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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 15/141 Tagesordnungspunkt I.13: Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt (Drucksachen 15/4304, 15/4323) . . . . . . . . . . Michael Glos (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) . . . . . Michael Glos (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . Hans Eichel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dr. Angela Merkel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt I.14: Einzelplan 05 Auswärtiges Amt (Drucksachen 15/4305, 15/4323) . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP: Fälschungen der ukrainischen Präsidentschaftswahlen (Drucksache 15/4265) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU) . . . . . . . . . 13007 B 13007 D 13014 D 13023 A 13024 B 13024 C 13026 C 13029 C 13035 B 13066 D 13067 A Deutscher B Stenografisc 141. Si Berlin, Mittwoch, den I n h a Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt I: a) Zweite Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2005 (Haushaltsgesetz 2005) (Drucksachen 15/3660, 15/3844) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung des Haushaltsaus- schusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bun- des 2004 bis 2008 (Drucksachen 15/3661, 15/3844, 15/4326) 13066 B 13007 A 13007 B Franz Müntefering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Glos (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . 13042 D 13044 A 13048 D undestag her Bericht tzung 24. November 2004 l t : Gerhard Rübenkönig (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Petra-Evelyne Merkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13050 B 13052 C 13054 D 13056 B 13057 C 13059 C 13061 C 13062 B 13064 A 13064 A Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . 13067 A 13070 B 13071 D II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. November 2004 Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Hintze (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Lothar Mark (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Werner Hoyer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . Herbert Frankenhauser (CDU/CSU) . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) . . . . . . . . . . Kurt Bodewig (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerd Müller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt I.15: Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 15/4312, 15/4323) . . . . . . . . . . in Verbindung mit Tagesordnungspunkt I.16: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchsetzung der Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr (Soldatin- nen- und Soldatengleichstellungsdurch- setzungsgesetz – SDGleiG) (Drucksachen 15/3918, 15/4255) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Ursula Lietz, Christian Schmidt (Fürth), Annette Widmann-Mauz, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsdurch- setzungsgesetz zügig umsetzen – zu dem Antrag der Abgeordneten Ursula Lietz, Anita Schäfer (Saal- stadt), Christa Reichard (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Frauen und Fa- milien in der Bundeswehr stärken und fördern – zu dem Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Klaus Haupt, Helga Daub, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Bundeswehr stärken – Be- schäftigungsbedingungen für Solda- tinnen und Soldaten verbessern (Drucksachen 15/3717, 15/3049, 15/3960, 15/4255) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13073 C 13075 D 13078 A 13081 D 13082 D 13086 A 13087 B 13088 A 13089 C 13091 B 13091 C 13091 D Dietrich Austermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Günther Friedrich Nolting (FDP) . . . . . . . . . . Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU) . . . . . Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursula Lietz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Hans Georg Wagner, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Georg Schirmbeck (CDU/CSU) . . . . . . . . Bernd Siebert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Merten (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dietrich Austermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Merten (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt I.17: Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Drucksachen 15/4318, 15/4323) . . . . . . . . . . Jochen Borchert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Karl Diller (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Schulte (Hameln) (SPD) . . . . . . . . . . Markus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Schulte (Hameln) (SPD) . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Brigitte Schulte (Hameln) (SPD) . . . . . . . Markus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Jürgen Hedrich (CDU/CSU) . . . . . . . . 13092 A 13094 B 13097 C 13098 B 13100 A 13101 B 13103 B 13103 C 13104 C 13105 D 13107 D 13109 A 13109 C 13111 A 13113 A 13113 C 13113 D 13115 A 13115 A 13116 B 13116 D 13117 A 13118 D 13120 C 13121 B 13122 A 13122 D 13124 A 13125 B 13125 D 13127 C 13128 C 13130 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. November 2004 III Karin Kortmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Maria Michalk (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes über die Feststellung des Bundeshaus- haltsplans für das Haushaltsjahr 2005 (Haus- haltsgesetz 2005), hier: Einzelplan 04 (Tagesordnungspunkt I.13) . . . . . . . . . . . . . . 13131 A 13132 D 13133 A 13133 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. November 2004 13007 (A) (C) (B) (D) 141. Si Berlin, Mittwoch, den Beginn: 9
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. November 2004 13133 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten wurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2005 (Haushaltsgesetz 2005), hier: Einzel- plan 04 (Tagesordnungspunkt I.13) Die Stiftung für das sorbische Volk, die mit Zuwen- dungen durch den Bund, den Freistaat Sachsen und das Land Brandenburg die materiellen Grundlagen für den Erhalt, die Bewahrung und Fortentwicklung der sorbi- schen Sprache und Kultur pflegt, organisiert und in enger Abstimmung mit dem Bund Lausitzer Sorben und der Sprache, dem Brauchtum und der Kultur verpflichteten Vereine durchführt, hat in den zurückliegenden Jahren ei- nen permanenten Umstrukturierungsprozess gestaltet. Die Einsparmöglichkeiten sind so voll ausgeschöpft wor- den. Auch für die Zukunft arbeiten die Gremien an Effi- zienzsteigerungen. Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Ferlemann, Enak CDU/CSU 24.11.2004 Fischbach, Ingrid CDU/CSU 24.11.2004 Fritz, Erich G. CDU/CSU 24.11.2004 Haupt, Klaus FDP 24.11.2004 Irber, Brunhilde SPD 24.11.2004 Jonas, Klaus Werner SPD 24.11.2004 Dr. Leonhard, Elke SPD 24.11.2004 Lintner, Eduard CDU/CSU 24.11.2004* * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Maria Michalk (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Ent- Nolte, Claudia CDU/CSU 24.11.2004 Raab, Daniela CDU/CSU 24.11.2004 Scharping, Rudolf SPD 24.11.2004 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 24.11.2004 Dr. Stinner, Rainer FDP 24.11.2004 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 24.11.2004 Wester, Hildegard SPD 24.11.2004 Die von der Bundesregierung im Bundeshaushalts- planentwurf für 2005 vorgesehene Kürzung des Bundes- zuschusses an die Stiftung für das sorbische Volk in Höhe von 775 000 Euro stellt das sorbische Volk jedoch vor die Situation, dass nur durch Reduzierung von Angeboten bzw. Schließung von Kultureinrichtungen die geforderte Einsparsumme erbracht werden kann. Diese Situation haben die Berichterstatter des Haushaltsausschusses aller Fraktionen durch intensiven Kontakt mit den Vertretern in der Lausitz erkannt und sie haben die Aufstockung bei Effizienzsteigerung in Höhe von 500 000 Euro empfoh- len, was der Haushaltsausschuss beschlossen hat. Dafür möchte ich mich als Sorbin ausdrücklich bedanken. Der Antrag der PDS greift noch einmal die bereits ge- führte Diskussion auf. Die intensive Beratung hat deut- lich gemacht, dass die Aufstockung auf 8 Millionen Euro Gesamtzuschuss des Bundes keine Mehrheit im Deut- schen Bundestag findet. Deshalb ist der Antrag populis- tisch. Das ist keine verantwortungsvolle Politik. 141. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 24. November 2004 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Michael Glos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren! Die Haushaltsdebatte gibt traditionell Gelegen-
    heit, eine Bestandsaufnahme zu machen. Die Bilanz von
    Rot-Grün ist verheerend. Deutschland hat die höchste
    Staatsverschuldung und die geringste Investitionsquote
    der letzten 50 Jahre. In Europa sind wir Deutschen
    Wachstumsschlusslicht mit weiter fallender Tendenz.

    Auf Deutschland lastet ein ganz gewaltiger Schulden-

    text
    berg, der vor allen Dingen die Zukunft unserer Kinder
    belastet: 1,4 Billionen Euro Gesamtschulden, 100 Mil-
    lionen Euro Zinsen jeden Tag. Die Hälfte des Bundes-
    haushalts wird durch die Bedienung der Schulden und
    die Unterstützung der Rentenkassen aufgefressen. Für
    Investitionen in die Zukunft steht immer weniger Geld
    zur Verfügung. Diese Entwicklung ist so dramatisch,
    dass in der vergangenen Woche sogar der Bundesrech-
    nungshof zum ersten Mal in seiner Geschichte weit über
    die Kritik an Misswirtschaft oder Verschwendung in
    Einzelfällen hinausgegangen ist. Ich zitiere den Präsi-
    denten des Bundesrechnungshofs: „Die Schieflage ist so
    extrem, dass es einem den Atem verschlägt.“


    (Zurufe von der SPD: Oh!)

    ensichtlich auch noch verantwortungsvolle
    err Bundeskanzler, die sich nicht nur um
    bgeordneten

    Es gibt off
    Genossen, H

    ihre Karriere, sondern um Deutschland Sorgen machen.






    (A) (C)



    (B) (D)


    Michael Glos


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)

    Ich kann nur feststellen: Engels hat kein Vertrauen mehr
    zu den Marxisten, die heute regieren.


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Der Haushalt ist Murks. Das Vertrauen ist verspielt. Das
    Kapital ist vernichtet.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Schöne Bilder, aber alles falsch!)


    Deutschland sitzt in einer Schuldenfalle. Immer hö-
    here Schulden bringen immer höhere Zinsbelastungen,
    die wieder über zusätzliche Kreditaufnahmen finanziert
    werden müssen. Herr Bundeskanzler, Sie haben in Ihrer
    Regierungserklärung am 14. März 2003 gesagt:

    Die Bundesregierung hält an dem Ziel fest, bis
    2006 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt zu er-
    reichen.

    Wer soll Ihnen nach dem Zahlenwerk, das inzwischen
    vorliegt, und den Abschlüssen, die immer wieder auf den
    Tisch gelegt worden sind, noch glauben?


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Das gesamtstaatliche Defizit ist in nur vier Jahren
    um 200 Milliarden Euro gewachsen. Mit über
    17 000 Euro belasten die Schulden von Bund, Ländern
    und Kommunen jeden Bürger, ob alt oder jung.

    Allein im kommenden Jahr plant der Bund eine Brut-
    tokreditaufnahme von 218 Milliarden Euro, wovon al-
    lerdings 195 Milliarden Euro zur Tilgung fälliger Schul-
    den verwendet werden. Die sich aus dieser Rechnung
    ergebende Neuverschuldung beträgt rund 22 Milliarden
    Euro. Das sind weniger als die 40 Milliarden Euro, die
    als Zinsbelastung im Haushalt enthalten sind.

    Es müssen gigantische Summen am Kapitalmarkt ge-
    wälzt werden, um diese Belastung zu finanzieren. Sollte
    es in absehbarer Zeit zu einer spürbaren Erhöhung des
    Zinsniveaus kommen, wird sich der Bund bei einer
    durchschnittlichen Laufzeit seiner Kredite von nur vier
    Jahren – das ist vollkommen neu – einer nicht überseh-
    baren zusätzlichen Zinsbelastung aussetzen.

    Bei dem erwähnten gesamtstaatlichen Schuldenstand
    von 1,4 Billionen Euro sind die Verbindlichkeiten der
    gesetzlichen Rentenversicherung und der Pensions-
    kassen nicht mitgerechnet. Sie betragen nach Berech-
    nungen von Professor Sinn 270 Prozent unseres Brutto-
    inlandsproduktes. Dieter Rampel, der Chef der Hypo-
    Vereinsbank, berechnete diese Renten- und Pensionsver-
    pflichtungen unlängst. Er hat gesagt: Betriebswirtschaft-
    lich sauber bilanziert, stünden aus diesen Schulden pro
    Kopf der Bevölkerung 65 000 Euro in den Büchern.
    Wenn ich zu diesen 65 000 Euro die vorhin erwähnten
    17 000 Euro hinzurechne, Herr Bundeskanzler, sind es
    82 000 Euro Schulden pro Bundesbürger, die wir jedem
    neugeborenen Kind in die Wiege legen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist auch das Erbe von Ihnen! – Klaus Uwe Benneter [SPD]: Von Ihnen sind auch viele Schulden dabei!)


    – Herr Benneter, für meine Enkel bedeutet das eine Be-
    lastung von 246 000 Euro, für die sie überhaupt nichts
    können.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wie viel davon sind aus der Ära Kohl? – Weitere Zurufe von der SPD)


    Die werden mich fragen: Du warst damals im Bundes-
    tag, warum habt ihr das getan? Herr Bundeskanzler,
    auch Ihre beiden Kinder werden Sie fragen, wenn es so
    weit ist. Das ist für mich eine unverantwortliche Politik.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Genau richtig! Nennen Sie mal den Anteil von Kohl!)


    Ich kann nur sagen: Rot und Grün verschlechtern jeden
    Tag die Zukunftschancen unserer Kinder und unserer
    Enkel.

    Ich zitiere weiter aus Ihrer Regierungserklärung, Herr
    Bundeskanzler:

    Wir brauchen Zukunftsinvestitionen statt Zinszah-
    lungen.

    Das ist richtig. Das kann ich nur unterstreichen. Bloß:
    Worte allein reichen nicht. Heute muss der Bund – ich
    erwähne es noch einmal – Tag um Tag 100 Millionen
    Euro Zinsen zahlen. Diese Gelder stehen für Bildung
    und für Forschung und Technologie nicht zur Verfügung.
    Darunter leiden wir schmerzlich.

    Die Investitionsquote im Haushalt 2005 ist mit
    9 Prozent geringer als je zuvor. So weit ist es mit der viel
    gepriesenen Nachhaltigkeit gekommen. Deutschland ist
    auf einem Irrweg. Wir erleben eine Art Argentinisierung
    unseres Landes. Argentinien war früher ein reiches
    Land.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch Unsinn hoch drei!)


    Heute trauen seine Eliten ihrem eigenen Land nicht mehr
    und haben mit dem eigenen Land wenig am Hut.

    Herr Bundeskanzler, in Ihrer Regierungszeit hat sich
    die Kluft zwischen sehr reich und ganz arm ungeheuer
    ausgeweitet. Der Mittelstand geht vor die Hunde.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Auch das ist Realität: Unter Rot-Grün ist Deutschland
    ein Stück zu einer Bananenrepublik geworden.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wo leben Sie eigentlich?)


    In neun Bundesministerien wird wegen Korruption er-
    mittelt. Im Verkehrsministerium geben sich die Staatsan-
    wälte die Klinke in die Hand. 100 Verdachtsfälle auf
    Korruption hat die Regierung in einer Aufstellung für






    (A) (C)



    (B) (D)


    Michael Glos

    den Haushaltsausschuss selbst zugegeben. Das ist Tatsa-
    che unter Schröder und Fischer in unserem Land.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie sind ja nicht einmal mehr bereit, unsere Verfas-

    sung zu beachten, obwohl Ihnen Ihr Amtseid das vor-
    schreibt. Der Nachtragshaushalt 2004 und auch der
    Haushalt 2005 verstoßen klar gegen das Grundgesetz,
    weil die Summe der Investitionen geringer ist als die
    Neukreditaufnahme. Wir werden dies – der Kollege
    Merz hat es gestern hier angekündigt – vor dem Bundes-
    verfassungsgericht überprüfen lassen.

    Ich sage noch einmal: Die Bundesregierung verspielt
    unser aller Zukunft. Schulden anzuhäufen ist zutiefst un-
    moralisch gegenüber künftigen Generationen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    An die Adresse der Grünen, die Nachhaltigkeit zum Ziel
    erkoren haben, kann ich nur sagen: Nachhaltigkeit er-
    zeugt man nicht dadurch, dass man ein paar Schafe im
    Vorgarten hält und vielleicht noch Wolle spinnt, um da-
    raus Socken selbst zu stricken


    (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    – so ging es bei den Grünen doch los; auf ihren Parteita-
    gen war doch ständig das Geklapper von Stricknadeln zu
    hören –,


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    sondern Nachhaltigkeit besteht darin, dass man künftige
    Generationen nicht so stark belastet.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir wissen, dass auf Deutschland ein gewaltiger

    Wettbewerbsdruck lastet. Die Ursachen sind die EU-Ost-
    erweiterung, der europäische Binnenmarkt und die Glo-
    balisierung. Deutschland fällt im globalen Wettbewerb
    immer weiter zurück, statt die Herausforderungen anzu-
    nehmen.

    Im industriellen Kern unserer Wirtschaft gehen jeden
    Tag Hunderte von Arbeitsplätzen verloren. Die durch
    den sich vollziehenden Wandel bedingten Arbeitsplatz-
    verluste seit 1991 sind dramatisch. So sind im Textilge-
    werbe 180 000, im Baugewerbe mehr als 1,1 Millionen,
    in der Metall erzeugenden Industrie 230 000 und in der
    Maschinenbaubranche fast 700 000 Arbeitsplätze verlo-
    ren gegangen. Insolvenzen, Massenentlassungen und
    Abwanderung in Niedriglohnländer – egal wann man die
    Zeitungen aufschlägt, man liest ständig neue Hiobsbot-
    schaften. Ich nenne Ihnen die Stichworte Opel, VW und
    Karstadt. Das sind aktuell nur die bekanntesten Fälle.
    Aber, Herr Bundeskanzler, Sie beantworten die damit
    verbundenen Fragen nicht, wenn Sie sich in Unterneh-
    merbeschimpfungen flüchten und nur vom Versagen des
    Managements reden.

    Schon jetzt werden Arbeitsplätze auch nach Bulga-
    rien und Rumänien verlagert, weil die Aufnahme ja
    quasi vor der Tür steht. Das gilt ebenfalls für die Türkei:
    Sobald klar ist, dass der Beitritt dieses Landes unum-
    kehrbar ist, wird es eine gewaltige Verlagerung von Ar-
    beitsplätzen aus Deutschland in die Türkei geben; denn
    es gibt einen Wettlauf der Industrie um die billigsten Ar-
    beitsplätze. Wenn ich manche Wirtschaftsführer reden
    höre – auch das macht mir Angst –, dann habe ich den
    Eindruck, dass sie erst zufrieden sind, wenn die Lohnne-
    benkosten und die Löhne bei null sind. Das wollen wir
    ganz bestimmt nicht; das will niemand von uns.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Am Horizont sind aber sehr große Gefahren zu erken-

    nen. Nach einer Studie der TU München werden in den
    nächsten zehn Jahren 150 000 Arbeitsplätze jährlich in
    allererster Linie nach Osteuropa verlagert. Wir brauchen
    deswegen Reformen und eine Rückbesinnung auf öko-
    nomische Grundwahrheiten. Viele haben geglaubt, dass
    der Weg, mit immer weniger Arbeit immer reicher zu
    werden, für die Deutschen quasi geschichtlich vorpro-
    grammiert ist und dass die westlichen Industrieländer
    – wie von Zauberhand geleitet – den Weg in die Spaßge-
    sellschaft und in ein Freizeitparadies gehen. Vergessen
    wurde dabei: Niemand kann die Gesetze der Ökonomie
    außer Kraft setzen. Das heißt, Wohlstand und soziale Si-
    cherung gibt es nur als Ergebnis von Arbeit und Leis-
    tung. Das Wohlstandsniveau hängt vom Können des
    Einzelnen und natürlich auch von der Leistungsfähigkeit
    der Gesamtwirtschaft sowie von der vorhandenen Infra-
    struktur ab. In diesen Bereichen ist in Deutschland noch
    fast alles in Ordnung. Aber PISA lässt grüßen und zeigt,
    dass wir auch hier abfallen.

    Wir alle bekennen uns zum Sozialstaat und möchten
    ihn erhalten. Aber wir müssen ihn natürlich mit den ge-
    samtwirtschaftlichen Möglichkeiten in Einklang brin-
    gen. Ich kann nur sagen: Sozial ist alles, was Arbeits-
    plätze schafft bzw. erhält. Mit kurzen Arbeitszeiten sind
    wir nicht wettbewerbsfähig. Ich möchte nicht alle statis-
    tischen Daten auflisten, die verdeutlichen, wie lange in
    den einzelnen Ländern gearbeitet wird. Nur so viel: In
    den USA arbeitet man – bezogen auf die tarifliche Ar-
    beitszeit – im Durchschnitt circa 400 Stunden mehr als
    in Deutschland. Deutschland kann nicht mit immer we-
    niger Arbeit immer wohlhabender werden. Die 35-Stun-
    den-Woche war ein gewaltiger Irrweg. Es waren DGB
    und SPD, die diese Entwicklung vollkommen kritiklos
    vorangetrieben haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Trittin, Sie sowie Ihre Freundinnen und Freunde

    sind wesentlich daran schuld, dass sich unser Land in die
    falsche Richtung entwickelt hat.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Früher hieß es bei Ihnen in den kurzen Pausen während
    des Strickens, der Strom komme aus der Steckdose. Sie
    haben sich inzwischen ein ganzes Stück durchgesetzt.
    Sie sind dabei, die sichersten Kernkraftwerke der Welt
    abzuschalten.


    (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch gut so!)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Michael Glos

    Sie vertreiben die energieintensiven Industrien. Dafür
    erfindet man immer neue Öko- und Windradsteuern. Mit
    dem so genannten EEG und Ähnlichem sind im Grunde
    Steuern für Spinnereien verbunden, die Ihrer Ideologie
    entsprechen, die aber an der wirtschaftlichen Wirklich-
    keit der Welt ein ganzes Stück vorbeigehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommen Sie wirklich ins Fantasieren!)


    – Frau Göring-Eckardt, inzwischen braucht man keine
    Wissenschaftler, keine Soziologen mehr, um zu sehen,
    dass der Weg der 68er ein Irrweg war. Selbst die Schla-
    gersänger amüsieren sich heute darüber. Es gab einen,
    der hat das Lied „Barfuß im Regen“ gesungen. Dieses
    Lied trifft jetzt eigentlich auf Rot-Grün zu. Der Sänger
    dieses Liedes hieß Michael Holm. Er kommt jetzt wie-
    der. Er sagt über die 68er:

    Ökonomisch war 1968 ein Desaster, weil vergessen
    wurde, was die Basis dieses Landes war: dass wir
    Deutsche schneller, fleißiger und kreativer waren,
    dass wir uns viel mehr plagten als die anderen.
    Heute gilt das alles nicht mehr, der Speck der guten
    Jahre ist aufgebraucht.

    (Zuruf von der SPD: Wie hieß doch gleich der Künstler? Ich habe den Namen vergessen!)


    Das ist das wirtschaftliche Erbe.
    Wie sieht das geistige Erbe der 68er aus? Traditio-

    nelle Werte wurden verachtet. Oskar Lafontaine – es gibt
    ihn noch immer – diskriminierte Disziplin, Fleiß und
    Leistungsbereitschaft als Tugenden, mit denen man auch
    ein KZ führen kann.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch alles ziemlich aus der Mottenkiste!)


    – Herr Schmidt, das war die Diskriminierung von Arbeit
    und Leistung. Ich sage das, auch wenn Sie es heute nicht
    mehr hören können, weil Sie von diesen saudummen
    Sprüchen, die es gegeben hat, inzwischen eingeholt wor-
    den sind.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Unsinn! – Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie mehr leisten könnten, würden Sie jetzt nicht in der Opposition sitzen!)


    Sie haben dem nicht widersprochen. Ihr alle habt vor
    „Lafo“ gekuscht.

    Ich meine, das Gegenteil ist richtig: Traditionelle
    Werte, nationale Identität, Zusammenarbeit und Bin-
    dung machen ein Volk stabiler, selbstbewusster und da-
    mit leistungsfähiger.


    (Joachim Poß [SPD]: Aber nicht Ihre Verlogenheit!)


    – Man hört Zwischenrufe bei der Übertragung leider
    nicht. Herr Poß, deswegen will ich das wiederholen: Sie
    haben von „Verlogenheit“ gesprochen.

    (Joachim Poß [SPD]: Ja! – Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Das fällt auf Sie zurück. Wenn Sie sagen, dass die Werte,
    die die Deutschen groß gemacht haben, Verlogenheit
    und Ähnliches sind,


    (Zurufe von der SPD: Nein!)

    dann ist das eine Schande.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Ihre Rede ist die pure Verlogenheit!)


    Trotz Ihres Geschreis, Herr Poß, kann ich nur sagen:
    Die Menschen spüren im rauen Wind der Globalisierung
    und der Bedrohung durch Terror sowie religiösen Fana-
    tismus, dass wir in Deutschland wieder Orientierung, ein
    Wertefundament brauchen; sonst funktioniert es auch im
    Ökonomischen nicht.

    Unser Volk ist, wie ich meine, eine Schicksalsgemein-
    schaft. Es war sein Schicksal, dass es sich politisch ein-
    mal eine Zeit lang falsch entschieden hat. Aber diese
    Schicksalsgemeinschaft entsteht natürlich aus einer ge-
    meinsamen Geschichte – selbstverständlich im Schlech-
    ten wie im Guten –, aus einer gemeinsamen Sprache, aus
    einer gemeinsamen Kultur, aus einer gemeinsamen Tra-
    dition und auch aus unserer gemeinsamen christlichen
    Religion, die zumindest die Basis unseres Landes gelegt
    hat. Wir, die CDU/CSU, bekennen uns zu dieser
    nationalen Identität und zu einem selbstverständlichen
    Patriotismus, das heißt zur Liebe zu unserem Land.
    Ohne Liebe zu unserem Land können wir auch seine
    Probleme nicht lösen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Carl-Ludwig Thiele [FDP])


    Eine Regierung ohne Vaterlandsliebe – sie stolpern
    nicht zuletzt deswegen von Problem zu Problem, weil
    Ihnen diese Liebe fehlt – ist nicht in der Lage, die Pro-
    bleme dieses Landes zu lösen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Herr Müntefering, ich habe irgendwo gesagt, dass

    diejenigen, die Deutschland heute führen, mit Deutsch-
    land nichts am Hut haben. Sie haben sich daraufhin be-
    troffen gefühlt. Ich habe überhaupt nicht nur an Sie ge-
    dacht; Sie führen Deutschland nicht allein. Das hat sich
    an viele so genannte Intellektuelle, Journalisten, Kom-
    mentatoren, aber natürlich auch ein Stück an Rot-Grün
    gerichtet. Sie haben dann Frau Merkel aufgefordert, sich
    für diese – ich zitiere Sie – Unverschämtheit, die auf die
    deutsche Sozialdemokratie gezielt sei, zu entschuldigen.


    (Beifall bei der SPD)

    Ich habe es aber überhaupt nicht auf die deutsche Sozial-
    demokratie bezogen.


    (Widerspruch bei der SPD)

    Jetzt muss ich mich auch einfach einmal bedanken;

    das gehört, finde ich, dazu. Zwei Wochen später haben
    Sie den Beweis dafür geliefert, dass sich die deutsche
    Sozialdemokratie zu Recht hat angesprochen fühlen






    (A) (C)



    (B) (D)


    Michael Glos

    müssen, als Sie nämlich den 3. Oktober, unseren Natio-
    nalfeiertag, abschaffen wollten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das zeigt, dass Ihr Protest – vielleicht haben Sie es da-
    mals schon gewusst – blanke Heuchelei gewesen ist,
    Herr Müntefering.


    (Monika Griefahn [SPD]: 84 hat Stoiber das vorgeschlagen! – Gegenruf des Abg. Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: 1884? – Lachen bei der CDU/CSU)


    – Auf Ihr Geschrei, gnädige Frau, habe ich schon gewar-
    tet. Es war kalkulierbar, dass das kommt. Deswegen
    habe ich die Geschichte extra noch einmal mitgebracht.

    Es ging um Folgendes: Da gab es kluge und weniger
    kluge Ratgeber. Einer der weniger klugen war Geißler.
    Er hat gesagt, man solle in Bayern Feiertage abschaffen.
    Aber da sind wir in Bayern ganz allergisch, weil das un-
    sere Sache ist.


    (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Die anderen sollen mehr arbeiten und Sie haben mehr Feiertage! So stellen Sie sich Gerechtigkeit in der Welt vor!)


    Wir sind trotz unserer Feiertage und unserer Traditionen
    immer noch sehr viel leistungsfähiger als andere Bun-
    desländer.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dann hat Edmund Stoiber gesagt: Wenn Heiner

    Geißler so sehr daran gelegen ist, dann stelle ich ihm an-
    heim, als Bundestagsabgeordneter den Antrag zu stellen,
    den Tag der Deutschen Einheit als Feiertag aufzugeben
    oder ihn auf einen Sonntag zu verlegen.


    (Walter Schöler [SPD]: Das war ein guter Ratschlag!)


    Stoiber hat das nicht gefordert; er hat nur gesagt, dass er
    es Herrn Geißler anheim stellt.


    (Lachen und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    – Entschuldigung! Hören Sie doch zu! Er hat einen klug-
    scheißerischen Ratschlag mit einer entsprechenden Ant-
    wort zurückgewiesen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist seinerzeit auf Herrn Geißler und auf diejenigen,
    die das in Bayern gefordert haben, zurückgefallen. Das
    ist ein rhetorischer Kniff gewesen. Den wird man doch
    noch machen dürfen.


    (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Obwohl wir Bayern am meisten natürlich von uns

    selbst überzeugt sind – das gilt selbst für uns Franken,
    die von den Bayern erobert worden sind –, haben wir nie
    etwas gegen Deutschland und gegen die deutsche Nation
    getan.

    (Franz Müntefering [SPD]: Können Sie das noch einmal vorlesen, Herr Glos? Lesen Sie die Sache doch noch einmal vor!)


    Herr Müntefering, es war Bayern mit Franz Josef Strauß,
    das gegen den Grundlagenvertrag geklagt hat, als Ihre
    Partei die Präambel des Grundgesetzes mit dem Wieder-
    vereinigungsgebot ändern wollte. Auch das ist eine ge-
    schichtliche Wahrheit.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie sollten sich schämen, vor allem für den Fraktions-

    vorsitzenden oder stellvertretenden Fraktionsvorsitzen-
    den der Grünen; ich weiß gar nicht, wie viele ihr habt
    und wie das alles so funktioniert.


    (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht so viele wie Sie! Es sind immer dieselben!)


    Jeder spricht für sich und alle sprechen gegeneinander.
    Jedenfalls will dieser famose Herr Ströbele – Herr Trittin
    will es, glaube ich, auch – den Feiertag am 3. Oktober
    durch einen islamischen Feiertag ersetzen. Mit Patrio-
    tismus hat das überhaupt nichts zu tun.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ulrich Heinrich [FDP])


    Dieser gescheiterte Anschlag auf unseren nationalen
    Feiertag wirft ein grelles Licht auf Rot und Grün. Ich be-
    danke mich beim Bundespräsidenten herzlich dafür, dass
    er ein klares Wort gesagt hat. Herr Bundeskanzler, ich
    hoffe nicht, dass Sie noch einmal auf die Idee kommen,
    diesen Feiertag abschaffen zu wollen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Unser Land braucht – auch das ist eine Lehre aus der

    Geschichte – Partner und Vertrauen in aller Welt. Wir
    dürfen dieses Vertrauen nicht gedankenlos aufs Spiel set-
    zen. Ich stimme Volker Rühe zu, der heute in einem In-
    terview im „Handelsblatt“ sagt: Die deutschen Offiziere
    dürfen nicht aus den NATO-Stäben zurückgezogen wer-
    den, wenn es Planungen im Irak gibt. Das wäre höchst
    verheerend, wenn wir hier einen Sonderweg gehen.

    Unser Verhältnis zu den USA ist ungeheuer sensibel,
    etwas, was Sie umtreiben muss, etwas, was die Kraft von
    Fischer überfordert. Er ist heute ein Super-Genscher ge-
    worden. Damals gab es die Story: Zwei Flugzeuge sto-
    ßen über dem Atlantik zusammen; in beiden saß Gen-
    scher. – Genscher flog wenigstens noch immer über den
    Atlantik, während Fischer heute in der Welt umherreist,
    von Entwicklungsland zu Entwicklungsland, und um
    eine Schimäre kämpft.


    (Joachim Poß [SPD]: Was soll das heißen?)

    Er sammelt Stimmen für einen Sitz im UN-Sicherheits-
    rat, obwohl er da nichts zu gebenedeien hat. Dazu kann
    ich nur sagen: Er hat auch nicht das nötige Geld und
    nicht die nötigen Mittel, um dort entsprechend mitwir-
    ken zu können.

    Weil wir schon über Werte reden, denke ich auch an
    die überzeugende Wiederwahl von Präsident Bush.
    Wir können uns den Präsidenten der Amerikaner nicht






    (A) (C)



    (B) (D)


    Michael Glos

    selbst aussuchen; das macht immer das amerikanische
    Volk. Die Amerikaner können sich unsere Regierung
    auch nicht aussuchen; wahrscheinlich hätten wir sonst
    eine andere. Aber das ist nun einmal so. Neben dem Re-
    kordergebnis für den Präsidenten sollte uns auch die
    deutliche Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses
    bei stark gestiegener Wahlbeteiligung zu denken geben.
    Wenn das die Kommentatoren der öffentlich-rechtlichen
    Medien in Deutschland hätten verhindern können, hätten
    sie es getan.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich habe das alles von China aus verfolgt. Die Chinesen
    und auch Putin, der Freund von Herrn Schröder, hatten
    schon längst gratuliert,


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Also waren auch Sie nicht in den USA!)


    als in den öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland
    immer noch davon gesprochen wurde, dass die Anwälte
    aufmarschierten, Ohio kippen werde und was weiß ich
    noch alles. Die Bundesregierung wird wahrscheinlich
    nach Burkina Faso irgendwann als Allerletzter gratuliert
    haben, weil man sich auf die Öffentlich-rechtlichen ver-
    lassen hat. Die deutschen Diplomaten, die die Bundesre-
    gierung in die Welt geschickt hat, sind ja teilweise auch
    nicht viel besser in Bezug auf ihre Einschätzung in die-
    ser Frage.


    (Widerspruch bei der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Unglaublich!)


    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ob Sie es
    hören wollen oder nicht:


    (Jörg Tauss [SPD]: Wir wollen nicht!)

    In Amerika wäre es unvorstellbar, dass die Kandidatur
    eines gläubigen Katholiken für ein öffentliches Amt in
    der Form abgelehnt wird, wie es bei Rocco Buttiglione
    durch das Europäische Parlament geschehen ist.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Auch das ist eine Tatsache, die zeigt, wie sich bei uns
    das Koordinatensystem immer mehr verschiebt. All das
    ist nicht zum Vorteil unseres Landes. Ich meine, Ver-
    trauen kann nur aus festen Wertevorstellungen erwach-
    sen.

    Die Außenpolitik dieser Bundesregierung ist deswe-
    gen so schlimm, weil sie mit zweierlei Maß misst. Wäh-
    rend Sie, Herr Bundeskanzler, gegenüber unserem Ver-
    bündeten USA immer mehr auf Distanz gehen, biedern
    Sie sich kritiklos bei Putin an. Als lupenreinen Demo-
    kraten, wie Sie es bei „Beckmann“ formuliert haben,
    sieht sich nicht einmal Putin selber. Eine solche Aussage
    würde ihn beleidigen.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das stimmt! Da hat er Recht! Das hat er auch nie von sich behauptet!)


    Da sind Sie zu weit gegangen.
    Deswegen war es auch ein ganz grober Fehler – jetzt

    wird es ernst –, dass sich Deutschland, das nun einmal
    sehr nah an der Ukraine liegt, und die Europäische
    Union überhaupt nicht um die Ukraine gekümmert ha-
    ben.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie, Herr Fischer, hätten bei Ihren Flügen rund um die
    Welt dort wenigstens ab und zu einmal eine Zwischen-
    landung machen können.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der SPD)


    Es geht ja darum, ob die Ukraine eine West- oder eine
    Ostausrichtung wählt. Eine Westausrichtung der Ukraine
    liegt in ganz hohem Maß im deutschen Interesse. Eine
    starke ukrainische Demokratie mit einem westlich orien-
    tierten Präsidenten wollte die Mehrheit der Wähler in der
    Ukraine und diese liegt auch – ich sage das noch ein-
    mal – im Interesse Deutschlands. Wiktor Juschtschenko
    wird offensichtlich um seinen Wahlsieg betrogen.

    Ich finde es gut, dass es seit gestern endlich eine Er-
    klärung von Herrn Fischer dazu gibt. Gestern ist es ihm
    eingefallen. Ich weiß nicht, ob seine Diplomaten ge-
    schlafen haben oder ob sie immer noch mit der Erteilung
    ungerechtfertigter Visa beschäftigt sind. Man löst die
    Probleme eines Landes nicht dadurch, dass man in ganz
    großem Stil rechtswidrig Visa erteilt. Ich komme noch
    zu diesem Thema. Herr Bundeskanzler, ich erwarte von
    Ihnen, dass Sie heute etwas zur Ukraine und zu dem, was
    dort abläuft, sagen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn man den Blick einseitig nur auf die Vollmit-

    gliedschaft der Türkei richtet, weil man auf die Wähler-
    stimmen der türkischstämmigen Deutschen schielt,


    (Lachen bei Abgeordneten vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    also allein dies zum Maßstab für die Interessenvertre-
    tung eines Volkes macht, dann liegt man in der Außen-
    politik immer falsch.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich meine, die Vollmitgliedschaft der Türkei liegt nicht
    im Interesse unseres Landes; eine gute Partnerschaft
    liegt im Interesse unseres Landes. Eine aktuelle Studie
    des Osteuropa-Instituts München besagt, die angebli-
    chen Vorteile einer Mitgliedschaft werden übertrieben
    und Risiken heruntergespielt. Wenn Sie den Aussagen
    des Osteuropa-Instituts nicht glauben, dann vertrauen
    Sie wenigstens Helmut Schmidt. Er hat gestern gesagt:

    Die europäischen Diplomaten lassen sich täuschen
    – er hat damit auch die deutschen gemeint –,

    weil sie nur Istanbul, Izmir oder Ankara kennen.
    Sie kennen aber Anatolien nicht.


    (Zurufe von der SPD)

    – Man wird doch bei der SPD, verdammt noch mal, noch
    Helmut Schmidt zitieren dürfen!


    (Beifall bei der CDU/CSU)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Michael Glos

    Ich zitiere weiter Helmut Schmidt:
    Die Menschen werden kommen und bei der deut-
    schen Sozialfürsorge um eine Wohnung nachsu-
    chen, um einen Fernseher und ein Telefon.

    Er sagt auch, die Vorbereitungen für die Beitrittsver-
    handlungen würden zu eifrig betrieben. Der Hunderte
    Jahre alte Obrigkeitsstaat werde nicht in zwei Jahren
    eine Demokratie werden.


    (Widerspruch bei der SPD)

    Außerdem bringt er zum Ausdruck: ökonomische Unter-
    stützung ja, aber Freizügigkeit – das heißt Vollmitglied-
    schaft – nein.

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brau-
    chen die Integration der hier lebenden ausländischen
    Mitbürger, insbesondere der türkischstämmigen,


    (Jörg Tauss [SPD]: Heuchler!)

    die den größten Anteil ausmachen, Herr Tauss. Aber
    diese Integration wird doch nicht geschehen, wenn im-
    mer mehr nachwandern, wenn sich immer mehr eine Pa-
    rallelgesellschaft bildet, wie es jetzt auch von Ihnen
    beim Namen genannt wird. Wir sollten hier äußerst vor-
    sichtig sein.

    Herr Bundeskanzler, ich habe heute mit großer Be-
    friedigung registriert, dass Ihr Freund Präsident Chirac
    dabei ist, einen Meinungswandel zu vollziehen. Er sagt,
    die privilegierte Partnerschaft der Türken müsse ein
    Verhandlungsziel sein. Er äußert das natürlich auf Druck
    von Sarkozy, der sich jetzt aufmacht, Vorsitzender der
    UMP zu werden. Die Franzosen wissen, dass man nichts
    gegen die Mehrheit eines Volkes machen kann. Aber Sie
    wollen die Vollmitgliedschaft der Türkei gegen den er-
    klärten Mehrheitswillen des deutschen Volkes erreichen,
    Herr Bundeskanzler. Das ist abzulehnen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Werben Sie rechtzeitig vor dem 17. Dezember für die

    privilegierte Partnerschaft! Schaffen Sie keine Enttäu-
    schungen bei unseren türkischen Freunden,


    (Lachen bei der SPD – Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unglaublich, dass Sie so was jetzt sagen!)


    indem Sie Dinge versprechen, die Sie nicht halten kön-
    nen, und handeln Sie im deutschen und europäischen In-
    teresse!


    (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Völlig weltfremd! – Jörg Tauss [SPD]: Ich glaube, die Redezeit ist um!)


    – Die Redezeit ist zu Ihrer Freude

    (Lachen und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    leider nicht um, sondern ich darf weiterreden, auch wenn
    es Ihnen nicht gefällt.

    Wer zu uns ins Land kommt, der soll, wie ich meine,
    mit uns leben und nicht neben uns. Wir brauchen mehr
    Integration, wir brauchen mehr Gemeinsamkeit. Es ist
    ganz klar: Die Basis für die Verständigung muss die
    deutsche Sprache sein.

    Das haben wir im Juli 1998 vor der Bundestagswahl
    auf unserer Klausurtagung in Banz gefordert. Damals
    war es sensationell, so etwas zu äußern. Alle Schmutz-
    kübel der Linken, von Rot und Grün, sind über uns aus-
    geschüttet worden, weil wir gesagt haben, wer in
    Deutschland lebt, soll Deutsch sprechen. Der Einzige,
    dessen Einstellung ein bisschen anders war, war Herr
    Schily. Er hat nach der Regierungsübernahme einen an-
    deren Weg eingeschlagen. Er hat es richtig gemacht. Als
    es darum ging, ein moderneres Zuwanderungsrecht zu
    schaffen, hat er gesagt: Raus mit den Grünen aus den
    Verhandlungen! Dadurch ist der Kompromiss letztend-
    lich möglich geworden.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Das war der richtige Weg, Herr Bundesminister Schily.
    Herr Bundeskanzler, wenn Sie die Kraft hätten, zu sa-

    gen: „Raus mit den Grünen aus dieser Regierung“, dann
    würde möglicherweise wieder eine ökonomische Basis
    für das Vorwärtskommen dieses Landes geschaffen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Ich komme noch einmal zu dem Zuwanderungskom-
    promiss. Schleuser, Terrorunterstützer und Hassprediger
    können jetzt endlich ausgewiesen werden. Sie sollten die
    Instrumente auch nutzen. Für Ausländer, die nach
    Deutschland kommen, werden Integrationskurse Pflicht,
    obwohl die Grünen lange dagegen waren. Ihr Traum von
    der multikulturellen Gesellschaft ist geplatzt.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich meine, dass Verstöße gegen die Integrationspflicht

    Folgen haben müssen. Wie schwer sich die Grünen mit
    unserem Land und seinen Traditionen tun, hat Herr
    Ströbele mit seiner Forderung nach einem islamischen
    Feiertag bewiesen. Das kann man gar nicht oft genug
    wiederholen.

    Der Prozess gegen den Chef einer ukrainischen
    Schleuserbande in Köln hat allerdings einen Skandal im
    Auswärtigen Amt an die Öffentlichkeit gebracht.


    (Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Während verhandelt worden ist, die Einwanderung nach
    Deutschland legal zu reduzieren, haben Sie, Herr Bun-
    desminister Fischer, illegal die Schleusen aufgemacht;
    unter Ihrer Verantwortung, Herr Fischer, ist das gesche-
    hen. Sie können nur der beliebteste Minister sein, weil
    die Leute das nicht wissen.


    (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Aber wir werden mit dem Untersuchungsausschuss da-
    für sorgen, Herr Bundesminister Fischer, dass die Leute
    das erfahren. Ich freue mich schon, wenn Sie einmal so
    vorgeführt werden, wie Sie immer versuchen, andere
    vorzuführen.






    (A) (C)



    (B) (D)


    Michael Glos


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das scheint der einzige Maßstab bei Ihnen zu sein!)


    2000 wurden die Konsulate angewiesen, Ausländern
    Einreisevisa zu erteilen, ohne alle gesetzlichen Voraus-
    setzungen zu überprüfen. Das Kölner Gericht spricht
    von einem „Putsch gegen unsere Rechtsordnung“. Rund
    5 Millionen Menschen sind mithilfe dieses Rechtsbru-
    ches nach Deutschland und in die europäischen Partner-
    staaten eingeschleust worden, halten sich illegal in den
    europäischen Ländern auf und fördern dort Schwarzar-
    beit, Prostitution, Menschenhandel und andere krimi-
    nelle Machenschaften. Sie sind dafür der Zuhälter
    – wenn man so will –, Herr Bundesminister Fischer.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unverschämtheit!)


    – Ich habe gesagt: wenn man so will.

    (Zurufe von der SPD: Unglaublich! – Unver schämt!)

    – Ich weiß gar nicht, warum es diese große Aufregung
    gibt. Dieser Skandal und seine Hintergründe werden von
    einem Untersuchungsausschuss aufgeklärt. Wir werden
    Sie zur Ehrlichkeit zwingen.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Pfui!)


    Ein allerletzter Punkt. Herr Bundeskanzler, Sie haben
    das letzte Mal zu Beginn Ihrer Rede versucht, mich zu
    diskriminieren. Die Presse hat darüber geschrieben;
    meine Heimatzeitung hat es nachgedruckt. Deswegen
    habe ich Sie gestern gefragt: Wie wollen Sie es denn?
    Sie haben mir gesagt: Sie waren sonst immer lustig, nie
    peinlich.

    Da wir gerade bei „lustig“ und „peinlich“ sind,

    (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peinlich ist Ihre Rede!)

    will ich ein Bild präsentieren, das der Wirklichkeit ent-
    spricht. Ob es lustig oder peinlich ist, das überlasse ich
    dem Urteil aller geneigten Zuschauer und Zuhörer. Zu
    Beginn Ihrer Amtszeit, Herr Bundeskanzler, haben Sie
    noch persönlich für Armani und Brioni Modell gestan-
    den.


    (Zurufe von der SPD: Oh!)

    – Das ist doch richtig, oder? – Wenn ich die „Bild“-Zei-
    tung richtig gelesen habe, dann ist es so, dass jetzt Ihr
    Hund für Rossmann wirbt.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich weiß nun nicht, ob es lustig oder peinlich ist. Ich
    kann es nicht beurteilen.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)

    Ich kann nur sagen, meine sehr verehrten Damen und
    Herren: Wir haben es mit einer Bundesregierung zu tun,
    die nirgends durchgängig glaubhaft ist und die das Ver-
    trauen, das man in schwieriger Zeit in der Bevölkerung
    braucht, verspielt hat. Deutschland ist besser als diese
    Bundesregierung. Das gibt mir Hoffnung für die Zu-
    kunft.

    Danke schön.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Bei fall bei Abgeordneten der FDP)



Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir eine Be-

merkung. Herr Kollege Poß, Sie haben den Redner der
Verlogenheit geziehen. Herr Glos, Sie haben es für rich-
tig gehalten, einen Minister als Zuhälter zu bezeichnen.


(Zurufe von der SPD: Pfui! – Michael Glos [CDU/CSU]: Ich bitte um das Wortprotokoll, Herr Präsident!)


– Der kleine Nachtrag „wenn man so will“ macht es
nicht besser. –


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich erteile Ihnen beiden einen Ordnungsruf und bitte
sehr darum, dass wir uns in der weiteren Debatte mäßi-
gen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nun erteile ich das Wort dem Bundeskanzler der Bun-

desrepublik Deutschland, Gerhard Schröder.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerhard Schröder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren! Unser Zwiegespräch war anders. Michael Glos,
    Sie hatten mir versprochen, heute friedlich und sachlich
    zu sein.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: War ich doch bis zuletzt!)


    – Nach seiner Auffassung war er es.

    (Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Aber ich glaube, da wird es unterschiedliche Auffassun-
    gen in Ihrer eigenen Fraktion geben.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein!)

    – Nein? Das ist ja noch bedauerlicher.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Das zeigt, dass das Differenzierungsvermögen in Ihrer
    gesamten Fraktion außerordentlich unterentwickelt ist.
    Das wird sich heute noch zeigen.

    Ich möchte gerne zwei Punkte vorab richtig stellen,
    Herr Glos. Ich finde es zum einen nicht richtig, wie Sie






    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundeskanzler Gerhard Schröder

    Herrn Stoiber zitiert haben und dass Sie dann auch noch
    meinen, er habe nicht gemeint, was er gesagt habe.


    (Heiterkeit bei der SPD)

    Es ist ein typischer „Stoiber“ gewesen, nach dem Motto
    „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Das
    kennen wir von ihm.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Zum 3. Oktober würde ich Ihnen gern ein paar Dinge
    sagen, die andere betreffen; ich hoffe, ich zerstöre nicht
    deren Karrieren. Ich habe mir das herausgesucht und
    will es Ihnen mitteilen. Da gab es einen Sozialexperten,
    der sich in der „BZ“ vom 10. März 1994 zum 3. Oktober
    geäußert hat. Peter Ramsauer,


    (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Oh!)


    CSU-Sozialexperte:

    (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Die alte Ka melle! X-mal dementiert!)

    Selbstverständlich müssen wir auch bereit sein, Fei-
    ertage zu streichen, beispielsweise den 1. Mai. Der
    3. Oktober könnte auf einen Sonntag gelegt wer-
    den. Es darf keine Tabus geben.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Übrigens, Herr Singhammer, Sie wollen ja einen Kar-

    rieresprung machen. Ich will Ihnen deswegen auf dem
    Weg dorthin mitgeben, was Sie zu diesem Thema gesagt
    haben:

    Singhammer würde für die Mehrarbeit Feiertage
    opfern, keine kirchlichen zwar, aber weltliche wie
    den Tag der Arbeit oder den Tag der Deutschen
    Einheit. Über den 1. Mai und den 3. Oktober gibt es
    tatsächlich eine Diskussion, sagte der CSU-Abge-
    ordnete. An die könnte man rangehen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, ich erwähne das nicht, um

    diese Debatte weiterzuführen,

    (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Haben Sie sonst noch etwas zu sagen?)

    sondern ich erwähne das, damit Sie mit dem Patriotis-
    musvorwurf etwas vorsichtiger umgehen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Diejenigen, die derart im Glashaus sitzen, sollten nun
    wahrlich nicht mit Steinen werfen. Das geht, wie ge-
    zeigt, immer nach hinten los.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Falsch! Xmal dementiert! Es ist doch zu billig für Sie, Herr Bundeskanzler, alte Kamellen herauszuziehen!)


    Ich komme zum zweiten Thema. Dies betrifft den
    sachlichen Gehalt – sofern einer vorhanden war – des-
    sen, was Herr Glos zur Ökonomie gesagt hat. Wie ur-
    teilsfähig er in diesen Fragen ist, will ich gern mit Rück-
    griff auf eine andere Begebenheit erläutern. In einer der
    letzten Debatten über ökonomische Fragen, Herr Glos,
    haben Sie sich in ganz bestimmter Weise mit dem
    Außenwert des Euro beschäftigt. Sie werden sich erin-
    nern: Er stand damals im Verhältnis zum Dollar bei
    84 Cent. Da hat Herr Glos gesagt – das beweist seine Ur-
    teilsfähigkeit in ökonomischen Dingen –:

    Ich will jetzt gar nicht im Einzelnen darlegen, wie
    sich der Euro entwickelt hat. Gegenüber dem viet-
    namesischen Dong beträgt die Abwertung
    21 Prozent, gegenüber dem dominikanischen
    Peso – es fliegen ja ungeheuer viele Leute in die
    Karibik – beträgt die Abwertung 19 Prozent.

    (Joachim Poß [SPD]: Der Herr Glos ist viel auf Reisen! Der kennt sich da aus!)

    Ich könnte Ihnen eine lange Liste nennen.

    Weiter sagte er:
    Ausschlaggebend ist also der Marktwert des Euro.
    Der Marktwert des Euro könnte besser sein, wenn
    wir in Deutschland, im wirtschaftlichen Herzland
    Europas, eine bessere Regierung hätten.


    (Heiterkeit bei der SPD)

    So viel zu Ihrer ökonomischen Urteilsfähigkeit.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Abg. Michael Glos [CDU/ CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


    – Ich will das jetzt im Zusammenhang vortragen; ich bin
    gerade so gut dabei. Sie werden das verstehen, Herr
    Glos.

    Der Euro – das macht mich wegen unseres Exportes
    durchaus besorgt – liegt jetzt im Verhältnis zum Dollar
    bei etwa 1,30. Worauf ist das entlang Ihrer ökonomi-
    schen Einsichten zurückzuführen?


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Offenkundig darauf, dass die Regierung so ungeheuer
    gut ist, dass der Außenwert des Euro ständig steigt. Ich
    sage Ihnen aber: Das hat doch mehr mit der Situation auf
    den internationalen Finanzmärkten – übrigens in der ei-
    nen wie in der anderen Richtung – zu tun als mit dem,
    was Sie prognostiziert haben.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich erwähne das hier nur, um das Publikum davon zu un-
    terrichten, wie weit her es mit Ihrer ökonomischen
    Urteilsfähigkeit ist.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist viel zu billig! So billig sind Sie doch gar nicht! Entlassen Sie den Redenschreiber! Das alles ist viel zu billig!)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundeskanzler Gerhard Schröder

    Ich würde angesichts dessen doch raten, sich damit zu

    begnügen, was der Sachverständigenrat der Bundesre-
    gierung zu diesen Fragen gesagt hat. Der Sachverständi-
    genrat der Bundesregierung – auch das sollte Thema die-
    ser Debatte sein – hat sein Jahresgutachten unter das
    Motto „Erfolge im Ausland – Herausforderungen im In-
    land“ gestellt. Ich finde, dass das – darüber haben wir in
    dieser Debatte heute zu diskutieren – eine sehr gute, sehr
    zutreffende und solide Kennzeichnung der Lage der Na-
    tion sowohl im Hinblick auf das Ökonomische als auch
    das Politische ist.

    Die Frage, die wir hier zu debattieren haben – wir
    dürfen keinen Klamauk machen, wie Sie ihn eben vorge-
    führt haben –, ist doch wohl: Welche Beiträge können
    die Politik und die Gesellschaft schlechthin – dazu gehö-
    ren sowohl Wirtschaft als auch Gewerkschaften – erbrin-
    gen, um die Herausforderungen zu meistern, um die
    Chancen zu nutzen, um Erfolge zu haben? Das sollte der
    Kern der Debatte sein.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Anstatt diese Diskussion zu führen, haben wir von Ih-
    nen vorhin nur das gehört – von Herrn Merz brillant, von
    Ihnen, Herr Glos, eher holzschnittartig vorgetragen –,
    was wir von Ihnen schon kennen.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Vielen Dank, Herr Oberlehrer!)


    In jedem Fall zeichnen Sie das Bild eines Deutschlands
    im Jammertal. Sie zeichnen ein Zerrbild des Landes.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Für Sie ist das Teil einer Machtauseinandersetzung in
    unserem Land. Das ist nachvollziehbar, Sie müssen aber
    bedenken, dass Sie mit der Zeichnung von Zerrbildern
    Deutschlands nicht nur erlaubte Machtauseinanderset-
    zung betreiben, sondern Deutschland diskreditieren. In-
    dem Sie Deutschland nach innen diskreditieren, tun Sie
    es naturgemäß auch nach außen. Das freut niemanden in
    Deutschland, das freut nur unsere Wettbewerber überall
    in der Welt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das sage ich vor dem Hintergrund der so genannten
    Patriotismusdebatte; denn wenn eines unpatriotisch ist,
    dann das eigene Land so schlecht zu reden, wie Sie es
    gegenwärtig tun, nur um Machtauseinandersetzung zu
    betreiben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Lesen Sie doch die Zahlen!)


    Auch insoweit halte ich es mit dem Sachverständi-
    genrat, der zur Situation unter Textziffer 484 gesagt hat
    – ich zitiere –:

    Gegenwärtig besteht in Deutschland eine gewisse
    Tendenz zur Schwarzmalerei. Selbst das Positive,
    wie beispielsweise die verbesserte preisliche Wett-
    bewerbsfähigkeit und die Ausfuhrerfolge, werden
    unter dem Menetekel vermeintlich drastischer und
    negativer Folgen für die heimischen Arbeitsplätze
    in düsteren Farben gemalt. Hierzu besteht alles in
    allem kein Grund. Wer alles nur noch schwarz
    sieht, verliert auch den Blick dafür, welche Wege zu
    beschreiten notwendig und lohnenswert sind.


    (Beifall bei der SPD)

    Natürlich gibt es Licht- und Schattenseiten. Wir soll-

    ten aber auch über das reden, was gut gewesen ist und
    weiterhin gut ist. Wiederum zitiere ich den Sachverstän-
    digenrat:

    Mit einem Anteil von rund 10 v. H. wurde im
    Jahr 2003 fast wieder das Niveau erreicht, das zu
    Beginn der neunziger Jahre vorgelegen hatte.

    Es geht um den Export. Dies zeigt aber auch, was wir
    im Laufe der 90er-Jahre verloren haben. Wir haben das
    wieder aufgeholt. Das drückt aus, dass wir es in der
    Phase der Stagnation geschafft haben, Marktanteile in
    der Welt zu gewinnen und nicht zu verlieren. Dieser Pro-
    zess geht weiter. Die Exporterfolge dieses Jahres und die
    für das nächste Jahr erwarteten Erfolge werden wieder
    dazu führen, dass wir im Export Rekordernten einfahren
    können.


    (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wer hat etwas davon?!)


    Das erwähne ich nicht, um in Anspruch zu nehmen,
    dass das allein auf die Politik der Bundesregierung zu-
    rückzuführen ist. Niemand wird das sagen können. Es
    muss aber erwähnt werden, weil dahinter eine Kraft der
    Volkswirtschaft steht und nicht eine Schwäche, wie Sie
    sie an die Wand malen. Was denn anderes als Kraft?


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Im ersten Halbjahr 2004 ist der Export, bezogen auf das
    Rekordjahr 2003, noch einmal um 10 Prozent gestiegen.

    Das zeigt doch, dass wir, jedenfalls was unsere außen-
    wirtschaftlichen Möglichkeiten angeht, auf dem richti-
    gen Weg sind. Das muss und soll doch denjenigen Mut
    machen, die diese Leistungen in Deutschland erbracht
    haben. Für diese Leistungen sind doch nicht wir, sondern
    die Menschen draußen verantwortlich. Denen kann und
    muss man auch einmal sagen, dass wir auf diese Leis-
    tungskraft stolz sind.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Niemand wird angesichts dessen die Tatsache leugnen
    wollen, dass wir bei der Binnenkonjunktur leider noch
    nicht so weit sind, wie wir sein wollten und sein müss-
    ten. Das hat aber doch nichts damit zu tun, dass man das
    andere kleinschreibt. Bei der Binnenkonjunktur können
    Sie das an den steigenden Ausrüstungsinvestitionen se-
    hen. Darüber hinaus können Sie das an der Tatsache er-
    kennen, dass der private Konsum nicht mehr sinkt. Ich
    weiß zwar, dass er noch stagniert; das reicht mir auch
    noch nicht. Aber es ist die Basis für eine Verbesserung.






    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundeskanzler Gerhard Schröder

    Wenn Sie sich die Oktoberzahlen der Automobilin-

    dustrie anschauen und sich über die Orders, die dort ein-
    gehen, informieren, werden Sie feststellen können, dass
    wir den Trend nach oben stützen sollten, statt ständig das
    Gegenteil zu tun. Das geht doch nicht. Ein solches Vor-
    gehen ist auch nicht patriotisch.


    (Beifall bei der SPD)

    Vor diesem Hintergrund müssen und sollen wir auch

    über die Schattenseiten reden. Wir müssen uns dabei
    aber bemühen, sie zu überwinden. Natürlich ist die Ar-
    beitslosigkeit zu hoch und natürlich gibt es noch zu we-
    nig Ausbildungsplätze. Natürlich gibt es Strukturpro-
    bleme in den Unternehmen, die Sie genannt haben.
    Natürlich beunruhigt uns das, was bei Opel an Arbeits-
    platzsicherung von den Beschäftigten erkämpft werden
    muss, und natürlich beschäftigt uns alle in Deutschland
    die Karstadt-Frage. Aber natürlich weiß auch jeder
    – niemand wird diskreditiert, wenn man das ausspricht –,
    dass es hier massives Missmanagement gegeben hat.
    Politik kann eben nicht alles richten, sondern kann nur
    und muss vernünftige Rahmenbedingungen setzen.

    Wir haben auf die Herausforderungen, die ich ge-
    nannt habe, sehr wohl reagiert. Wir sind doch die Ersten
    gewesen, die mit der Agenda 2010 ein umfassendes
    Strukturprogramm vorgelegt haben, das die notwendigen
    Reformen eingeleitet hat, um die Schattenseiten in unse-
    rem Land, die es natürlich auch gibt – ich sage aber noch
    einmal: Es gibt sie nicht ausschließlich –, Schritt für
    Schritt zu überwinden.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es war richtig, dass der Finanzminister gestern darauf
    hingewiesen hat, dass es diese Regierung, diese Koali-
    tion gewesen ist, die mit ihrer Steuerpolitik dafür gesorgt
    hat, dass – jedenfalls potenziell – mehr Konsummöglich-
    keiten vorhanden sind. Es werden 56 Milliarden Euro
    mehr für die Unternehmer und die Konsumenten zur
    Verfügung stehen, wenn die letzte Stufe der Steuer-
    reform zu Beginn des nächsten Jahres in Kraft tritt. Das
    ist doch kein Pappenstiel, meine Damen und Herren, das
    ist eine Chance, die Wirtschaft nach vorn zu bringen.
    Diese Tatsache muss man einfach zur Kenntnis nehmen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Über die ökonomisch vernünftige, aber auch sozial
    gerechte Ausgewogenheit dieses Steuerprogramms muss
    sich doch niemand, aber auch wirklich niemand Gedan-
    ken machen. Diese Koalition ist es gewesen, die den
    Eingangssteuersatz von 25,9 Prozent zu Ihrer Zeit auf
    15 Prozent – ab 1. Januar 2005 – gesenkt hat.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir sind es gewesen – ich weiß, dass wir dafür von den
    Gewerkschaften und gelegentlich auch aus den eigenen
    Reihen stark kritisiert wurden –, die den Spitzensteuer-
    satz von 53 Prozent auf 42 Prozent – ab 1. Januar 2005 –
    gesenkt haben. Unsere Steuerquote gehört zu den nied-
    rigsten in Europa. Ich halte das für richtig. Aber wenn es
    richtig ist, dann muss man auch darüber reden und darf
    nicht das Gegenteil davon fordern.

    Wir haben dafür gesorgt, dass die Rentenbeiträge,
    die in Gefahr waren, auf über 21 Prozent zu steigen, bei
    19,5 Prozent festgeschrieben werden konnten. Natürlich
    hat das schmerzhafte Einschnitte erfordert; das ist doch
    gar keine Frage. Natürlich hat das auch dazu geführt,
    dass Belastungen unvermeidlich gewesen sind. Diese
    Belastungen haben es uns im abgelaufenen Jahr politisch
    nicht einfach gemacht. Wir haben das aber durchgesetzt,
    weil es für die Zukunft Deutschlands notwendig ist und
    weil es patriotisch ist, das Land voranzubringen und es
    auf die neuen Gegebenheiten einzustellen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir sind es doch gewesen – Walter Riester, mit des-
    sen Namen diese Reform verbunden ist, sitzt ja dort –


    (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    – ja, meine Damen und Herren, auch nach jahrzehntelan-
    gem Gezerre war niemand dazu in der Lage –, die neben
    der Umlagefinanzierung – die zwar wichtig bleibt, die
    die Finanzierung aber angesichts unterschiedlicher und
    differenzierter Erwerbsbiografien in Schwierigkeiten
    bringt – das System der Kapitaldeckung aufgebaut ha-
    ben. Mehr als 4 Millionen Privatpersonen haben bisher
    davon Gebrauch gemacht. Mehr als 50 Prozent der aktiv
    Beschäftigten bekommen Betriebsrenten. Das sind Er-
    folge, die man nicht kleinreden darf; man muss sie deut-
    lich machen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir sind es doch gewesen, die die beklagenswerte
    Tatsache, dass die Menschen in der Vergangenheit zu
    früh in Rente geschickt worden sind – woran wir alle be-
    teiligt waren –, geändert haben. Wir haben deutlich ge-
    macht, dass wir das wollen – weil wir die Älteren unter
    uns aus materiellen Gründen, um der Menschen selbst
    willen länger in Beschäftigung halten müssen, als es je-
    mals zuvor der Fall gewesen ist.

    Es macht wenig Sinn, über die Altersgrenze bei der
    Rente unter nominalen Gesichtspunkten zu reden. Nomi-
    nal liegt sie bei 65 Jahren; das wissen wir alle. Real liegt
    diese Grenze aber bei 60 Jahren. Wenn wir es schaffen,
    die reale der nominalen Grenze um ein paar Jahre anzu-
    nähern, dann haben wir, was die Nachhaltigkeit des Ren-
    tensystems angeht, Erhebliches geleistet. Damit sollten
    wir uns in unseren Debatten beschäftigen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Nun zur Gesundheitspolitik. Ich finde, dass die
    Maßnahmen, die wir gemeinsam auf den Weg gebracht
    haben, wirklich ein Erfolg sind. Wir werden, was die As-
    pekte Transparenz und Markt angeht, zum Beispiel bei
    den Apotheken aktiv werden. Dazu wird die FDP sicher-
    lich noch etwas sagen.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wir machen das überall auf Gegenseitigkeit!)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundeskanzler Gerhard Schröder

    Wir wären gerne etwas weiter gegangen, was die Markt-
    orientierung der Leistungserbringer angeht,


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Machen Sie das auch bei der GKV!)


    die – das glauben jedenfalls Sie – im Wesentlichen Ihre
    Klientel ist


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wir machen das auch auf Ihrer Seite!)


    und die Sie deshalb immer vor dem Markt zu schützen
    bereit sind; das ist ja das Problem, das wir haben.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das machen wir auch bei der Bürgerversicherung!)


    Dieses Thema haben wir angepackt und unsere Maß-
    nahmen wirken. Im ersten Halbjahr 2003 hatten die Kas-
    sen ein Defizit von 2 Milliarden Euro. Im ersten
    Halbjahr 2004 war von einem Überschuss in Höhe von
    fast 2,5 Milliarden Euro die Rede. Dieser Turnaround
    hat also eine Größenordnung von 4,5 Milliarden Euro.
    Das würde sich manches Unternehmen wünschen. Ich
    finde, dass die Gesundheitspolitik von Frau Schmidt er-
    folgreich ist. Sie ist standhaft geblieben und hat sie ge-
    genüber den Interessengruppen durchgesetzt. Ich jeden-
    falls bin ihr dafür sehr dankbar. Das will ich Ihnen ganz
    deutlich sagen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir haben den Men-
    schen sagen müssen, dass wir eine neue Balance zwi-
    schen der solidarischen Absicherung bei Krankengeld
    und Zahnersatz und der Eigenvorsorge brauchen. Wir
    werden auch das durchsetzen. Ich bin mir ziemlich si-
    cher, dass das wieder zu Unmut führen wird – darauf
    werde ich auch bei einem anderen Thema noch zu spre-
    chen kommen –, aber vor diesem Unmut darf man nicht
    weglaufen. Man muss geduldig erklären, warum diese
    Maßnahmen im Interesse der Zukunftsfähigkeit unseres
    Landes sind und warum wir das, was wir machen, ma-
    chen müssen. Wir müssen das tun, auch wenn es für die-
    jenigen, die betroffen sind, manchmal bitter ist.

    Auch in der Arbeitsmarktpolitik gab es jahrelang Dis-
    kussionen. Aber diese Koalition ist es doch gewesen, die
    mit Hartz IV und den anderen Arbeitsmarktreformen
    für mehr Flexibilität gesorgt hat, was sie auch weiterhin
    tun wird. Diese Regierung sagt: Diejenigen, die heute
    Sozialhilfe bekommen, aber arbeitsfähig sind, erhalten
    das Arbeitslosengeld II – nicht nur, weil sie dadurch ver-
    sorgt sind, sondern auch, weil sie nur dann die Leistun-
    gen der Bundesagentur für Arbeit in Anspruch nehmen
    und in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden kön-
    nen. Das ist der Zusammenhang. Wir wollen niemanden
    in ein anderes Versorgungssystem verschieben, sondern
    wir wollen durch diese Reform dafür sorgen, dass dieje-
    nigen, die arbeitsfähig sind, Arbeit bekommen

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    und die Arbeit, die zumutbar ist, auch annehmen müs-
    sen. Darum geht es uns.

    Eines ist klar: Wir werden noch harte Diskussionen
    über diese Reform, die Millionen von Menschen betrifft,
    durchzustehen haben. Das sage ich insbesondere denje-
    nigen, die sich nicht in die Büsche schlagen können:
    meiner eigenen Fraktion und der Koalition. Natürlich
    wird das nicht einfach werden, es steht noch bevor, aber
    ich bin ziemlich sicher, dass wir das leisten können –
    weil wir es leisten müssen. Die Einsicht, dass Reformen
    notwendig sind, wächst. Die Kluft, die bei Reformmaß-
    nahmen in doppelter Hinsicht besteht, beginnt sich zu
    schließen: die Kluft zwischen der abstrakten Bereit-
    schaft, Veränderungen mit zu tragen, und der abnehmen-
    den Bereitschaft, wenn es konkret wird, wenn man sel-
    ber betroffen ist; die Kluft auch zwischen den manchmal
    schmerzhaften Entscheidungen, die jetzt sein müssen,
    und den Erfolgen, die erst später eintreten werden. Diese
    Kluft schließt sich. Das ist der Grund dafür, dass die
    Menschen in Deutschland beginnen, den Reformprozess
    auch dort, wo er konkret wird und wo sie selber betrof-
    fen sind, nachhaltig zu unterstützen. Das ist eine Per-
    spektive, die Mut macht, auf diesem notwendigen Weg
    weiter voranzugehen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich kann mir natürlich nicht verkneifen, insoweit auch
    einmal darauf einzugehen, was von der anderen Seite
    des Hauses zu erwarten ist, und zwar in punkto Steuern
    und in punkto Gesundheit.


    (Jörg Tauss [SPD]: Der Bierdeckel ist tot!)

    Wir haben ja eine Idee geschildert bekommen, die die
    Menschen in weiten Bereichen durchaus fasziniert hat,
    eine Idee, die mit dem Namen von Herrn Merz verbun-
    den ist: die Steuererklärung gleichsam auf einem Bier-
    deckel aufschreiben zu können. Ich finde, die Frage der
    Vereinfachung hat natürlich etwas Faszinierendes in ei-
    nem komplexen System, das für viele schwer durch-
    schaubar ist und häufig nur noch von Experten wirklich
    in vollem Umfang durchschaut wird. Diese Idee ist na-
    türlich faszinierend. Aber was ist aus der Idee – ich
    unterstelle ihm durchaus, dass er das ernsthaft verfolgt
    hat – geworden?


    (Zuruf von der CDU/CSU: Immer noch! – Gegenruf des Abg. Jörg Tauss [SPD]: Er hat sich bemüht!)


    – Ist ja gut, das zu hören.
    Ich will doch einmal feststellen, dass in dem Gezerre

    um das andere Thema das, was Sie sich vorgestellt ha-
    ben, Herr Merz, zerredet und wegverhandelt worden ist.
    Anders ausgedrückt: Man hat Ihnen die Bierdeckel, die
    Sie gebraucht hätten, schlicht weggenommen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundeskanzler Gerhard Schröder

    Das ist das Problem, unabhängig von der Frage, ob das
    wirklich geht. An die Stelle des Konzeptes „Bierdeckel“
    ist der Abgang von Herrn Merz getreten.

    Es geht bei der Union noch weiter: Da haben Sie eine
    gewaltige Gesundheitsreform groß angekündigt. Was
    ist daraus geworden?


    (Zuruf von der SPD: Gar nichts!)

    Sie haben wirklich ein bürokratisches Monstrum zu-
    stande gebracht, wie man es schlechter kaum machen
    kann!


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Angela Merkel [CDU/ CSU]: Mein Gott! – Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Man muss es auch lesen!)


    Ich will Ihnen gar keine darüber hinausgehende eigene
    Bewertung zumuten, sondern nur sagen, was der Sach-
    verständigenrat zu Ihrem Modell gesagt hat; darin sitzt ja
    einer der Erfinder der von Ihnen vertretenen Grundidee
    – die ich im Übrigen für falsch halte –:

    Insgesamt werden die Nachteile des gegenwärtigen
    Systems kaum beseitigt und die Vorteile eines Pau-
    schalbeitragssystems kommen kaum zur Geltung.
    Das System wird äußerst kompliziert und noch un-
    durchsichtiger als das gegenwärtige. Kurzum: Die-
    ses Modell ist ein Kompromiss, von dessen Umset-
    zung abzuraten ist.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

    Wenn man vor diesem Hintergrund die Regierungsfä-
    higkeit der Opposition prüft, dann kann man nur sagen:
    Sie haben in beiden Bereichen bewiesen, dass Sie kon-
    zeptionell zu nichts in der Lage sind. Sie haben aber
    nachhaltig bewiesen, dass Sie in der Lage sind, Ihre bes-
    ten Leute gehen zu lassen. Das ist das eigentliche Pro-
    blem, das die Opposition hat.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Was die Innenpolitik angeht, noch ein paar Bemer-
    kungen zur aktuellen Diskussion um die Integration.
    Ich warne vor einem: davor, die Debatte über die Frage
    – ich komme darauf noch zurück –, ob man Beitrittsver-
    handlungen mit der Türkei – denn nur um die geht es
    ja – aufnehmen soll,


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Mit welchem Ziel?)


    mit der Integrationsdebatte im Inneren unseres Landes
    zu verquicken.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich warne davor, weil das in keinem Fall im deutschen
    Interesse sein kann: nicht was die Friedlichkeit im Inne-
    ren unserer Gesellschaft angeht und schon gar nicht, was
    die deutschen außerpolitischen Interessen angeht. Also
    lassen Sie uns das trennen.
    Vor diesem Hintergrund noch ein paar Bemerkungen,
    die das unterstützen, was der Parteivorsitzende der SPD
    neulich den Mitgliedern meiner Partei geschrieben hat:
    Worum geht es dabei? Es geht dabei zunächst einmal da-
    rum, deutlich zu machen, dass wir, von Ausnahmen ab-
    gesehen, die wir alle kennen, bei der Integration jener
    fast 3 Millionen Türken, die bei uns leben, im Grunde
    mehr Glück als Pech gehabt haben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Es geht auch darum, einmal festzustellen, dass sich die
    große Masse unserer ausländischen Mitbürgerinnen und
    Mitbürger – welcher Nationalität auch immer – zwar
    nicht in jeder Frage so verhält, wie wir uns das vielleicht
    im Einzelnen wünschen – das ist aber nicht das Pro-
    blem –, dass sie sich aber gesetzestreu verhält und sich
    an die Leitlinien unserer Verfassung hält. Das ist das,
    was wir verlangen müssen und verlangen sollten, aber
    auch nur verlangen dürfen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Jenseits dessen geht es um Respekt davor, wie wir
    hier leben – das ist gar keine Frage –, aber auch um Res-
    pekt vor dem, was andere Kulturen zu einem Leben in
    einer Gesellschaft wie der unseren beizutragen haben.
    Ich denke, wir sollten unsere Integrationsbemühungen
    immer auch mit dem Hinweis darauf verbinden, dass
    wir, von ärgerlichen Erscheinungen abgesehen – ich
    sage es noch einmal –, bezogen auf die bisherigen Inte-
    grationsleistungen im Großen und Ganzen zwar noch
    nicht zufrieden, aber doch froh darüber sein können,
    dass es in Deutschland nicht zu Eruptionen wie in be-
    stimmten Vorstädten in manchen anderen großen Gesell-
    schaften gekommen ist. Ich bin fest davon überzeugt,
    dass wir das beibehalten müssen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Jenseits dessen sollten wir klar machen – das kann
    man durchaus auch einmal selbstkritisch sagen –, dass es
    wahrscheinlich ein Fehler gewesen ist, nicht sehr viel
    früher darauf hinzuweisen


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ah, ja!)

    – Sie haben das ja auch nicht getan –,


    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh doch!)

    dass die wichtigste Voraussetzung für die Integration in
    eine Gesellschaft, in die man hineingeht, die Sprache
    ist.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Wir haben das immer gesagt! Das ist unglaublich! – Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich!)


    Deswegen ist es unerhört wichtig, einzusehen, dass die
    Sprache gelernt werden muss. Das sollten wir als Gesell-
    schaft auch abverlangen.






    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundeskanzler Gerhard Schröder

    Interessant ist nun, dass wir das mit dem von der

    Union lange bekämpften Zuwanderungsrecht zum ers-
    ten Mal tun.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich glaube, wir müssen dieses modernste aller Zuwande-
    rungsrechte, die es in Europa und weit darüber hinaus
    gibt, jetzt offensiv nutzen. Das gilt für die Regelungen
    zur Sprache in ganz besonderer Weise.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Ja, hoffentlich!)

    Es geht bei dieser Frage immer um eine vernünftige Ba-
    lance zwischen dem, was wir von anderen Kulturen ler-
    nen können, und dem, was wir vor dem Hintergrund der
    Werte unserer Verfassung abverlangen können und müs-
    sen. Für jede Art innen- oder außenpolitischen Kreuzzug
    eignet sich dieses Thema zuallerletzt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Sie haben nun angekündigt, Sie wollten eine Werte-
    debatte führen. Gerne! Ich habe mir einmal die Erörte-
    rungen auf dem CSU-Parteitag in Bayern angeschaut.
    Das war wahrlich keine reine Freude. Ich gebe aber zu,
    dass das auf allen Parteitagen so ist.


    (Franz Müntefering [SPD]: Na! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wo er Recht hat, hat er Recht!)


    Dort ist ein ganz interessanter Versuch gemacht worden,
    über den wir, da bin ich mir ziemlich sicher, auch in Be-
    zug auf die Entscheidungen für 2006 sehr intensiv mit-
    einander diskutieren werden. Es wurde versucht, eine
    neue Dimension in der Wertediskussion zu erreichen.
    Wenn man sich die Reden angehört hat, in denen Konse-
    quenzen formuliert wurden, die angeblich oder tatsäch-
    lich aus bestimmten Menschenbildern folgen, und diese
    mit den Beschlüssen des Parteitages, bei denen es um die
    harte Wirklichkeit ging, vergleicht, dann stellt man fest,
    dass – das sage ich Ihnen voraus –, diese Wertedebatte
    sehr interessant wird. Sie reden abstrakt über Solidarität
    und über die Würde des Menschen – damit meinen Sie
    ja wohl auch die arbeitenden Menschen –, wenn es dann
    aber konkret wird, reden Sie über die Abschaffung des
    Kündigungsschutzes und über die Abschaffung der
    Mitbestimmung. Diese Art einer verqueren und unehr-
    lichen Wertedebatte werden wir Ihnen nicht durchgehen
    lassen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich sage Ihnen: Zu dieser Diskussion werden wir die bei
    Ihnen auftauchenden Differenzen zwischen den Werten
    im Himmel einerseits und der brutalen Wirklichkeit auf
    der Erde andererseits genau abklopfen. Das wird eine
    sehr interessante Debatte werden, damit wir uns da völ-
    lig richtig verstehen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen zur an-
    deren Seite dessen machen, was wir als Reformpolitik
    für dieses Land vorschlagen und zu großen Teilen durch-
    gesetzt haben. Es geht nicht nur darum, die sozialen
    Sicherungssysteme, die wir Gott sei Dank in Deutsch-
    land und in Europa haben, hier und in Europa zu erhalten
    und zukunftsfest zu machen. Nein, es geht zugleich da-
    rum, Ressourcen für wichtigste Zukunftsaufgaben frei-
    zusetzen, die wir, so glaube ich, miteinander teilen. Es
    geht um Forschung und Entwicklung. Wir haben die
    Ausgaben in diesem Bereich seit 1998 um mehr als ein
    Drittel steigern können. Das ist nicht wenig, aber das ist
    auch nicht genug; das gebe ich zu. Zurzeit liegen die
    Ausgaben bei 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
    Das ist mehr, als die anderen großen europäischen Län-
    der bereitstellen, aber weniger als in den skandina-
    vischen Ländern. Wir müssen in dieser Dekade auf
    3 Prozent des Bruttoinlandproduktes kommen und das
    wollen wir auch.

    Es gibt einen Weg, wie wir das schaffen können. Des-
    wegen mein Appell: Blockieren Sie diesen Weg nicht
    länger! Wir müssen die rückwärtsgewandte Eigenheim-
    zulage abschaffen, damit wir diese Mittel in Forschung,
    Entwicklung und Bildung investieren können. Bis 2010
    sind das 15 Milliarden Euro. Wie denn sonst, wenn nicht
    auf diese Weise, sollen wir das schaffen?


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir müssen in Betreuung von Kindern investieren,
    und zwar nicht nur um Gerechtigkeit zwischen den Ge-
    schlechtern zu realisieren, auch wenn das allemal ein
    wichtiges Ziel ist. Vielmehr müssen wir auch dafür sor-
    gen, dass die Kreativität und die Leistungsbereitschaft
    von Frauen ökonomisch genutzt werden können. Ich
    sage es noch einmal: Wer glaubt, Fehler in diesem Be-
    reich allein durch Zuwanderung ausgleichen zu können
    und so für die in der Wirtschaft fehlenden Arbeitskräfte
    zu sorgen, irrt, weil das die Integrationsfähigkeit unserer
    Gesellschaft bei weitem übersteigen würde. Das brau-
    chen wir auch, aber nicht nur.

    Deswegen halte ich es für außerordentlich wichtig,
    dass das, was wir gegenwärtig vorbereiten, von den
    Kommunen umgesetzt wird,


    (Beifall bei den Abgeordneten der SPD)

    nämlich dass die 1,5 Milliarden Euro von den 2,5 Mil-
    liarden Euro, die wir den Kommunen im Zuge der Hartz-
    IV-Reformen zur Verfügung stellen, wirklich für die Be-
    treuung der unter Dreijährigen eingesetzt werden. Das
    ist wichtig.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Polemik gegen den Bund, der in dieser Legislaturperiode
    für die Betreuung in den Schulen 4 Milliarden Euro
    lockermacht, aber dafür angeblich nicht zuständig ist,
    nutzt doch überhaupt nichts. Stattdessen sollte das Geld
    sinnvoll investiert werden. Darum geht es, und das wäre
    besser, als hier Polemik zu betreiben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundeskanzler Gerhard Schröder

    Ich finde, die Debatten über die Frage, welchen Wert

    Ausbildung für die jungen Menschen hat, haben genutzt.
    Der Ausbildungspakt, den wir geschlossen haben, be-
    ginnt zu greifen, auch wenn er noch nicht idealtypisch
    ist; das ist gar keine Frage. Aber die Zahl der in den Be-
    trieben angebotenen Ausbildungsplätze steigt. Das ist
    ein großer Erfolg, den wir miteinander erzielt haben, wo-
    mit ich unsere Seite dieses Hauses zusammen mit der
    Wirtschaft meine.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wenn wir klar machen, dass all das, was wir den
    Menschen in Deutschland an schmerzlichen Entschei-
    dungen und Zumutungen auferlegen müssen, damit ver-
    bunden ist, dass wir Zukunftsfähigkeit durch Investi-
    tionen in den Bereichen Forschung und Entwicklung,
    Bildung und Betreuung schaffen müssen und wollen,
    dann werden sich – da bin ich sicher – die Bewusstseins-
    lagen für die Notwendigkeit von Reformprozessen in
    immer noch reichen Gesellschaften weiter positiv verän-
    dern. Davon bin ich überzeugt.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Zu dieser Generaldebatte möchte ich auch ein paar
    Bemerkungen zur internationalen Politik machen. Es
    ist wahrlich kein leichtes internationales Umfeld, in dem
    wir unsere Position zu finden und zu behaupten haben.
    Ich stimme all denjenigen zu, die sagen – deswegen hat
    es von uns darüber kein einziges Wort gegeben –, es sei
    Sache des amerikanischen Volkes, seinen Präsidenten zu
    wählen. Ich habe immer hinzugefügt: Wir werden mit je-
    dem, der dort gewählt wird, gut zusammenarbeiten. Das
    gilt ausdrücklich auch für den wiedergewählten amerika-
    nischen Präsidenten. Die Diskussionen auf allen Ebenen
    über diese Zusammenarbeit laufen besser, als Sie sich
    das vorstellen können. Das werden Sie auch erleben.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Es geht dabei um einige Entwicklungen in der inter-

    nationalen Politik, die noch in diesem, erst recht aber im
    kommenden Jahr auf uns zukommen werden. Die wer-
    den nicht unerheblich sein. Wir sind im Irak noch nicht
    so weit, dass man auch nur in Ansätzen von einer friedli-
    chen Entwicklung reden könnte. Trotzdem hoffen wir
    auf die Wahlen und wir unterstützen alles – der Außen-
    minister hat das gerade auf der Konferenz in Scharm al-
    Scheich getan –, damit die Wahlen im Januar des nächs-
    ten Jahres stattfinden können. Das wäre doch wichtig.

    Wir sind daran interessiert – unabhängig von der
    Frage, wie wir zum Krieg standen, und unabhängig von
    der Frage, wie wir zum Einsatz deutscher Soldaten ste-
    hen –, dass es eine vernünftige, friedliche Entwicklung
    im Irak gibt. Wir tun auch etwas dafür, aber eben nicht
    mit Soldaten. Ich habe festzustellen – ich habe das in der
    letzten außenpolitischen Rede von Herrn Schäuble schon
    gemerkt; jetzt ist es auch wieder bei Herrn Glos deutlich
    geworden –, dass wir uns unterscheiden: Sie wollen,
    dass deutsche Soldaten in den Irak kommen, zwar nur in
    Stäben, aber in den Irak, und wir wollen das nicht. Da-
    rüber werden wir eine faire Auseinandersetzung führen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich scheue sie nicht. Ich weiß, warum wir Nein gesagt
    haben und warum wir das in aller Fairness und Offenheit
    unseren Partnern vermittelt haben.

    Ich habe in diesen Fragen immer wieder darauf hinge-
    wiesen – dabei bleibe ich auch –, dass niemand
    Deutschlands Beitrag zur friedlichen Entwicklung in
    der Welt gering schätzen sollte.

    Wir sind diejenigen, ohne die die Wahlen in Afgha-
    nistan nicht so hätten ablaufen können, wie sie abgelau-
    fen sind.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich sage das sehr selbstbewusst, ohne jeden Anflug von
    Überheblichkeit. Ohne uns, ohne unsere Bundeswehr
    wäre das nicht so gelaufen. Das weiß man in Amerika
    und anderswo. Ohne uns, ohne unsere 4 000 Soldaten
    auf dem Balkan, hätten wir dort Konflikte ganz anderer
    Art. Deshalb bin ich stolz auf diejenigen, die das dort
    leisten, auf die Soldaten der Bundeswehr.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Im Übrigen hoffe ich, dass anerkannt wird – von un-
    seren Partnern wird das auch anerkannt –, was wir tun.
    Wir waren die Ersten, die in den Emiraten angefangen
    haben, und zwar erfolgreich, irakische Polizei und iraki-
    sches Militär auszubilden. Wenn Sie nicht nur die Be-
    richte der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, son-
    dern auch die der anderen lesen, werden Sie merken,
    dass diese Zusammenarbeit mit den Vereinigten Ara-
    bischen Emiraten für einen friedlichen, einen sicheren
    Irak von höchster Qualität ist und in der internationalen
    Staatengemeinschaft in höchstem Maß anerkannt wird.
    Darauf können wir mit Fug und Recht stolz sein. Darauf
    können wir verweisen und wir sollten es tun.

    Wir sind es doch gewesen, die dem Drängen nachge-
    geben und gesagt haben: Müssen wir nicht einem poten-
    ziell wohlhabenden Land wie dem Irak, das seinen Öl-
    reichtum aber auf absehbare Zeit nur schwer wird nutzen
    können, dadurch helfen, dass wir Schulden stunden
    bzw. erlassen, schlicht deshalb, damit das Geld, das er-
    lassen ist, nicht für Zahlungen an Gläubiger verbraucht
    werden muss, sondern für den Wiederaufbau des Landes
    verwendet werden kann?


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Im Grunde gibt es doch nur zwei Möglichkeiten: Entwe-
    der man macht es auf diese Weise oder die internationale
    Staatengemeinschaft zahlt auf Geberkonferenzen Bei-
    träge, die sie zusagt. Wir haben das zusammen mit unse-
    ren Partnern in der Welt, mit den Amerikanern, mit den
    Franzosen, mit den Briten, mit den Russen im Pariser
    Club getan. Ich glaube, das ist ein Beitrag, den wir deut-
    lich machen sollten, ein Beitrag, der dem Wiederaufbau
    eines friedlichen Irak dient und der von Deutschland
    im Rahmen seiner Möglichkeiten geleistet worden ist.






    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundeskanzler Gerhard Schröder

    Ich hoffe und erwarte auch, dass wir jetzt in eine

    Phase kommen, in der im Nahen Osten jener Konflikt,
    der sehr häufig nicht Ursache für internationalen Terro-
    rismus ist, diesem aber viel Zulauf ermöglicht, gelöst
    werden kann. Ich meine den Konflikt zwischen Paläs-
    tina und Israel.

    Ich denke, wir alle sind uns darin einig, dass es jetzt
    auf der palästinensischen Seite Hoffnung gibt. Ich hoffe,
    dass dies auch auf der israelischen Seite der Fall ist;
    auch dafür gibt es Signale. Vor allen Dingen gibt es
    Signale vom amerikanischen Präsidenten, dass man sich
    dieses Themas intensiv annehmen will. Ohne die Ameri-
    kaner wird es nicht gehen. Das Quartett ist wichtig. Das
    gilt auch für die anderen in diesem Quartett: die Euro-
    päer, die Russen und die Vereinten Nationen; aber ohne
    einen entschiedenen Beitrag der Vereinigten Staaten von
    Amerika wird der israelisch-palästinensische Konflikt
    nicht zu lösen sein.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Deswegen können wir alle nur hoffen, dass es gelingt,

    die neue amerikanische Administration, die die alte ist,
    dazu zu bewegen, diesen Konflikt als ein zentrales Auf-
    gabenfeld anzunehmen. Denn nur sie kann es leisten; an-
    dere können es nicht alleine schaffen. In dem Maße, wie
    dies geschieht, werden wir es nach meiner Überzeugung
    schaffen, den Zulauf verarmter und auch fehlgeleiteter
    Massen zu Terroristen zu unterbinden. Der Konflikt, der
    bisher nicht gelöst werden konnte, bietet Terroristen im-
    mer wieder Möglichkeiten, ihn zu nutzen. Deswegen ist
    die Lösung dieses Konflikts so außerordentlich wichtig.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich bin außerordentlich dankbar und halte es für eine
    sehr große Leistung nicht zuletzt unseres eigenen Au-
    ßenministers, dass es im Verein mit den Franzosen und
    den Briten gelungen ist – jedenfalls sieht es so aus –, den
    Konflikt über den Iran, der sich abzeichnete, zu deeska-
    lieren und dafür zu sorgen, dass die Iraner aus freien Stü-
    cken den Brennstoffkreislauf nicht schließen. Die Euro-
    päer haben auch mit Angeboten einer entwickelten
    Zusammenarbeit dafür gesorgt, dass in dieser so gebeu-
    telten Region kein neuer Krisenherd entsteht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Lassen Sie mich – damit das nicht falsch aufgefasst
    wird – etwas dazu anmerken, was ich an unserem Ver-
    hältnis zu Russland für wichtig halte. Ich habe die Äu-
    ßerungen von Herrn Schäuble in Moskau zu diesem
    Thema zur Kenntnis genommen. Ich habe auch zur
    Kenntnis genommen, dass in diesem Hause bis auf Ein-
    zelheiten, die Sie kritisiert haben – ich habe das verfol-
    gen können –, möglicherweise Übereinstimmung da-
    rüber besteht, dass wir gut daran tun, geduldig eine
    strategische Partnerschaft zwischen der EU – das
    bedeutet allemal, wenn nicht sogar zuallererst Deutsch-
    land – und der Russischen Föderation aufzubauen. Ich
    glaube, es muss nicht nur aus ökonomischen Gründen
    und längst nicht nur aus energiepolitischen Gründen
    nicht zuletzt in dem Jahr, in dem der 60. Jahrestag des
    Endes des Zweiten Weltkriegs begangen wird, deutlich
    gemacht werden, dass es notwendig ist und in unserem
    ureigensten Interesse liegt, eine solche Partnerschaft
    zwischen der Russischen Föderation und Europa bzw.
    zwischen Russland und Deutschland zuwege zu bringen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es ist viel von den tatsächlichen oder vermeintlichen
    freundschaftlichen Beziehungen die Rede. Es sind tat-
    sächlich freundschaftliche Beziehungen. Ich bin erstens
    fest davon überzeugt, dass der russische Präsident Russ-
    land zu einer Demokratie entwickeln will und dass er
    das aus innerer Überzeugung tut.


    (Unruhe bei der CDU/CSU)

    – Das können Sie zwar anzweifeln, aber es ist meine
    Überzeugung.


    (Manfred Grund [CDU/CSU]: Lupenreine Demokratie!)


    – Mit dem Begriff „lupenrein“ ist das so eine Sache. Wer
    ist das schon außer Ihnen? Da wäre ich etwas zurückhal-
    tend.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Dr. Angela Merkel [CDU/CSU]: Sie haben es doch gesagt!)


    Er ist nach meiner Auffassung fest davon überzeugt,
    dass dies die Perspektive für sein Land ist, für ein gewiss
    nicht einfach zu regierendes Land, das im Übrigen
    – wenn Sie sich die Landkarte vor Augen führen – in den
    letzten Jahren bzw. im letzten Jahrzehnt nicht unerhebli-
    che Anstrengungen unternommen hat, etwas für die
    Partnerschaft mit dem Westen zu tun. Ich denke dabei an
    die Partnerschaften, die wir in der NATO mit Russland
    eingegangen sind und die auch – weil sie richtig waren –
    akzeptiert worden sind.

    Zweitens bin ich fest davon überzeugt, dass er und ich
    das gemeinsame Ziel haben, das, was im letzten Jahr-
    hundert geschehen ist, den Blutzoll, der wegen einer ver-
    kehrten Politik und wegen der Aggression, die von
    Deutschland ausgegangen ist, von beiden Völkern gefor-
    dert wurde, ein für allemal zu beenden und es zu schaf-
    fen, durch eine so strategisch gemeinte Beziehung dau-
    erhaft den Frieden zwischen Deutschland und Russland
    zu sichern. Das ist meine Vision, von der ich nicht abge-
    hen und die ich weiter strikt verfolgen werde.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das heißt doch nicht – das sei nicht nur deshalb ge-
    sagt, weil Michael Glos es erwartet –, dass man nicht in
    aller Deutlichkeit kritisieren könnte und müsste, was in
    der Ukraine passiert ist. Ich habe doch nichts abzustrei-
    chen von dem, was die OSZE-Beobachter mitgeteilt ha-
    ben, wonach es zu massiven Wahlfälschungen gekom-
    men ist. Dass die Europäische Union genauso wie der
    Bundesaußenminister für die Bundesregierung deswe-
    gen in aller Deutlichkeit reagiert hat, kann ich gern un-
    terstreichen. Das hat er auch in meinem Namen getan.
    Damit habe ich nicht das geringste Problem.






    (A) (C)



    (B)


    Bundeskanzler Gerhard Schröder


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Glos [CDU/CSU])


    Lassen Sie uns dabei mithelfen, dass die dort ohne un-
    ser Zutun entstandene Situation – wo die Demokraten
    stehen, kann ja nicht zweifelhaft sein – nicht außer Kon-
    trolle gerät. Ich will im Rahmen meiner Möglichkeiten
    gern meinen Beitrag dazu leisten, dass die Situation
    friedlich gelöst wird und dass all diejenigen, die daran
    ein Interesse haben, unterstützt werden. Das ist für mich
    gar keine Frage.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Aber bei aller Klarheit in der Kritik an Wahltäuschungen
    und Wahlmanipulationen haben wir alle ein Interesse da-
    ran, dass die Situation nicht gewaltsam eskaliert.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Neben der Kritik an den dortigen Vorgängen muss das
    jetzt auch ein Teil unserer Aufgabe sein.