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    Plenarprotokoll 15/121 Tagesordnungspunkt 11: Haushaltsausschusses zu dem Antrag des
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    Berichtigung 118. Sitzung, Seite 10848 (D), dritter Absatz, der letzte Satz ist wie folgt zu lesen: „Ich nehme zustim- mend zur Kenntnis, dass der Entwurf der Management- antwort auf den Salim-Report bereits eine Reihe von An- regungen konstruktiv aufgreift.“ Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 121. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 7. September 2004 11073 (A) (C) (B) (D) ten Gesetz über moderne Dienstleistungen am Arbeits- markt – Hartz IV –, das als Ergebnis der Beratungen des zugewiesenen Aufgaben besonders in den Problemregio- nen des Arbeitsmarktes nicht erwartet werden kann. Ich kann dem Kommunalen Optionsgesetz zum Vier- beschäftigt, dass eine angemessene Verwaltung der neu Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO Anlage 2 Nachträglich zu Protokoll gegebene Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Christoph Bergner (CDU/ CSU) zur Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur optionalen Trägerschaft der Kom- munen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetz- buch (Kommunales Optionsgesetz) (119. Sit- zung, Zusatztagesordnungspunkt 12) Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Barthel (Berlin), Eckhardt SPD 07.09.2004 Bindig, Rudolf SPD 07.09.2004* Dr. Guttmacher, Karlheinz FDP 07.09.2004 Kumpf, Ute SPD 07.09.2004 Lintner, Eduard CDU/CSU 07.09.2004* Meckel, Markus SPD 07.09.2004 Raidel, Hans CDU/CSU 07.09.2004** Schauerte, Hartmut CDU/CSU 07.09.2004 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 07.09.2004 Schöler, Walter SPD 07.09.2004 Schösser, Fritz SPD 07.09.2004 Schreck, Wilfried SPD 07.09.2004 Schultz (Everswinkel), Reinhard SPD 07.09.2004 Dr. Schwall-Düren, Angelica SPD 07.09.2004 Schwanitz, Rolf SPD 07.09.2004 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 07.09.2004 Anlagen zum Stenografischen Bericht Vermittlungsausschusses vom 30. Juni 2004 dem Deut- schen Bundestag zugeleitet wurde, nicht zustimmen. Ich verweise auf die unzureichende Umsetzung des Grund- satzes „Fördern und Fordern“, auf die die CDU/CSU- Fraktion an anderer Stelle aufmerksam macht – Druck- sache 15/3541. Mein Haupteinwand besteht jedoch darin, dass der damit erreichte Stand der Gesetzgebung nicht ausreicht, um einen verantwortbaren Reformverlauf zu sichern. Das vorliegende Gesetz hat insbesondere für Regio- nen mit hoher Langzeitarbeitslosigkeit erhebliche Aus- wirkungen, indem es die Modalitäten der Trägerverant- wortung festlegt, den Finanzausgleich praktisch abschließend regelt und damit auch den Zeitpunkt der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum 1. Januar 2005 endgültig fixiert. In der kurzen Prüfungszeit, die zwischen Vorlage des Vermittlungsergebnisses und der Entscheidung über mein Abstimmungsverhalten zur Verfügung stand, bin ich angesichts der weiterreichenden Konsequenzen des Gesetzes zu dem Schluss gekommen, dass die in ihm vorgegebenen Regelungen keine ausreichende Vorsorge für zu erwartende Umsetzungsprobleme liefern. Ich halte die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu einer einheitlichen steuerfinanzierten Leistung für richtig und notwendig und habe diese Auf- fassung im Bundestagswahlkampf 2002 auch gegen Vor- würfe von Sozialdemokraten verteidigt. Dabei war mir stets bewusst, das eine solche Reform einen erheblichen Einschnitt in das soziale Leistungsgefüge unseres Staa- tes bedeutet, der mit Blick auf die Betroffenen nur dann verantwortbar ist, wenn die erforderliche Vollzugssorg- falt gewährleistet werden kann. Dies ist nach Lage der Dinge offenbar nicht gegeben. Die Bundesregierung hat den Entwurf des Optionsgeset- zes sehr viel später vorgelegt als geplant. Sie war jedoch nicht bereit, den Inkraftsetzungstermin um einige Zeit zu verschieben und hat damit die nachfolgende Umsetzung unter einen Zeitdruck gesetzt, der die Beteiligten zwangsläufig überfordern wird. Die bisherigen Beratun- gen haben keine hinreichende Transparenz in die kom- plexen Finanzströme zwischen Bundesanstalt, Länder und Kommunen gebracht. So bleibt bei dem vorliegen- den Gesetz völlig unklar, ob in Regionen mit hoher Ar- beitslosigkeit angemessene Mittel für die erforderlichen Eingliederungsleistungen zur Verfügung stehen. Die Er- wartung einer aktivierenden Hilfe für erwerbsfähige Ar- beitslose wird damit gerade dort unerfüllt bleiben, wo sie am dringlichsten ist. Die Bundesagenturen für Arbeit, denen nach den Hartz-IV-Regelungen eine Schlüsselverantwortung zu- kommt, sind nach meiner Beobachtung vielerorts so stark mit der Umsetzung der anderen „Hartz-Gesetze“ 11074 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 121. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 7. September 2004 (A) (C) (B) (D) Auch dies wäre ein Argument für eine Verschiebung der Inkraftsetzung gewesen. Für zahlreiche Kommunen sind bei den Unterkunfts- kosten zusätzliche Finanzlasten zu erwarten. Der dafür vorgesehene Ausgleich ist unzureichend geregelt. Um nachfolgende Verteilungskonflikte, die möglicherweise sogar auf dem Rücken der Leistungsempfänger ausgetra- gen werden, zu vermeiden, hätte es eines klaren, gründ- lich geprüften Zuwendungsgesetzes bedurft. Die Betroffenen, die Einkommenskürzungen hinneh- men müssen, werden so zusätzlich zu Opfern eines Um- setzungschaos gemacht. Das kann nicht im Interesse ei- nes Reformanliegens sein, das ich ausdrücklich für notwendig halte und unterstütze. Ich halte die jüngste Verständigung im Vermittlungs- ausschuss für noch nicht ausreichend, um eine verant- wortbare Umsetzung zu ermöglichen, und lehne sie des- halb ab. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2005, hier: Einzelplan 06, Bundesministerium des Innern (Haushaltsge- setz 2005) (Tagesordnungspunkt 1) Petra Pau (fraktionslos): Vor drei Jahren, am 11. September 2001, gab es die verheerenden Attentate in New York und Washington. Der Bundestag reagierte damals parteiübergreifend mit Trauer und mit Solidari- tät. Zugleich wurden die eigenen Gesetze für innere Si- cherheit im Bündel verschärft, zum Teil drastisch. Das Ganze wurde in Anlehnung an den Bundesinnenminister als „Otto-Paket I“ und „Otto-Paket II“ bezeichnet. Die waren, vorsichtig formuliert, nicht unumstritten. Die PDS lehnte sie ab, weil sie tief in verbriefte Bürgerrechte eingreifen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN versprach damals, ihre Wirkungen und Nebenwirkungen nach zwei bis drei Jah- ren gründlich zu prüfen. Diese Frist ist um. Allerdings höre ich nichts von der versprochenen parlamentarischen Überprüfung. Deshalb erinnere ich daran, ich fordere sie namens der PDS ein. Stattdessen vernehme ich andere Signale. Sie kom- men nicht mehr kompakt, als Paket daher, sie werden aber permanent versendet. Demnach sollen Sicherheits- behörden zentralisiert, Befugnisse erweitert und Kompe- tenzen vermischt werden. Das Gebot der Trennung von Polizei und Geheimdiensten wird immer häufiger in- frage gestellt. Und die Bundeswehr soll im Innern einge- setzt werden – jedenfalls nach dem Willen der CDU/ CSU. Die PDS lehnt das ab. Aber darum geht es nur in zweiter Linie. Die eigentlichen Fragen sind: Wie viele Bürgerrechte dürfen namens einer realen oder vermeint- lichen Terrorgefahr abgeräumt werden? Und welchen tatsächlichen Nährwert hat das für die versprochene Si- cherheit? Das betrifft auch den Datenschutz. Er ist, er wird massiv gefährdet. Die USA fordern von allen Passagie- ren, die ein- oder überfliegen, mehr als 30 persönliche Daten. Das EU-Parlament klagt dagegen. Bundesinnen- minister Schily, SPD, und Bundesaußenminister Fischer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, indes haben dem Daten- Deal zugestimmt. Das ist ein unglaublicher Vorgang. Es gibt ein zweites, aktuelles Beispiel: Die 16-seiti- gen Fragebögen für das neue Arbeitslosengeld II werden von offiziellen Datenschützern kritisiert. Ich habe die Bundesregierung gefragt, ob sie ihr Vorgehen für recht- lich korrekt hält. Die Antwort lautet im Kern: Nein, aber wir tun es dennoch. – Wer so agiert, darf sich bei nie- mandem über mangelndes Rechtsbewusstsein und bei keinem wegen Parteienverdrusses beschweren. Der Volksmund weiß: Der faule Fisch stinkt am Kopf zuerst. Ein weiteres Thema haben wir im Bundestag hinrei- chend gewälzt, mit schlechtem Erfolg: das Zuwande- rungsrecht. Vor fünf Jahren hatten SPD und Grüne ein modernes Gesetz versprochen. Am Ende aller Kommis- sionen, Kompromisse und Kuhhandel stand ein Papier, das von der CDU/CSU diktiert und von Rot-Grün geseg- net wurde. Bundesinnenminister Schily sattelt noch drauf. Er will Flüchtlingslager an der Küste Afrikas einrichten. Dank der „Süddeutschen Zeitung“ und einem Interview, das Heribert Prantl führte, wissen wir auch, warum. Dort greife weder EU- noch deutsches Recht, meinte der Bun- desinnenminister. So weit sind wir gekommen, so tief gesunken. Mit Vorsatz soll Menschen in Not der wenige Rechtsschutz versagt werden, der sie noch hoffen lässt. Dass CDU-Politiker dieser absurden Idee folgen, wun- dert mich nicht mehr. Dass auch Oskar Lafontaine dem Vorschlag zustimmt, spricht nicht für Otto Schily, son- dern gegen den SPD-Rebellen. Monat für Monat frage ich die Bundesregierung, wie viele rechtsextreme Straftaten registriert wurden und verfolgt werden. Wer dies, wie ich, tut, bekommt bestä- tigt, was viele im Lande erfahren – allemal Opfer von rechtsextremen Gewalttaten. Die Gefahr ist real und groß. Leider fragt im Bundestag nur die PDS danach, keine andere Partei. Im Schnitt gibt es täglich 20 rechts- extreme Straftaten und jeden Tag mehr als eine Gewalt- tat. Wer die Materie kennt, weiß auch: Die offizielle Sta- tistik stapelt tief. Die tatsächliche Gefahr ist viel größer. Inzwischen feiern rechtsextreme Parteien Wahl- erfolge. Sie verlassen den Hinter- oder Untergrund, sie präsentieren sich öffentlich. Wie aber reagieren die meisten Parteien des Bundestages darauf? Sie werfen die NPD und die PDS in einen Topf. Wer das tut, hat nichts verstanden. Schlimmer noch: Er beleidigt Zigtausende Antifaschisten und er verharmlost Rassisten und Neofa- schisten. Obendrein wird das ohnehin müde „Bündnis der Anständigen“ gefährdet. So kurzsichtig darf man nicht sein. „Mehr Demokratie“ war ein Slogan Willi Brandts und es war eine Forderung der Grünen seit ihrer Gründung. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 121. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 7. September 2004 11075 (A) (C) (B) (D) Es war auch ein Versprechen, mit dem Rot-Grün 1998 den Regierungswechsel schaffte. Geblieben ist davon fast nichts. Seit nunmehr sechs Jahren pokert Rot-Grün erfolgreich gegen Volksabstimmungen auf Bundesebene. Selbst ein Plebiszit über die künftige EU-Verfassung – ein aktuelles Begehr – scheitert nicht nur an der CDU/ CSU, sondern auch an Rot-Grün. Ich wiederhole für die PDS im Bundestag: Mehr Demokratie ist eine Schlüssel- frage, um die politischen Krise positiv zu wenden. 80 Prozent der Bevölkerung wollen dies. Sie wollen mehr Mitbestimmung und keine Basta-Politik. Sie haben Recht. 121. Sitzung Berlin, Dienstag, den 7. September 2004 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Lothar Binding


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen

    und Kollegen! Die Debatte über den Haushalt bietet im-
    mer auch Gelegenheit, an diejenigen zu denken, denen
    es im Staat wirklich schlecht geht.


    (Heinz Seiffert [CDU/CSU]: An euch! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Dann müssten wir von morgens bis abends an die Sozialdemokratie denken!)


    Es geht vielen Leuten nicht gut. Daran kann man erken-
    nen, worin die Aufgabe des Haushalts besteht, nämlich
    ihn in seiner dienenden Funktion für Soziales, Umwelt
    und Kultur zu entwickeln. Deshalb ist eine rein monetäre
    und finanzpolitische Betrachtung sicherlich nicht ziel-
    führend.


    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Der Finanzminister hat etwas anderes erklärt!)


    Natürlich gibt es Menschen, die für die Bekämpfung
    der Armut sofort eine Lösung haben. Sie sagen: Nehmt
    es von den Reichen! Diesen „superguten“ Ansatz hören
    wir von Oskar Gregor Lafonsi oder auch von
    Gyfontaine. Diese beiden haben vor und nach der Mög-
    lichkeit, Einfluss zu nehmen und das zu tun, was sie pre-
    digen, immer die richtigen Ideen. Aber während sie im
    Amt waren, haben sie merkwürdigerweise versagt.


    (Beifall bei der SPD)

    Ich habe mich – deshalb habe ich diese etwas selt-
    same Einleitung gewählt – etwas gewundert: Herr
    Austermann hat Hans Eichel vorgeworfen, nicht über
    den Haushalt geredet, sondern einen Themensalat for-
    muliert zu haben.


    (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das trifft auch zu! – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Ein sehr guter Kritikpunkt!)


    Als Herr Eichel über die Kommunen gesprochen hat, hat
    Herr Kampeter gefragt: Stehen sie auch im Bundeshalt?


    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Er wäre jetzt lieber wieder Oberbürgermeister!)


    Man erkennt etwas ganz Interessantes: Derjenige, der
    im Bund eine reine Fiskalpolitik macht, kann nicht am
    Ziel ankommen. Das will ich gleich etwas genauer zei-
    gen. Wer sich nämlich ein bisschen mit Verschuldung
    und Neuverschuldung befasst, der wird sehen, dass im
    Zusammenhang mit den Maastricht-Kriterien immer
    Hans Eichel den Kopf hinhalten muss, und zwar nicht
    nur für den Bundeshaushalt, sondern auch für die Län-
    derhaushalte, die Kommunalhaushalte und die Sozial-
    kassen. Hans Eichel bekommt in Europa Prügel für
    Dinge, die möglicherweise andere Leute zu verantwor-
    ten haben.

    Wenn ich einmal mit diesem Zollstock messe, wie
    sich die Verantwortung bis 1998 verteilt,


    (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Pass auf, dass du keine Schwarzarbeit machst!)


    dann sehen Sie, dass ich kein Schwarzarbeiter bin, aber
    mit dem Zollstock umgehen kann. Man erkennt daran
    sehr genau den Schuldenstand bis 1998.


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Daran hast du aber lange gebastelt! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


    – Ja, die Roten waren auch ein bisschen beteiligt. Wer
    sensibel ist und genau hinguckt, erkennt auch, dass die
    Gelben immer dabei waren.


    (Heiterkeit bei der SPD)

    Man erkennt aber auch die eigentlich geringe Zusatzbe-
    lastung in den letzten Jahren.


    (Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Gott sei Dank haben Sie nur so kurze Zeit regiert!)


    Gleichwohl merkt man: Die Dimension der Vorbelastun-
    gen, die wir 1998 in diesem Staat zu übernehmen hatten,
    erfordert ganz andere Anstrengungen, als Sie sie sich je-
    mals vorgenommen haben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)


    Ich setze ein paar ganz einfache Schlaglichter: Ihre
    Sozialpolitik lässt sich zusammenfassen mit dem Exis-
    tenzgrundlagengesetz. Jeder, der jetzt über Hartz sin-
    niert, sich darüber ärgert oder traurig ist, soll doch ein-
    fach dieses Gesetz einmal lesen. Dann weiß er, wo wir
    sozialpolitisch ankommen, wenn wir dieses Gesetz um-






    (A) (C)



    (B) (D)


    Lothar Binding (Heidelberg)


    setzen. Die Zuverdienstregelungen sind vorhin schon
    einmal erwähnt worden.

    Auch Ihren Vorschlag für das Kopfpauschalensystem
    muss man sich einmal genauer anschauen. Das wäre ein
    gravierender Eingriff in die Sozialgesetzgebung. Sie tun
    ja so, als würden die Armen und die Reichen gleich be-
    handelt. Das klingt wunderbar, weil man ihnen scheinbar
    gleich viel nimmt. Wer das als Sozialpolitik verkauft, der
    soll den zweiten Blick wagen.

    Wer sich Ihre dritte große Idee, die merzsche Steuer-
    reform, anguckt, wird erkennen, dass Merz erstens ver-
    gessen hat, die Unternehmensteuerreform zu integrieren.
    Zweitens hat er vergessen, uns zu erklären, wie er diese
    enormen Einnahmeausfälle im Bundeshaushalt über-
    haupt finanzieren will. Wir haben ja bereits gesehen, was
    passiert, wenn wir diesen Weg gehen.


    (Joachim Poß [SPD]: Nicht nur beim Bund, sondern auch bei den Ländern und Kommunen!)


    Jetzt will ich meinen Zollstock noch einmal ausklap-
    pen, weil wir eine „rote Phase“ hatten. Um deutlich zu
    machen, wie es aussähe, wenn Sie mit Schwarz-Gelb an
    der Regierung geblieben wären, habe ich diesen Teil des
    Zollstocks einmal grob extrapoliert. Wir erkennen, dass
    das nicht der richtige Weg sein kann.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Vorhin haben einige – ich glaube, Herr Meister war
    es – über die Körperschaftsteuer geredet. Sie haben ge-
    sagt, wir hätten Steuerschlupflöcher aufgerissen. Aber
    Sie wissen genau, dass die Körperschaftsteuer – diese
    könnte man auch messen – vor unserer Reform dem
    Staat nur geliehen war. Jeder Pfennig der Körperschaft-
    steuer, die Herr Waigel jemals eingenommen hat, musste
    automatisch nach einer gewissen Zeit, wenn an die
    Aktionäre ausgeschüttet wurde, immer komplett ausge-
    zahlt werden. Für mich waren diese so etwas wie heimli-
    che und nicht bilanzierte Schuldscheine von Herrn
    Waigel. Heute bilanzieren wir übrigens korrekt. Eben
    deshalb stellen wir auch einen etwas anderen Haushalt
    auf, als Sie ihn damals vorgeschlagen haben.

    An dieser Stelle ist auch zu beweisen, dass wir sogar
    den Reichen nehmen und genommen haben. Jochen Poß
    oder Jörg-Otto Spiller haben das vorhin sehr schön am
    Beispiel Bad Homburg erklärt. Dort mussten 1997 plötz-
    lich mehr Steuern erstattet werden, als überhaupt einge-
    nommen worden waren. Komischerweise ist das heute
    nicht mehr so. Warum? Weil es weniger oder fast keine
    Nullsteuermillionäre mehr gibt. Es ist absurderweise
    – das könnte auch Oskar Lafontaine irgendwann
    kapieren –


    (Steffen Kampeter Lafontaine ja öfter als wir! eben nicht so, dass man automatisch den Reichen Steuern zurückgibt, wenn man den Spitzensteuersatz senkt. Es ist viel besser, die Steuerschlupflöcher zu schließen und den Spitzensteuersatz zu senken. Dann hat man zwar eine wunderschöne Zahl beim Spitzensteuersatz; aber die Reichen zahlen trotzdem mehr als zuvor. Schließlich ist klar, dass wir im unteren Bereich, bei den Leuten, die bis 30 000 Euro verdienen, einen ganz großen Erfolg haben und diese Menschen entlasten. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Ich will den Zollstock nicht zum dritten Mal auspacken, obwohl aller guten Dinge drei sind. Ich weiß, dass Sie diese gelben langen Streifen lieben. Der gelbe Teil meines Zollstocks bedeutet aber Verantwortung. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Otto Fricke [FDP]: Deshalb haben Sie auch einen grünen Streifen an der Seite!)


    Das dritte Mal verkneife ich mir.
    Aber obwohl ich weiß, dass man mit jeder Zahl ein

    Drittel seiner Zuhörer verliert, will ich doch noch sechs
    Zahlen nennen. Das 100-Milliarden-Euro-Risiko Merkel
    ist bisher nur ein Label; aber es hat einen konkreten Hin-
    tergrund. Frau Merkel hat irgendwie die Idee, 10 Milliar-
    den zusätzlich auszugeben für eine Steuerreform,
    40 Milliarden für eine Kopfpauschale, 22 Milliarden für
    die Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei der
    Rentenberechnung, 12 Milliarden für die Mindestrente
    und 18 Milliarden für eine Kindergelderhöhung. Das
    macht zusammen 102 Milliarden. Ich frage: Wie will
    man das überhaupt finanzieren, wenn man sich überlegt,
    dass wir im Moment um 500 Millionen Euro und 1 Mil-
    liarde Euro kämpfen?


    (Peter Dreßen [SPD]: Lotto spielen!)

    Hier geht es um den Faktor 100. Das Konzept liegt voll-
    kommen neben der Realität.

    Abschließend will ich etwas Positives sagen. Das,
    was mich besonders freut, ist, dass die CDU/CSU, die
    sich im letzten Jahr überhaupt nicht an den Haushaltsbe-
    ratungen beteiligt hat und sozusagen ausgezogen ist, in
    diesem Jahr zu den Beratungen wieder hereingekommen
    ist.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Eine parlamentarische Kasperei!)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

Das Wort hat jetzt der Kollege Georg Schirmbeck von

der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Georg Schirmbeck


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich

    ist das eine verkehrte Welt: Frau Lehn und Herr Poß von
    der Regierungskoalition beschimpfen die Opposition.


    (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit Recht!)


    Dabei sind Sie doch auf der besseren Seite. Sie sollen re-
    gieren. Das erwarten wir von Ihnen. Regieren Sie, ent-
    wickeln Sie schlüssige Konzepte, überzeugen Sie die
    Bevölkerung und setzen Sie diese Konzepte um!


    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie können es doch nicht!)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Georg Schirmbeck

    Was stellen wir an jedem Wahlsonntag fest? Sie kriegen
    an jedem Wahlsonntag eine volle Klatsche. Wenn Sie
    dann dienstags oder mittwochs wieder hier sind, be-
    schimpfen Sie uns.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Minister Eichel, Sie waren einmal Oberbürger-

    meister in Kassel.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ist schon lange her!)

    Ich mache seit 27 Jahren Kommunalpolitik und habe zu
    den Kommunalpolitikern über alle Fraktionen hinweg
    ein gutes Verhältnis und diese haben bei mir einen Ver-
    trauensvorschuss. Sie haben sich heute Morgen vor lau-
    fenden Fernsehkameras dazu verstiegen, den Kommu-
    nen anzukündigen – Herr Kollege Poß hat das noch
    einmal unterstrichen –, dass wir, die kommunale Ebene,
    im nächsten Jahr um 6,5 Milliarden Euro entlastet wer-
    den.


    (Hans Eichel, Bundesminister: 6,6 Milliarden Euro!)


    – 6,6 Milliarden Euro, so kleinlich sind wir gar nicht. –
    Ich habe einmal ausgerechnet, was das für den Landkreis
    Osnabrück, in dem ich politische Verantwortung trage,
    bedeuten würde. Von den 6,6 Milliarden Euro entfiele
    ein Zehntel auf Niedersachsen. Das wären 660 Millionen
    Euro. Auf den Landkreis Osnabrück entfiele ein Zwan-
    zigstel der Summe für das Land Niedersachsen, also ein
    Betrag in Höhe von 32 Millionen bis 33 Millionen Euro.
    Ich sage Ihnen ehrlich: Wenn das eintritt, werden Sie so-
    fort zum Ehrenbürger im Landkreis Osnabrück gekürt.
    Das ist doch Fiktion, das ist dummes Zeug, was Sie hier
    erzählen! Die Realität ist, dass in Niedersachsen kaum
    ein Landkreis bzw. eine Kommune den Haushalt aus-
    gleichen kann. Die Tendenz verschlechtert sich noch.
    Das ist doch die Realität.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Jetzt werden Sie fragen – das dürfen Sie auch –, was

    wir tun würden, wenn wir regieren würden, und welche
    Alternativen wir hätten.


    (Zurufe von der SPD: Gute Frage! – Jetzt sind wir gespannt!)


    Die Realität ist doch, dass wir in Deutschland das Pro-
    blem haben, dass wir zu wenig Beschäftigung haben.


    (Waltraud Lehn [SPD]: Jetzt sagen Sie doch mal, wie Sie die steigern können!)


    Wir ziehen uns zwar an den Arbeitslosenzahlen jeweils
    am 4. oder 5. eines Monats hoch; aber in Wirklichkeit ist
    viel entscheidender die Zahl der Menschen, die in Arbeit
    und Brot sind. Denn sie erbringen eine Wertschöpfung,
    sie zahlen Steuern und entrichten Beiträge zu den Sozial-
    versicherungskassen. Wir aber geben auf allen Ebenen
    über 80 Milliarden Euro für die Verkleisterung der Ar-
    beitslosigkeit aus, nicht um sie zu beheben, sondern um
    die Leute ruhig zu stellen. So ist doch die Realität.


    (Waltraud Lehn [SPD]: Das ist aber eine interessante Sichtweise!)

    Sie haben uns in der Vergangenheit große Konzepte
    angeboten. Ich erinnere mich noch an 1998. Einen Som-
    mer lang tanzte ein Herr Stollmann; anschließend, als
    das Kabinett gebildet wurde, war er zum Segeln in der
    Südsee. Jetzt hat immerhin zwei Jahre lang ein Herr
    Hartz getanzt. Herr Müntefering hat gesagt, Hartz müsse
    man langsam aus dem Gefecht ziehen. Herr Clement war
    zwischenzeitlich in Deutschland mit der Aktion „Team-
    arbeit für Deutschland“ unterwegs. Was hat das ge-
    bracht? Es hat viel gekostet, die Leute in die Irre geführt
    und die Beschäftigtenzahl in Deutschland ist zurückge-
    gangen. Das ist die Realität.

    Jetzt komme ich zu dem, was man tun kann. Ich bin
    Vorsitzender eines Vereins mit sieben Mitgliedern, der
    im letzten Jahr 169 Menschen, die im Durchschnitt ein-
    einhalb Jahre arbeitslos waren, vorbereitet hat, um sie
    überhaupt in die Lage zu versetzen, Beschäftigung auf-
    zunehmen.


    (Peter Dreßen [SPD]: Und wer hat das bezahlt?)


    – Ich komme darauf zurück. – Der Landkreis Osna-
    brück, in dem ich Verantwortung trage, hat in den letz-
    ten zehn Jahren 7 000 vorher im Durchschnitt mehr als
    eineinhalb Jahre arbeitslose Menschen in Arbeit und
    Brot vermittelt. Davon sind über 65 Prozent heute noch
    in Beschäftigung.

    Einen Drehtüreffekt, wie Sie ihn vielleicht in Kassel
    erlebt haben, Herr Minister, in Verbindung mit dem ent-
    sprechenden kommunalpolitischen Desaster, das es dort
    gegeben hat, gibt es bei uns nicht. Das, was wir machen,
    gibt es nicht nur im Landkreis Osnabrück, sondern die-
    ses Beispiel wird auch in vielen anderen Kommunen
    aufgegriffen.


    (Lothar Mark [SPD]: Wer finanziert das?)

    Unsere Arbeit hat im Ergebnis dazu geführt, dass wir
    nicht nur den 7 000 unmittelbar Betroffenen eine mensch-
    liche Perspektive geboten haben, sondern auch den Fami-
    lien, die in aller Regel dahinterstehen.

    Was haben wir eigentlich gemacht? Wir haben in die
    betroffenen Menschen investiert, indem wir sie thera-
    piert und zum Arzt geschickt haben und indem wir un-
    terschiedlichste Aktionen durchgeführt haben. Alles zu-
    sammengerechnet haben wir im Kreishaushalt jährlich
    13 Millionen Euro gespart.

    Jetzt fragen Sie bestimmt, wer das alles bezahlt hat.
    Sicherlich ist das an der einen oder anderen Stelle auch
    durch die Arbeitsverwaltung finanziert worden. Aber Sie
    werden auch feststellen, dass uns die Arbeitsverwaltung
    bzw. die Agentur für Arbeit, wie Sie sie inzwischen
    künstlerisch umbenannt haben, oft genug Knüppel zwi-
    schen die Beine geworfen hat, weil sie uns nicht die er-
    forderliche Entscheidungsfreiheit gewährt hat, um den
    individuellen Fall so bearbeiten zu können, wie es not-
    wendig ist.