Rede:
ID1512304000

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 11
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. die: 1
    5. Kollegin: 1
    6. Thea: 1
    7. Dückert: 1
    8. vom: 1
    9. Bünd-nis: 1
    10. 90/Die: 1
    11. Grünen.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 15/123 in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 7: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbe- treuung und zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Tagesbetreu- ungsausbaugesetz – TAG) (Drucksache 15/3676) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Maria Böhmer, Gerda Hasselfeldt, Maria Eichhorn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Elternhaus, Bil- dung und Betreuung verzahnen Maria Eichhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Walter Link (Diepholz) (CDU/CSU) . . . . . . . Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christel Riemann-Hanewinckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Walter Link (Diepholz) (CDU/CSU) . . . . . . . 11191 B 11202 C 11203 B 11205 B 11206 C 11207 D 11209 A 11210 A 11210 C 11210 D Deutscher B Stenografisc 123. Si Berlin, Donnerstag, de I n h a Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2005 (Haushaltsgesetz 2005) (Drucksache 15/3660) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2004 bis 2008 (Drucksache 15/3661) . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 11191 A 11191 B (Drucksache 15/3488) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit 11191 C undestag her Bericht tzung n 9. September 2004 l t : Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Klaus Haupt, Otto Fricke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Solides Finanzie- rungskonzept für den Ausbau von Kinder- betreuungsangeboten für unter Dreijährige (Drucksache 15/3512) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Böhmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11191 D 11191 D 11196 A 11198 B 11199 B 11200 C Jutta Dümpe-Krüger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11211 A 11212 A II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. September 2004 Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (Drucksache 15/3674) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel, Rainer Brüderle, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Möglichkeiten der privaten Arbeitsver- mittlung durch marktgerechte Ausgestal- tung der Vermittlungsgutscheine verstärkt nutzen (Drucksache 15/3513) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Clement, Bundesminister BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Friedrich Merz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ludwig Stiegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dagmar Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Doris Barnett (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Brandner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU) . . . . . . Karl-Josef Laumann (CDU/CSU) . . . . . . . Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU) . . . . . . . . Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU) . . . . . . . . 11213 D 11213 D 11214 A 11218 D 11220 C 11225 C 11227 D 11229 D 11233 A 11234 A 11235 C 11237 A 11239 A 11240 B 11240 D 11241 A 11241 D 11242 B 11244 D 11246 C 11247 C 11249 B 11250 A Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD) . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Doris Meyer (Tapfheim) (CDU/CSU) . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Albrecht Feibel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Michael Müller (Düsseldorf) (SPD) . . . . . . . Dr. Rolf Bietmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 9: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Auto- bahnmautgesetzes für schwere Nutz- fahrzeuge (Drucksache 15/3678) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der CDU/CSU: Mautbefreiung für humanitäre Hilfs- transporte (Drucksache 15/3489) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eduard Oswald (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP) . . . . . . . . . Annette Faße (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Königshofen (CDU/CSU) . . . . . . . . Wolfgang Spanier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Faße (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11251 C 11254 A 11256 A 11257 D 11259 D 11261 B 11262 D 11265 B 11265 D 11266 A 11267 C 11269 D 11271 C 11271 C 11271 D 11274 B 11276 D 11279 A 11281 B 11283 C 11285 A 11286 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. September 2004 III Lena Strothmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Reinhard Weis (Stendal) (SPD) . . . . . . . . . . . Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP) . . . . . . . Klaus Minkel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Werner Kuhn (Zingst) (CDU/CSU) . . . . . . . . Einzelplan 10 Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Renate Künast, Bundesministerin BMVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ilse Aigner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Jella Teuchner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursula Heinen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Manfred Helmut Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . Dr. Peter Jahr (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 11288 A 11290 B 11291 C 11292 C 11294 C 11296 C 11298 B 11300 B 11302 A 11303 C 11304 D 11306 C 11308 D 11309 D 11310 D 11312 D 11315 B 11317 C 11319 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. September 2004 11191 (A) (C) (B) (D) 123. Si Berlin, Donnerstag, de Beginn: 9
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. September 2004 11319 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenografischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung der NATO Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Barthel (Berlin), Eckhardt SPD 09.09.2004 Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 09.09.2004 Dr. Guttmacher, Karlheinz FDP 09.09.2004 Meckel, Markus SPD 09.09.2004 Raidel, Hans CDU/CSU 09.09.2004* Schauerte, Hartmut CDU/CSU 09.09.2004 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 09.09.2004 Schöler, Walter SPD 09.09.2004 Schösser, Fritz SPD 09.09.2004 Schreck, Wilfried SPD 09.09.2004 Schultz (Everswinkel), Reinhard SPD 09.09.2004 Dr. Schwall-Düren, Angelica SPD 09.09.2004 Ulrich, Hubert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.09.2004 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 09.09.2004 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich 123. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 9. September 2004 Inhalt: Redetext Anlage zum Stenografischen Bericht Anlage
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Friedrich Merz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

    ren! Lassen Sie mich aus unserer Sicht zunächst eine
    Vorbemerkung zum Wechsel Ihres Staatssekretärs in die
    Privatwirtschaft machen. Der Wechsel ist in Ordnung.
    Sie verlieren einen der besten Beamten der Bundesregie-
    rung. Ich teile Ihre Einschätzung, dass es gut wäre, wenn
    wir in Deutschland einen Wechsel zwischen Wirtschaft,
    Wissenschaft und Politik in alle Richtungen etwas häufi-
    ger erleben würden.


    (Franz Müntefering [SPD]: Nein, bleiben Sie hier!)


    – Herr Müntefering, dass Sie hier bleiben, empfinden
    wir eher als Drohung. Aber es ist ja auch eine Frage der
    Verwendungsfähigkeit an anderer Stelle.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich begrüße es ausdrücklich, Herr Clement, dass Sie

    unsere Nachfragen hierzu nicht kritisiert haben; denn
    dass heute Morgen eine Sondersitzung des Wirtschafts-
    ausschusses auf unseren Antrag und den der FDP statt-
    gefunden hat, ist begründet gewesen. Es ist unsere
    Aufgabe nachzufragen. Die Antworten auf unsere Nach-
    fragen haben keinerlei Anlass zu Kritik gegeben. Inso-
    fern begleiten Herrn Tacke unsere guten Wünsche auf
    seinem Weg in eine neue berufliche Aufgabe.


    (Klaus Brandner [SPD]: Das ist ein eleganter Rückzug, Herr Merz! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Die Schlagzeilen der letzten Tage sprechen eine andere Sprache! – Klaus Brandner [SPD]: Späte Einsicht!)


    Wir sprechen über Wachstum und Beschäftigung in
    Deutschland. Herr Clement, Sie haben erneut eine relativ
    optimistische Prognose für das laufende Jahr und insbe-






    (A) (C)



    (B) (D)


    Friedrich Merz

    sondere für das Jahr 2005 gewagt. Als ich Sie gehört
    habe, habe ich gedacht: Das kommt mir bekannt vor.
    Wenn man es nachschauen würde, könnte man feststel-
    len, dass Sie im letzten und auch im vorletzten Jahr etwa
    um diese Zeit fast wortgleich ähnlich optimistische Pro-
    gnosen über Wachstum und Beschäftigung abgegeben
    haben. Ich sage ganz ausdrücklich: leider. Dies sage ich
    auch an Ihre Adresse, Herr Müntefering, weil Sie gestern
    Bemerkungen in dem Sinne gemacht haben, wir würden
    ein Interesse daran haben, dass die Krise in Deutschland
    fortbesteht. Ich erkläre ausdrücklich: Leider sind diese
    Prognosen der letzten zwei Jahre von Ihnen, Herr
    Clement, bis heute nicht eingetreten. Ich halte sie – offen
    gestanden – auch für das Folgejahr für zu optimistisch.

    Wir haben in der Tat in Deutschland ein geringes
    Wachstum. Wir haben möglicherweise im nächsten Jahr
    ein etwas höheres Wachstum. Aber diese Wachstums-
    zahlen – der Hinweis ist zutreffend – beruhen nicht auf
    einer zunehmenden Belebung der Inlandsnachfrage, son-
    dern sind ganz wesentlich dem Export geschuldet. Der
    Export aber ist jedenfalls zu einem beträchtlichen Teil
    mittlerweile eine statistische Größe geworden; denn er
    spiegelt sich nicht in inländischer Wertschöpfung wider.
    Diesen Zusammenhang will ich einmal aufzeigen.

    Wir haben es hier mit Wertschöpfungsketten zu tun,
    die so auseinander genommen werden, dass größere
    Teile dessen, was produziert wird, nicht mehr in
    Deutschland entstehen, etwa in der Automobilindustrie,
    sondern Vorleistungen aus dem Ausland nach Deutsch-
    land importiert, in hochmodernen Montagewerken zu
    Fahrzeugen montiert und dann exportiert werden. Der
    gesamte Wert eines solchen Fahrzeuges findet sich in der
    Exportstatistik wieder, aber eben nicht mehr die Wert-
    schöpfung in Deutschland. Das ist das eigentliche Pro-
    blem.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Deswegen kann ich nur davor warnen, Herr Clement,
    die Behauptung zu wiederholen, es sei doch wunderbar,
    dass wir Exportweltmeister seien. Bei Licht betrachtet
    ist dies immer mehr – ich sage nicht: ausschließlich –
    eine statistische Größe im Hinblick auf die Exportstatis-
    tiken und findet sich nicht in inländischer Wertschöp-
    fung und inländischen Arbeitsplätzen wieder.


    (Franz Müntefering [SPD]: Da irren Sie sich!)

    Die Arbeitsplätze werden in den osteuropäischen Län-
    dern geschaffen. Sie entstehen mittlerweile auch zuneh-
    mend in den südeuropäischen Ländern. Abwanderungen
    von Unternehmen in die Schweiz und nach Österreich
    sind keine Abwanderungen in Billiglohnländer oder
    Niedrigsteuerländer, sondern Abwanderungen in Länder,
    die offensichtlich ein wesentlich stabileres und vertrau-
    enswürdigeres politisches System haben als die Bundes-
    republik Deutschland. Das hat nicht nur etwas mit Kos-
    ten, sondern auch mit Stabilität und Vertrauen zu tun, das
    an diesen Standorten größer ist.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie haben auf Ihren Etat Bezug genommen und
    durchaus kritisch den Hinweis gegeben, 85 Prozent des-
    sen, was in Ihrem Etat, dem Einzelplan 09, an Steuermit-
    teln ausgegeben wird, werde für die Arbeitsmarkt-
    politik zur Verfügung gestellt. Das ist das eigentliche
    Problem. Die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland redu-
    ziert sich weitgehend auf die Bewirtschaftung der Ar-
    beitslosigkeit. Dies ist mittlerweile in einem Umfang
    haushaltswirksam, dass zeitgleich der Anteil der Investi-
    tionen auch aus Ihrem Etat auf einen Tiefstand zurück-
    gefahren werden musste. Wenn ein Land wesentlich
    mehr für die Bewirtschaftung der Arbeitslosigkeit als für
    Investitionen in die Zukunft ausgibt, dann hat die Volks-
    wirtschaft dieses Landes ein fundamentales Problem.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Niebel [FDP])


    Dieses fundamentale Problem ist nicht kleiner gewor-
    den, sondern es ist in Ihrer Amtszeit, Herr Clement, lei-
    der größer geworden. Nun reden wir hier abstrakt über
    große Zahlen. Ich will sie einmal auf den einen oder an-
    deren Sachverhalt herunterbrechen, der mit den Hartz-
    Gesetzen in Verbindung steht. Ich will nur drei Sachver-
    halte aufgreifen: PSA, Ich-AG und Jobfloater. Sie haben
    zwar gesagt: keine Vergangenheitsbewältigung – in Ord-
    nung –; aber dass wir zur Halbzeit der Wahlperiode ein-
    mal nachfragen, was aus dem geworden ist, was vor
    zwei Jahren, wenige Wochen vor der Bundestagswahl,
    mit großem propagandistischen Aufwand der Öffentlich-
    keit vorgestellt worden ist, gehört zu unserer Aufgabe
    und interessiert auch große Teile der Öffentlichkeit.

    Ich habe noch sehr gut in Erinnerung, wie Herr Hartz,
    für den kein Raum in Berlin gut genug war – man
    musste sogar in eine säkularisierte Kirche gehen, um den
    Inhalt einer kleinen CD-ROM vorzustellen –, die Pro-
    gnose stellte, innerhalb von drei Jahren 2 Millionen neue
    Jobs in Deutschland zu schaffen.

    Wie sieht die Lage heute aus, zwei Jahre danach? Sie
    haben mit den Personal-Service-Agenturen 350 000 so-
    zialversicherungspflichtige Jobs pro Jahr angekündigt.
    Das heißt, wir müssten heute ungefähr 700 000 haben.
    Tatsache ist, dass wir 15 000 haben, davon 4 200 im Os-
    ten. Insgesamt haben Sie dafür aus Ihrem Etat 340 Mil-
    lionen Euro ausgegeben. Das heißt, jeder Job, der ent-
    standen ist, hat über 20 000 Euro gekostet. Ein
    Facharbeiter muss lange arbeiten, um die Steuern aufzu-
    bringen, die dafür bezahlt werden müssen. Es sind hier
    Randbereiche des Arbeitsmarktes gefördert worden. Mit
    dem eigentlichen Arbeitsmarkt hat das nichts zu tun.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Ich-AG: 500 000 Existenzgründungen pro Jahr sind
    angekündigt gewesen. Es sind 180 000. In der Tat ist das
    – jedenfalls vordergründig betrachtet – zunächst ein Er-
    folg, aber nur jede zehnte Gründung einer solchen Ich-
    AG überlebt das erste Jahr ihrer Existenz. Neun von
    zehn werden nicht älter als ein Jahr. Die Insolvenzrate ist
    überproportional hoch. Im laufenden Jahr müssen Sie für






    (A) (C)



    (B) (D)


    Friedrich Merz

    die Ich-AGs aus Ihrem Etat bzw. aus dem der Bundes-
    agentur für Arbeit 850 Millionen Euro ausgeben, damit
    diese so genannten Ich-AGs bestehen können.


    (Doris Barnett [SPD]: Haben Sie da mitgemacht?)


    Ganz absurd wird es nun beim Jobfloater. Dass Sie
    dieses Thema nicht mehr angesprochen haben, kann ich
    verstehen, obwohl Sie noch vor zwei Jahren mit großer
    Emphase diesen Begriff in die deutsche politische Spra-
    che eingeführt und erklärt haben, das sei die Idee
    schlechthin, um auf diese Art und Weise eine Brücke
    von der Arbeitslosigkeit in die Beschäftigung zu bauen.
    240 000 sozialversicherungspflichtige Jobs sollten mit
    diesem so genannten Jobfloater entstehen. Das ist der
    größte Jobflop geworden, den wir jemals in der Arbeits-
    marktpolitik der Bundesrepublik Deutschland erlebt ha-
    ben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    In Zahlen ausgedrückt: 120 000 Jobs pro Jahr sollten es
    sein. Bis heute hätten es also 240 000 sein müssen. Es
    sind ganze 12 800 entstanden. Dafür hat die Kreditan-
    stalt für Wiederaufbau in einem Programm 925 Millio-
    nen Euro ausgegeben. Das sind pro Job über
    72 000 Euro. Herr Clement, wenn wir an dieser Stelle
    sagen, dass Steuergelder verschwendet werden und die
    falsche Politik gemacht wird, dann lässt sich das auch in
    sehr griffigen Zahlen ausdrücken, die nicht nur etwas
    mit Milliardenbeträgen zu tun haben, sondern mit Beträ-
    gen, bei denen jedermann sofort einsieht, dass man so
    Arbeitsmarktpolitik in Deutschland nicht machen kann.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nun haben Sie erneut – der Bundeskanzler hat es ges-

    tern getan und Frau Merkel in ihrer Erwiderung auf den
    Bundeskanzler auch – Hartz IV angesprochen. Ich will
    aus meiner Sicht noch einmal sehr deutlich sagen: Wir
    stehen dazu, dass wir der Zusammenlegung von
    Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zugestimmt haben.
    Das war richtig. Ich selbst habe von dieser Stelle aus
    diese Forderung mehrfach erhoben. Es ist richtig, dass
    wir Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe als steuerfinan-
    zierte soziale Transferleistung zu einem einheitlichen
    System zusammenfügen. Trotzdem reißen die Debatten
    über dieses Thema nicht ab. Dies hat nicht parteipoliti-
    sche Gründe, sondern das hat sehr objektive Gründe. Ich
    will Ihnen zwei nennen.

    Wir bleiben fundamental unterschiedlicher Auffas-
    sung darüber, wer in Zukunft die Verantwortung über die
    Verwendung der Mittel und die Vermittlung der Lang-
    zeitarbeitslosen übernehmen soll. Herr Clement, Sie ha-
    ben eben in Ihrer Rede selbst das beste Beispiel dafür ge-
    geben, dass das, was Sie jetzt planen, nämlich die
    Zuständigkeit einer zentralistisch geführten Bundesbe-
    hörde, nicht erfolgreich sein kann. Sie selbst haben völ-
    lig zu Recht darauf hingewiesen, dass wir nicht mehr
    zwischen Ost und West unterscheiden dürfen, dass sich
    die Arbeitsmärkte in Deutschland höchst unterschiedlich
    entwickeln, und zwar nicht zwischen Ost und West, son-
    dern im Osten wie im Westen. Aber gerade weil das so
    ist, muss Arbeitsmarktpolitik dezentral organisiert wer-
    den.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Weil nur mit dezentraler Arbeitsmarktpolitik erfolgrei-
    che Arbeitsmarktpolitik gemacht werden kann, hätten
    wir uns gewünscht,


    (Waltraud Lehn [SPD]: Das passiert doch!)

    dass Sie die Städte und die Kreise in Deutschland in die
    Verantwortung genommen hätten, und zwar nicht mit ei-
    ner Optionsklausel, sondern flächendeckend. Es wäre
    richtig gewesen, die Städte und Kreise in Deutschland
    mit dieser Aufgabe zu betrauen.

    Ich bleibe bei meiner Kritik. Ich werde gleich noch et-
    was zum Bürokratieabbau sagen. Sie haben dazu er-
    staunlicherweise kaum etwas gesagt. Das, was jetzt zum
    Jahreswechsel 2004/2005 mit der Übertragung der Zu-
    ständigkeit an die Bundesagentur für Arbeit geschieht,
    also auf die regionale Arbeitsverwaltung, wird ein büro-
    kratisches Monstrum werden. Die örtlichen Arbeitsver-
    waltungen werden ein riesiges Problem haben, dieses
    Thema wirklich zu schultern, was die Sozialämter in
    den Städten und in den Kreisen längst hätten machen
    können und in der Vergangenheit erfolgreich gemacht
    haben. Deswegen ist es so kritisch gewesen und es bleibt
    aus unserer Sicht auch so kritisch.

    Es gibt einen zweiten Grund, der insbesondere für den
    Osten zutrifft. Es ist, wie ich finde, nach wie vor ein be-
    dauernswerter Zustand, dass wir erstmalig ein Gesetz im
    Bundesrat verabschiedet gesehen haben, dem der ge-
    samte Westen zugestimmt hat und das der gesamte Osten
    abgelehnt hat. Das ist, wenn ich mich richtig erinnere,
    das erste Gesetz nach der Wiedervereinigung – –


    (Franz Müntefering [SPD]: Stimmt doch gar nicht! Die haben doch zugestimmt! Erzählen Sie doch nicht so ein Zeug!)


    – Herr Müntefering, hören Sie mir zu, bevor Sie Zwi-
    schenrufe machen. – Ich sage, es ist ein bedauernswerter
    Zustand, dass dies ein Gesetz ist, das – sozusagen ent-
    lang der alten Demarkationslinie – im Osten abgelehnt
    worden ist und dem im Westen zugestimmt worden ist.


    (Franz Müntefering [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! Die haben dem Gesetz zugestimmt! – Zuruf von der SPD: Das ist aber eine Legende!)


    Ich stehe zu der Zustimmung. Ich sage Ihnen nur: Die
    kritischen Anmerkungen, die der Ministerpräsident
    Milbradt aus Sachsen hier zu machen hat, haben an einer
    wesentlichen Stelle eine sehr gute, nämlich eine in Ihrem
    Haushalt aufgeschriebene Begründung. Herr Milbradt
    weist völlig zu Recht darauf hin, dass mit diesem Gesetz
    der Druck auf Arbeitslose erhöht wird, sich eine Be-
    schäftigung zu suchen und auch eine Beschäftigung an-
    zunehmen.


    (Klaus Brandner [SPD]: Herr Milbradt wollte viel größeren Druck haben!)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Friedrich Merz

    Nur, meine Damen und Herren, wenn keine Beschäfti-
    gung entsteht, wenn keine Jobs da sind, dann nützt auch
    der beste Druck nichts, den Sie jetzt auf die Arbeitslosen
    ausüben.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Klaus Brandner [SPD]: Er hat zugestimmt! Der Mann ist nicht auf dem Laufenden, Herr Präsident! Er erzählt die Unwahrheit!)


    Jetzt sage ich Ihnen ganz konkret, was das mit Ihrem
    Haushalt zu tun hat. Wir haben hier vor einem Jahr eine
    so genannte Koch/Steinbrück-Liste zum Thema
    Subventionsabbau diskutiert.


    (Waltraud Lehn [SPD]: Bestenfalls sind das jetzt Märchen!)


    In dieser Diskussion sind auch die Mittel für die Ge-
    meinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt-
    schaftsstruktur“ behandelt worden. Wir haben verabre-
    det, dass diese Mittel einmalig gekürzt werden und dass
    sie dann auf dem alten Plafond fortgesetzt werden. Ab-
    weichend von dieser Vereinbarung kürzen Sie jetzt diese
    Mittel auch und besonders wirksam für den Osten, auch
    in den nächsten Jahren, also den Jahren 2005, 2006 und
    2007.


    (Peter Dreßen [SPD]: Das ist doch nicht wahr!)


    Insgesamt kürzen Sie die Mittel entgegen unserer Verab-
    redung um rund 300 Millionen Euro, davon 260 Millio-
    nen Euro im Osten.


    (Peter Dreßen [SPD]: Wo haben Sie das her?)

    Gleichzeitig erhöhen Sie entgegen unserer Verabredung
    die Subventionen für die Steinkohle. Damit kein Miss-
    verständnis entsteht: Ich bin davon überzeugt, dass die
    Steinkohle in Deutschland Zukunft haben muss, jedoch
    auf einem wesentlich niedrigeren Niveau als gegenwär-
    tig.


    (Peter Dreßen [SPD]: Hört! Hört!)

    – Das habe ich immer so gesagt, dazu werden Sie keine
    andere Äußerung von mir finden. – Sie haben aber nach
    einer Zusage des Bundeskanzlers beim Deutschen Stein-
    kohletag die Subventionen für die deutsche Steinkohle
    im selben Zeitraum, in dem die GA-Mittel gekürzt wer-
    den, noch einmal um 800 Millionen Euro erhöht. Das
    passt nicht zusammen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    An dieser Stelle ist die Kritik von Herrn Milbradt völlig
    gerechtfertigt. Sie können nicht die Basis für Investitio-
    nen im Osten entziehen und gleichzeitig Subventionen
    im Westen erhöhen, weil es dort vielleicht einer gewis-
    sen Klientel gefällt und nicht zuletzt weil es Ihnen im
    Hinblick auf Wahlergebnisse des nächsten Jahres so in
    den Kram passt.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wer hat denn die Basis entzogen? Das stimmt doch gar nicht!)

    Das ist eine Politik, die voller Widersprüche ist. Deswe-
    gen, Herr Clement, kann ich Ihnen die Kritik nicht erspa-
    ren: Hier machen Sie einen schweren Fehler, der ver-
    meidbar gewesen wäre.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Sie haben die Energiepolitik angesprochen. Ich will
    auch dazu eine Anmerkung machen. Uns liegt der Ent-
    wurf eines neuen Energiewirtschaftsgesetzes vor, der in
    den nächsten Wochen und Monaten beraten wird. Der
    Versuch der letzten Tage, Energiepreiserhöhungen
    durchzusetzen, hat in der Tat den Beigeschmack, als ob
    monopolähnliche Strukturen versuchen, Preise durchzu-
    setzen. Darüber, wie man dies in den Griff bekommt,
    müssen wir reden. Wenn Sie hier allerdings das lobens-
    werte Beispiel Post und Telekommunikation anführen
    und sich gleichzeitig gegen die Ex-ante-Regulierung
    wehren, dann ist das ein Widerspruch. Über die Auflö-
    sung dieses Widerspruchs unterhalten wir uns im Herbst.

    Nur, meine Damen und Herren, ein wesentlicher Teil
    der Energiepreiserhöhungen in Deutschland hat mit den
    Monopolstrukturen nichts zu tun; vielmehr sind sie die
    Folge politisch gewollter Steuer- und Abgabeerhöhun-
    gen, die diese Bundesregierung in den letzten sechs Jah-
    ren massiv zulasten der privaten Haushalte und der Be-
    triebe in Deutschland durchgesetzt hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die letzte Strompreiserhöhung hat wenig mit Monopol
    und sehr viel mit dem novellierten Energieeinspeisege-
    setz zu tun. Insgesamt hat diese Bundesregierung in den
    letzten sechs Jahren die Belastung der Strompreiskunden
    durch Steuern und Abgaben mehr als verfünffacht. Sie
    haben innerhalb von sechs Jahren die Belastung des
    Stromes mit Steuern und Abgaben von 2,5 Milliarden
    Euro auf über 12 Milliarden Euro gesteigert. Das ist ein
    wesentlicher Grund dafür, dass Deutschland im interna-
    tionalen Vergleich zu hohe Energiepreise und insbeson-
    dere zu hohe Strompreise hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Damit sind wir bei der Steuer- und Abgabenpolitik.

    Das Ressort des Bundeswirtschaftsministers umfasst
    auch – wie ich meine: richtigerweise – die Arbeitsmarkt-
    politik. Aber er hat natürlich eine weit darüber hinausge-
    hende Verantwortung für die Wirtschaftspolitik insge-
    samt. Zu einer guten Wirtschaftspolitik eines Landes
    gehört natürlich ein Steuersystem, das angenommen
    wird und das als Standortfaktor positive Wirkungen ent-
    faltet. Ich hätte mir deswegen gewünscht, dass Sie, Herr
    Clement, wenigstens einen Satz zur steuerpolitischen
    Debatte in Deutschland gesagt hätten. Uns liegt seit eini-
    gen Wochen eine Untersuchung von der Harvard-Uni-
    versität und dem Weltwirtschaftsforum über die Effizi-
    enz und die Transparenz der Steuersysteme auf dieser
    Welt vor. 102 Staaten sind untersucht sowie über
    5 000 Unternehmen und Fachleute befragt worden. Das
    ist wahrscheinlich die breitest angelegte Untersuchung,
    die es jemals über Effizienz und Transparenz der Steuer-
    systeme auf dieser Welt gegeben hat. Auf Platz eins der
    erstellten Bestenliste liegt Hongkong, dicht gefolgt von






    (A) (C)



    (B) (D)


    Friedrich Merz

    Estland, einem neuen Mitgliedstaat der Europäischen
    Union, auf Platz vier. Dann folgen viele andere Staaten.
    Herr Bundeswirtschaftsminister, ich bin nicht sicher, ob
    Sie wissen, auf welchem Platz Deutschland liegt. In die-
    ser Untersuchung liegt Deutschland auf Platz 102, also
    auf dem letzten Platz.


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Brigitte Schulte [Hameln] [SPD])


    – Vielen Dank für den Zuruf. Vielleicht geben Sie ihn
    noch einmal zu Protokoll.

    Ich möchte Ihnen ein paar der Länder nennen, die vor
    uns liegen: Trinidad und Tobago, Ghana, Sambia, Ma-
    lawi, Haiti, Angola, Nicaragua, Bangladesch. All diese
    Länder liegen vor uns, natürlich nicht was die Höhe der
    Steuersätze betrifft!


    (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ludwig Stiegler [SPD]: Gehen Sie doch dahin! – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Albernheit! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ein merkwürdiges Verständnis!)


    – Sie können froh sein, dass die meisten Ihrer Zurufe
    nicht so verständlich sind, dass sie die Fernsehzuschauer
    mitbekommen oder dass sie Eingang in das Protokoll
    finden. Seien Sie froh, dass die meisten Ihrer Zurufe
    nicht protokolliert werden! Sie sind an Dummheit und
    Dämlichkeit nicht mehr zu überbieten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Herr Präsident, das ist doch kein Umgang! Herr Präsident, berührt es Sie eigentlich nicht, wenn wir unsere Zwischenrufe so kommentiert kriegen? Unglaublich!)


    Ich führe dieses Thema deswegen in die Debatte ein,
    weil wir es uns nicht leisten können, auf Dauer ein so
    komplexes, kompliziertes und intransparentes Steuersys-
    tem in Deutschland beizubehalten. Herr Clement, Sie ha-
    ben von Bürokratieabbau gesprochen. Ich nenne Ihnen
    zwei große Bereiche, in denen Bürokratieabbau wirklich
    notwendig ist. Der eine ist die Arbeitsmarktpolitik. Dort
    machen Sie das glatte Gegenteil von Bürokratieabbau.
    Sie bauen dort zusätzlich eine riesengroße Bürokratie
    auf. Der andere ist die Steuerpolitik. Die Steuerverwal-
    tung in Deutschland weiß selbst nicht mehr, wie die
    Steuergesetze der rot-grünen Bundesregierung vollzogen
    werden sollen. Deswegen ist Deutschland auf dem letz-
    ten Platz der erwähnten Liste. Wenn Sie darüber lachen,
    empfehle ich Ihnen, einen mittelständischen Betrieb zu
    besuchen und den Betriebsinhaber und die Betriebsräte
    zu fragen – diese werden Ihnen sicherlich ein paar Takte
    dazu sagen können –, wie die Betriebe in Deutschland
    mittlerweile das Steuerrecht anwenden. Es ist eigentlich
    die Aufgabe des Bundeswirtschaftsministers, darauf auf-
    merksam zu machen, dass wir aus dem bestehenden
    Steuerchaos herausmüssen und dass wir ein wirklich ra-
    dikal vereinfachtes Steuerrecht in Deutschland brauchen.
    Wir haben dazu Vorschläge gemacht.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie haben vor Jahr und Tag den Masterplan „Bürokra-
    tieabbau“ mit großem propagandistischem Aufwand und
    großen Ankündigungen, jetzt endlich werde mit Büro-
    kratieabbau in Deutschland ernst gemacht, auf den Weg
    gebracht. Herr Clement, die Weltbank hat gestern eine
    Studie über Bürokratieabbau auf dieser Welt veröffent-
    licht. Sie kann man heute in vielen Zeitungen nachlesen.
    Danach sind 89 große Reformen zum Bürokratieabbau
    auf der Welt identifiziert worden, davon 36 in den Staa-
    ten der Europäischen Union. Aber keine einzige ist in
    Deutschland identifiziert worden. Wörtliches Zitat:

    Im Jahre 2003 ist in Deutschland zum Thema Büro-
    kratieabbau nichts geschehen.

    Das ist die traurige Bilanz Ihrer großen Ankündigungen.
    Mit vielen Ankündigungen und wenigen Taten, insbe-
    sondere beim Bürokratieabbau, geht die Reise in eine
    andere Richtung.

    Abschließend zu der von Ihnen angesprochenen Re-
    form der sozialen Sicherungssysteme: Wir alle streiten
    hierüber. Es geht um äußerst schwierige Sachverhalte,
    die jeden Bürger in Deutschland in seinem Kernbereich
    berühren. Deswegen möchte ich jenseits aller Details,
    über die wir uns noch im kommenden Herbst zu streiten
    haben, eine allgemeine Bemerkung machen. Die ent-
    scheidende Frage ist, ob es uns gelingt, die deutsche Be-
    völkerung zu einem Wandel der Mentalität zu veranlas-
    sen.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So wie Sie reden, schaffen wir das nicht!)


    Wir brauchen in Zukunft eine fundamentale Neuabgren-
    zung zwischen Eigenverantwortung und Solidarität.

    Ein Ereignis der letzten Tage ist symptomatisch für
    Deutschland. Der eine oder andere von Ihnen wird
    gleich schreien und es als an den Haaren herbeigezogen
    bezeichnen.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Schön, dass Sie das selbst so sagen!)


    In der Nacht von Donnerstag auf Freitag – Herr Schmidt,
    vielleicht haben Sie noch gar nicht registriert, dass das
    passiert ist – ist die Anna-Amalia-Bibliothek in Wei-
    mar abgebrannt, weswegen große Teile ihres Bestandes
    vernichtet worden sind.


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Gut, dass Sie uns das endlich sagen!)


    Wie reagiert Deutschland auf einen solchen Sachver-
    halt? Die Staatsministerin im Bundeskanzleramt stellt
    innerhalb weniger Stunden, also fast sofort, einen Betrag
    von 4 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist gut ge-
    meint. Aber sind wir uns eigentlich darüber im Klaren,
    was das für Wirkungen hat? Große Teile der Bevölke-
    rung haben doch das Gefühl: Also, wenn die das Geld
    dahaben, dann ist das damit erledigt.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch unglaublich! Wir sind Mitbetreiber dieser Bibliothek! Sie haben keine Ahnung! Das ist doch nicht zu fassen! Das ist wirklich unanständig, was Sie gerade machen!)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Friedrich Merz

    In vielen anderen Ländern hätte der Staat gesagt: Jetzt

    etwas zu tun ist in erster Linie gar nicht unsere Aufgabe.
    Dort hätten die Repräsentanten des Staates – der Bun-
    deskanzler, der Staatsminister für Kultur und andere –
    gesagt: Das ist jetzt die Stunde des großen bürgerschaft-
    lichen Engagements für ein Weltkulturerbe, für das sich
    alle Menschen in Deutschland interessieren und begeis-
    tern lassen müssen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Was dort geschehen ist, ist ein typisches Beispiel dafür,
    wie in Deutschland politisch gedacht und gehandelt
    wird: Der Staat tritt sofort in Vorlage, statt zu sagen:
    Dies ist jetzt die Stunde der Bürger und des ehrenamtli-
    chen Engagements.

    Wir können uns das ganze Gerede über Bürgergesell-
    schaft, über Engagement und über Eigenverantwortung
    sparen, wenn der Staat schon an einer solchen Stelle so-
    fort wieder in Vorlage tritt und den Bürgern sozusagen
    das Signal gibt: Wir sind für alles zuständig und die Bür-
    gerinnen und Bürger müssen nur weitgehend auf den
    Staat vertrauen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie haben doch gerade staatliches Handeln in extenso gefordert! Sie widersprechen sich doch selbst! Unglaublich! Nicht zu fassen!)


    Dies ist der entscheidende Punkt, über den wir uns
    politisch auseinander setzen müssen. Wenn wir bürger-
    schaftliches Engagement und Eigenverantwortung wol-
    len, dann müssen wir es fördern und nicht im Keim ersti-
    cken. Wenn Sie die Probleme in unserem Lande lösen
    wollen, dann sind wir auch bereit, mit Ihnen zusammen-
    zuarbeiten. Wir haben unsere Bereitschaft dazu in den
    letzten Monaten doch gezeigt.

    Herr Müntefering, eines ist doch klar: Wenn Sie und
    wir und alle, die hier sitzen, nicht in kürzester Zeit einen
    Silberstreif am Horizont aufzeigen können, der andeutet,
    dass dieses Land aus seiner Krise herauskommt, dann
    werden wir uns über Jahr und Tag nicht mehr nur über
    eine ökonomische Krise, sondern über eine fundamen-
    tale Sinn- und Akzeptanzkrise der gesamten demokrati-
    schen Ordnung unterhalten.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Sie sollten uns mit Ihren Redebeiträgen von dieser
    Stelle aus nicht unterstellen, dass wir sozusagen auf
    Baisse spekulieren, dass wir also versuchen, aus der
    Krise politisches Kapital zu schlagen. Wir sind über den
    Zustand dieses Landes tief besorgt.


    (Lachen bei Abgeordneten der SPD)

    – Ihr Gefeixe spricht Bände über die Ernsthaftigkeit, mit
    der Sie sich über diese Themen zu unterhalten bereit
    sind.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn man in Ihre Gesichter schaut, dann erkennt man:
    Ihr Gefeixe spricht Bände.

    Wir sind über den Zustand dieses Landes tief besorgt.
    Sie tragen als Regierungsfraktionen hier die Verantwor-
    tung. Wir bieten Ihnen an, dabei mitzuhelfen, dass dieses
    Land aus der Krise herausfindet.

    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Bei fall bei Abgeordneten der FDP)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

Das Wort hat die Kollegin Thea Dückert vom Bünd-

nis 90/Die Grünen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thea Dückert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Herr Merz, ich will aus Ihrem Themenhopping nur ei-
    nige Punkte herausgreifen; alles werde ich hier nicht be-
    handeln können. Es ist schon erstaunlich, wie Sie bei-
    spielsweise versuchen, aus der positiven Tatsache, dass
    Deutschland Exportweltmeister ist, eine Negativbot-
    schaft abzuleiten.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Es ist erstaunlich, wie Sie hier darstellen wollen – das

    kommt nicht an; das sage ich Ihnen auch –, dass notwen-
    dige Arbeitsmarktreformen mit von uns geschaffenen
    neuen Instrumenten angeblich nicht greifen. Auch Sie
    wissen – Ihr Hinweis auf die Binnenkonjunktur war rich-
    tig –, dass eine positive Konjunktur die Voraussetzung
    für eine positive Entwicklung des Arbeitsmarktes ist und
    dass die neuen Instrumente, beispielsweise Zeitarbeit
    und Ähnliches, erst dann wirken können, wenn sich die
    Konjunktur belebt.

    Herr Merz, schauen Sie doch hin! Der Minister hat es
    gesagt und er hat auch die Zahlen genannt: Die Indika-
    toren zeigen Positives. Wir können das beobachten. Wir
    sehen mittlerweile auch – vorsichtig, vorsichtig –, dass
    die neuen Instrumente greifen. Ich nenne nur eines: die
    Zeitarbeit. Wir können nachweisen, dass wir gerade in
    diesem Bereich in den letzten Wochen einen enormen
    Entwicklungsschub gemacht haben.

    Was machen Sie hier? Ob das Export ist, ob das Ar-
    beitsmarkt ist, ob das binnenkonjunkturelle Entwicklung
    ist, Sie suchen sich das heraus, was Ihnen passt, um die
    Entwicklung schlecht zu reden. Das ist Ihr Ansatz.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Sie wissen offensichtlich überhaupt nicht, worüber
    Sie reden. Sie haben als nächsten Punkt die Hartz-
    Reformen thematisiert. Sie sagen, die Reformen müss-
    ten durchgesetzt werden. Prima! Ich habe heute Morgen
    auch gelesen, dass Herr Koch, der noch vor ein paar Mo-
    naten die Kommunen zum Boykott der Hartz-Reformen
    aufgerufen hat, jetzt sagt: Man muss dazu stehen.






    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Thea Dückert

    Gleichzeitig aber machen Sie sich hier einen schlan-

    ken Fuß, Herr Merz; denn Sie reden über etwas, was gar
    nicht Inhalt dieser Reform ist. Sie sprechen von einem
    bürokratischen Moloch und fordern Dezentralität ein.
    Der Kern dieser Reform ist Dezentralität. Wir machen
    mit dieser Reform Folgendes – das wird am 1. Januar
    2005 losgehen –: Wir geben den Kommunen, den Regio-
    nen vor Ort ein umfassendes Handwerkszeug und auch
    Geld in die Hand, damit vor Ort mit den regionalen Trä-
    gern, mit den Akteuren, mit der Wirtschaft, mit den Ge-
    werkschaften zusammen eine Arbeitsmarktpolitik betrie-
    ben werden kann, die an den Individuen orientiert ist und
    die die dezentralen Strukturen nutzt.

    Herr Merz, Sie stellen die Frage der Option als ein
    großes Problem dar. Es ist richtig: Nicht alle Kommunen
    können optieren. Herr Merz, Sie sind im Vermittlungs-
    ausschuss mit dicken Backen aufgetreten und haben
    viele, viele Optionen gefordert. Ich nenne nur ein Bei-
    spiel: Baden-Württemberg. Dort sind sechs Optionen
    möglich. Fünf sind jetzt beantragt. Dort ist die CDU in
    der Regierung!


    (Beifall der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


    Ich habe am Sonntag mit dem Ministerpräsidenten von
    Niedersachsen gesprochen. Auch er sagte mir: Wir kom-
    men damit gut aus. Vermutlich werden weniger Kommu-
    nen optieren.


    (Dirk Niebel [FDP]: Es sind schon 13 Anmeldungen in Niedersachsen!)


    Meine Damen und Herren, blasen Sie sich hier also
    nicht so auf für eine Reform, die Sie durch die Hintertür
    doch wieder schlecht machen wollen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Wir machen im Bereich Sozial- und Arbeitsmarkt-
    politik sicherlich gerade die größten Reformen in der
    Geschichte der Bundesrepublik. Wir machen sie deshalb
    erst so spät, weil Sie sich, alle, wie Sie da sitzen, von
    FDP bis CDU/CSU, in den 90er-Jahren an diese unbe-
    quemen Reformen nicht herangewagt haben. Sie haben
    sich weggeduckt. Von Herrn Merz ist die geschickte
    Form des Wegduckens wiederum vorgeführt worden. Sie
    in der Union sind, was den Mut anbelangt, eine Reform
    auch umzusetzen und durchzusetzen, ein Duckmäuser-
    verein. Ich will Ihnen das auch zeigen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Hinter verschlossenen Türen feiern die Hardliner
    fröhliche Urständ. Da wird dann zum Beispiel gefordert,
    die Leistung zu reduzieren. Öffentlich wird eine andere
    Melodie gespielt. Wir haben es hier gehört und wir hören
    es jeden Tag. Rüttgers will eine Generalrevision der Re-
    form. Milbradt will verschieben, Schonvermögen he-
    raufsetzen. Böhmer will beim Zuverdienst etwas ma-
    chen. Söder hat unter Tränen beklagt, was mit den
    Kindersparbüchern passiert.
    Sie spielen hier mit gezinkten Karten. Sie haben im
    Vermittlungsausschuss durchsetzen wollen, dass die
    Leistungen niedriger sind. Sie wollten keine Kinderzu-
    schüsse für Leute mit geringem Einkommen, die verhin-
    dern, dass sie in die Sozialleistung abrutschen. Sie woll-
    ten Verschärfung der Sanktionen. Sie haben es
    durchgesetzt, dass die Zuverdienstmöglichkeiten – zum
    Beispiel bis 400 Euro – erheblich schlechter sind, als wir
    das wollten. Dort machen Sie also eine Politik, die Ver-
    schärfung zum Inhalt hat. Auf der Straße spielen Sie eine
    andere Melodie. Meine Damen und Herren, das ist un-
    redlich.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist verlogen!)


    Wir müssen jetzt, hier und heute, die Reformen angehen;
    dabei steht die Umsetzung im Vordergrund. Deshalb
    macht es keinen Sinn mehr, noch hier und da Verände-
    rungen zu fordern. Wir werden den Umsetzungsprozess,
    der am 1. Januar 2005 beginnt, sehr genau beobachten.

    Diese Reform ist deshalb so notwendig, weil sie eine
    Etappe markiert: Wir verabschieden uns jetzt von einer
    Politik, die von Ausgrenzung und Alimentierung geprägt
    war, und treten in eine Politik ein, die Integration in den
    ersten Arbeitsmarkt zum Ziel hat. Es geht darum, ernst
    zu nehmen, dass Langzeitarbeitslosigkeit eine der
    schlimmsten Geißeln für die Betroffenen und übrigens
    auch für die Ökonomie ist. Wir haben in Deutschland
    eine überdurchschnittlich hohe Dauer der Arbeitslosig-
    keit; im Schnitt beträgt sie 32 Wochen. Das ist schlimm
    für die Betroffenen. Wir müssen ihnen helfen, da schnel-
    ler wieder herauszukommen. Das ist das Ziel dieser sehr
    schwierigen und unbequemen Arbeitsmarktreform.

    Das ist, wie ich glaube, noch nicht überall angekom-
    men, beispielsweise auch nicht bei unseren Freunden
    vom DGB. Herr Sommer hat letztens – ich glaube, es
    war vor zwei Wochen – gesagt, mit der Reform werde
    die Würde der Beschäftigten angegriffen. Ich entgegne
    darauf: Langzeitarbeitslosigkeit greift die Menschen-
    würde an. Deswegen, meine Damen und Herren, müssen
    wir diese Politik weiter verfolgen, auch gegen den von
    Ihnen organisierten Widerstand.

    Wir können nicht akzeptieren, dass es in Deutschland
    zwei Klassen von Langzeitarbeitslosen gibt: die einen in
    der Arbeitslosenhilfe, die anderen in der Sozialhilfe. Da-
    bei haben die, die von Sozialhilfe leben, so gut wie keine
    Chance, wieder in den Arbeitsmarkt hereinzukommen,
    da sie keinen Zugang zu den Mitteln der aktiven Arbeits-
    marktpolitik haben. Das ist ein ganz wesentlicher Be-
    standteil der Reform. Gegen diese Neuorientierung hin
    auf Integration wird jetzt von außen mit Ihrer Unterstüt-
    zung – ich nenne beispielsweise Herrn Milbradt –


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Quatsch!)

    vorgegangen und Wind gemacht.

    Vor diesem Hintergrund möchte ich noch einmal an
    die Adresse all derjenigen, die jetzt auf Montagsdemons-






    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Thea Dückert

    trationen oder anderswo falsche Parolen gegen dieses
    Gesetz in Umlauf bringen,


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Lafontaine! Ströbele!)


    Folgendes zur Klarstellung sagen: Es ist schlichtweg
    falsch, dass die Leute, wie es beispielsweise die PDS un-
    ermüdlich behauptet, massenhaft ihre Wohnungen ver-
    lassen müssten. Sie haben vielmehr die Möglichkeit, in
    ihren Wohnungen zu bleiben. Angemessener Wohnraum
    wird zugestanden. Auch andere Dinge sind übrigens ver-
    bessert worden; so werden sogar die Zinsen für Darlehen
    weiter gezahlt, wenn es sich um eine Eigentumswoh-
    nung handelt.

    Die Menschen, die das neue Arbeitslosengeld II be-
    ziehen, werden alle sozialversichert sein. Es handelt sich
    um eine Verbesserung für all diejenigen, die vorher Sozi-
    alhilfeempfänger waren.

    Denjenigen, die immer wieder das Prinzip „Fördern
    und Fordern“ problematisieren, sage ich: In diesem
    Gesetz wurde eine richtige Balance zwischen Fördern
    und Fordern gefunden. Ich nenne beispielsweise die
    Maßnahmen für Jugendliche. Jugendliche haben erst-
    mals Anspruch auf eine elternunabhängige Leistung.
    Das wollten Sie von der Union übrigens nicht. Ab 1. Ja-
    nuar haben sie auch einen Rechtsanspruch auf ein Ar-
    beits- oder Ausbildungsangebot. Dem steht gegenüber,
    dass ihnen, wenn sie Angebote nicht annehmen, die
    Leistungen für eine bestimmte Frist gestrichen werden.
    Ich glaube, meine Damen und Herren, dass diese beiden
    Punkte, nämlich auf der einen Seite das neue Angebot
    einer Unterstützung in Form einer eigenständigen Leis-
    tung und auf der anderen Seite die Forderung nach eige-
    ner Aktivität, in guter Weise beschreiben, was dieses Ge-
    setz will, nämlich fördern und fordern. Wir werden in
    Zukunft speziell auf das Fördern unser Augenmerk rich-
    ten.

    Das Gesetz hat Schwächen. Für viele dieser Schwä-
    chen sind Sie von der Opposition verantwortlich.


    (Widerspruch der Abg. Dagmar Wöhrl [CDU/ CSU])


    Ich nenne nur zwei Beispiele. Das eine Beispiel ist die
    Verschärfung der Zumutbarkeitsregelungen. Allen Kriti-
    kerinnen und Kritikern, die uns anmailen und von uns
    fordern, diesen Punkt zu ändern, sage ich: Schickt eure
    Beschwerden bitte zielgerichtet und direkt an die CDU/
    CSU und an die FDP; denn die haben uns diese Regelun-
    gen im Gesetz eingebrockt.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

    Wir werden natürlich eine Debatte über das Thema

    Lohndumping führen müssen. Wir werden beobachten
    müssen, ob es zu Lohndumping kommt, und eventuell
    Maßnahmen dagegen ergreifen müssen. Eine Maßnahme
    kann durchaus ein branchenbezogener Mindestlohn sein,
    wenn die Tarifautonomie dadurch gewahrt bleibt. Es gibt
    aber auch andere Möglichkeiten. Wir brauchen auf jeden
    Fall eine Debatte, denn wir wollen nicht das Lohn-
    dumping, das Sie durchgesetzt haben.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)