt werden. Zum anderen sollen im
        Bereich der Arzneimittelwerbung Restriktionen gelo-
        ckert werden. Beides begrüßen und unterstützen wir zu-
        nächst einmal.
        Die Schönheitschirurgie nimmt in Deutschland Aus-
        maße an, die zumindest bedenklich stimmen. Die Zahl
        der schönheitschirurgischen Eingriffe hat sich seit 1990
        versechsfacht! Die Entscheidung scheint heute mit gro-
        ßer Leichtigkeit getroffen zu werden, sich mal eben das
        Fett absaugen, die Fältchen glätten und dabei auch noch
        diverse Korrekturen am Körper vornehmen zu lassen. Ir-
        gendwann ist der Punkt erreicht, an dem nicht genormtes
        Aussehen und nicht genormte Körpermaße zu gesell-
        schaftlichem Unverständnis führen – man könne sich das
        ja wohl korrigieren lassen. Jungen Mädchen wird heute
        ein körperliches Idealbild vorgegeben, das sie in viel zu
        jungen Jahren zu Brustvergrößerungen, Lippen- und Na-
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        enkorrekturen veranlasst. Es kommt vor, dass heute
        unge Mädchen und bald vermutlich auch Jungen einen
        chönheitschirurgischen Eingriff zum Abitur geschenkt
        ekommen. Bedenken vor möglichen Risiken solcher
        perativen Eingriffe werden abgeschüttelt.
        Medien und Werbung verstärken diesen Trend mas-
        iv. Schönheitsoperationen live im Fernsehen sind da die
        raurige Spitze eines medialen Eisberges. Daher begrüße
        ch die Initiative der Bundesärztekammer, mit ihrer
        oalition gegen den Schönheitswahn dem Trend entge-
        enzuarbeiten. Und ich begrüße das Bestreben der Bun-
        esregierung, dem freien Werben mit dem scheinbar al-
        em chirurgisch Möglichen Einhalt bieten zu wollen,
        Ihr Vorschlag ist, im Heilmittelwerbegesetz die dort
        eltenden Werberestriktionen auf die operativen Verfah-
        en auszuweiten, die sich auf die Veränderungen des
        enschlichen Körpers ohne medizinische Notwendig-
        eit beziehen. Die kommenden Ausschussberatungen
        owie die Anhörung werden klären, ob das der richtige
        eg ist.
        Ebenso begrüßen wir die Modernisierung des Heil-
        ittelwerbegesetzes im Bereich der Arzneimittel. Dies
        rägt der Tatsache Rechnung, dass wir heute in unserem
        esundheitswesen einen mündigen, informierten Patien-
        en erwarten, der in Beratung mit seinem Arzt die für ihn
        otwendige medizinische Entscheidung fällt. Mit der
        erausnahme der OTC-Präparate aus der Erstattungs-
        flicht der GKV, wie es die Regierungskoalition gemein-
        am mit der CDU/CSU im Gesundheitsmodernisierungs-
        esetz entschieden hat, wird der Patient noch stärker in
        ichtung Selbstmedikamention geführt. Dann ist es auch
        ichtig und wichtig, ihm den Zugang zu allen relevanten
        nformationen zur Verfügung zu stellen.
        Auch an dieser Stelle bleibt die ausführliche Aus-
        chussberatung abzuwarten, um zu prüfen, ob der vorge-
        egte Gesetzentwurf diesem Ziel entsprechend formuliert
        st. Zu prüfen ist beispielsweise, ob nicht auch dem ge-
        tiegenen Bedürfnis der Patienten nach geprüften und
        uverlässigen arzneimittelbezogenen Informationen bei
        en verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verstärkt
        echnung getragen werden sollte. Und ob dem Sicher-
        eitsaspekt dadurch besser Rechnung getragen wird,
        ass wir den uns allen bekannten Satz: „Zu Risiken und
        ebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fra-
        en Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ noch ausweiten auf
        Bei unklarer Ursache oder längerem Anhalten der Be-
        chwerden ist grundsätzlich ein Arzt zu Rate zu ziehen“,
        uss ebenso hinterfragt werden.
        Kurzum: Die Zielrichtung unterstützen wir, im Hin-
        lick auf die vorgeschlagenen Umsetzungswege erwar-
        en wir Aufschluss bei der zu erwartenden Anhörung.
        Tanja Gönner, Sozialministerin Baden-Württem-
        erg: Als Beauftragte des Bundesrates freue ich mich,
        hnen heute einen Gesetzesentwurf vorstellen zu kön-
        en, dessen Einbringung der Bundesrat Ende September
        es letzten Jahres mit einer großen Mehrheit der Länder
        eschlossen hat.
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14771
        (A) )
        (B) )
        Bei der letzten Gesundheitsreform bestand insbeson-
        dere über zwei zentrale Bestandteile ein breites Einver-
        nehmen:
        Erstens die Stärkung der Eigenverantwortung der Ver-
        sicherten und zweitens die Stärkung wettbewerblicher
        Elemente. Eine bedeutende Rolle nimmt hierbei der Arz-
        neimittelsektor ein. Insbesondere bei den nicht ver-
        schreibungspflichtigen Medikamenten ist es zu zahlrei-
        chen Neuregelungen gekommen. So werden diese bei
        Erwachsenen im Regelfall nicht mehr von den gesetzli-
        chen Krankenkassen bezahlt. Die Apotheken sind dabei
        in ihrer Preisgestaltung gegenüber dem Endverbraucher
        frei.
        Das Heilmittelwerbegesetz gibt einen sehr engen
        Rahmen vor für die Werbung mit Arzneimitteln. Die Be-
        stimmungen über zulässige Informationen außerhalb der
        Fachkreise sind im Grunde seit dem Jahre 1965 nicht
        wesentlich verändert worden. In der Zwischenzeit hat
        sich aber das Verhältnis der Patienten zu den Leistungs-
        anbietern im Gesundheitswesen grundlegend gewan-
        delt. Das Bedürfnis nach gesundheitsbezogenen Infor-
        mationen ist enorm gestiegen. Wir brauchen daher eine
        zeitgemäße Neuordnung der Arzneimittelwerbung, die
        einerseits diesem berechtigten Informationsbedürfnis ge-
        recht wird und andererseits einen hinreichenden Schutz
        vor rein plakativer Werbung bietet.
        Der Gesetzesentwurf hat das Ziel, dem Verbraucher
        den Zugang zu validen, unabhängig geprüften Arznei-
        mittelinformationen zu erleichtern. Er soll sich bereits
        im Vorfeld und nicht erst beim Erwerb der Arzneimittel
        umfassend über Anwendungsgebiete und -beschränkun-
        gen, über Anwendungsart und -dauer sowie über mögli-
        che Nebenwirkungen informieren können. Darüber hi-
        naus soll es den Arzneimittelanbietern in größerem
        Umfang als bisher ermöglicht werden, aktiv auf Arznei-
        mittel, die eigenverantwortlich vom Patienten eingesetzt
        werden können, aufmerksam zu machen. Dies ist eine
        folgerichtige Konsequenz für Produkte, die jeder nach
        seiner freien Entscheidung und auf eigene Kosten erwer-
        ben kann.
        Der vom Bundesrat eingebrachte Gesetzentwurf ba-
        siert im Wesentlichen auf zwei Kernpunkten: die He-
        rausnahme der Packungsbeilagen aus dem Anwendungs-
        bereich des Heilmittelwerbegesetzes und die Aufgabe
        der Auflistung von Indikationen, die nicht Gegenstand
        der Laienwerbung für Arzneimittel sein dürfen.
        Um den Bedürfnissen des gesundheitlichen Verbrau-
        cherschutzes auch nach der Neuregelung gerecht zu wer-
        den, ist eine Beschränkung der Laienwerbung auf solche
        Arzneimittel oder Medizinprodukte vorgesehen, die
        nach ihrer Zusammensetzung und Zweckbestimmung
        ohne Tätigwerden eines Arztes – erforderlichenfalls
        nach Beratung durch den Apotheker – verwendet werden
        können. Dies entspricht auch der aktuellen Formulierung
        im europäischen Arzneimittelrecht. Ein Pflichthinweis
        in der Werbung soll sicherstellen, dass bei unklarer Ursa-
        che oder länger anhaltenden Beschwerden grundsätzlich
        ein Arzt zu Rate gezogen wird.
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        Eine weitere Regelung bezieht schönheitschirurgische
        ingriffe, die ohne medizinische Notwendigkeit vorge-
        ommen werden, in den Anwendungsbereich des Heil-
        ittelwerbegesetzes ein. Da es sich hierbei um Eingriffe
        it teilweise erheblichem Risiko handelt, sollen in die-
        em Bereich insbesondere bestimmte Formen der sug-
        estiven Werbung, wie sie inzwischen weit verbreitet
        ind, verboten werden.
        Es freut mich, dass sich die Bundesregierung an die-
        er Stelle unserer Meinung anschließt! Allerdings habe
        ch doch mit Erstaunen der Presse entnommen, dass Frau
        ollegin Schmidt am 11. Februar in einer Pressemittei-
        ung Ihres Hauses geäußert hat: „Zur Frage der Einbezie-
        ung der Schönheitsoperationen in den Anwendungsbe-
        eich des Heilmittelwerbegesetzes besteht Konsens mit
        em Bundesrat.“ Waren es doch die Länder, die dies be-
        eits im September im Rahmen des Gesetzesentwurfs ge-
        ordert haben, also lange, bevor Sie mit dem Thema an
        ie Öffentlichkeit gegangen sind und es als ihre Sache
        erkauft haben! Doch es freut mich, dass sich die Bun-
        esregierung hier unserer Auffassung anschließt und der
        egelungsvorschlag der Länder fast wörtlich in den nun
        orliegenden Entwurf übernommen wurde.
        Weitere Detailregelungen halten wir für entbehrlich,
        a dem Zweck – nämlich den Verbraucher vor den Ge-
        ahren unlauterer Heilmittelwerbung zu schützen – mit
        em vorliegenden Entwurf umfänglich Rechnung getra-
        en wird. Außerdem bewegen wir uns damit in dem
        urch die europäische Gesetzgebung vorgegebenen Rah-
        en. Es ist uns wichtig, dass in Deutschland dieselben
        egeln gelten wie in anderen Ländern des europäischen
        innenmarktes.
        Wie fast immer bei Vorschlägen zu Neuregelungen,
        ommt auch in diesem Fall vereinzelt Kritik auf. Das ist
        egitim. Ich will kurz auf die am häufigsten geäußerten
        edenken eingehen: Befürchtungen, dass mit der Initia-
        ive des Bundesrates eine grundsätzliche Zustimmung
        ur Liberalisierung des Arzneimittelmarktes verbunden
        ein könnte, soll an dieser Stelle entschieden entgegen
        etreten werden. Im Gegenteil: Der Zugang zu seriöser,
        eprüfter Information soll erleichtert und dem Verbrau-
        her gleichzeitig verdeutlicht werden, dass hinter zu-
        ächst harmlos scheinenden Beschwerden ernsthafte Er-
        rankungen stehen können, die immer der Abklärung
        nd Behandlung durch Fachleute bedürfen.
        Ich bin überzeugt, dass mit den vorgesehenen Neure-
        elungen eine sinnvolle und dringend notwendige An-
        assung der Bestimmungen zur Heilmittelwerbung an
        ie veränderten Bedürfnisse von Patienten und Anbie-
        ern erfolgen wird. Mit Blick auf den europarechtlichen
        ahmen und das Recht auf Information für die Verbrau-
        her, ist eine Liberalisierung der Heilmittelwerbung
        ringend geboten. Ich möchte Sie daher bitten, die Vor-
        chläge des Bundesrates aufzugreifen und eine Novelle
        es Heilmittelwerbegesetzes zügig zu verabschieden.
        us meiner Sicht ist ein Zuwarten auf das von der
        undesregierung angekündigte Gesetzespaket zu einer
        llgemeinen Reform des Arzneimittelrechts nicht sinn-
        oll. Sowohl für die Verbraucher als auch für die meist
        14772 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
        (A) )
        (B) )
        mittelständischen Firmen ist ein unnötiger Aufschub
        nicht zumutbar.
        Im Übrigen wurde ein erster Referentenentwurf für
        die 14. Arzneimittelgesetz-Novelle in Fachkreisen be-
        reits vorgestellt. Obwohl die Bundesregierung einen grö-
        ßeren Reformbedarf im Heilmittelwerbegesetz einge-
        räumt hat, verschenkt sie die Chance, diesen jetzt
        anzupacken. Das Einzige, was bislang von den Vorschlä-
        gen des Bundesrates aufgegriffen wurde, ist das Verbot
        der Werbung für nicht erforderliche schönheitschirurgi-
        sche Eingriffe. Von der Vorlage der Bundesregierung bin
        ich daher sehr enttäuscht und sehe mich in der Notwen-
        digkeit bestätigt, die Liberalisierung der Heilmittelwer-
        bung in einem eigenständigen Gesetz vorab umzusetzen.
        Anlage 5
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Wettbewerb und In-
        novationsdynamik im Softwarebereich sichern –
        Patentierung von Computerprogrammen effek-
        tiv begrenzen (Tagesordnungspunkt 16)
        Dirk Manzewski (SPD): Wir debattieren am heuti-
        gen Tag abschließend über unseren interfraktionellen
        Entschließungsantrag zu dem Richtlinienvorschlag des
        Europäischen Parlaments und des Rates zur Patentierung
        computerimplementierter Erfindungen.
        Der entsprechende Richtlinienvorschlag der EU war
        von Anfang an von einer sehr kontroversen Debatte zwi-
        schen den Betroffenen begleitet. Ich glaube, dass wir uns
        hier im Deutschen Bundestag schnell darüber einig wa-
        ren, dass der Diskussionsstand auf EU-Ebene auf für uns
        zentrale Fragen bislang keine hinreichenden Lösungen
        aufweist.
        Unbestritten ist, dass Computer- und damit software-
        basierte Informations- und Kommunikationstechniken
        einen erheblichen und auch weiter zunehmenden Anteil
        an der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Wirt-
        schaft haben.
        Strittig ist jedoch, inwieweit patentrechtliche Instru-
        mente geeignet oder gar erforderlich sind um diese inno-
        vativen und ökonomischen Potenziale optimal nutzen zu
        können.
        Insoweit stellt dieser interfraktionelle Entschlie-
        ßungsantrag – dies muss man so deutlich sagen – auch
        einen Kompromiss zwischen denjenigen unter uns dar,
        die insoweit für eher weniger Rechtsschutz plädieren
        und sich hiervon mehr Innovation und Wettbewerb ver-
        sprechen und den Kolleginnen und Kollegen wie mir, die
        den Schutz geistigen Eigentums als Innovationsmotor
        ansehen und sich hiervon einen größeren wirtschaftli-
        chen Nutzen für unser Land erhoffen.
        Der Entschließungsantrag berücksichtigt beide Inte-
        ressen, da die Grenzen der Patentierbarkeit von Compu-
        terprogrammen auch nach meinem Verständnis nicht
        mehr klar gezogen sind und häufig genug im Wider-
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        pruch zu den Grundsätzen stehen, die wir im Patent-
        echt vermeintlich insoweit geregelt haben.
        Ich stimme zwar mit der EU darüber überein, dass
        echnische Erfindungen auch dann dem Schutz des
        atentrechts zugänglich sein müssen, wenn sie Soft-
        arekomponenten enthalten. Ich bin jedoch ebenso der
        uffassung, dass insbesondere die Definition des techni-
        chen Beitrags deshalb in diesem Zusammenhang ein-
        ach konkreter gefasst werden muss.
        Die innerhalb Europas herrschende unterschiedliche
        echtspraxis und insbesondere die jüngere Patentie-
        ungspraxis des Europäischen Patentamtes haben inso-
        eit zu einer hohen Verunsicherung geführt.
        Eine EU-Richtlinie wird aber nur dann die von uns
        ewünschten Effekte mit sich bringen, wenn eindeutige
        oraussetzungen für die Patentierbarkeit von Computer-
        rogrammen und computerimplementierten Erfindungen
        orliegen.
        Es ist deshalb nur folgerichtig, die Bundesregierung
        emeinsam aufzufordern, darauf hinzuwirken, dass bei
        en weiteren Beratungen auf EU-Ebene die Definition
        es technischen Begriffs konkreter gefasst wird und der
        egriff „Technik“ sich dabei an der Definition des
        GHs orientieren sollte.
        Ziel muss es ein, hierdurch so genannte Trivialpatente
        u verhindern und die Patentierbarkeit von Geschäftsme-
        hoden sowie reinen Algorithmen nicht zuzulassen. Vor
        llem Trivialpatente bringen übrigens keinen echten
        ortschritt, sondern verhindern diesen eher.
        Ebenso macht es Sinn, dass sich die Bundesregierung
        uf EU-Ebene für die Durchführung einer unabhängigen
        valuierung der Entscheidungspraxis der Patentämter,
        nsbesondere des Europäischen Patentamts, einsetzt.
        Auch, wenn ich als Rechtspolitiker der SPD bei der
        inen oder anderen Formulierung dieses gemeinsamen
        ntschließungsantrages sozusagen „eine Kröte schlu-
        ken musste“, möchte ich mich bei allen – insbesondere
        ei den Kolleginnen und Kollegen der Opposition – da-
        ür bedanken, dass wir diesen Entschließungsantrag in-
        erfraktionell hinbekommen haben.
        Mein ganz besonderer Dank gilt den Mitarbeitern der
        raktionen, die die unterschiedlichen Auffassungen der
        raktionen und deren verschiedenen Arbeitsgruppen zu
        oordinieren hatten. Sicherlich keine einfache Aufgabe.
        rlauben Sie mir für meine Fraktion insoweit namentlich
        ermin Fazlic zu nennen.
        Jörg Tauss (SPD): Ich bin sehr glücklich, dass es
        ns gemeinsam gelungen ist, in einer, wie ich finde, für
        ie Zukunft der Innovationsfähigkeit Deutschlands sehr
        ichtigen Frage über alle Fraktionsgrenzen hinweg eine
        emeinsame Position zu finden.
        Mein Dank gilt den Berichterstattern und Fraktions-
        itarbeitern, die hier in einer sehr konstruktiven und
        ielorientierten Weise zu einem klaren Votum des Bun-
        estages gefunden haben. Der interfraktionelle Antrag,
        en wir heute einstimmig beschließen wollen, stellt
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14773
        (A) )
        (B) )
        selbstverständlich allein deshalb einen Kompromiss dar,
        da er die sehr kontroversen Positionen und quer durch
        die Regierungen verlaufenden Konfliktlinien auszuglei-
        chen sucht.
        Ich denke, dass es ihm gelingt, und möchte ihnen
        gleich drei Punkte darlegen, die mich zu dieser Überzeu-
        gung führen.
        Vorweg möchte ich jedoch auf die für mich überra-
        schendste Erfahrung in dieser Debatte eingehen. Ich
        meine das große Engagement, teilweise auch die Emo-
        tionalität, mit denen die Auseinandersetzungen geführt
        wurden und werden. Ich meine auch das große, quer
        über Europa vernetzte Engagement vieler zivilgesell-
        schaftlicher Organisationen und Gruppen.
        Ich hätte es vor viereinhalb Jahren, als mich die Dis-
        kussion erreichte, nicht für möglich gehalten, dass das
        Patentrecht – gerade in Kombination mit der Informatik
        und Softwareentwicklung – tatsächlich eine derartige
        Motivationskraft entfalten kann, immerhin genug Moti-
        vation, um Tausende Menschen in ganz Europa in Bewe-
        gung zu setzen und sie dazu zu bringen, aktiv für ihre
        Überzeugungen einzustehen. Dies zeigte sich bereits bei
        der Konsultation der EU-Kommission Ende 2000, bei
        der 1 300 Beiträge eingingen und allein 1 200 von klei-
        nen und mittleren Unternehmen der Branche, Aktivisten
        der Open-Source-Gemeinde sowie zivilgesellschaftli-
        chen Gruppen.
        Auch eine kurzfristige Befragung der Bundesministe-
        riums für Wirtschaft und Arbeit im Vorfeld der Beratun-
        gen im Rat im Mai 2004 hat in kürzester Zeit über
        1 000 Eingaben produziert. Ganz nebenbei wird hier ein
        altes Vorurteil widerlegt, demnach etwa Informatiker
        und Informatikerinnen in der Regel einen unpolitischen
        oder technokratischen Ansatz haben. Sie sind mitnichten
        die „Fachmenschen ohne Geist“, wie sie uns Max Weber
        am Ende des gesellschaftlichen Rationalisierungsprozes-
        ses vorhergesagt hatte. Sie sind hoch qualifizierte, kriti-
        sche und engagierte oft junge Menschen, die für ihre In-
        teressen und Überzeugungen aufstehen und sich in
        politische Prozesse einmischen.
        Natürlich dürfen wir die nach unseren Maßstäben da-
        mit einhergehenden Verluste an Genauigkeit, Fokussie-
        rung und Zielgerichtetheit der Diskussionen nicht über-
        sehen. Gerade wir, die wir auch Verantwortung tragen,
        dürfen dies nicht ignorieren.
        Aber ich möchte mich in unserem Namen bei den vie-
        len Menschen bedanken, die mit ihrem – ebenso ehren-
        amtlichen wie idealistischen – Engagement mit dazu bei-
        getragen haben, dass wir heute noch Einfluss nehmen
        können auf einen Entwurf zu einer Richtlinie. Andern-
        falls hätten wir heute sicher nur über die nationale Um-
        setzung einer bereits verbindlichen Vorgabe aus Brüssel
        befinden können, da bin ich mir sicher. Mein besonderer
        Dank gilt hier natürlich der Open-Source-Szene, die be-
        wiesen hat, dass sie nicht nur gute Programme schreiben
        kann, sondern auch etwas zur gesellschaftlichen Ent-
        wicklung zu sagen hat.
        Nach diesem Dank möchte ich nur drei Punkte an-
        sprechen, die uns meines Erachtens mahnen, bei der For-
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        ulierung verbindlicher Vorgaben auf europäischer
        bene sehr vorsichtig zu sein und äußerste Sorgfalt wal-
        en zu lassen. Da ich hinsichtlich des geforderten techni-
        chen Beitrages den Ausführungen meines Kollegen
        irk Manzewski nichts hinzufügen muss und die Argu-
        ente auch mehrfach ausgetauscht sind, möchte ich
        ich hier auf drei Anmerkungen konzentrieren.
        Erstens wird der von der EU-Kommission angeführte
        kute Harmonisierungsbedarf von weiten Teilen der
        irtschaft gar nicht als dringlich empfunden. Sicherlich
        egten und legen die Patentämter einzelner Mitgliedstaa-
        en die einschlägigen Abkommen, nämlich das Euro-
        äische Patent-Übereinkommen und das TRIPS-Ab-
        ommen im Rahmen der WTO, in Einzelfällen
        nterschiedlich aus. Aber entscheidend für die europäi-
        chen Märkte – das sagen uns die Unternehmen doch im-
        er wieder – sind nicht nationale Patente, sondern das
        uropäische Patent des Europäischen Patentamts EPA.
        Das heißt, wir haben hier ein Levelled Playground,
        uch ohne dass die EU für ihre Mitgliedstaaten eine ver-
        indliche Vorgabe zur Schaffung eines einheitlichen
        innenmarktes macht. Hier besteht dieser im Wesentli-
        hen bereits; denn entweder sie erhalten ein EPA-Patent
        der sie erhalten es nicht. Hinter vorgehaltener Hand
        timmen ihnen die Patentabteilungen der Konzerne zu,
        ass der Harmonisierungsbedarf recht konstruiert er-
        cheint.
        Hieraus ergibt sich allerdings auch ein Problem. Denn
        enn letztlich die Patentierungspraxis des EPA entschei-
        end ist, stellt sich die Frage, wie und vor allem durch
        en eventuelle Fehlentwicklungen in der Patentierungs-
        raxis des EPA korrigiert werden können. Von daher
        onnte die Ankündigung der Kommission, lediglich die
        ängige Patentierungspraxis kodifizieren zu wollen, nur
        ls Drohung verstanden werden, wenn damit die stritti-
        en jüngeren Entscheidungen des EPAs gemeint sein
        ollten.
        Ich mache kein Hehl daraus, dass ich dieser Entwick-
        ung kritisch gegenüberstehe. Eine Evaluierung dieser
        raxis ist unbedingt notwendig, allein um die oft zitier-
        en, aber selten belegten 30 000 Softwarepatente besten-
        alls zu widerlegen. Der Antrag fordert dies somit zu
        echt. Ich freue mich aber, zu hören, dass allein die kon-
        roverse Debatte hier dazu geführt hat, dass die Patent-
        mter bereits kritischer in der Vergabe geworden sind,
        enn Software ein wichtiger Bestandteil einer bean-
        pruchten Erfindung ist.
        Zudem basiert das EPA nicht auf gemeinschaftsrecht-
        ichen Vereinbarungen, sondern eben auf völkerrechtli-
        hen Verträgen wie WIPO und EPÜ sowie auf einer in-
        ernationalen Organisation, der European Patent
        rganization, EPO. Wie auf die EPO und das EPA mit
        itteln der EU-Gesetzgebung Einfluss genommen wer-
        en soll, ist mir persönlich schleierhaft. Dies scheint mir
        in grundlegender Konstruktionsfehler des Kommis-
        ionsvorschlags zu sein, nämlich auf eine externe Insti-
        ution, das EPA, rekurrieren zu wollen, ohne ein entspre-
        hendes übergreifendes institutionelles Instrumentarium
        u besitzen.
        14774 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
        (A) )
        (B) )
        Die Vorsicht hinsichtlich gesetzgeberischer Maßnah-
        men ist aber vor allem deshalb angebracht, da etwa das
        Problem innovationsirrelevanter Patente – den viel zi-
        tierten so genannten Trivialpatenten – im Grunde gar
        kein legislatives Problem ist. Auch Patentbefürworter
        wollen keine Trivial- oder Logikpatente, da sie wissen,
        dass sie langfristig die gesellschaftliche Akzeptanz des
        Patentsystems als Innovationsinstrument infrage stellen.
        Das kann keiner wollen. Der sichere Ausschluss dieser
        Trivial- oder Logikpatente ist aber in erster Linie eine
        Frage der Erfindungshöhe des Gegenstandes, also der si-
        cheren Feststellung ihres innovativen Gehalts – damit
        aber auch in erster Linie eine Frage der Qualitätssiche-
        rung bei den Patentämtern. Hier sind eher die Ausbil-
        dung und die Ausstattung der Patentämter gefragt als die
        Schaffung neuer salomonischer Normen – seien es natio-
        nale, europarechtliche oder internationale.
        Zweitens zeigt die Debatte auch, wie groß bereits der
        Flurschaden durch überzogene Patentansprüche nicht
        nur in Deutschland, sondern auch in Europa und sogar in
        den USA ist. Hier ist es ein Warnzeichen, dass mittler-
        weile neben der Entwicklung im Pharma- und Agrarbe-
        reich – Stichworte „Aidsmedikamente“ oder „genetisch
        verändertes Saatgut“ – immer auch die Frage der Soft-
        warepatente in den USA als Indiz angeführt wird, dass
        geistiges Eigentum kaum noch positive gesellschaftliche
        Effekte zu befördern vermag. Wenn Patente im gesell-
        schaftlichen Diskurs zunehmend als Entwicklungs-
        hemmnis verstanden und als Blockademittel weniger
        großer und kleiner „Wegelagerer“ wahrgenommen wer-
        den, die den Kreativen und Innovativen entgegenarbei-
        ten, ist das ein Warnzeichen.
        Gerade für diejenigen, die die Überzeugung teilen
        – die SPD-Bundestagsfraktion gehört dazu –, dass der
        hinreichende Schutz des geistigen Eigentums unver-
        zichtbar ist zum Erhalt und zur Entwicklung der kreati-
        ven gesellschaftlichen Potenziale im Interesse der Krea-
        tiven, der Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt,
        ist eine klare und nachvollziehbare Unterscheidung von
        patentierbaren und nicht patentierbaren Gegenständen
        unabdingbar.
        Wie sich in diesem Zusammenhang der kategorische
        Ausschluss von Patenten auf Computerprogramme als
        solche und die im Entwurf des gemeinsamen Stand-
        punkts des Rates vorgesehenen Programmansprüche
        nicht widersprechen sollen, ist doch weder darstellbar
        noch vermittelbar. Folglich fordert der Antrag zu Recht
        einen Verzicht auf Programmansprüche.
        Drittens ist es erwähnenswert, dass der Deutsche
        Bundestag hier mit dem interfraktionellen Antrag zu ei-
        ner gemeinsamen Auffassung gelangt ist, obgleich wir
        auf das Gesetzgebungsverfahren im Grunde nur mei-
        nungsbildend einwirken können – aber immerhin, das
        sollten wir dann auch tun. Denn der vorliegende Antrag
        will insbesondere ein Defizit der Brüsseler Beratungen
        ein Stück weit korrigieren. Der zentrale, mich befrem-
        dende Aspekt seit dem Vorschlag der Kommission für
        eine Richtlinie ist die nachdrückliche Ignoranz, mit der
        in Brüssel den tatsächlichen europäischen und deutschen
        wirtschaftlichen Interessen im Softwarebereich begegnet
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        ird. Es sind die kleinen und mittleren Betriebe, die bei
        ns und auch in Europa die Träger der Dynamik und In-
        ovation im IT-Bereich sind. Es sind die kleinen und
        ittleren Unternehmen, die bei uns die hoch qualifizier-
        en Zukunftsjobs schaffen. Dies ist selbstverständlich
        eine Geringschätzung der Großunternehmen, aber aus
        tandort- wie innovationspolitischer Sicht wären wir
        alsch beraten, an dieser Stelle keine vor allem mittel-
        tandsorientierte Politik zu betreiben.
        Sie alle werden wie ich haufenweise Post und E-Mails
        on vielen kleinen und mittleren Softwareunternehmen
        us ihren Wahlkreisen erhalten haben. Entgegen der ver-
        reiteten Annahme verdienen die meisten dieser Unter-
        ehmen ihr Geld eben nicht mit Open Source, sondern
        uf klassischer Weise mit proprietärer Software wie die
        roßen Anbieter auch, wie Microsoft, HP, Oracle, Sie-
        ens oder SAP. Bill Gates erfasst das Problem somit
        itnichten, wenn er von einem neuen „Kommunismus“
        er Open-Source-Missionare spricht. Bei allem Ver-
        tändnis für Zuspitzungen – auch ich soll ja gelegentlich
        azu neigen –: So einfach ist die Sache nun einmal nicht.
        Sicherlich sind die vielen Zuschriften und Anfragen
        uch Ergebnis einer Mobilisierungskampagne verschie-
        ener Gruppen. Aber wir müssen uns doch als verant-
        ortliche Politiker die Frage stellen, ob allein deshalb
        ie Sorgen dieser Unternehmen automatisch unberech-
        igt sind. Sie sind es nicht, wie ich meine. Für mich wird
        s wohl ewig ein Mysterium bleiben, wie Brüssel offen-
        ichtlich in dieser Frage den europäischen Mittelstand in
        er Softwarebranche im Regen stehen lassen will. Wir
        achen das nicht mit, um es ganz klar und deutlich zu
        agen – dies schon gar nicht zugunsten US-amerikani-
        cher Großkonzerne, deren Interessen sicherlich legitim,
        ber eben nicht immer kompatibel zu unseren europäi-
        chen sind.
        Zum Schluss möchte ich mich noch bei einer zweiten
        nstitution bedanken, die dies bisher ebenfalls nicht mit-
        emacht und die – man könnte sagen, Gott sei Dank –
        ine zentrale Rolle im Gesetzgebungsverfahren spielt:
        ch meine das Europäische Parlament. Erst die mutigen
        eschlüsse des EP vom September 2003 haben die tat-
        ächliche Konfliktlage für viele deutlich werden lassen.
        ch will hier von einigen auch meines Erachtens klä-
        ungsbedürftigen Begriffen und Wendungen in dem EP-
        ntwurf absehen. Ohne die Kolleginnen und Kollegen
        es EP hätten wir bereits eine Richtlinie, die deutschen
        nd auch europäischen Interessen mittelfristig zuwider-
        iefe.
        Natürlich freut es mich als Parlamentarier besonders,
        ass es in dieser Frage oft die Parlamente waren und
        och sind, die offensichtliche Fehlentwicklungen thema-
        isiert und auf öffentlicher Bühne kontrovers diskutiert
        aben; denn dort gehört diese Debatte auch hin. Ich
        anke an dieser Stelle stellvertretend unseren Kollegen
        nd Kolleginnen in Spanien, in den Niederlanden, in Po-
        en und in Dänemark. Es wird auch wieder das Europäi-
        che Parlament sein, das am Ende des Richtlinienprozes-
        es steht. Ich bitte das Europäische Parlament
        unabhängig von der Frage eines Neustarts des Verfah-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14775
        (A) )
        (B) )
        rens –, dem gemeinsamen Standpunkt des Rates in der
        gegenwärtigen Entwurfsfassung nicht zuzustimmen.
        Ich fordere alle Beteiligten auf, in einem Vermitt-
        lungsverfahren die Chance zu nutzen, zu einer ausgewo-
        genen und den europäischen Interessen entsprechenden
        Richtlinie zu kommen. Ein Bemerkung sei mir noch er-
        laubt: Auch ein völliges Scheitern des Richtlinienvorha-
        bens hätte meines Erachtens doch bestenfalls marginale
        Auswirkungen.
        Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Wir erleben heute
        einen der seltenen Fälle, in denen alle Fraktionen des
        Hauses einen gemeinsamen Antrag zur Abstimmung
        stellen. Für die konstruktive Zusammenarbeit möchte
        ich den beteiligten Kollegen aus allen Fraktionen dan-
        ken. Unser gemeinsames Vorgehen ist umso wichtiger,
        weil wir im Rahmen europäischer Gesetzgebung nur
        dann eine Chance haben, die Position des Deutschen
        Bundestages einzubringen, wenn wir mit einer Stimme
        sprechen. Das gilt erst recht dann, wenn es sich wie hier
        bei den Softwarepatenten um ein Thema handelt, in dem
        die zuständige Ministerin bislang nicht gerade sehr
        glücklich agiert hat.
        Die Fraktionen stehen an dieser Stelle zusammen.
        Das ist ein ebenso wichtiges wie ermutigendes Zeichen
        für einige Tausend mittelständische Software-Entwickler
        mit Zehntausenden von Arbeitnehmern in Deutschland.
        Es ist zugleich ein Zeichen, das die Bundesregierung
        nicht länger ignorieren kann. Dass es angesichts der zu-
        nächst abweichenden Auffassung der Justizministerin
        überhaupt möglich ist, einen fundierten Antrag aus der
        Mitte dieses Hauses zu diesem komplexen Thema zu er-
        arbeiten, verdanken wir vor allem den Fraktions- und
        Abgeordneten-Mitarbeitern, die an diesem Antrag ge-
        schrieben haben. Ich möchte mich daher für die geleis-
        tete Arbeit namentlich bedanken bei Herrn Nermin
        Fazlic und Frau Petra Marmann von der SPD, bei Herrn
        Oliver Passek und Frau Franziska Vilmar von den Grü-
        nen, bei Herrn Ole Jani von der FDP sowie bei meinem
        Mitarbeiter, Herrn Jörn Henkel.
        Ohne allzu sehr in Eigenlob zu verfallen, können wir
        heute festhalten, dass wir eine sehr differenzierte und
        sachorientierte Betrachtung der Patentierbarkeit so ge-
        nannte „computerimplementierter Erfindungen“ vorge-
        nommen haben. Ich will an dieser Stelle noch einmal die
        Punkte des Antrags herausstellen, die der CDU/CSU-
        Bundestagsfraktion besonders wichtig sind. Mit dem dif-
        ferenzierten Forderungskatalog des interfraktionellen
        Antrags haben wir uns bewusst nicht die Position des
        Europäischen Parlamentes vom September 2003 zu ei-
        gen gemacht. Bei allen Problemen, die der Ratsentwurf
        hat, darf man nicht darüber hinwegsehen, dass auch die
        Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments an
        einigen Stellen problematisch sind.
        Leider ist in der Öffentlichkeit häufig der Eindruck
        erweckt worden, es gäbe nur die beiden Möglichkeiten:
        entweder die Position des Europäischen Parlaments oder
        die Ratsversion der Richtlinie. Dabei drohte das eigentli-
        che Ziel aus den Augen zu entschwinden. Nämlich eine
        Richtlinie zu verabschieden, die ihrem Namen gerecht
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        ird: die Patentierung von technischen, computerimple-
        entierten Erfindungen mit einer entsprechenden Erfin-
        ungshöhe zu ermöglichen, ohne damit reine Software
        nd banale Programmierideen mit Patentschutz auszu-
        tatten. Der interfraktionelle Antrag legt daher den Fin-
        er in zwei empfindliche Wunden. Zum einen wird die
        ufnahme einer konkreten Technikdefinition gefordert.
        um andern werden selbstständige Programmansprüche
        usgeschlossen.
        Die EU-Richtlinie muss stärker betonen, dass Patente
        ur für Erfindungen vergeben werden können. Wir ha-
        en uns dabei keineswegs mit einer allgemeinen Forde-
        ung nach einer konkreten Technikdefinition begnügt,
        ondern wir weisen ausdrücklich auf die Technikdefini-
        ion des Deutschen Bundesgerichtshofs als handhabba-
        en und gerechten Maßstab auch für das europäische
        echt hin. Wenn es in Brüssel gelingt, dieser Forderung
        um Durchbruch zu verhelfen, dürften alleine dadurch
        rivialpatente weitgehend beim Patentschutz außen vor
        leiben.
        Der andere Punkt, der aus Sicht der CDU/CSU-Bun-
        estagsfraktion eine gewichtige Rolle spielt, sind die so
        enannten Programmansprüche. Die Formulierung
        ierzu ist im Ratsentwurf jedenfalls sehr missverständ-
        ich ausgefallen. Würde man die Patentierung von Pro-
        rammansprüchen grundsätzlich zulassen, wären Soft-
        arepatente nicht mehr aufzuhalten. Art. 5 der Richtlinie
        m Ratsentwurf kann daher so nicht stehen bleiben, son-
        ern muss geändert werden.
        Ich bin froh, dass wir mit unserem heutigen Beschluss
        och rechtzeitig kommen, um der Bundesregierung eine
        lare Richtlinie für ihre weiteren Verhandlungen in
        rüssel mit auf den Weg zu geben. Zwischendurch sah
        s ja mehrfach so aus, als ob wir ein wenig spät dran wä-
        en. Als wir vor knapp vier Monaten im Bundestag die-
        es Thema behandelt haben, hätte wohl kaum einer ver-
        utet, dass der EU-Ministerrat bis heute den im Mai
        etzten Jahres ausgehandelten gemeinsamen Standpunkt
        icht offiziell verabschiedet hat. Selten wurde die Verab-
        chiedung eines Richtlinienentwurfs so oft angekündigt
        ie bei der Richtlinie über computerimplementierte Er-
        indungen. Der Richtlinien-Entwurf erweist sich als eine
        rt „schwarzer Peter“, den eine EU-Ratspräsidentschaft
        n Empfang nimmt, um ihn dann an ihre Nachfolger wei-
        erzureichen. Nachdem die niederländische Regierung
        ich schon die Zähne daran ausgebissen hat, sind nun die
        uxemburger an der Reihe. Ihre Versuche, die Richtlinie
        uf die Tagesordnung von Ministerratssitzungen im Ja-
        uar und Februar zu setzen, scheiterten ebenso kläglich
        ie die Bemühungen der Niederländer, noch kurz vor
        em Jahreswechsel die Sache klar zu machen. Bei dem
        einlichen Spiel um die Richtlinie hat die deutsche Bun-
        esregierung leider eine unrühmliche Rolle gespielt. Zu-
        ächst erklärte die Justizministerin im Mai letzten Jahres
        och öffentlich, Deutschland stimme der Richtlinie im
        inisterrat so nicht zu. Wenige Tage später gab es dann
        och ein „Ja“ aus Deutschland. Mit dieser entscheiden-
        en Stimme in Brüssel hat Frau Zypries überhaupt erst
        afür gesorgt, dass der unausgegorene Entwurf ein ge-
        einsamer Standpunkt werden konnte und nur noch for-
        al vom EU-Ministerrat verabschiedet werden musste.
        14776 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
        (A) )
        (B) )
        Nach der Geschäftsordnung des Ministerrats, deren
        Ausgestaltung im Einzelnen auch nicht gerade zu Steige-
        rung meines Enthusiasmus für die Europäische Union
        beiträgt, war damit eine inhaltliche Diskussion eigent-
        lich nicht mehr möglich.
        Das Damoklesschwert der Richtlinie hing damit über
        den betroffenen Software-Entwicklern und nur der Kri-
        tik der polnischen Regierung war es zunächst zu verdan-
        ken, dass es an seinem Platz blieb und die endgültige
        Abstimmung ein ums andere Mal verschoben wurde.
        Um die Jahreswende griffen dann die Minister Trittin
        und Künast ins Schwarze-Peter-Spiel ein: Zunächst
        sollte die Richtlinie im Umweltrat verabschiedet wer-
        den. Dann hätte der grüne Umweltminister Jürgen Trittin
        seine Hand für Softwarepatente heben müssen. Der
        wollte aber nicht. Nach der Absetzung dort wurde die
        Richtlinie von der niederländischen Ratspräsidentschaft
        auf die Tagesordnung des Agrar- und Fischerrates ge-
        setzt und damit hieß die zuständige Ministerin eben
        Renate Künast. Die blieb bei dem entscheidenden Tages-
        ordnungspunkt einfach der Sitzung fern und schickte
        eine Vertreterin in die Sitzung. Das Ganze trägt schon
        gewisse kabarettistische Züge!
        Aber es kommt noch schlimmer: Im Dezember mel-
        dete sich dann auch wieder die Justizministerin zu Wort.
        Nach dem Scheitern der Richtlinie in der letzten Ratssit-
        zung des vergangenen Jahres erklärte sie scheinbar ge-
        läutert – ich zitiere aus der Pressemitteilung der Justiz-
        ministerin: „Wir werden weiter konstruktiv mitarbeiten,
        um eine Lösung zu suchen, die allen Beteiligten noch
        besser gerecht wird als der Beschluss im Mail dieses
        Jahres. Dabei werden wir auch die inzwischen formu-
        lierte Position des Deutschen Bundestages in die Debatte
        auf Ratsebene einbringen“.
        Die Ankündigung ist löblich. Einen entsprechenden
        Arbeitsnachweis ist die Ministerin aber bis heute schul-
        dig geblieben. Stattdessen war es gerade die Bundesre-
        gierung, die im Ministerrat nicht mehr an dem Richtli-
        nienentwurf rütteln wollte. Zum zweiten Mal innerhalb
        von neun Monaten macht die Ministerin in Sachen Soft-
        ware-Patente eine Ankündigung, um sich anschließend
        völlig entgegengesetzt zu verhalten. Von Wertschätzung
        gegenüber diesem Parlament einschließlich seiner Re-
        gierungsfraktionen zeugt dies jedenfalls nicht. Die Bun-
        desregierung gibt in dieser europäischen Debatte ein
        konfuses und desaströses Bild ab: Seit einem Jahr verun-
        sichert ihre Politik die Software-Wirtschaft. Wenn es
        noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Beteiligung
        des Bundestages bei der Europapolitik der Bundesregie-
        rung mangelhaft ist, so liefert ihn die ebenso starrköp-
        fige wie peinliche Verhandlungsführung bei den Soft-
        warepatenten.
        Wir nehmen mit unserem Antrag die Ängste und Sor-
        gen der IT-Branche auf. Diese Branche ist eine der letz-
        ten Wachstums- und Innovationsbranchen in unserem
        Land und hätte Unterstützung durch die Bundesregie-
        rung verdient.
        Dass es sich bei der Kritik an dem Richtlinienentwurf
        nicht um den einsamen Kampf einer Spezialbranche
        handelt, zeigt aber auch die Stellungnahme des Bundes-
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        erbandes der mittelständischen Wirtschaft, der sich auf
        ie Seite des Bundestages geschlagen hat und unsere Be-
        enken teilt. Entgegen der Wahrnehmung in der Öffent-
        ichkeit – und offenbar auch in der Bundesregierung –
        ird nämlich die IT-Branche keineswegs von großen
        nternehmen beherrscht, sondern vier von fünf Ange-
        tellten dieses Wirtschaftszweiges arbeiten bei mittel-
        tändischen Unternehmen. Eine überbordende Vergabe
        on Patenten würde den Mittelständlern das Wasser ab-
        raben. Sie würden sich wohl zunehmend den patent-
        echtlichen Angriffen großer Unternehmen ausgesetzt
        ehen, die im Zweifel bei Patentstreitigkeiten den länge-
        en Atem und die größere Patentabteilung haben dürften.
        Unsere Volkswirtschaft braucht einen effektiven Pa-
        entschutz. Aber sie braucht ihn für technische Erfindun-
        en. Eine Politik, die den Patentschutz auf Geschäfts-
        deen und bloße Computerprogramme ausdehnt, verlegt
        ie Patente bis weit in das Gebiet des Urheberrechts hi-
        ein. Sie bringt die Systematik durcheinander zwischen
        em Urheberrecht, das nur die spezifische Ausdrucks-
        orm einer Idee schützt, und dem Patentrecht, das die
        dee als solche unter Schutz stellt und damit monopoli-
        iert. Eine solche Überdehnung zerstört die gesellschaft-
        iche und wirtschaftliche Akzeptanz des Patentsrechts.
        enn Patentämter den Fortschrittsbalken und den elek-
        ronischen Einkaufswagen unter Patentschutz stellen,
        ann diskreditiert das letztlich den Gedanken des Patent-
        chutzes und des Schutzes von geistigem Eigentum
        berhaupt. Das dürfen wir nicht zulassen.
        Und lassen Sie mich noch eine Anmerkung zur Paten-
        ierungspraxis des Europäischen Patentamtes machen.
        ie zum Teil abstrusen Beispiele, die zurecht gegen ein
        usuferndes Patentrecht vorgebracht werden, stammen
        ben fast alle aus Patenturkunden des EPA. Es hat die
        echnizität als Voraussetzung aufgeweicht, das Krite-
        ium der Erfindungshöhe heruntergeschraubt und die
        rivialpatente salonfähig gemacht. Der gegenwärtige
        ichtlinien-Entwurf würde diese Patentierungspraxis ins
        ationale Recht übertragen und sie damit indirekt bestä-
        igen.
        Ich will dabei keineswegs verschweigen, dass sich die
        atentierungspraxis des Europäischen Patentamtes in
        etzter Zeit verändert hat und die Patenterteilung restrik-
        iver gehandhabt wird. Aber ein Rückfall in triviale Zei-
        en muss verhindert werden und dafür reicht der Ratsent-
        urf nicht aus. Daher fordern wir auch eine kritische
        berprüfung der Arbeit des EPA.
        Wenn vier Fraktionen und 600 Abgeordnete des Deut-
        chen Bundestages eine Umkehr in der Politik der Bun-
        esregierung in Sachen Softwarepatente fordern und so-
        ar mehrere Minister ihre Hand nicht heben mögen für
        iese Regierungspolitik, dann sollte das Ihnen zu denken
        eben. Auch unsere europäischen Abgeordnetenkolle-
        en haben sich in einem Beschluss inzwischen für den
        eustart des Rechtsetzungsverfahrens im Europäischen
        arlament ausgesprochen, um die verfahrene Situation
        u entschärfen und nach einer konstruktiven Lösung zu
        uchen. Diesen Vorstoß, der nun auch maßgeblich von
        en zuständigen Vertretern der Europäischen Volkspartei
        etragen wird, sollte sich die Bundesregierung zu Her-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14777
        (A) )
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        zen nehmen. Jetzt ist daher die Stunde der Justizministe-
        rin, die Interessen der Software-Entwickler und ihrer
        Mitarbeiter zum Maßstab ihrer Verhandlungen in Brüs-
        sel zu machen. Wir warten auf Taten.
        Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Äu-
        ßerst kontrovers ist der Richtlinienvorschlag über die
        Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen
        diskutiert worden. Bereits in der ersten Lesung des
        Europäischen Parlaments im Herbst 2003 hat es zahlrei-
        che Änderungsvorschläge gegeben. Der dann folgende
        Gemeinsame Standpunkt des Ministerrats von Mai 2004
        ist von vielen Vereinen und Lobbygruppen – und zu
        Recht – kritisiert worden. Alle Fraktionen haben diese
        Kritik sehr ernst genommen und sich eingehend mit dem
        Ratsvorschlag auseinander gesetzt. Im Ergebnis haben
        wir den Gemeinsamen Standpunkt übereinstimmend für
        unzulänglich befunden. Statt zu mehr Rechtssicherheit
        bei der Patentvergabe im Bereich von computerimple-
        mentierten Erfindungen führt der Vorschlag zu mehr Un-
        sicherheit.
        Um aber Rechtssicherheit herzustellen, müssen die
        Begriffe „technischer Beitrag“ und „Technik“ so genau
        wie möglich bestimmt werden. Nur dann ist es nachvoll-
        ziehbar, wann eine computerimplementierte Erfindung
        patentiert werden kann und wann nicht. Der Ratsvor-
        schlag wird dieser Anforderung nicht gerecht. Er
        schließt die von uns befürchtete und nicht gewollte Pa-
        tentierung von Computerprogrammen „durch die Hinter-
        türe“ nicht aus. Genau darauf haben wir unter anderem
        in unserem interfraktionellen Antrag hingewiesen.
        Zwar liegt die Nachbesserung des Richtlinienvor-
        schlags nicht in den Händen des Deutschen Bundestags,
        sondern in denen der Abgeordneten des Europaparla-
        ments und der Regierungen der EU-Staaten. Daher ist
        und bleibt es allein Aufgabe der europäischen Rechtset-
        zung, eine klare Abgrenzung zwischen Nichtpatentier-
        barkeit von Software und möglicher Patentierbarkeit
        computerimplementierter Erfindungen zu gewährleisten.
        Wir haben uns jedoch entschlossen, mit unserer frak-
        tionsübergreifenden Entschließung ein weiteres Mal von
        unserem Recht nach Art. 23 GG Gebrauch zu machen.
        Gegenüber EU-Parlament und Bundesregierung haben
        wir klar formuliert, wie wir uns einen tragbaren Richtli-
        nienvorschlag vorstellen. Ich halte es für gut und wichtig
        dass der Bundestag in dieser Sache Stellung bezieht.
        Noch besser und wichtiger ist es, dass Deutschland mit
        einer Stimme in Brüssel spricht.
        Die grundgesetzlich verankerte Gelegenheit zur Stel-
        lungnahme des Bundestags haben wir schon bei anderen
        Gesetzesvorhaben wie beispielsweise der EU-Beweis-
        anordnung und dem EU-Mahnverfahren genutzt. Bereits
        Ende letzten Jahres hat Bundesjustizministerin Brigitte
        Zypries versichert, die vorliegende Entschließung zu be-
        rücksichtigen. Ich zitiere aus der Pressemitteilung des
        Bundesjustizministeriums vom 21. Dezember 2004. Da-
        rin heißt es: „Wir werden weiter konstruktiv mitarbeiten,
        um eine Lösung zu suchen, die allen Beteiligten noch
        besser gerecht wird als der Beschluss vom Mai dieses
        Jahres. Dabei werden wir auch die inzwischen formu-
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        ierte Position des Deutschen Bundestages in die Debatte
        uf Ratsebene einbringen.“
        Es hat mich sehr gefreut, dass die Ministerin so
        chnell und positiv auf unseren Antrag reagiert hat. Die
        usage, unsere Position auf Ratsebene einzubringen, ist
        ür das Thema der heutigen Debatte entscheidend. Und
        ch möchte mich ausdrücklich beim Justizministerium
        afür bedanken.
        Diese Zusage ist aber auch noch unter einem ganz an-
        eren – grundsätzlicheren – Aspekt hervorzuheben:
        ntschließungen des Deutschen Bundestags gemäß
        rt. 23 GG haben Einfluss auf die europäische Gesetz-
        ebung. Sie fördern und stärken den europäischen Eini-
        ungsprozess, weil sie den Bürgerinnen und Bürgern
        ermitteln, dass sich ihre nationalen Abgeordneten um
        iese EU-Gesetzgebung kümmern. Je frühzeitiger wir
        m Bundestag europäische Regelungen kritisch prüfen
        nd dazu unsere Positionen formulieren, desto größer
        ird die Akzeptanz eines zusammenwachsenden Euro-
        as.
        Erst in der letzten Woche – auch auf Initiative grüner
        uropaabgeordneter – hat der Rechtsausschuss des
        uropaparlaments der Kommission empfohlen, das
        ichtlinienverfahren neu zu starten. Wir hoffen, dass die
        ommission diese Empfehlung berücksichtigt. Eines ist
        edenfalls klar: Der Gemeinsame Standpunkt des Rats
        ird in der Fassung von Mai 2004 nicht aufrechtzuerhal-
        en sein.
        Rainer Funke (FDP): Die Debatte um die so
        enannte Softwarepatente-Richtlinie wird schon lange
        icht mehr nur in Brüssel geführt. Im Bundestag hat die
        DP dieses wichtige Thema in einem Antrag als erste
        raktion aufgegriffen. Nach anfänglicher Zurückhaltung
        aben auch die Kollegen aus den Koalitionsfraktionen
        ie Bedeutung der Richtlinie und ihre Brisanz erkannt.
        Wir freuen uns, dass sich alle Fraktionen dieses Hau-
        es inzwischen auf einen gemeinsamen Standpunkt geei-
        igt haben und dass wir die parlamentarische Initiative
        einer Fraktion zu einem interfraktionellen Antrag wei-
        erentwickeln konnten. Für die konstruktive Zusammen-
        rbeit möchte ich Ihnen an dieser Stelle ausdrücklich
        anken.
        Als interfraktionelles Papier enthält der Antrag natur-
        emäß Kompromisse. Gleichwohl wird auch dieser ge-
        einsame Antrag unserem Grundanliegen gerecht.
        Wir betonen, dass der Bundestag die Initiative zur
        uropäischen Vereinheitlichung der Patentierungspraxis
        n Bezug auf computerimplementierte Erfindungen be-
        rüßt. Es geht uns also keineswegs darum, diese Richt-
        inie an sich infrage zu stellen.
        Wir machen aber deutlich: Die notwendige und sinn-
        olle Vereinheitlichung der Patenterteilungspraxis darf
        icht zu einer materiellen Ausweitung des Patentschut-
        es für Software führen. Insbesondere muss im Interesse
        er Rechtssicherheit in der Richtlinie die Definition des
        echnischen Beitrages so genau wie möglich gefasst wer-
        en. Denn nur mit einem klaren Technikbegriff, dessen
        14778 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
        (A) )
        (B) )
        Ausgestaltung im Kern nicht der Rechtsprechung über-
        lassen bleibt, lassen sich eine Qualitätskontrolle in der
        Patentierungspraxis gewährleisten und die Patentierung
        von so genannten Trivialpatenten verhindern.
        Diesen Anforderungen wird der gemeinsame Stand-
        punkt des Rates nach unserer gemeinsamen Überzeu-
        gung nicht gerecht. Der Bundestag fordert deshalb die
        Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass in der
        weiteren Debatte der Richtlinie die Zielrichtung der Be-
        schlüsse des Europäischen Parlaments wieder stärker be-
        rücksichtigt wird.
        Diese Position des Bundestages hat bereits vor dieser
        heutigen Debatte und ihrer offiziellen Verabschiedung
        Aufsehen erregt und die Parlamente anderer Mitglied-
        staaten ermutigt, ihre Kritik an der Position des Rates
        ebenfalls zu artikulieren.
        Nicht zuletzt deshalb hat die Debatte um die Richt-
        linie auch in Brüssel in den vergangen Wochen einen
        beispiellos kontroversen Verlauf genommen. Die end-
        gültige Verabschiedung der gemeinsamen Position des
        Rates ist mehrfach – zuletzt heute – verschoben worden.
        Inzwischen ist nicht einmal der Neustart des Verfahrens
        mehr ausgeschlossen. Die Konferenz der Präsidenten
        des Europäischen Parlaments hat heute beschlossen, von
        der EU-Kommission eine neue Vorlage für eine Richt-
        linie über die Patentierbarkeit „computerimplementierter
        Erfindungen“ zu verlangen. Die EU-Kommission wäre
        gut beraten, diesem Votum zu folgen, denn damit wäre
        die Chance für einen echten zweiten Anlauf eröffnet.
        Wie auch immer es in Brüssel nun weitergeht: Die
        Bundesregierung und insbesondere die Bundesjustiz-
        ministerin dürfen die Forderungen des Bundestages im
        Interesse ihrer eigenen Glaubwürdigkeit und im Inte-
        resse einer sachgerechten Lösung nicht ignorieren.
        Anlage 6
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Anträge:
        – Häftlingshilfestiftung erhalten und finanziell
        ausreichend ausstatten
        – Unterstützung für ehemalige politische
        Häftlinge umgehend sicherstellen
        (Tagesordnungspunkt 17 a und b)
        Hans-Joachim Hacker (SPD): Wir debattieren hier
        Anträge der CDU/CSU, die überflüssig sind. Der Antrag
        der Union vom September 2004 heißt: „Häftlingshilfe-
        stiftung erhalten und finanziell ausreichend ausstatten.“
        Im Jahr davor hatten Sie einen ähnlichen Antrag gestellt.
        Auch dieser steht hier noch zur Debatte.
        Den Damen und Herren von der Union sei gesagt: Die
        Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die
        Grünen und die rot-grüne Bundesregierung haben diese
        Aufforderungen nicht nötig. Wir sind uns der Verantwor-
        tung gegenüber den Opfern politischer Verfolgung be-
        wusst und unterstützen sie, unabhängig davon, ob es sich
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        m die Opfer der NS-Gewaltherrschaft oder um die Op-
        er der SED-Diktatur handelt. Das trifft genauso für jene
        pfer zu, die durch die sowjetischen Behörden aus den
        rüheren deutschen Ostgebieten oder aus der SBZ ver-
        chleppt wurden.
        Wider besseres Wissen erweckt die Union in ihrem
        ntrag von 2004 den Eindruck, die Leistungen für Opfer
        er SED-Diktatur bzw. die Leistungen für die Zivilde-
        ortierten seien infrage gestellt. Ich sage „wider besseres
        issen“, denn die Union war bei den entscheidenden
        erichterstattergesprächen mit dem Bundesministerium
        es Innern anwesend.
        Die Finanzierung der Stiftung für ehemalige politi-
        che Häftlinge ist auf das Ende des Jahres 2005 be-
        renzt. Das wurde in der 10. Novelle des Häftlingshilfe-
        esetzes vom 8. Juni 1994, also zur Regierungszeit der
        nion, so festgelegt. So ist es ein Ausdruck von verant-
        ortlichem politischem Handeln, sich rechtzeitig darü-
        er Gedanken zu machen, wie mit dieser Stiftung und
        er Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben nach Ab-
        auf dieses Zeitraums weiter umgegangen werden soll.
        In seinem Bericht hatte der Bundesrechnungshof den
        ortbestand der Heimkehrerstiftung infrage gestellt.
        eshalb hatten die zuständigen Berichterstatter des In-
        enausschusses Ende 2003 das Bundesministerium des
        nnern aufgefordert, einen Bericht zur Lage der Heim-
        ehrerstiftung und der Stiftung für ehemalige politische
        äftlinge vorzulegen. Das hat die Bundesregierung un-
        erzüglich getan. Dabei hat die Bundesregierung der In-
        ention des Bundesrechnungshofes folgend auch mögli-
        he Alternativen aufgezeigt. Das darf man, ja muss man
        ohl von der Bundesregierung in Auswertung eines Be-
        ichts des Bundesrechnungshofs erwarten. Welche
        chlussfolgerungen aber letztendlich daraus abgeleitet
        erden, liegt nicht zuletzt in unserer Hand – in der Hand
        es Deutschen Bundestages. Die Bundesregierung hat
        ohl den Vorschlag unterbreitet, die Stiftungen – und
        amit die uneingeschränkte Leistungsgewährung – auf
        as Bundesverwaltungsamt überzuleiten. Einen Be-
        chluss hierfür gibt es nicht. Und ich wiederhole mich,
        enn ich sage: Niemals wurde seitens der Bundesregie-
        ung bzw. von den Regierungsfraktionen die Gewährung
        on Leistungen an die Opfer politischer Verfolgungs-
        aßnahmen infrage gestellt.
        Alle, die sich mit dem Thema seriös beschäftigt ha-
        en, wissen, dass das Stiftungsvermögen der Häftlings-
        ilfestiftung aufgebraucht ist. Dieses Stiftungsvermögen
        urde 1994 auf 53,6 Millionen erhöht, zusätzlich erhielt
        ie Stiftung jährliche Zuwendungen aus dem Bundes-
        aushalt. Wenn man die Gewährung von Unterstüt-
        ungsleistungen an Zivildeportierte – und das ist ja wohl
        ern des Unionsantrages – unter der Regierung des Alt-
        undeskanzlers Kohl untersucht, dann kommt man zu ei-
        er klaren Aussage: Die Union hat damals für die Zivil-
        eportierten eine schlechte Politik gemacht. Diese setzen
        ie jetzt mit einer schlechten Oppositionspolitik fort.
        Ich muss noch einmal in Erinnerung rufen: Mit dem
        weiten Gesetz zur Verbesserung rehabilitationsrechtli-
        her Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in
        er ehemaligen DDR, gleich zu Beginn der Regierungs-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14779
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        zeit der rot-grünen Koalition, wurden unter anderem die
        Kapitalentschädigungen für ehemalige politische Häft-
        linge von 300 DM auf einheitlich 600 DM pro angefan-
        genen Haftmonat erhöht. Die Leistungen für die Ver-
        schleppten von jenseits der Oder und Neiße, für eine
        Opfergruppe also, die unter der Kohl-Regierung ver-
        nachlässigt worden war, haben wir die finanziellen Zu-
        wendungen deutlich erhöht. Die Zahlbeträge gerade für
        die Zivildeportierten haben sich nach der Gesetzesno-
        velle verfünffacht.
        Unter der Regierung Kohl erhielt die Häftlingshilfe-
        stiftung eine jährliche Zuwendung von 300 000 DM.
        Diese Summe haben wir auf 1,5 Millionen DM jährlich
        verfünffacht; das entspricht einem Eurobetrag von
        767 000. Zusätzlich wurde 2001 das Stiftungsvermögen
        um 5 Millionen DM erhöht. Da die Zahl der bewilligten
        Anträge höher war als vorher angenommen, bekam die
        Stiftung zusätzlich weitere 1,625 Millionen Euro im Jahr
        2002 und l Millionen Euro im Jahr 2003. Und auch 2004
        bekam die Stiftung für ehemalige politische Häftlinge
        zusätzliche Finanzzuweisungen, nämlich 2,7 Millionen
        Euro.
        Auch in diesem Jahr werden wir dafür sorgen, dass
        die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden.
        Die Betroffenen können sicher sein, dass sie von den rot-
        grünen Bundestagsfraktionen und der rot-grünen Bun-
        desregierung wie in der Vergangenheit nicht im Stich ge-
        lassen werden.
        Diese Finanzausstattung durch die rot-grüne Regie-
        rungskoalition hat ermöglicht, dass für die Opfer in den
        fünf Jahren von 2000 bis 2004 mehr als dreimal so viel
        Geld zur Verfügung stand wie in den sechs Jahren von
        1994 bis 1999, in denen die Regelungen der CDU/CSU-
        FDP-Regierung galten.
        Seit dem In-Kraft-Treten des Ersten Rehabilitierungs-
        gesetzes wurden laut des bereits erwähnten Berichtes des
        Bundesinnenministeriums an die Opfer der sowjetischen
        Besatzungsmacht und der SED-Diktatur rund 650 Mil-
        lionen Euro an Unterstützungsleistungen und an Kapital-
        entschädigung gezahlt. Das bezeugt, dass die Politik in
        Deutschland die Opfer politischer Verfolgung in der
        SBZ/DDR nicht vergessen hat, auch nicht die Opfer
        politischer Verfolgungsmaßnahmen der sowjetischen
        Besatzungsmacht. Offensichtliche Defizite in den Reha-
        bilitierungsgesetzen der CDU/CSU-FDP-Koalition ha-
        ben wir nach der Regierungsübernahme 1998 – wie den
        Opferverbänden zugesagt – beseitigt.
        Die Antragsfristen zum Strafrechtlichen, Verwal-
        tungsrechtlichen und Beruflichen Rehabilitierungsgesetz
        sind auf Initiative der rot-grünen Bundestagsfraktionen
        noch einmal einvernehmlich bis zum 31. Dezember
        2007 verlängert worden. Werden diese Anträge positiv
        beschieden, besteht ein Rechtsanspruch auf die Kapital-
        entschädigung und gegebenenfalls auf soziale Aus-
        gleichsleistungen. Vom Fortbestand der Stiftung für
        ehemalige politische Häftlinge bzw. von Strukturverän-
        derungen würden diese Leistungen nicht abhängen.
        Die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung
        stellen die Leistungen an die Opfer nicht im Ansatz in-
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        rage. Dennoch muss die Frage debattiert werden kön-
        en, wie die Aufgaben der beiden Stiftungen, also auch
        er Heimkehrerstiftung, in Zukunft effektiv, auch im In-
        eresse der Opfer, erfüllt werden sollen. In der Begrün-
        ung zur 10. Novelle des Häftlingshilfegesetzes von
        994, also aus der Regierungszeit der Union, hieß es in
        ezug auf die Stiftung für ehemalige politische Häft-
        inge:
        Eine Vermögensaufstockung ist geboten, um der
        Stiftung die abschließende Erfüllung ihrer Aufga-
        ben bis zum Jahre 2005 zu ermöglichen. Dabei soll-
        ten aus dem Stiftungsvermögen zunächst die Perso-
        nal- und Sachkosten bis 2005 abgedeckt und im
        Übrigen Mittel zur Gewährung von Unterstützungs-
        leistungen entnommen werden.
        Bei der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge
        aben wir es noch mit einer Besonderheit zu tun:
        0 Prozent der eingehenden Anträge beziehen sich auf
        as Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz, also auf Leis-
        ungen mit Rechtsanspruch, die nicht aus dem Stiftungs-
        ermögen bezahlt werden. Nur 20 Prozent sind Anträge
        uf Unterstützungsleistungen nach dem Häftlingshilfe-
        esetz. Die in dieser Stiftung angefallenen Verwaltungs-
        osten sind nicht zu übersehen und es muss die Frage er-
        aubt sein, ob dieses Geld, oder Teile davon, nicht
        ffektiver für die Opfer verwendet werden kann und ob
        s hierfür gegebenenfalls eine geeignetere Organisa-
        ionsform gibt. Denken und Nachdenken über Struk-
        urfragen muss erlaubt sein. Das trifft noch stärker für
        ie Heimkehrerstiftung zu, bei der sich der finanzielle
        ufwand für Verwaltung und Sachkosten besonders un-
        ünstig darstellt.
        Was wir brauchen, sind sachliche Debatten und keine
        opulistischen Anträge. Inzwischen greifen auch Me-
        ien das Thema der Deportationen von deutschen Zivi-
        isten am Ende und nach dem Zweiten Weltkrieg auf. In
        inem dieser Berichte, ein Sendebeitrag des RBB, wird
        ie Rechtslage für die Betroffenen falsch dargestellt und
        er Eindruck erweckt, die deutsche Politik hätte diese
        enschen vergessen. Jeder, der sich ernsthaft mit dieser
        aterie beschäftigt und die Rechtslage kennt, weiß, dass
        as nicht richtig ist. Mit ihren Anträgen unterstützt die
        nion diese Falschdarstellungen. Sie spielt dabei mit
        en Gefühlen der Opfer und das ist unredlich.
        Ich appelliere an die Union, ihre schlechte Regie-
        ungspolitik in Bezug auf die Rehabilitierungsgesetzge-
        ung nicht durch eine schlechte Oppositionspolitik fort-
        usetzen, mit der versucht wird, der Öffentlichkeit Sand
        n die Augen zu streuen, und mit der den Opfern politi-
        cher Verfolgung in Wirklichkeit nicht geholfen wird.
        Günter Baumann (CDU/CSU): Deutsche, die seit
        em Zweiten Weltkrieg im kommunistischen Machtbe-
        eich politisch verfolgt und inhaftiert wurden, erhalten
        m Fall einer wirtschaftlichen Notlage auf Antrag eine fi-
        anzielle Unterstützung. So sieht es das Häftlingshilfe-
        esetz in § 18 vor. Der davon betroffene Personenkreis
        eicht von den Zivildeportierten jenseits von Oder und
        eiße in der unmittelbaren Nachkriegszeit bis zu den
        erfolgten des SED-Regimes, von denen viele erst Ende
        14780 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
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        1989 in die Freiheit entlassen worden sind. Die Bundes-
        republik hat das Häftlingshilfegesetz geschaffen, um die-
        sen Menschen in Notsituationen unter die Arme greifen
        zu können, und sich damit zu ihrer besonderen morali-
        schen Verantwortung für die Opfer des Kommunismus
        bekannt.
        Leider müssen wir in der Praxis seit einigen Jahren
        ein massenhaftes Vollzugsdefizit feststellen. Wer von
        den Anspruchsberechtigten in einer wirtschaftlichen
        Notlage steckt, braucht einen langen Atem und viel Aus-
        dauer. Bei einem 73-jährigen Mann aus meinem Wahl-
        kreis, der 1945 als Schüler aus Polen in die Sowjetunion
        verschleppt und dort zwei Jahre zur Zwangsarbeit ge-
        zwungen worden war, dauerte es fast drei Jahre, bis er
        das benötigte Geld ausgezahlt bekam. Was war der
        Grund? Zunächst die mangelnde Ausstattung unserer
        HHG-Behörden, wo die wenigen Mitarbeiter der wach-
        senden Zahl von Anträgen kaum gewachsen sind und
        schnell anderthalb Jahre ins Land gehen können, bis der
        Antrag geprüft wird. Bei einer „wirtschaftlichen Not-
        lage“ ist das viel Zeit. Eine Notlage ist schließlich immer
        eine akute Lage.
        Dem älteren Herrn aus meinem Wahlkreis war schon
        diese Verzögerung nicht zu vermitteln. Es sollte aber
        noch schlimmer kommen: Als das Prüfverfahren für ihn
        erfolgreich abgeschlossen war, sah der Mann immer
        noch kein Geld. Die Stiftung für ehemalige politische
        Häftlinge hatte nämlich im Sommer 2003 ihre finanziel-
        len Mittel bereits verbraucht. Im September 2003 erfuhr
        ich, dass bereits über 800 anerkannte politische Häft-
        linge vergeblich auf die Unterstützung warteten – alle
        seit über einem Jahr. Der Grund ist einfach und zeugt zu-
        gleich von dem beschämenden Umgang dieser Bundes-
        regierung mit den Opfern kommunistischer Gewaltherr-
        schaft: Die im Bundeshaushalt eingestellten Mittel für
        die Häftlingshilfe liegen schon seit einigen Jahren weit
        unter dem tatsächlichen Bedarf. Durch die chronische
        Unterfinanzierung lässt die Bundesregierung permanent
        tausende von Anspruchsberechtigten im Regen stehen.
        Das strukturelle Defizit der Stiftung vergrößert sich da-
        bei ständig: Im September 2004 waren die finanziellen
        Mittel für das Haushaltsjahr 2004 ebenfalls längst ver-
        braucht und es stauten sich in Bonn bereits 1 300 bewil-
        ligungsfähige Anträge.
        Niemand käme bei knappen Kassen auf die Idee, ein-
        fach die Renten, die Sozialhilfe oder das BAföG nicht
        auszuzahlen. Bei den ehemaligen politischen Häftlingen
        hat Rot-Grün dies ohne weiteres in Kauf genommen:
        Der viel zu niedrig kalkulierte Haushaltsansatz ist bis
        heute nicht korrigiert worden. So lesen wir im Bundes-
        haushalt 2005, dass erneut nur 767 000 Euro der Stiftung
        zufließen sollen. Dieses Geld wird allenfalls ausreichen,
        um die Hälfte der bereits vorliegenden bewilligungsfähi-
        gen Anträge auszuzahlen: Das sind nämlich jetzt, im Fe-
        bruar 2005, schon wieder über 800 – um allein diesen
        bereits anerkannten Bedürftigen die Hilfe zu gewähren,
        wären l,4 Millionen Euro nötig! Damit nicht genug, die
        Stiftung erwartet in diesem Jahr knapp 700 Rückläufe
        aus den HHG-Behörden mit einem Gesamtbedarf von
        850 000 Euro.
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        Hinzu kommen circa 250 Anträge, die in nächster
        eit bewilligungsreif werden und eine Ausgabe von wei-
        eren 440 000 Euro erfordern. Schließlich rechnet die
        tiftung im laufenden Jahr mit etwa 1 200 weiteren An-
        ragseingängen. Ziehen wir davon eine erfahrungsge-
        äße Ablehnungsquote von 30 Prozent ab, bleiben
        40 Anträge über, die ein Finanzvolumen von fast
        ,5 Millionen Euro erfordern werden.
        Diesem in 2005 anfallenden Gesamtbedarf von
        ,16 Millionen Euro für die in wirtschaftliche Not gera-
        enen Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft begeg-
        et die rot-grüne Bundesregierung mit einem Haushalts-
        nsatz von 767 000 Euro. Das ist schändlich – auch vor
        em Hintergrund, dass diese Bundesregierung zum
        . Juli 2005 die Renten von DDR-Funktionären auf Wei-
        ung des Bundesverfassungsgerichts erneut erhöhen
        ird!
        Ich begrüße an dieser Stelle ausdrücklich, dass die
        egierungskoalition schon zweimal bereit gewesen ist,
        it überplanmäßigen Ausgaben nachzubessern – und
        war immer dann, wenn unsere Anträge auf der Tages-
        rdnung des Innenausschusses standen: Im November
        003 bewilligte Rot-Grün eine Finanzspritze von l Mil-
        ion Euro; im September 2004 sogar 2,7 Millionen Euro.
        estern hat Kollegin Stokar von Neuforn im Innenaus-
        chuss angekündigt, 2005 erneut 2,7 Millionen Euro
        achzuschießen.
        Dies wird nicht reichen. Aber unsere Anträge haben
        amit jetzt schon einen für Oppositionsanträge außeror-
        entlichen Erfolg gehabt. Mit ihren überplanmäßigen
        uweisungen hat die Regierungskoalition öffentlich ein-
        estanden, dass die bisherigen Haushaltsansätze zu nied-
        ig sind. Sie sollte hier und heute aus dieser Erkenntnis
        ie einzig logische Konsequenz ziehen und unseren An-
        rägen zustimmen.
        Hartmut Büttner (Schönebeck) (CDU/CSU): Dieser
        eutsche Bundestag hat vor wenigen Monaten ein ge-
        einsames positives Signal an die Opfer der SED-Dikta-
        ur ausgesandt. Mit den Stimmen aller Fraktionen des
        auses wurde beschlossen, die Antragsfristen für An-
        räge von SED-Opfern bis zum 31. Dezember 2007 zu
        erlängern.
        Wir in ganz Deutschland haben den mutigen Frauen
        nd Männern, welche sich nicht von den Diktaturen ha-
        en brechen lassen, viel zu verdanken. Viele von ihnen
        aben dafür bitter bezahlen müssen: Mit der Verweige-
        ung beruflicher Chancen, mit Pressionen, Bespitzelun-
        en und sehr oft auch mit Knast. Die Haftfolgen wirken
        is heute nach: Viele bekamen später oft nur schlecht be-
        ahlte Jobs, leiden unter nur schwer nachweisbaren ge-
        undheitlichen Haftschäden, oder sind arbeitslos.
        Deshalb fühlten sich die betroffenen Opfer wie von ei-
        er Keule getroffen: Die rot-grüne Bundesregierung will
        och in diesem Jahr die Häftlingshilfestiftung, die über
        ie Anträge entscheidet, aufheben und abwickeln. Diese
        bsicht steht wörtlich in einem Bericht des Bundesinnen-
        inisteriums vom 13. Januar 2004. Dieser Bericht ist mit
        llen für Opferfragen zuständigen Bundesministerien ab-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14781
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        gestimmt worden. Was die Bundesregierung damit will,
        hat der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf
        Körper darüber hinaus deutlich gemacht: Eine Abwick-
        lung der Stiftung und Wahrnehmung der Aufgaben durch
        das Bundesverwaltungsamt.
        Dazu sagte der stellvertretende SPD- Fraktionsvorsit-
        zende, Hans-Joachim Hacker, in der Berliner Zeitung
        sehr treffend: „Es wäre paradox die Stiftung zu schließen
        oder ihr ihre Aufgaben wegzunehmen. Dort arbeitet ein
        hochkompetentes Team mit viel Erfahrung im Umgang
        mit diesen Anträgen. Das kann man nicht einfach büro-
        kratisch abarbeiten.“
        Der Kollege Hacker hat damit völlig Recht: Die Stif-
        tungslösung ist 1969 vom Gesetzgeber ganz bewusst ge-
        wählt worden, um damit eine Interessenvertretung aus
        dem Kreis der Betroffenen zu ermöglichen. Es sollte
        eben kein staatliches Amt beiläufig auch über Unterstüt-
        zungsanträge entscheiden.
        Der Grundsatz „Betroffene entscheiden über Betrof-
        fene“ hatte in den letzten 35 Jahren dazu beigetragen, die
        Akzeptanz der Entscheidungen über die Anträge von
        Opfern wesentlich zu erhöhen.
        Frau Stokar von den Grünen betonte in der ersten Le-
        sung: Klar und deutlich habe ich gesagt, dass wir – damit
        meine ich meine ganze Fraktion – das Ziel des Berichts,
        die Auflösung der Stiftung bis zum Jahr 2005 nicht tei-
        len.
        Der anfängliche Widerstand in den Koalitionsfraktio-
        nen ist zwischenzeitlich glattgebügelt worden, so dass
        jetzt auch SPD und Grüne die „Opferstiftungs-Abwick-
        lungs-Strategie“ ihrer Regierung übernommen haben. In
        allen vier beteiligten Ausschüssen des Bundestages ha-
        ben sie unseren Antrag abgelehnt.
        Dabei hatten wir nur das formuliert, was auch Sie
        scheinbar wünschen. Wir wollen, dass die Stiftung für
        politische Häftlinge bis zur Erledigung ihrer Aufgaben
        bestehen bleibt. Wir wollen außerdem, dass sie mit den
        zu ihrer Aufgabenerfüllung benötigten Finanzmitteln
        ausgestattet wird.
        Unser Antrag stammt aus dem September des letzten
        Jahres. Pikant ist, dass Sie sich im letzten halben Jahr
        noch nicht einmal auf einen eigenen Antrag haben eini-
        gen können. Pikant ist auch, dass sie damit im Gegensatz
        zu ihrem eigenen Koalitionsvertrag stehen: „Wir wollen
        weiter dafür sorgen, dass Menschen, die für die Demo-
        kratie gekämpft haben, nicht vergessen werden. Die Stif-
        tung für ehemalige politische Häftlinge soll gestärkt
        werden.“ Gestärkt steht hier – nicht Abwickeln und Auf-
        heben.
        Wenn Sie jetzt den abenteuerlichen Plan der Bundes-
        regierung nach Abwicklung der Opferstiftung durchge-
        hen lassen, dann haben Sie die Öffentlichkeit und die
        Opfergruppen jahrelang an der Nase herumgeführt.
        Wenn es Ihnen hier nicht um parteipolitisches Klein-
        Klein geht, sondern um die Interessen der Opfer, dann
        können Sie nur unserem Antrag zustimmen.
        Zumindest gilt das für die Grünen. Denn genau dieser
        Antragstext ist auch der Beschluss Ihrer 22. Ordentli-
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        hen Delegiertenversammlung. Sie fordern eine „Be-
        tandsgarantie und ausreichende finanzielle Ausstattung
        er Stiftung der ehemaligen Häftlinge des DDR-Sys-
        ems“.
        Dem ist nichts hinzuzufügen. Das entspricht dem In-
        alt unseres Antrages. Also heben wir gemeinsam unser
        ändchen im Interesse der Opfer der zweiten Diktatur
        uf deutschem Boden.
        Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE
        RÜNEN): Die Arbeit der Häftlingshilfestiftung ist
        och nicht erledigt. Im Gegenteil, wir haben die An-
        ragsfristen verlängert und auch die Mittel für die Leis-
        ungserbringung in dem uns möglichen Umfang erhöht.
        ir haben allen Anlass, der Stiftung für ehemalige poli-
        ische Häftlinge die gebührende Anerkennung für ihre
        rbeit auszudrücken. Das gilt gerade auch für die Mit-
        lieder der Gremien der Stiftung. Der Zeitpunkt für die
        uflösung der Stiftung ist noch nicht gekommen. Wir
        ollen der Stiftung die Fortführung der Arbeit ermögli-
        hen.
        Die Stiftung spielt eine unverzichtbare Rolle bei der
        etreuung und Unterstützung von Zivildeportierten.
        iele alte und gesundheitlich angeschlagene Frauen er-
        alten hier Unterstützung. Nach unserer Überzeugung
        ie die Selbstverwaltung und die Sachkunde der Stiftung
        icht durch eine Übertragung der Aufgaben an das Bun-
        esverwaltungsamt zu ersetzen. Für uns ist aber die Lö-
        ung dieser ganz praktischen Fragen wichtig – uns geht
        s in erster Linie um die ehemaligen Verfolgten, gerade
        uch um die zivil deportierten Frauen, die schlecht be-
        andelt wurden, weil ihnen die Regierung Kohl die An-
        rkennung als politische Häftlinge verweigert hat.
        Materielle Hilfen können die Folgen von politischer
        aft und Verfolgung zwar nicht ungeschehen machen,
        ie können aber einen Beitrag leisten, diese Folgen zu
        indern. Das gilt für die gewiss vielfach unzulänglichen
        nrechtsbereinigungsgesetze, aber auch für die Stiftung
        ür ehemalige politische Häftlinge. Deswegen hier an
        ieser Stelle zum ersten Punkt des CDU-Antrages: Wir
        üssen hier nicht tätig werden und wir wollen hier auch
        icht tätig werden. Es gilt das Stiftungsgesetz und dies
        ann nur durch einen Parlamentsbeschluss aufgehoben
        erden. Es liegt kein Antrag zur Auflösung der Stiftung
        or und wir haben keine Veranlassung uns zu versichern,
        ass die Gesetze, die wir hier im Hause beschlossen ha-
        en, gültig sind. Ihr Antrag ist also überflüssig.
        Richtig ist: Wir haben das Problem von über
        700 noch nicht abgearbeiteten Anträgen bei der Stif-
        ung. Die für das Jahr 2004 zusätzlich bewilligten
        ,7 Millionen Euro waren dringend nötig. Wir brauchen
        ber auch für das laufende Haushaltsjahr zusätzliche
        ittel, um den Antragsstau abzuarbeiten. Hier stehen
        ir in Gesprächen. Es gilt: Die für die Erfüllung der im
        tiftungsgesetz niedergelegten Aufgaben und Leistun-
        en müssen durch die Bereitstellung der Finanzmittel
        uch ermöglicht werden. Dies wird wie im vergangenen
        aushaltsjahr auch geschehen. Auch im zweiten Punkt
        st der Antrag der CDU also überflüssig.
        14782 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
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        Dem Antrag der Union kann ich nicht zustimmen. Er
        suggeriert, die Bundesregierung habe die Absicht, die
        Mittel zu beschneiden. Bei aller durchaus kontroversen
        Debatte über die Frage der Stiftung – die Betroffenen in
        Sorge zu versetzen, sie bekämen kein Geld mehr, ist
        nicht in Ordnung.
        Dr. Max Stadler (CDU/CSU): Der Antrag der CDU/
        CSU-Fraktion verfolgt das Ziel, die Stiftung für politi-
        sche Häftlinge bis zur Erledigung ihrer Aufgaben beste-
        hen zu lassen und den zu ihrer Aufgabenerfüllung benö-
        tigten Finanzmitteln auszustatten.
        Dieser Antrag ist berechtigt. Der Deutsche Bundestag
        hat den Betroffenen einvernehmlich, um soziale Härten
        zu vermeiden, gestattet, Anträge auf Unterstützungsleis-
        tungen noch bis zum 31. Dezember 2007 zu stellen. Da-
        her ist es folgerichtig, durch Beschluss klarzustellen,
        dass die Stiftung für politische Häftlinge bis zur Erledi-
        gung ihrer Aufgaben bestehen bleibt.
        Während die Grünen in den Ausschussberatungen be-
        tont haben, es gebe ja ein Stiftungsgesetz und an eine
        Aufhebung dieses Gesetzes sei nicht gedacht, hat die
        SPD im Innenausschuss zu erkennen gegeben, dass sehr
        wohl über neue Organisationsstrukturen nachgedacht
        werde. Auch die SPD will die berechtigten Ansprüche
        der Opfer weiter befriedigen, hat aber auf den Bericht
        des Bundesrechnungshofs verwiesen, möglicherweise
        die Verwaltung der Stiftungsgelder anders auszugestal-
        ten.
        Auf konkrete Vorschläge hierfür warten wir jedoch
        seit Monaten vergebens. Der Antrag der CDU/CSU-
        Bundestagsfraktion datiert vom September 2004. Seit-
        dem wäre für die Regierung und die Koalitionsfraktio-
        nen Gelegenheit gewesen, etwaige konkrete Vorschläge
        zu einer Organisationsreform dem Bundestag vorzustel-
        len. Dies ist nicht geschehen. Die FDP hält daher an der
        bewährten Form der Häftlingshilfestiftung fest.
        Die Möglichkeit, neue Anträge zu stellen, würde ins
        Leere laufen, wenn nicht zugleich auch entsprechende
        Mittel für die Antragsteller bereitgestellt würden, In der
        Vergangenheit lebten die Opferstiftungen – man kann es
        nicht anders ausdrücken – von der Hand in den Mund.
        Der Wunsch der Betroffenen, dass eine solide finanzielle
        Grundlage gesichert wird, ist daher verständlich. Die
        Koalition wendet zwar ein, dass noch immer im Vollzug
        des Haushalts dafür gesorgt worden sei, dass die Stiftung
        ihre gesetzlichen Verpflichtungen erfüllen konnte. Den-
        noch ist es zweckmäßig, wenn das Hohe Haus ange-
        sichts der unsicheren Finanzierungssituation in den
        letzten Jahren sich eindeutig dazu bekennt, die zur
        Aufgabenerfüllung der Stiftung benötigten Mittel
        bereitzustellen. Der Antrag auf Bundestagsdruck-
        sache 15/3763 gibt allen Fraktionen hierzu Gelegenheit.
        Auch der weitere heute zu beratende Antrag auf der
        Bundestagsdrucksache 15/1524 will eine ähnliche
        Grundtendenz zum Ausdruck bringen; auch wenn er
        nicht mehr ganz aktuell ist, geht er doch in die richtige
        Zielrichtung.
        Insgesamt stimmt daher die FDP dem Anliegen der
        CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu.
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        nlage 7
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Neuordnung des Pfandbriefrechts (Tagesord-
        nungspunkt 18)
        Bernd Scheelen (SPD): Für Pfandbriefe und Kom-
        unalobligationen wurde in den sechziger und siebziger
        ahren geworben mit dem Slogan: „Sicher ist sicher!“
        icherheit der Anlage war und ist das Argument für den
        rwerb von Pfandbriefen. Drei Gesetze waren die
        rundlage auf der der deutsche Pfandbrief seine Erfolgs-
        eschichte auch als Benchmark in Europa begründet hat.
        Der Wegfall der Gewährträgerhaftung zum 18. Juli
        ieses Jahres war Anlass, den Pfandbrief auf eine neue,
        inheitliche und zukunftsweisende Grundlage zu stellen.
        änder und Kommunen können nicht mehr für ihre Lan-
        esbanken und Sparkassen haften, Es war also notwen-
        ig, die gesetzlichen Regeln für Pfandbriefe zu ändern.
        n diesem Zusammenhang haben wir erreicht, dass die
        ls besonders sichere Anlage geltenden Pfandbriefe zu-
        ünftig von mehr Kreditinstituten als bisher vertrieben
        erden können.
        Bei der Neuregelung mussten wir darauf achten, dass
        ie Qualität eines seit mehr als hundert Jahren und sehr
        ttraktiven Produkts weiter gesteigert wird. Ich denke,
        as ist uns gelungen. Die bedeutende Rolle des Pfand-
        riefs an den nationalen und internationalen Finanz-
        ärkten ist Beweis des Anlegervertrauens, das durch das
        orliegende Gesetz zusätzlich gestärkt wird. Deutsche
        fandbriefe sind die bedeutendsten festverzinslichen
        ertpapiere in Europa. Insbesondere bezieht sich dies
        uf öffentliche Pfandbriefe, aber auch der deutsche Hy-
        otheken-Pfandbrief ist klarer europäischer Marktführer.
        ls wichtiger Exportartikel des deutschen Finanzmark-
        es ist er Vorbild für viele vergleichbare Kapitalmarkt-
        rodukte in anderen europäischen Ländern. Für den
        ettbewerb, der daraus erwächst, sind die deutschen
        reditinstitute mit dem neuen Pfandbriefgesetz bestens
        erüstet.
        Deshalb möchte ich den an diesem Erfolg Beteiligten
        erzlich danken: insbesondere meiner Kollegin Kerstin
        ndreae und dem Kollegen Leo Dautzenberg, Herrn
        üller, Herrn Thiele, aber auch dem Ministerium, na-
        entlich Herrn Conert und Herrn Kiekenbeck sowie den
        ertretern der Verbände, mit denen wir in enger Abstim-
        ung waren. Alle gemeinsam haben mit dem neuen Ge-
        etz nachgewiesen, dass wir sachlich, konstruktiv und
        onzentriert zusammenarbeiten können. Sie haben mir
        ie Arbeit sehr leicht gemacht. Dafür nochmals meinen
        ank.
        Wir hatten uns gemeinsam zum Ziel gesetzt, den ho-
        en Qualitätsstandard des Pfandbriefs bei der Neugestal-
        ung des Gesetzes weiter zu verbessern. Er sollte kon-
        urrenz- und zukunftsfähig werden. Denn auch in
        nderen europäischen Ländern gibt es mittlerweile ge-
        etzliche Grundlagen, die sich an dem deutschen Pfand-
        riefrecht orientieren. Tatsächlich wurde der ordnungs-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14783
        (A) )
        (B) )
        politische Rahmen des Finanzplatzes Deutschland weiter
        verbessert.
        Die Bankenverbände hatten in der Diskussion des Ge-
        setzentwurfs sehr unterschiedliche Forderungen formu-
        liert. Insbesondere mussten wir zwischen öffentlich-
        rechtlichen, privaten und genossenschaftlichen Instituten
        vermitteln. Auch die großen, institutionellen Investoren
        waren zu berücksichtigen. Dies ist uns gemeinsam ge-
        lungen. Daneben ist ein Erfolg, dass die bisher dreige-
        teilte Rechtsmaterie aus Hypothekenbankgesetz, Gesetz
        über Pfandbriefe und verwandte Schuldverschreibungen
        öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten und Schiffsbank-
        gesetz in einem neuen für alle Betroffenen gut nutzbaren
        Gesetz geregelt wurde. Das Marktvertrauen in den
        Pfandbrief ist dadurch gestärkt worden. Der Vorsprung
        gegenüber den europäischen Wettbewerbern wurde aus-
        gebaut.
        Im Wesentlichen wird die Vergabe von Pfandbriefen
        zukünftig all den Kreditinstituten erlaubt, die den gesetz-
        lichen Anforderungen zum Schutz des Pfandbriefge-
        schäfts genügen und die die Erlaubnis nach dem Kredit-
        wesengesetz erhalten. Wir heben also das so genannte
        Spezialbankprinzip auf. Alle Banken können folglich
        ihre Geschäftsfelder frei wählen.
        Bereits in der Anhörung wurde der damalige Regie-
        rungsentwurf als großer Wurf bezeichnet. Mit dem Ge-
        setzentwurf, den wir heute beschließen, haben wir noch
        weitergehende Verbesserungen durchgesetzt: Nach ein-
        helliger Befürwortung durch die Sachverständigen wer-
        den Immobilienkredite aus den USA, Kanada und Japan
        auch zur Deckung von Pfandbriefen zugelassen. Zusam-
        men mit dem Pfandbriefgesetz ist zudem eine Anhebung
        der Schwelle bei der Offenlegungsvorschrift des § 18
        des Kreditwesengesetzes beschlossen worden. Der
        Schwellenwert wird auf 750 000 Euro verdreifacht, wo-
        bei zehn Prozent des haftenden Eigenkapitals des Kredit-
        instituts als zweite Obergrenze festgelegt worden ist. Mit
        dieser neuen Grenze wird dem Gebot, die Stabilität der
        Finanzmärkte zu stärken, und der Wettbewerbsgleichheit
        deutscher Banken mit anderen europäischen Banken
        Rechnung getragen.
        Natürlich gab es auch Streitpunkte. Mit der geschaffe-
        nen Übergangsfrist für öffentlich-rechtliche Banken ha-
        ben wir jedoch den am schwersten wiegenden Aspekt
        angemessen gelöst. Öffentlich-rechtliche Banken kön-
        nen für die Neuausgabe von Pfandbriefen noch bis Ende
        Juni 2006 in eingeschränktem Umfang ihre Deckungs-
        massen nutzen, die nach Marktwertverfahren bewertet
        wurden. Danach gilt für alle Neuemissionen verbindlich
        das Beleihungswertprinzip. Die Übergangsfrist schafft
        den öffentlichen Banken den nötigen Spielraum, ihre
        Bewertungsverfahren anzupassen, ohne den Wettbewerb
        allzu stark zu verzerren.
        Wichtig war es, die hohen Anforderungen an den
        Pfandbrief zu wahren. Wir haben sie sogar verschärft.
        Die Institute müssen nachweisen, dass sie die strengen
        Mindestanforderungen erfüllen und werden unter eine
        effektive Aufsicht gestellt. Das Gesetz garantiert Sicher-
        heit und Qualität des Pfandbriefs und damit seine Wett-
        bewerbsfähigkeit. Am nationalen und den internationa-
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        en Kapitalmärkten genießt der Pfandbrief hohes
        nsehen. Dabei wird es bleiben. Denn strenge gesetzli-
        he Vorschriften sichern seine Attraktivität. Die SPD-ge-
        ührte Koalition setzt mit dem neuen Pfandbriefgesetz
        hre Politik der Stärkung des Finanzplatzes Deutschland
        nd des Anlegerschutzes fort.
        Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Bereits bei unserer
        rsten Debatte zu diesem Gesetz habe ich auf die beiden
        ründe hingewiesen, weshalb wir das Pfandbriefgesetz
        rauchen. Erstens mussten wir die Folgen des Wegfalls
        on Gewährträgerhaftung und Anstaltslast für die öffent-
        ichen Banken im Juli dieses Jahres berücksichtigen.
        weitens galt es, den Vorsprung des deutschen Pfand-
        riefs gegenüber den europäischen Wettbewerbern zu
        alten und auszubauen. Ich bin überzeugt, dass wir unser
        iel mit dem im Finanzausschuss gefundenen Kompro-
        iss erreicht haben.
        Ich denke, wir sind uns einig, dass wir das wesentli-
        he Problem – den Übergang der öffentlich-rechtlichen
        mittenten auf das Beleihungswertverfahren – sinnvoll
        elöst haben. Die Frist von einem Jahr, in der öffentliche
        anken Deckungsmassen, die nicht nach Beleihungs-
        ertverfahren in die Bücher genommen wurden, weiter
        erwenden dürfen, gibt den betroffenen Instituten die
        öglichkeit, auch weiterhin am Pfandbriefmarkt aktiv
        u sein. Gleichzeitig wurde durch einen leichten Ab-
        chlag auf die nach Verkehrswertverfahren ermittelten
        eckungswerte ein Risikopuffer geschaffen. Last but not
        east wurde so für die öffentlichen Institute ein Anreiz
        eschaffen, möglichst schnell auf das Beleihungswert-
        erfahren umzustellen.
        Wesentlich erscheint mir auch, dass wir mit der Auf-
        ahme von USA, Kanada und Japan den deutschen
        fandbriefemittenten die Möglichkeit eröffnen, ihre Ri-
        iken besser zu diversifizieren. Parallel wurde eine ver-
        chärfte Vorschrift zum Risikomanagement eingeführt,
        ie hier noch einmal ein erhöhtes Sicherheitsniveau bie-
        et. Dem gleichen Ziel dient auch die im letzten Moment
        ingeführte Maßgeblichkeit des ursprünglich ermittelten
        eleihungswertes im – sehr unwahrscheinlichen und bis-
        er nie aufgetretenen – Fall der Insolvenz der Pfand-
        riefbank.
        Ich begrüße ebenfalls die gefundenen Ausnahmerege-
        ungen für die Ritterschaft Stade und den Calenberger
        reditverein. Diese traditionsreichen Pfandbriefinstitute
        aben nun die Möglichkeit, sich weiter am Markt zu be-
        aupten.
        Mit der Klarstellung zu den Nullcouponanleihen im
        ericht des Finanzausschusses haben wir im Sinne der
        fandbriefbanken zur Rechtssicherheit beigetragen.
        So weit einige wichtige Details des jetzt gefundenen
        ompromisses.
        Es bleibt über dieses Gesetz hinaus einiges zu tun, um
        ie Attraktivität des Pfandbriefes weiter zu erhöhen. Am
        ichtigsten ist hier, eine insolvenzfeste Treuhänder-
        chaft an Grundpfandrechten im Insolvenzrecht zu in-
        tallieren. In § 1 des Pfandbriefgesetzes haben wir be-
        eits festgelegt, dass solche treuhänderisch gehaltenen
        14784 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
        (A) )
        (B) )
        Grundbuchschulden als Deckungsmassen verwendet
        werden dürfen, sobald im Insolvenzrecht die entspre-
        chende Voraussetzung geschaffen wurde. Dieser Punkt
        ist auch für den Fortgang der True-Sales-Initiative von
        entscheidender Bedeutung. Deshalb ist eine solche Re-
        gelung für den Finanzplatz Deutschland insgesamt von
        hoher Bedeutung. Im Berichterstattergespräch wurde
        vereinbart, dass die Finanzpolitiker aller Fraktionen
        „ihre“ Rechtspolitiker daran „erinnern“, dass wir hier im
        Rechtsausschuss schnell eine Lösung brauchen.
        Angesichts des Paradigmenwechsels am Pfandbrief-
        markt – weg vom Spezialbankenprinzip, Änderungen im
        Bereich der öffentlichen Banken – bestand bei den Be-
        richterstattern schnell Einigkeit, dass das Gesetz nicht
        mit weiteren Veränderungen belastet werden sollte. Es
        galt, eine Verunsicherung der Investoren zu verhindern.
        Von daher halte ich es für den richtigen Weg, dass wir
        für Luftfahrzeugpfandbriefe, inflationsindexierte Pfand-
        briefe sowie sonstige gedeckte Schuldverschreibungen
        nicht im Rahmen dieses Gesetzes Neuregelungen ge-
        schaffen haben. Es gilt, diese Ansätze gut zu überdenken
        und gegebenenfalls mittelfristige Lösungen zu finden.
        Das Bundesfinanzministerium wurde gebeten, sich ent-
        sprechende Gedanken zu machen.
        Einige kurze Bemerkungen zu den drei Sachverhal-
        ten, bei denen wir das BMF um Prüfung gebeten haben:
        Die Finanzierung von Flugzeugen durch Luftfahrt-
        pfandbriefe erscheint auf den ersten Blick sicherlich
        nicht vollständig unattraktiv. Trotzdem muss man sich
        zunächst grundsätzlich überlegen, ob die hier möglicher-
        weise zugrunde liegenden Sicherheiten geeignet sind,
        das hohe Niveau des Pfandbriefes zu erfüllen. Wird
        diese Frage bejaht, geht es ums Detail. Welche Lebens-
        dauer kann bei Luftfahrzeugen zugrunde gelegt werden,
        welche Ausfallwahrscheinlichkeiten ergeben sich folg-
        lich? Diese Fragen müssen in Ruhe beantwortet werden.
        Das war im laufenden Gesetzgebungsverfahren sicher-
        lich nicht zu leisten.
        Inflationsindexierte Anleihen entwickeln auf den in-
        ternationalen Finanzmärkten eine zunehmende Bedeu-
        tung. Auch Schuldverschreibungen des Bundes werden
        zukünftig zum Teil dieses Merkmal haben. Von daher
        scheint es angemessen, für Pfandbriefe – die an den Fi-
        nanzmärkten als enge Substitute für Staatspapiere ge-
        handelt werden – ein Äquivalent zu schaffen. Allerdings
        müssen auch hier Umsetzungsmöglichkeiten erst noch
        genauer untersucht werden.
        Sollten wir unterhalb des Pfandbriefes eine weitere,
        weniger sichere Klasse „Gedeckter Schuldverschreibun-
        gen“ einführen? Ich kann diese Frage heute noch nicht
        grundsätzlich beantworten. Wir sollten uns hier die mög-
        lichen Wechselwirkungen und Konsequenzen gründlich
        anschauen. Ganz davon abgesehen, müssten dann natür-
        lich wieder Umsetzungsprobleme betrachtet werden.
        Auch wenn wir von der Union uns bei § 18 KWG
        eine mutigere Lösung gewünscht hätten, denke ich doch,
        dass wir bei diesem Gesetzgebungsverfahren insgesamt
        sehr konstruktiv über die Fraktionsgrenzen hinweg zu-
        sammengearbeitet haben. Dafür an alle Kollegen meinen
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        erzlichen Dank! Zum Schluss, doch nicht zuletzt,
        öchte ich auch noch einmal den Vertretern des BMF
        ür die fachliche Unterstützung und die gute Zusammen-
        rbeit danken.
        Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Zunächst
        inmal möchte ich mich für die gute und konstruktive
        usammenarbeit bei der Beratung dieses Gesetzes be-
        anken.
        Diese gute und einvernehmliche Beratung führt dazu,
        ass wir auch dieses Gesetz, wie viele andere Finanz-
        arktgesetze davor, einstimmig beschließen können.
        Bei den vorhergehenden Diskussionen im Ausschuss
        nd im Kreise der Berichterstatter haben wir uns immer
        n folgenden Leitgedanken orientiert: Die hohen Quali-
        ätsstandards des Pfandbriefs dürfen nicht infrage ge-
        tellt werden; eine internationale Benchmark-Stellung
        uss unbedingt erhalten bleiben und ausgebaut werden;
        ie gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen aber so
        usgestaltet sein, dass deutsche Pfandbriefe gleichzeitig
        ber zukunftsfähig und international konkurrenzfähig
        ind.
        Ich bin davon überzeugt, dass wir diesen Zielen ge-
        echt geworden sind. Mit dem neuen Pfandbriefgesetz
        erden die notwendigen Schritte eingeleitet, um den
        rdnungspolitischen Rahmen für den Finanzplatz
        eutschland weiter zu verbessern und die bereits hohe
        kzeptanz des deutschen Pfandbriefes noch weiter zu
        ertiefen.
        Der Umstand, dass heute Deutschland eher ein Ver-
        riebsstandort, denn ein Produktionsstandort für Finanz-
        rodukte ist, macht es umso mehr erforderlich, den ge-
        annten Prinzipien gerecht zu werden.
        Der Pfandbrief hat sich im vergangenen Jahrzehnt
        on einem deutschen Wertpapier mit langer Tradition zu
        inem weltweit gefragten Anlageinstrument entwickelt.
        eute ist er der Exportartikel des deutschen Finanzmark-
        es schlechthin. Mit einem Volumen von weit über 1 Bil-
        ion Euro ist er auch einer der größten Segmente des in-
        ernationalen Fixed-Income-Marktes.
        Eine Frage, die wir eingehend erörtert haben und die
        uch in der Anhörung eine gewisse Rolle gespielt hat,
        ar die Erweiterung der Länder, in denen deckungs-
        tockfähige Hypotheken belegt sein dürfen. Wir haben
        ns von vornherein für eine Erweiterung der Länder um
        ie USA, Kanada und Japan ausgesprochen.
        Immobilienmärkte funktionieren heute zunehmend
        nternational, sie sind also nicht mehr in streng abge-
        renzte nationale Marktsegmente unterteilt. Dem müs-
        en auch die Anbieter von Finanzierungslösungen Rech-
        ung tragen, indem sie ihren Kunden in neue Märkte
        olgen.
        Einhellig waren wir der Meinung, den Vorschlägen,
        fandbriefe als Deckungsmasse zuzulassen, nicht zu fol-
        en. Dies spielte mit den schon ausgeführten Prinzipien
        m Zusammenhang mit der Qualität der deutschen
        fandbriefe eine besondere Rolle.
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14785
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        Wir haben uns dagegen entschieden, weil die befürch-
        teten negativen „Kaskaden“-Effekte nicht entkräftet
        werden konnten. Letztlich könnte dies zu einer Aufblä-
        hung des Pfandbriefvolumens führen.
        Das neue Pfandbriefgesetz führt zu einer einheitli-
        chen Bewertung der Immobilien. Künftig ist für alle
        Bankengruppen das Beleihungswertverfahren maßgeb-
        lich. Dies ist eindeutig zu begrüßen.
        Allerdings ist klar geworden, dass die öffentlichen
        Banken bei einer Neubewertung ihrer bereits vorhande-
        nen Deckungsstöcke noch in diesem Jahr massiv belastet
        worden wären. Dies wäre mit ziemlicher Sicherheit nicht
        zu schaffen gewesen. Dies hätte letztlich zu einer deutli-
        chen Einschränkung der Emissionstätigkeit der Landes-
        banken geführt.
        Insofern waren wir bemüht, die größten Belastungen
        zu vermeiden. Dabei war abzuwägen, die Belastungen,
        die den Landesbanken durch die Führung von zwei De-
        ckungsstöcken entstehen, gegen die Vorteile für alle
        Emittenten durch die Schaffung einer einheitlichen
        Rechtsgrundlage für alle Pfandbriefemissionen. Immer
        im Blick, dass an der Qualität des deutschen Pfandbrie-
        fes keinerlei Zweifel aufkommen sollen.
        Für einen Übergangszeitraum sollen die öffentlichen
        Banken beim Marktwertverfahren bleiben können, aller-
        dings bei einem Ansatz von nur 50 Prozent.
        Dies bedeutet für diesen Übergangszeitraum eine
        Spaltung des Pfandbriefmarktes. Diese Spaltung wollten
        wir eigentlich verhindern. Welche Auswirkungen diese
        Spaltung hat, ist aus heutiger Sicht nicht abschätzbar.
        Darüber hinaus entsteht ein Wettbewerbsnachteil für die
        Emittenten, die nicht unter diese Übergangsfrist fallen.
        Die nunmehr vorgenommene Änderung hat also inso-
        fern einen Schönheitsfehler. Im Zuge der Beratungen hat
        sich aber herausgestellt, dass auch andere Lösungsmög-
        lichkeiten ebenfalls Probleme mit sich gebracht hätten.
        Kurzfristig hereingenommen haben wir noch eine
        Änderung des § 18 KWG, die an sich nichts mit dem
        Pfandbrief zu tun hat. Es handelt sich hierbei um die Än-
        derung der Offenlegungsvorschriften bei Kreditausrei-
        chungen.
        Seit längerem beklagen die Kreditinstitute die büro-
        kratische Belastung im Zusammenhang mit der prakti-
        schen Anwendung dieser gesetzlichen Regelung.
        Gleichzeitig bestehen gerade im Grenzgebiet zu Öster-
        reich Wettbewerbsnachteile, weil die Offenlegungs-
        grenze dort bei 750 000 Euro liegt und nicht wie in
        Deutschland bei 250 000 Euro.
        Der Beschlussvorschlag sieht nunmehr ebenfalls eine
        Anhebung der Grenze auf eine Dreiviertelmillion vor.
        Unsere Fraktion hatte eine Million vorgeschlagen.
        Ich finde es sehr erfreulich, dass wir die Kreditver-
        gabe der Banken damit erleichtern können. Erfreulich
        finde ich auch, dass beim Bundesfinanzministerium of-
        fenbar ein Lernprozess stattgefunden hat. Auf schriftli-
        che Fragen vor einem halben Jahr wurde immer wieder
        geantwortet, dass seitens der Bundesregierung kein
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        andlungsbedarf gesehen werde. Ich bedanke mich aus-
        rücklich, dass Sie nunmehr der Auffassung der Bayeri-
        chen Staatsregierung gefolgt sind und von sich aus Än-
        erungen vorgeschlagen haben.
        Lassen Sie mich aber auch betonen: Mit der Ände-
        ung der gesetzlichen Vorschrift müssen auch Erleichte-
        ungen bei der praktischen Anwendung einhergehen.
        nsonsten wäre diese Gesetzesänderung nichts anderes
        ls ein Placebo. Damit wäre niemandem gedient. Ich
        offe sehr, dass die BaFin bei der Formulierung des
        euen KWG-18-Rundschreibens sich an diesem politi-
        chen Willen orientiert.
        Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke,
        ir sind bei der Fortentwicklung des Finanzplatzes
        eutschland heute wieder ein Stück vorangekommen.
        assen Sie uns weiterhin im Sinne der Stärkung dieser
        olkswirtschaftlich wichtigen Branche und den vielen
        rbeitsplätzen in diesem Bereich gemeinsam daran ar-
        eiten.
        Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        as Pfandbriefgesetz ist ein guter, ein sehr guter Wurf.
        it anderen Worten: Es ist ein Erfolg. Dieses Gesetz der
        undesregierung wird weithin begrüßt; es ist im Finanz-
        usschuss einstimmig von allen Fraktionen verabschie-
        et worden. Das liegt an seiner umsichtigen Gestaltung:
        it diesem Gesetz wird sowohl der Boden für weiteren
        rfolg dieses deutschen Spitzenfinanzproduktes bereitet
        nd gleichzeitig eine Gesetzesvereinfachung erreicht.
        as Gesetz entspricht der Idee eines offenen, bezüglich
        er Qualitätsstandards und des Marktzuganges staatlich
        eaufsichtigten Wettbewerbs.
        Unsere wichtigste Botschaft an die Finanzwelt lautet:
        as Gesetz der rot-grünen Koalition wird die Sicherheit
        nd Qualität des Pfandbriefs bewahren und ausbauen.
        esentliche Neuerung ist, dass nun alle Banken, die be-
        timmte Anforderungen erfüllen, Pfandbriefe ausgeben
        ürfen. Das entspricht auch der Idee des Wettbewerbes
        n Europa. Damit ist klar: Der Pfandbrief hat sowohl
        radition wie auch Potenzial. Das Potenzial wird durch
        as neue Gesetz genutzt.
        Unser Ziel in den Verhandlungen war es, die vielen
        etailfragen zu lösen. Weil Pfandbriefe erfolgreich sind
        nd es bleiben sollen, galt es, verschiedene Interessen
        usammenzuführen. Auch dies ist gelungen. Hauptstreit-
        unkt war: Wann und wie greift welche Bewertung der
        mmobilien der Deckungsmasse?
        Die Bewertung der Deckungsmasse ist neben der In-
        olvenzfestigkeit wichtigstes Element der Sicherheit der
        fandbriefe. Wir haben uns deshalb dafür eingesetzt,
        ass das vorausschauendste Verfahren eingesetzt wird,
        as es gibt: das Beleihungswertverfahren. Damit ist die
        icherste und konservativste Bewertungsmethode nun im
        esetz verankert.
        Hierdurch ergab sich für öffentliche Banken die
        rage, wie ihre in der Vergangenheit anders bewerteten
        eckungsmassen zu behandeln sind. Dies ergab die Not-
        endigkeit einer Übergangsregelung. Diese musste kurz
        enug sein, um dem Pfandbrief nicht zu schaden, und
        14786 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
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        lang genug, um eine Umstellung zu ermöglichen und
        eine übermäßige Belastung zu verhindern.
        Wir haben nun eine unbürokratische Übergangslö-
        sung für öffentliche Banken beschlossen. Auch der letzte
        offene Punkt bezüglich einer Neuregelung des Pfand-
        briefrechtes ist positiv geregelt worden. Die Immobilien-
        bestände meist öffentlicher Banken, die noch nach dem
        früher gängigen Marktwertverfahren bewertet gewesen
        waren, können noch bis zum 30. Juni 2006 für die Neu-
        begebung von Pfandbriefen genutzt werden. Diese Im-
        mobilien können mit 50 Prozent des nach Markt- bzw.
        Verkehrswertverfahren ermittelten Wertes in die De-
        ckungsmasse eingestellt werden. Nach Ende der Über-
        gangsfrist sind alle Immobilien einheitlich nach dem im
        Gesetz vorgesehenen Beleihungswertverfahren zu be-
        werten. Das Beleihungswertverfahren findet die Zustim-
        mung aller beteiligten Verbände.
        Damit kommt die Koalition den öffentlichen Banken
        entgegen, die anderenfalls aufgrund der sonst fälligen
        sofortigen Umbewertung eine Emissionspause hätten
        hinnehmen müssen. Die Übergangsregelung ist unbüro-
        kratisch und vermeidet so langwierige Prüfungsverfah-
        ren.
        Weiterhin wird im Pfandbriefgesetz die Vorausset-
        zung für die Indeckungnahme treuhänderisch gehaltener
        Grundschulden geschaffen. Dies soll mittelfristig die
        Fungibilität der Deckungsmassen unter Beibehaltung
        hoher Sicherheitsstandards erweitern. Dies bedeutet eine
        Erleichterung für alle Banken, die Pfandbriefe emittie-
        ren. Für diese Erleichterung sind zusätzlich ergänzende
        Schritte in anderen Rechtsbereichen, etwa im Insolvenz-
        recht, notwendig. Die Koalitionsfraktionen haben zuge-
        sagt, die Bundesregierung auf eine Beschleunigung ent-
        sprechender Verfahren hinzuweisen.
        Wir haben uns wirklich bemüht, selbst die kleinsten
        Details zu beachten. So wird im Rahmen des Gesetzes
        dafür gesorgt, dass kleine Institute, die in der deutschen
        Geschichte maßgeblichen Anteil an der Entwicklung des
        Pfandbriefs hatten, nun nicht durch das neue Gesetz vom
        Markt gefegt werden. Für sie gilt ein expliziter Be-
        standsschutz. Wir sind den Trends der Internationalisie-
        rung und der Globalisierung vorsichtig gefolgt und ha-
        ben eine Erweiterung des Länderkreises, aus welchem
        Immobilien in Deckung genommen werden können, auf
        USA, Kanada und Japan vorgenommen, dies in Verbin-
        dung mit einer Regel, die von Pfandbriefe emittierenden
        Banken einen Erfahrungsnachweis für die jeweiligen
        Märkte fordert.
        Das neue Gesetz ist überdies eine Vereinfachung.
        Bisher waren die Emissionsvoraussetzungen im Hypo-
        thekenbankgesetz (HBG) und im Gesetz über die Pfand-
        briefe und verwandten Schuldverschreibungen öffent-
        lich-rechtlicher Kreditanstalten (ÖPG) geregelt. Das
        neue Gesetz ersetzt beide Gesetze sowie mehrere Ver-
        ordnungen, die komplett entfallen. Auch dies entspricht
        unseren Zielen. Fazit: Wenn es immer so gut laufen
        würde, wäre das schön.
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        Carl-Ludwig Thiele (FDP): Das Produkt Pfandbrief
        ibt es seit 235 Jahren. Mit diesem Gesetz soll die inter-
        ationale Vormachtstellung des deutschen Pfandbriefs
        esichert werden. Von einem EU-weiten Umlaufvermö-
        en von 1 550 Milliarden Euro haben deutsche Pfand-
        riefe ein Volumen von 1 060 Milliarden Euro und kom-
        en damit auf einen Marktanteil von 68 Prozent im EU-
        arkt.
        Am 18. Juli 2005 entfällt die Gewährträgerhaftung
        ei gleichzeitiger Modifizierung der Anstaltslast. Des-
        alb begrüßt es die FDP, dass mit diesem Gesetz zur
        euordnung des Pfandbriefrechts das Hypothekenbank-
        esetz, das Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten
        chuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditan-
        talten sowie das Gesetz über Schiffspfandbriefbanken
        ereinheitlicht und zusammengefasst werden. Die FDP-
        raktion begrüßt es ferner, dass es interfraktionell gelun-
        en ist, diese Neuordnung des Pfandbriefrechts mit der
        chaffung dieses eigenständigen Pfandbriefgesetzes zu
        eschließen.
        Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es einen scharfen
        ettbewerb auch unter den Gesetzgebern in Europa gibt,
        m Investoren anzuziehen, Im Gegensatz zu anderen
        olitikfeldern gehen wir hier keinen schädlich isolieren-
        en nationalen Alleingang. Mit diesem Gesetz wird viel-
        ehr die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Pfand-
        riefs deutlich gestärkt.
        Bevor ich auf die weiteren Einzelheiten dieses Geset-
        es eingehe, möchte ich einen Punkt gesondert anspre-
        hen, der aus meiner Sicht von erheblicher Bedeutung
        ür die Versorgung der Wirtschaft mit Krediten ist. Bei
        em Gesetz zur Neuordnung des Pfandbriefrechts han-
        elt es sich um ein Artikelgesetz. Da auch § 18 KWG
        on diesem Gesetz erfasst ist, begrüßt es die FDP, dass
        uch die anderen Fraktionen dem Vorschlag gefolgt sind,
        ie Grenze für die Offenlegung der wirtschaftlichen Ver-
        ältnisse eines Kreditnehmers von 250 000 Euro auf
        50 000 Euro bzw. 10 Prozent des haftenden Eigenkapi-
        als der Bank zu erhöhen. Wir hätten uns allerdings sehr
        arüber gefreut, wenn auch unser darüber hinausgehen-
        er Antrag auf Erhöhung auf 1 Million Euro eine Mehr-
        eit gefunden hätte. Wichtig ist auch, dass der Antrag
        er FDP aufgenommen wurde, diese Änderung des § 18
        WG unmittelbar mit der Veröffentlichung dieses Ge-
        etz in Kraft zu setzen. Dies wird voraussichtlich schon
        nde März stattfinden.
        Ziel dieses Gesetzes zur Neuordnung des Pfandbrief-
        echts ist daher bei Wahrung der hohen Qualität des
        fandbriefes die Ausdehnung der Befugnis zur Pfand-
        riefbegebung auf alle Kreditinstitute, die bestimmten
        nforderungen zum Schutz des Pfandbriefgeschäfts ge-
        ügen und von der Bundesanstalt für Finanzdienstleis-
        ungsaufsicht eine Erlaubnis zur Pfandbriefbegebung er-
        alten. Dazu ist es wichtig, dass die Definition des
        fandbriefgeschäfts als Bankgeschäft im Sinne des § 1
        WG definiert wurde. Ferner muss ein Kernkapital von
        indestens 25 Millionen Euro vorhanden sein und ein
        eschäftsplan vorliegen, aus dem unter anderem hervor-
        eht, dass das Kreditinstitut das Pfandbriefgeschäft vo-
        aussichtlich regelmäßig und nachhaltig betreiben wird.
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14787
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        Wird dieses Pfandbriefgeschäft nicht regelmäßig und
        nachhaltig betrieben, kann die Erlaubnis aufgehoben
        werden.
        Abschließend möchte ich für die FDP feststellen, dass
        die Beratung zu diesem Gesetz aus unserer Sicht sehr
        konstruktiv und sachbezogen war. Dieses wünschen wir
        auch bei anderen Gesetzesvorhaben.
        Für die FDP wünsche ich, dass dieses Gesetz dazu
        beiträgt, die Vormachtstellung des deutschen Pfandbrie-
        fes weiter zu festigen und auszubauen.
        Anlage 8
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Fototafeln zum
        17. Juni 1953 erhalten (Tagesordnungspunkt 20)
        Eckhardt Barthel (Berlin) (SPD): Manchmal sind
        dreißig Minuten Debattenzeit zu viel Aufhebens für eine
        Angelegenheit, bei der man nicht umhin kann zu fragen,
        warum sich eigentlich der Deutsche Bundestag mehrfach
        damit beschäftigen muss. Wir sind hier kein Kommunal-
        parlament, und es gehört wohl auch zur Verantwortung
        von Parlamentariern, vor Einbringung eines Antrages
        über die Relevanz des Anliegens für dieses Haus nach-
        zudenken.
        Darin liegt der erste Punkt meiner Ausführungen, die
        ich ja nun nolens volens machen muss. Der Deutsche
        Bundestag ist für die Fototafeln zum Gedenken an den
        17. Juni 1953 an der Fassade des Bundesfinanzministeri-
        ums schlicht und ergreifend nicht zuständig. Beim Streit
        um die Frage, ob die Tafeln dort hängen bleiben sollen
        oder nicht, handelt es sich um eine juristische Auseinan-
        dersetzung zwischen dem Ministerium und der „Arbeits-
        gemeinschaft 13. August“. Diese Auseinandersetzung ist
        im Übrigen längst entschieden, denn das Landgericht
        Berlin hat am 8. September 2004 zugunsten des Klägers
        verfügt, dass die Tafeln abgehängt werden müssen. Die
        Berufung gegen dieses Urteil hat der Beklagte kürzlich
        zurückgezogen. Damit ist es rechtskräftig, und die Ta-
        feln sind unverzüglich zu entfernen. Ich weiß ehrlich ge-
        sagt nicht, wo es bei dieser Angelegenheit seitens der
        Legislative, das heißt, seitens des Deutschen Bundesta-
        ges, jetzt noch Handlungsbedarf geben soll. Diese
        simple Feststellung hat weder mit der Erinnerung an die
        Ereignisse vom 17. Juni 1953 noch mit einer Bewertung
        der Fototafeln etwas zu tun. Ich habe schon in der Dis-
        kussion im Ausschuss für Kultur und Medien gesagt,
        dass ich persönlich die Fototafeln gut finde und dass
        man im Land Berlin über einen anderen Standort für sie
        nachdenken sollte. Die riesigen Bilder von demonstrie-
        renden Arbeiterinnen und Arbeitern sind durchaus be-
        eindruckend und erinnern ohne falsches Pathos an die
        erste große politische Erschütterung des DDR-Unrechts-
        regimes, das dann Jahrzehnte später endlich und viel zu
        spät unterging.
        Ebenso wenig wie um ästhetische oder historische
        Einschätzungen geht es hier um die Aktivitäten der „Ar-
        beitsgemeinschaft 17. Juni“. Deren maßgebliche Wort-
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        ührerin, Frau Hildebrandt, ist zwar uns allen mittler-
        eile als schillernde Persönlichkeit, als eine, wenn auch
        elbsternannte, Jeanne d‘Arc der DDR-Erinnerungskul-
        ur bekannt. Doch wir sollten uns hier nicht mit den Mo-
        iven einzelner Personen beschäftigen, sondern nach
        riterien nüchternen Räsonnements einen Sachverhalt
        eurteilen. Zu diesem Sachverhalt gehört unter anderem
        uch der Umstand, dass es am Gebäude des Finanzmi-
        isteriums, nur ein paar Steinwürfe von hier entfernt, be-
        eits ein Kunstwerk gibt, das die Ereignisse des 17. Juni
        953 zum Gegenstand hat. Das in den Boden vor dem
        ebäude eingelassene Glasbild des Berliner Künstlers
        olfgang Rüppel reflektiert den bezeichnenderweise
        953 von Max Lingner geschaffenen Wandfries an der
        assade des Ministeriums, das im Stil des sozialistischen
        ealismus das „süße Leben in der DDR“ zeigt. Auf
        üppels Bild, das mit 24 Metern Länge dieselben Aus-
        aße wie der Fries hat, sind demonstrierende Arbeite-
        innen und Arbeiter des 17. Juni 1953 in ästhetischer
        erfremdung zu sehen. Die Idee des Künstlers besteht
        arin, durch die Verlagerung seines Denkmals in die
        rde, das Spannungsverhältnis zwischen der Ideologie
        es bürokratischen Sozialismus und der gesellschaftli-
        hen Realität symbolisch zu rekonstruieren.
        Abgesehen davon, dass die ästhetische Wirkung die-
        es Kunstwerks durch die Fototafeln der „Arbeitsge-
        einschaft 17. Juni“ beeinträchtigt wird, hat der Künst-
        er mit einer erneuten Klage gedroht, wenn die Tafeln
        etzt nicht unverzüglich abgehängt werden. Und damit
        in ich wieder bei den formalen Problemen. Das Projekt
        er Fototafeln wurde 2003 anlässlich des 50. Jahrestags
        es Volksaufstandes in der DDR vom Finanzministerium
        ür wenige Wochen genehmigt – dies vor dem Hinter-
        rund, dass das Gebäude unter Denkmalsschutz steht
        nd die Fassade nicht ohne weiteres dauerhaft verändert
        erden darf. Ich denke, es ist ein Gebot der Fairness,
        ass man sich an solche Abmachungen dann auch hält.
        m Zusammenhang mit dem „Mauer-Disneypark-Pro-
        ekt“, das Frau Hildebrandt am Checkpoint Charlie
        benfalls ohne Einhaltung der mit dem Land Berlin ver-
        inbarten Befristung veranstaltet, muss hier schon darauf
        ingewiesen werden, dass man einvernehmlich getrof-
        ene Regelungen nicht einfach missachten darf, wenn es
        inem beliebt.
        Abschließend will ich noch einmal darauf hinweisen,
        ass es hier nicht um die persönliche Einschätzung des
        bgeordneten Barthel oder irgendeines anderen Abge-
        rdneten zu den Fototafeln zum 17. Juni geht. Vielmehr
        aben wir die Bedingungen zu beachten, unter denen mit
        en Tafeln am Ministerium umzugehen ist. Diese Bedin-
        ungen habe ich beschrieben. Wir haben demnach ein
        echtskräftiges Urteil, wir haben ein bereits existierendes
        unstwerk, wir haben eine terminliche Vereinbarung
        nd wir haben ein denkmalgeschütztes Gebäude. Was
        ir nicht haben, ist weiterer Redebedarf in diesem
        ause. Über die Zukunft der Fototafeln an einem ande-
        en Ort soll das Land Berlin in Zusammenarbeit mit der
        enkmalschutzbehörde entscheiden. Deshalb wird
        eine Fraktion bei ihrer Haltung bleiben und den Antrag
        er Union ablehnen.
        14788 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
        (A) )
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        Roland Gewalt (CDU/CSU): Der Platz vor dem heu-
        tigen Bundesfinanzministerium, Wilhelmstraße/Ecke
        Leipziger Straße, ist nicht irgendeiner der Schauplätze
        des Volksaufstandes. An diesem Ort war das Zentrum
        der Erhebung vom 17. Juni 1953. Es erfordert daher
        – ich hoffe, dass wir uns in diesem Punkt einig sind –
        ein hohes Maß an Sensibilität, was die Gestaltung dieses
        geschichtsträchtigen Ortes anbelangt.
        Man muss es einmal offen aussprechen: Gerade diese
        Gestaltung des Platzes ist hier leider misslungen. Die
        Teilnehmer des Volksaufstandes und die Opfer kritisie-
        ren zu Recht, dass das im Boden eingelassene Denkmal
        zur Erinnerung an den 17. Juni für den auf dem Platz ste-
        henden Betrachter nicht zu erkennen ist und – wenn man
        es dann zufällig doch entdeckt – mit dem Volksaufstand
        nur schwer in Verbindung gebracht werden kann. Dage-
        gen – das ist für die Opfer besonders schmerzlich –
        prangt an der Hauswand des Finanzministeriums ein rie-
        siges, von weitem sichtbares Wandgemälde, das die
        SED-Diktatur verherrlicht.
        Es ist deshalb verständlich, dass die Arbeitsgemein-
        schaft „13. August“ hier einen deutlich sichtbaren Kon-
        trapunkt setzen wollte und an der gegenüberliegenden
        Fassade große Fototafeln anbrachte, die an den Frei-
        heitskampf der Menschen an diesem Ort erinnern sollen.
        Ohne Frage finden diese durchaus gelungenen Foto-
        tafeln bei den Menschen mehr Beachtung und mehr Zu-
        stimmung als das unscheinbare und seine Wirkung völ-
        lig verfehlende Denkmal auf diesem Platz.
        Ich will überhaupt nicht bestreiten, dass der Weg, den
        die Arbeitsgemeinschaft „13. August“ gewählt hat, ju-
        ristisch gesehen nicht ganz korrekt war. Gerade die Tat-
        sache, dass die Montage der Fototafeln an der Hauswand
        des Finanzministeriums vielen Menschen, vor allem
        aber den Teilnehmern an dem Volksaufstand, aus dem
        Herzen gesprochen hat, macht es völlig unverständlich,
        dass hier der Bundesfmanzminister völlig unsensibel
        nach der „Holzhammermethode“ vorgeht. Es ist nicht
        einmal der Versuch unternommen worden, mit der Ar-
        beitsgemeinschaft „13. August“ und der zuständigen
        Denkmalschutzbehörde ein Einvernehmen zu erzielen.
        In dieses Bild passt, dass das Vermittlungsangebot des
        Regierenden Bürgermeisters von Berlin, der ja bekann-
        termaßen Parteifreund von Herrn Eichel ist, brüsk vom
        Bundesfinanzminister zurückgewiesen wurde.
        Ich bin nun selbst Jurist und neige auch manchmal
        dazu, die Dinge sehr stark durch die rechtliche Brille zu
        sehen. Aber der Streit um die Gestaltung eines der
        geschichtsträchtigsten Orte in der Bundesrepublik
        Deutschland gehört einfach nicht in einen Gerichtssaal.
        Wenn man dann nun aber schon einen Prozess anstrengt,
        wie es der Bundesfinanzminister getan hat, dann sollte
        man hier wenigstens ein bisschen Fingerspitzengefühl an
        den Tag legen. Der Versuch, die beklagte Arbeitsge-
        meinschaft „13. August“ von einer Berufung abzuhalten,
        indem er mit einer geradezu abenteuerlichen Begrün-
        dung den Streitwert hochtreibt, ist nicht nur unangemes-
        sen, er ist geradezu peinlich. Dem Bundesfinanzministe-
        rium seien – so argumentiert das Ministerium – durch
        das Verbleiben der Fototafeln an der Hauswand des Ge-
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        äudes Einnahmen in Höhe von 180 000 Euro durch die
        ermietung als Werbefläche entgangen. Bei allem Ver-
        tändnis für juristische Häkeleien: In diesem Zusammen-
        ang kann ein solcher Verfahrenstrick wohl nur als ge-
        chmacklos bezeichnet werden.
        Bei den Beratungen des Antrags im Innenausschuss
        st zumindest bei der SPD-Fraktion angeklungen, dass
        an Verständnis für den Wunsch der Teilnehmer des
        olksaufstandes und der Opfer hat, das Erscheinungsbild
        ieses Platzes zu verändern. Wir sollten die Diskussion
        m die Fototafeln nicht als Last, sondern als Chance be-
        reifen, hier endlich eine Lösung zu finden. Nichts ande-
        es will die CDU/CSU-Fraktion mit ihrem Antrag errei-
        hen. Ich verstehe nicht, was hieran kritikwürdig ist.
        Günter Nooke (CDU/CSU): Aus Anlass des 50. Jah-
        estages des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 hat die
        rbeitsgemeinschaft „13. August e.V.“ mit der Geneh-
        igung des Bundesministeriums der Finanzen Fotota-
        eln zum Gedenken an die Opfer an der Fassade des Mi-
        isteriums angebracht. Es ist bezeichnend, dass sich die
        olleginnen und Kollegen von der SPD bei den Beratun-
        en im Ausschuss für Kultur und Medien in der Frage
        ach dem Verbleib der Fototafeln zur Erinnerung an den
        olksaufstand am 17. Juni 1953 am Bundesfinanzminis-
        erium darauf verlegt haben, dass der Bund nicht zustän-
        ig und deshalb der Antrag abzulehnen sei. Abgesehen
        avon, dass das nicht einmal richtig ist, da das Bundes-
        inisterium der Finanzen immer noch Teil der Bundes-
        egierung ist, und da vor allem das Gedenken an natio-
        ale Ereignisse auch Bundesangelegenheit ist, ist der
        erweis auf Kompetenzen ein Zeichen dafür, dass man
        it der Sache eigentlich lieber nichts zu tun haben
        öchte. Wollte man mit der Sache hingegen zu tun ha-
        en, würde die Bedeutung der Kompetenzfrage sicher
        icht so betont.
        Aber es geht eben nicht nur um Kompetenzen, son-
        ern hier geht es auch um die Sache. Es geht um die
        ichtbarmachung des Volksaufstandes vom 17. Juni
        953 an einem authentischen Ort. Nicht an irgendeinem
        rt, sondern an dem Ort, der in der Öffentlichkeit am
        tärksten mit dem Volksaufstand in Berlin verbunden
        ird. Die Frage der rechtlichen Grundlage des Verbleibs
        er Fototafeln, die engagierte Bürgerinnen und Bürger
        us Anlass des 50. Jahrestages des Aufstandes für befris-
        ete Zeit ermöglicht haben, ist bei der Einbringung des
        ntrages erörtert worden. Wir haben das auch im Aus-
        chuss für Kultur und Medien thematisiert, und wir ha-
        en vorgeschlagen, die Formulierung dahin gehend zu
        erändern, dass wir uns für einen Verbleib der Fototafeln
        m Ort – zum Beispiel an der Ostseite des Gebäudes –
        ussprechen und nicht auf dem Status quo bestehen, um
        icht das Verfahren höher zu bewerten als das Anliegen.
        enn es ist uns eben die Sichtbarmachung der Ereignisse
        om 17. Juni am authentischen Ort wichtig.
        Der Hauseigentümer, der Bundesminister der Finan-
        en, sollte daher nach einer Lösung suchen, die den
        erbleib der Fototafeln gewährleistet. Juristische Aus-
        inandersetzungen vor Berliner Zivilgerichten sind der
        ensibilität des Themas nicht angemessen, verhindern
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14789
        (A) )
        (B) )
        ein würdiges Gedenken und können zu keinem befriedi-
        genden Ergebnis führen. In der gestrigen Anhörung zu
        unserem Antrag „Förderung von Gedenkstätten zur Dik-
        taturgeschichte in Deutschland – Gesamtkonzept für ein
        würdiges Gedenken aller Opfer der beiden deutschen
        Diktaturen“ im Ausschuss für Kultur und Medien hat
        Hubertus Knabe, Leiter der Gedenkstätte Hohenschön-
        hausen, der als Sachverständiger eingeladen war, darauf
        aufmerksam gemacht, dass es im Stadtbild kaum Hin-
        weise auf die friedliche Revolution von 1989 gibt. Das
        trifft auch auf den Widerstand in der DDR zu. Besonders
        bei der bestehenden künstlerischen Gestaltung am Ort,
        um den es hier geht, ist das auch der Fall, zumindest was
        die tatsächliche Sichtbarkeit angeht. Ich hätte mir auch
        ein anderes, offensichtlicheres Zeichen im Stadtbild ge-
        wünscht.
        Die Fototafeln sind das bislang einzige deutlich wahr-
        nehmbare Denkmal für die Aufständischen des 17. Juni
        1953. Sie sind das notwendige Gegenstück zu dem eben-
        falls an der Hausfassade befindlichen Wandgemälde, das
        propagandistisch das SED-Regime verherrlicht. Die Fo-
        totafeln sollen und können das im Boden vor dem Ge-
        bäude eingelassene Denkmal ergänzen. Hier bietet sich
        nun – das stellt unser Antrag dar – eine konkrete Lösung
        an, die auch die Eigenständigkeit der Arbeiten sicher-
        stellt. Daher sprechen wir uns dafür aus, dass die Bun-
        desregierung sich im Einvernehmen mit allen Beteiligten
        dafür einsetzt, dass die anlässlich des 50. Jahrestages des
        Volksaufstandes in der ehemaligen DDR am 17. Juni
        2003 an der Fassade des Bundesministeriums der Finan-
        zen angebrachten Fototafeln der Arbeitsgemeinschaft
        „13. August e.V.“ am authentischen Ort des Aufstandes
        sichtbar bleiben können.
        Ursula Sowa (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im
        Sinne einer kulturpolitischen Debatte ist das Anliegen
        der CDU/CSU-Fraktion sehr zu begrüßen, das Thema
        Fototafeln am Gebäude des Bundesfinanzministeriums
        auf die politische Agenda zu setzen. Dass sich allerdings
        der Bundestag damit beschäftigen soll, noch dazu zu
        nachtschlafender Zeit, weil sich eine Fraktion vor den
        Karren von Vermarktern – auch wenn es sich um das Ge-
        denken an die DDR handelt – spannen lässt, verdient
        kein größeres Lob.
        Gern erinnere ich an die großzügige Zusage des
        Finanzministers, ein Fotoprojekt zum Gedenken an den
        Volksaufstand des 17. Juni 1953 an einem authentischen
        Ort des Geschehens, nämlich in der Berliner Leipziger
        Straße, zu ermöglichen.
        Im Unionsantrag geht es einmal nicht um die Finanz-
        fragen, wie man bei der Zuständigkeit des Finanzminis-
        ters annehmen könnte. Nein, es geht um Denkmalschutz
        und den Schutz eines bestehenden Kunstwerks und da-
        mit um den Schutz des Urhebers.
        Beginnen wir mit letzterem. Der Künstler Wolfgang
        Rüpper aus Berlin hat nach einem entsprechenden Aus-
        schreibungsverfahren den Zuschlag für den Bau eines
        Denkmals zum 17. Juni erhalten. Und sein Denkmal be-
        zieht das Gebäude mit seiner Fassade in ein durchdach-
        tes Gesamtkonzept mit ein. Das ist ein wichtiger Grund,
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        eshalb die Fassade in ihrer ursprünglichen Form wie-
        er hergestellt werden muss, denn Rüpper hat ein An-
        echt darauf, dass sein Kunstwerk eine eigenständige
        irkung entfalten kann. Und dazu bedarf es einer Fas-
        ade ohne unübersehbare Fotos.
        Von der Frage der Rechte des Künstlers Wolfgang
        üpper völlig unbenommen steht die Tatsache, dass es
        ich um ein denkmalgeschütztes Gebäude handelt. Dabei
        pielt neben der architektonischen auch die historische
        imension eine entscheidende Rolle. Das Haus an der
        eipziger- und Wilhelmstraße wurde unter dem Nazi-
        egime als Reichsluftfahrtministerium genutzt. Wäh-
        end der Alleinherrschaft der SED bot der Gebäudekom-
        lex dem „Haus der Ministerien“ Quartier. Die Arbeiter-
        emonstrationen zogen aus diesem Grund in die
        eipziger Straße, denn sie wollten ihren Widerstand den
        taatsbediensteten in den Ministerien und damit der Re-
        ierung entgegen bringen.
        Der Aufstand am 17. Juni fand jedoch auch an ande-
        en Orten statt und diese Tatsache könnte eine Perspek-
        ive für die Fototafeln jenseits des Bundesfinanzministe-
        iums eröffnen.
        Suchen wir doch einen anderen Ort für die Fototafeln,
        n Berlin werden wir bestimmt fündig werden. Mein
        orschlag: Stellen wir die Fotos doch in den Mittelstrei-
        en der Karl-Marx-Allee. Hier fand der Volksaufstand
        einen Ausgang und hier steht die moderne Kunst nicht
        m Widerspruch zum Denkmalschutz.
        Damit wäre allen Interessen gedient und ein als tem-
        oräres Projekt geplantes Vorhaben könnte aufgrund sei-
        er erworbenen Anerkennung längerfristigen Bestand
        rhalten.
        Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Die FDP
        ält es für wünschenswert, die Fototafeln an ihrem jet-
        igen Standort zu belassen. Sie sind eine ästhetisch ge-
        ungene und stadträumlich wichtige Erinnerung an den
        olksaufstand des 17. Juni 1953.
        Der 17. Juni 1953 ist ein entscheidendes Datum in der
        eutschen Nachkriegsgeschichte. Dieses Datum, das in
        er Bundesrepublik bis 1990 als „Tag der deutschen Ein-
        eit“ ein nationaler Feier- und Gedenktag war, war und
        st Sinnbild für die Auflehnung der Bürger der DDR ge-
        en die SED-Diktatur und steht in einer Reihe mit der
        riedlichen Revolution des Jahres 1989.
        Die Bilder des 17. Juni 1953, die Massen der Arbeiter
        n der Stalinallee, die protestierenden Menschen am
        aus der Ministerien, die Bilder einzelner Demonstran-
        en, die mit Steinen versuchen, die sowjetischen Panzer
        ufzuhalten, sind fester Bestandteil der kollektiven Erin-
        erung an diese Ereignisse. Ebendiese Bilder, die alle
        esucher Berlins aus den Schulbüchern kennen und mit
        em 17. Juni 1953 verbinden, finden sich nun als große
        ototafeln am heutigen Bundesfinanzministerium und
        ind nun Gegenstand des Streits und Gegenstand gericht-
        icher Auseinandersetzung.
        Diese Fototafeln leisten etwas, was das „offizielle“
        enkmal für die Aufständischen des 17. Juni 1953 nicht
        14790 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
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        leistet. Das in den Boden eingelassene, 24 mal 3 Meter
        große Glasbild des Künstlers Wolfgang Rüppel nimmt
        Bezug auf das propagandistische Wandbild Max
        Lingners an der Wand des Rohwedder-Hauses. Im Un-
        terschied zu den Fototafeln ist das Denkmal im Stadt-
        raum nur von Fußgängern erlebbar, nicht aber für vor-
        beifahrende Autofahrer oder Bustouristen. Insofern
        gleichen die Tafeln mit den vertrauten Fotos die Schwä-
        che des Denkmals aus, indem schon von Ferne einer der
        authentischen Orte des 17. Juni 1953 erlebbar wird.
        Kritikwürdig und nicht ganz unproblematisch ist al-
        lerdings die Vorgehensweise der Arbeitsgemeinschaft
        „13. August“, die die Tafeln angebracht hat. Würden die
        Tafeln entgegen den vertraglichen Vereinbarungen am
        Haus belassen werden, könnte dies möglicherweise
        Nachahmungseffekte befördern. Grundlage der Geneh-
        migung war die Zusage der Initiatoren, die Tafeln nach
        einem befristeten Zeitraum wieder zu entfernen. Diesem
        Ansinnen des BMF sind die Beklagten auch nach der
        Entscheidung des Landgerichts, welches entschieden
        hat, dass die Tafeln abgehängt werden müssen, nicht
        nachgekommen. Problematisch ist weiterhin das lau-
        fende Verfahren zwischen Bundesvermögensamt und der
        Arbeitsgemeinschaft „13. August“, in das sich der Bun-
        destag im Detail nicht einmischen sollte.
        Dennoch glaube ich, dass es sinnvoll und der Sache
        dienlich wäre, wenn der Bundestag sich beim BMF bzw.
        beim klageführenden Bundesvermögensamt dafür ein-
        setzt, die Klage zurückzuziehen und so einen Verbleib
        der Tafel zu ermöglichen.
        Die Gebäudeecke Leipziger/Wilhelmstraße ist der
        richtige Ort, um an den Aufstand des 17. Juni 1953 zu
        erinnern, und die Fototafeln sind ein angemessenes äs-
        thetisches Mittel, dies zu tun. Daher plädiert die FDP für
        einen Erhalt der Fototafeln und stimmt dem vorliegen-
        den Antrag zu.
        Anlage 9
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung eines Zweiten Gesetzes zur Ände-
        rung des Teledienstgesetzes (Anti-Spam-Gesetz)
        (Tagesordnungspunkt 21)
        Hubertus Heil (SPD): Die Zahl von Spams, also
        der unerwünschten, massenweise versendeten Werbe-
        E-Mails, hat Besorgnis erregende Ausmaße angenom-
        men. Ihr Anteil am gesamten E-Mail-Verkehr ist von
        7 Prozent im Jahr 2001 auf 65 Prozent im Jahr 2004 ge-
        wachsen. Wir kennen es alle: Die Bearbeitung des tägli-
        chen Posteingangs für Unternehmen und private Emp-
        fänger gerät immer mehr zum Ärgernis. Spams kosten
        täglich kostbare Zeit und Unternehmen viel Geld. Viele
        dieser unbestellten Nachrichten enthalten anstößige oder
        beleidigende Inhalte – die Palette reicht von aggressiver
        Werbung für erotische Angebote oder Potenzmittel über
        Computerviren bis zu Aufforderungen an den Empfän-
        ger, geheime Informationen wie zum Beispiel Bankzu-
        gangsdaten preiszugeben.
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        Mit unserem Gesetzentwurf, den wir heute in erster
        esung beraten, wollen wir nicht nur eine rechtliche Lü-
        ke in der Spamabwehr schließen, weil der Missbrauch
        n den letzten Jahren explosionsartig zugenommen hat.
        er unseren Gesetzentwurf genau liest, erkennt, dass
        ir damit einen Stein für ein wirksames rechtliches Fun-
        ament setzen, auf dem wir einen umfassenden Ansatz
        erfolgen wollen: Ein Vorgehen gegen Spams kann nur
        ann erfolgreich sein, wenn rechtliche, wirtschaftliche
        nd technische Maßnahmen in ihrer Wirksamkeit opti-
        iert und miteinander verzahnt werden. Erforderlich ist
        in abgestimmtes Vorgehen, das Serviceprovider, Ver-
        raucher und den Staat als Akteure auf nationaler, euro-
        äischer und internationaler Ebene einschließt. Als Ge-
        etzgeber wollen und dürfen wir private Freiheiten aber
        ur soweit einschränken, wie autonome gesellschaftliche
        egelungen und technische Möglichkeiten nicht ausrei-
        hen.
        Mit unserem Anti-Spam-Gesetz tun wir das Notwen-
        ige und Machbare:
        Erstens wird das Verschleiern des Absenders oder des
        ommerziellen Charakters einer ohne Einverständnis zu-
        esandten E-Mail in Zukunft in jedem Einzelfall mit ei-
        em Bußgeld von bis zu 50 000 Euro belegt werden. Da-
        it setzen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen
        afür, dass technische Filterprogramme wirksam arbei-
        en können. Gerade in den letzten Jahren hat sich näm-
        ich gezeigt, dass es diese Verschleierungen waren, die
        s unmöglich machten, Spams nach dem Wunsch des
        enutzers schon im Vorhinein automatisch auszusortie-
        en.
        Zweitens legen wir durch das Gesetz einen weiteren
        ichtigen Grundstein für eine wirksame europäische
        nd internationale Zusammenarbeit. Wir setzen – bis die
        rforderlichen abgestimmten internationalen Maßnah-
        en erfolgen – ein Signal für andere Staaten, rechtliche
        ücken zu schließen und für eine wirksame Durchset-
        ung zu sorgen. Dafür braucht es auch dringend eine Be-
        örde, die die Zuständigkeit in Deutschland bündelt.
        ier stehen mehrere Vorschläge im Raum, die wir einge-
        end mit den Ländern und Betroffenen diskutieren wer-
        en.
        Schließlich geben wir durch die ausführliche Begrün-
        ung den Rechtsanwendern, der Wirtschaft und den Ver-
        rauchern Rechtsklarheit darüber, was bereits heute ver-
        oten oder sogar strafbar ist.
        Das von uns 2004 geänderte Gesetz gegen den unlau-
        eren Wettbewerb stellt es bereits heute klar: Jede ohne
        inwilligung des Adressaten versandte elektronische
        erbe-E-Mail ist rechtswidrig. Schon heute verbietet
        as Gesetz ebenfalls, die Identität des Absenders zu ver-
        chleiern oder zu verheimlichen. Wettbewerber und an-
        rkannte Klageverbände, etwa Verbraucherverbände,
        önnen vom Versender Unterlassung und Schadenersatz
        erlangen. Andere Empfänger von Spam-Mails können
        benfalls auf Unterlassung und Schadensersatz klagen.
        Andererseits werden besonders schwerwiegende
        echtsschutzverletzungen beim Spamming bereits heute
        estraft, etwa Mails, die Kinderpornographie, Viren oder
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14791
        (A) )
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        Würmer transportieren. Gleiches gilt für Nachrichten,
        die den ersten Schritt bei einem Betrug darstellen, indem
        sie den Empfänger zur Angabe von Bankzugangsdaten
        wie PIN oder TAN auffordern. Strafbar sind schließlich
        auch Massenversendungen, die zum Zusammenbruch
        von Vermittlungsrechnern oder Empfängerpostfächern
        führen. Die Verschleierung des Absenders und des Cha-
        rakters für sich genommen hat keinen Unwertgehalt, der
        dem gleichkommt, sodass ein empfindliches Bußgeld,
        wie jetzt von uns vorgeschlagen, die richtige Sanktion
        ist.
        Wir sind offen für alle Verbesserungsvorschläge. Nur,
        wer strengere oder weitergehende nationale Regelungen
        möchte, muss diese immer am Verhältnismäßigkeits-
        grundsatz messen. Die ersten Stellungnahmen der
        Betroffenen geben uns Recht: Wir wollen keine bevor-
        mundeten und überwachten, sondern verantwortungsbe-
        wusste Unternehmen und Verbraucher. Sie wollen wir
        aufklären und für sie wollen wir die notwendigen, ver-
        nünftigen Rahmenbedingungen schaffen. Dafür steht un-
        ser Gesetz.
        Ulrich Kelber (SPD): Spamming ist ein internationa-
        les Problem. Kein Land dieser Welt allein kann mit Ge-
        setzen und Strafen diese Seuche stoppen, es sei denn, es
        verbietet die Nutzung des Internets für alle. Spamming
        kann auch nicht allein durch technische Maßnahmen ge-
        stoppt werden, das haben die letzten Jahre gezeigt. Für
        jede technische Anti-Spam-Lösung gab es binnen Tagen
        eine Umgehung. Spamming kann meiner Meinung nach
        nur durch eine gute Mischung aus Abschreckung, tech-
        nischen Lösungen und verantwortlichen Verbrauchern
        begrenzt werden. Die Internetwirtschaft und die Provi-
        der haben in den letzten Jahren viele Probleme auf der
        technischen Seite angepackt. Die E-Mail-Empfänger, In-
        ternetnutzer und zunehmend auch die Handykunden
        müssen noch verantwortungsvoller und informierter mit
        diesen Medien umgehen. Wer zum Beispiel für jedes
        kleine Gewinnspiel seine Daten hinterlässt, muss sich
        nachher nicht über die Spams wundern.
        Die EU-Kommission hat im Januar 2004 alle Mit-
        gliedstaaten aufgefordert, zusätzliche Schritte gegen
        Spam zu unternehmen. Dabei ist insbesondere auch die
        Möglichkeit benannt worden, Spammer mit Bußgeldern
        zu belegen oder sogar strafrechtlich zu verfolgen. Die
        Einschätzung, ob weitere gesetzliche Maßnahmen not-
        wendig sind, waren in der deutschen Fachwelt lange ge-
        teilt. Selbst die großen Internetprovider stritten sich
        lange in dieser Frage. Inzwischen aber sind sich fast alle
        einig: Neben den umfangreichen Initiativen von der
        Wirtschaft und den Informationen von Behörden und
        Verbänden braucht es auch eine Verschärfung der Ge-
        setze. Die nationalen Maßnahmen müssen dabei interna-
        tional besser abgestimmt werden. Für Spams gibt es
        keine Grenzen. Die Verfolgung der Spammer darf also
        auch nicht an den Grenzen eines Staates enden.
        Es gilt aber auch: Nur wer national handelt, kann in-
        ternationale Kooperationen einfordern. Die zahlreichen
        deutschen Behörden, die sich mit der Spam-Problematik
        befassen, arbeiten dabei eng mit den internationalen Or-
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        anisationen zusammen. Ich bin fest davon überzeugt,
        ass wir vor allem die Massen-Spammer strafrechtlich
        erfolgen oder zumindest mit hohen Bußgeldern kon-
        rontieren müssen. Das Risiko für Spammer muss merk-
        ich steigen. Das habe ich hier letztes Jahr schon betont.
        ie haben in den Medien verfolgen können, dass einige
        PD-Abgeordnete dazu einen konkreten Gesetzesent-
        urf in die fraktionsinterne Beratung eingebracht haben.
        ir haben lange diskutiert, wo ein neues Gesetz rechts-
        echnisch am besten implementiert werden könnte, weil
        iele Straftatbestände bereits in anderen Gesetzen wie
        um Beispiel dem UWG gelöst sind. Zu Recht wollten
        inige klären, ob die vorgesehen Strafen verhältnismäßig
        ind.
        Auch muss man sich fragen, welche Behörden haben
        enn das richtige Know-how für die Verfolgung der
        pammer? Sieht man sich die aktuelle Gesetzeslage an,
        ach der in jedem Bundesland eine andere Behörde, teil-
        eise sogar die Landratsämter für die Vollstreckung der
        ußgelder zuständig sind, so ist doch wirklich zu fragen,
        b eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft hier nicht der
        innvollere Weg wäre. Ich kann die lieben Kolleginnen
        nd Kollegen in der Union nur nachdrücklich auffor-
        ern, hier einmal das Gespräch mit ihren Ministerpräsi-
        enten zu suchen, damit wir diesen Vorschlag umsetzen
        önnen. Dies und vieles andere mehr ist zu bedenken,
        enn es zu einem effektiven Gesetz kommen soll.
        Sie sehen, dass war ein bisschen mehr Arbeit, als ein-
        ach nur einen Forderungskatalog in die Debatte einzu-
        ringen, wie die Union dies letztes Jahr getan hat. Nur
        onkrete Beratungen, nur entsprechend konkrete Be-
        chlüsse helfen den Menschen wirklich. Alles andere
        äre weiße Salbe gegen eine akute Bedrohung wie die
        pam-E-Mails und zunehmend auch SMS und MMS.
        er sich durch falsche IP-Adressen und Header ver-
        teckt, mit irreführenden Betreffzeilen trickst oder
        remde Rechner für Spam nutzt, muss bestraft werden.
        pam ist für die Wissensgesellschaft wie eine Pestepede-
        ie.
        Wir brauchen das Zusammenspiel von verantwor-
        ungsbewussten Nutzern, aktiver IT-Wirtschaft und kon-
        equenter Gesetzgebung, um diese Pest einzudämmen.
        rste gesetzliche und technische Maßnahmen sind er-
        olgt. Mit diesem Gesetz soll ein weiterer Schritt folgen.
        ir laden die Kolleginnen und Kollegen von der Oppo-
        ition ein, diesen Gesetzentwurf mit uns konstruktiv zu
        eraten. Wir haben inzwischen bereits erste Reaktionen
        us der IT-Wirtschaft, die das Gesetz nachdrücklich be-
        rüßen und an ein, zwei Stellen konkrete Verbesserungs-
        orschläge machen. Auch diese wollen wir positiv prü-
        en und einbauen, wo es sinnvoll ist.
        Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Ich möchte
        wei Vorbemerkungen machen:
        Uns ist völlig klar, dass ein Anti-Spam-Gesetz, das
        ich allein auf die Bundesrepublik beschränkt, der welt-
        eiten Spam-Flut wenig entgegensetzen kann. Das In-
        ernet ist global und kennt keine Grenzen. Somit ist na-
        ürlich auch Spam ein globales Phänomen. Deshalb geht
        14792 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
        (A) )
        (B) )
        es vor allem darum, durch internationale Kooperation
        die Spam-Flut wirksam zu bekämpfen.
        Ich bin aber fest davon überzeugt, dass wir – wie in
        anderen Staaten längst umgesetzt – nationale gesetzliche
        Schritte gegen Spam benötigen. Denn niemand kann auf
        internationaler Ebene glaubwürdig gegen Spam vorge-
        hen, wenn er auch auf nationaler Ebene in Tatenlosigkeit
        verharrt. Nur wer national handelt, kann auch internatio-
        nal kämpfen!
        Genauso klar ist auch – und das ist meine zweite Vor-
        bemerkung –, dass Gesetze und Verordnungen allein ge-
        gen die Spam-Flut nichts ausrichten können. Spam wird
        nur durch eine enge Kooperation von Wirtschaft, Politik
        und Verbrauchern, das heißt durch ein Zusammenwirken
        von technischen Maßnahmen, rechtlichen Rahmenbe-
        dingungen und informierten Verbrauchern erreicht wer-
        den können.
        Worum geht es eigentlich? Spam ist mehr als un-
        erwünschte Werbe-E-Mails. Gut 20 Prozent aller Spam-
        E-Mails enthalten bereits Viren, Würmer, Trojaner und
        Dialer. Damit werden Millionen PCs und die Dateien
        darauf gefährdet. Die Zahl der unverlangt zugesandten
        Werbe-E-Mails wächst exponentiell. Im Jahr 2001 waren
        weltweit nur 7 Prozent der E-Mails Spam. Im ver-
        gangenen Jahr waren es schon gut 50 Prozent. Und für
        2006 rechnen Experten damit, dass fast 90 Prozent aller
        E-Mails weltweit Spam sind.
        Mit der Zahl der verschickten Spam-Mails steigen
        auch die Schäden bei Privatleuten, Unternehmen, Bil-
        dungseinrichtungen, gemeinnützigen Organisationen und
        Behörden. Denn Spam-Mails erfordern entweder kosten-
        trächtige Abwehrmaßnahmen oder absorbieren die eben-
        falls teure Arbeitszeit der Mitarbeiter. Die Zahlen sind
        erschreckend: Die EU-Kommission nimmt für 2002 ei-
        nen Produktivitätsverlust von 2,5 Milliarden Euro an.
        Das sind 2,5 Milliarden Euro, die für Innovation und
        Fortschritt fehlen.
        Darüber hinaus schädigen Spammer insbesondere die
        Internetserviceprovider, die ihren Kunden jederzeit den
        Versand oder Empfang von E-Mails ermöglichen müs-
        sen. Diese Unternehmen werden durch die Spammer
        dazu gezwungen, eine Infrastruktur vorzuhalten, die der
        Welle des elektronischen Mülls gewachsen ist. Sie wer-
        den also gezwungen, teure Investitionen vorzunehmen,
        um ihren Kunden Botschaften zu übermitteln, die diese
        gar nicht haben wollen. Investieren sie aber nicht, ver-
        stopft Spam ihre Infrastruktur und sie können die Leis-
        tungen für ihre Kunden nicht erbringen – und dies nur
        wegen der Aktivitäten einiger krimineller Spammer.
        Die wahrscheinlich gefährlichste Folge aber ist der
        Verlust des Vertrauens der Nutzer in das Medium. Es
        besteht die Gefahr, dass E-Mails nur noch als Verbrei-
        ter obskurer Angebote, als Werbung für angeblich ero-
        tische Produkte und Dienstleistungen oder als Platt-
        form für die Anbahnung betrügerischer Geschäfte
        wahrgenommen werden. Die Folge ist, dass private
        oder dienstliche E-Mails in der Masse der Spam-Mails
        gar nicht mehr wahrgenommen werden. Am Ende dieser
        Entwicklung werden wichtige Nachrichten auf anderen
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        egen als der elektronischen Post verschickt. Dadurch
        erlöre die E-Mail als schnelles und preiswertes welt-
        eites Kommunikationsmittel – und damit auch als Trei-
        er für die Wirtschaft – an Bedeutung. Spam erweist sich
        uch unter diesem Aspekt als Hemmschuh der Innova-
        ion und der Informationsgesellschaft.
        Jetzt komme ich zum Anti-Spam-Gesetz von SPD
        nd Grünen. Es ist richtig, dass SPD und Grüne nun end-
        ich einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Spam
        orgelegt haben. Das wurde allerdings auch Zeit! Die
        DU/CSU-Bundestagsfraktion hat in einem Antrag be-
        eits im März 2004 Maßnahmen gefordert, die jetzt in
        hnlicher Weise im Gesetzentwurf enthalten sind. Das
        etrifft vor allem eine Bußgeldbewehrung bei Verwen-
        ung manipulierter Header. Hätten Sie damals unserem
        ntrag zugestimmt, hätten wir schon vor einem Jahr
        irksamere Maßnahmen gegen Spam in Deutschland
        aben können.
        Das Internet entwickelt sich aber schneller, als die
        oalition handelt. Rot und Grün hecheln den Entwick-
        ungen im Internet hinterher, anstatt Internetpolitik zu
        estalten.
        Das Problem ist nicht einfach zu lösen. Wir dürfen
        uch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, denn
        icht jede E-Mail mit Werbeinhalten ist auch Spam.
        uch ergeben sich viele Fragen hinsichtlich der Durch-
        etzbarkeit staatlicher Maßnahmen. Im Gesetzgebungs-
        rozess müssen aus unserer Sicht insbesondere folgende
        unkte diskutiert werden:
        Wir müssen klären, inwieweit es wirklich erforderlich
        st, Betreff-Zeilen, aus denen nicht klar hervorgeht, dass
        s sich um eine Werbe-Mail handelt, mit einem Bußgeld
        u belegen.
        Wir sollten bei dieser Gelegenheit auch darüber nach-
        enken, ob wir nicht gegen Werbebotschaften in Gäste-
        üchern, Foren etc. vorgehen sollten. Diesem neuen
        rend sollten wir nicht wieder ein Jahr zuschauen.
        Zahlreiche andere Punkte, wie unter anderem das Pro-
        lem der Durchsetzbarkeit werden wir im weiteren Pro-
        ess miteinander zu klären haben. Ich freue mich sehr,
        ass die Fraktionen von SPD und Grünen – wenn auch
        rst nach einem Jahr – die Impulse aus der Unions-Frak-
        ion aufgenommen haben. Die CDU/CSU-Bundestags-
        raktion wird weiterhin konstruktiv die Bekämpfung von
        pam voranbringen – für eine zukunftsfähige Informa-
        ionsgesellschaft!
        Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        pam-Mails sind nicht nur lästig, sie schädigen auch
        irtschaftlich in vielfacher Weise, bedrohen unsere Pri-
        atsphäre, gefährden Jugendliche und sogar Menschen-
        echte. Die Europäische Kommission stellt in ihrem Vor-
        chlag für ein mehrjähriges Gemeinschaftsprogramm zur
        örderung der sicheren Nutzung des Internet fest, dass
        ehr als die Hälfte des weltweiten elektronischen Nach-
        ichtenverkehrs aus Spam besteht. Spam wird zu einem
        roblem für die weitere Entwicklung des Onlinehandels
        nd der Informationsgesellschaft. Spam führt zu finan-
        iellen Schäden bei Verbrauchern und Unternehmen. Al-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005 14793
        (A) )
        (B) )
        lein die Unternehmen müssen für den Schutz und die Be-
        arbeitung von Spam-Mails Produktivitätsverluste in
        zweistelliger Milliardenhöhe hinnehmen.
        Wir wollen, dass der Schutz vor Spam noch effektiver
        und wirksamer wird. Deshalb werden wir die bisher
        schon im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb gelten-
        den Regelungen gegen Spam-Mails verschärfen. In An-
        knüpfung an die bestehenden Sanktionen beim Spam-
        Verbot wollen wir im Teledienstegesetz zusätzlich einen
        Bußgeldtatbestand gegen kommerzielle Spam-Mails ein-
        führen. Wer falsch parkt oder bei Rot über die Ampel
        fährt, muss schließlich auch zahlen. Da sind wir mit der
        Union nicht so weit auseinander. Wir würden es hierbei
        im Sinne der Effektivität klar begrüßen, wenn die in In-
        ternetangelegenheiten erfahrene Regulierungsbehörde
        für Telekommunikation und Post hier die Zuständigkeit
        als zentrale Verfolgungsbehörde erhielte.
        Wir wollen, dass Spamming sich in Deutschland nicht
        lohnt. Aber heute sind die Kosten für das Versenden so
        minimal, dass auch für die circa 5 Prozent deutschen
        Verursacher die Spam-Mails dennoch ein Riesengeschäft
        sind. Deswegen beschließen wir ein Bußgeld für Spam-
        Verschicker, die ihre Absicht verschleiern.
        Dreh- und Angelpunkt des Spam-Geschäftes sind
        Adressen. Auch in anderen Geschäftsbereichen sind
        Kundendaten zu einer Basis für unternehmerisches Han-
        deln geworden. Selbst für den Erwerb eines Fußballti-
        ckets zur Fußballweltmeisterschaft werden umfangrei-
        che Daten abgefragt und es besteht der Verdacht, dass
        die Daten geschäftlich genutzt werden. Dies soll – so
        finden wir – nur mit Wissen und Einwilligung der be-
        troffenen Kunden erfolgen können, Deswegen unterstüt-
        zen wir das Verbraucherministerium in seinen Bemühun-
        gen um bessere Beachtung eines sorgsamen Umgangs
        mit Kundendaten und die Einführung eines einheitlichen
        Datenschutzgütesiegels.
        Die rot-grüne Koalition nimmt das Spam-Problem
        sehr ernst. Deswegen ist ja mit der Novelle des UWG
        klargestellt worden, dass das Versenden von unverlang-
        ten elektronischen Werbebotschaften verboten ist. Im
        Falle einer Zuwiderhandlung können Wettbewerber und
        anerkannte Klageverbände vom Versender gerichtlich
        Unterlassung und Schadensersatz verlangen. Betroffene
        Bürgerinnen und Bürger können gegen Spammer zivil-
        rechtlich vorgehen und Schadenersatzansprüche geltend
        machen. Damit wird dem Versender der wirtschaftliche
        Anreiz für seine Tätigkeit genommen.
        Spam-Mails, die besonders sanktionswürdige Inhalte
        wie zum Beispiel Kinderpornographie, Viren oder Dialer
        transportieren, sind im Übrigen bereits heute schon straf-
        rechtlich erfasst. Hier müssen die Staatsanwaltschaften
        einen stärkeren Schwerpunkt setzen. Wir brauchen bun-
        desweit eine bessere Kontrolle und Verfolgung von
        Spam-Mails. In diesem Zusammenhang möchte ich auf
        eine erschreckende Erkenntnis der Europäischen Union
        bei der Internetnutzung hinweisen, auch wenn hier nur
        ein mittelbarer Zusammenhang zu Spam besteht.
        Vier von zehn Kindern erklären, dass sie von Perso-
        nen, die sie nur über das Netz kannten, um eine persönli-
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        he Begegnung gebeten wurden. 14 Prozent der Kinder
        aben sich mit jemandem getroffen, während nur
        Prozent der Eltern dies von ihren Kindern glauben.
        4 Prozent aller Kinder, die das Internet nutzen, haben
        ufällig oder gezielt pornographische Webseiten be-
        ucht. Ein Viertel hat über das Netz pornographisches
        aterial erhalten, 30 Prozent der Kinder haben Websei-
        en mit Gewaltdarstellungen gesehen, während nur
        5 Prozent der Eltern dies von ihren Kindern glauben.
        ier besteht also ebenfalls dringend Handlungsbedarf.
        Was die einzelnen Unionsforderungen angeht: Unser
        pam-Paragraph ist da viel effektiver. Wir müssen au-
        erdem mit den Unternehmen die technischen Möglich-
        eiten besser ausschöpfen und weiterentwickeln. Die
        on der Union geforderte internationale Zusammenar-
        eit findet doch schon längst statt. Auch beim Thema
        pam zeigt sich wieder einmal: Mit der CDU/CSU
        ürde es nur einen Pseudo-Verbraucherschutz geben.
        as wird besonders deutlich an ihrem Widerstand gegen
        as Opt-in-Prinzip, also der Grundregel, dass Werbung
        ur erfolgen darf, wenn der Verbraucher seine Einwilli-
        ung dazu gegeben hat. Wenn sich der Verbraucher ge-
        en jede einzelne Spam-Mail selbst – wie das die CDU/
        SU will – in aufwendigen Schriftverkehren und Ge-
        ichtsverfahren wehren soll, opt-out, steht er diesem Pro-
        lem der technisch weit entwickelten Massenzusendung
        hnmächtig gegenüber, muss Zeit und Geld überflüssi-
        erweise ausgeben. Das Opt-in-Prinzip muss als erster
        nd wichtigster Schritt für europa- und weltweite Lösun-
        en vorangebracht werden. Länderübergreifende Sank-
        ionen und die weitere Regelung dieses internationalen
        roblems können erst danach erfolgen.
        Rainer Funke (FDP): Die im Gesetzentwurf be-
        chriebene und allseits bekannte Problematik der zu-
        ehmenden Belästigung durch Spam-Mails teilt die FDP
        neingeschränkt. Über die Existenz des Problems müs-
        en wir folglich nicht streiten und auch keine unnötigen
        orte verlieren.
        Seitens der FDP besteht mit den Verfassern auch Ei-
        igkeit darüber, dass es Handlungsbedarf gibt, nicht aber
        arüber, dass der Gesetzgeber gefordert ist.
        Einer der Gründe, aufgrund derer die FDP dem vor-
        iegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen kann, ist im
        ext des Entwurfes selbst nachzulesen. Auf Seite 6, in
        er Allgemeinen Begründung, heißt es: „Bereits nach
        erzeitiger Rechtslage ist die Versendung von Spam-
        ails unzulässig. Es folgen Ausführungen darüber, dass
        or allem das UWG, aber auch das Zivil- und das Straf-
        echt, bereits heute eine Vielzahl von Anspruchsgrund-
        agen bieten, um gegen Spams vorzugehen.
        Aber selbst die bestehenden rechtlichen Möglichkei-
        en, gegen Spam-Mails vorzugehen, werden bei weitem
        icht ausgeschöpft. Wenn die Betroffenen bereits ihre
        estehenden Rechte nicht geltend machen und durchset-
        en, werden sie dies mit neuen Regelungen ebenso
        enig tun. Allenfalls besteht also Aufklärungsbedarf
        arüber, dass und wie sich die Betroffenen aufgrund gel-
        enden Rechts gegen Spam-Mails wehren können.
        14794 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
        (A) (C)
        (B) )
        Die FDP ist der Auffassung, dass der vorliegende Ge-
        setzentwurf nicht nur unnötig ist. Er ist darüber hinaus
        auch nicht geeignet, das beschriebene Problem zu lösen
        und birgt bereits im Ansatz eine Vielzahl von Schwä-
        chen.
        Der vorliegende Entwurf eines Anti-Spam-Gesetzes
        ist ein weiteres Beispiel rot-grüner Überregulierung, die
        gut gemeint ist, das angepeilte und durchaus unterstüt-
        zenswerte Ziel aber dennoch verfehlt. „Klare Vorgaben
        an die Gestaltung der Kopf- und Betreffzeilen kommer-
        zieller E-Mails“ fordert die Koalition in ihrem Gesetz-
        entwurf. Diese Vorgaben eines ergänzten § 7 TDG sind
        nicht nur schwerlich zu erfüllen und ungeeignet, das
        Problem zu lösen, sondern stellen vor allem einen unzu-
        lässigen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit der Werbe-
        treibenden dar. Man stelle sich einmal vor, die aufge-
        stellten Regeln würden auch für die materielle Post
        gelten, für die Briefe, die der Postbote in den Briefkasten
        wirft.
        Zudem führt die Bußgeldbewehrung der Verschleie-
        rung und Verheimlichung von Absender und Adresszeile
        zu Rechtsunsicherheit bei den rechtschaffenden Werbe-
        treibenden, für die die elektronische Kommunikation un-
        erlässlich ist. Für diese ist es kaum zu bewerkstelligen
        und ein nicht hinzunehmender Eingriff in die Ge-
        setzung der neuen Regelungen bei Versendern, die im
        außereuropäischen Ausland ansässig sind – und dies sind
        über 90 Prozent – äußerst schwierig ist. Eine gesetzliche
        Regelung, bei der von vornherein klar ist, dass sie nicht
        einmal bei 10 Prozent der Fälle theoretisch durchsetzbar
        ist, kann nicht die richtige Lösung sein.
        Der nationale Arm greift bei dem weltweiten Problem
        Spam nicht weit genug. Angesichts der Tatsache, dass
        ein Großteil der Spam-Mails von einem nicht oder nur
        mit erheblichem Aufwand identifizierbaren Absender
        stammen, weiß man nicht einmal, ob der Störer auf der
        anderen Seite der Erdkugel oder in der Nachbarwohnung
        sitzt. Hier müssen wir verstärkte Anstrengungen unter-
        nehmen, dem weltweiten Phänomen durch internationale
        Zusammenarbeit und Abkommen wirksam zu begeg-
        nen – eine Bußgeldbewehrung eher vage bezeichneter
        Gestaltungsvorgaben von E-Mails ist hier unwirksam.
        Was schlägt die FDP stattdessen als Lösung vor? –
        Zum einen gibt es wirkungsvolle technische Schutzvo-
        raussetzungen, mit denen es durchaus möglich ist, einen
        Großteil der Spam-Mails herauszufiltern und so die Be-
        lästigung auf ein Minimum zu reduzieren. Hier kann
        man getrost auf die Innovationskraft der Unternehmen
        vertrauen, den technischen Schutz weiter zu verbessern
        und neuen Anforderungen anzupassen. Zum anderen
        staltungsfreiheit ihrer Kommunikationsmittel, in jeder
        E-Mail, die werbende Inhalte hat, auf den kommerziel-
        len Charakter bereits in der Betreffzeile hinzuweisen.
        Die unbestimmten Rechtsbegriffe des „Verschleierns“
        und „Verheimlichens“ schaffen zudem eine Grauzone,
        die die Kommunikation seriöser Werbetreibender beein-
        trächtigt, ohne einen klaren Nutzen dagegenzusetzen.
        Darüber hinaus läuft die vorgeschlagene Neuregelung
        in einem Großteil der Fälle ins Leere. Mit großer Klar-
        heit wird in der Begründung festgestellt, dass die Durch-
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        ertrauen wir auf den verantwortungsbewussten und
        undigen Verbraucher, der sich von einer E-Mail, deren
        ahrer Absender oder Inhalt „verschleiert“ oder „ver-
        eimlicht“ ist und bei dem unrechtmäßigerweise zum
        eispiel „Staatsanwaltschaft Hamburg“ in der Absen-
        erzeile steht, eben nicht veranlasst fühlt, Geld zu über-
        eisen, Passwörter zu verraten oder seine Kreditkarten-
        aten mitzuteilen.
        Davor, dieses nicht zu tun, kann uns auch eine noch
        o detaillierte gesetzliche Regelung nicht schützen.
        157. Sitzung
        Berlin, Donnerstag, den 17. Februar 2005
        Inhalt:
        Redetext
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Anlage 2
        Anlage 3
        Anlage 4
        Anlage 5
        Anlage 6
        Anlage 7
        Anlage 8
        Anlage 9