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    Plenarprotokoll 15/121 Tagesordnungspunkt 11: Haushaltsausschusses zu dem Antrag des
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    Berichtigung 118. Sitzung, Seite 10848 (D), dritter Absatz, der letzte Satz ist wie folgt zu lesen: „Ich nehme zustim- mend zur Kenntnis, dass der Entwurf der Management- antwort auf den Salim-Report bereits eine Reihe von An- regungen konstruktiv aufgreift.“ Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 121. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 7. September 2004 11073 (A) (C) (B) (D) ten Gesetz über moderne Dienstleistungen am Arbeits- markt – Hartz IV –, das als Ergebnis der Beratungen des zugewiesenen Aufgaben besonders in den Problemregio- nen des Arbeitsmarktes nicht erwartet werden kann. Ich kann dem Kommunalen Optionsgesetz zum Vier- beschäftigt, dass eine angemessene Verwaltung der neu Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO Anlage 2 Nachträglich zu Protokoll gegebene Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Christoph Bergner (CDU/ CSU) zur Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur optionalen Trägerschaft der Kom- munen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetz- buch (Kommunales Optionsgesetz) (119. Sit- zung, Zusatztagesordnungspunkt 12) Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Barthel (Berlin), Eckhardt SPD 07.09.2004 Bindig, Rudolf SPD 07.09.2004* Dr. Guttmacher, Karlheinz FDP 07.09.2004 Kumpf, Ute SPD 07.09.2004 Lintner, Eduard CDU/CSU 07.09.2004* Meckel, Markus SPD 07.09.2004 Raidel, Hans CDU/CSU 07.09.2004** Schauerte, Hartmut CDU/CSU 07.09.2004 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 07.09.2004 Schöler, Walter SPD 07.09.2004 Schösser, Fritz SPD 07.09.2004 Schreck, Wilfried SPD 07.09.2004 Schultz (Everswinkel), Reinhard SPD 07.09.2004 Dr. Schwall-Düren, Angelica SPD 07.09.2004 Schwanitz, Rolf SPD 07.09.2004 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 07.09.2004 Anlagen zum Stenografischen Bericht Vermittlungsausschusses vom 30. Juni 2004 dem Deut- schen Bundestag zugeleitet wurde, nicht zustimmen. Ich verweise auf die unzureichende Umsetzung des Grund- satzes „Fördern und Fordern“, auf die die CDU/CSU- Fraktion an anderer Stelle aufmerksam macht – Druck- sache 15/3541. Mein Haupteinwand besteht jedoch darin, dass der damit erreichte Stand der Gesetzgebung nicht ausreicht, um einen verantwortbaren Reformverlauf zu sichern. Das vorliegende Gesetz hat insbesondere für Regio- nen mit hoher Langzeitarbeitslosigkeit erhebliche Aus- wirkungen, indem es die Modalitäten der Trägerverant- wortung festlegt, den Finanzausgleich praktisch abschließend regelt und damit auch den Zeitpunkt der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum 1. Januar 2005 endgültig fixiert. In der kurzen Prüfungszeit, die zwischen Vorlage des Vermittlungsergebnisses und der Entscheidung über mein Abstimmungsverhalten zur Verfügung stand, bin ich angesichts der weiterreichenden Konsequenzen des Gesetzes zu dem Schluss gekommen, dass die in ihm vorgegebenen Regelungen keine ausreichende Vorsorge für zu erwartende Umsetzungsprobleme liefern. Ich halte die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu einer einheitlichen steuerfinanzierten Leistung für richtig und notwendig und habe diese Auf- fassung im Bundestagswahlkampf 2002 auch gegen Vor- würfe von Sozialdemokraten verteidigt. Dabei war mir stets bewusst, das eine solche Reform einen erheblichen Einschnitt in das soziale Leistungsgefüge unseres Staa- tes bedeutet, der mit Blick auf die Betroffenen nur dann verantwortbar ist, wenn die erforderliche Vollzugssorg- falt gewährleistet werden kann. Dies ist nach Lage der Dinge offenbar nicht gegeben. Die Bundesregierung hat den Entwurf des Optionsgeset- zes sehr viel später vorgelegt als geplant. Sie war jedoch nicht bereit, den Inkraftsetzungstermin um einige Zeit zu verschieben und hat damit die nachfolgende Umsetzung unter einen Zeitdruck gesetzt, der die Beteiligten zwangsläufig überfordern wird. Die bisherigen Beratun- gen haben keine hinreichende Transparenz in die kom- plexen Finanzströme zwischen Bundesanstalt, Länder und Kommunen gebracht. So bleibt bei dem vorliegen- den Gesetz völlig unklar, ob in Regionen mit hoher Ar- beitslosigkeit angemessene Mittel für die erforderlichen Eingliederungsleistungen zur Verfügung stehen. Die Er- wartung einer aktivierenden Hilfe für erwerbsfähige Ar- beitslose wird damit gerade dort unerfüllt bleiben, wo sie am dringlichsten ist. Die Bundesagenturen für Arbeit, denen nach den Hartz-IV-Regelungen eine Schlüsselverantwortung zu- kommt, sind nach meiner Beobachtung vielerorts so stark mit der Umsetzung der anderen „Hartz-Gesetze“ 11074 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 121. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 7. September 2004 (A) (C) (B) (D) Auch dies wäre ein Argument für eine Verschiebung der Inkraftsetzung gewesen. Für zahlreiche Kommunen sind bei den Unterkunfts- kosten zusätzliche Finanzlasten zu erwarten. Der dafür vorgesehene Ausgleich ist unzureichend geregelt. Um nachfolgende Verteilungskonflikte, die möglicherweise sogar auf dem Rücken der Leistungsempfänger ausgetra- gen werden, zu vermeiden, hätte es eines klaren, gründ- lich geprüften Zuwendungsgesetzes bedurft. Die Betroffenen, die Einkommenskürzungen hinneh- men müssen, werden so zusätzlich zu Opfern eines Um- setzungschaos gemacht. Das kann nicht im Interesse ei- nes Reformanliegens sein, das ich ausdrücklich für notwendig halte und unterstütze. Ich halte die jüngste Verständigung im Vermittlungs- ausschuss für noch nicht ausreichend, um eine verant- wortbare Umsetzung zu ermöglichen, und lehne sie des- halb ab. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2005, hier: Einzelplan 06, Bundesministerium des Innern (Haushaltsge- setz 2005) (Tagesordnungspunkt 1) Petra Pau (fraktionslos): Vor drei Jahren, am 11. September 2001, gab es die verheerenden Attentate in New York und Washington. Der Bundestag reagierte damals parteiübergreifend mit Trauer und mit Solidari- tät. Zugleich wurden die eigenen Gesetze für innere Si- cherheit im Bündel verschärft, zum Teil drastisch. Das Ganze wurde in Anlehnung an den Bundesinnenminister als „Otto-Paket I“ und „Otto-Paket II“ bezeichnet. Die waren, vorsichtig formuliert, nicht unumstritten. Die PDS lehnte sie ab, weil sie tief in verbriefte Bürgerrechte eingreifen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN versprach damals, ihre Wirkungen und Nebenwirkungen nach zwei bis drei Jah- ren gründlich zu prüfen. Diese Frist ist um. Allerdings höre ich nichts von der versprochenen parlamentarischen Überprüfung. Deshalb erinnere ich daran, ich fordere sie namens der PDS ein. Stattdessen vernehme ich andere Signale. Sie kom- men nicht mehr kompakt, als Paket daher, sie werden aber permanent versendet. Demnach sollen Sicherheits- behörden zentralisiert, Befugnisse erweitert und Kompe- tenzen vermischt werden. Das Gebot der Trennung von Polizei und Geheimdiensten wird immer häufiger in- frage gestellt. Und die Bundeswehr soll im Innern einge- setzt werden – jedenfalls nach dem Willen der CDU/ CSU. Die PDS lehnt das ab. Aber darum geht es nur in zweiter Linie. Die eigentlichen Fragen sind: Wie viele Bürgerrechte dürfen namens einer realen oder vermeint- lichen Terrorgefahr abgeräumt werden? Und welchen tatsächlichen Nährwert hat das für die versprochene Si- cherheit? Das betrifft auch den Datenschutz. Er ist, er wird massiv gefährdet. Die USA fordern von allen Passagie- ren, die ein- oder überfliegen, mehr als 30 persönliche Daten. Das EU-Parlament klagt dagegen. Bundesinnen- minister Schily, SPD, und Bundesaußenminister Fischer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, indes haben dem Daten- Deal zugestimmt. Das ist ein unglaublicher Vorgang. Es gibt ein zweites, aktuelles Beispiel: Die 16-seiti- gen Fragebögen für das neue Arbeitslosengeld II werden von offiziellen Datenschützern kritisiert. Ich habe die Bundesregierung gefragt, ob sie ihr Vorgehen für recht- lich korrekt hält. Die Antwort lautet im Kern: Nein, aber wir tun es dennoch. – Wer so agiert, darf sich bei nie- mandem über mangelndes Rechtsbewusstsein und bei keinem wegen Parteienverdrusses beschweren. Der Volksmund weiß: Der faule Fisch stinkt am Kopf zuerst. Ein weiteres Thema haben wir im Bundestag hinrei- chend gewälzt, mit schlechtem Erfolg: das Zuwande- rungsrecht. Vor fünf Jahren hatten SPD und Grüne ein modernes Gesetz versprochen. Am Ende aller Kommis- sionen, Kompromisse und Kuhhandel stand ein Papier, das von der CDU/CSU diktiert und von Rot-Grün geseg- net wurde. Bundesinnenminister Schily sattelt noch drauf. Er will Flüchtlingslager an der Küste Afrikas einrichten. Dank der „Süddeutschen Zeitung“ und einem Interview, das Heribert Prantl führte, wissen wir auch, warum. Dort greife weder EU- noch deutsches Recht, meinte der Bun- desinnenminister. So weit sind wir gekommen, so tief gesunken. Mit Vorsatz soll Menschen in Not der wenige Rechtsschutz versagt werden, der sie noch hoffen lässt. Dass CDU-Politiker dieser absurden Idee folgen, wun- dert mich nicht mehr. Dass auch Oskar Lafontaine dem Vorschlag zustimmt, spricht nicht für Otto Schily, son- dern gegen den SPD-Rebellen. Monat für Monat frage ich die Bundesregierung, wie viele rechtsextreme Straftaten registriert wurden und verfolgt werden. Wer dies, wie ich, tut, bekommt bestä- tigt, was viele im Lande erfahren – allemal Opfer von rechtsextremen Gewalttaten. Die Gefahr ist real und groß. Leider fragt im Bundestag nur die PDS danach, keine andere Partei. Im Schnitt gibt es täglich 20 rechts- extreme Straftaten und jeden Tag mehr als eine Gewalt- tat. Wer die Materie kennt, weiß auch: Die offizielle Sta- tistik stapelt tief. Die tatsächliche Gefahr ist viel größer. Inzwischen feiern rechtsextreme Parteien Wahl- erfolge. Sie verlassen den Hinter- oder Untergrund, sie präsentieren sich öffentlich. Wie aber reagieren die meisten Parteien des Bundestages darauf? Sie werfen die NPD und die PDS in einen Topf. Wer das tut, hat nichts verstanden. Schlimmer noch: Er beleidigt Zigtausende Antifaschisten und er verharmlost Rassisten und Neofa- schisten. Obendrein wird das ohnehin müde „Bündnis der Anständigen“ gefährdet. So kurzsichtig darf man nicht sein. „Mehr Demokratie“ war ein Slogan Willi Brandts und es war eine Forderung der Grünen seit ihrer Gründung. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 121. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 7. September 2004 11075 (A) (C) (B) (D) Es war auch ein Versprechen, mit dem Rot-Grün 1998 den Regierungswechsel schaffte. Geblieben ist davon fast nichts. Seit nunmehr sechs Jahren pokert Rot-Grün erfolgreich gegen Volksabstimmungen auf Bundesebene. Selbst ein Plebiszit über die künftige EU-Verfassung – ein aktuelles Begehr – scheitert nicht nur an der CDU/ CSU, sondern auch an Rot-Grün. Ich wiederhole für die PDS im Bundestag: Mehr Demokratie ist eine Schlüssel- frage, um die politischen Krise positiv zu wenden. 80 Prozent der Bevölkerung wollen dies. Sie wollen mehr Mitbestimmung und keine Basta-Politik. Sie haben Recht. 121. Sitzung Berlin, Dienstag, den 7. September 2004 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Antje Hermenau


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!

    Auch bedeutungsschwangeres Tremolo, Herr Kollege
    Koppelin, macht nicht richtiger, was Sie gesagt haben.
    Natürlich ist der Bundeshaushalt 2005 eine Zustandsbe-
    schreibung der Baustelle; das ist ganz klar. Natürlich hat
    Deutschland wenig Erfahrung damit, wie Haushalte
    funktionieren und präzise berechnet werden können,
    wenn man mehrere Reformen gleichzeitig in diesem
    Land vorantreibt, was wir tun.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    30 Jahre Kollektivleistung in trauter Eintracht von
    Parteien, die in Deutschland einmal regiert haben – die
    FDP war übrigens 24 Jahre lang dabei; das muss man ab
    und zu erwähnen –,


    (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 29 Jahre!)


    haben das zur Folge, was wir in Deutschland als Pro-
    blem und Reformstau zu bewältigen haben. Da ist es
    nicht sinnvoll, sich gegenseitig immer nur die Schuld in
    die Schuhe zu schieben. Sinnvoller wäre, sich selber ein-
    fach einzugestehen – das fehlt auf Ihrer Seite noch –,
    dass über Jahre hinweg in Deutschland ein Anspruchs-
    denken aufgebaut worden ist, das so nicht mehr haltbar
    und nicht mehr finanzierbar ist, und dass wir mit der Si-
    tuation jetzt klug und weise umgehen müssen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wenn Ihnen die Haushaltsberatungen in diesem Jahr
    so ähnlich vorkommen wie die im letzten oder im vor-
    letzten Jahr, dann liegt es nicht nur daran, dass es diesel-
    ben Redner sind, sondern auch daran, dass wir die glei-
    che Baustelle weiter bearbeiten müssen. Dazu gehört das
    strukturelle Defizit und die Tatsache, dass die Ausga-
    benstruktur des Bundeshaushaltes viel zu stark konjunk-
    turabhängig ist. Der Bundeshaushalt ist eigentlich so
    aufgebaut, dass er nur in guten Zeiten wirklich funktio-
    nieren kann. Um es einmal sozialstaatlich auszudrücken:
    Es müssen besonders gute Zeiten sein, damit der Haus-
    halt auch im sozialstaatlichen Bereich funktionieren
    kann. Von diesen Zeiten können wir aber auch in den
    nächsten Jahren nicht ausgehen.

    Dieses angehäufte strukturelle Defizit ist sehr hoch.
    Es beträgt deutlich mehr als der Betrag, der in den letz-
    ten drei Jahren für die Anhebung der Neuverschuldung
    nötig war. Es ist vonseiten des Finanzministers Eichel
    schon vor zwei Jahren der Versuch gemacht worden, an
    der Problematik des strukturellen Defizits zu arbeiten.
    Die zwei Stellschrauben, auf die es dabei ankommt, sind
    die Reform des Sozialstaates und die Rückführung der
    Staatsausgaben.


    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wie war das mit der Tabaksteuer?)


    Nun kommen wir einmal zur Rolle der Union, die im-
    mer versucht, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu er-
    wecken, sie würde im Bundesrat kooperieren. Als Herr
    Eichel vor zwei Jahren das Steuervergünstigungsabbau-
    gesetz vorlegte, in dem alle Maßnahmen bis auf das letz-
    ten Komma klipp und klar beschrieben waren,


    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das war ein Steuererhöhungsgesetz!)


    da hat die Union insgesamt sechs Monate Zeit ge-
    braucht, um zu entscheiden, dass sie diesem Gesetz nicht
    zustimmen möchte. Das alleine hat also schon viel Zeit
    gekostet. Unabhängig davon haben Sie natürlich eine
    strukturelle Entlastung in Höhe von 17 Milliarden Euro
    für die gesamte öffentliche Hand verhindert, die drin-
    gend nötig gewesen wäre. Mit der Umsetzung dieses
    Steuervergünstigungsabbaugesetzes hätten wir einen
    Teil unseres strukturellen Defizits in den Griff bekom-
    men.

    Aktuell höre ich zur Eigenheimzulage, dass die
    Union einem Abbau erneut nicht zustimmen möchte.
    Das ist weltfremd; denn aufgrund des demographischen
    Wandels gehen die Bevölkerungszahlen zurück, sodass
    – nicht nur im Osten – immer mehr Wohnungen leer ste-
    hen. Ich kann nicht nachvollziehen, wie Sie hier vorge-
    hen. Genauso wenig kann ich nachvollziehen, dass Herr
    Stoiber deutlich gemacht hat, ein Subventionsabbau in
    der Landwirtschaft komme für ihn nicht infrage. Ich
    finde es unglaublich, dass Sie uns in archaischen Struk-
    turen festnageln wollen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Zu dieser, wie ich finde, relativ perfiden Strategie, im-
    mer wieder den Versuch zu unternehmen, die rot-grüne
    Bundesregierung finanzpolitisch gegen die Wand knal-
    len zu lassen, kommt hinzu, dass Sie zunehmend Muf-
    fensausen entwickeln. Ich stelle das mit einer gewissen
    inneren Zufriedenheit fest, weil es nämlich wirklich gro-
    ßen Mut erfordert – SPD und Bündnis 90/Die Grünen
    haben ihn bewiesen –, jemandem etwas wegzunehmen,
    woran er sich gewöhnt hat. Das müssen wir hier und da
    tun. Sie kriegen langsam Muffensausen. Nach Ihrem neo-
    liberalen Rausch vom Herbst letzten Jahres, als Sie auf
    Regionalkonferenzen Überlegungen zur Einführung ei-
    ner Kopfpauschale angestellt haben, holt Sie die Realität
    ein.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Tabaksteuer!)

    Wenn man sich einmal Ihr Existenzgrundlagen-

    sicherungsgesetz – das war Ihr Vorschlag zum Arbeits-
    losengeld II – anschaut,


    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das war ein gutes Gesetz!)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Antje Hermenau

    das Sie im Herbst des letzten Jahres anstelle von
    Hartz IV vorgelegt haben, dann kann man die Unionsli-
    nie erkennen, nämlich dass Sie den vollen Unterhalts-
    rückgriff wollen. Das heißt, Kinder haften für ihre Eltern
    und Eltern haften für ihre Kinder. Das ist Sippenhaft im
    Falle von Arbeitslosigkeit.

    Sie wollten, dass das Auto verkauft werden muss.

    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie disqualifi zieren sich gerade, Frau Kollegin!)

    Wir sind der Meinung, dass die Menschen ein Auto
    brauchen, weil sie sonst keine Arbeit finden. Sie wollten
    die Zuverdienstmöglichkeiten auf null herunterfahren.


    (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau so ist es!)


    Vielleicht haben ein paar ostdeutsche Abgeordnete in Ih-
    ren Reihen begriffen, dass die Zuverdienstmöglichkeiten
    enorm wichtig sind, damit Hartz IV im Osten überhaupt
    funktionieren kann.

    Aber nein, Sie kneifen. Herr Milbradt war sogar da-
    für, Ihre viel schärfere Variante umzusetzen.


    (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


    Er hat sich deswegen gegen Hartz IV und für das Exis-
    tenzgrundlagensicherungsgesetz im Bundesrat ausge-
    sprochen. Dann hat er aber mitbekommen, dass die Zu-
    verdienstmöglichkeiten in einem Land wie Sachsen, wo
    es so viele Arbeitslose gibt, eine Rolle spielen könnten,
    und er hat sich aufgeschwungen, eventuell an einer
    Demo teilzunehmen.


    (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Opportunist!)


    Ich sage Ihnen: Mich ärgert das. Wir brauchen viel
    mehr mutige ostdeutsche Politiker, die in der Lage sind,
    sich in ihren eigenen Parteien durchzusetzen. Herr
    Milbradt hat weder Herrn Koch noch Herrn Stoiber ge-
    stoppt. Deswegen haben Sie eine so schlechte Grundlage
    für den Kompromiss geliefert. Die Auswirkungen müs-
    sen wir jetzt ausbaden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Damit Sie nicht denken, ich würde einfach nur von
    den mutigen ostdeutschen Politikern daherreden, will ich
    Ihnen sagen: Ich habe gegen den Willen meiner Frak-
    tionsspitze damals gegen das Maßstäbegesetz zum Län-
    derfinanzausgleich gestimmt, das die entsprechenden
    Berechnungsformeln beinhaltet, weil ich der Meinung
    war, dass es für die ostdeutschen Kommunen und für die
    ostdeutschen Länder eine große Benachteiligung dar-
    stellt. Man kann sich als ostdeutscher Politiker innerhalb
    seiner Partei und Fraktion schon trauen, seine eigene
    Meinung durchzuhalten.

    Kommen wir zu Herrn Merz. Er ist mit einer, wie ich
    finde, interessanten Vorlage gestartet, was das Thema
    Subventionsabbau im Steuerrecht betrifft. Was ist da-
    raus geworden? Es gab in Bayern eine Beerdigung zwei-
    ter Klasse.


    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist doch nicht der Landtag, Frau Kollegin!)

    Herr Austermann hat sich vorhin künstlich darüber
    aufgeregt, dass wir im Bereich der Arbeitsmarktmaßnah-
    men, der ABM, und im Bereich der GA bzw. der Infra-
    strukturförderung Kürzungen vornehmen. Erstens war
    die Rückführung der Mittel für ABM immer ein gemein-
    sames Diskussionsgut im Haushaltsausschuss,


    (Joachim Poß [SPD]: Eine Forderung in den Reihen dort drüben! Von Merz: Alles abschaffen! – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Forderung der Union!)


    weil klar geworden war, dass ABM keine Dauerlösung
    der strukturellen Arbeitslosigkeit darstellen. Zweitens
    haben die Kürzungen im Bereich der Infrastrukturförde-
    rung etwas mit der Koch/Steinbrück-Liste zu tun. Man
    kann nicht auf der einen Seite einen Ministerpräsidenten
    der Union wie Herrn Koch – er gehört ja wahrscheinlich
    noch zur Union – vorschicken und im Hinblick auf den
    Subventionsabbau eine kleine Vorzeigeliste erstellen las-
    sen und hinterher auf der anderen Seite so tun, als ob ge-
    nau diese Kürzungen nicht hinhauen würden. Herr
    Austermann, Sie beklagen immer die gesunkene Investi-
    tionsquote im Haushalt.


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ja!)

    Auch das hat mit der Koch/Steinbrück-Liste zu tun; Sie
    wissen das ganz genau.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Weil wir gerade dabei sind, Dinge aufzuarbeiten, die
    deutlich machen, wer alles am wirklichen Leben vorbei-
    denkt:


    (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und zwar ziemlich weit vorbei!)


    Ich habe darüber nachgedacht, wie das Steuersenkungs-
    konzept der FDP mit dem zusammenpasst, was Herr
    Koppelin gerade mit bedeutungsschwangerem Tremolo
    in der Stimme vorgetragen hat. Ich würde es vorziehen,
    wir würden uns in Wirtschaftsberatungs- und Steuerbe-
    ratungsfragen auf die Lobbyisten verlassen. Für Ihre
    Partei müssten wir dann vielleicht eine andere Aufgabe
    finden.


    (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)


    Sie haben in der letzten Zeit versucht, sich mit dem
    Nachhaltigkeitsdeckmäntelchen zu behängen.


    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Frau Hermenau, platt für jemanden, der auf der Flucht nach Sachsen ist!)


    Sie haben versucht, deutlich zu machen, dass Sie in Zu-
    kunft mehr Kompetenz in der Ökologie und im Umwelt-
    schutz zeigen wollen. Echte Nachhaltigkeit – ich spreche
    da aus der Praxis – braucht einen langen Atem, Geduld,
    Zähigkeit und Klarheit in der Meinung. Dies müsste man
    dann auch länger als ein halbes Jahr durchhalten. Sie ha-
    ben am 19. Dezember 2003 Hartz IV zugestimmt.


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Die Grünen auch!)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Antje Hermenau

    Ihre Truppenteile in Sachsen tun so, als ob das nicht so
    wäre, und behaupten, sie seien gegen Hartz IV. So kann
    man nicht arbeiten!

    Was die rot-grüne Koalition in den letzten fünf Jahren
    geschafft hat – darauf bin ich sehr stolz –, ist die Stigma-
    tisierung der Verschuldung. Es ist in Deutschland nicht
    mehr, wie es in den letzten 25 Jahren und besonders
    während Ihrer Regierungszeit zur Gewohnheit wurde,
    ganz normal und selbstverständlich, dass man Schulden
    aufnimmt, weil das mit dazugehört. Diese Denkschule
    hat in Deutschland ausgedient.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie machen aber einfach Schulden!)


    Dieser Realität werden auch Sie sich stellen müssen,
    wenn Sie in der nächsten Zeit zufällig an die Regierung
    kommen sollten.


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nicht zufällig!)


    Denn die Bevölkerung hat mehrheitlich akzeptiert, dass
    Verschuldung kein Weg ist, der in die Zukunft führt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Bravo! – Jürgen Koppelin [FDP]: Allseits Zustimmung! Sehr gut!)


    – Liebe Kollegen, wir alle kennen uns schon länger:
    Bitte kein Pharisäertum!


    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wenn Sie Eichel kritisieren, haben Sie unsere Unterstützung!)


    Wir waren gerade bei den Dauerbaustellen. Das Ren-
    tensystem, das im Wesentlichen entweder eine sozial-li-
    berale oder eine christlich-liberale Ausgestaltung erfah-
    ren hat, hinkt 30 Jahre hinter den Realitäten in diesem
    Land hinterher.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)

    Nun kann man das Rentensystem aus Vertrauensschutz-
    gründen nicht zu einer Grundrente ummodellieren; dem
    kann ich folgen. Aber das heißt natürlich trotzdem, dass
    man weiter daran arbeiten muss.

    Ich mache es nachher im Hinblick auf die Verschul-
    dung insgesamt noch einmal deutlich: Es kann nicht
    sein, dass wir die implizite Verschuldung immer ver-
    schweigen. Wir regen uns über den ausgewiesenen
    Schuldenstand in Höhe von 66 Prozent des Bruttoin-
    landsprodukts auf. Dazu kommt aber die implizite Ver-
    schuldung von 270 Prozent des Bruttoinlandsprodukts,
    wenn man die Verpflichtungen in Bezug auf die Pensio-
    nen für Beamte und unsere Rentenverpflichtungen mit
    einrechnet. Das ergibt eine unglaublich hohe Summe.
    Das sind insgesamt mehr als 7 000 Milliarden Euro
    Schulden, die wir alle eigentlich noch verdienen müssen,
    weil dieses Geld nicht auf der Bank gelagert ist. Ich halte
    dies für ein großes Problem, das immer totgeschwiegen
    wird. Wir halten uns hier mit Debatten auf, in denen Sie
    von der Opposition Nickeligkeiten vortragen, anstatt
    dass Sie tatkräftig mit anpacken, das Problem, das Sie
    selber mit geschaffen haben, abzutragen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich habe davon gesprochen, dass wir im Bund eine
    Ausgabenstruktur haben, die massiv davon abhängt, wie
    die Konjunktur verläuft. Wie gesagt, in den fetten 70er-
    Jahren konnte man es sich vielleicht leisten, einen ris-
    kanten Haushalt aufzustellen. Aber den Haushalt umzu-
    steuern – das erkennen wir alle selbst – ist ausgespro-
    chen schwer. Wenn die Lohnnebenkosten den Faktor
    Arbeit bestimmen, wenn die sozialen Sicherungssysteme
    die Beschäftigungssituation bestimmen, dann brauchen
    wir als Erstes Arbeitsmarktreformen, damit der Bundes-
    haushalt nicht mehr so konjunkturanfällig ist.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Na, na, na! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Aber nicht nur reden! Tun!)


    Diese Arbeitsmarktreformen haben wir durchgeführt,
    obwohl Sie beim Kompromiss des Vermittlungsaus-
    schusses den Hinzuverdienstmöglichkeiten der Men-
    schen nicht zustimmen wollten.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sagen Sie das Herrn Schreiner und Herrn Lafontaine!)


    Die explizite Verschuldung – das hatte ich gesagt –
    beträgt offensichtlich 66 Prozent des BIP. Aber wenn Sie
    sich einmal anschauen, was an Renten und Pensionen
    noch hinzukommt, dann ist es eine unglaubliche Ver-
    harmlosung des Problemes, wenn Ministerpräsident
    Stoiber aus Bayern sagt: Spart 5 Prozent der Verwal-
    tungsausgaben ein! Das ist eine Verharmlosung des Pro-
    blems, man könnte es auch als Nebelkerzenwerfen be-
    zeichnen, aber so weit will ich gar nicht gehen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ansonsten hat er offensichtlich den Kern des Problems
    nicht erkannt und seine Lösungsansätze nicht verfolgt.
    Er brüstet sich immer damit, ein großer Finanzexperte zu
    sein. Wenn er das wäre, könnte er einen solchen Vor-
    schlag nicht machen. Das ist wirklich eine Verdum-
    mungsstrategie. Die Menschen werden in dieser Frage
    verdummt und können nicht erkennen, worauf es wirk-
    lich ankommt: Wir müssen uns den in Zukunft fälligen
    Zahlungsleistungen, auch denen der Rentenkasse, stel-
    len.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist typisch Bayerische Staatsregierung!)


    – Ich kenne mich mit Herrn Stoiber nicht so genau aus,
    aber ich habe gerade aus berufenem Mund gehört, das
    sei öfter so.

    Es bleibt noch die Frage der Reform des Stabilitäts-
    paktes offen. Alle, die mich kennen, wissen, dass ich






    (A) (C)



    (B) (D)


    Antje Hermenau

    mich immer dafür stark gemacht habe, dieses Regelwerk
    so streng wie möglich zu befolgen. Ich bin auch weiter-
    hin der Meinung, dass das nötig ist; das ist gar keine
    Frage. Den Vorschlägen, die bisher vonseiten der Kom-
    mission zu mir gedrungen sind, habe ich entnommen,
    dass es bei den bisherigen Kriterien – maximal 3 Prozent
    des Bruttoinlandsprodukts Neuverschuldung und 60 Pro-
    zent des Bruttoinlandsprodukts Gesamtverschuldung –
    bleiben soll. Ich finde es richtig, dass wir bei dieser For-
    mel bleiben.

    Ich habe darüber hinaus gehört, dass man versuchen
    will, den Ländern, die große Schwierigkeiten bei der
    Umstellung haben – wir merken das gerade in der
    Politik –, beim Defizitverfahren entgegenzukommen.
    Das kann ich nachvollziehen und akzeptieren; das halte
    ich für richtig. Das Entgegenkommen ist sehr vernünftig
    ausgehandelt worden; denn im Gegenzug dafür bekom-
    men wir eine strengere Überwachung der nationalen
    Staatshaushalte in wirtschaftlich guten Zeiten. Darauf
    kam es eigentlich immer an. Es kann nicht sein, dass ein
    Land, wenn sein Wachstum einmal 2 Prozent oder
    2,5 Prozent ausmacht, sofort beginnt, sich weiter zu ver-
    schulden, oder Reformen aussetzt,


    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Diese Probleme hätten wir gern!)


    nach dem Motto: Wir haben jetzt mehr Wachstum und
    mehr Geld, die Reformen sind nicht mehr nötig.

    Ich sage immer salopp: John Maynard Keynes und
    Adam Smith sind längst tot. Beide haben in ihren Wirt-
    schaftsmodellen zwei Aspekte nicht berücksichtigen
    können, weil es sie zu ihrer Zeit noch nicht gab. Das eine
    ist die demographische Entwicklung in Europa – die
    Bevölkerungszahlen sind rückläufig –, das zweite ist die
    globalisierte Wirtschaft. Diese beiden Aspekte sind in
    ihren Wirtschaftsmodellen noch nicht unterstellt.


    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Für Adam Smith würde ich das in Abrede stellen!)


    Europa steht vor der Aufgabe, selber eine neue Wirt-
    schafts- und Finanzstrategie zu entwickeln. Das halte ich
    für eine ganz große Herausforderung. Ich glaube auch,
    dass die Europäer dem gewachsen sind. Wer jetzt Angst
    hat, es könnte zu einer Verwässerung des Stabilitätspak-
    tes kommen, dem sei gesagt: Im ersten Halbjahr 2005
    soll auf EU-Ebene reformiert werden. Die meisten, die
    sich für dieses Thema interessieren, kennen Monsieur
    Jean-Claude Juncker und wissen, dass er zuverlässiger
    Architekt des alten Vertrags gewesen ist. Jean-Claude
    Juncker wird dem Ecofin, dem Rat der Finanzminister
    der Nationalstaaten der Europäischen Union, vorsitzen.
    Das heißt, derjenige, der als wesentlicher Architekt des
    ersten Vertrags galt, wird auch dafür sorgen, dass die Re-
    form im Geiste des ersten Vertrags durchgeführt wird.
    Für mich ist das Vertrauensbeweis genug. Da Sie das er-
    heitert, möchte ich Ihnen sagen: Herr Juncker ist, glaube
    ich, ein konservativer Politiker. Ich möchte ihn nicht rot-
    grünen Verdächtigungen aussetzen.

    Wem das als Autoritätsbeweis noch nicht genügt, dem
    sei hinzugefügt, dass der Verwaltungs- und Beamtenap-
    parat, der früher Herrn Solbes beraten hat, jetzt auch
    Herrn Almunia beraten wird. Dieser Beamtenapparat
    hat erkennen lassen, dass er die Reformbemühungen, die
    jetzt auf europäischer Ebene anstehen, durchaus im
    Geiste der ersten Vereinbarung von Maastricht sieht. Für
    mich ist das Autoritätsbeweis genug.

    Wem das aber immer noch nicht genügt – Sie aufsei-
    ten der Union lästern immer noch herum –, sei gesagt:
    Herr Braun vom DIHT, der kein verdächtiger rot-grüner
    Linker ist, hat deutlich gemacht, dass jetzt endlich ein
    brauchbarer Vorschlag vorliegt, der der Wiederbelebung
    des Stabilitäts- und Wachstumspaktes auf europäischer
    Ebene dienen kann. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Frau Kollegin Hermenau, ich höre aus den Reihen Ih-

rer eigenen Fraktion, dies sei Ihre letzte Rede in Ihrer
Funktion als Haushaltssprecherin Ihrer Fraktion gewe-
sen,


(Beifall des Abg. Dietrich Austermann [CDU/ CSU])


weil Sie mit Blick auf einen bevorstehenden Wahlgang
an anderer Stelle mit noch nicht gänzlich klarem Aus-
gang so oder so andere Aufgaben übernähmen.

Nun vermute ich – streng überparteilich –, dass diese
Nachricht wie andere ähnliche von den einen begrüßt
und von den anderen bedauert wird.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jedenfalls bin ich sicher: Beide Seiten werden Sie ver-
missen.


(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)

Dass Sie im Übrigen in einer Haushaltsdebatte die

von der Fraktion zugedachte Redezeit nicht ausschöp-
fen, setzt ein einsames Signal, das ich als lobendes Bei-
spiel für die folgenden Beiträge dieser Woche ausdrück-
lich hervorheben möchte.

Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Michael
Meister für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Michael Meister


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren! Herr Bundesfinanzminister, ich glaube, wir kön-
    nen in dieser Debatte feststellen: Der Bundeshaushalt ist
    aus den Fugen geraten. Ich habe – um das Beispiel der
    Kollegin Hermenau aufzugreifen, die von einer Bau-
    stelle gesprochen hat – in dieser Debatte den Eindruck
    gewonnen, dass wir uns in der Tat auf einer Baustelle be-
    finden, aber den Regierungsfraktionen von SPD und
    Grünen der Bauplan verloren gegangen ist. Ihnen ist die
    Orientierung verloren gegangen. Sie wissen nicht, wie
    Sie auf dieser Baustelle vernünftig weiterarbeiten wol-
    len. Das hat diese Debatte zum Ausdruck gebracht.


    (Beifall bei der CDU/CSU)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Michael Meister

    Blicken wir auf die Einnahmenseite, stellen wir fest,

    dass die Steuereinnahmen hinter den Erwartungen zu-
    rückbleiben. Das gilt insbesondere für die Mineralöl-
    steuer. Wer hat denn die fünf Stufen der Ökosteuer in
    diesem Hause eingeführt und auf eine starke Erhöhung
    der Mineralölsteuer gesetzt? Das gilt auch für die Um-
    satzsteuer sowie zuletzt für die Tabaksteuer. Sie haben
    versucht, über Steuererhöhungen mehr Steuern einzu-
    nehmen. Tatsächlich haben diese Steuererhöhungen aber
    zu einem niedrigeren Aufkommen geführt. Dafür sind
    Sie und Ihre Politik verantwortlich.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Schauen wir einmal auf die Ausgabenseite: Hier

    muss man deutlich feststellen, dass Sie seit fünf Jahren,
    seit Herr Eichel im Amt ist, nicht in der Lage sind, die
    Ausgabenseite in den Griff zu bekommen. Es war vorhin
    bemerkenswert, dass er von seinen Vorgängern sprach,
    dabei aber einen, nämlich seinen direkten Vorgänger,
    einfach unterschlagen hat.


    (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Aus gutem Grund!)


    Es geht um denjenigen, der die Ausgaben innerhalb we-
    niger Monate um mehr als 20 Milliarden D-Mark erhöht
    hat. Diesen Basiseffekt auf der Ausgabenseite des Bun-
    deshaushalts werden wir nie wieder korrigieren können.
    Das ist eine Altlast von Oskar Lafontaine. Das haben Sie
    damals mitgetragen. Heute ist Oskar Lafontaine bei Ih-
    nen nicht mehr ganz so populär und wird nicht mehr so
    unterstützt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Es waren alle dabei!)


    Im Zusammenhang mit der Ausgabenseite möchte ich
    auf eines, was mich wundert, hinweisen: Wir haben im
    Frühjahr 2003 ein Haushaltssicherungsgesetz gefor-
    dert, um den Bundeshaushalt 2003 und die Folgehaus-
    halte mit einer niedrigeren Ausgabenseite zu versehen.
    Sie haben das damals abgelehnt und bis zum Jahresende
    gewartet, als bereits die hohen Ist-Zahlen vorlagen. Sie
    haben unsere ausgestreckte Hand ausgeschlagen.

    Im Frühjahr dieses Jahres haben wir Ihnen erneut das
    Angebot gemacht, mit uns gemeinsam ein Haushaltssi-
    cherungsgesetz und einen Nachtragshaushalt zu be-
    schließen. Sie haben unser Angebot, gemeinsam mit uns
    Ausgabensenkungen zu beschließen, wieder ausgeschla-
    gen. Ich wundere mich über Ihre Vorgehensweise. Sie
    sagen, Sie kämen mit dem Bundeshaushalt nicht zu-
    rande, schlagen aber die Angebote der Opposition zur
    Haushaltskonsolidierung aus. Das ist unseriös und hier
    haben Sie etwas nachzuliefern.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, ein paar

    Worte zum Stabilitäts- und Wachstumspakt in Europa zu
    sagen. Die Defizitmeldung für das erste Halbjahr dieses
    Jahres für Deutschland lautet 4,0 Prozent. Herr Eichel
    hat für dieses Jahr ein Defizit von 3,7 Prozent nach
    Brüssel gemeldet.

    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wo ist der eigentlich?)


    Für das nächste Jahr, für 2005, wird bereits wieder an-
    gekündigt, dass alles im grünen Bereich sei, dass wir im
    Jahre 2005 keine Probleme mit dem Maastricht-Vertrag
    bekämen. Damit bin ich bei Ihrem ersten Fehler: Sie ma-
    len die Welt ständig viel zu rosarot. Sie gehen ständig
    von viel zu positiven Prognosen aus, die Sie dann nicht
    einhalten können, und zeigen sich dann überrascht. Keh-
    ren Sie endlich zur realistischen Einschätzung der Lage
    zurück und bauen Sie die Haushalte und die Meldungen
    nach Brüssel auf einer realistischen Basis auf. Dann
    würden Sie auch nicht ständig Vertrauen in der deut-
    schen und der internationalen Finanzpolitik verspielen.

    Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wo ist Eichel
    denn? – Dietrich Austermann [CDU/CSU]:
    Kriegt er die Entlassungsurkunde?)

    Anstatt in dieser Situation über eine Reform oder eine
    neue Interpretation des Maastrichtpakts zu diskutieren,
    wäre es aus meiner Sicht dringend geboten, dass diese
    Bundesregierung, dass dieser Bundesfinanzminister den
    Vertrag von Maastricht zunächst einmal in Geist und
    Wort verinnerlicht und versucht, das, was dort niederge-
    legt ist, einzuhalten.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir hätten kein Problem damit, wenn gesagt würde,

    man wolle aus ökonomischen Gründen darüber nachden-
    ken, ob man die eine oder andere Regelung des
    Maastricht-Vertrages tatsächlich für vernünftig hält.
    Auch dazu haben wir Ihnen zu Beginn der Sommerpause
    einen Vorschlag gemacht. Wir hatten darum gebeten,
    eine Sondersitzung der zuständigen Bundestagsaus-
    schüsse durchzuführen, um die Frage zu behandeln, wie
    wir in Bezug auf den Maastricht-Vertrag gemeinsam
    vorgehen, um für unsere Währung, den Euro, wieder
    eine solide Grundlage zu schaffen.

    Wer dies nicht genehmigt hat, war das Bundestags-
    präsidium, und wer nicht damit einverstanden war, wa-
    ren die Koalitionsfraktionen. Es ist doch keine Form,
    dass wir außerhalb des Parlaments über Maastricht dis-
    kutieren, innerhalb des Parlaments aber die diesbezügli-
    chen Sitzungen und Diskussionen abgelehnt werden.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP])


    Nein, der Maastricht-Vertrag und die aus ihm resultie-
    renden notwendigen Maßnahmen müssen von uns im
    Parlament gemeinsam getragen werden.

    Im Juni dieses Jahres traf der Europäische Gerichts-
    hof eine wunderschöne Entscheidung mit Bezug auf die-
    jenigen, die internationale Verträge bzw. europäisches
    Recht gebrochen haben. Herr Koppelin hat zu Recht da-
    rauf hingewiesen. Deutschland hat nämlich zum dritten
    Mal in Folge das Defizit-Kriterium von 3,0 Prozent nicht
    eingehalten. Nebenbei gesagt verletzten wir auch ein
    zweites Kriterium, da die Gesamtverschuldung
    Deutschlands mittlerweile 66 Prozent beträgt. Sie reden
    von nachhaltiger Politik, während die Gesamtverschul-
    dung dieses Landes ständig wächst. Frau Hermenau,






    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Michael Meister

    Kollegen von der SPD, was hat es eigentlich mit nach-
    haltiger Politik zu tun, wenn die Gesamtverschuldung
    unseres Landes ständig wächst?


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lothar Mark [SPD]: Sie wissen ja, dass 1,2 Billionen Schulden aus Ihrer Regierungszeit stammen! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ja, aber dazu sagt er vorsichtshalber nichts!)


    Im Juni dieses Jahres gab es also ein wunderschönes
    Urteil des Europäischen Gerichtshofes, da diejenigen,
    die wie unser Bundesfinanzminister bzw. unsere Bundes-
    regierung europäisches Recht gebrochen haben, versucht
    haben, den Sanktionen zu entkommen. Dieses Urteil des
    Europäischen Gerichtshofs ist eine schwerwiegende Nie-
    derlage für unseren Bundesfinanzminister.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Seien Sie doch ein bisschen patriotischer!)


    – Herr Schmidt, das ist eine schwere Niederlage für un-
    seren Finanzminister, weil er sich erneut rechtswidrig
    verhalten hat. Patriotisch wäre es, wenn wir gemeinsam
    versuchen, den Haushalt in Ordnung zu bringen und


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ja, gemeinsam!)


    die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland und den
    Maastricht-Vertrag einzuhalten. Das wäre patriotisch,
    Herr Schmidt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Eben habe ich gesagt, dass wir auf der Ausgabenseite
    dringend konsolidieren müssen. Ich will Ihnen aber auch
    noch etwas zur Einnahmeseite sagen. Denn Ihre Be-
    trachtung der Einnahmeseite ist statisch. Ihr Blick ist
    rein fiskalpolitisch. Die sinkenden Einnahmen aus der
    Tabaksteuer, der Umsatzsteuer und der Mineralölsteuer
    habe ich vorhin angesprochen. Diese Umstände betrach-
    ten Sie statisch und rechnen nicht damit, dass die Markt-
    teilnehmer, wenn Sie die steuerlichen Rahmenbedingun-
    gen verändern, darauf reagieren und dass sich durch die
    Dynamik des Marktes auch das Steueraufkommen ver-
    ändert, und zwar nicht im geplanten statischen Sinne,
    sondern aus der Dynamik des Marktes.

    Deshalb dürfen wir keine enge und mit Scheuklappen
    versehene Fiskalpolitik betreiben. Vielmehr müssen wir
    wieder einen Gesamtentwurf für die Wirtschafts- und Fi-
    nanzpolitik entwickeln, in dem die Dynamik des Mark-
    tes berücksichtigt wird. Die Philosophie kann deshalb
    nicht lauten, weitere Steuererhöhungen, wie Sie sie pla-
    nen, durchzuführen. Die Philosophie muss lauten: Be-
    grenzung der Steuer- und Abgabenlast und mehr Aktivi-
    tät im Bereich Wachstum und Beschäftigung.

    Vorhin wurde das Thema Wachstum angesprochen.
    Ich unterstütze den Bundesfinanzminister, wenn er sagt,
    dass wir in diesem Land Wachstum brauchen. Das ist
    richtig. Die Bundesregierung hat zu Recht die Umset-
    zung des Lissabonziels vereinbart,

    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Daran erinnern sie sich nicht mehr!)


    Europa bis zum Ende dieses Jahrzehnts zur wachstums-
    stärksten Region der Welt zu machen. Obwohl Sie sich
    zu diesem richtigen Ziel bekannt haben, vermisse ich,
    dass Sie in diesem Hause die Maßnahmen vortragen, die
    dafür sorgen, dass Deutschland vom Ende an die Spitze
    der EU gelangt und zu einer Lokomotive für den Lissa-
    bonprozess wird, und die dafür sorgen, dass Deutschland
    und Europa tatsächlich die Wachstumslokomotive wer-
    den.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP])


    Dazu ist bei Ihnen nichts zu erkennen. Sie wecken wie-
    der Erwartungen voller rosaroter Wolken, betreiben aber
    keinerlei reale Politik.


    (Lothar Mark [SPD]: Sie blockieren alles über den Bundesrat!)


    Als Sie damals die vier Hartz-Gesetze angekündigt ha-
    ben, haben Sie uns in Aussicht gestellt, dass die Anzahl
    der Arbeitslosen in diesem Land innerhalb von drei Jah-
    ren um 2 Millionen zurückgehen würde. Wir haben jetzt
    zwei Drittel dieser Zeit hinter uns. Die Anzahl der sozial-
    versicherungspflichtig Beschäftigten ist um 1,1 Millio-
    nen gesunken. Wenn Sie das Ziel der Hartz-Gesetze, das
    Sie im Jahre 2002 formuliert haben, noch erreichen wol-
    len, müssten Sie in den nächsten 12 Monaten – über die-
    sen Zeitraum reden wir ja – über 3 Millionen Arbeits-
    plätze schaffen.

    Der eigentliche Schlüssel ist, dass es, verursacht
    durch Ihre Politik, immer weniger Steuer- und Beitrags-
    zahler gibt. Vorhin habe ich gehört, dass die Steuer- und
    Abgabelast niedrig sei. Aber man muss auch sehen, dass
    Sie ständig die Bemessungsgrundlage verändern. Es gibt
    nämlich immer weniger Steuer- und Abgabenzahler.
    Wenn es aber weniger Steuer- und Abgabenzahler gibt,
    dann ist relativ klar, was dabei herauskommt: Immer we-
    niger Menschen müssen immer mehr zahlen. Es ist eben
    nicht so, dass alle weniger zahlen, sondern weniger
    Leute, die tatsächlich Leistung bringen wollen und leis-
    tungsfähig sind, werden in unserem Land höher belastet.
    Deshalb sind unsere Arbeitsplätze in Deutschland nicht
    mehr wettbewerbsfähig. Das ist doch das Problem. Der
    Herr Bundesfinanzminister hat vorhin leider überhaupt
    nichts dazu gesagt, dass wir dringend Nachholbedarf ha-
    ben, wettbewerbsfähige Arbeitsplätze am Standort
    Deutschland zu schaffen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Ein Kennzeichen Ihrer Politik – ich habe vorhin von
    fehlender Orientierung gesprochen – ist die Tatsache,
    dass Sie ständig Verunsicherung verbreiten und dass Ihre
    Politik kein Vertrauen bei den Menschen genießt. Ich
    will das an dem Beispiel Eigenheimzulage deutlich ma-
    chen. Wir haben mit Ihnen – der Kollege Austermann
    hat darauf hingewiesen – das Volumen der Eigenheimzu-
    lage im Dezember 2003 um 30 Prozent gekürzt und da-
    mit ein deutliches Signal für Subventionsabbau gegeben.






    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Michael Meister

    Wir haben an dieser Stelle eine neue Struktur der Förde-
    rung eingeführt, die zielgenauer greifen soll. Wir haben
    das vor dem Hintergrund des Koch/Steinbrück-Papiers
    getan, nach dem drei Jahre hintereinander um jeweils
    4 Prozent gekürzt werden sollte. Was machen Sie jetzt?
    Von diesen drei Jahren sind noch keine sechs Monate um
    und Sie greifen erneut die Eigenheimzulage an. Sie ver-
    unsichern alle Beteiligten im Baubereich und wundern
    sich, dass die Beschäftigtenzahl im Bausektor während
    Ihrer Regierungszeit um nahezu 50 Prozent gesunken ist.
    Das liegt ein Stück weit an der Verunsicherung, die Sie
    verbreiten.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Verlässlichkeit wäre notwendig. Verlässlichkeit heißt:

    wenigstens für drei Jahre einmal die Finger davon lassen
    und klare Rahmenbedingungen vorgeben. Sie haben bin-
    nen drei Jahren dreimal an der Eigenheimzulage herum-
    operieren wollen und jedes Mal hatten Sie für das Geld,
    das Sie dort vereinnahmen wollten, neue Verwendungs-
    zwecke. Das zeigt, dass Sie nicht nur Verunsicherung
    verbreiten und Vertrauen nehmen, sondern dass Sie diese
    Diskussion auch noch vollkommen unehrlich führen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben nicht nur den Menschen das Vertrauen ge-

    nommen und sie verunsichert, Sie haben ihnen auch die
    finanziellen Spielräume genommen. Wir haben bei der
    Einkommensteuer zwar faktisch die Steuersätze gesenkt
    – ich bin ausdrücklich dafür, dass wir auch weitergehen
    und die dritte Stufe, wie sie im Gesetzblatt steht, realisie-
    ren und nicht eine neue Debatte anfangen, ob die steuer-
    lichen Rahmenbedingungen denn richtig sind; lassen
    wir die Rahmenbedingungen endlich einmal unverändert
    und setzen wir diese dritte Stufe um –,


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    aber es gibt nicht nur die Einkommensteuer, sondern
    auch die Verbrauchsteuern. Was haben Sie bei den Ver-
    brauchsteuern gemacht? Überall haben Sie erhöht und
    damit den Menschen massiv Spielräume genommen.
    Das kommt zusammen und dann ist es kein Wunder,
    dass die Nachfrage im Binnenmarkt nicht gegeben ist,
    die der Bundesfinanzminister so anmahnt.

    Jetzt hat der Herr Poß – er ist leider nicht im Raum,
    ich will es aber dennoch erwähnen – darauf hingewie-
    sen, man sei angetreten, Steuerschlupflöcher zu schlie-
    ßen. Wer hat denn in diesen sechs Jahren das größte
    Steuerschlupfloch geöffnet und dann mühsam mit unse-
    rer Hilfe wieder schließen müssen, weil massiv Einnah-
    men wegbrachen? Das war Ihre Reform der Körper-
    schaftsteuer, bei der plötzlich massiv Steuermittel
    abflossen, nicht verursacht von irgendwelchen Vorgän-
    gern, sondern von dieser Bundesregierung. Das mussten
    Sie korrigieren. Das heißt: Sie öffnen Steuerschlupflö-
    cher und müssen sie dann dringend wieder schließen.
    Auch das ist ein Kennzeichen Ihrer Politik: dass Sie
    ständig Fehler Ihrer eigenen Regierungszeit korrigieren
    müssen.

    Ich will an dieser Stelle zwei Bemerkungen zur
    Tabaksteuer machen. Bei der Tabaksteuer haben Sie ein
    Mehraufkommen von 1 Milliarde Euro kalkuliert. Sie
    wollten 1 Milliarde Euro mehr einnehmen, indem Sie
    die Tabaksteuer – gegen unseren Willen – schnell, in
    sehr hohen Schritten erhöhen wollten. Dem haben wir
    reserviert gegenübergestanden, weil wir genau die
    Marktreaktion vorhergesehen haben, nämlich dass die
    Leute nicht auf das Rauchen verzichten – in Ihrem Ge-
    setzentwurf gab es ja keine gesundheitspolitische Ziel-
    setzung –, sondern in die Illegalität gehen und diese Ta-
    bakwaren an der Steuer vorbei konsumieren. Genau dies
    ist jetzt geschehen. Es ist wunderbar, dass sich die Haus-
    haltspolitiker der Koalition heute Morgen einig waren
    – wie man auf „tagesschau.de“ nachlesen kann –, die
    zweite und dritte Stufe der Tabaksteuererhöhung abzu-
    blasen. Nur stellt sich da natürlich in der Haushaltsbera-
    tung die Frage: Was machen Sie denn mit den veran-
    schlagten Einnahmen aus der zweiten und dritten Stufe
    der Tabaksteuererhöhung? Ist das wieder so ein Schnell-
    schuss, für den Sie keine Gegenfinanzierung haben? Wie
    wollen Sie das überhaupt machen? Kehren Sie endlich
    einmal zu einer planbaren, berechenbaren Politik zurück
    – dann haben wir wieder eine vernünftige Grundlage –,
    anstatt ständig Schnellschüsse aus der Hüfte abzugeben.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich halte nicht für gerechtfertigt, was der Bundes-

    finanzminister zur Deckung der Mindereinnahmen vor-
    schlägt: in die Krankenkasse zu greifen – die Kranken-
    kassen konnten durch die Gesundheitsreform einen
    Überschuss von 2,5 Milliarden Euro verzeichnen – und
    sich dieses Geld für den Bundeshaushalt zu besorgen.
    Das ist unanständig gegenüber der Versichertengemein-
    schaft der gesetzlichen Krankenversicherung. Das wer-
    den wir nicht mittragen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie haben die Gemeinden erwähnt. Ich will nur ein-

    mal darauf hinweisen, dass wir in diesem Jahr bezüglich
    der Gemeinden eine Steueramnestie beschlossen haben.
    Gemäß dieser Steueramnestie sollten Bund, Länder und
    Kommunen 5 Milliarden Euro an Mehreinnahmen erhal-
    ten. Schauen wir uns das einmal an: Im ersten Halbjahr
    waren es 224 Millionen Euro. Kein Mensch in diesem
    Land glaubt mehr, dass wir die 5 Milliarden Euro bis
    zum Ende der Frist erreichen. Wo ist an dieser Stelle die
    Entlastung der Kommunen um 900 Millionen Euro? Es
    gibt sie nicht. Bezüglich der Gewerbesteuerumlage
    mussten wir Sie im Vermittlungsausschuss dazu zwin-
    gen, die Kommunen zu entlasten. Durch Hartz IV wer-
    den die Kommunen nicht, wie Sie ständig zu Unrecht sa-
    gen, entlastet, sondern sie werden belastet. Auf eine
    Gemeindefinanzreform wartet dieses Haus immer noch.

    Da wir über die Steuerpolitik reden, will ich an dieser
    Stelle sagen, dass wir unser Steuerkonzept, in dem wir
    sowohl etwas zur Reform der Kommunalfinanzen als
    auch zur Einkommen- und Körperschaftsteuer sagen, be-
    reits in erster Lesung hier im Deutschen Bundestag vor-
    gelegt haben. Es liegt jetzt im zuständigen Fachaus-
    schuss. Wenn Sie tatsächlich zu einer vernünftigen
    Lösung in der Steuerpolitik kommen wollen, dann grei-
    fen Sie unseren Vorschlag an dieser Stelle auf und führen
    Sie mit uns gemeinsam eine vernünftige Beratung durch.






    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Michael Meister

    Dadurch können wir auch zu einer gemeinsamen Steuer-
    politik kommen. Das Motto muss lauten: niedrigere
    Steuersätze, Ausnahmetatbestände tatsächlich abschaf-
    fen.

    Herr Finanzminister, bezüglich der Ausnahmetatbe-
    stände sind wir wirklich einer Meinung, aber man muss
    das natürlich im Zusammenhang tun. Sie können nicht
    nur – wie Sie das titulieren – Steuersubventionen strei-
    chen, sondern zeitgleich müssen Sie auch den Tarif sen-
    ken. Das gehört zusammen; das ist eine Einheit. Sie
    haben eine Tarifsenkung angekündigt und die Gegen-
    finanzierung erstellt. Als Sie gemerkt haben, dass die
    Lücke nicht geschlossen werden kann, wollten Sie wei-
    tere Gegenfinanzierungen durchführen. Das ist doch Ihr
    übliches Vorgehen an dieser Stelle. Das ist unseriös und
    eine falsche Politik.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Kehren Sie zu dem zurück, was wir vorgelegt haben!

    Wir haben hier ein Steuerkonzept vorgelegt. Daneben
    liegen Konzepte für die Arbeitsmarktpolitik und die So-
    zialreformen vor. Wir haben Ihnen angeboten, bei der
    Haushaltskonsolidierung mit Ihnen zusammenzuarbei-
    ten. Nehmen Sie diese Angebote an, dann haben Sie die
    Chance, aus Ihrer jetzigen Lage herauszukommen. An-
    sonsten glaube ich, dass der Eindruck der Kollegin
    Hermenau, dass in Ihren Reihen eine Sehnsucht nach der
    Opposition herrscht, relativ realistisch wiedergegeben
    worden ist.

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)