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    Plenarprotokoll 15/121 Tagesordnungspunkt 11: Haushaltsausschusses zu dem Antrag des
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    Berichtigung 118. Sitzung, Seite 10848 (D), dritter Absatz, der letzte Satz ist wie folgt zu lesen: „Ich nehme zustim- mend zur Kenntnis, dass der Entwurf der Management- antwort auf den Salim-Report bereits eine Reihe von An- regungen konstruktiv aufgreift.“ Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 121. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 7. September 2004 11073 (A) (C) (B) (D) ten Gesetz über moderne Dienstleistungen am Arbeits- markt – Hartz IV –, das als Ergebnis der Beratungen des zugewiesenen Aufgaben besonders in den Problemregio- nen des Arbeitsmarktes nicht erwartet werden kann. Ich kann dem Kommunalen Optionsgesetz zum Vier- beschäftigt, dass eine angemessene Verwaltung der neu Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO Anlage 2 Nachträglich zu Protokoll gegebene Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Christoph Bergner (CDU/ CSU) zur Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur optionalen Trägerschaft der Kom- munen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetz- buch (Kommunales Optionsgesetz) (119. Sit- zung, Zusatztagesordnungspunkt 12) Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Barthel (Berlin), Eckhardt SPD 07.09.2004 Bindig, Rudolf SPD 07.09.2004* Dr. Guttmacher, Karlheinz FDP 07.09.2004 Kumpf, Ute SPD 07.09.2004 Lintner, Eduard CDU/CSU 07.09.2004* Meckel, Markus SPD 07.09.2004 Raidel, Hans CDU/CSU 07.09.2004** Schauerte, Hartmut CDU/CSU 07.09.2004 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 07.09.2004 Schöler, Walter SPD 07.09.2004 Schösser, Fritz SPD 07.09.2004 Schreck, Wilfried SPD 07.09.2004 Schultz (Everswinkel), Reinhard SPD 07.09.2004 Dr. Schwall-Düren, Angelica SPD 07.09.2004 Schwanitz, Rolf SPD 07.09.2004 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 07.09.2004 Anlagen zum Stenografischen Bericht Vermittlungsausschusses vom 30. Juni 2004 dem Deut- schen Bundestag zugeleitet wurde, nicht zustimmen. Ich verweise auf die unzureichende Umsetzung des Grund- satzes „Fördern und Fordern“, auf die die CDU/CSU- Fraktion an anderer Stelle aufmerksam macht – Druck- sache 15/3541. Mein Haupteinwand besteht jedoch darin, dass der damit erreichte Stand der Gesetzgebung nicht ausreicht, um einen verantwortbaren Reformverlauf zu sichern. Das vorliegende Gesetz hat insbesondere für Regio- nen mit hoher Langzeitarbeitslosigkeit erhebliche Aus- wirkungen, indem es die Modalitäten der Trägerverant- wortung festlegt, den Finanzausgleich praktisch abschließend regelt und damit auch den Zeitpunkt der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum 1. Januar 2005 endgültig fixiert. In der kurzen Prüfungszeit, die zwischen Vorlage des Vermittlungsergebnisses und der Entscheidung über mein Abstimmungsverhalten zur Verfügung stand, bin ich angesichts der weiterreichenden Konsequenzen des Gesetzes zu dem Schluss gekommen, dass die in ihm vorgegebenen Regelungen keine ausreichende Vorsorge für zu erwartende Umsetzungsprobleme liefern. Ich halte die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu einer einheitlichen steuerfinanzierten Leistung für richtig und notwendig und habe diese Auf- fassung im Bundestagswahlkampf 2002 auch gegen Vor- würfe von Sozialdemokraten verteidigt. Dabei war mir stets bewusst, das eine solche Reform einen erheblichen Einschnitt in das soziale Leistungsgefüge unseres Staa- tes bedeutet, der mit Blick auf die Betroffenen nur dann verantwortbar ist, wenn die erforderliche Vollzugssorg- falt gewährleistet werden kann. Dies ist nach Lage der Dinge offenbar nicht gegeben. Die Bundesregierung hat den Entwurf des Optionsgeset- zes sehr viel später vorgelegt als geplant. Sie war jedoch nicht bereit, den Inkraftsetzungstermin um einige Zeit zu verschieben und hat damit die nachfolgende Umsetzung unter einen Zeitdruck gesetzt, der die Beteiligten zwangsläufig überfordern wird. Die bisherigen Beratun- gen haben keine hinreichende Transparenz in die kom- plexen Finanzströme zwischen Bundesanstalt, Länder und Kommunen gebracht. So bleibt bei dem vorliegen- den Gesetz völlig unklar, ob in Regionen mit hoher Ar- beitslosigkeit angemessene Mittel für die erforderlichen Eingliederungsleistungen zur Verfügung stehen. Die Er- wartung einer aktivierenden Hilfe für erwerbsfähige Ar- beitslose wird damit gerade dort unerfüllt bleiben, wo sie am dringlichsten ist. Die Bundesagenturen für Arbeit, denen nach den Hartz-IV-Regelungen eine Schlüsselverantwortung zu- kommt, sind nach meiner Beobachtung vielerorts so stark mit der Umsetzung der anderen „Hartz-Gesetze“ 11074 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 121. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 7. September 2004 (A) (C) (B) (D) Auch dies wäre ein Argument für eine Verschiebung der Inkraftsetzung gewesen. Für zahlreiche Kommunen sind bei den Unterkunfts- kosten zusätzliche Finanzlasten zu erwarten. Der dafür vorgesehene Ausgleich ist unzureichend geregelt. Um nachfolgende Verteilungskonflikte, die möglicherweise sogar auf dem Rücken der Leistungsempfänger ausgetra- gen werden, zu vermeiden, hätte es eines klaren, gründ- lich geprüften Zuwendungsgesetzes bedurft. Die Betroffenen, die Einkommenskürzungen hinneh- men müssen, werden so zusätzlich zu Opfern eines Um- setzungschaos gemacht. Das kann nicht im Interesse ei- nes Reformanliegens sein, das ich ausdrücklich für notwendig halte und unterstütze. Ich halte die jüngste Verständigung im Vermittlungs- ausschuss für noch nicht ausreichend, um eine verant- wortbare Umsetzung zu ermöglichen, und lehne sie des- halb ab. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2005, hier: Einzelplan 06, Bundesministerium des Innern (Haushaltsge- setz 2005) (Tagesordnungspunkt 1) Petra Pau (fraktionslos): Vor drei Jahren, am 11. September 2001, gab es die verheerenden Attentate in New York und Washington. Der Bundestag reagierte damals parteiübergreifend mit Trauer und mit Solidari- tät. Zugleich wurden die eigenen Gesetze für innere Si- cherheit im Bündel verschärft, zum Teil drastisch. Das Ganze wurde in Anlehnung an den Bundesinnenminister als „Otto-Paket I“ und „Otto-Paket II“ bezeichnet. Die waren, vorsichtig formuliert, nicht unumstritten. Die PDS lehnte sie ab, weil sie tief in verbriefte Bürgerrechte eingreifen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN versprach damals, ihre Wirkungen und Nebenwirkungen nach zwei bis drei Jah- ren gründlich zu prüfen. Diese Frist ist um. Allerdings höre ich nichts von der versprochenen parlamentarischen Überprüfung. Deshalb erinnere ich daran, ich fordere sie namens der PDS ein. Stattdessen vernehme ich andere Signale. Sie kom- men nicht mehr kompakt, als Paket daher, sie werden aber permanent versendet. Demnach sollen Sicherheits- behörden zentralisiert, Befugnisse erweitert und Kompe- tenzen vermischt werden. Das Gebot der Trennung von Polizei und Geheimdiensten wird immer häufiger in- frage gestellt. Und die Bundeswehr soll im Innern einge- setzt werden – jedenfalls nach dem Willen der CDU/ CSU. Die PDS lehnt das ab. Aber darum geht es nur in zweiter Linie. Die eigentlichen Fragen sind: Wie viele Bürgerrechte dürfen namens einer realen oder vermeint- lichen Terrorgefahr abgeräumt werden? Und welchen tatsächlichen Nährwert hat das für die versprochene Si- cherheit? Das betrifft auch den Datenschutz. Er ist, er wird massiv gefährdet. Die USA fordern von allen Passagie- ren, die ein- oder überfliegen, mehr als 30 persönliche Daten. Das EU-Parlament klagt dagegen. Bundesinnen- minister Schily, SPD, und Bundesaußenminister Fischer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, indes haben dem Daten- Deal zugestimmt. Das ist ein unglaublicher Vorgang. Es gibt ein zweites, aktuelles Beispiel: Die 16-seiti- gen Fragebögen für das neue Arbeitslosengeld II werden von offiziellen Datenschützern kritisiert. Ich habe die Bundesregierung gefragt, ob sie ihr Vorgehen für recht- lich korrekt hält. Die Antwort lautet im Kern: Nein, aber wir tun es dennoch. – Wer so agiert, darf sich bei nie- mandem über mangelndes Rechtsbewusstsein und bei keinem wegen Parteienverdrusses beschweren. Der Volksmund weiß: Der faule Fisch stinkt am Kopf zuerst. Ein weiteres Thema haben wir im Bundestag hinrei- chend gewälzt, mit schlechtem Erfolg: das Zuwande- rungsrecht. Vor fünf Jahren hatten SPD und Grüne ein modernes Gesetz versprochen. Am Ende aller Kommis- sionen, Kompromisse und Kuhhandel stand ein Papier, das von der CDU/CSU diktiert und von Rot-Grün geseg- net wurde. Bundesinnenminister Schily sattelt noch drauf. Er will Flüchtlingslager an der Küste Afrikas einrichten. Dank der „Süddeutschen Zeitung“ und einem Interview, das Heribert Prantl führte, wissen wir auch, warum. Dort greife weder EU- noch deutsches Recht, meinte der Bun- desinnenminister. So weit sind wir gekommen, so tief gesunken. Mit Vorsatz soll Menschen in Not der wenige Rechtsschutz versagt werden, der sie noch hoffen lässt. Dass CDU-Politiker dieser absurden Idee folgen, wun- dert mich nicht mehr. Dass auch Oskar Lafontaine dem Vorschlag zustimmt, spricht nicht für Otto Schily, son- dern gegen den SPD-Rebellen. Monat für Monat frage ich die Bundesregierung, wie viele rechtsextreme Straftaten registriert wurden und verfolgt werden. Wer dies, wie ich, tut, bekommt bestä- tigt, was viele im Lande erfahren – allemal Opfer von rechtsextremen Gewalttaten. Die Gefahr ist real und groß. Leider fragt im Bundestag nur die PDS danach, keine andere Partei. Im Schnitt gibt es täglich 20 rechts- extreme Straftaten und jeden Tag mehr als eine Gewalt- tat. Wer die Materie kennt, weiß auch: Die offizielle Sta- tistik stapelt tief. Die tatsächliche Gefahr ist viel größer. Inzwischen feiern rechtsextreme Parteien Wahl- erfolge. Sie verlassen den Hinter- oder Untergrund, sie präsentieren sich öffentlich. Wie aber reagieren die meisten Parteien des Bundestages darauf? Sie werfen die NPD und die PDS in einen Topf. Wer das tut, hat nichts verstanden. Schlimmer noch: Er beleidigt Zigtausende Antifaschisten und er verharmlost Rassisten und Neofa- schisten. Obendrein wird das ohnehin müde „Bündnis der Anständigen“ gefährdet. So kurzsichtig darf man nicht sein. „Mehr Demokratie“ war ein Slogan Willi Brandts und es war eine Forderung der Grünen seit ihrer Gründung. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 121. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 7. September 2004 11075 (A) (C) (B) (D) Es war auch ein Versprechen, mit dem Rot-Grün 1998 den Regierungswechsel schaffte. Geblieben ist davon fast nichts. Seit nunmehr sechs Jahren pokert Rot-Grün erfolgreich gegen Volksabstimmungen auf Bundesebene. Selbst ein Plebiszit über die künftige EU-Verfassung – ein aktuelles Begehr – scheitert nicht nur an der CDU/ CSU, sondern auch an Rot-Grün. Ich wiederhole für die PDS im Bundestag: Mehr Demokratie ist eine Schlüssel- frage, um die politischen Krise positiv zu wenden. 80 Prozent der Bevölkerung wollen dies. Sie wollen mehr Mitbestimmung und keine Basta-Politik. Sie haben Recht. 121. Sitzung Berlin, Dienstag, den 7. September 2004 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Georg Schirmbeck


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Ich möchte keine Zwischenfragen beantworten. – Sie

    können, so wie es die Arbeitsverwaltung macht, folgen-
    dermaßen vorgehen: Sie bauen in Nienburg ein großes
    Zelt auf einem Spargelfeld auf, schicken alle Langzeitar-
    beitslosen dorthin und stellen nach zwei Tagen fest, dass
    niemand mehr da ist. Sie können aber auch zielgerichtet
    jeden einzelnen Langzeitarbeitslosen ansprechen, indivi-
    duell etwas für ihn tun und ihn in die Situation bringen,
    das, was Sie ihm mit christlicher Hand anbieten, auch
    fairerweise annehmen zu können. Das ist Sozialpolitik
    und hilft uns in Deutschland weiter, Herr Kollege
    Binding. Wenn Sie uns in die sozialpolitische Ecke stel-
    len wollen, dann weise ich darauf hin, dass unsere so-
    ziale Marktwirtschaft das Produkt von CDU, CSU und
    FDP ist. Darauf sind wir stolz.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Waltraud Lehn [SPD]: So etwas Bigottes habe ich schon lange nicht mehr gehört!)


    Was brauchen wir in Deutschland in Wirklichkeit?
    Heute Morgen wurde festgestellt, dass wir ein zweites
    Standbein für den Aufschwung brauchen. Der Export
    läuft; daneben brauchen wir ein weiteres Standbein. Herr
    Minister, ich sage Ihnen, was an dieser Stelle notwendig
    ist. Das zweite Standbein heißt Vertrauen.


    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Wir brauchen Vertrauen in die Handelnden und darin,
    dass die beschlossenen Gesetze und getroffenen Verab-
    redungen auch eingehalten werden. Wer investiert denn
    in unserem Land, wenn er nicht weiß, ob er die Anlage
    oder die Einrichtung, in die er investiert hat, in der nor-
    malen Abschreibungszeit überhaupt betreiben kann?
    Fragen Sie doch ihre rot-grüne Klientel, was Sie alles
    machen. Sie verschrecken die Investoren im Land und
    wundern sich, dass das eigentlich vorhandene Geld nicht
    investiert wird. Zu mir kommen immer mehr Unterneh-
    mer, die eine Idee haben und wissen, wie sie vorgehen
    müssten, die sich aber dieses Theater erst einmal an-
    schauen und die Sprechblasen anhören wollen statt zu
    investieren.

    Was im Großen gilt, gilt auch im Kleinen. Der kleine
    Sparer sagt sich: Ich weiß nicht, was morgen ist, ob ich
    Arbeit habe und wie hoch meine Rente ausfallen wird. In
    dieser Situation spart er weiter. Er bringt das Geld nicht
    in den Wirtschaftskreislauf ein, obwohl er es ausgeben
    könnte.


    (Joachim Poß [SPD]: Deswegen haben Sie so klare Konzepte!)


    Das führt dazu, dass die Binnenkonjunktur und der Kon-
    sum nicht angekurbelt werden. Das ist das konkrete Er-
    gebnis des von Ihnen angerichteten Desasters.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deshalb wiederhole ich: Das Wichtigste, das wir leis-

    ten müssen, ist, dass die in Deutschland vorhandene Ar-
    beit fairerweise denen angeboten wird, die heute keine
    Arbeit haben, und zwar unter solchen Umständen, dass
    sie dieser Arbeit überhaupt nachgehen können. Denn es
    gibt in Deutschland Arbeit. In vielen Wirtschaftsberei-
    chen gibt es keine Deutschen mehr. Dem Einwand, dass
    dann die Arbeitskräfte aus Osteuropa kommen, halte ich
    entgegen: Stellt euch einmal vor, die osteuropäischen
    Arbeitskräfte, die bereits hier sind, würden streiken.
    Dann würden ganze Wirtschaftsbereiche zusammenbre-
    chen. Deshalb müssen wir die Arbeit fairerweise unserer
    Klientel anbieten. In diesem Zusammenhang lässt sich
    Vieles auf den Weg bringen.

    Dass die Menschen Vertrauen in die Regierenden, in
    die Handelnden bzw. in die haben, die handeln müssten,
    ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass es in
    Deutschland wieder aufwärts geht. Das geschieht am
    besten dadurch, dass diese Regierung abtritt.

    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat

der Kollege Carsten Schneider von der SPD-Fraktion
das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Carsten Schneider


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kol-
    lege Schirmbeck, obwohl ich Ihre Rede sehr aufmerk-
    sam verfolgt habe,


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das hat sich gelohnt!)


    habe ich keinen Bezug zu den aktuellen Haushaltspro-
    blemen und zu der heute anstehenden allgemeinen Fi-
    nanzdebatte erkennen können. Das zieht sich – das wer-
    den Sie sicherlich nicht gerne hören – wie ein roter
    Faden durch die Reden aller Abgeordneten Ihrer Frak-
    tion. Ich bedauere sehr, dass die heutige Finanzdebatte
    über das Haushaltsjahr 2005, das für die Bundesrepublik
    und auch für die Regierung eine besondere Bedeutung
    hat, so beginnt. Ich wünsche mir eine Opposition, die ih-
    rer Verantwortung tatsächlich gerecht wird.


    (Beifall bei der SPD)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU

    – die Kollegen von der FDP nehme ich ausdrücklich
    aus –, Sie sind Ihrer Verantwortung schon im vorigen
    Jahr nicht gerecht geworden, als Sie im Haushaltsaus-
    schuss nicht einen einzigen Änderungsantrag gestellt ha-
    ben. Das war Blockade und Arbeitsverweigerung pur
    und ist leider eine Fortsetzung dessen, was Sie all die
    Jahre zuvor gemacht haben. Wir haben keine Antwort
    auf die Frage bekommen – Kollege Binding hat dies be-
    reits ausgeführt; man kann hier auch die „Welt am
    Sonntag“ zurate ziehen, die wirklich kein sozialdemo-
    kratisches Blatt ist –, wie Sie Ihre Einsparvorschläge mit
    einem Gesamtvolumen von 100 Milliarden Euro finan-
    zieren wollen. Ich habe der Presse entnommen, dass
    Herr Austermann die Etatausgaben um 7,5 Milliar-
    den Euro kürzen will, während Herr Stoiber 12,9 Mil-
    liarden Euro vorschlägt. Wie viel und wo soll denn nun
    konkret eingespart werden? Etwa bei der Land-
    wirtschaft? Oder ist sie wieder sakrosankt? Nichts ist






    (A) (C)



    (B) (D)


    Carsten Schneider

    erkennbar. Ich kann nur hoffen, dass Sie im Laufe der
    Beratungen – wir haben ja drei Monate Zeit – zu einer
    besseren Einsicht kommen, Ihre Verantwortung wahr-
    nehmen und ihr auch gerecht werden.

    Nun zu den Zahlen und dem vom Kollegen Eichel
    heute Morgen vorgestellten Entwurf des Bundeshaus-
    halts 2005: Wir werden den Entwurf in den Ausschuss-
    beratungen sehr sorgsam prüfen und an der einen oder
    anderen Stelle, an der es sich anbietet, Änderungen vor-
    nehmen. Die Zeiten sind angesichts der wirtschaftlichen
    Entwicklung, insbesondere angesichts der Wachstums-
    schwäche in den vergangenen drei Jahren, die sich natür-
    lich auch auf die Einnahmesituation des Bundes und der
    Länder negativ ausgewirkt hat, und angesichts der Vor-
    belastung des Haushalts – ich erinnere nur daran, dass
    wir jedes Jahr 40 Milliarden Euro Zinszahlungen zu leis-
    ten haben – sehr schwierig.

    Kurz zu den Zahlen: Nach der Steuerschätzung vom
    Mai dieses Jahres werden für 2005 Steuermindereinnah-
    men in Höhe von 9 Milliarden Euro erwartet. Wenn Sie
    im vorigen Jahr im Bundesrat Ihrer Verantwortung ge-
    recht geworden wären und an den entscheidenden Stel-
    len dem Subventionsabbau, der eine Verstetigung bzw.
    eine Verbreiterung der Einnahmebasis zur Folge gehabt
    hätte, zugestimmt hätten, hätten wir alleine im Jahr 2005
    mit 4 Milliarden Euro und im Jahr 2006 – summiert –
    mit 10,6 Milliarden Euro mehr im Bundeshaushalt rech-
    nen können. Die Länder hätten 9,9 Milliarden Euro und
    die Gemeinden 4,4 Milliarden Euro mehr zur Verfügung
    gehabt. Dieses Geld fehlt uns. In gewisser Weise ist es
    nicht nur eine Täuschung der Öffentlichkeit, sondern ein
    Frevel, wenn man im Bundesrat jeden Vorschlag zur
    Einnahmeverbesserung ablehnt, um anschließend auf die
    schlechte Finanzsituation der Länder hinzuweisen. Ich
    nenne als Beispiel nur Thüringen, dessen Nettokredit-
    aufnahme nach Maßgabe der mittelfristigen Finanzpla-
    nung in diesem Jahr bei null, tatsächlich aber bei
    1 Milliarde Euro liegt. Wir haben eine gemeinsame Ver-
    antwortung. Aber Sie sind sich dieser nicht bewusst und
    werden ihr erst recht nicht gerecht. Ich halte dies in ei-
    nem Land mit einem föderalen System – ich habe das
    schon in früheren Reden gesagt – einfach für verantwor-
    tungslos.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Es zeigt sich immer wieder – das ist am perfidesten –,
    dass Sie keine gemeinwohlorientierte Politik, sondern
    eine reine Klientelpolitik betreiben. Ich nenne als Bei-
    spiel nur die Agrarbeihilfen, über die wir im vorigen
    Jahr auf Geheiß von Herrn Stoiber nicht verhandeln
    durften. Auch in der gestrigen Anhörung des Haushalts-
    ausschusses haben Sie nicht erkennen lassen, dass Sie
    sich dazu durchringen können, an dieser Stelle Subven-
    tionen zu streichen, um die dadurch frei werdenden Mit-
    tel anderen Bereichen zur Verfügung zu stellen oder zur
    Minderung der Schuldenlast einzusetzen. Auch dies ist
    nicht möglich. Letztendlich zahlen wir die Zinsen für die
    Schulden, die dadurch zusätzlich entstehen.

    Es zeigt sich immer mehr, dass Sie sich dann, wenn es
    richtig heiß wird, wenn Standfestigkeit gefragt ist, wenn
    es heißt, bei den Bürgern für seine Ideen und Überzeu-
    gungen einzustehen, schnell vom Acker machen, und
    zwar schneller, als ich mir persönlich das habe vorstellen
    können. Einen Ausreißer in negativer Hinsicht stellt da-
    bei der Ministerpräsident von Sachsen, Herr Milbradt,
    dar. Zuerst möchte er im Vermittlungsausschuss – das
    hat er auch öffentlich gemacht – mithilfe eines Existenz-
    gründergesetzes einen breiten Niedriglohnsektor im Os-
    ten Deutschlands etablieren. Wenn aber die – von uns
    abgemilderten – Hartz-IV-Reformen tatsächlich umge-
    setzt werden sollen, dann macht er sich vom Acker und
    hat nicht den Mumm, sich den Protesten zu stellen; viel-
    mehr stellt er sich an ihre Spitze. Das ist nicht nur per-
    fide, sondern auch verlogen. Wenn das das Führungsper-
    sonal der CDU ist, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht,
    Deutschland!


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Dass ein so junger Kollege wie Sie mit Begriffen wie „verlogen“ hantiert, ist zumindest bemerkenswert!)


    Noch ein paar Zahlen zur Klarheit des Bundeshaus-
    halts. Wir haben in den vergangenen Jahren eine eindeu-
    tig begrenzende Ausgabenpolitik betrieben. Das
    Wachstum auf der Ausgabenseite ist sehr gering. Bei be-
    reinigter Betrachtung zeigt sich, dass es unterhalb der In-
    flationsrate liegt. Unser Problem war die von mir bereits
    angesprochene Einnahmesituation, die besonders durch
    die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage gekennzeichnet
    ist. Vor allem hatte sie an Ihrer Blockade der Verbesse-
    rung der Steuereinnahmebasis zu leiden.


    (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Die Wiederholung macht es nicht besser!)


    Schauen wir uns die Ausgaben des Bundes an: Im
    Jahr 2005 liegt die Ausgabenquote, gemessen am Brutto-
    inlandsprodukt, bei 11,5 Prozent. 1998 hat sie noch
    12,1 Prozent betragen. Die Kreditfinanzierungsquote
    liegt 2005 mit 8,5 Prozent weitaus niedriger als 1998,
    wo sie noch sage und schreibe 12,3 Prozent betragen hat.
    Dies alles geschah in den letzten Jahren vor dem Hinter-
    grund einer sich verschlechternden wirtschaftlichen Ba-
    sis.

    Aber ich möchte nicht zu sehr in der Vergangenheit
    verweilen, sondern im Rahmen dieser Haushaltsberatun-
    gen auf einige Punkte eingehen, die die Zukunft betref-
    fen. Das Kabinett hat mit Einbringung des Haushaltes
    die Abschaffung der Eigenheimzulage auf den Weg ge-
    bracht. Das soll für den Bund im Finanzplanungszeit-
    raum bis 2008 frei werdende Mittel – das ist angesichts
    knapper öffentlicher Kassen der richtige Weg – in Höhe
    von 3 Milliarden Euro bedeuten. Diese Mittel sollen
    komplett in den Bereich „Bildung und Forschung“ in-
    vestiert werden.

    Ich halte dies für den richtigen Weg im Umgang mit
    der größten Einzelsubvention des Bundes. In Erfurt gibt
    es viel grüne Wiese und viele Neubaumaßnahmen.
    Wohnraum ist eigentlich – ich erinnere an die Diskussio-
    nen der vergangenen Jahre – zur Genüge vorhanden. Auf
    der einen Seite wird der Abriss und auf der anderen Seite






    (A) (C)



    (B) (D)


    Carsten Schneider

    wird die Schaffung von Wohneigentum finanziert. Die
    Eigenheimzulage ist eine Subvention, die wir nicht mehr
    brauchen.


    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wird dieser Wohnraum mit Eigenheimzulage gebaut? Seit wann gibt es denn für Mietwohnungsbau Eigenheimzulage, Herr Kollege Schneider?)


    Ich bitte Sie deswegen, dem Haushalt zuzustimmen.
    Sorgen Sie mit dafür, dass wir insbesondere den Ländern
    die Mittel geben, die ihnen Spielräume verschaffen, ihre
    bildungspolitischen Vorstellungen, die sie für sich im-
    mer wieder sehr in Anspruch nehmen, tatsächlich umzu-
    setzen! Bei voller Wirksamkeit wären das insgesamt
    6 Milliarden Euro. Ich glaube, dass die Investitionen
    weg vom Beton hin zu mehr Bildung und Forschung in
    Wissen der richtige Weg sind. Ich hoffe, dass Sie dem
    letztendlich zustimmen werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Steigerungen im Haushalt für Bildung und For-
    schung umfassen mehr als eine reine Erhöhung der
    Finanzmittel; auch die Qualität der Ausgaben muss ver-
    bessert werden. Das heißt zum Beispiel, dass den großen
    Forschungsorganisationen jährliche Steigerungen in
    Höhe von 3 Prozent, gespeist aus diesen Mitteln, zugesi-
    chert werden. Für die Verknüpfung von Hochschulen
    und Industrie ist es sehr wichtig, dass die vorhandenen
    Kapazitäten – sie sind ausgesprochen gut; im Weltmaß-
    stab sind sie sogar wirklich hervorragend – stärker ge-
    nutzt werden, weswegen zum Beispiel mehr Doktoran-
    den eingestellt werden.

    Dies gelingt aber nur, wenn die Forschungsorganisa-
    tionen – ich nenne insbesondere die Max-Planck-Gesell-
    schaft – dies umsetzen wollen. Die Bundesregierung hat
    die Einspeisung in einen Pakt für die Forschung vorge-
    schlagen. Ich als Berichterstatter für diesen Bereich be-
    halte mir vor, die 3-prozentige Erhöhung daran zu knüp-
    fen, dass die Qualität der Zusammenarbeit zwischen
    Universitäten und Forschungsorganisationen tatsächlich
    verbessert wird. Ich kann die Empfänger der Mittel nur
    dazu auffordern, auf dem eingeschlagenen Weg voranzu-
    gehen.


    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Jetzt droht er wieder dem Finanzminister! Da bin ich mal gespannt!)


    Ich möchte auf ein anderes zentrales Problem zu spre-
    chen kommen. Auch gestern haben in mehreren Städten,
    insbesondere in Ostdeutschland, Menschen gegen die
    beschlossenen Arbeitsmarktreformen demonstriert.


    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Jawohl!)

    Ich persönlich nehme diese Proteste sehr ernst und stelle
    mich ihnen. Ich meine, wir alle, die wir diesen Reformen
    – auch in der Überzeugung, dass sie notwendig sind –
    zugestimmt haben, haben die Verpflichtung, die Men-
    schen zu überzeugen. Das gilt in Ost- wie in West-
    deutschland. Dazu gehört aber nicht nur, die Hand zu
    heben, sondern dazu gehört auch, den Prozess zu mode-
    rieren und sich der Auseinandersetzung vor Ort zu stel-
    len.

    Dazu gehört des Weiteren – das merke ich in den Ge-
    sprächen mit den verschiedenen Bevölkerungsgruppen –
    ein positiver Blick in die Zukunft. Was die Förderung
    der neuen Bundesländer betrifft, so hat die Bundesregie-
    rung mit dem Solidarpakt II, der 2005 in Kraft treten
    wird, eine entscheidende Weichenstellung bis zum Jahr
    2019 vorgenommen. Damit gibt es ein Gesamtvolumen
    von 156 Milliarden Euro für die neuen Bundesländer.
    100 Milliarden Euro werden den Ländern direkt über-
    wiesen und 56 Milliarden Euro kommen aus dem Bun-
    deshaushalt. Ich möchte zu beiden Punkten noch etwas
    sagen.

    Zum ersten Punkt. Ich erinnere mich daran, dass es
    besonders der ehemalige Kollege Biedenkopf war, der
    darauf gedrungen hat, dass diese Mittel den Ländern frei
    zur Verfügung gestellt werden. Nun zeigt sich in der Dis-
    kussion über die Fortschrittsberichte seit 2002 – der Be-
    richt für 2003 wird uns im November vorliegen –, dass
    diese Mittel nicht zweckgemäß eingesetzt werden, zu-
    mindest nicht in dem Umfang, der notwendig wäre.

    Ich kann den neuen Bundesländern nur sagen, dass sie
    der Solidarität, die sie sowohl gegenüber dem Bund als
    auch gegenüber den alten Bundesländern in Anspruch
    nehmen, nur gerecht werden, wenn sie diese Mittel in-
    vestiv nutzen, nämlich vor allem zum Schließen der In-
    frastrukturlücke. Das tun sie nur sehr bedingt. Ich kann
    sie an dieser Stelle nur auffordern, dies zu ändern. An-
    sonsten würde es langfristig Schwierigkeiten geben, so-
    wohl was die Legitimation gegenüber der Bevölkerung
    als auch was die Akzeptanz hier im Deutschen Bundes-
    tag angeht.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Zum zweiten Punkt. Dabei geht es um das, was der

    Kollege Austermann heute angesprochen hat, um die
    GA-Mittel. Sie sind Bestandteil des Korbes 2, der
    56 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt. Dieser
    Korb 2 ist festgelegt. Die GA-Mittel haben eine elemen-
    tare Bedeutung. Der Kollege hat heute Morgen behaup-
    tet – er ist nicht mehr hier, aber der Klarheit halber muss
    ich es sagen –, dass diese Mittel um die Hälfte reduziert
    werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt auch
    für diesen Bereich einen Finanzplanungszeitraum, in
    dem eine schrittweise degressive Absenkung vorgesehen
    ist. Dafür gibt es einen regionalen Planungsausschuss.
    Dieser Absenkung haben die Kolleginnen und Kollegen
    von der CDU/CSU im Bundesrat und im Bundestag zu-
    gestimmt.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir haben jetzt bis zum Jahr 2007 die Festlegung,
    dass die Gesamtlinie bei 700 Millionen Euro liegt. Sie
    sollte nach der mittelfristigen Finanzplanung eigentlich
    niedriger sein. Weil Investitionen für Arbeitsplätze im
    ersten Arbeitsmarkt absolute Priorität haben, haben wir
    uns als Ostdeutsche an dieser Stelle durchgesetzt. Ich
    möchte mich beim Bundesfinanzminister und beim Bun-
    deswirtschaftsminister dafür bedanken, dass diese Mittel






    (A) (C)



    (B) (D)


    Carsten Schneider

    nun in der Höhe zur Verfügung stehen. Dann muss man
    sie aber auch einsetzen.

    Noch eine letzte Bemerkung dazu. Thüringen hat
    diese Mittel im Jahr 2002 nur zu 75 Prozent und im Jahr
    2003 nur zu 65 Prozent in Anspruch genommen. Das
    heißt – das muss man einmal klar sagen –: Sie sind lie-
    gen geblieben, weil es in diesem Land nicht möglich
    war, klare Entscheidungen für Strukturreformen zu tref-
    fen.