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ID1515111000

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    Plenarprotokoll 15/151 Tagesordnungspunkt 3: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Burchardt, Jörg Tauss, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeord- neten Hans-Josef Fell, Volker Beck (Köln), Cornelia Behm, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Forschung für Nachhaltigkeit – Mo- tor für Innovationen b) Antrag der Abgeordneten Katherina Reiche, Thomas Rachel, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Informatives Berichtswesen als Grundlage einer gu- ten Forschungs- und Technologiepolitik (Drucksache 15/4497) . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Burchardt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katherina Reiche (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andrea Wicklein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 14108 C 14108 D 14110 D 14113 B 14114 D 14115 D Deutscher B Stenografisc 151. Si Berlin, Donnerstag, d I n h a Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Lothar Ibrügger, Heinrich-Wilhelm Ronsöhr und Franz Müntefering . . . . . . . . . Begrüßung der neuen Abgeordneten Monika Lazar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl des Abgeordneten Dr. Hans-Ulrich Krüger als Mitglied in das Gremium nach Art. 13 Abs. 6 des Grundgesetzes . . . . . . . . . Erweiterung und der Tagesordnung . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 10, 11, 13 und 20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 14107 A 14107 B 14107 B 14107 B 14108 A 14108 A – zu dem Antrag der Abgeordneten Katherina Reiche, Thomas Rachel, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter undestag her Bericht tzung en 20. Januar 2005 l t : und der Fraktion der CDU/CSU: Mit Innovationen auf Wachstumskurs – eine einheitliche Strategie – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, Christoph Hartmann (Homburg), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Innovationsstrategie für Deutschland – Wissenschaft und Wirtschaft stärken – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Bundesbericht For- schung 2004 (Drucksachen 15/3452, 15/2971, 15/3332, 15/3300, 15/4216) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14108 B Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14117 C 14119 B II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU) . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) . . . . . . . . . . Marion Seib (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: a) Antrag der Abgeordneten Johannes Singhammer, Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Standort Deutschland – Innovation und Wachs- tum stärken durch Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (Drucksache 15/4503) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Wider die Ver- trauenskrise – Für eine konsistente und konstante Wirtschaftspolitik (Drucksache 15/1589) . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Klaus Brandner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Wolfgang Clement, Bundesminister BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . Gudrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 14121 B 14122 A 14123 A 14124 C 14127 D 14128 C 14129 D 14130 D 14132 A 14132 B 14132 C 14134 C 14136 D 14138 C 14141 A 14141 C 14142 A 14143 D 14145 B 14146 A 14147 B 14148 C 14150 A Wilfried Schreck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Fortentwicklung der soldaten- versorgungsrechtlichen Berufsförderung (Berufsförderungsfortentwicklungsge- setz – BfFEntwG) (Drucksache 15/4639) . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Anpassung luftversicherungs- rechtlicher Vorschriften (Drucksache 15/4637) . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Regelung bestimmter Altforde- rungen (Altforderungsregelungsgesetz – AFRG) (Drucksache 15/4640) . . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Fünf- ten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler (Drucksache 15/4486) . . . . . . . . . . . . . . . e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Vier- ten Gesetzes zur Änderung des See- mannsgesetzes (Drucksache 15/4638) . . . . . . . . . . . . . . . f) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Absatzfondsge- setzes und des Holzabsatzfondsgesetzes (Drucksache 15/4641) . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Antrag der Abgeordneten Maria Eichhorn, Dr. Maria Böhmer, Claudia Nolte, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Deutsch-russischen Jugend- austausch weiterentwickeln (Drucksache 15/4655) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Klaus Haupt, Ina Lenke, Dr. Heinrich L. Kolb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: 14151 D 14153 B 14153 B 14153 C 14153 C 14153 C 14153 D 14153 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 III Weichenstellungen für ein deutsch-rus- sisches Jugendwerk (Drucksache 15/1240) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von wege- rechtlichen Vorschriften (Drucksachen 15/3982, 15/4468) . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung der Bundes-Tierärzteordnung (Drucksachen 15/4023, 15/4662) . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bun- desregierung 2001 über die Entwicklung der Kostenunterdeckung im öffentli- chen Personennahverkehr (ÖPNV) (Drucksachen 15/3137, 15/3251 Nr. 4, 15/4212) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: a) Beschlussempfehlung des Rechtsaus- schusses: Übersicht 9 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfas- sungsgericht (Drucksache 15/4663) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zur Dritten Verord- nung zur Änderung der Verpackungs- verordnung (Drucksachen 15/4642, 15/4674) . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU: Vorstoß des Bundeskanzlers zur Lockerung der Kriterien des europäi- schen Stabilitäts- und Wachstumspaktes, um mehr Flexibilität bei der Neuverschul- dung zu erhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14154 A 14154 A 14154 C 14154 C 14154 D 14155 A 14155 B 14155 B 14156 C Dr. Andreas Pinkwart (FDP) . . . . . . . . . . . . . Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dietrich Austermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Hintze (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Georg Fahrenschon (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD) . . . . . . . . Otto Bernhardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Jörg-Otto Spiller (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Kampeter (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Walter Schöler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Per- spektiven für Deutschland – Nationale Strategie für eine nachhaltige Entwick- lung; Fortschrittsbericht 2004 (Drucksache 15/4100) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Astrid Klug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helge Braun (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . Ernst Kranz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Michael Müller (Düsseldorf) (SPD) . . . . . . . Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Große Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dagmar Wöhrl, Karl- Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: „Wirtschafts- 14157 D 14159 A 14160 C 14161 C 14163 B 14164 B 14165 C 14166 B 14168 A 14168 D 14170 A 14171 B 14172 C 14172 D 14174 D 14175 D 14178 A 14179 B 14180 D 14181 D 14182 D 14184 B IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 raum Nordsee“ als Wachstumsregion mit Zukunft (Drucksache 15/4027) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . . Dr. Margrit Wetzel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Sören Bartol, Sabine Bätzing, Uwe Beckmeyer, Ute Berg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Volker Beck (Köln), Peter Hettlich und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Das Programm „So- ziale Stadt“ weiterentwickeln und auswei- ten (Drucksache 15/4660) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Götz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Götz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Günther (Plauen) (FDP) . . . . . . . . . . Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Blank (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Spanier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Friedbert Pflüger, Dr. Christian Ruck, Hermann Gröhe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Den Beziehun- 14185 B 14185 B 14188 B 14189 D 14190 D 14191 C 14192 C 14194 C 14195 D 14198 B 14198 C 14200 B 14202 A 14202 C 14203 C 14204 C 14206 A 14207 D gen zu Lateinamerika Bedeutung und Zukunft geben (Drucksache 15/4388) . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Lothar Mark, Ute Kumpf, Dr. Christine Lucyga, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele, Dr. Ludger Volmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Intensivierung der Bezie- hungen zwischen der Europäischen Union, Lateinamerika und der Karibik (Drucksachen 15/3205, 15/3840) . . . . . . . Klaus-Jürgen Hedrich (CDU/CSU) . . . . . . . . Lothar Mark (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Claudia Nolte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Tagesordnungspunkt 9: Unterrichtung durch den Bundesrechnungs- hof: Bemerkungen des Bundesrechnungs- hofes 2004 zur Haushalts- und Wirtschafts- führung (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung des Bundes 2003) (Drucksache 15/4200) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Rübenkönig (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Georg Schirmbeck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: g) Antrag der Abgeordneten Günther Friedrich Nolting, Helga Daub, Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Wehrpflicht aus- setzen – Freiwilligen, militärischen Kurzdienst einführen (Drucksache 15/4178) . . . . . . . . . . . . . . . 14209 B 14209 C 14209 D 14210 D 14212 C 14213 B 14214 D 14216 A 14217 A 14218 C 14218 D 14220 D 14222 D 14224 A 14225 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 V Tagesordnungspunkt 18: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträg- liche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (Elektro- und Elektronikgerätegesetz – ElektroG) (Drucksachen 15/3930, 15/4666, 15/4679) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes über das Inver- kehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (Elektro- und Elektronikgerätege- setz – ElektroG) (Drucksachen 15/4234, 15/4666, 15/4679) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Ab- geordneten Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst, Michael Kauch, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: Verwertung von Elektronik-Altgeräten ökologisch sachgerecht und unbürokra- tisch gestalten (Drucksachen 15/3950, 15/4666, 15/4679) Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Thomas Dörflinger, Hubert Deittert, Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Energieeffizienz in Gebäuden steigern – Unbürokratische Energieaus- weise entwickeln (Drucksache 15/4506) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswe- sen – zu dem Antrag der Abgeordneten Heidi Wright, Ludwig Stiegler, Sören Bartol, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Albert Schmidt (Ingolstadt), Volker Beck (Köln), 14225 B 14225 B 14225 C 14226 A Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Sicherheit an unbeschrankten Bahnübergängen so- fort verbessern – zu dem Antrag der Abgeordneten Gero Storjohann, Gerhard Wächter, Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der CDU/CSU: Mehr Sicherheit an unbeschrankten Bahn- übergängen (Drucksachen 15/4150, 15/1984, 15/4653) . . Tagesordnungspunkt 15: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Tätigkeitsbericht 2002/2003 der Regu- lierungsbehörde für Telekommunika- tion und Post – Bericht nach § 81 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz und § 47 Abs. 1 Postgesetz und Sondergutachten der Monopolkommis- sion gemäß § 81 Abs. 3 Telekommuni- kationsgesetz und § 44 Postgesetz (Drucksache 15/2220) . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Tätigkeitsbericht der Regulie- rungsbehörde für Telekommunikation und Post 2002/2003 und zu dem Son- dergutachten der Monopolkommission von 2003 „Wettbewerbsintensivierung in der Telekommunikation – Zementie- rung des Postmonopols“ (Drucksache 15/4584) . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Mündliche Frage 14 Ernst Hinsken (CDU/CSU) Billigung einer regional gestaffelten Ben- zinsteuer in Frankreich und Ablehnung ähnlicher Vorschläge für Deutschland durch den Bundesfinanzminister 14226 B 14226 D 14226 D 14227 C 14229 A VI Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 Antwort Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF (150. Sitzung, Drucksache 15/4649) . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Wehrpflicht aussetzen – Freiwil- ligen, militärischen Kurzdienst einführen (Ta- gesordnungspunkt 24 g) Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) . . . . . . . . . . . . Ulrich Adam (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Günther Friedrich Nolting (FDP) . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes über das Inver- kehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elek- tro- und Elektronikgeräten (Elektro- und Elektronikgerätegesetz – ElektroG) – Antrag: Verwertung von Elektronikaltge- räten ökologisch sachgerecht und unbüro- kratisch gestalten (Tagesordnungspunkt 18 a und b) Gerd Friedrich Bollmann (SPD) . . . . . . . . . . Werner Wittlich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Antje Vogel-Sperl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Energiedifferenz in Gebäuden steigern – Unbürokratische Energieausweise entwickeln (Tagesordnungspunkt 12) Gabriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Dörflinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14229 B 14230 A 14231 B 14234 C 14235 B 14236 B 14237 C 14239 A 14239 D 14240 C 14241 C 14243 A Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Sicherheit an unbeschrankten Bahnüber- gängen sofort verbessern – Mehr Sicherheit an unbeschrankten Bahn- übergängen (Tagesordnungspunkt 14) Heidi Wright (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Gerhard Wächter (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP) . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung: – Tätigkeitsbericht 2002/2003 der Regulie- rungsbehörde für Telekommunikation und Post – Bericht nach § 81 Abs. 1 Telekom- munikationsgesetz und § 47 Abs. 1 Post- gesetz und Sondergutachten der Monopol- kommission gemäß § 81 Abs. 3 Telekommunikationsgesetz und § 44 Post- gesetz – Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Tätigkeitsbericht der Regulierungs- behörde für Telekommunikation und Post 2002/2003 und zu dem Sondergutachten der Monopolkommission von 2003 „Wett- bewerbsintensivierung in der Telekommu- nikation – Zementierung des Postmono- pols“ (Tagesordnungspunkt 15 a und b) Klaus Barthel (Starnberg) (SPD) . . . . . . . . . . Hubertus Heil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU) . . . . . . . Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . 14244 A 14244 C 14245 B 14246 B 14247 A 14247 D 14248 C 14249 B 14250 D 14251 D 14253 B 14254 C 14255 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 VII Anlage 8 Mündliche Fragen 15 und 16 Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) Antrag Frankreichs auf Senkung und re- gionale Differenzierung seiner Mineralöl- steuer; Übertragung dieser Maßnahmen auf Deutschland Antwort Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF (150. Sitzung, Drucksache 15/4649) . . . . . . . 14255 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 14107 (A) (C) (B) (D) 151. Si Berlin, Donnerstag, d Beginn: 8
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    1) Anlage 7 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 14229 (A) (C) (B) (D) und warum lehnt er ähnliche Vorschläge zur Eindämmung des Tanktourismus in Deutschland ab? zwischen Deutschland und seinen Nachbarstaaten wirk- sam entgegenzuwirken. Ein Antrag Deutschlands mit nach einer regional gestaffelten Benzinsteuer billigen will, reicht bei weitem nicht aus, um einem „Tanktourismus“ Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen des Abgeordneten Ernst Hisken (CDU/CSU) (150. Sitzung, Drucksache 15/4649, Frage 14): Treffen Pressemeldungen („Münchener Merkur“ vom 8./9. Januar 2005) zu, nach denen der Bundesminister der Finanzen, Hans Eichel, Pläne der französischen Regierung Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Connemann, Gitta CDU/CSU 20.01.2005 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 20.01.2005 Funke, Rainer FDP 20.01.2005 Janssen, Jann-Peter SPD 20.01.2005 Jonas, Klaus Werner SPD 20.01.2005* Letzgus, Peter CDU/CSU 20.01.2005* Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU 20.01.2005 Ostendorff, Friedrich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.01.2005 Probst, Simone BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.01.2005 Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 20.01.2005 Riemann-Hanewinckel, Christel SPD 20.01.2005 Ronsöhr, Heinrich- Wilhelm CDU/CSU 20.01.2005 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 20.01.2005 Selg, Petra BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.01.2005 Dr. Thomae, Dieter FDP 20.01.2005 Türk, Jürgen FDP 20.01.2005 Weis (Stendal), Reinhard SPD 20.01.2005 Anlagen zum Stenografischen Bericht Frankreich beabsichtigt, vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2011 nach Erhöhung der Ausgangssteuer- sätze regionale Steuerermäßigungen für bleifreies Ben- zin (bis zu 3,54 Cent/Liter) und nicht gewerblich genutz- ten Diesel (bis zu 2,3 Cent/Liter) einzuführen. Das Vorhaben Frankreichs basiert ausschließlich auf innen- politischen Gründen. Hintergrund der Maßnahme sind Dezentralisierungsüberlegungen. Die Exekutivorgane der französischen Verwaltungsregionen (Regionalräte) sollen ermächtigt werden, eigenständig über Steuerer- mäßigungen zu entscheiden, die sich an der jeweiligen „sozioökonomischen Situation“ der Regionen orientie- ren sollen. Hierdurch soll ein zusätzlicher Anreiz für die Regionen geschaffen werden, um die Qualität ihrer Ver- waltung auf transparente Weise zu verbessern und gleichzeitig den Bedürfnissen und Besonderheiten jeder Region Rechnung zu tragen. Die Bundesregierung ist nach eingehender Prüfung des französischen Antrags zu dem Ergebnis gelangt, dass eine solche Maßnahme das reibungslose Funk- tionieren des Binnenmarktes nicht beeinträchtigt. Vor al- lem wegen der sehr engen Grenzen für die Staffelung der Verbrauchsteuern in den französischen Regionen (für Benzin maximal 3,54 Cent/Liter und für nicht gewerb- lich genutzten Diesel maximal 2,3 Cent/Liter – nach vor- heriger Erhöhung der Ausgangssteuersätze) ist eine Wettbewerbsverzerrung auf dem Mineralölmarkt nicht zu befürchten. Zudem gilt die beantragte Maßnahme ge- rade nicht für den gewerblich genutzten Diesel. Die Bundesregierung wird aber auf die Festschreibung der Steuersätze drängen, die bei Anwendung der regionalen Staffelungen nicht unterschritten werden dürfen. Der re- gelnde Teil des Entscheidungsvorschlags nennt zwar die maximalen Ermäßigungsbeträge, lässt aber offen, von welchen Steuersätzen Frankreich ausgeht. Insoweit be- darf es der Klarstellung in einer Gemeinsamen Proto- kollerklärung. Genau diese Klarstellung ist Gegenstand des Entwurfs einer Gemeinsamen Protokollerklärung von Rat und Kommission, der am heutigen Tag in der Ratsarbeitsgruppe in Brüssel verhandelt wird. Das französische Begehren ist nicht darauf ausgerich- tet, einen vermeintlichen „Tanktourismus“ zwischen Frankreich und anderen Mitgliedstaaten einzudämmen bzw. einen solchen zur Grenze Deutschlands zu errich- ten/auszubauen. Die Ermäßigungen sollen innerhalb der Regionen gerade nicht grenzbezogen gestaffelt werden. Die Kommission hat mehrfach klargestellt, dass sie eine grenzbezogene Staffelung der französischen Steuersätze niemals befürworten würde. Die Forderung, eine Staffe- lung der Mineralölsteuersätze in den Grenzregionen Deutschlands nach dem französischen Vorbild einzufüh- ren, ist aus tatsächlichen und EG-rechtlichen Aspekten nicht umsetzbar. Zum einen liegen bei der französischen Maßnahme – wie bereits dargelegt – die maximalen Er- mäßigungsbeträge zwischen 2,3 bis 3,54 Cent/Liter. Das 14230 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 (A) (C) (B) (D) wesentlich höheren Steuerstaffelungsbeträgen würde von der Kommission zudem – wegen seiner grenzüber- schreitenden Auswirkungen – keinesfalls gebilligt wer- den. Dies hat die Kommission kürzlich in Gesprächen auf Fachebene unmissverständlich zum Ausdruck ge- bracht. Sie beabsichtigt zudem, gemeinsam mit dem Rat zu Protokoll zu erklären, dass – so wörtlich – „Anträge auf eine Ausnahmeregelung für eine Ermäßigung der Steuersätze, die lediglich in den Grenzgebieten zwischen den Mitgliedstaaten gelten würde, nicht akzeptabel wä- ren“. Da auch die Nachbarstaaten einem solchen Anlie- gen kritisch gegenüber stehen dürften, besteht zudem keine realistische Chance, hierfür die Zustimmung aller EU-Staaten einholen zu können. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Wehrpflicht ausset- zen – Freiwilligen, militärischen Kurzdienst ein- führen (Tagesordnungspunkt 24 g) Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Damit es Ihnen, liebe Kollegen von der FDP, nicht langweilig wird, wenn wir Ihre regelmäßigen „Weg mit der Wehrpflicht“-An- träge hier im Plenum immer wieder mit großer Mehrheit ablehnen, will ich Ihnen als Argumentationshilfe heute das Zentralorgan des liberalen Geistes in Deutschland entgegenhalten, die unerschütterliche „Frankfurter All- gemeine Zeitung“. Die ist nämlich der Meinung, Ihre Forderung nach Aussetzung der Wehrpflicht sei Aus- druck Ihres grundsätzlichen Politikverständnisses. Vor einem Jahr, am 8. Januar 2004, schrieb ein Leitartikler in der „FAZ“ sehr richtig: „Westerwelle und große Teile der FDP-Führung beschränkten ihren Liberalismus zu- letzt auf eine ziemlich vordergründige ,Weg mit dem Staat‘-ldeologie und auf einen Abschaffungsenthusias- mus, der Regellosigkeit mit Freiheit leicht verwechselt: Weg mit allen Subventionen, weg mit der Wehrpflicht, weg mit der Pflegeversicherung, weg mit den Flächenta- rifverträgen, dem Ladenschlussgesetz, dem Hochschul- rahmengesetz, weg mit der Kultusministerkonferenz.“ Dem Urteil des „FAZ“-Leitartikels kann ich nur zustim- men, wenn er fortfährt: „Westerwelle hat in den vergan- genen Jahren versucht, seine Lesart des Liberalismus zu popularisieren, und dabei die traditionsreiche Partei des leistungsbereiten und in demokratischem Verantwor- tungsgefühl verwurzelten Bürgertums einem billigen Ef- fektpopulismus unterworfen.“ So ist es: Der vorliegende Antrag der FDP ist ein schönes Beispiel für „billigen Effektpopulismus“. Dafür aber ist das Thema eigentlich zu wichtig. Auch wir So- zialdemokraten beschäftigen uns derzeit, durchaus öf- fentlich wahrnehmbar, mit der Zukunft der Wehrpflicht. Warum? Weil die Sicherheitslage sich seit Ende des Kal- ten Krieges fundamental geändert hat. Wer wollte das bestreiten? Dass sich daraus jedoch ein Automatismus zur Abschaffung der Wehrpflicht ergeben soll, kann ich nicht erkennen. Auch das neue, ungeteilte Europa ist nicht frei von Bedrohungen. Die blutigen Balkan-Konflikte haben uns vor Augen geführt, dass Krieg nicht einfach von unse- rem Kontinent verschwunden ist. Die terroristischen An- schläge des 11. September 2001 haben gezeigt, dass un- sere Welt neuen Bedrohungen ausgesetzt ist, stärkeren, als wir erwartet hatten. Diese Erfahrungen machen eines ganz deutlich: Tief greifende Änderungen der sicher- heitspolitischen Lage sind auch kurzfristig nie auszu- schließen. Sowohl das Ende des Warschauer Paktes als auch die neue asymmetrische Bedrohung durch den in- ternationalen Terrorismus veränderten die Lage rasant, beinahe von heute auf morgen. Deshalb ist richtig, was in den 2003 vom Bundesver- teidigungsminister erlassenen Verteidigungspolitischen Richtlinien nachzulesen ist: „Der Wiederaufbau der Be- fähigung zur Landesverteidigung gegen einen Angriff mit konventionellen Streitkräften innerhalb eines über- schaubaren längeren Zeitrahmens – Rekonstitution – muss … gewährleistet sein.“ Weil dies so ist, bleibt die Wehrpflicht sicherheitspolitisch die sicherste Lösung. Wir sollten uns auch dessen bewusst sein, dass immer die latente Gefahr besteht, dass sich die Lage in den Ein- satzgebieten innerhalb kurzer Zeit zuspitzt. Das hätte weitreichende Folgen, nicht nur für die betroffenen Sol- daten, sondern für die Bundeswehr insgesamt. Wären wir sicher, dass die Nachwuchsgewinnung einer Freiwil- ligenarmee dann noch funktioniert? Ich warne vor dem vorschnellen Urteil, die Wehrpflicht sei antiquiert. So berechenbar ist die vor uns liegende Zeit nicht. Der Verteidigungsminister hat in den Verteidigungs- politischen Richtlinien die sicherheitspolitischen Vorga- ben für den künftigen Weg der Bundeswehr festgelegt. Vieles wird sich ändern: Aufgaben, Strukturen, Ausrüs- tung. Wir sind mitten in diesem Prozess. Die Transfor- mation wird auch die Wehrpflicht nicht unberührt lassen. Auf der Tagesordnung steht ihre Weiterentwicklung zu einer, wie es in den Richtlinien heißt, „Wehrpflicht in an- gepasster Form“. Eine angepasste Wehrpflicht bleibt Teil der staatlichen Sicherheitsvorsorge in einer unübersicht- lichen Welt. Verschiedene Modelle sind in der Diskussion. Auch in der Union sind Stimmen zu hören, die Wehrpflicht ge- höre „auf den Prüfstand“, wie es vor einigen Wochen der Junge-Union-Vorsitzende Mißfelder forderte. Gelegent- lich ist aus Unionskreisen die Forderung nach einer all- gemeinen Dienstpflicht statt der bisherigen Wehrpflicht zu hören. Auch vom „dänischen Modell“ ist derzeit viel zu le- sen. So sympathisch mir als Schleswig-Holsteiner unser nördlicher Nachbar ist: Dieses Etikett stiftet unnötig Ver- wirrung, führt zu falschen Schlüssen. Das Modell ist nicht übertragbar. Wir sollten, anders als in Dänemark, die Dauer des Wehrdienstes nicht weiter verkürzen. Vier Monate wären deutlich zu kurz. Auch bei der Besoldung und den Ausbildungsinhalten gehen die Dänen einen an- deren Weg. Wenn wir die Wehrpflicht weiterentwickeln, wird es am Ende ein deutsches Modell geben müssen – und keine Wehrpflichtlotterie. Da ist Ihre Sorge völlig unbe- gründet, Herr Nolting. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 14231 (A) (C) (B) (D) All jenen, die so ungeduldig eine Berufsarmee for- dern, sei noch einmal in Erinnerung gerufen, welche ein- deutigen Vorteile die Wehrpflicht hat. Nur durch sie ist es möglich, dass alle männlichen Angehörigen eines Jahrgangs die Ausgangsbasis für die Deckung des Perso- nalbedarfs darstellen. Für alle ist der Dienst in der Bundeswehr – oder Ersatz- oder Zivildienst – ein ver- bindliches Thema in dieser Lebensphase. Eine Vorab- sozialauswahl findet nicht statt. Alle werden erfasst, alle werden gemustert, alle müssen sich zur Frage einer mög- lichen Einberufung (oder KDV etc.) persönlich verhal- ten. Die allgemeine Wehrpflicht sichert die Qualität der Personalauswahl, sie garantiert die Bedarfsdeckung in jedem Fall – unabhängig von der aktuellen Lage auf dem Arbeitsmarkt für männliche Jugendliche, unabhängig von der Sicherheitslage. Und es ist oft gesagt worden und bleibt richtig: Die Wehrpflicht stellt die beste denk- bare Klammer zwischen Gesellschaft und Bundeswehr dar. Denn Soldat sein ist kein „Job“, keine beliebige Dienstleistung. Deshalb ist es legitim, dass die Bundes- wehr mit der Wehrpflicht über eine andere Rekrutie- rungsmöglichkeit verfügt als ein Wirtschaftsunterneh- men. Das Problem der angeblich abnehmenden Dienstge- rechtigkeit, das gern in den Mittelpunkt der Debatte ge- rückt wird, war übrigens, allen anders lautenden Parolen zum Trotz, bis in die jüngste Vergangenheit ein Mythos. Viel beschworen, aber durch die Zahlen nicht gedeckt. Von dem im Jahr 1980 vollständig ausgeschöpften Ge- burtsjahrgang 1952 mit 381 000 Erfassten haben 54 Pro- zent Wehrdienst als W15 oder Zeitsoldat geleistet, hinzu kamen 3 Prozent anerkannte Kriegsdienstverweigerer und 5 Prozent, die zur Polizei gingen oder sich beim Katastrophenschutz verpflichteten. Macht zusammen 62 Prozent. Gut 20 Jahre später waren die Zahlen nicht wesentlich anders: Vom dem im Jahr 2003 ausgeschöpften Geburts- jahrgang 1980 sind insgesamt 66 Prozent ihrer Pflicht nachgekommen. Die weit überwiegende Zahl der jungen Männer eines Jahrgangs hat ihre Wehrpflicht also auf die eine oder andere gesetzlich vorgesehene Weise erfüllt. Absolute Gerechtigkeit kann es natürlich nie geben, denn ausschlaggebend für die Zahl der Einberufungen ist immer der Bedarf der Bundeswehr – das kann gar nicht anders sein. In Zukunft wird der jährliche Bedarf der Bundeswehr an neuen Soldaten, bedingt durch die Verkleinerung der Streitkräfte, sinken. Deshalb machen wir uns Gedanken, wie wir die Wehrpflicht den neuen Bedingungen noch besser anpassen können. Das heißt: Wehrpflicht – ja; FDP-Antrag – nein. Ulrich Adam (CDU/CSU): Viele junge Menschen fragen uns beständig nach dem Sinn der Wehrpflicht. Sie tun dies in persönlichen Gesprächen, durch Klagen vor den Gerichten oder indem sie sich für den Wehr- oder Ersatzdienst entscheiden. Aufgrund der gestrigen Ent- scheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig hat die heutige Debatte eine besondere Aktualität ge- wonnen. Den jungen Männern ist bewusst, dass der Staat zu seinem Schutz und Erhalt dieser Pflicht bedarf. Auch in der Bevölkerung genießt die Wehrpflicht nach wie vor ein hohes Ansehen und ist mehrheitlich gewollt. Wir müssen jedoch erklären, warum wir diese Pflicht weiter einfordern müssen und zugleich dafür Sorge tragen, dass es bei der Erbringung gerecht zugeht. Das gestrige Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes hat uns in unserer Auf- fassung bestätigt, dass es bei den derzeitigen Anwen- dungsregeln der Einberufung noch gerecht zugeht. Aber ich halte dieses Urteil auch für einen Schuss vor den Bug, der uns mahnt, auf die Sinnhaftigkeit und Gerech- tigkeit des Wehrdienstes zu achten. Ich zitiere eine Aussage des Bundesministeriums der Verteidigung zur Wehrpflicht aus dem Internet: Der Schutz Deutschlands und seiner Bürgerinnen und Bürger sowie Hilfeleistungen bei Naturkatas- trophen und Unglücksfällen begründen unter ande- rem die Wehrpflicht. Nur sie gewährleistet, die Landesverteidigung gegen einen Angriff mit kon- ventionellen Streitkräften innerhalb eines über- schaubaren längeren Zeitraumes aufzubauen. Darü- ber hinaus müssen die Streitkräfte eingebettet in gesamtstaatliches Handeln zu einem angemessenen Beitrag zur Verhinderung, Abwehr und zur Bewäl- tigung von terroristischen Anschlägen sowie zum Schutz Deutschlands vor asymmetrischen Angrif- fen von außen im Rahmen der geltenden Gesetze befähigt sein. Auch hierfür ist die Beibehaltung der Wehrpflicht unerlässlich. Dieses Zitat spricht für sich selbst; an einer Sinnhaf- tigkeit der Wehrpflicht gibt es somit keinen Zweifel. Die Union hat Vorschläge vorgelegt und wird das auch weiterhin tun, wie man die neue Sicherheitslage, die Wehrpflicht und die Wehrgerechtigkeit miteinander vereinbaren kann. Dabei wird der Heimatschutz als Teil einer Sicherheitsdienstpflicht eine wichtige Rolle spie- len. Wer jetzt die Abschaffung der Wehrpflicht fordert, der müsste sagen, wie er für die Bundeswehr und für die Sicherheit unseres Landes einen Ausgleich schaffen will. Das betrifft vor allem die Bereiche Aufwuchsfähigkeit, Nachwuchsgewinnung und finanzielle Ausstattung. Für eine Umstellung auf eine Berufsarmee brauchte die Bun- deswehr zudem eine erhebliche Finanzspritze. Eine sol- che ist angesichts der haushälterischen Verhältnisse we- der zu erwarten noch zu leisten, selbst wenn man sich für eine reine Berufsarmee entscheiden würde. Der Kollege Robbe hat es heute Morgen im Morgenmagazin sehr schön auf den Punkt gebracht, als er sagte: „Eine Frei- willigenarmee ist im Moment überhaupt nicht zu bezah- len.“ Bei geschätzten Zusatzkosten von bis zu sieben Milliarden Euro kann ich ihm da nur Recht geben. Es hätte diesem Parlament und der Bundesregierung gut gestanden, zunächst einmal in einem Weißbuch die künftigen Aufgaben zu beschreiben und hieran die Ausstattung in finanzieller und personeller Hinsicht 14232 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 (A) (C) (B) (D) auszurichten. Stattdessen wird die Verteidigungspolitik im Wesentlichen durch die Kassenlage des Finanzminis- ters bestimmt. Das hatte zur Folge, dass Rot-Grün beim Umbau der Bundeswehr den zweiten Schritt vor dem ersten machte, wie es mein Kollege Schmidt gestern for- mulierte. Statt einseitig auf Auslandseinsätze zu schie- len, hätte Rot-Grün angesichts der neuen Bedrohungs- lage durch Terroristen zunächst einmal den Bedarf im Inland ermitteln müssen. Seitens der Bundesregierung wurde aus guten Grün- den beschlossen, die Bundeswehr seit 1998 vermehrt im Ausland einzusetzen. Wir als Union haben im Gegensatz zum grünen Koalitionspartner diese Einsätze stets mitge- tragen. Dies taten wir in der Verantwortung vor unseren Soldaten als Angehörige einer Parlamentsarmee. Zu- gleich haben wir diese Parlamentsarmee von Anfang an als eine Wehrpflichtarmee angesehen. Es ist sicherlich richtig, dass sich die sicherheitspoliti- schen Rahmenbedingen in den 50 Jahren des Bestehens der Bundeswehr grundlegend geändert haben. Fraglich ist aber zugleich, ob sich die Gründe für die Wehrpflicht- armee ebenfalls geändert haben. Dies diskutieren wir heute erneut, und für mich stellt sich die Frage, ob sich nicht der Verteidigungsausschuss einmal abschließend mit der Frage beschäftigen sollte, anstatt uns mit den Scheinanträgen zu beschäftigen. Im Rahmen der Diskussion um einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag schlug bereits 1950 die Himmero- der Denkschrift eine Wehrpflichtarmee vor, weil nur so die beabsichtigte Truppenstärke zu erreichen war und mit ihr zugleich eine engere Verbindung der neuen deut- schen Streitkräfte mit dem parlamentarisch-demokrati- schen System geschaffen werden sollte. Die Wehrpflicht stellte auch das für einen Aufwuchs und den Personaler- satz benötigte Reservistenpotenzial sicher. Im Wehrpflichtgesetz vom 21. Juli 1956 setzte die Regierungsmehrheit im Deutschen Bundestag deshalb ihr Konzept einer Wehrpflichtarmee für die Bundeswehr durch. Die Notwendigkeit der Wehrpflicht wurde bisher von keiner Bundesregierung infrage gestellt. Noch im April 2002 stellte das Bundesministerium der Verteidi- gung fest: „Unter den gegebenen sicherheitspolitischen Bedingungen, dem gesellschaftlichen Rahmen und den zur Verfügung stehenden Mitteln ist der verfassungsmä- ßige Auftrag der Bundeswehr nur unter Beibehaltung der Wehrpflicht sicherzustellen.“ Eine Bestätigung der Wehrpflicht enthalten auch die Verteidigungspolitischen Richtlinien vom 21. Mai 2003. Danach ist die Wehrpflicht in angepasster Form für die Einsatzbereitschaft, Leistungsfähigkeit und Wirtschaft- lichkeit der Bundeswehr unabdingbar. Die wesentlichen Gründe für ihre Beibehaltung sind die notwendige Fä- higkeit zur Rekonstitution der Streitkräfte, die Sicher- stellung der Unterstützung bei Naturkatastrophen sowie Unglücksfällen und die Aufrechterhaltung des Betriebs der Basis im Inland. Auch lässt sich nur mit umfangrei- chen Wehrpflichtigen-Streitkräften die Sicherheit im In- land bei asymmetrischen Bedrohungen sicherstellen. Mit der Abkehr von der Landesverteidigung als wahr- scheinlichstem und wichtigstem Auftrag der Streitkräfte sieht ein Teil der Öffentlichkeit die Notwendigkeit der Wehrpflicht als sicherheitspolitisch nicht mehr begrün- det an. Zur Abwehr von äußeren Gefahren reiche auch eine kleinere Berufsarmee aus. Das Bundesverfassungs- gericht hat in seiner Entscheidung aber nochmals betont, dass „die dem Gesetzgeber eröffnete Wahl zwischen ei- ner Wehrpflicht- und einer Freiwilligenarmee eine grundlegende staatspolitische Entscheidung [ist], die auf wesentliche Bereiche des staatlichen und gesellschaftli- chen Lebens einwirkt und bei der der Gesetzgeber neben verteidigungspolitischen Gesichtspunkten auch allge- meinpolitische, wirtschafts- und gesellschaftspolitische Gründe von sehr verschiedenem Gewicht zu bewerten und gegeneinander abzuwägen hat.“ Der Verteidigungsminister bezeichnet in Nr. 62 der VPR die Fähigkeit zur Rekonstitution – dem (Wieder-)Aufbau großer Streitkräfte zur Landesverteidigung – als eines der Hauptargumente für die Beibehaltung der Wehr- pflicht. Vor genau diesem Tatsachenhintergrund müssen wir die Diskussion um die Wehrpflicht also führen. Falls tatsächlich keine gesellschaftspolitische Notwendigkeit mehr bestünde, wäre die Wehrpflicht obsolet. Dies ist je- doch nicht der Fall. Die asymmetrische Bedrohung wächst zunehmend. Deutschland ist nicht länger nur der Ruheraum der Terroristen. Im Internet wird Deutschland längst mit Amerika und Großbritannien in einem Atem- zug genannt, wenn es um Terror und Dschihad geht. Selbstverständlich können wir mit dem Umbau der Bundeswehr weiter fortfahren und uns darauf einstellen, künftig nur noch Friedensmissionen im Ausland durch- zuführen. In der Union sind wir aber der Meinung, dass es eben nicht ausreicht, Deutschland nur noch am Hin- dukusch zu verteidigen. Nein, Deutschland muss auch im Land selbst verteidigt werden können, wenn Angriffe gegen die Gesellschaft und die von Ihr verkörperten Grundwerte stattfinden. Hierzu sind die Polizeien der Länder und des Bundes aber nicht entsprechend ausge- rüstet. Wir können den Bürgerinnen und Bürgern doch nicht allen Ernstes erzählen, dass unsere Spürpanzer zwar zum Schutz der Bevölkerung in Kuwait eingesetzt werden dürfen, aber nicht in Kassel, sondern dort die Feuerwehr mit ihrem Messwagen zuständig ist und wir lieber Feuerwehrleute in Schutzanzügen durch ein Ge- fahrengebiet schicken, als mit einem vollgeschützten Panzer der Bundeswehr. Die Pläne der Union sehen keine Hilfspolizei des Bundes vor. Wir wollen, ebenso wenig wie Sie, den In- nenministern in ihr gut gelerntes Handwerk pfuschen. Aber wir wollen, dass im Bedarfsfall diejenigen die Ar- beit übernehmen, die dafür am besten ausgebildet sind. Die Umsetzung des von der Union vorgeschlagenen Hei- matschutzkonzeptes kann daher nicht nur die logische Konsequenz einer Antwort auf die asymmetrische Be- drohung sein. Sie ist auch die zwingende Schlussfolge- rung aus der notwendigen Umgestaltung des Wehrdiens- tes und sie führt zu einer höheren Wehrgerechtigkeit. Es wäre ja sehr schön, wenn sich die SPD als große Volkspartei nunmehr endlich positionieren würde, Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 14233 (A) (C) (B) (D) anstatt ständig um ein Bekenntnis wie die Katze um den heißen Brei herumzuschleichen. Warum sagen Sie nicht, dass Sie die Wehrpflicht gerne erhalten wollen? Warum treten Sie nicht offensiver für den Erhalt der Wehrpflicht ein? Wenn Sie sich mit einer positiven Entscheidung zur Wehrpflicht wirklich bis zum Herbst Zeit lassen, könnte der Eindruck entstehen, dass Sie bereit sind, diese zu- gunsten einer Wiederwahl zu opfern, auch wenn hier- durch die Sicherheit Deutschlands massiv gefährdet wird. Dass sie sich intensiv mit der Wehrpflicht auseinander setzen, war der Presse der letzten Tage ja auch hinrei- chend zu entnehmen. Da wurde plötzlich die Übernahme des dänischen Wehrpflichtmodells in Erwägung gezo- gen. Hörte sich ja auch sehr schön an! Offiziell wird die Wehrpflicht ausgesetzt. Die noch notwendigen Wehr- dienstleistenden melden sich freiwillig, weil der Dienst ja nun attraktiv bezahlt wird und man so was Nettes für den Lebenslauf bekommt. Zugleich kann man den Ko- alitionspartner gut aussehen lassen. Leider hat das dänische Modell ein paar kleine Schönheitsfehler und ist nicht so einfach auf Deutsch- land übertragbar. Die ersten Erfahrungen aus Dänemark werden zurzeit aber erst ausgewertet und das Verteidi- gungsministerium in Dänemark hat sich ausdrücklich eine Erprobung bis 2007 vorbehalten. Da die Wehr- pflicht aufgrund der Umgestaltung effektiv auf den Schutz der dänischen Heimat ausgerichtet ist, werden die Wehrpflichtigen neben der militärischen Ausbildung intensiv in Erster Hilfe und Brandbekämpfung ausgebil- det. Langweile oder Rumhängen und die Zeit absitzen – dies wird auch von Wehrpflichtigen in der Bundeswehr als häufigster Kritikpunkt angeführt – wurden nach einer Befragung vorheriger Wehrpflichtiger abgeschafft. Zu- gleich wurde der Sold auf etwa 1300 Euro netto herauf- gesetzt. Nach der Ausbildung müssen die Wehrpflichti- gen noch für drei Jahre als Reservisten zur Verfügung stehen. Insofern lässt sich dem dänischen Modell sicher- lich etwas für die Gestaltung der Wehrpflicht in Deutschland abgewinnen. Aber ich möchte einmal die Frage aufwerfen, was passierte, wenn tatsächlich jemand zum Wehrdienst ausgelost würde. Wollen wir dann jedes Mal eine Klage bis zum EuGH oder wird das Verfahren genauso akzeptiert werden wie in Dänemark? Zumindest sollten wir die Erfahrungen unserer Nachbarn im Norden genau auswerten und ich denke, dass sich der Verteidi- gungsausschuss hierzu ausführlich sowohl durch das BMVg als auch durch die dänische Botschaft unterrich- ten lassen wird. Wenn wir aber schon einmal den Blick über die Lan- desgrenzen schweifen lassen, dann schauen wir uns bei dieser Gelegenheit bitte einmal an, welche Erfahrungen dort mit der Abschaffung der Wehrpflicht gemacht wur- den. In einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes mit der Nummer WF II – 144/03 können Sie die negativen Auswirkungen bestens nachlesen. Ich er- wähne nur zwei Beispiele: Spanien 25 Prozent der Dienstposten nicht besetzt, Niederlande 20 Prozent der Dienstposten nicht besetzt. Von einer eventuellen Auf- wuchsfähigkeit wollen wir gar nicht erst reden. Hinzu kommt die erheblich gesteigerte Einsatzbelastung durch die fehlenden Dienstposten. Als Mitglied der WEU-Delegation und der Parlamen- tarischen Versammlung des Europarates komme ich mit vielen ausländischen Kollegen zusammen. Parteiüber- greifend haben mir nahezu alle bei der Diskussion über die Abschaffung der Wehrpflicht in ihren Ländern ge- sagt, dass dies eine Fehlentscheidung war, die, wenn man nur könnte, sofort rückgängig gemacht würde. Es gibt Fehler, die macht man nur einmal. Würden wir die Wehrpflicht abschaffen, wäre dies ein Fehler, den wir si- cherlich sehr bald bereuen würden. Die eigentliche Frage ist doch nicht die der Abschaf- fung der Wehrpflicht, sondern die der sinnvollen Ausge- staltung des Dienstes und der Wehrgerechtigkeit. Hier würde eine Umsetzung des Heimatschutzkonzeptes so- wohl dem Einberufenen als auch der Gesellschaft die- nen. Eine verstärkte Ausbildung in Erster Hilfe, Brand- bekämpfung und technischer Hilfeleistung ist eine Ausbildung fürs ganze Leben. Die Möglichkeit nach der Grundausbildung Ersatzdienste bei den Polizeien der Länder und des Bundes, ebenso wie beim THW und den Feuerwehren und Rettungsdiensten zu leisten, würde nicht nur die Länder und Kommunen erheblich entlas- ten. Sicherlich würde so manch ein ehemaliger Wehr- pflichtiger später als freiwilliger Helfer weiter zur Verfü- gung stehen – angesichts der teilweise dramatischen Nachwuchssorgen bei den Feuerwehren und im Kata- strophenschutz ein sicherlich willkommener Nebenas- pekt. Ich möchte darauf verzichten, hier vorzutragen, wie viele Wehrpflichtige im Einzelnen bei den verschiede- nen Katastrophenfällen im Einsatz waren. Denken wir aber einmal zurück an die Sturmflut in Hamburg, an den Brand in der Lüneburger Heide, die Schneekatastrophe 1978, die Jahrhundertfluten an Rhein, Oder und Elbe. Wie wären diese Katastrophen verlaufen, wenn nicht die Bundeswehr eingesetzt worden wäre? Die Frage der Wehrgerechtigkeit wird in der öffentli- chen Diskussion unterschiedlich dargestellt und bewer- tet. Entscheidend für die Beurteilung ist, welche Bezugs- größe man heranzieht. Die prozentuale Verteilung auf einen Geburtsjahrgang wurde auf den Anfang 2003 gül- tigen Rechtsgrundlagen für die nächsten Jahre mit fol- genden ungefähren Werten prognostiziert: – Nicht Gemusterte 4 Prozent – Nicht Wehrdienstfähige 7 Prozent – Wehrdienstausnahmen/Einberufungshindernisse 4 Pro- zent – Externer Bedarf 3 Prozent – Kriegsdienstverweigerer 38 Prozent – Eingezogene/Bedarf der Bw (GWDL/FWDL/SaZ) 29 Prozent – Ausschöpfungsrest 5 Prozent Bei der Bewertung der Wehrgerechtigkeit sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Die im Wehrpflichtgesetz 14234 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 (A) (C) (B) (D) vorgesehen Wehrdienstausnahmen zum Beispiel für Geistliche, Polizei, BGS, Zivil-, Katastrophenschutzan- gehörige und Entwicklungshelfer sind vom Umfang her für die Betrachtung der Frage der Wehrgerechtigkeit nicht ausschlaggebend. Das Grundgesetz sieht das Recht auf Kriegsdienstver- weigerung ausdrücklich vor, dieser mittlerweile hohe Anteil scheidet somit in der objektiven Beurteilung der Wehrgerechtigkeit aus. Um nach Abzug der Wehr-Untauglichen und Wehr- dienst-Ausnahmen ein höchstmögliches Maß an Wehr- gerechtigkeit zu erzielen, wurde die Dauer des Wehr- dienstes in der Vergangenheit mehrmals dem Verhältnis zwischen vorhandenen Dienstposten für Wehrpflichtige – Umfang und Personalstruktur der Streitkräfte aufgrund der jeweiligen sicherheitspolitischen Lage – und der Zahl der zur Verfügung stehenden Wehrpflichtigen des jeweiligen Geburtsjahrganges angepasst. Damit wurde versucht, möglichst viele der für den Wehrdienst verfüg- baren Männer tatsächlich einzuziehen, auch wenn diese zukünftig – siehe oben – nur circa 29 Prozent eines ge- samten Geburtsjahrganges darstellen. Bei einer Betrachtung des Gesamtjahrganges mit nur 29 Prozent Wehrdienstleistenden wird in der Öffentlich- keit sehr oft und vorschnell das Urteil der fehlenden Wehrgerechtigkeit gefällt. Fairerweise muss man die Zahl der Wehrdienst leistenden Soldaten jedoch auf den aufgrund der gesetzlich gewollten Ausnahmen – ein- schließlich der Inanspruchnahme des Rechts auf Kriegs- dienstverweigerung – zur Verfügung stehenden Perso- nenkreis – 29 Prozent + 5 Prozent = 34 Prozent – beziehen. Bei dieser Betrachtungsweise leisten mindes- tens 85 Prozent tatsächlich Dienst und niemand kann ernsthaft die Wehrgerechtigkeit infrage stellen. Die seit dem 1. Juli 2003 geänderte Einberufungspra- xis sieht zusätzliche Wehrdienstausnahmen und stren- gere Tauglichkeitsgrenzen vor; damit sinkt der Aus- schöpfungsrest weiter. In den aktuellen Zahlen im Internet geht das BMVg von einem Ausschöpfungsrest von 10 Prozent aus. Einen Ausdruck habe ich Ihnen mit- gebracht. Dies ist auch vor dem Hintergrund des aktu- ellen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts nicht hinnehmbar. Mit einer Umsetzung des Heimatschutz- konzeptes der Union und einer weiteren Öffnung der Er- satzdienste für die Polizeien der Länder und des Bundes, ebenso wie beim THW und den Feuerwehren und Ret- tungsdiensten kann der Wehrgerechtigkeit Genüge getan werden. Unbestritten ist, dass für Auslandseinsätze nur gut ausgebildete Soldaten zum Einsatz kommen dürfen. Hierfür reicht die 9-monatige Dauer des Grundwehr- dienstes im Hinblick auf eine sinnvolle Einsatzzeit nicht aus. Aber schon heute machen die freiwillig zusätzlichen Wehrdienst Leistenden (FWDL), also Wehrpflichtige, rund 20 Prozent des Personals der Bundeswehr bei Aus- landseinsätzen aus. Ohne ihren Beitrag, wären die Ein- sätze nicht möglich. Bleibt zum Ende meiner Redezeit nur noch Folgendes festzustellen: Deutschland braucht eine Wehrpflichtar- mee. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt die Beibehaltung der Wehrpflicht Die Wehrpflicht ist ein Dienst, den wir unseren jungen Männern zur Sicherung der Gesellschaft abverlangen müssen. Aufgabe der Poli- tik ist und bleibt es über die Sinnhaftigkeit dieser Pflicht zu wachen und für die notwendige Ausrüstung zu sor- gen. Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gestern stellte das Bundesverwaltungsgericht fest: Die gegenwärtige Einberufungspraxis von Wehrpflichtigen zur Bundeswehr sei rechtmäßig, und nicht willkürlich. Solange Wehrdienstausnahmen auf gesetzlicher Grund- lage erfolgten, sei das Gebot der Wehrgerechtigkeit nicht verletzt. Das ändert aber nichts daran, dass inzwischen weni- ger als jeder fünfte junge Mann eines Jahrgangs nur noch Wehrdienst leistet. Damit ist die reale Wehrpflicht offen- kundig ganz und gar keine „gleich belastende Pflicht“ mehr, wie sie es laut Rechtsprechung des Bundesverfas- sungsgerichts sein müsste. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hat in Sa- chen Wehrpflicht kaum mehr Klarheit geschaffen. Gut daran ist: Die Politik, wir Abgeordnete selbst bleiben in der Pflicht, die künftige Wehrform klar zu bestimmen. Der heute eingebrachte FDP-Antrag greift das am 8. November von uns bündnisgrünen Außen- und Sicherheitspolitikern vorgelegte Positionspapier „Den Übergang zur Freiwilligenarmee zügig fortsetzen“ auf und übernimmt wortgleich unsere Forderung, die All- gemeine Wehrpflicht auszusetzen, „stattdessen einen freiwilligen und flexiblen Kurzdienst von 12 bis 24 Mo- naten einzuführen und den Übergang zur Freiwilligen- armee effizient bündniskompatibel, friedensfördernd, demokratisch und sozial verträglich zu gestalten“. Seit Jahren währt die Auseinandersetzung um das Für und Wider der Wehrpflicht. Mit der Orientierung der Bundeswehr auf multilaterale Krisenbewältigung im Rahmen des Systems der Vereinten Nationen ist die zen- trale sicherheitspolitische Legitimation der Wehrpflicht und des mit ihr einhergehenden Grundrechtseingriffs entfallen. Die offenkundige und weiter zunehmende Wehrungerechtigkeit zersetzt die Akzeptanz den Wehr- pflicht gerade bei den betroffenen jüngeren Leuten. Es ist immer mehr zu spüren: Die Wehrpflicht lässt sich auf Dauer nicht mehr halten. Vorschläge, sie über Verkürzung der Wehrdienstdauer, die Ausweitung von Bundeswehraufgaben im Inneren oder gar eine allge- meine Dienstpflicht aufrechtzuerhalten, gehen in die Irre. Es geht nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie des Übergangs zur Freiwilligenarmee. Ein freiwilliger flexibler Kurzdienst von zwölf bis 24 Monaten wäre eine wichtige Brücke. Er soll Männern und Frauen offen ste- hen, attraktiv sein und nach solider Ausbildung einen Auslandseinsatz beinhalten können. In dieser Zeit kön- nen sich „Kurzdiener“ und Bundeswehr gegenseitig „er- proben“. Der Kurzdienst würde die freiwillig länger Die- nenden und schrittweise die Grundwehrdienst Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 14235 (A) (C) (B) (D) Leistenden ersetzen und damit auch die von ihnen ge- leisteten Funktionen abdecken. Die höhere Effizienz des Kurzdienstes würde eine Reduzierung des Gesamtum- fangs der Streitkräfte erlauben. Ein solcher Kurzdienst ermöglicht ein sanftes Umsteuern ohne abrupte Brüche. Er muss in ein verbessertes Konzept der Nachwuchs- gewinnung, Personalbetreuung und Berufsförderung in- tegriert werden. Der Vorschlag eines Kurzdienstes hat bisher viel Zustimmung erfahren – unter Soldaten, bei Jugendverbänden wie in der Öffentlichkeit. Er könnte schon vor einer Entscheidung über die künftige Wehr- form auf den Weg gebracht werden. Angesichts der ge- genwärtig guten Bewerberlage ist dafür der Zeitpunkt ausgesprochen günstig. Der FDP-Antrag beschränkt sich auf die Forderung nach einem freiwilligen flexiblen Kurzdienst, lässt aber die essenziellen flankierenden Forderungen der Grünen außer Acht: Um Risiken zu vermeiden und den Über- gang zur Freiwilligenarmee verantwortlich zu gestalten, also eine auch qualitativ ausreichende Nachwuchsge- winnung und die Integration der Streitkräfte in die Ge- sellschaft zu gewährleisten, sind ein klarer und begrenz- ter Bundeswehrauftrag, die Attraktivität des Dienstes, eine gelebte Innere Führung und verantwortbare Ein- sätze die unverzichtbare Voraussetzung. SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben in ihrer Ko- alitionsvereinbarung festgelegt, die Wehrform vor Ende der Legislaturperiode zu überprüfen. Die SPD will hierzu auf ihrem Bundesparteitag im November be- schließen. Im Interesse einer tragfähigen und vertrauens- würdigen Transformation der Bundeswehr wäre es aber, wenn zügig und im Laufe dieses Jahres Klarheit in Sachen Wehrform geschaffen würde. Hierbei ist selbst- verständlich die SPD unser Partner und nicht die FDP. Günther Friedrich Nolting (FDP): Gestern hat das Bundesverwaltungsgericht eine Entscheidung gefällt, die auf den ersten Blick als pro Wehrpflicht verstanden werden könnte. Dem zweiten, dem genaueren Blick bleibt jedoch nicht verborgen, dass es sich um eine reine Sachentscheidung bezüglich der Einberufungspraxis handelt. Die Grundsatzentscheidung zur Aussetzung der Wehrpflicht muss und wird politisch fallen, in diesem Haus. Die Wehrpflicht ist heute in jeder Beziehung unge- recht. Nicht einmal mehr einem Fünftel der jungen Män- ner wird der Wehrdienst abverlangt. Außerdem steht der Aufwand in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen, weder für Deutschland und schon gar nicht für die Betroffenen. Die Wehrpflicht behindert einerseits zunehmend den normalen Dienstablauf in der Truppe, andererseits be- nachteiligt sie die jungen Männer, die den Wehrdienst ableisten müssen, in ihrem beruflichen Weiterkommen. Mittlerweile stimmt der Slogan: „Die Dummen dienen, die Klugen verdienen.“ Das ist unerträglich. Auch deshalb, neben der sicherheitspolitischen Be- trachtung, fordert die FDP seit langem die Umstrukturie- rung der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee. Die un- bestreitbaren Vorteile der Wehrpflicht müssen dabei nicht zwangsläufig aufgegeben werden. Wir haben schon vor Jahren das Modell der flexiblen Kurzdienst- zeit entworfen, das diesem Gedanken voll Rechnung trägt. Die Grünen haben es vor wenigen Wochen weitge- hend kopiert, ohne Quellenangabe versteht sich. Wenn es aber der Sache dienlich ist, wenn es die Freiwilligen- armee in Deutschland voranbringt, sei ihnen der geistige Diebstahl verziehen. Nachwuchsprobleme wird es, wenn man dem Modell der FDP folgt, eher nicht geben. Der von uns konzipierte freiwillige Kurzdienst, der bis zu 24 Monate dauern kann, wird entscheidend dazu beitragen, die aktuellen Weiterverpflichtungsquoten aus der Truppe heraus zu er- halten bzw. noch zu verbessern. Es muss jedoch sicher- gestellt werden, dass der Dienst in den Streitkräften at- traktiver wird. Auch das stellt das FDP-Konzept sicher. Die FDP ist für die Aussetzung der Wehrpflicht, weil sie sicherheitspolitisch nicht mehr zu legitimieren ist. Bündnis 90/Die Grünen bekunden ebenfalls ihre Sympa- thie für eine Freiwilligenarmee, auch wenn sie bei Ab- stimmungen im Deutschen Bundestag stets für die Bei- behaltung der Allgemeinen Wehrpflicht votiert haben. Die Union scheint in dieser bedeutenden Frage bedau- ernswert bewegungslos. Von Ausnahmen abgesehen ist sie offensichtlich unfähig, Lageveränderungen wahrzu- nehmen, oder aber die daraus erwachsenen logischen Konsequenzen zu ziehen. Wenn mich nicht alles täuscht, kommt die SPD, wenigstens in dieser Frage, langsam in Bewegung. Die dortigen Stahlhelmer jedoch, an der Spitze der Verteidigungsminister, versuchen dennoch mit allen Mitteln, die Meinung der Genossen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Ich hoffe sehr, dass die reform- freudigen Kräfte der Partei spätestens auf dem Parteitag im November eine Mehrheit finden werden. In der SPD werden zurzeit öffentlich Überlegungen zur Reform der Wehrpflicht angestellt. Das so genannte dänische Modell, eine Mischform zwischen Wehrpflicht und Freiwilligenarmee, wird in die Diskussion gewor- fen, sogar als Kompromissformel angepriesen. In diesem Punkt gebe ich dem Verteidigungsminister ausdrücklich Recht, wenn er diesen Vorschlag ablehnt. Die dänische Struktur kann nicht als Vorbild für die Bundeswehr he- rangezogen werden. Die SPD wäre gut beraten, in dieser Frage ihrem Koalitionspartner zu folgen, der sich für die Übernahme des FDP-Modells entschieden hat. Das ist der gangbare Weg. Wir verzichten zum Wohle der Sache in dieser wichtigen Frage gern auf unsere Urheberrechte. Die Wehrpflicht ist nicht mehr zu halten. Alle objekti- ven Argumente sprechen gegen sie. Und, auch wenn viele Mitglieder dieses Hauses es nicht wahrhaben wol- len, die Bundeswehr leidet mittlerweile unter der Wehr- pflicht. Die FDP will mit dem vorliegenden Antrag bewirken, dass sich alle Mitglieder des Deutschen Bundestages noch einmal intensiv mit der Wehrpflichtproblematik be- fassen. Dieses Thema ist zu bedeutungsvoll, um es in eine holzschnittartige Wahlkampfstrategie einzubauen. Es geht um nicht weniger als um unsere Bundeswehr. Es geht um ihr Betriebsklima, um ihre Leistungs- und um ihre Zukunftsfähigkeit. Und es geht damit politisch um die Möglichkeit der internationalen Einflussnahme. Wir 14236 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 (A) (C) (B) (D) wären gut beraten, die Empfehlung des scheidenden amerikanischen Botschafters Coats anzunehmen. Er sagte vor zwei Wochen: Strukturieren Sie Ihre Bundes- wehr neu und machen Sie sie stärker, kein Land kann nur mit Worten globalen Einfluss geltend machen. Ich möchte eingangs feststellen, dass ich die Ausfüh- rungen des Kommandeurs der Führungsakademie der Bundeswehr anlässlich des Neujahresempfangs in allen Punkten teile. Und ich möchte Generalmajor Beck da- rüber hinaus meinen Respekt bezüglich der gezeigten Courage zollen. Zum Schluss ein Zitat, das General Beck in seiner Ansprache benutzt hat: Wenn der Wind des Wechsels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmüh- len. Da ich aus dem Mühlenkreis Minden-Lübbecke komme, sage ich: Lassen Sie uns in der Wehrpflichtfrage ganz schnell Windmühlen bauen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes über das Inverkehr- bringen, die Rücknahme und die umweltver- trägliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (Elektro- und Elektronik- gerätegesetz – ElektroG) – Antrag: Verwertung von Elektronik-Altge- räten ökologisch sachgerecht und unbüro- kratisch gestalten (Tagesordnungspunkt 18 a und b) Gerd Friedrich Bollmann (SPD): Seit langem dis- kutieren wir über den Entwurf eines Elektro- und Elek- tronikgerätegesetzes. Wir setzen damit die entsprechen- den europäischen Richtlinien in bundesdeutsches Recht um. Ich freue mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, über die Einvernehmlichkeit, mit der wir dies tun. Der Gesetzentwurf wurde intensiv mit allen Beteilig- ten, insbesondere auch den Vertreterinnen und Vertretern der Kommunen, der Länder und der Wirtschaft beraten. Wenn der Gesetzentwurf jetzt beschlossene Sache wird, ist Deutschland einer der ersten Mitgliedstaaten in der Europäischen Union, der die Richtlinien zur Gestaltung und Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten um- gesetzt hat. Das ist ein gutes Beispiel für eine erfolgrei- che fraktionsübergreifende Einigung und eine gute, wirksame Umsetzung der Richtlinien. Die Umsetzung der Elektro-Schrott-Richtlinien zeigt, dass in Deutsch- land gesetzgeberische Reformarbeit in Konsens mit den Betroffenen möglich ist. Ab dem 13. August 2005 gilt in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein einheitlicher Rahmen für die Wahrnehmung der Produktverantwortung für Elek- tro- und Elektronikgeräte. Ab diesem Zeitpunkt sollen die Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Elektro-Alt- geräte kostenlos zur Wiederverwendung oder Entsor- gung abgeben können. Außerdem wird die Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektro- nikgeräten beschränkt. Die Europäische Union will die anfallende Abfallmenge aus diesem Bereich und die Be- lastung dieses Abfalls mit bestimmten gesundheits- und umweltgefährdenden Stoffen deutlich reduzieren. In der EU fielen 1998 etwa 6 Millionen Tonnen Elektroschrott an. Diese Menge entspricht rund vier Prozent des kom- munalen Abfallstroms und wächst zurzeit dreimal schneller als die kommunalen Abfälle insgesamt. Elektroschrott ist noch ein bedeutender Faktor für die Kontamination kommunaler Abfälle mit Schadstoffen. Bisher wird in Europa der überwiegende Teil dieser Ab- fälle ohne jede Vorbehandlung beseitigt und belastet so- mit die Umwelt erheblich. Etwa 40 Prozent der Blei- belastung in Deponien stammen heute aus Elektro- und Elektronikgeräten. Mit dem heute zu beschließenden Gesetz wird diese Umweltbelastung erheblich mini- miert. Wir müssen auch in diesem Punkt unseren abfallwirt- schaftlichen Leitlinien ein Stück näher kommen. Das Ziel der Produktverantwortung nach dem Kreislaufwirt- schafts- und Abfallgesetz, wonach Produkte langlebig, reparierbar, demontierbar, recyclingfahig und schadlos zu beseitigen sein sollen, spiegelt sich in diesem Gesetz- entwurf wider. Denn auch beim Elektroschrott heißt die zeitgemäße Lösung Produktverantwortung. Wir haben versucht, zusätzliche Bürokratie auf das notwendige Minimum zu beschränken. Daher haben wir in Absprache mit den Unternehmensverbänden Regelun- gen getroffen, welche die Umsetzung weitgehend in die Verantwortung der Privatwirtschaft legt. Denn der Elek- tro- und Elektronikgerätemarkt ist äußerst komplex. Es stellt deshalb eine anspruchsvolle Aufgabe dar, den Grundsatz durchzusetzen, dass jeder, der in Deutschland Neugeräte absetzt, für die Rücknahme und umweltver- trägliche Entsorgung von Altgeräten verantwortlich ist. Diese anspruchsvolle Aufgabe haben wir mit dem Ge- setz gelöst. Es wäre nicht sinnvoll, für diese Aufgabe eine neue staatliche Behörde aufzubauen. Diese Behörde müsste sich zunächst die erforderlichen Marktkenntnisse aneignen, um beispielsweise diejenigen zur Verantwor- tung zu ziehen, die sich ihren Verpflichtungen zur Regis- trierung und zum Abholen bei den Kommunen entziehen wollen. Der Gesetzentwurf folgt daher einem anderen organi- satorischen Ansatz: Eine von den Herstellern zu grün- dende privatrechtliche „Gemeinsame Stelle“ wird die notwendigen Aufgaben der Herstellerregistrierung, Da- tenerhebung und weitere organisatorische Arbeiten über- nehmen. Dafür erfolgt auch die zur Durchsetzung not- wendige Beleihung mit hoheitlichen Rechten. Auf diese Weise werden die Marktkenntnisse der Wirtschaft mit der Autorität einer Behörde verbunden. Neben diesen hoheitlichen Aufgaben soll die „Gemeinsame Stelle“ als zentraler Ansprechpartner der Kommunen die Meldun- gen über erreichte Abholmengen entgegennehmen und die Abholung organisieren. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal hervorheben, dass sich die be- troffene Wirtschaft in vorbildlicher Weise an der Lö- sungsfindung beteiligt hat. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 14237 (A) (C) (B) (D) Ein zentraler Punkt des Gesetzes war die Frage nach der geteilten oder ungeteilten Produktverantwortung. Wir haben uns letztendlich dafür entschieden, dass die Produktverantwortung zwischen Herstellern und öffent- lich-rechtlichen Entsorgungsbetrieben geteilt wird. Ei- nerseits stellen wir damit sicher, dass die betroffenen Un- ternehmen nicht übermäßig belastet werden, andererseits nutzen wir die Erfahrung der kommunalen Entsorgungs- gesellschaften. In zahlreichen Städten, Gemeinden und Kreisen gibt es bereits heute erfolgreiche Systeme zur getrennten Sammlung von Elektro-Altgeräten. Die vor- handenen Systeme der öffentlich-rechtlichen Entsorger haben bewiesen, dass sie am besten geeignet sind, die ge- trennte Sammlung des Elektroschrotts durchzufuhren und die Altgeräte einer umweltverträglichen Entsorgung zuzuführen. Geteilte Produktverantwortung heißt für uns konkret: Die Hersteller bzw. Importeure müssen folgende Verant- wortung übernehmen: Das Gesetz hält sie dazu an, schon bei der Produktion die Langlebigkeit, Wiederverwend- barkeit und Recyclingfähigkeit ihrer Produkte zu be- rücksichtigen. Erreicht wird dies durch Verpflichtungen, die sowohl die Neugeräte vor dem Inverkehrbringen als auch die Altgeräte im Rücklauf betreffen. Die Hersteller müssen die Entsorgung von Altgeräten übernehmen und finanzieren. Dabei ist es unerheblich, zu welchem Zeitpunkt ein Gerät auf den Markt gekom- men ist. Das heißt, die Hersteller sind verantwortlich da- für, bei den Kommunen Container für Altgeräte aus pri- vaten Haushalten bereitzustellen, die Container bei den kommunalen Sammelstellen abzuholen, die Altgeräte wieder zu verwenden, zu behandeln bzw. zu entsorgen, die Quoten für die stoffliche und energetische Verwer- tung einzuhalten und die Geräte zu entsorgen, die aus dem rein gewerblichen Bereich stammen und nach dem 13. August 2005 in Verkehr gebracht werden. Die Kommunen müssen Verantwortung übernehmen: Alle Kommunen müssen zukünftig eine Sammelstelle zur kostenlosen Abgabe von Altgeräten anbieten. Es bleibt den Kommunen überlassen, wie sie die Sammlung orga- nisieren. Darüber hinaus können sie, über die gesetzlich vorgeschriebenen Verpflichtungen hinaus, zugunsten der Bürgerinnen und Bürger freiwillige Verbesserungen in der Sammlung, zum Beispiel Holsysteme, einführen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Kommunen die gesam- melten Altgeräte in fünf Gruppen unterteilen und den Herstellern zur Abholung bereitstellen. Die Hersteller lie- fern und finanzieren die dazu erforderlichen Behälter. Durch die im Gesetz verankerte Forderung, dass Bild- schirmgeräte separat und bruchsicher erfasst werden müssen, wird eine umweltgerechte Sammlung und Lage- rung garantiert. Verantwortung übernehmen müssen auch die Ver- braucherinnen und Verbraucher: Sie müssen die Altge- räte getrennt sammeln und bei den kommunalen Sam- melstellen abgeben. Im Gesetz haben wir geregelt, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Neure- gelungen und die Abgabemöglichkeiten informiert wer- den. Aber sie sollten neben den Rückgabemöglichkeiten bei der Kommune oder beim Handel auch die Rücknah- mesysteme der Hersteller nutzen. Der heute eingebrachte Gesetzentwurf über das In- verkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträg- liche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten ist natürlich ein Kompromiss. Aber er ist ein Kompromiss, der meiner Meinung nach den Interessen aller Beteilig- ten entgegenkommt und für alle zustimmungsfähig ist. Mit diesem Gesetz kommen wir unserem Ziel eines um- weltverträglichen Wirtschaftens ein gutes Stück näher. Ich bitte Sie daher um Zustimmung. Werner Wittlich (CDU/CSU): Eines der wichtigsten Regelungsprobleme in der Europäischen Abfallpolitik ist die Entsorgung von Elektro- und Elektronikschrott. Nach jahrzehntelangen Diskussionen über einen Rege- lungsrahmen für die Entsorgung von Elektronikschrott sind im Februar 2004 die so genannten Elektro-Altge- räte-Richtlinien in Kraft getreten. Der vorgelegte Ge- setzentwurf setzt die europarechtlichen Vorgaben in nati- onales Recht um. Kernziel des Gesetzentwurfes ist, den stetig steigenden Abfallmengen bei den Elektro- und Elektronikgeräten – bereits 1998 wurden gemeinschaftsweit 6 Millionen Ton- nen Elektronikschrott entsorgt – durch Getrenntsamm- lung, Wiederverwendung, Verwertung und Recycling gegenzusteuern. Der Markt für Elektro- und Elektronik- Altgeräte wächst seitdem dynamisch an und die Menge der zu entsorgenden Altgeräte ist entsprechend gestie- gen. Zu dieser Entwicklung tragen auch rasante techni- sche Innovationen und die damit einhergehende kurze Nutzungsdauer der Geräte bei. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich immer für eine Regelung stark gemacht, die das Prinzip der Herstellerverantwortung stützt, den Schadstoffgehalt der Geräte verringern hilft, dazu beiträgt, Abfälle zu vermei- den und eine Steigerung der Verwertungsraten mit sich bringen wird. Als positiv beurteilen wir die klare Zuweisung der un- terschiedlichen Verantwortlichkeiten für Rücknahme und Entsorgung. Für die Erfassung und Sammlung sind die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zuständig. Demgegenüber erstreckt sich die Verantwortung der Hersteller auf die Wiederverwendung, Behandlung, Ver- wertung und auf die Übernahme der Kosten für die Ent- sorgung. Das Elektro- und Elektronik-Altgerätegesetz trägt auch der kommunalen Selbstverwaltung auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft Rechnung. Durch die eigen- verantwortliche Sammlung der Elektrogeräte durch die öffentlich-rechtlichen Entsorger bleibt auch die kommu- nale Selbstverwaltung gewährleistet. Die Kommunen verfügen zudem über den erforderlichen Sachverstand zur Sammlung der Geräte. Die Rücknahme von Elektro- und Elektronikgeräten lässt sich über die bewährten kommunalen Sammelstrukturen zudem ohne Verzöge- rungen und bürgernah organisieren. Denn hier kann man an bisherige Rücknahmesysteme anknüpfen, die auf kommunaler Ebene bereits aufgebaut sind und an die sich die Bürger bereits gewöhnt haben. Vom Verbraucher gelernte und akzeptierte Sammelstrukturen bieten auch 14238 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 (A) (C) (B) (D) die Sicherheit, die Rücknahme der Altgeräte ohne Ver- zögerung bürgernah zu organisieren. Es gibt kommunale Gebietskörperschaften, die bereits sehr fortschrittlich in diesem Bereich sind. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stimmt dem Ge- setzentwurf in der Fassung der Beschlussvorlage des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- cherheit zu. Die nun vorliegende Gesetzesfassung stellt nach unserer Auffassung eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem Entwurf in der Kabinettsfassung dar. Nicht zuletzt hat auch die öffentliche Sachverständigen- anhörung vom 24. November 2004 dazu beigetragen, dass der Gesetzentwurf in entscheidenden Punkten ver- bessert werden konnte. Nach von allen Fraktionen intensiv geführter Bera- tung im Umweltausschuss vom gestrigen Tage kann sich das Ergebnis sehen lassen. Wie intensiv die Beratungen in der Ausschusssitzung geführt wurden, lässt sich daran messen, dass zahlreiche Änderungsanträge beraten und entschieden wurden. Die Koalitionsfraktionen haben weitgehend Beschlüsse des Bundesrates, denen die Bun- desregierung im Vorfeld zugestimmt hatte, übernom- men. Damit sind die Koalitionsfraktionen auch zum großen Teil Forderungen der CDU/CSU-Bundestags- fraktionen nachgekommen. Von den insgesamt zehn unserer Forderungen konnten wir vier durchsetzen. Die rot-grüne Koalition hat der Forderung der Unionsfraktion zugestimmt, spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes seine Auswir- kungen zu überprüfen und dem Bundestag und Bundes- rat darüber zu berichten. Auch die Erwähnung des Be- griffs „clever chips“ in Druckerpatronen, die zu einer Diskriminierung eines einzelnen Technologiebereichs geführt hätten, ist beseitigt. Der entsprechende Klam- merzusatz in der Begründung des Gesetzestextes ist jetzt gestrichen. Auch mit den jetzt länger gefassten Über- gangsvorschriften für das In-Kraft-Treten des Gesetzes von nun acht bzw. zwölf Monaten konnten wir eine Eini- gung mit den Koalitionsfraktionen erzielen. Damit tra- gen wir der Tatsache Rechnung, dass die öffentlich- rechtlichen Entsorgungsträger sowie auch die Hersteller eine angemessene Vorbereitungszeit zur Einrichtung und zum Aufbau von operativen Sammel- und Rücknahme- systemen benötigen. Leider ist die Regierungskoalition nicht bereit, sechs Sammelcontainer, wie es der Referentenentwurf vorge- sehen hatte, beizubehalten. Wir kritisieren diese Redu- zierung von sechs auf fünf Sammelbehältnisse, da eine ökologisch sinnvolle Differenzierung zwischen den un- terschiedlichen Geräten unserer Auffassung nach nicht möglich ist. Denn eine Reduzierung auf fünf Geräte- gruppen hat unseres Erachtens zur Folge, dass Geräte mit unterschiedlichen Verwertungs- und Recyclingquo- ten zusammengeworfen werden, sodass ein umweltge- rechter Weitertransport verkompliziert wird. Eine hoch- wertige Verwertung wird erschwert, die Wahrnehmung einer herstellerspezifischen Verantwortung unmöglich gemacht und Anreize für eine recyclinggerechte Kon- struktion entwertet. Die Koalitionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen konnten sich leider auch nicht durchringen, unserem Antrag zustimmen, der vorsah, eine so ge- nannte Befreiungsklausel für die Schmuck- und Uhren- branche sowie für Hersteller von Modelleisenbahnen mit aufzunehmen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht es als notwendig an, eine solche Klausel in den Gesetz- entwurf aufzunehmen. Sie erlaubt, Hersteller von den Auflagen des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes für Produkte zu befreien, wenn eine Müllstromanalyse nachweist, dass sich die von ihm erzeugten Produkte nicht im Elektromüll befinden. Denn Produkte, wie zum Beispiel wertvolle Schmuckstücke, Uhren, Modelleisen- bahnen, werden in der Regel nicht über den Hausmüll entsorgt. Es sind zumeist Sammlerstücke, die mit ent- sprechender Wertsteigerung von Generation zu Genera- tion weitergegeben und vererbt werden. Ohne eine ent- sprechende „Befreiungsklausel“ werden unseres Erachtens insbesondere kleine und mittelständische Un- ternehmen durch die kostenpflichtige Registrierung, de- taillierten Meldungen und Statistiken unverhältnismäßig finanziell belastet. Zu unserem Bedauern haben die Koalitionsfraktionen sich auch nicht durchringen können, ein wirksames Instrument zu schaffen, das dem so genannten Rosinen- picken durch die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträ- ger einen Riegel vorschiebt. In § 9 Abs. 6 des Gesetzent- wurfs wird es weitgehend den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen, je nach Marktlage der Rohstoffmärkte freihändig zu entscheiden, ob sie Altge- räte den Herstellern jeweils zur Verfügung stellen oder nicht. Es bedarf nach unserer Auffassung einer längeren Mindestbindungszeit, um zu verhindern, dass den Her- stellern die Grundlagen für die Abschätzung der ankom- menden Altgerätemengen- und qualitäten entzogen wer- den. Der Gesetzentwurf trägt auch dem Gesundheitsschutz Rechnung. Denn auch die komplexe Konstruktion der Geräte und die Verwendung gefährlicher Substanzen in einzelnen Bauteilen, wie zum Beispiel Blei, Quecksilber oder Cadmium, machen es nötig, dass eine Grundlage für eine praxisgerechte und wettbewerbskonforme Rege- lung der Rücknahme und Entsorgung von Altgeräten ge- schaffen und Höchstkonzentrationswerte festgelegt wer- den. Als positiv möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass der Kollege Bollmann sein Versprechen aus der ers- ten Lesung vom 22. Oktober 2004 gehalten hat und sich nach der öffentlichen Anhörung im Rahmen der Ver- handlungen im Umweltausschuss kompromissbereit ge- zeigt hat. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stimmt der nun vorliegenden, überarbeiteten Fassung des Gesetzentwur- fes zu. Der FDP-Antrag enthält durchaus gute Ansatzpunkte. Die CDU/CSU-Fraktion kann ihm dennoch nicht zu- stimmen, da er das den Gesetzentwurf prägende Prinzip der Getrenntsammlung in Zweifel zieht. Die CDU/CSU- Fraktion bekennt sich hingegen zu dem Prinzip der Ge- trenntsammlung. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 14239 (A) (C) (B) (D) Dr. Antje Vogel-Sperl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Lassen Sie mich zunächst daran erinnern, dass die Versuche, eine Regelung für die aus Umweltsicht hochrelevante Gruppe der Elektro- und Elektronik-Alt- geräte auf den Weg zu bringen, bereits auf das Jahr 1991 zurückgehen. Bisher war es aber nicht gelungen, eine entsprechende nationale Regelung zu verabschieden. Erst die Richtlinien der EU führen jetzt – 2005 – dazu, dass wir endlich eine Regelung für diese hoch problema- tische Abfallgruppe verabschieden – und das, obwohl die Elektroschrottberge seither stetig gewachsen sind. Sie wachsen weiter stetig in Richtung 2 Millionen Ton- nen Altgeräte pro Jahr. Eine Vielzahl von – teilweise noch funktionstüchtigen – Geräten landet bislang ein- fach auf dem Müll. Dabei gehen nicht nur wertvolle Rohstoffe verloren, es gelangen auch Giftstoffe wie Quecksilber oder Cadmium in die Umwelt. Deshalb verabschieden wir heute das Elektro- und Elektronik-Altgerätegesetz und führen damit auf der Ba- sis der entsprechenden EG-Richtlinien auch für diesen Bereich die Produktverantwortung ein. Ziel des Gesetzes ist, dass Verbraucher erstens umweltgerechte schadstoff- arme Neugeräte angeboten bekommen, die entweder langlebig oder gut recycelbar sind, und zweitens ihre Altgeräte kostenlos zurückgeben können. Somit werden die Voraussetzungen geschaffen, dass eine sinnvolle Ent- sorgung jenseits von Sperrmüll, der grauen Restmüll- tonne oder gar des Waldrandes stattfindet. Um das zu erreichen, stellt das Gesetz sicher, dass die Hersteller besonders gefährliche Stoffe, wie zum Bei- spiel Blei, Cadmium oder bestimmte bromhaltige Ver- bindungen, nicht mehr verwenden, eine umweltgerechte Entsorgung aller Altgeräte garantieren, festgelegte Recy- cling- und Verwertungsquoten einhalten und sich zur Kontrolle in einem Register erfassen lassen. Anderer- seits verlangt das Elektroaltgerätegesetz allerdings auch von den Kommunen eine aktive Rolle. Viele von ihnen sind ebenso wie ihre Bürgerinnen und Bürger bereits durch jahrelange freiwillige Praxis auf die Getrennt- sammlung von Altgeräten eingestellt. Auch werden zahlreiche Altgeräte auf diesem Wege bereits der – öko- logisch und sozial – denkbar sinnvollsten Verwendung zugeführt, indem die Kommunen die Altgeräte karitati- ven Einrichtungen zur Verwertung übergeben. Dies wird durch das Gesetz natürlich erhalten bleiben. Insgesamt ist zentrales Element des Gesetzentwurfes die so genannte geteilte Produktverantwortung. Sie ist eine notwendige und sinnvolle Regelung, die sicher- stellt, dass auch die „historischen Altgeräte“, also die Geräte, die bereits im Umlauf sind, zurückgenommen werden. Geteilte Produktverantwortung heißt: Die Wirt- schaft muss einschließlich der Bereitstellung der Sam- melbehälter die Verantwortung für die Verwertung aller Altgeräte übernehmen, auch der, die vor Jahrzehnten produziert wurden und für die heute kein Hersteller mehr festgestellt werden kann. Im Gegenzug müssen die Kommunen die Aufgabe der kostenlosen Annahme der Altgeräte übernehmen. Die Umwelt profitiert in jedem Fall; denn ein großer Teil von Altgeräten befindet sich vermutlich noch in Kellern und Speichern privater Haus- halte. Deren Verbleib und Entsorgung war zumindest bislang sehr ungewiss. Ebenso wichtig wie die Vorgabe anspruchsvoller Ver- wertungsziele ist es aber auch, sicherzustellen, dass sich kein Hersteller oder Importeur seinen Verpflichtungen entziehen kann. Aus diesem Grund wird ein von der Wirtschaft geschaffenes und mit behördlichen Befugnis- sen ausgestattetes Register unter der Aufsicht des Um- weltbundesamtes die Einhaltung des fairen Wettbewerbs überwachen. Das neue Gesetz regelt dies so unbürokra- tisch wie möglich, aber so genau wie nötig. Bezüglich der Kritik aus den Reihen der FDP-Frak- tion ist deshalb auch anzumerken: Hier wird mitnichten eine unnötige Bürokratie geschaffen, sondern das Ge- genteil ist der Fall: Der Staat hält sich weitgehend zu- rück. Die Wirtschaft leistet die Registrierung und Koor- dinierung in eigener Regie in Form einer Stiftung. Die Behörde, das Umweltbundesamt, hat lediglich die Fach- aufsicht. Die Wirtschaft hat es somit selbst in der Hand, die Bürokratie auf ein Minimum zu reduzieren. Zum Schluss möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass es uns gerade auch angesichts der von mir anfangs er- wähnten langjährigen Geschichte um den Elektro- und Elektronikschrott und der großen Bedeutung für den Um- weltschutz ein wichtiges Anliegen war, dass der vorlie- gende Gesetzentwurf von einer breiten Mehrheit getragen wird. Wir haben deshalb in den sehr konstruktiven Bera- tungen im Deutschen Bundestag unter anderem viele gute und in der Sache begründete Vorschläge der Länder in den Gesetzentwurf mit aufgenommen. So können wir heute mit einer breiten Mehrheit ein Gesetz verabschieden, das die bereits im Jahre 1991 begonnenen Arbeiten an einer Elektro- und Elektronikaltgeräteverordnung zu einem er- folgreichen Ende bringt. Birgit Homburger (FDP): In den vergangenen Mo- naten hat sich der Bundestag sehr intensiv mit dem heute zur Schlussabstimmung vorliegenden Gesetzentwurf be- fasst. Die FDP hat frühzeitig zahlreiche Regelungen des ursprünglichen Entwurfs kritisiert und im Deutschen Bundestag mit dem Antrag „Verwertung von Elektronik- Altgeräten ökologisch sachgerecht und unbürokratisch gestalten“ konkrete Änderungen vorgeschlagen. Die FDP hat aufgezeigt, wie eine kostenminimale, einfache, schlanke und unbürokratische Realisierung der europäi- schen Richtlinie erreicht werden kann. Für die FDP war und ist entscheidend, dass das Ziel der Ressourcenscho- nung, der Minimierung der zu deponierenden Abfälle und der Erhalt und die Weiterentwicklung des erreichten Gesundheits- und Umweltschutzniveaus auch im Be- reich der Elektro- und Elektronik-Altgeräte so erreicht wird, dass die Betroffenen nicht unnötig belastet werden. Vier Wochen später hat der Umweltausschuss zu den vorgesehenen Regelungen eine Expertenanhörung durchgeführt. Die Anhörung im vergangenen November hat die Kritik der FDP an zahlreichen Stellen bestätigt. Es wurde klar, dass das Ziel des Elektrogesetzes, den Abfall aus Elektro- und Elektronikgeräten zu vermeiden und – soweit dies nicht möglich ist – deren Verwertung zu fördern, weniger bürokratisch, weniger kostenintensiv 14240 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 (A) (C) (B) (D) und mit deutlich weniger Nachteilen für die Arbeits- plätze in Deutschland und Europa erreicht werden könne. Die FDP freut sich und nimmt mit Erleichterung zur Kenntnis, dass mit der nun vorliegenden Fassung des Gesetzes einigen der von uns kritisierten Punkte abge- holfen und einigen Einwänden der FDP Rechnung getra- gen wird. Dies betrifft beispielsweise die Präzisierung bisher unklarer Begriffe, die Erweiterung übertrieben knapp gesetzter Fristen und die Beseitigung mancher Ungereimtheiten bei der Zertifizierung der betreffenden Anlagen und ihrer Betreiber. Auch weisen einige mittler- weile vorgesehene Vollzugserleichterungen in die rich- tige Richtung. Dass die sachlich begründete und kon- struktive Kritik der FDP an einem Gesetzesvorhaben der Bundesregierung ausnahmsweise bei Umweltminister Trittin einmal nicht – jedenfalls nicht vollständig – auf taube Ohren trifft, ist eine positive Überraschung. Dennoch kann die FDP dem vorliegenden Gesetzent- wurf nicht zustimmen. Noch immer findet sich in dem Gesetz manche unsinnige und belastende Regelung, die zwar umweltpolitisch motiviert sein mag, für einen wirksamen Schutz von Mensch und Umwelt aber nicht erforderlich ist. Noch immer ist leider festzustellen, dass den Betroffenen zahlreiche übertriebene und nutzlose Vorschriften hätten erspart werden können und müssen. Nach wie vor ist nicht einzusehen, dass durch undiffe- renzierte Vorgaben ohne ökologische Notwendigkeit auch Hersteller von elektronischen Geräten belastet werden, deren Anteil an der Gesamtmenge von Elektro- und Elektronik-Altgeräten vernachlässigbar gering oder null ist. Außerdem erscheinen zahlreiche Vorgaben zur manuellen Vorbehandlung und Getrenntsammlung der Altgeräte nicht zuletzt im Eindruck des technischen Fortschritts unter anderem bei Sortier- und Verwertungs- anlagen nicht mehr zeitgemäß. Auch kann der deutsche Umweltminister der Versu- chung nicht widerstehen, alles aufs Genaueste zu regeln, auch wenn die Regelung keinerlei Wirkung entfaltet. Die Vorgabe, wonach die Anforderungen des Gesetzes auch für Hersteller gelten, die entsprechende Geräte beispiels- weise über das Internet in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union vertreiben, mag zwar der euro- päischen Richtlinie geschuldet sein. Die prompte und musterschülerhafte Übernahme in das deutsche Gesetz überzeugt jedoch nicht. Kein einziges europäisches Part- nerland erfüllt derzeit die Voraussetzungen, um die Vor- stellung einer europaweiten Anwendung der Vorschrif- ten und den daraus abgeleiteten Finanzierungskreislauf tatsächlich mit Leben zu erfüllen. In die Welt gesetzt wird hier also eine leerlaufende Vorschrift, die auf die Verwertung nicht eines einzigen Altgerätes Einfluss ha- ben wird, das ins europäische Ausland exportiert worden ist, gleichwohl die Betroffenen aber zusätzlich belastet. Schließlich bleibt generell festzustellen, dass die eu- ropäischen Richtlinien und ihnen folgend das Gesetz versuchen, konkrete Wege zur Behandlung bestimmter Produkte oder Stoffe vorzuschreiben, anstatt sich darauf zu beschränken, verbindliche ökologische Ziele vorzu- geben und es der Wirtschaft und der technischen Ent- wicklung zu überlassen, dafür geeignete Verfahren zu finden. Dazu kommt, dass die Bundesregierung die nö- tige Bereitschaft vermissen lässt, auf europäischer Ebene unsinnige Vorschriften nochmals zur Diskussion zu stel- len. Einem in dieser Hinsicht verfehlten Grundprinzip kann die FDP nicht zustimmen. Um die gegenüber der ursprünglichen Fassung des Gesetzes auch auf Druck der FDP immerhin erreichten Verbesserungen zu würdigen, wird sich die FDP der Stimme enthalten. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Energieeffizienz in Gebäuden steigern – Unbürokratische Energie- ausweise entwickeln (Tagesordnungspunkt 12) Gabriele Groneberg (SPD): Die Einführung eines Energieausweises ist Bestandteil einer EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Neu al- lerdings ist die Diskussion nicht. Die Richtlinie verfolgt nahezu die gleichen Ziele wie die Energieeinsparverord- nung (EnEV), die bereits seit dem 1. Februar 2002 in Kraft ist. Diese Energieeinsparverordnung ist nicht nur zentrales Element der Energie- und Klimaschutzpolitik der Bundesregierung, sie dient ebenso der Daseinsvor- sorge und liefert wichtige Impulse für die Baukonjunk- tur. Wir haben nicht nur Gesetze und Verordnungen zur energetischen Gebäudequalität gemacht, wir haben auch ganz praktische finanzielle Anreize für Eigentümer be- schlossen um unseren internationalen Verpflichtungen mit dem Ziel, den CO2-Ausstoß im Gebäudebereich zureduzieren, auch zu erreichen. Die seit Jahren existierenden und gut angenommenen Förderprogramme zur Sanierung und Modernisierung im Gebäudebereich dienen dazu, Eigentümern energetische Sanierungsmaßnahmen schmackhaft zu machen. Diese Programme tragen dazu bei, Investitionen und Innova- tionen im Gebäudebereich anzustoßen. Davon profitiert vor allem natürlich auch die Bauwirtschaft. Wir werden sicherlich darüber reden müssen, wie das Gebäudesanierungsprogramm zur CO2-Minderungebenso wie auch das Programm für das „Niedrigenergie- haus im Bestand“ weiterentwickelt werden soll mit Blick auf die Einbeziehung der Energieausweise und ebenso mit Blick auf die Anforderungen der Energieeinsparver- ordnung. Ich würde mich darüber freuen, wenn wir in diesem Fall auf Ihre Unterstützung für diese Programme setzen könnten. Die nun bis zum 6. Januar 2006 in nationales Recht umzusetzende EU-Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden geht in mehreren Punkten über die zurzeit gültige Energieeinsparverordnung hinaus. Einer der Um- setzungsschwerpunkte wird der Energieausweis sein, mit dem Sie sich in Ihrem Antrag auseinander setzen. Man kann sicherlich darüber streiten, ob – wie in Ihrem Antrag beschrieben – die Einführung des Ener- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 14241 (A) (C) (B) (D) gieausweises dem allgemeinen politischen Ziel, büro- kratischen Aufwand in Deutschland abzuschaffen, wi- derspricht oder ob nicht doch die Einführung von Energieausweisen ein Vorteil ist für diejenigen, die ein Haus bauen oder kaufen wollen, oder für den Mieter, der sich nach einer neuen Wohnung umschaut. Der Energie- ausweis ist damit auch ein Instrument des Marktes. Die mit dem Energieausweis verbundene Transparenz hinsichtlich der energetischen Qualität von Gebäuden ist sicherlich für viele Interessenten ein Vorteil und damit gut für den Verbraucher. Und für die Eigentümer von Gebäuden, bei denen die energetische Qualität nicht in Ordnung ist, werden die dem Energieausweis beizu- fügenden Empfehlungen für kostengünstige Verbesse- rungen der Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes helfen, geplante Modernisierungen energetisch sinnvoll durch- zuführen oder auch Baumaßnahmen zur energetischen Verbesserung zu ergreifen. Und diese Investitionen wie- derum werden der Bauwirtschaft und damit den dort Be- schäftigten zugute kommen. Die von Ihnen beschriebene „von verschiedenen Sei- ten geäußerte starke Kritik an einem zu aufwendig ge- stalteten Energiepass“ malt ein falsches Bild. Es kann höchstens Befürchtungen geben, ein geplanter Energie- pass könnte zu aufwendig werden; denn noch gibt es keine Entwürfe. Was es gibt, ist ein im Jahr 2004 durch- geführter Feldversuch der Deutschen Energie-Agentur (dena), der zurzeit ausgewertet wird. Und es gibt eigene Untersuchungen des Verbandes deutscher Wohnungsun- ternehmen (GdW). Und das ist gut so. Keiner leidet hier unter einem Informationsmangel, denn die „dena“ hat bereits in einer ersten Runde über den jetzt abgeschlossenen Feldversuch berichtet. Die endgültigen Auswertungen liegen doch noch gar nicht vor. Sie erwecken in ihrem Antrag den Eindruck, hier würde nicht vernünftig informiert. Es liegt doch vor allem an Ihnen, die angebotenen Informationsmöglich- keiten auch zu nutzen. Wenn wir das Thema Energieausweis im Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen beraten, werden wir natürlich auch darüber reden, ob dieser Ausweis be- darfsabhängig, auf der Grundlage von Berechnungen des Energiebedarfs erstellt und für den Verbraucher in einer leicht verständlichen Klassifizierung ausgeführt wird oder ob er auf der Basis von Verbrauchsmessungen ge- staltet werden soll. Und auch über die Kosten und Fris- ten bis zur erstmaligen Vorlage eines Ausweises gibt es noch keine Aussagen. Ziel sollte auf jeden Fall ein ein- heitlicher, leicht verständlicher Energieausweis sein, der transparent ist und damit der Information von Eigen- tümern und Verbrauchern dient. Sehr geehrte Damen und Herren der CDU/CSU-Frak- tion, Ihr Antrag ist auf jeden Fall in einigen Punkten wi- dersprüchlich. Sie verlangen einen Energieausweis, der nicht mehr Bürokratie erfordert, wie ohnehin durch die Umsetzung der Richtlinie zwingend erforderlich ist. So weit, so gut. Gleichzeitig wollen Sie jedoch der Bun- desregierung eine Berichtspflicht auferlegen, die voll- kommen unnötig ist. Sie wollen eine offizielle Be- richtspflicht gegenüber dem Parlament, die derartig umfangreich ist, dass man mit dem damit verbundenen Aufwand etliche Leute im Apparat beschäftigen kann. Ich frage mich, ob es vielleicht sogar beabsichtigt ist. Wollen Sie mit dem damit verbundenen Zeitaufwand etwa eine gehörige Zeitverzögerung bei der Beratung zur Umsetzung erreichen? Ich hoffe doch wohl nicht. Die zur Beratung notwendigen Informationen werden wir mit Sicherheit im Ausschuss bekommen. Das ist eine gute Gepflogenheit der Fachleute in diesem Bereich; das wissen Sie ganz genau. Oder haben Sie bei den Beratun- gen zum Beispiel über die Novellierung der Bauordnung über mangelnde Informationen klagen können? Lassen Sie uns die Beratungen über die Ausgestal- tung des Energieausweises in Ruhe und mit der notwen- digen Sorgfalt im Ausschuss durchführen. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir das Ziel der Stei- gerung der Energieeffizienz bei Gebäuden und damit eine Einsparung von CO2 erreichen können. Und lassenSie uns gemeinsam dafür sorgen, dass es für die Ver- braucher mehr Transparenz hinsichtlich der energeti- schen Qualität von Gebäuden gibt. Ich bin gespannt auf Ihr Verhalten bei den Beratungen. Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Ich will eines vo- rausschicken, damit gleich zu Beginn nicht wieder wie so häufig ein falscher Zungenschlag in diese Debatte kommt: Wir sind uns vermutlich unter allen Fraktionen darüber einig, dass es auf den verschiedenen nationalen Politikfeldern noch großer Anstrengungen bedarf, um den Verpflichtungen aus dem Kioto-Protokoll nachzu- kommen. Wir sind uns vermutlich auch weitgehend da- rüber einig, dass die Politik, was die Rahmenbedingun- gen für mehr Arbeitsplätze in Deutschland betrifft, mindestens bisher noch nicht an dem Punkt angelangt ist, wo man sich beruhigt zurücklehnen könnte. Ich for- muliere dies an dieser Stelle bewusst sehr vorsichtig. Vor diesem Hintergrund stehen wir als Gesetzgeber im Deutschen Bundestag nun vor der Aufgabe, die Richtlinie der Europäischen Union zur Gesamtenergieef- fizienz von Gebäuden in nationales Recht umzusetzen. Und die spannendste von allen Fragen, die sich für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit dieser Aufgabe ver- binden, heißt: Gelingt es uns womöglich, die Anforde- rungen aus dem Kioto-Protokoll mit der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen zu verbinden und so die klassische Win-Win-Situation herzustellen? Dazu ist es notwendig, dass wir uns mit einigen Fakten vertraut machen, bevor wir im Detail in die Materie einsteigen. Erstens. Von den 17,1 Millionen Wohngebäuden, die es neben den gewerblichen und öffentlichen Bauten in Deutschland gibt, sind 14,1 Millionen Ein- und Zweifa- milienhäuser. Das heißt, die Lösung, die wir zur Schaf- fung eines so genannten Gebäude- oder Energiepasses finden, muss sich in erster Linie an den Bedürfnissen und Interessen der Häuslebauer und Häuslebesitzer ori- entieren, damit sowohl ökologisch als auch ökonomisch letztlich etwas Sinnvolles daraus wird. Zweitens. Wenn es uns wichtig ist, dass wir ökolo- gisch und ökonomisch mit diesem Projekt einen Effekt 14242 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 (A) (C) (B) (D) erzielen, müssen wir auf bestehende Erfahrungen und vorhandene Erkenntnisse zurückgreifen, bevor wir uns daranmachen, ein Gesetz zu formulieren. Drittens. Wir müssen uns vor Augen führen, dass wir, je nachdem, wie wir diesen Gebäudepass ausgestalten und mit welchen rechtlichen Bildungen wir ihn versehen, wir unter Umständen Begleiterscheinungen erzeugen, die alles andere als gewünscht und schon gar nicht hilf- reich sind. Viertens. Von dieser Stelle ist heute schon eine ganze Menge über Bürokratieabbau geredet worden. Zu Recht! Also stellen wir das Ganze einfach unter die Überschrift, dass man das, was letztlich herauskommt, auch als ganz normaler Mensch ohne Jurastudium und Ingenieuraus- bildung verstehen können muss. Meine Damen und Herren, die Deutsche Energie- Agentur (dena) hat uns vor wenigen Wochen über einen Feldversuch berichtet, den sie Ende des letzten Jahres abgeschlossen hat. Dabei ist untersucht worden, wie die Umsetzung der EU-Richtlinie funktioniert, wenn man mit einem kennwert- oder bedarfsorientierten Gebäude- pass arbeitet. Parallel dazu hat der Gesamtverband der deutschen Wohnungswirtschaft (GdW) eine Alternative getestet, nämlich den verbrauchswertorientierten Gebäu- depass. Um es ganz einfach und untechnisch zu formu- lieren: Welche Variante ist die bessere: Ein Pass, der sich am Soll orientiert, oder ein Pass, der das Ist darstellt? Oder aber – das füge ich aus meiner persönlichen Sicht an – brauchen wir möglicherweise eine Kombination aus beidem? Die Frage ist alles andere als eine Petitesse. Sie entscheidet nämlich letztendlich darüber, ob wir in der Praxis Erfolg haben werden oder nicht. Ich werde später nochmals darauf zurückkommen. Vor Beginn des Gesetzgebungsverfahrens dürfte aber eines feststehen: Um die gerade gestellten Fragen richtig beantworten zu können, müssen wir zunächst einmal ei- nen Blick darauf werfen, was uns an Ergebnissen der Feldversuche vorliegt. Deshalb fordert die Union von der Bundesregierung einen Bericht, der diese Ergebnisse darstellt. Der könnte dem Deutschen Bundestag schon in Kürze vorgelegt werden und dann eine Grundlage für die Gesetzgebung bilden. Denn es geht ja nicht nur um die Praxistauglichkeit, sondern auch um die Kosten. Ich räume ein, dass es hierdurch möglicherweise zu einer zeitlichen Verzögerung bei der Umsetzung kom- men könnte. Aber hier geht Gründlichkeit vor Schnellig- keit, zumal uns Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie ausdrück- lich die Möglichkeit der Fristverlängerung einräumt. Wenn wir ehrlich miteinander umgehen, dann müssen wir uns eingestehen, dass in diesem Hohen Hause schon eine ganze Reihe Gesetze gemacht wurden, bei denen Schnelligkeit vor Gründlichkeit ging. Die Ergebnisse kennen wir ja zur Genüge. Und wenn wir uns in der Ziel- setzung, was Kioto angeht, weitgehend einig sind, plä- dieren wir als Union für ein Beratungsverfahren, das sich an der Vorgehensweise bei der Novelle zum Bauge- setzbuch orientiert. Wir haben gemeinsam gearbeitet, uns Zeit genommen, dann kam etwas Vernünftiges dabei heraus, was schließlich auch gemeinsam verabschiedet werden konnte. Ich will einen weiteren Punkt nennen, den wir mitei- nander besprechen müssen: Soll der Gebäudepass juristi- scher Bestandteil des notariellen Kaufvertrags oder des Mietvertrags sein oder soll er dies nicht sein? Mir ist die Argumentation sehr wohl bekannt, dass dieser Gebäude- pass kein zahnloser Tiger werden dürfe und er deshalb auch eine rechtliche Bindung haben sollte. Wenn wir uns aber die finanziellen Folgen für Miet- und Kaufverträge ansehen, die zwangsläufig hieraus resultieren, frage ich, ob das wirklich gewollt ist. Wenn wir uns zu Recht an anderer Stelle darüber unterhalten, dass die Nebenkosten beinahe schon die Höhe einer zweiten Miete angenom- men haben, müssen wir uns fragen, ob es dann sinnvoll ist, auf diese Summe über den Gebäudepass noch etwas draufzusatteln. Andererseits müssen wir uns genauso fragen, ob es richtig ist – das hat zum Beispiel eine Be- deutung im genossenschaftlichen Mietwohnungsbau –, bestehende unternehmerische Kalkulationen dadurch von gesetzgeberischer Seite zu beeinflussen, dass in- folge der rechtlichen Bindung und der hieraus sich erge- benden finanziellen Auswirkung Mieter gegenüber ih- rem Vermieter auf Mietminderung dringen können und dadurch ein Unternehmen in Schieflage gerät. Wer dann daraus folgert, dies sei durchaus gewollt und zwinge bei- spielsweise Unternehmen im genossenschaftlichen Woh- nungsbau zu Investitionen hinsichtlich der CO2-Minde-rung im Gebäudebereich, hat mit ziemlicher Sicherheit die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Ich habe vorher davon gesprochen, dass so ein Ge- bäudepass möglichst unbürokratisch und für den Ver- braucher verständlich gestaltet werden sollte. Machen wir es einmal ganz einfach und anschaulich: Ich frage mich gegenwärtig als Besitzer eines Häuschens – Alt- bau –, was ich zur Minderung der Emissionen und damit zur Kostensenkung machen kann. Hierzu nützen mir die Bedarfszahlen eines Gebäudepasses alleine relativ we- nig. Um dies auch und gerade finanziell darstellen zu können, brauche ich die Verbrauchszahlen und muss diese mit den Bedarfszahlen gegenüberstellen können, die aus einer eventuellen Investition in Heizung, Fenster oder Wärmedämmverbundsystem entstehen. Und dann kann ich mir ganz einfach ausrechnen, dass sich meine Investition möglicherweise schon in kurzer Zeit rechnet. Und genau dieser Effekt ist uns als Unionsfraktion wichtig. Im Gebäudepass kann ein kleines Beschäfti- gungsprogramm stecken, das uns im Gegensatz zu einer staatlichen Beschäftigungspolitik nicht nur relativ wenig kostet, sondern auch etwas zum Klimaschutz beiträgt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Hausbesitzer keine wissenschaftliche Dokumentation an die Hand be- kommt, für deren Lektüre er fachlichen Beistand braucht, sondern dass die Ausgestaltung so erfolgt, dass auf den ersten Blick für den Hausbesitzer erkennbar ist, wo die Mängel, wo die Chancen zur Energieeinsparung und zur Kostenreduktion liegen und der Berater dann le- diglich noch die Funktion hat, bei der Umsetzung der Maßnahmen und nicht bei der Lektüre des Passes Hilfe- stellung zu leisten. Lassen Sie uns die Chancen, die in diesem Projekt lie- gen, nutzen! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist an einer konstruktiven Mitarbeit ausdrücklich interessiert. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 14243 (A) (C) (B) (D) Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die steigenden Ölpreise in diesem Winter und die damit einhergehenden Belastungen für unsere Volkswirtschaft machen eines deutlich: Unsere Abhän- gigkeit von fossilen Energieträgern ist zu einem gravie- renden ökonomischen Problem geworden. Schwerer noch wiegen allerdings die umweltpoliti- schen Risiken, die mit der Verbrennung von fossilen Energieträgern und dem damit verbundenen Ausstoß von CO2-Emissionen einhergehen. CO2-Emissionen tra-gen unumstritten zur globalen Erwärmung bei – mit ka- tastrophalen Folgen überall auf der Welt. Dies beunru- higt längst nicht nur Ökologen. Auch die Volkswirtschaftler sind beunruhigt über die Zunahme von Umweltkatastrophen weltweit. Eine aktuelle DIW- Studie schätzt die weitere Belastung der Volkswirtschaft durch vermehrte Naturkatastrophen auf bis zu 137 Milliarden Euro. Die Weltgemeinschaft hat auf diese Entwicklung rea- giert und mit dem Kioto-Prozess ehrgeizige Ziele zur weltweiten CO2-Reduzierung benannt. Deutschland hatsich verpflichtet, seine CO2-Emissionen bis 2012 um21 Prozent zu senken. Wir sind mit 18,7 Prozent Redu- zierung im Vergleich zu 1990 auf dem besten Weg, un- sere Verpflichtungen aus dem Kioto-Protokoll zu erfül- len. Im Nationalen Allokationsplan beziehungsweise im Zuteilungsgesetz 2007 verpflichtet sich die Bundesregie- rung für die Bereiche Verkehr und private Haushalte zu einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes bis 2012 um9 Millionen Tonnen CO2. In Deutschland bestehen nach wie vor erhebliche Po- tenziale zur CO2-Minderung. Dies gilt insbesondere fürden Gebäudebestand. Rund ein Drittel des gesamten Endenergieverbrauchs in Deutschland wird für die Wär- meversorgung im Gebäudebereich benötigt. Vier Fünftel des Wohnungsbestandes wurden vor dem Jahr 1980 er- richtet. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie und des Kli- maschutzprogramms der Bundesregierung hat die Bun- desregierung konsequent das bestehende energiesparpo- litische Instrumentarium ausgebaut und innovativ weiterentwickelt. 2001 wurde das KfW- CO2-Gebäude-sanierungsprogramm aufgelegt. 2002 ist die Energieein- sparungsverordnung (EnEV) in Kraft getreten. Die Energieberatung „Vor-Ort“ wurde konsequent ausge- baut. 2003 wurde das KfW-CO2-Gebäudesanierungspro-gramm mit dem Programm „Niedrigenergiehaus im Be- stand“ finanziell verstärkt und ausgeweitet. Wir haben bereits viel erreicht. Aber unser Ziel ist die energetische Optimierung des gesamten Gebäudebestandes bis 2040. Dafür sind weitere Anstrengungen notwendig. Besondere Bedeutung kommt dabei der Fortsetzung des KfW-CO2-Gebäudesanierungsprogramms zu. Seitdem Programmstart im Januar 2001 wurden aus dem Programm 59 800 Kredite für 166 600 Wohnungen des Altbaubestandes bewilligt. Der CO2-Ausstoß konnte da-mit um rund 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr reduziert werden. Bis 2010 lässt sich der CO2-Ausstoß sogar um3,5 Millionen Tonnen reduzieren. Das CO2-Gebäude- sanierungsprogramm trägt damit entscheidend zum Er- folg der Klimaschutzstrategie der Bundesregierung bei. Zugleich hat das Programm auch positive Auswirkun- gen auf Baukonjunktur, Beschäftigung und Wirtschafts- wachstum. Das Forschungszentrum Jülich beziffert den Beschäftigungseffekt der beiden bestehenden KfW- Programme zur CO2-Minderung und CO2-Gebäude-sanierung auf insgesamt 41 000 Arbeitsplätze. Davon entfallen 20 000 Arbeitsplätze auf das CO2-Gebäude-sanierungsprogramm. Die rot-grüne Bundesregierung stellt für die Förde- rung der energetischen Gebäudemodernisierung jährlich Haushaltsmittel in Höhe von 364 Millionen Euro zur Verfügung. Wir wollen die Förderung deutlich intensi- vieren und schlagen vor, die Förderung ab 2006 zu ver- doppeln. Dazu wollen wir prüfen, ob eine Umstellung auf eine direkte Förderung noch stärkere Anreize für In- vestitionen in die energetische Modernisierung des Ge- bäudebestandes bieten kann. Darüber hinaus wollen wir das bestehende CO2-Ge-bäudesanierungsprogramm um ein Förderprogramm zur energetischen Sanierung von öffentlichen Gebäuden er- gänzen. Damit sollen Impulse für die energetische Mo- dernisierung von Kindertagesstätten, Schulen, Altenta- gesstätten, Krankenhäusern, Altenheimen, Feuerwehr- und Polizeistationen und sonstige öffentliche Gebäude gesetzt werden. Entscheidend für weitere Erfolge bei der energeti- schen Modernisierung des Gebäudebestandes bleibt die Mobilisierung privaten Kapitals. Der Energiepass, der nächstes Jahr auch für Altbauten Pflicht wird, soll die Energieeffizienz eines Wohngebäudes für Verbraucher transparent machen. Häuser mit sehr hohem Energiever- brauch werden dann vermutlich am Wohnungsmarkt weitaus weniger nachgefragt werden als heute. Damit sollen wirtschaftliche Anreize für Investitionen in den Gebäudebestand erhöht werden und Impulse für die energetische Sanierung gesetzt werden. Hausbesitzer sollen zukünftig stärker als bisher ihre Chancen nutzen und zu Energiewirten werden. Dafür ist es allerdings aus unserer Sicht entscheidend, dass der Energiepass auf Grundlage der technischen Eigenschaften des Gebäudes erstellt wird. Dieser bedarfsbasierte Energiepass gibt Auskunft über die Qualität des Gebäudes, unabhängig vom Verhalten einzelner Nutzer. Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion weist in seiner grundlegenden Intention einige Gemeinsamkeiten mit unserer Position auf. Ich freue mich besonders, dass auch von der Opposition die Fortsetzung unseres Altbau- sanierungsprogramms gefordert wird. Beim Energiepass liegen wir aber doch noch deutlich auseinander. Einen reinen verbrauchsbasierten Energiepass, wie ihn die Op- position hier vorschlägt, lehnen wir ab. Allenfalls sind wir bereit, über Übergangslösungen für die Wohnungs- wirtschaft nachzudenken. Ich freue mich darauf, diese und andere Fragen in den Ausschüssen weiter zu disku- tieren. 14244 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 (A) (C) (B) (D) Angelika Brunkhorst (FDP): Der Antrag stellt zu Recht fest, dass es Zeit ist für breit angelegte Energieef- fizienzmaßnahmen in den Bereichen Bau und Verkehr. Da stimmt auch die Regierung sicher liebend gern zu. Die Umsetzung der EU-Vorgaben zum Energie- ausweis durch die Bundesregierung erfolgte bisher aber nur unzureichend und am optimalen Nutzen vorbei. Wie- der einmal scheint es so, als könnte die Deutsche Energieagentur die hohen in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Wiederholt kam es bei der Umsetzung verschiedener Energieeffizienz-Kampagnen zu Über- schneidungen und Interessenkonflikten zwischen den beteiligten Bundesministerien. Die FDP hat dazu in die- ser Woche auch eine Kleine Anfrage eingebracht, um dieses Gebaren öffentlich zu hinterfragen. Die Ausgestaltung eines Energieausweises ist nicht ganz so banal, wie es auf den ersten Blick scheint. Aber orientiert man sich an einer effizienten und unbürokrati- schen Vorgehensweise, lässt sich schnell ein Nutzen so- wohl für die Wohnungseigentümer und Mieter wie auch die Umwelt und das Klima erreichen. Für Neubauten schreibt die Energieeinsparverordnung (EnEV) ja bereits die Berechnung des Heizwärmebedarfs und somit einen Energieausweis vor. Aus Sicht der FDP ist es die Hauptaufgabe des Ener- gieausweises, dazu beizutragen, ein Bewusstsein für den Energieverbrauch im Gebäudebestand zu schaffen. Dazu reicht eine einfache und kostengünstige Variante des Ausweises aus, die beispielsweise auf Verbrauchskenn- werten basiert oder mit Referenzwerten arbeitet. Viel entscheidender, und das sieht auch die EU-Kommission so, ist die begleitende Beratung hinsichtlich möglicher effizienter Sanierungsmaßnahmen. Die gewünschten In- novationen und Investitionen werden sich daran an- schließen. Die Bundesregierung muss dazu ihre Energie- beratungs- und Förderungskonzepte neu strukturieren und anpassen. Ein Energieausweis darf keine Rechtswirkungen ha- ben, sondern lediglich der Information und Transparenz dienen. Welche Haftungsansprüche wollen Sie denn an- sonsten aus einem Energieausweis ableiten, wenn sich die Berechnungen später als ungenau herausstellen? Machen wir uns nichts vor. Ein Energiepass allein wird noch keinerlei Auswirkungen auf den Wohnungs- markt haben. Immobilien sind nun mal nicht wie Kraft- fahrzeuge beliebig austauschbar. Dort spielen andere Kriterien eine weitaus wichtigere Rolle. Ein erhöhtes Bewusstsein für den Energieverbrauch von Gebäuden resultiert aber vielleicht in einer Abkehr vom Preisver- gleich rein auf Basis der Kaltmiete, hin zum Vergleich der Warmmiete je Quadratmeter. Dann hätten wir schon viel erreicht. Würden wir uns indes tatsächlich auf einen Ausweis nach dem vorgeschlagenen „Ausführlichen Verfahren“ der dena einstellen müssen, kämen erhebliche finanzielle Aufwendungen auf die Wohnungswirtschaft zu. Solche „physikalischen“ Energieausweise setzen besonders ge- schultes Fachpersonal voraus, welches auch die entspre- chenden Kosten verursacht. Als Hochtechnologie- und Innovationsstandort sollte sich Deutschland dabei hüten, die von der EU angebotene dreijährige Fristverlängerung in Anspruch zu nehmen, die den Mitgliedstaaten im Falle von Fachkräftemangel eingeräumt wird. Das wäre ein Armutszeugnis. Oder machen wir es doch wie Frau Künast, die un- längst 1-Euro-Jobs für arbeitslose Köche forderte, damit diese die Ernährungsberatung in Schulen übernehmen. Vielleicht fordern wir in diesem Sinne 1-Euro-Jobs für arbeitslose Bauingenieure, damit diese die Energiebera- tung in den Haushalten übernehmen. So einfach geht das! Spaß beiseite. Lassen sie uns die Energieeffizienz des Gebäudebestandes per Energieausweis ebenfalls effi- zient und praktisch ausgestalten. Ein hoher Rechts- und Kostendruck führt ansonsten doch nur wieder zu Aus- weichbewegungen des Marktes. Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden wurde auf europäischer Ebene Anfang 2003 eine „Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ in Kraft gesetzt. Wir werden sie rechtzeitig bis Januar 2006 in nationales Recht umsetzen. Die Richtlinie verlangt energetische Standards in allen Mitgliedstaaten und eine ganzheitliche Beurteilung der Energieeffizienz von Ge- bäuden. Deutschland ist hier einer der Vorreiter in Eu- ropa. In der Energieeinsparverordnung haben wir einen Großteil der Vorgaben schon erfüllt. Markttransparenz ist in Europa ein hohes Gut. Wir benötigen dafür Instrumente, damit die Verbraucher sich besser über die Vor- und Nachteile einzelner Immobi- lienangebote informieren können. Genau dies will die Richtlinie europaweit möglich machen. Energieausweise müssen künftig sowohl für Neu- als auch für Altbauten verbindlich vorgeschrieben werden. Für uns ist nur der obligatorische Energieausweis für bestehende Gebäude etwas Neues. Ab 2006 müssen wir in Deutschland nach und nach diese Bestandspässe ausstellen. Insbesondere bei Neuvermietung, Verkauf und gege- benenfalls staatlicher Förderung müssen die Ausweise erstellt und Miet- oder Kaufinteressenten vorgelegt wer- den. Dies soll zu mehr Verbraucherfreundlichkeit und Transparenz beitragen. Das Bewusstsein für den Ener- gieverbrauch von Gebäuden wird erhöht, die Motivation zu Energiesparmaßnahmen gestärkt, Innovationsanreize geschaffen. Wir prüfen zurzeit die näheren Einzelheiten der Ausgestaltung der Energieausweise. Dazu gehört auch die Frage nach dem Anwendungsbereich der Aus- weise, die am tatsächlichen Verbrauch orientiert sind. Qualität, Objektivität und Transparenz sind die entschei- denden Kriterien für den Erfolg des Energieausweises. Und natürlich muss auch der Preis stimmen. Gelingt hier eine optimale Gestaltung, kann der Pass das Schlüssel- element einer modernen Informationspolitik zum ener- giesparenden und umweltgerechten Bauen werden. Wir werden die Richtlinie eins zu eins umsetzen. Da- bei wird sich die Umsetzung in zwei Paketen vollziehen: Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 14245 (A) (C) (B) (D) In Kürze werden wir den Entwurf für eine Änderung des Energieeinsparungsgesetzes vorlegen. Das Gesetzge- bungsverfahren bietet voraussichtlich im zweiten Quar- tal 2005 Gelegenheit, die im Antrag angesprochenen Fragen zu erörtern. Der zweite Schritt wird die Vorlage eines Entwurfs für eine Änderung der Energieeinspar- verordnung sein. Bei der Erstellung des Referentenent- wurfs zur Energieeinsparverordnung werden wir selbst- verständlich die in Ihrem Antrag vorgelegten Fragen sorgfältig prüfen und die Ergebnisse dieser Prüfung be- rücksichtigen. Die CDU/CSU-Fraktion fordert die Bundesregierung auf, Berichte zu Einzelthemen bei der Umsetzung der Richtlinie vorzulegen. Ich kann mich diesem Anliegen nicht anschließen und möchte Sie bitten, von diesem Wunsch Abstand zu nehmen. Eine gesonderte Vorlage von Berichten zu Einzelthemen würde eine zügige Bera- tung verzögern. Natürlich werden wir im Verfahren aus- führlich informieren. Was das Anliegen nach kosten- günstigen und transparenten Energieausweisen angeht, sind wir nicht weit auseinander. Es ist doch selbstver- ständlich, dass wir gerade in Zeiten der Entbürokratisie- rung einen praxistauglichen, verständlichen und kosten- günstigen Energieausweis bereitstellen werden. Auch die Frage nach etwaigen Rechtswirkungen von Energie- ausweisen ist ein Thema, mit dem sich die Bundesregie- rung bereits befasst hat. Mit den betroffenen Verbänden haben wir uns bereits ausgetauscht. Über das Ergebnis der Prüfung wird im Gesetzgebungsverfahren berichtet werden. Ich bin sicher, dass wir eine gute Zusammenar- beit bei der Lösung dieser genannten Problematik ver- einbaren können. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Sicherheit an unbeschrankten Bahnüber- gängen sofort verbessern – Mehr Sicherheit an beschrankten Bahn- übergängen (Tagesordnungspunkt 14) Heidi Wright (SPD): Viele Jahre lang haben sich die für Verkehrssicherheit an Bahnübergängen Zuständigen bemüht, Maßnahmen zur Reduzierung der Unfallhäufig- keit an unbeschrankten Bahnübergängen kontinuierlich weiterzuentwickeln. Mit der heutigen abschließenden Lesung und Abstimmung des Koalitionsantrages „Si- cherheit an unbeschrankten Bahnübergängen sofort ver- bessern“ und der Zustimmung der Oppositionsparteien stellt der Bundestag eine längst überfällige und notwen- dige Weiche: Er macht den Weg frei für eine Änderung der StVO und damit für die Verankerung der Möglich- keit einer Doppelbeschilderung von Andreaskreuz und Stoppschild an dafür geeigneten unbeschrankten Bahn- übergängen. Die Frage, an welchen Bahnübergängen die Schil- derkombination Sinn macht, weil sie geeignet ist, das Gefahrenpotenzial tatsächlich herabzusetzen, wird in Einzelfallprüfungen vor Ort zu klären sein. Dieser Klä- rungsprozess muss zügig organisiert und zwischen den beteiligten Akteuren von Schiene und Straße gut koordi- niert werden. Er kann nur gelingen, wenn alle Entschei- dungsträger ihrer Verantwortung gerecht werden. Und diese Verantwortung heißt, nicht weiter die Möglichkeit der Doppelbeschilderung zu verzögern. Der Handlungs- druck ist groß, die Zeit arbeitet nicht für uns. Das Problem: Zwar sind die Unfallzahlen an Bahn- übergängen insgesamt rückläufig. Doch gemessen an der Unfallhäufung stellen unbeschrankte Bahnübergänge, die entweder mit Lichtzeichen, Blinklicht oder Andreas- kreuz gesichert sind, unvermindert Hauptgefahren- punkte dar: 23 Tote bei Unfällen an unbeschrankten Bahnüber- gängen – von insgesamt 46 Toten –, 38 Schwerverletzte – von insgesamt 56 Schwerverletzten – und 88 Leicht- verletzte – von insgesamt 129 Leichtverletzten – zählte das Eisenbahn-Bundesamt für das Jahr 2003. Angesichts dieser Realität war das Bundesministe- rium natürlich nicht tatenlos und hat 2004 einen Leitfa- den zur Durchführung von Bahnübergangsschauen vor- gelegt. Dieser ist ausdrücklich zu loben, stellt er doch die Problematik Verkehrssicherheit an Bahnübergängen als Gemeinschaftsaufgabe dar und nimmt auch alle – Bahn, Kommunen, Verkehrsteilnehmer – in die Verantwortung. Bundesweit gibt es derzeit rund 24 000 Bahnübergänge der DB AG. Davon sind rund 12 000 mit Schranken bzw. Signallichtern gesichert. Die Mehrzahl der Bahnüber- gänge aber, rund 14 000, ist unbeschrankt. Die Lösung: Einstimmig haben am 15. Dezember 2004 alle Fraktionen im federführenden Ausschuss den Koalitionsantrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen „Sicherheit an unbeschrankten Bahnübergängen sofort verbessern“ angenommen. Das ist erfreulich, und es wa- ren mehrere Gründe, die schließlich alle von der Wirk- samkeit unserer Lösung überzeugten: Sie ist technisch einfach zu realisieren, sie ist eine preiswerte Alternative zu teuren Nachrüstungen mit (Voll-)Schranken, und sie ist schnell umsetzbar. Die Einsicht in die Notwendigkeit unverzüglichen Handelns angesichts der unvermindert hohen Gefahren- potenziale war für die Kollegen von der Opposition ein Grund, sich unserem Antrag anzuschließen und den ei- genen für erledigt zu erklären. Sie haben damit gezeigt, dass ihnen das gemeinsame Anliegen etwas wert ist. Dies ist ausdrücklich zu würdigen. Überzeugt hat im Verlauf der parlamentarischen Be- ratungen auch, dass unsere Schilderkombination – ge- zielt angeordnet – die Wahrnehmung von unbeschrank- ten Bahnübergängen deutlich verbessern wird. Gerade in diesem Punkt herrscht weit verbreitete Unkenntnis! Die Bedeutung des Andreaskreuzes – Wartepflicht – gebot den Vorrang der Schiene gegenüber der Straße. Diese Grundregeln sind bei vielen Verkehrsteilnehmern nicht mehr präsent. Mehrere Untersuchungen belegen 14246 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 (A) (C) (B) (D) dies; ich erinnere nur an die 2001 im Auftrag der DB AG durchgeführte Umfrage „Sicher drüber“ von DB AG, ADAC und Deutschem Verkehrssicherheitsrat. Gezielt angeordnet kann die mögliche neue Schilder- kombination den wesentlichen Unfallursachen entgegen- wirken: Noch immer werden unbeschrankte Bahnüber- gänge häufig nicht genügend ernst und damit kaum wahrgenommen; PKW-Fahrer verhalten sich oft unauf- merksam, überqueren mit unvermindert hohem Tempo die Gleise. Vor diesem Hintergrund hat die Sensibili- sierung für die Gefahren durch kontinuierliche Aufklä- rungsarbeit oberste Priorität: durch weitere Kampagnen von Bahn, Verkehrsverbänden und Bundesgrenzschutz, durch Medienberichte, aber auch durch Thematisierung in den Fahrschulen. Überzeugt hat schließlich auch die Dokumentierung der positiven Unfallentwicklung in jenen EU- und außer- europäischen Ländern, in denen die Schilderkombina- tion längst gang und gäbe ist; ich nenne hier zum Bei- spiel Österreich, Spanien, Kroatien, Tschechien, Polen, Namibia. Wir haben guten Grund, davon auszugehen, dass wahrscheinlich auch bei uns Unfälle verhindert werden können. Wir haben den Knoten durchgeschlagen. Wir haben entschieden und setzen jetzt auf die Wirksamkeit unserer Maßnahme. Wie so oft im politischen Geschäft ist dies jedoch noch immer nicht das gute Ende, sondern das Bundesverkehrsministerium muss nun die entsprechen- den Schritte für eine Änderung der StVO sowie eine Än- derung der Verwaltungsvorschriften einleiten. Dafür ist noch ein Abstimmungsprozess mit dem Bundesministe- rium der Justiz notwendig. Parallel hierzu kann jedoch die Änderung der StVO und der Verwaltungsvorschrif- ten mit den Landesbehörden abgestimmt werden. Der Bundesrat muss dann letztendlich noch zustimmen. Ich appelliere an alle im nachfolgenden Prozess Be- teiligten, so wie ich es bereits zu Anfang meiner Rede angemahnt habe, ihrer Verantwortung im Sinne der In- tention des Antrages „Sicherheit an unbeschrankten Bahnübergängen sofort verbessern“ gerecht zu werden. Gero Storjohann (CDU/CSU): Unbeschrankte Bahnübergänge zählten in der Vergangenheit zu den wohl unfallträchtigsten Bereichen im Straßenverkehr. Allein im Jahre 2002 ereigneten sich 294 Unfälle allein an den Bahnübergängen der Deutschen Bahn AG. 61 Menschen kamen dabei ums Leben. Der größte Teil der Unfälle ereignete sich hierbei an Bahnübergängen, die nicht durch eine Schrankenanlage gesichert waren. Häu- figster Grund hierfür war nach Erkenntnissen aus der Verkehrsunfallforschung, dass vielen Kraftfahrern die Bedeutung des an unbeschrankten Bahnübergängen auf- gestellten Andreaskreuzes vielfach nicht bekannt ist. Viele Autofahrer fuhren daher zu schnell über die unbe- schrankten Bahnübergänge hinweg, ohne auf etwa he- rannahende Züge zu achten. Die CDU/CSU-Fraktion hat daher im November 2003 einen Antrag in den Deutschen Bundestag einge- bracht. Wir wollten endlich mehr Sicherheit an unbe- schrankten Bahnübergängen erreichen. Problem dabei ist, dass die Ausstattung mit einer Schrankenanlage sehr teuer ist. Bis zu 400 000 Euro kann eine solche Umrüs- tung kosten. Ein Nachrüsten ist daher aus Kostengrün- den häufig nicht möglich. Wir wollten Alternativlösun- gen erreichen, um unbeschrankte Bahnübergänge endlich sicherer zu machen. Deshalb hatten wir in unse- rem Antrag die Bundesregierung aufgefordert, unter an- derem über Erkenntnisse aus Pilotversuchen mit Ver- kehrszeichen auf gelbfluoreszierendem Hintergrund an unbeschrankten Bahnübergängen zu berichten. Solche Pilotversuche gab es beispielsweise schon in Bayern. Auch Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern mit einem auf neongelbem Hintergrund unterlegten An- dreaskreuz interessierten uns. Ferner wollten wir den Start von Pilotprojekten erreichen, um die Effektivität ei- ner Kombination aus Andreaskreuz und Stoppschild zu überprüfen. Darüber hinaus wollten wir überprüft wissen, ob eine Schilderkombination aus Andreaskreuz und Stoppschild die Sicherheit an unbeschrankten Bahnübergängen nach- haltig verbessern kann. Diese Schilderkombination beruhte auf einem Vorschlag des Rentners Werner Kuhlmann aus Verl in Westfalen. Herr Kuhlmann hatte vor Jahren miterleben müssen, wie ein Auto an einem unbeschrankten Bahnübergang in Verl von einem heran- nahenden Zug erfasst wurde und ein vierjähriges Kind hierbei verstarb. Dieses traurige Ereignis hatte Herrn Kuhlmann nicht mehr losgelassen und er hatte die Idee einer Sicherung der unbeschrankten Bahnübergänge aus Andreaskreuz und Stoppschild. Diese Schilderkombina- tion hat gleich mehrere Vorzüge. Erstens ist sie mit nur 300 Euro pro Bahnübergang sehr kostengünstig. Zwei- tens ist sie schnell zu installieren; es genügen ein paar Schrauben. Und drittens ist sie auffällig, denn die Be- deutung des Stoppschildes ist jedem Verkehrsteilnehmer hinlänglich bekannt. Ende Juli letzten Jahres hat Herr Kuhlmann dann bei einem Ortstermin in Verl die Ausschussmitglieder von der Schilderkombination aus Andreaskreuz und Stopp- schild überzeugt. Ich danke Herrn Kuhlmann für sein unermüdliches und beharrliches Engagement in dieser Frage. Herr Kuhlmann hat sich um die bessere Siche- rung unbeschrankter Bahnübergänge wahrlich verdient gemacht. Ich danke der Kollegin Heidi Wright aus der SPD- Bundestagsfraktion, welche die Bedenken, die im Bun- desverkehrsministerium hinsichtlich der Schilderkombi- nation anfänglich vorherrschten, erfolgreich zerstreut hat. Ich danke auch den Kollegen Hubert Deittert und Gerhard Wächter aus meiner Fraktion, die sich schon jahrelang für die von Herrn Kuhlmann vorgeschlagene Lösung eingesetzt hatten und immer ein wichtiger und verlässlicher Motor in dieser Sache waren. Wenn wir nun heute der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen, dann haben wir einen großen Schritt für mehr Verkehrssicherheit getan. Mit unserer heutigen Entscheidung stärken wir zudem die kommu- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 14247 (A) (C) (B) (D) nale Selbstverwaltung, Kreise und Kommunen können zukünftig selbst entscheiden, an welchen Bahnübergän- gen die Schilderkombination aus Andreaskreuz und Stoppschild aufgestellt werden kann. Ich hoffe, dass sie hiervon vielfach und vernünftig Gebrauch machen. Gerhard Wächter (CDU/CSU): Es kommt nicht oft in diesem Hause vor, dass sich Regierung und Opposi- tion einig sind. In dem Fall, den wir jetzt debattieren, ist es so. Darüber freut sich verständlicherweise einer be- sonders, Werner Kuhlmann. Werner Kuhlmann ist kein Politiker, sondern ein en- gagierter Rentner aus Verl, der es sich zur Lebensauf- gabe gemacht hat, den unbeschrankten Bahnübergängen zu mehr Sicherheit zu verhelfen. Seit nunmehr sieben Jahren hat er unermüdlich dafür gekämpft, dass die An- bringung eines Stoppschildes an unbeschrankten Bahn- übergängen ermöglicht wird. Ich weiß das so genau, weil ich Herrn Kuhlmann und seine Idee bereits während meiner Landtagszeit in NRW unterstützt habe. Daraus ging die Einberufung einer Arbeitsgruppe in der Bund/ Länder-Kommission hervor; beim Endspurt hier auf Bundesebene konnten wir also schon auf zahlreiche Ar- beiten zu dem Thema aufbauen. Der ganze Vorgang ist bei aller Freude über das positive Ergebnis allerdings auch ein weiteres Beispiel dafür, dass Politik vor allem auch eins ist: das Bohren dicker Bretter. Die Entschei- dungen lassen viel zu lange auf sich warten! Ich möchte natürlich nicht verhehlen, dass es durch- aus Experten gibt, die sich gegen das Modell „Andreas- kreuz und Stoppschild“ ausgesprochen haben. Die Proto- kolle der Bund/Länder-Fachkommission geben hierüber Auskunft. Aber wenn wir so lange warten, bis auch der Letzte überzeugt ist, dauert es vermutlich noch mal so lange. Klar ist, dass nicht alle Bahnübergänge, die unbe- schrankt sind, automatisch durch die Anbringung eines Stoppschildes gesichert werden sollen. Hier muss im Einzelfall entschieden werden. Für die Verantwortlichen in den Landkreisen und Kommunen bedeutet das: sie ha- ben demnächst mehr Entscheidungsfreiheit, aber auch mehr Verantwortung gemeinsam mit der Deutschen Bahn. Aber was macht das Modell „Andreaskreuz plus Stoppschild“ denn nun so attraktiv? Günstig – einfach – verständlich. Mit dieser Kurzformel lassen sich die Vor- züge dieses Modells auf den Punkt bringen. Zu Punkt eins „günstig“: Hierzu ein Vergleich: Ein Stoppschild kostet rund 300 Euro, eine Schrankenanlage bereits bis zu 400 000 Euro. Von den Kosten einer Stra- ßenumbaumaßnahme wollen wir lieber erst gar nicht sprechen. Natürlich wären technische Nachrüstungen, also eine Schrankenanlage, am sichersten. Aber in der gegenwärtigen Situation, in der leere Kassen das Bild bestimmen, können solche kostenintensiven Wünsche nicht erfüllt werden. Jedenfalls nicht auf absehbare Zeit und erst recht nicht in Kürze. Zu Punkt zwei „einfach“: Die Anbringung eines Stoppschildes erfordert keine Baumaßnahmen bzw. grö- ßeren Aufwand. Das Schild kann ohne großen Aufwand zusätzlich an den bereits vorhandenen Träger für das Andreaskreuz angebracht werden. Einfacher geht’s wirklich nicht. Und drittens: „STOPP“ heißt Halten! Das Schild kennt und versteht jeder und fast alle halten sich auch daran. In diesem Zusammenhang will ich zwei Aspekte besonders hervorheben: Erstens. Nach Angaben des ADAC liegt in 97 Prozent aller Unfälle an Bahnübergängen die Schuld bei den Au- tofahrern. Als Hauptursache werden Unaufmerksamkeit und – das ist von großer Bedeutung – zu hohe Ge- schwindigkeit genannt. Untersuchungen zufolge fährt je- der Dritte zu schnell an Bahnübergänge heran. Ein Stoppschild würde dieses Fehlverhalten zwangsläufig korrigieren. Zweitens. Vielen Verkehrsteilnehmern ist die Bedeu- tung des Andreaskreuzes nicht vollkommen klar. Dies wird von Verkehrsteilnehmern selbst oft so beurteilt. Das mag damit zusammenhängen, dass Andreaskreuze nicht zu den in der Fläche weit verbreiteten Verkehrszeichen zählen. Unsachgemäßes Verhalten ist also regelrecht vorprogrammiert. Anders sieht es beim Stoppschild aus, dessen Bedeutung unmissverständlich ist. Dies mögen auch die Gründe sein, weshalb die Kom- bination dieser Verkehrszeichen in anderen Ländern be- reits praktiziert wird, zum Beispiel in Österreich, Spa- nien, Polen und Tschechien. Mir – und ich glaube auch anderen Kolleginnen und Kollegen – liegen sogar Auf- nahmen aus Namibia vor, die einen Bahnübergang mit dieser kombinierten Beschilderung zeigen. Andernorts gibt es also bereits überzeugende Erfahrungen, die wir nutzen sollten. Es ist genug gefachsimpelt worden über das Pro und Kontra der Stoppschildlösung. Die Einsicht ist da, dass dieser Weg die beste Lösung ist. Deshalb sollten wir die Richtigkeit auch mit einem eindeutigen Votum unter- streichen. Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eines ist klar: Die Verbesserung der Sicherheit an Bahnüber- gängen – insbesondere an unbeschrankten – liegt uns al- len am Herzen. Das haben sowohl die vergangenen De- batten im Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen als auch hier im Plenum deutlich ge- macht. Das zeigen auch die beiden Anträge, über die wir heute debattieren. Auch wenn sich die Unfallzahlen in den vergangenen Jahren positiv entwickelt haben, so besteht dennoch un- verändert Handlungsbedarf. Insbesondere die Unfallhäu- figkeit an unbeschrankten Bahnübergängen sollte uns anspornen, noch mehr für die Verbesserung der Sicher- heit zu tun. Angesichts von rund 12 000 unbeschrankten Bahn- übergängen ist es schon bedenklich, dass offensichtlich nach der im Jahre 2001 durch die Deutsche Bahn AG durchgeführten Studie „Sicher drüber“ bei vielen Ver- kehrsteilnehmern die Bedeutung des Andreaskreuzes in Vergessenheit geraten ist. Insofern unterstützt diese 14248 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 (A) (C) (B) (D) Umfrage auch die Aussage des ADAC und anderer, wo- nach fast alle Unfälle an unbeschrankten Bahnübergän- gen letztendlich auf die Unaufmerksamkeit der Autofah- rer zurückzuführen sind, wobei häufig auch die unangepasste Geschwindigkeit zu einer deutlichen Ge- fahrenerhöhung beiträgt. Somit müssen wir konstatieren, dass viele Autofahrer beim Überqueren von Bahnüber- gängen russisches Roulette spielen, ohne dass es ihnen bewusst ist. Die wirksamste Methode wäre zweifellos die Ausstat- tung möglichst vieler Bahnübergänge mit Vollschranken. Jedoch können wir angesichts der aktuellen Ausstattung von lediglich 17 Prozent der Bahnübergänge mit einer technischen Vollsicherung nicht davon ausgehen, dass es – schon alleine aus Kostengründen – hier in den nächs- ten Jahren zu einer massiven Nachrüstung kommen wird. Daher steht für uns die Suche nach kostengünsti- gen Alternativen im Vordergrund. Wir halten die Kombination von Andreaskreuz und Stoppschild für eine technisch einfache, kostengünstige und schnell umsetzbare Lösung zur Verbesserung der Wahrnehmung von Bahnübergängen. Darüber hinaus dürfte es den Verkehrsteilnehmern helfen, die eigentli- che Bedeutung des Andreaskreuzes wieder in Erinne- rung zu rufen. Das Gegenargument, eine Kombination der Zeichen sei in der Straßenverkehrsordnung nicht zulässig, sollte uns nicht davon abhalten, dann eine entsprechende Än- derung der StVO vorzunehmen. Der Antrag der Koali- tionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen mündet konsequenterweise in der Aufforderung an die Bundesregierung, entsprechende Schritte zur Veranke- rung dieser Doppelausschilderung in der StVO gemein- sam mit den Bundesländern anzugehen. Der Antrag der CDU/CSU unterscheidet sich von un- serem Antrag im Wesentlichen in dessen Forderung, nach einer Einführung von Verkehrszeichen – zum Bei- spiel Andreaskreuz – auf einem gelbfluoreszierenden Hintergrund und der Durchführung von entsprechenden Pilotversuchen. Der Kollege Storjohann hatte uns ja in einer der letzten Bundestagsdebatten in einer Gemein- schaftsaktion mit dem Kollegen Vogel bereits einen Pro- totyp dieses Schilds präsentiert. Zunächst fand ich seinen Vorschlag durchaus überle- genswert, da es zumindestens in der Anfangsphase zu ei- nem höheren Aufmerksamkeitsgrad – insbesondere nachts – kommen könnte. Allerdings sind die Einwände des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen nicht einfach von der Hand zu weisen. Ich sehe ebenfalls die Gefahr, dass zum Beispiel einem An- dreaskreuz ohne fluoreszierenden Hintergrund eine ge- ringere Bedeutung zugemessen werden könnte. Und der befürchtete Gewöhnungseffekt kann auch nicht von der Hand gewiesen werden. Hier erinnere ich nur noch an unsere letzte Debatte zur Verkehrssicherheit, in der ich auf die Verbindung von Unfallgeschehen und allzu gro- ßer Routine von Verkehrsteilnehmern hingewiesen hatte. Die auch von der CDU/CSU in ihrem Antrag positiv bewertete Kombination aus Andreaskreuz und Stopp- schild hätte einen positiveren Effekt: Was ein Stopp- schild bedeutet, weiß jeder Verkehrsteilnehmer; denn die Konsequenzen einer Missachtung des Stoppschildes ha- ben vermutlich die meisten von uns schon einmal in ih- rem Portemonnaie gespürt. Daher widerspreche ich der Meinung des Verkehrsministeriums, das einen zu gerin- gen Befolgungsgrad befürchtet und auf die Notwendig- keit des Vorhandenseins der sozialen Kontrolle beim Fahrer hinweist. Wer keine soziale Kontrolle als Verkehrsteilnehmer aufweist, gehört nicht auf die Straße und schon gar nicht in ein Kraftfahrzeug. Sollte es begründete Anzeichen be- züglich eines zunehmend unsozialen Verhaltens der Ver- kehrsteilnehmer geben, so würde ich in diesem Falle das Ministerium doch um eine Aufklärung und Information unseres Ausschusses bitten. Andererseits kann ich die sinkenden Unfallzahlen und die derzeitige positive Ent- wicklung bei den Opferzahlen damit nicht in Überein- stimmung bringen; denn schließlich sind es auch die Verkehrsteilnehmer, die durch ihr Verhalten einen Bei- trag zur gestiegenen Verkehrssicherheit der letzten Jahre geleistet haben. Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Wieder behan- deln wir ein sehr wichtiges Thema zu nachtschlafener Zeit: die Verkehrssicherheit. Vor fast genau einem Jahr habe ich hier in etwa zur gleichen Zeit schon einmal die- sen Satz gesagt. Anscheinend hat das Thema nicht an Relevanz gewonnen. Dem widersprechen allerdings die täglichen Nachrichten von Verkehrsunfällen und der ent- sprechende Widerhall in der Öffentlichkeit. Betrachtet man die Entwicklungen auf dem Gebiet der Verkehrssicherheit, so sehen wir uns im Kraftfahr- zeugverkehr von immer mehr Technologie und Automa- tismen umgeben. Nebenbei bemerkt kann auch die neu- este Technologie in den Autos den immer schlechter werdenden Straßenzustand nicht ausgleichen. Im Luft- und Schifffahrtsverkehr wird im Hinblick auf Sicher- heitsvorkehrungen ständig geforscht und vorgeschrie- ben. Im Schienenverkehr dagegen scheinen die Bemühun- gen für ein höheres Maß an Verkehrssicherheit mitunter zu kurz zu kommen, speziell im Bereich der unbe- schrankten Bahnübergänge – und dies trotz der Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs. Die letzte Lösung bleibt im- mer die (Voll-)Schranke, die allerdings sehr kosteninten- siv und aus Gründen des Verkehrsaufkommens nicht an allen Bahnübergängen notwendig ist. Aber gerade bei den unbeschrankten Bahnübergängen scheint deutlich zu werden, dass immer ein Unsicherheitsfaktor bestehen bleibt: der Mensch. Nach meiner Kenntnis ist bei unbe- schrankten Bahnübergängen die Bereitschaft der Ver- kehrsteilnehmer, die Warnsignale zu ignorieren, beson- ders groß. Es werden sogar Halbschranken umfahren und dann wird überrascht festgestellt, dass ein Zug kommt. Daher ist es bei noch so guter Kontrolle und noch so guter Technik nicht ausgeschlossen, dass Ver- kehrsunfälle passieren. Aus diesem Grund sind wir als Gesetzgeber gefragt. Wir müssen dafür sorgen, dass es sinnvolle Bedingungen Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 14249 (A) (C) (B) (D) für Verkehrssicherheit zumindest durch die Gesetzeslage gibt. Genau dies wird in dem vorliegenden Antrag gefor- dert. Die Straßenverkehrsordnung ist so zu ändern, dass die Kombination von fluoreszierendem Andreaskreuz und Stoppschild an unbeschrankten Bahnübergängen möglich wird, die sich in einem Testversuch in Bayern als sehr gut erwiesen hat. Die Verkehrszeichen beachten und sich entsprechend verhalten müssen aber die Verkehrsteilnehmer. Das wie- derum können wir als Gesetzgeber unterstützen, indem wir dafür Sorge tragen, dass alle Verkehrsteilnehmer eine bessere Verkehrserziehung erhalten. Sie müssen nicht nur wissen, was das Verkehrszeichen mit der Be- zeichnung Andreaskreuz bedeutet, sondern auch lernen, wie wichtig das eigene Verhalten ist. Insgesamt muss das Thema Verkehrssicherheit also auf jeden Fall mehr in den Vordergrund der parlamentarischen Diskussion rü- cken. Hoffentlich geschieht dies in diesem Jahr und viel- leicht auch einmal zur „Plenar-Primetime“. Nichtsdestotrotz wird der vorliegende Antrag der Ko- alitionsfraktionen – wie auch schon im Verkehrsaus- schuss geschehen – von der FDP-Bundestagsfraktion be- grüßt. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung: – Tätigkeitsbericht 2002/2003 der Regulie- rungsbehörde für Telekommunikation und Post – Bericht nach § 81 Abs. 1 Telekommu- nikationsgesetz und § 47 Abs. 1 Postgesetz und Sondergutachten der Monopolkommis- sion gemäß § 81 Abs. 3 Telekommunika- tionsgesetz und § 44 Postgesetz – Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Tätigkeitsbericht der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post 2002/2003 und zu dem Sondergutachten der Monopol- kommission von 2003 „Wettbewerbsintensi- vierung in der Telekommunikation – Ze- mentierung des Postmonopols“ (Tagesordnungspunkt 15 a und b) Klaus Barthel (Starnberg) (SPD): In einer Ausspra- che zum Tätigkeitsbericht der Regulierungsbehörde ist aus Sicht der Fachpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion – und sicher auch aus Sicht der Gesamtfraktion – zu- nächst die Arbeit der Behörde selbst zu würdigen. Unter der Führung ihres Präsidenten Matthias Kurth ist es ihr gelungen, auch in den kompliziertesten und konfliktgela- densten Situationen Wege zu letztlich breit akzeptierten Regelungen zu finden. Dazu gehört die Konsenssuche und Vermittlung im Vorfeld ebenso wie die meisten Entscheidungen. Wie von uns gefordert, übernimmt die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zunehmend auch die Aufgabe in sehr dynamischen Branchen Veränderungen, Probleme und Innovationen vorausschauend zu thematisieren. Gleichzeitig vollzog die Behörde eine weit reichende interne Umstrukturie- rung, weil die Aufgabenstellungen und technischen Entwicklungen stark veränderte Arbeitsweisen, Qualifi- kationen und räumliche Schwerpunkte verlangen. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich der Regu- lierungsbehörde für Telekommunikation und Post den Rücken dafür stärken, dass nicht einfach ein Aufgaben- und damit Personalrückbau stattzufinden hat, wie es wohl der Bundesrechnungshof meint, sondern teilweise Verlagerungen. Einige Tätigkeiten nehmen eher ab, neue Arbeitsfelder kommen jedoch hinzu, wie die Themen elektromagnetische Verträglichkeit, Überwachung der zahlreichen Wettbewerber der Deutschen Post hinsicht- lich der Einhaltung der Lizenzbedingungen und der Ver- braucherschutz. Vor diesem Hintergrund warnen wir vor Übertreibungen beim Personalabbau und bei der Schlie- ßung von Außenstellen. Auch in Zukunft können wir nicht auf eine wenigstens ansatzweise flächendeckende Präsenz mit kompetentem Personal verzichten. Vor dem Hintergrund der erfolgreichen Arbeit der Re- gulierungsbehörde für Telekommunikation und Post ist es kein Zufall, dass die Energieregulierung dort angesie- delt werden soll. Wir trauen ihr zu, auch diese Aufgabe zu übernehmen, auch wenn wir wissen, dass die neue Energieregulierung nicht einfach wird. Zur Telekommunikation erlaube ich mir den Hinweis, dass vieles, was heute zum selbstverständlichen Alltag der Regulierungsarbeit in der Telekommunikation ge- hört, von uns seit dem Jahr 2000 – damals unter lautem Gezeter vonseiten der Opposition – gefordert wurde: vo- rausschauende Regulierung, Rückbau von Doppelregu- lierung durch Aussetzen von Ex-ante-Regulierung, Teil- märktekonzept usw. Im Postbereich will ich folgende Punkte kurz streifen: Erstens. Auf unser Drängen hat die Regulierungsbe- hörde mit dazu beigetragen, Defizite in der Erbringung des Universaldienstes zu definieren. Dies war die Grundlage für die Selbstverpflichtung der Post, die Hauptkritikpunkte, zum Beispiel bei den Themen Brief- kästen und Filialen, aufzunehmen. Auch wenn nicht alle Probleme gelöst werden konnten, bedeutet die im Zu- sammenspiel vor Bürgereingaben, Kommunalpolitik, Regulierungsbehörde und deren Beirat, Bundesregie- rung und Koalitionsfraktionen, Bundestag, Bundesrat und DPAG zustande gekommene Selbstverpflichtung eine klare Verbesserung der Situation. Grundlage dafür war die Novellierung des Postgesetzes, in der die Koali- tion klar die Deutsche Post AG als die Erbringerin des Universaldienstes verpflichtet hat. Hier widersprechen wir der Auffassung der Monopolkommission, die, wie auch an anderen Stellen, wettbewerbstheoretische Über- legungen vor Kundeninteressen stellt. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass sich die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum Tätigkeitsbericht vorbehält, bei Nichterfüllung von Selbstverpflichtung und Universal- dienstleistung zu verordnungsrechtlichen Maßnahmen zu greifen. Für uns gehören dazu auch empfindliche Sanktionen. 14250 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 (A) (C) (B) (D) Zweitens. Zur Exklusivlizenz wurde und wird an an- deren Stellen genug gesagt, zuletzt bei der Debatte um die Anträge zu diesem Thema am 17. Dezember 2004. Nur so viel: Durch die Entscheidung des Bundesverfas- sungsgerichts sind die verfassungstheoretischen Ausfüh- rungen der Monopolkommission überholt. Die eher wirt- schaftspolitisch angelegte Kritik, hier werde ein Monopol geschützt oder zementiert, geht doppelt ins Leere: Im reservierten Bereich kann es schon von der Definition her keinen Wettbewerb geben. Dies ist der Sinn der Sache. Von einer Ausweitung oder Zementie- rung des Monopols zu sprechen, verbietet ein Blick auf die im Tätigkeitsbericht ausgewiesene Marktentwick- lung mit der wachsenden Zahl der Wettbewerber und ih- rer Marktanteile. Bei stagnierendem Gesamtmarkt haben sich Umsätze und Marktanteile der Wettbewerber zwi- schen 2002 und 2003, zwar ausgehend von sehr niedri- gem Niveau, auf 4 Prozent mehr als verdoppelt. Im Mus- terland aller Liberalisierungsfans der Post, Schweden, hält die gute alte Staatspost auch nach über zehn Jahren totaler Marktöffnung auch heute noch 90 Prozent der Marktanteile. Schon im kommenden Jahr wird bei uns die Gewichtsgrenze gesenkt und ab Ende 2007 läuft das Monopol aus. Dies bedeutet, dass schon jetzt im Brief- markt der Wettbewerbsbereich von 23 Prozent im Jahr 2002 auf 41 Prozent im Jahr 2006 steigen wird. Drittens. Auch zur Konsolidierung ist das Notwen- dige gesagt. Die EU-Kommission wäre gut beraten, im Sinne der Lissabon-Strategie nicht mit dem spitzen Blei- stift Wettbewerbsscholastik zu betreiben, sondern die Gesamtziele der erfolgreichen wirtschaftlichen Entwick- lung, der Kundeninteressen und der Arbeitsplätze im Auge zu behalten. Auch hierzu verweise ich auf meine Ausführungen vom 17. Dezember 2004. Viertens. Beim Thema Umsatzsteuer kann die Argu- mentation der Monopolkommission letztlich nicht über- zeugen. Eine Wettbewerbsverzerrung im Briefbereich läge nur dann vor, wenn die Preise der Deutschen Post dort nicht einschließlich steuerlicher Faktoren nach Kos- ten berechnet und reguliert würden. Im Paketbereich, wo über 80 Prozent der Sendungen gewerblichen Kunden gehören, erhebt auch die Deutsche Post AG im gewerbli- chen Bereich die Umsatzsteuer. Eine Aufhebung der Umsatzsteuerbefreiung hätte letztlich wettbewerblich gesehen kaum Auswirkungen. Dem stünden erhebliche bürokratische Aufwände – Ort der Leistungserbringung, Auslandssendungen, Unterscheidung von Sendungen mit und ohne Vorsteuerabzug usw. – sowie eine saftige Preissteigerung für den Normalverbraucher entgegen. Auch hier fordere ich: Die EU-Kommission soll zu- nächst handhabbare und effiziente Regelungen gegen den wachsenden zig Milliarden schweren Umsatzsteuer- betrug ergreifen, bevor sie uns mit Umsatzsteuer für Postdienste beglückt. Wir begrüßen es sehr, dass die Bundesregierung dem Beschluss des Deutschen Bundes- tages folgt, die Erhebung von Umsatzsteuer auf öffentli- chen Postdienst auf EU-Ebene zu blockieren. Fünftens. Im Bereich des Universaldienstes wünschen wir uns eine Intensivierung der Arbeit der Regulierungs- behörde für Telekommunikation und Post. Dabei wird es beispielsweise aktuell um die Einhaltung der Vorgabe in der PUDLV gehen, 5 000 Filialen mit unternehmensei- genem Personal der Post AG zu betreiben. Die mehrfa- chen Umstrukturierungen in diesem Bereich lassen der- zeit nicht erkennen, ob diese Vorgabe, die mit dem Ziel der Aufrechterhaltung eines qualitativ hochwertigen Rückgrates von Postfilialen mit qualifiziertem Personal im Gesetz aufgenommen wurde, heute überhaupt noch eingehalten wird. Sechstens. Im Zeichen eines ausufernden Niedrig- lohnsektors und der veränderten Regelungen zu Mini- jobs erhält das Thema „soziale Standards“ im Postsektor neue Brisanz. Derzeit ist nicht erkennbar, wie die Regu- lierungsbehörde für Telekommunikation und Post die gesetzlichen Vorgaben der § 2 Abs. 2 Nr. 5, § 6 Abs. 3 Satz l Nr. 3 und § 20 Abs. 2 Satz l Nr. 2, 25 kontrolliert und durchsetzt. Geringfügige Beschäftigung, Lohn- und Sozialdumping gehören zum Alltag im Postsektor, aus- gehend von den Wettbewerbern, aber zunehmend auch in der Post AG selbst. Bei diesen Fragen, die Hundert- tausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern betreffen und sich zunehmend negativ auf die Dienstleis- tungsqualität niederschlagen, spüren wir, dass sowohl die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post und in noch stärkerem Maße die Monopolkommis- sion ein sehr eingeschränktes Wettbewerbskonzept ha- ben. Nicht zuletzt im Telekommunikationssektor haben wir doch erlebt, dass sich ein Wettbewerb, der nur aus Preis- und Lohndumping besteht, sehr schnell selbst an seine Grenzen führt. Wir stehen nach wie vor für einen Wettbewerb über Qualität, Effizienz und Innovation, nicht aber über Niedriglöhne und frühkapitalistische Ar- beitsbedingungen. Siebtens. Wir wollen den Verbraucherschutz durch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post im Telekommunikations- und Postbereich stärken. Im TK-Bereich ist viel geschehen, auch bei der Post. In diesem Zusammenhang halten wir es für kontraproduk- tiv, dass der Bundesrechnungshof eigene Laufzeitmes- sungen durch die Regulierungsbehörde für Telekommu- nikation und Post als Verschwendung gebrandmarkt hat und dabei auf Messungen der Post, also des zu kontrol- lierenden Unternehmens, hingewiesen hat. Wir meinen grundsätzlich: Eine unabhängige Behörde braucht ei- gene unabhängige Instrumente der Kontrolle, auch wenn es Geld kostet. Wir wünschen der Regulierungsbehörde für Telekom- munikation und Post und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiterhin viel Erfolg und warten gespannt auf den nächsten Tätigkeitsbericht. Die Stellungnahme der Bundesregierung begrüßen wir in ihren zentralen Aussagen ausdrücklich. Hubertus Heil (SPD): Der Tätigkeitsbericht 2002/ 2003 der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zeigt: Die Telekommunikationswirtschaft ge- hört heute zu den innovativsten und dynamischsten Branchen in Deutschland. Für die Erneuerung unserer Volkswirtschaft ist der Einsatz von moderner Telekom- munikation praktisch in jeder Branche unverzichtbar. Der TK-Sektor macht deutlich, dass es am Standort Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 14251 (A) (C) (B) (D) Deutschland nicht um ein Entweder-oder von Industrie und Dienstleistungen geht. Im Gegenteil: Es geht vor al- lem um industriebezogene Telekommunikationsdienst- leistungen. Dafür ist eine moderne Infrastruktur, die dem wirtschaftlichen Bedürfnis nach der immer schnelleren Übermittlung von immer größeren Datenmengen ent- spricht, unerlässlich. Sowohl im Festnetz als auch bei Mobilkommunikation geht es darum, Investitionen für Breitbandinfrastruktur in Deutschland auszulösen. Da- mit sich diese Investitionen rentieren, ist ein umfangrei- ches und produktives Angebot von TK-gestützen Dienst- leistungen, die für entsprechenden Verkehr auf den Netzen sorgen, allerdings unerlässlich. Sowohl die Un- ternehmen als auch die Bürgerinnen und Bürger brau- chen Angebote, die sie in ihren Bereichen tatsächlich ge- brauchen können. Deshalb wollen wir einen wirksamen Wettbewerb von verschiedenen Infrastrukturen und ei- nen wirksamen Dienstewettbewerb. Der vorliegende Bericht gibt uns in diesem Bestreben Recht: Neue, erschwingliche Kommunikationsmöglich- keiten haben das Telekommunikationsverhalten grund- legend gewandelt. Es ist, man kann es nicht anders sa- gen, geradezu explodiert. Ich denke dabei etwa an den Mobilfunkbereich: Seit 1998 ist die Anzahl der Teilneh- mer um 425 Prozent gewachsen, alleine im Jahr 2001 von 68,1 Millionen auf 71,6 Millionen. Mittlerweile nehmen 71,6 Prozent der deutschen Bevölkerung an die- ser Entwicklung, die den meisten heute einfach selbst- verständlich erscheint, teil. Wir haben die weitaus höchste Abdeckung in der Welt, weit vor Japan oder den USA. Oder noch beeindruckender: Die Zahl der DSL- Zugänge hat sich in den Jahren 2000 bis 2003 verzwan- zigfacht. Die Errungenschaften sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Etwa 83 Prozent der Verbraucher sind über ihre Mög- lichkeiten informiert, den Wettbewerb aktiv, etwa durch das Call-by-Call zu nutzen. Mehr als die Hälfte derer, die das Verfahren anwenden, tut dies bei fast jedem Tele- fongespräch, das über den Ortsbereich hinausgeht. Die Preise für Mobilfunk, Internetzugang und Ferngespräche sind seit Ende 1997 drastisch gesunken und zählen im europaweiten Vergleich zu den niedrigsten. Dies bestätigt das Konzept der sektorspezifischen Re- gulierung, ebenso wie die hier vorliegenden Berichte der Regulierungsbehörde und der Monopolkommission. Mit dem Telekommunikationsgesetz 2003 haben wir den dazu erforderlichen, flexiblen Ordnungsrahmen geschaf- fen. Darin sind bereits die wichtigsten Erkenntnisse, die die Berichte nennen, eingeflossen. In vielen Bereichen, wie dem Endkundenmarkt im Mobilfunkbereich, haben wir einen selbst tragenden, funktionsfähigen Wettbe- werb. In anderen Bereichen ist die präventive Regulie- rung – etwa bei Vorleistungen – so lange unverzichtbar, wie das Angebot der Wettbewerber auf den Endkunden- markt im Festnetzbereich nur unter Rückgriff auf die Infrastruktur der DT AG bestehen kann. Dazu gehört der entbündelte Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, lo- kale und regionale Zusammenschaltungen sowie Fak- turierung- und Inkassoleistungen. Weitere Deregulie- rungsvorschläge im Endkundenmarkt werden auf der Grundlage der von der Regulierungsbehörde durchzu- führenden Marktanalyse geprüft werden. Neue innovative Technologien wie Voice over IP, die Sprachkommunikation über das Internet-Protokoll, stel- len Herausforderungen für das geltende Telekommuni- kationsrecht dar. Ich habe keine Zweifel, dass sich das TKG bei deren Bewältigung als flexibler, technologie- neutraler Regelungsrahmen ebenso bewähren wird, wie es dies bei den bisherigen Herausforderungen getan hat. Diesen erfolgreichen Rechtsrahmen werden wir durch die noch ausstehenden Rechtsvorschriften zum Verbrau- cherschutz, zur Nummerierung, zu den Notrufen und zur Entschädigung bei Telekommunikationsüberwachung ausfüllen. Wir werden dabei den engen und konstrukti- ven Dialog mit den betroffenen Kreisen, nicht nur mit den Unternehmen und Verbrauchern, fortführen. Ich bin sicher, dass es uns dabei gelingen wird, an die bisherigen Erfolge mit dem TKG anzuknüpfen. Nur im Miteinander aller Beteiligten werden wir die Chancen der Telekom- munikationstechnologien in Deutschland voll ausschöp- fen können. Mein Dank gilt allen, die sich an dieser Debatte beteiligen. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag, weil es uns auch bei diesem Thema vor allem um eins geht: Um neue Stärke für unser Land. Uns Sozialdemokraten geht es dabei nicht um eine Neuerfindung der Ökonomie. Das Gerede von der New Economy ist ja auch spätestens nach dem Börsencrash im Jahre 2001 verstummt. Es geht nicht um ein Gegen- einander von alter und neuer Ökonomie. Es geht darum, durch die Integration von Telekommunikationslösungen, unsere bestehende Volkswirtschaft zu erneuern, für mehr Wachstum und Beschäftigung in Deutschland. Johannes Singhammer (CDU/CSU): Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion steht für Wettbewerb, für den ordnungspolitisch einzig richtigen Ansatz: Weg vom Monopol, hin zum freien Markt. Union und FDP haben dies vor fast genau zehn Jahren mit der Privatisierung der ehemaligen Deutschen Post in die Postnachfolge- unternehmen Deutsche Postbank, Deutsche Post AG und Deutsche Telekom AG eindrucksvoll und vor allem er- folgreich bewiesen. Wettbewerb muss dabei zu mehr Arbeitsplätzen, mehr Umsatz und mehr Wachstum sowie zu mehr Kundenzu- friedenheit führen. Unsere Leitlinien einer fairen Regu- lierung: faire Wettbewerbschancen für die Marktteilneh- mer; Planungssicherheit für Marktteilnehmer, damit Investitionen gestartet und Wachstum entstehen kann; keine Benachteiligung deutscher Unternehmen im Ver- hältnis zu ausländischen Unternehmen; Regulierung ist zeitlich begrenzt und hat zum Ziel, sich überflüssig zu machen. Es ist festzustellen: Wettbewerb findet im Telekom- munikations- und Postbereich immer stärker statt – und das mit erfreulichen Auswirkungen auch für die schwa- che Gesamtwirtschaft. So erwartet die Bitkom, der Dachverband der Unternehmen der Informations- und Telekommunikationsbranche, für das laufende Jahr 2005 ein Umsatzwachstum von 3,4 Prozent auf rund 136 Mil- liarden Euro, also ein rund doppelt so starkes 14252 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 (A) (C) (B) (D) Wirtschaftswachstum wie für die Gesamtwirtschaft vo- rausgesagt wird. Weiter geben in einer Umfrage 46 Pro- zent der Firmen an, dass sie 2005 neue Jobs schaffen werden: Mit mehr als rund 10 000 neuen Arbeitsplätzen ist zu rechnen. Besonderes Glanzlicht wird der Mobilfunkbereich sein: 2004 wuchs der Markt um rund 10 Prozent auf rund 72 Millionen Handynutzer in Deutschland. Das Beispiel Mobilfunk zeigt überzeugend, dass ein funktio- nierender Wettbewerb mit insgesamt vier Wettbewerbs- unternehmen der beste Wachstumsmotor ist. Als Vorsitzender des Beirates bei der Regulierungsbe- hörde für Telekommunikation und Post möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Regulierungsbe- hörde für Telekommunikation und Post für ihre mit gro- ßer Sachkunde erfolgreich geleistete Arbeit danken. Die Anerkennung der erfolgreichen Arbeit der Regulierungs- behörde für Telekommunikation und Post findet auch ih- ren Niederschlag darin, dass zukünftig der Regulie- rungsbehörde und nicht dem Bundeskartellamt die Frage der Regulierung der Strom- und Gasnetzentgelte durch das neue Energiewirtschaftsgesetz übertragen werden soll. Wir von der CDU/CSU-Fraktion haben Vertrauen in die Arbeit der Regulierungsbehörde. Wir sind generell der Meinung, dass es richtig ist, der Regulierungsbe- hörde für Telekommunikation und Post ausreichende Kompetenzen für die Regulierung des Marktes zuzuer- kennen: keine Einzelentscheidungen und keine Einzel- weisungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit an die Regulierungsbehörde, sondern allgemein gefasste Ermächtigungs- und Beurteilungsspielräume. Damit kann die Regulierungsbehörde für Telekommuni- kation und Post flexibel auf technische Innovationen re- agieren; denn der Gesetzgeber kann den Wettlauf mit der technischen Fortentwicklung nicht gewinnen. Nach unserer Vorstellung ist die Aufgabe des Gesetz- gebers eine subsidiäre: Nur dann, wenn eine Problem- stellung nicht innerhalb der Ermessensspielräume der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post gelöst werden kann, soll der Gesetzgeber tätig werden. Auf der anderen Seite: Die Regulierungsbehörde hat die Verpflichtung, schnell berechenbare Rahmenbedingun- gen zu schaffen. Subsidiarität heißt zudem aber auch: Regulierung immer nur dann, wenn nötig. Beispielhaft positiv haben wir das, wie ich meine, mit der Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Post AG im Rahmen der Ausweitung der Inhalte der Postuni- versaldienstleistungsverordnung erlebt: Ohne Bürokra- tie, ohne Aufwand und ohne zeitliche Verzögerung konnten für den Kunden wichtige Fortschritte erreicht werden. Mit dem im letzten Jahr nach heftigem Parteienstreit dann durchaus positiv verlaufenen Vermittlungsverfah- ren zum Telekommunikationsgesetz könnten – ich sage leider nur „könnten“ – nun positive Impulse für mehr Wettbewerb auf den Märkten geschaffen werden. Die rot-grüne Bundesregierung kommt jedoch stets mit ih- rem Teil der Aufgabenerfüllung nicht voran, bleibt im internen Abstimmungskampf stecken. Beispiel Telekommunikationsgesetz. Die aufgrund der Novellierung des TKG notwendigen Verordnungen sind bis heute nicht erlassen. Ein dann angekündigter Entwurf eines Artikelgesetzes liegt bis heute nicht vor. Ganz im Gegenteil: Anstelle dieses Vorhabens will Rot- Grün nun wieder das TGK ändern. Die Folgen: Verzöge- rungen, die den Markt verunsichern. Kein Signal für Wachstum! Nächstes Beispiel: Konsolidierung im Postbereich – eine Chronologie des rot-grünen Schlingerns: Am 28. No- vember 2003 erklärt die Bundesregierung nach einer Aufforderung der EU-Kommission vom 3. Oktober 2003, man sehe die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der EU-Kommission und werde im Einzelnen prüfen, was im Postgesetz zu ändern sei. Nichts passiert, daher die Mahnung der EU-Kommission am 1. Oktober 2004. Die Bundesregierung erklärt daraufhin, man werde § 51 Postgesetz EU-konform ändern. Die von der Bundesre- gierung vorgeschlagene gesetzliche Aufhebung der öf- fentlichen Einlieferungsbeschränkungen begleitet nur die bereits heute gängige Praxis in Rechtsform. Die Be- denken Brüssels werden dadurch nicht aufgegriffen. Brüssel leitet daher mit Schreiben vom 20. Oktober 2004 ein offizielles Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesregierung ein. Wirtschaftsminister Clement er- klärt am 21. Oktober 2004, man werde prüfen, ob private Postunternehmen im Wettbewerb benachteiligt würden. Ein Vertreter der Bundesregierung erklärt im Beirat der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post am 13. Dezember 2004, die Bundesregierung werde keine Änderung des Postgesetzes vornehmen, solange das anhängige Gerichtsverfahren beim Europäischen Gerichtshof nicht entschieden sei. In der vorliegenden Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 16. De- zember 2004 erklärt die Bundesregierung, sie beabsich- tige, sich gegen die Entscheidung der Europäischen Kommission und auf dem Klageweg zu wehren. Die Folgen: Planungsunsicherheit und Investitionszu- rückhaltung auf dem deutschen Postmarkt durch rot-grü- nes Wirrwarr. Für die Union sage ich in diesem Zusammenhang: Bei uns besteht eine grundsätzliche Offenheit, über eine entsprechende Veränderung der Konsolidierung nachzu- denken. Wir sind der Überzeugung, dass in diesem Teil- bereich des Postmarktes zusätzlicher Wettbewerb neue Chancen eröffnet. Eine Exklusivlizenz ist immer eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs. Die Union sieht aber auch Gefahren bei einer über- hasteten vorzeitigen Aufkündigung der Exklusivlizenz: Die Deutsche Post AG müsste ihre Investitionsplanung innerhalb nur weniger Monate revidieren. Private müss- ten innerhalb von wenigen Monaten ein funktionieren- des Geschäftsmodell für einen Universaldienst entwi- ckeln und eine entsprechende Logistik aufbauen. Zudem darf die Entscheidung über den Zeitpunkt des Wegfalls der Exklusivlizenz für die Deutsche Post AG im Heimat- markt nicht losgelöst von der europäischen Nachbarent- wicklung getroffen werden – insbesondere mit Blick auf Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 14253 (A) (C) (B) (D) die Situation in Frankreich, aber auch in anderen Län- dern mit einem weiterhin abgeschotteten Postmarkt. Wettbewerb darf keine nationale Einbahnstraße sein. Eine Studie der WIK-Consult von Ende 2003 im Auf- trag der EU-Kommission bestätigt bei einem Vergleich der Marktanteile der Wettbewerber im inländischen Briefuniversaldienst, dass mit einem Marktanteil der Wettbewerber von 4 Prozent Deutschland im Mittelfeld liegt. Zum Vergleich: in Dänemark Mitbewerberanteil von 2 Prozent, in den Niederlanden von 5 Prozent, in Malta 2 Prozent, in Schweden 7, in Spanien 10 Prozent, in Slowenien 2 Prozent, in Polen 2 Prozent und in Groß- britannien 0,7 Prozent. Rot-Grün verhindert bewusst den Wettbewerb: Die fortdauernde steuerliche Ungleichbehandlung bei der Mehrwertsteuer auf Postdienstleistungen zugunsten der Deutschen Post AG und zulasten der Wettbewerber wird zementiert. In der Stellungnahme der Bundesregierung vom 16. Dezember 2004 macht Rot-Grün klar, dass dies auch weiterhin die Linie sein wird. Die Union hingegen ist der Meinung, dass alle Marktteilnehmer, gleich ob Deutsche Post AG oder private Konkurrenten, die glei- chen steuerlichen Wettbewerbsbedingungen und die gleichen Wettbewerbschancen auf dem deutschen Markt haben müssen. Im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages hat Rot-Grün im April 2004 wie auch später im Septem- ber 2004 hier im Plenum des Deutschen Bundestages ge- gen einen fairen Wettbewerb gestimmt. Das ist der fal- sche Weg. Eines zeigen all diese Beispiele klar: Die rot-grüne Bundesregierung trägt mit ihrer Politik der Inkonse- quenz, einer Politik des Verschiebens und Zauderns ein gerüttelt Maß Anteil daran, dass große Verunsicherung im Markt herrscht. Verunsicherung, das heißt Zurück- stellung von Investitionen, keine Impulse für mehr Wirt- schaftswachstum. Kein Schwung für Arbeitsplätze. Im Bereich der Postdienstleistungen, aber auch der Informa- tions- und Telekommunikationsindustrie, liegt ein gro- ßes Wachstumspotenzial. Dieses gilt es endlich zu ent- fesseln mit einer konsequenten wettbewerbsorientierten Politik. Denn das Wichtigste, was unser Land braucht, ist ein deutliches Mehr an Wirtschaftswachstum, um da- mit neue, hochwertige und zukunftssichere Arbeitsplätze zu schaffen. Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Der Tätig- keitsbericht 2002/2003 der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation ist ein guter Anlass, eine Bilanz der Telekommunikationspolitik zu ziehen. Nicht zu vernachlässigen sind in diesem Zusammenhang auch die Weichenstellungen des Telekommunikationsgesetzes vom Juni letzten Jahres. Die Gründung der Regulierungsbehörde ist eine di- rekte Konsequenz der von der CDU-geführten Bundes- regierung sehr erfolgreich betriebenen Privatisierung der Deutschen Bundespost. Die Regulierungsbehörde über- nahm am 1. Januar 1998 die Aufgaben des Bundesminis- teriums für Post und Telekommunikation, das zum Jah- resende 1997 aufgelöst wurde, des Bundesamts für Post und Telekommunikation und des Bundesamts für Zulas- sungen in der Telekommunikation. Die Idee damals war, der Post nicht nur drei neue Identitäten mit Rechtsfor- men des Privatrechts oder attraktivere Unternehmensfar- ben zu geben, sondern im Interesse der Volkswirtschaft und der Nutzer einen echten Markt mit konkurrierenden Teilnehmern zu schaffen. Ohne staatliche Eingriffe hätte sich aus dem Monopol der „Grauen Post“ niemals ein moderner Telekommunikationsmarkt mit international wettbewerbsfähigen Teilnehmern entwickeln können. Zwei Gesichtspunkte galt es zu berücksichtigen: Wettbewerb bei der Leistungserbringung und faire Teil- habe aller Marktteilnehmer an der vorhandenen Infra- struktur. Diese Teilhabe ist erforderlich, um einen volks- wirtschaftlich sinnvollen und sich schnell entfaltenden Wettbewerb zu schaffen, darf allerdings gleichzeitig nicht zu einer faktischen Enteignung und damit wirt- schaftlichen Schwächung des Netzeigentümers der DTAG führen. Diese Quadratur des Kreises setzt einen nah am Markt agierenden, politisch unabhängigen Regulierer voraus, der flexibel die vom Parlament gegebenen Vor- gaben des Telekommunikationsgesetzes umsetzt. Konse- quenterweise hat sich die CDU/CSU-Fraktion im Deut- schen Bundestag erfolgreich für eine Stärkung der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde im Rahmen der TKG-Novelle eingesetzt. Das Telekommunikationsgesetz hat sich grundsätz- lich bewährt. Im Übergang von monopolistisch zu wett- bewerblich strukturierten Märkten hat die Regulierung auf vielen Gebieten nachhaltigen Wettbewerb geschaf- fen. Ausgehend von der Tatsache, dass in vielen Berei- chen ausschließlich ein regulierungsbedingter Wettbe- werb vorliegt, bleibt auf absehbare Zeit eine sektorspezifische Regulierung grundsätzlich erforder- lich. Eine Überführung der Ex-ante-Regulierung in eine Missbrauchsaufsicht bzw. Ex-post-Regulierung ist anzu- streben, setzt aber voraus, dass auf den entsprechenden Märkten auf der Grundlage einer eingehenden Markt- analyse ein nachhaltiger Wettbewerb festgestellt wurde. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will erreichen, dass Deutschland wieder eine Spitzenposition im Be- reich der Zukunftstechnologien einnimmt. Dazu brau- chen wir einen klaren ordnungspolitischen Rahmen, der vor dem Hintergrund der zunehmenden Konvergenz und des rasanten technologischen Fortschritts in der ITK- Branche die möglichst schnelle Weiterentwicklung und Verbreitung von innovativen Diensten und Infrastruktu- ren ermöglicht und befördert. Unser Ziel ist ein nachhal- tiger Wettbewerb zum Wohle der Verbraucher, zur Stär- kung von Innovationen und zur Schaffung von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen in der Informationsge- sellschaft des 21. Jahrhunderts. Der Novellierung des TKG kam dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Die aufgrund von EU-Richtlinien notwendige Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) musste dafür genutzt werden, Deutschland wieder zu einer internatio- nalen Spitzenstellung im Bereich der ITK zu verhelfen. Die Novellierung des TKG war eine Chance, wichtige 14254 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 (A) (C) (B) (D) Weichenstellungen vorzunehmen, die unsere internatio- nale Wettbewerbsfähigkeit verbessern und die es Wirt- schaft und Bürgern ermöglichen, die sich aus dem Ein- satz der ITK-Technologien ergebenden Möglichkeiten optimal zu nutzen. Um das enorme Potenzial der ITK- Branche im internationalen Wettbewerb für Innovatio- nen, Wachstum und Arbeitsplätze in Deutschland zu nut- zen, brauchen wir klare ordnungspolitische Rahmenbe- dingungen. Diese Chance mussten wir im Interesse des Standorts Deutschland nutzen. Das TKG musste den Spagat schaffen zwischen dem Ziel der Gewährleistung eines wirksamen Wettbewerbs und gleichzeitig einer fairen Regulierung der Deutschen Telekom AG bei Er- öffnung einer Deregulierungsperspektive. Wir brauchen einen Regulierungsrahmen, der die Voraussetzungen für einen sich selbst tragenden Wettbewerb schafft und langfristig eine Überführung der Regulierung in das all- gemeine Wettbewerbsrecht ermöglicht. Um ein höchst- mögliches Maß an Planungssicherheit für alle Unterneh- men herzustellen, müssen im neuen TKG klare Kriterien für den Einsatz des regulierungspolitischen Instrumenta- riums festgelegt werden. Die CDU/CSU konnte im Vermittlungsausschuss er- freulicherweise in zentralen Punkten deutliche Ver- besserungen erreichen. Dazu zählen insbesondere die Stärkung des Infrastrukturwettwerbs und des Dienste- wettbewerbs durch die zeitliche Begrenzung des ge- bündelten Resales, die explizite Aufnahme des Bitstrom- Zugangs als „entbündelten Breitbandzugang“, die Ver- ankerung von Antragsrechten für Unternehmen im Be- reich der Missbrauchsaufsicht, die Verschärfung der Sanktionsmöglichkeiten bei Missbrauch durch eine zwingende und bei Vorsatz rückwirkende Mehrerlös- abschöpfung, die Vermeidung einer Überregulierung im Mobilfunk durch die Verankerung des Vergleichsmarkt- prinzips und die Verlagerung des Rechtsweges vom Ver- waltungsrechtsweg zu den Kartellgerichten nach fünf Jahren. In dieser Form ist der Kompromiss ein klares Signal für einen Aufbruch in der gesamten Informations- und Telekommunikationsbranche. Wir haben jetzt ein aus- gewogenes Gesetz, das den Wettbewerb stärkt und Rechtssicherheit schafft als Grundlage für Investitionen und Innovationen. Die wichtigsten Voraussetzungen einer zukunftsorientierten Telekommunikationspolitik – der gesetzliche Rahmen und seine unabhängige und marktnahe Umsetzung – sind erfüllt. Dies muss auch so bleiben. Wir dürfen die bisher erzielten Erfolge nicht leichtfertig durch eine Überregulierung der Märkte un- ter dem Vorwand eines angeblich umfassenden Verbrau- cherschutzes gefährden. Die Reaktionen der Anbieter auf die Bedürfnisse der Verbraucher sind oft überzeu- gender, pragmatischer und effektiver als staatliche Maß- nahmen. Die Einführung besonderer Mobilfunktarife für Ju- gendliche zeigt, dass der Wettbewerb der Marktteil- nehmer auch auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes überzeugendere Lösungen bietet als Bevormundung von Verbrauchern und Anbietern durch staatliche Überregu- lierung. Diese speziellen Angebote sehen teilweise sogar die unentgeltliche Sperrung aller kostenintensiven Mehr- wertdienste-Rufnummern vor und bieten die Möglich- keit, die Gesamtkosten auf einen bestimmten Betrag zu begrenzen. Gleichzeitig werden attraktive Tarife für SMS und Telefonate angeboten. Diese Kombination der Vorteile von Vertragshandys und Prepaidhandys zeigt, dass Verbraucherschutz nicht immer vom Gesetzgeber gemacht werden muss. Die Wirtschaft ist durchaus in der Lage, auf eine wachsende Nachfrage nach Angeboten mit überschaubaren Kosten zu reagieren. Verbraucherschutz und Kostentransparenz werden nun endlich als Vorteile im Wettbewerb um den Kunden erkannt. Die Tarife für Jugendliche beweisen, dass im Zusammenwirken zwischen Wirtschaft, Ver- brauchern und Politik bessere und praktikablere Lösun- gen gefunden werden als durch die Regulierungsmanie von Renate Künast, die in den Entwürfen für die TKV und TNV erkennbar wird. Staatliche Eingriffe sind im Interesse von Verbrau- chern und seriösen Anbietern nur dort erforderlich, wo mit krimineller Energie oder bewusster Intransparenz abgezockt werden soll. Dort muss mit Konsequenz ge- handelt werden. Aber auch nur dort. Die Union wird auch weiterhin für Pragmatismus und Wettbewerb im Telekommunikationsmarkt statt für Dogmatismus und Überregulierung stehen. Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Tätigkeitsbericht, der auf Antrag der CDU/CSU- Fraktion auf die Tagesordnung gesetzt wurde, umfasst den Berichtszeitraum 2001 bis 2003. Die Bundesregie- rung hat ihre Stellungnahme mit Schreiben vom 14. De- zember 2004 zugeleitet. Im Bericht der Regulierungsbe- hörde für Telekommunikation und Post sind die Daten für das Jahr 2003 zum Teil enthalten, zum Teil ist nur das erste Quartal 2003 berücksichtigt worden. Ich denke, wir sollten in Zukunft zeitnah die Berichte der Regulie- rungsbehörde und der Monopolkommission diskutieren. Der nächste Bericht wird uns eine Analyse über die Umsetzung der Novelle des Telekommunikationsgeset- zes geben. Bei der Novellierung des Telekommunika- tionsgesetzes haben wir für faire Wettbewerbsbedingun- gen, ein hohes Verbraucherschutzniveau und für neue Möglichkeiten für die Teilnahme von Gehörlosen an der Telekommunikation gesorgt. Wir werden darauf achten, dass bei der Telekommunikationskundenschutzverord- nung und der Telekommunikationsnummerierungsver- ordnung diese Erfolge umgesetzt werden. Die Einführung von Wettbewerb bei der Telekommu- nikation hat zu drastisch gesunkenen Telefonpreisen ge- führt, viele neue Dienste ermöglicht und die globale Kommunikation extrem erleichtert. Damit wurden wich- tige Impulse für Wachstum, Beschäftigung und Innova- tion gegeben. Der Anteil der Wettbewerber an der Tele- kommunikation hat sich kontinuierlich gesteigert. Sie konnten die Zahl der Beschäftigten im Jahr 2005 wieder ausweiten. Die Telekommunikationsunternehmen erwar- ten für 2005 steigende Umsätze. Auch hier macht sich der Umsatz bemerkbar. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 14255 (A) (C) (B) (D) Der Übergang von einer Behörde zu einem modernen Unternehmen ist nicht leicht. Wir begrüßen es, dass die Deutsche Telekom AG sich konsolidiert. Faire Wettbe- werbsbedingungen schaffen das beste Umfeld für ein in- novatives Unternehmen. Auch bei den Postdiensten ha- ben wir bereits in vielen Bereichen Wettbewerb. Die Mitgliedstaaten der EU haben sich darauf geeinigt, 2007 den letzten Monopolbereich bei den Standardbriefen zu beseitigen. An diesem Ziel halten wir fest. Nicht akzep- tabel ist es für uns, wenn die Post AG den Monopolbe- reich über den klar definierten Rahmen hinaus ausdehnt, wie sie es zum Beispiel bei den postvorbereitenden Diensten tut. Wir erwarten, dass die Deutsche Post AG die Ver- pflichtungen der Postuniversaldienstleistungsverord- nung und die Selbstverpflichtung bezüglich des Betrie- bes von Postfilialen und Postagenturen in der Fläche einhält. Besonders wichtig ist es, dass sie die betroffenen Gemeinden sorgfältig und frühzeitig in ihre Planungen einbezieht. Rainer Brüderle (FDP): Zunächst möchte ich ein- mal mehr mein Bedauern ausdrücken, dass wir den Tätigkeitsbericht der Regulierungsbehörde für Telekom- munikation und Post 2002/2003 und das Sondergutach- ten 2002/2003 der Monopolkommission zu Telekommu- nikations- und Postmarkt zum ersten Mal im Jahr 2005 beraten. Versuche, dieses Thema früher aufzusetzen, sind offensichtlich daran gescheitert, dass die Bundesre- gierung ihre Stellungnahme nicht rechtzeitig durch das Kabinett gebracht hat. Das sagt einiges darüber aus, wel- chen Stellenwert diese Regierung der Telekommunika- tions- und Postpolitik – jenseits von Sonntagsreden – einräumt. Aber vielleicht fürchten sich auch die Regierung und die sie tragenden Fraktionen vor den Inhalten insbeson- dere des Sondergutachtens der Monopolkommission. Zumindest bei der Novelle des Telekommunikationsge- setzes hat sich Grün-Rot wenig darum geschert, was die Wettbewerbsexperten zu den Marktbedingungen schrei- ben. Das zeigt einmal mehr: Diese Regierung empfindet Wettbewerb eher als lästig. Lieber schützt sie große ehe- malige Staatsmonopolisten vor unliebsamer Konkurrenz. Das gilt auch und in besonderem Maße für den deut- schen Postmarkt. Hier ist – wie es die Monopolkommis- sion wunderbar zum Ausdruck bringt – das Postmonopol durch die Bundesregierung zementiert worden. Der krampfhafte Versuch der rot-grünen Regierung, auch die postvorbereitenden Dienste entgegen den klaren Forde- rungen der EU-Kommission und dem offenkundig dis- kriminierenden Verhalten der Deutschen Post AG gegen- über Konkurrenten durch kleinliche Rechtsauslegung der europäischen Richtlinien aus dem Wettbewerb raus- zuhalten, zeigt eines ganz deutlich: Dieser Regierung geht es nicht um mehr Wettbewerb und damit niedrigere Preise und höhere Chancen für neue Investitionen und Arbeitsplätze. Dieser Regierung geht es um die Abschot- tung des Postmarktes zugunsten des immer noch in Mehrheitsbesitz des Bundes befindlichen ehemaligen Staatmonopolisten. Das ist Industriepolitik zulasten von Verbrauchern, Wachstum und Arbeitsplätzen. Und das erklärt, warum Grüne und Rote kein Interesse haben, an- erkannte Expertenstimmen zu diesem Themenkomplex zu einem früheren, öffentlichkeitsnäheren Zeitpunkt zu diskutieren. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen des Abgeordneten Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) (150. Sitzung, Drucksache 15/4649, Fragen 15 und 16): Trifft es zu, dass die Bundesregierung im Rat der Europäi- schen Union dem Antrag Frankreichs auf Senkung und auf re- gionale Differenzierung seiner Mineralölsteuer zustimmen wird und, wenn ja, aus welchen Gründen hat sie ihre Meinung in Bezug auf die Verträglichkeit des Antrags mit dem Funktio- nieren des Binnenmarktes geändert? Ist die Bundesregierung bereit, eine zu der von Frankreich beantragten Senkung und regionalen Differenzierung der Mineralölsteuer vergleichbare Maßnahme auch in Deutsch- land zu ergreifen, vor allem auch, um dem Problem des so ge- nannten Tanktourismus in den deutschen Grenzregionen ent- gegenzuwirken, ohne dabei die Regeln des Binnenmarktes zu verletzen? Zu Frage 15: Frankreich beabsichtigt, vom 1. Januar 2006 bis 31. De- zember 2011 nach Erhöhung der Ausgangssteuersätze regionale Steuerermäßigungen für bleifreies Benzin (bis zu 3,54 Cent/Liter) und nicht gewerblich genutzten Die- sel (bis zu 2,3 Cent/Liter) einzuführen. Das Vorhaben Frankreichs basiert ausschließlich auf innenpolitischen Gründen. Hintergrund der Maßnahme sind Dezentra- lisierungsüberlegungen. Die Exekutivorgane der franzö- sischen Verwaltungsregionen (Regionalräte) sollen er- mächtigt werden, eigenständig über Steuerermäßigungen zu entscheiden, die sich an der jeweiligen „sozioökono- mischen Situation“ der Regionen orientieren sollen. Hierdurch soll ein zusätzlicher Anreiz für die Regionen geschaffen werden, um die Qualität ihrer Verwaltung auf transparente Weise zu verbessern und gleichzeitig den Bedürfnissen und Besonderheiten jeder Region Rech- nung zu tragen. Die Bundesregierung ist nach eingehender Prüfung des französischen Antrags zu dem Ergebnis gelangt, dass eine solche Maßnahme das reibungslose Funktio- nieren des Binnenmarktes nicht beeinträchtigt. Vor allem wegen der sehr engen Grenzen für die Staffelung der Verbrauchsteuern in den französischen Regionen (für Benzin maximal 3,54 Cent/Liter und für nicht gewerb- lich genutzten Diesel maximal 2,3 Cent/Liter – nach vor- heriger Erhöhung der Ausgangssteuersätze) ist eine Wettbewerbsverzerrung auf dem Mineralölmarkt nicht zu befürchten. Zudem gilt die beantragte Maßnahme ge- rade nicht für den gewerblich genutzten Diesel. Die Bundesregierung wird aber auf die Festschreibung der Steuersätze drängen, die bei Anwendung der regionalen Staffelungen nicht unterschritten werden dürfen. Der re- gelnde Teil des Entscheidungsvorschlags nennt zwar die maximalen Ermäßigungsbeträge, lässt aber offen, von welchen Steuersätzen Frankreich ausgeht. Insoweit bedarf es der Klarstellung in einer Gemeinsamen 14256 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 (A) (C) (B) (D) Protokollerklärung. Genau diese Klarstellung ist Gegen- stand des Entwurfs einer Gemeinsamen Protokollerklä- rung von Rat und Kommission, der am heutigen Tag in der Ratsarbeitsgruppe in Brüssel verhandelt wird. Zu Frage 16: Das französische Begehren ist nicht darauf ausgerich- tet, einen vermeintlichen „Tanktourismus“ zwischen Frankreich und anderen Mitgliedstaaten einzudämmen bzw. einen solchen zur Grenze Deutschlands zu errich- ten/auszubauen. Die Ermäßigungen sollen innerhalb der Regionen gerade nicht grenzbezogen gestaffelt werden. Die Kommission hat mehrfach klargestellt, dass sie eine grenzbezogene Staffelung der französischen Steuersätze niemals befürworten würde. Die Forderung, eine Staffe- lung der Mineralölsteuersätze in den Grenzregionen Deutschlands nach dem französischen Vorbild einzufüh- ren, ist aus tatsächlichen und EG-rechtlichen Aspekten nicht umsetzbar. Zum einen liegen bei der französischen Maßnahme – wie bereits dargelegt – die maximalen Er- mäßigungsbeträge zwischen 2,3 bis 3,54 Cent/Liter. Das reicht bei weitem nicht aus, um einem „Tanktourismus“ zwischen Deutschland und seinen Nachbarstaaten wirk- sam entgegenzuwirken. Ein Antrag Deutschlands mit wesentlich höheren Steuerstaffelungsbeträgen würde von der Kommission zudem – wegen seiner grenzüberschreitenden Auswir- kungen – keinesfalls gebilligt werden. Dies hat die Kom- mission kürzlich in Gesprächen auf Fachebene unmiss- verständlich zum Ausdruck gebracht. Sie beabsichtigt zudem, gemeinsam mit dem Rat zu Protokoll zu erklä- ren, dass – so wörtlich – „Anträge auf eine Ausnahmere- gelung für eine Ermäßigung der Steuersätze, die ledig- lich in den Grenzgebieten zwischen den Mitgliedstaaten gelten würde, nicht akzeptabel wären“. Da auch die Nachbarstaaten einem solchen Anliegen kritisch gegen- überstehen dürften, besteht zudem keine realistische Chance, hierfür die Zustimmung aller EU-Staaten einho- len zu können. 151. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 20. Januar 2005 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Otto Bernhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu dem

    Beitrag meiner Vorrednerin nur eine Bemerkung: Der
    hohe Wert des Euro ist kein Zeichen für die Stärke des
    Euro, sondern vielmehr Ausdruck der Schwäche des
    Dollar. Das ist gestern in beiden Anhörungsverfahren
    noch einmal deutlich gesagt worden.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das Thema, über das wir heute sprechen, ist sehr

    ernst. Ich will deshalb versuchen, sehr sachlich zu argu-
    mentieren. Jeder, der Mitte der 90er-Jahre dabei war, als
    wir der deutschen Bevölkerung verdeutlichen wollten,
    dass der Übergang von der D-Mark zum Euro notwendig
    ist, um die europäische Integration voranzubringen, der
    weiß, auf wie viel Widerstand wir dabei gestoßen sind.
    Viele Deutsche hatten die Sorge, wir gäben die stabile
    D-Mark ab und bekämen dafür den weichen Euro. Die
    Argumentation damals – bitte vergessen Sie das nicht –
    lautete: Wir in Deutschland legen aufgrund unserer his-
    torischen Erfahrung einen gesteigerten Wert auf Stabili-
    tät. Demgegenüber gaben die anderen Länder in Europa,
    insbesondere im Mittelmeerbereich, dem Thema Stabili-
    tät bei weitem nicht diese Bedeutung. Es waren der Bun-
    deskanzler Helmut Kohl und sein Finanzminister Theo
    Waigel, die deshalb diesen Stabilitäts- und Wachstums-
    pakt erarbeitet und ihre Kollegen in den anderen Län-
    dern davon überzeugt haben. Sie erinnern sich, begeis-
    tert waren die meisten nicht. Wir haben das sozusagen
    als Deutsche aufgrund unserer Erfahrung durchsetzen
    können.


    (Joachim Poß [SPD]: Stoiber war auch nicht begeistert!)


    Der Pakt hat sich bewährt. Ich darf nur einmal auf das
    Jahr 2002 verweisen. In diesem Jahr haben acht der
    zwölf Euroländer im Wesentlichen ausgeglichene Haus-
    halte vorgelegt. Eine traurige Tatsache der jüngsten deut-
    schen Geschichte ist, dass die Nation, die diesen Pakt
    durchgesetzt hat, als erste am stärksten dagegen versto-
    ßen hat


    (Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das ist der Punkt!)


    und dreimal nacheinander die Kriterien nicht eingehalten
    hat – das vierte Mal wird es voraussichtlich in diesem
    Jahr geschehen.

    Bisher hat man uns immer gesagt – ich sage das mit
    allem Ernst –, man werde sich bemühen, wieder unter
    die 3-Prozent-Grenze zu kommen. Nun setzen sich
    plötzlich der Bundeskanzler und sein Finanzminister an
    die Spitze jener, die die Auffassung vertreten: Wenn wir
    die Regeln nicht einhalten können, dann wollen wir die
    Regeln ändern. Das ist mit Sicherheit der verkehrte Weg.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Natürlich gibt es dafür Zustimmung aus Ländern wie
    Frankreich und Italien. Die hätten das damals gerne
    schon so gehabt – nur: Kohl hat aufgrund seines politi-
    schen Gewichts den Pakt gegen deren Vorstellungen
    durchsetzen können.
    Dass unsere Argumente die Abgeordneten der Koali-
    tion nicht überzeugen, das kann ich noch einsehen und
    auch, dass Sie sich nicht davon beeindrucken lassen,
    dass mit Ausnahme einer überregionalen Zeitung alle
    Zeitungen sehr deutlich sagen: Lasst die Hände vom Sta-
    bilitätspakt. Was Sie aber nachdenklich stimmen müsste,
    ist der Tatbestand, dass sowohl die Deutsche Bundes-
    bank, die nach wie vor eine hohe Autorität hat, als auch
    die Europäische Zentralbank und alle Kreditinstitute
    gestern noch einmal deutlich gesagt haben: Lasst die
    Hände vom Stabilitätspakt. Sie haben dabei davon ge-
    sprochen, dass von Ihrer Politik ein falsches Signal aus-
    geht.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Lassen Sie mich abschließend das vielleicht wich-

    tigste Argument im Rahmen dieser Diskussion nennen:
    Die deutsche Bevölkerung ist verunsichert. Das hängt
    mit den Problemen auf dem Arbeitsmarkt und auch mit
    anderen Problemen zusammen, auf die ich hier nicht ein-
    gehen möchte.


    (Joachim Poß [SPD]: Sie verunsichern die deutsche Bevölkerung!)


    – Herr Kollege Poß, die Konsequenz ist Konsumzurück-
    haltung. Darin liegt einer der Gründe, warum die Wirt-
    schaft in Deutschland nicht so läuft wie im Rest der
    Welt.

    Ich sage Ihnen eines voraus: Wenn Sie jetzt das 3-Pro-
    zent-Kriterium aufweichen – die meisten Fachleute sa-
    gen, dass Ihre Pläne zu einer Abschaffung dieses Stabili-
    tätskriteriums führen –, dann wird die Zurückhaltung der
    Deutschen in puncto Konsum noch größer werden. Sie
    tragen damit dazu bei, dass der notwendige Aufschwung
    und das notwendige Wirtschaftswachstum in Deutsch-
    land weiter verhindert werden. Denken Sie im Interesse
    der Zukunft unseres Landes über dieses Argument ein-
    fach noch einmal nach.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




Rede von Dr. h.c. Susanne Kastner
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Das Wort hat der Kollege Jörg-Otto Spiller, SPD-

Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jörg-Otto Spiller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren! Der Euro ist die härteste Währung der Welt: im
    Innern so stabil wie einst die D-Mark und – ähnlich wie
    sie – auch nach außen stark und fest. Wir wollen und wir
    richten unsere Politik darauf aus, dass dies so bleibt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion ist
    eine Zone der Stabilität. Die jährliche Inflationsrate, ge-
    messen am Anstieg der Lebenshaltungskosten in der Eu-
    rozone insgesamt, liegt seit Bestehen dieser Währung
    nahe 2 Prozent. Schon allein dieses hohe Maß an Stabili-
    tät ist ein sehr beachtlicher Erfolg.






    (A) (C)



    (B) (D)


    Jörg-Otto Spiller

    Aber noch besser steht Deutschland da. Innerhalb des

    Währungsgebietes gehört Deutschland regelmäßig zu
    den Ländern mit einer besonders niedrigen Inflations-
    rate. Auch der Vergleich mit den Zeiten vor der Euroein-
    führung ist Anlass zur Genugtuung. In den 80er- und
    90er-Jahren war die Inflationsrate der Bundesrepublik
    im Schnitt höher als in den letzten fünf Jahren.

    Die starke Stellung des Euro an den Devisenmärkten
    kann niemand leugnen. In manchen oberflächlichen oder
    leider auch bewusst irreführenden Kommentaren wird
    sie allerdings abfällig als bloßes Spiegelbild des schwa-
    chen US-Dollar hingestellt. Herr Kollege Bernhardt, Sie
    selbst haben das eben auch getan. Diese Deutung ist
    falsch.


    (Otto Bernhardt [CDU/CSU]: Das hat die Deutsche Bundesbank auch gestern noch einmal gesagt!)


    – Das macht die Sache aber nicht besser.

    (Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das ist doch nicht zu glauben! – Zuruf des Abg. Otto Bernhardt [CDU/CSU])


    – Herr Bernhardt, dieser Unfug, nämlich zu behaupten,
    dass die Stärke des Euro lediglich ein Spiegelbild der
    Dollarschwäche sei,


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Ist sie doch!)


    wird nicht dadurch besser, dass Herr Dr. Stark, der Vize-
    präsident der Bundesbank, dieses gestern wider besseres
    Wissen verkündet hat.


    (Widerspruch bei der CDU/CSU – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Herr Weber hat doch das Gleiche gesagt!)


    Der Außenwert des Euro hat nicht nur gegenüber dem
    US-Dollar, sondern auch gegenüber allen international
    wichtigen Währungen zugenommen.


    (Otto Bernhardt [CDU/CSU]: Herr Kollege Spiller, Sie überheben sich!)


    Seit Einführung des Eurobargeldes am 1. Januar 2002 ist
    der Wechselkurs des Euro zum Schweizer Franken um
    gut 4 Prozent, zum britischen Pfund um 12 Prozent und
    zum japanischen Yen um 18 Prozent gestiegen. Der Un-
    fug, den Herr Stark gestern von sich gegeben hat, ent-
    spricht nicht der Würde seines Amtes.


    (Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das ist kaum zu glauben!)


    Warum ist der Euro nach innen und außen so stark?
    Das hat erstens ökonomische Gründe. Die Eurozone ist
    alles in allem ein sehr leistungsstarker und durch lebhaf-
    ten Wettbewerb geprägter Wirtschaftsraum. Die ihm an-
    gehörenden Volkswirtschaften geben insgesamt nicht
    mehr aus, als sie einnehmen. In der Fachsprache der
    Ökonomen ausgedrückt heißt das: Anders als die USA
    verbucht die Eurozone kein Defizit, sondern einen an-
    sehnlichen Überschuss in der Leistungsbilanz. Dies liegt
    nicht zuletzt daran, dass Deutschland seit 2002 zu der
    einstigen außenwirtschaftlichen Stärke der alten Bundes-
    republik zurückgefunden hat. Nach einer zehnjährigen
    Defizitphase in unserer Leistungsbilanz erwirtschaftet
    Deutschland wieder stolze Überschüsse gegenüber dem
    Rest der Welt.


    (Beifall bei der SPD)

    Der zweite Grund, weshalb die Währung so stark ist,

    sind kluge institutionelle Entscheidungen bei der Errich-
    tung der Wirtschafts- und Währungsunion. Nach dem
    Vorbild der Deutschen Bundesbank ist die Europäische
    Zentralbank zur Hüterin der Währung eingesetzt wor-
    den: mit dem besonderen Status, unabhängig von Regie-
    rungen und Parlamenten zu sein, der Geldwertstabilität
    besonders verpflichtet und mit dem ausdrücklichen Ver-
    bot, öffentliche Defizite zu finanzieren. Dies ist der
    Hauptgrund für die Stabilität.

    Dann gibt es ergänzend dazu die Verabredung: Wir
    werden die öffentlichen Haushalte nur in überschauba-
    ren Grenzen defizitär gestalten, damit es die Zentralbank
    nicht so schwer hat.


    (Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Dagegen verstoßen Sie systematisch!)


    Dies ist eine Ergänzung. Wenn man jetzt so tut, als sei
    das der Schlüssel, ist das eine Verkennung der Tatsa-
    chen.


    (Joachim Poß [SPD]: Richtig!)

    Herr Pinkwart, liebe Kollegen von der Union, hinzu

    kommt: Ihre Politik ist nicht stimmig. Das war das
    Hauptergebnis der gestrigen Anhörung. Sie haben von
    den Sachverständigen zunächst einmal bescheinigt be-
    kommen, dass Ihre Steuerkonzepte zweistellige Milliar-
    denlöcher in die Haushalte von Bund, Ländern und Ge-
    meinden reißen würden.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Und die Wachstumseffekte?)


    Dann wurde Ihnen bescheinigt, dass Ihr Lippenbekennt-
    nis zu einer strikten, mechanistischen Einhaltung


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Und die volkswirtschaftlichen Vorteile?)


    des Stabilitäts- und Wachstumspaktes –