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ID1511106500

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    Plenarprotokoll 15/111 Absetzung des Tagesordnungspunktes 26 a . . Tagesordnungspunkt 4: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Arbeit – zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Offensive für den Mittelstand – zu dem Antrag der Abgeordneten Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann, Hartmut Schauerte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Grundsätzliche Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik statt neue Sonderregeln – Mittelstand (Drucksachen 15/351, 15/349, 15/357, 15/752, 15/1134, 15/3221) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Brandner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär BMWA Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär BMWA Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD) . . . . . . . . . Hartmut Schauerte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks (SPD) . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . 10072 A 10021 C 10021 D 10024 B 10026 D 10028 D 10029 A 10029 C 10030 D 10032 D 10034 C 10035 C Deutscher B Stenografisc 111. Si Berlin, Donnerstag I n h a Nachruf auf den Abgeordneten Matthias Weisheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begrüßung der neuen Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl der Abgeordneten Rita Streb-Hesse als stellvertretendes Mitglied der Parlamentari- schen Versammlung des Europarates . . . . . Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Hans-Peter Kemper, Wilhelm Schmidt (Salzgitter) und Gert Weisskirchen (Wiesloch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 13 und 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10019 A 10019 B 10019 C 10019 D 10019 D, 10128 C 10021 B umfassend stärken – zu dem Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Dr. Hermann Otto Solms, undestag her Bericht tzung , den 27. Mai 2004 l t : Gudrun Kopp, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Neue Chancen für den Mittelstand – Rahmenbedingungen verbessern statt Förderdschungel aus- weiten – zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Rainer Funke, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Statistiken reduzie- ren – Unternehmen entlasten – Büro- kratie abbauen – zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Joachim Günther (Plauen), Gudrun Kopp, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Modellregionen für Deregulierung und Bürokratieab- bau Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Christian Lange (Backnang) (SPD) . . . . . . . Veronika Bellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 10037 A 10038 A 10039 B II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) . . . . . . . . . . Walter Hoffmann (Darmstadt) (SPD) . . . . . . . Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Antrag der Abgeordneten Arnold Vaatz, Werner Kuhn (Zingst), Ulrich Adam, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Ostdeutschland eine Zu- kunft geben (Drucksache 15/3047) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Bundesna- turschutzgesetzes (Drucksachen 15/776, 15/2956) . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Nachhal- tiges Wachstum in Ostdeutschland sichern (Drucksache 15/3201) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Joachim Günther (Plauen), Eberhard Otto (Godern), Dr. Karlheinz Guttmacher, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Ostdeutsch- land als Speerspitze des Wandels – Leitli- nien eines Gesamtkonzepts für die neuen Länder (Drucksache 15/3202) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Joachim Günther (Plauen), Eberhard Otto (Godern), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Keine Kürzun- gen bei den Verkehrsprojekten in Ost- deutschland (Drucksache 15/3203) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Hilsberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10041 A 10042 A 10043 C 10045 C 10045 C 10045 D 10045 D 10046 A 10046 A 10047 C 10048 D 10050 C 10050 D Cornelia Pieper (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Georg Milbradt, Ministerpräsident (Sachsen) Christoph Matschie (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Pieper (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernward Müller (Gera) (CDU/CSU) . . . . . . Siegfried Scheffler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Arnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Scheffler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Werner Kuhn (Zingst) (CDU/CSU) . . . . . . . . Harald Wolf, Senator (Berlin) . . . . . . . . . . . . Ludwig Stiegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: b) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (Drucksache 15/2722) . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Fünf- ten Gesetzes zur Änderung des Futter- mittelgesetzes (Drucksache 15/3170) . . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 14. Mai 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen zur Vermeidung der Doppelbesteue- rung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Drucksache 15/3171) . . . . . . . . . . . . . . . e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 8. Juli 2003 zwischen der Regierung der Bundesre- publik Deutschland und der mazedoni- schen Regierung über soziale Sicherheit (Drucksache 15/3172) . . . . . . . . . . . . . . . f) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Übereinkommen vom 14. Oktober 2003 über die Beteiligung der Tschechischen Republik, der Repu- blik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Re- publik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowaki- 10051 A 10053 D 10056 A 10059 C 10060 C 10062 A 10063 C 10064 C 10066 B 10066 C 10066 D 10068 C 10070 B 10072 B 10072 B 10072 B 10072 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 III schen Republik am Europäischen Wirt- schaftsraum (Drucksache 15/3173) . . . . . . . . . . . . . . . . g) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Fakultativprotokoll vom 25. Mai 2000 zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaff- neten Konflikten (Drucksache 15/3176) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 6: a) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung (Drucksache 15/3147) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 7. April 2003 zwischen der Regierung der Bun- desrepublik Deutschland und der Re- gierung der Tunesischen Republik über die Zusammenarbeit bei der Bekämp- fung von Straftaten von erheblicher Be- deutung (Drucksache 15/3177) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Wagniska- pital (Drucksache 15/3189) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Jürgen Klimke, Klaus Brähmig, Ernst Hinsken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Den Tourismus stärken – Chan- cen der EU-Erweiterung nutzen (Drucksache 15/3192) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller, Annette Faße, Brunhilde Irber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Franziska Eichstädt-Bohlig, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Internationale Richtlinien für biologische Vielfalt und Tourismus- entwicklung zügig umsetzen (Drucksache 15/3219) . . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel, Rainer Brüderle, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Verschiebung des Zeitpunktes für das In-Kraft-Treten des Vierten Ge- setzes für moderne Dienstleistungen am 10072 C 10072 C 10072 D 10072 D 10073 A 10073 A 10073 A Arbeitsmarkt (SGB II) auf den 1. Ja- nuar 2006 (Drucksache 15/3105) . . . . . . . . . . . . . . . g) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Post AG zur Erbringung be- stimmter Postdienstleistungen (Drucksache 15/3186) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Rechtsfragen hinsichtlich der Rechts- stellung von Angehörigen der Bundes- wehr bei Kooperationen zwischen der Bundeswehr und Wirtschaftsunterneh- men sowie zur Änderung besoldungs- und wehrsoldrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 15/2944, 15/3124) . . . . . . . b) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 9. September 2002 über die Vorrechte und Immunitäten des Internationalen Strafgerichtshofs (Drucksachen 15/2723, 15/3217) . . . . . . . c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 16. Mai 2003 zum Internationalen Übereinkommen von 1992 über die Er- richtung eines Internationalen Fonds zur Entschädigung für Ölverschmut- zungsschäden (Drucksachen 15/2947, 15/3215) . . . . . . . d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vor- schriften über die Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden durch See- schiffe (Drucksachen 15/2949, 15/3220) . . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur Ände- rung der Versatzverordnung und zur Zweiten Änderung der Deponieverord- nung (Drucksachen 15/2814, 15/2886 Nr. 1, 15/3141) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) – l) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 117, 118, 119, 120, 121, 122 und 123 zu Petitionen 10073 C 10073 C 10073 C 10074 A 10074 A 10074 C 10074 D IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 (Drucksachen 15/3089, 15/3090, 15/3091, 15/3092, 15/3093, 15/3094, 15/3095) . . . . Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP: Den Rechtsweg in der Regu- lierung des Telekommunikationsmarktes ändern (Drucksache 15/3218) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der Interna- tionalen Sicherheitspräsenz im Kosovo zur Gewährleistung eines sicheren Umfeldes für die Flüchtlingsrückkehr und zur militärischen Absicherung der Friedensregelung für das Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkommens zwischen der Internationalen Sicher- heitspräsenz (KFOR) und den Regie- rungen der Bundesrepublik Jugosla- wien und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999 (Drucksachen 15/3175, 15/3235, 15/3236) b) Antrag der Abgeordneten Dr. Rainer Stinner, Dr. Werner Hoyer, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Status des Kosovo als EU-Treuhandgebiet (Drucksache 15/2860) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Gernot Erler, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Rainer Arnold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Dr. Ludger Volmer, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Fortsetzung und Anpassung der Arbeit der Internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo (Drucksache 15/3204) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit 10075 A 10075 C 10075 D 10076 A 10076 A Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Dr. Friedbert Pflüger, Dr. Christian Ruck, Christian Schmidt (Fürth), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Der Kosovo- politik eine Perspektive geben (Drucksache 15/3188) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU) . . . . . Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Uta Zapf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Helias (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Dietrich Austermann, Friedrich Merz, Steffen Kampeter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Umkehr in der Finanz- und Haushaltspolitik – Haushalts- sicherungsgesetz und Nachtragshaushalt jetzt (Drucksache 15/3096) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Dr. Günter Rexrodt, Jürgen Koppelin, Otto Fricke, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Nach- tragshaushalt und Haushaltssicherungsge- setz zur Korrektur der Bundesfinanzen notwendig (Drucksache 15/3216) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dietrich Austermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ilse Aigner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 10076 B 10076 B 10078 A 10079 C 10079 D 10081 C 10082 C 10083 D 10085 A 10085 B 10085 B 10086 A 10087 A 10090 A 10087 B 10087 C 10087 D 10093 A 10096 C 10097 D 10099 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 V Jörg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Kampeter (CDU/CSU) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Neuordnung des Gentechnik- rechts (Drucksache 15/3088) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Er- nährung und Landwirtschaft zu dem An- trag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Wahl- freiheit für die Landwirte durch Rein- heit des Saatgutes sicherstellen (Drucksachen 15/2972, 15/3209) . . . . . . . Renate Künast, Bundesministerin BMVEL . . Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . . Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Än- derung des Betriebsprämiendurchfüh- rungsgesetzes (Drucksachen 15/3046, 15/3223) . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Ernährungs- und agrarpolitischer Be- richt 2004 der Bundesregierung (Drucksache 15/2457) . . . . . . . . . . . . . . . . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . Albert Deß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10100 D 10101 B 10101 D 10102 C 10103 C 10103 C 10103 D 10104 D 10104 B 10106 B 10108 B 10110 A 10111 C 10113 A 10113 D 10114 D 10116 C 10116 D 10117 A 10118 A 10118 D 10120 B Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Jella Teuchner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär BMVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Jahr (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit – zu dem Antrag der Abgeordneten Erich G. Fritz, Karl-Josef Laumann, Dagmar Wöhrl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Für ein höheres Liberalisierungsniveau beim Welthandel mit Dienstleistun- gen – GATS-Verhandlungen zügig voranbringen – zu dem Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Rainer Brüderle, Dirk Niebel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Internationale Rechtssicherheit und transparente Regeln für den Dienstleistungshan- del – GATS-Verhandlungen voran- bringen (Drucksachen 15/1008, 15/1010, 15/3101) . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit – zu dem Antrag der Abgeordneten Erich G. Fritz, Dagmar Wöhrl, Karl- Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Doha-Verhandlungen nach dem Scheitern von Cancun konstruktiv und zügig voranbringen – zu dem Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Markus Löning, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Doha-Runde bis 2005 zum Erfolg führen – Mehr Entwicklung, Armutsbekämpfung und Wohlstand durch Freihandel (Drucksachen 15/1567, 15/1931, 15/3222) . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem An- trag der Abgeordneten Katherina Reiche, Thomas Rachel, Günter Nooke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der 10121 B 10122 C 10123 D 10125 A 10125 B 10126 C 10128 B 10128 B VI Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 CDU/CSU: Qualitätssicherung im Bil- dungswesen und kulturelle Vielfalt bei GATS-Verhandlungen garantieren (Drucksachen 15/1095, 15/1844) . . . . . . . Erich G. Fritz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marion Seib (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Gisela Piltz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Passagier- datensammlungen und Datenschutzrechte – EU-Abkommen mit den Vereinigten Staa- ten von Amerika (Drucksachen 15/2761, 15/3120) . . . . . . . . . . Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beatrix Philipp (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Hofmann (Volkach) (SPD) . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anleger- schutzverbesserungsgesetz – AnSVG) (Drucksache 15/3174) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Pronold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU) . . . . . . Hubert Ulrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carl-Ludwig Thiele (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Simone Violka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Renate Gradistanac, Sabine Bätzing, Ute Berg, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ekin Deligöz, Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), weite- rer Abgeordneter und der Fraktion des 10128 C 10128 D 10129 D 10130 C 10131 D 10133 A 10133 B 10134 B 10136 C 10137 B 10138 A 10138 B 10139 C 10139 D 10140 D 10142 A 10143 A 10144 A 10145 A BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Kinder und Jugendliche wirksam vor sexueller Gewalt und Ausbeutung schützen (Drucksache 15/3211) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Gradistanac (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Klaus Haupt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Ursula Lietz, Anita Schäfer (Saalstadt), Christa Reichard (Dres- den), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Frauen und Familien in der Bundeswehr stärken und fördern (Drucksache 15/3049) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursula Lietz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Heß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: a) Antrag der Abgeordneten Karin Kortmann, Rudolf Bindig, Lothar Binding (Heidelberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeord- neten Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Un- terstützung der neuen Regierung Boli- viens bei der demokratischen Stabilisie- rung des Landes (Drucksache 15/2975) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Peter Weiß (Emmendingen), Dr. Christian Ruck, Dr. Ralf Brauksiepe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Chance zum demokratischen Neubeginn in Haiti unterstützen (Drucksache 15/2746) . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem An- trag der Abgeordneten Peter Weiß (Em- mendingen), Dr. Christian Ruck, Dr. Ralf Brauksiepe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Nach der Neuwahl in Argentinien: Entwicklungs- zusammenarbeit mit Argentinien und Uruguay zielgerichtet fortführen (Drucksachen 15/1015, 15/2706) . . . . . . . 10146 A 10146 B 10148 A 10149 C 10150 A 10151 B 10151 D 10153 A 10153 B 10155 A 10157 D 10159 A 10159 A 10159 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 VII Tagesordnungspunkt 14: a) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Erwin Marschewski (Reckling- hausen), Günter Nooke, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Das gemeinsame historische Erbe für die Zukunft bewahren (Drucksache 15/2819) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen zur Förderung der Kul- turarbeit gemäß § 96 Bundesvertriebe- nengesetz in den Jahren 2001 und 2002 (Drucksache 15/2967) . . . . . . . . . . . . . . . . Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . . Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP) . . . . . . Gisela Hilbrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias Sehling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Julia Klöckner, Peter H. Carstensen (Nordstrand), Albert Deß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Dreizehntes Gesetz zur Ände- rung des Arzneimittelgesetzes für Tierärzte und Landwirte praxisgerecht und verbrau- cherfreundlich gestalten (Drucksache 15/3112) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Julia Klöckner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . Julia Klöckner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Antrag der Abgeordneten Lothar Mark, Ute Kumpf, Dr. Christine Lucyga, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele, Dr. Ludger Volmer, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Intensivierung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union, Lateinamerika und der Karibik (Drucksache 15/3205) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10159 C 10159 D 10159 D 10161 C 10162 D 10163 D 10165 A 10165 D 10166 A 10168 C 10169 C 10170 D 10172 A 10173 D 10174 B 10174 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Marianne Tritz, Werner Schulz (Berlin), Fritz Kuhn, Irmingard Schewe-Gerigk, Silke Stokar von Neuforn, Ulrike Höfken, Marieluise Beck (Bremen), Undine Kurth (Quedlinburg), Josef Philip Winkler, Petra Selg, Christine Scheel, Jutta Dümpe-Krüger, Albert Schmidt (Ingol- stadt), Winfried Hermann, Cornelia Behm, Franziska Eichstädt-Bohlig, Thilo Hoppe, Kerstin Andreae, Ekin Deligöz, Dr. Ludger Volmer, Jerzy Montag, Grietje Bettin, Christa Nickels, Alexander Bonde, Dr. Thea Dückert, Hubert Ulrich, Winfried Nachtwei, Anna Lührmann, Hans-Christian Ströbele, Peter Hettlich und Markus Kurth (alle BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) sowie Rüdiger Veit, René Röspel, Uta Zapf, Hans Büttner (Ingolstadt), Karin Kortmann, Dr. Cornelie Sonntag- Wolgast, Christoph Strässer und Eckhardt Barthel (Berlin) (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der Internati- onalen Sicherheitspräsenz im Kosovo zur Gewährleistung eines sicheren Umfeldes für die Flüchtlingsrückkehr und zur mili- tärischen Absicherung der Friedensrege- lung für das Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkom- mens zwischen der Internationalen Sicher- heitspräsenz (KFOR) und den Regierun- gen der Bundesrepublik Jugoslawien und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999 (Ta- gesordnungspunkt 6 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jürgen Koppelin (FDP) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der Internationa- len Sicherheitspräsenz im Kosovo zur Ge- währleistung eines sicheren Umfeldes für die Flüchtlingsrückkehr und zur militäri- schen Absicherung der Friedensregelung für das Kosovo auf der Grundlage der Re- solution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkommens zwischen der Internationalen Sicherheits- präsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien und der Re- publik Serbien vom 9. Juni 1999 (Tagesord- nungspunkt 6 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10175 A 10175 A 10175 D VIII Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Anträge: – Für ein höheres Liberalisierungsniveau beim Welthandel mit Dienstleistungen – GATS-Verhandlungen zügig voranbringen – Internationale Rechtssicherheit und trans- parente Regeln für den Dienstleistungs- handel – GATS-Verhandlungen voranbrin- gen – Doha-Verhandlungen nach dem Scheitern von Cancun konstruktiv und zügig voran- bringen – Doha-Runde bis 2005 zum Erfolg führen – Mehr Entwicklung, Armutsbekämpfung – Chancen zum demokratischen Neubeginn in Haiti unterstützen – Nach der Neuwahl in Argentinien: Ent- wicklungszusammenarbeit mit Argenti- nien und Uruguay zielgerichtet fortführen (Tagesordnungspunkt 19 a bis c) Karin Kortmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Müller, Staatsministerin AA . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: 10179 D 10180 D 10182 B 10182 D und Wohlstand durch Freihandel – Qualitätssicherung im Bildungswesen und kulturelle Vielfalt bei GATS-Verhandlun- gen garantieren (Tagesordnungspunkt 10 a bis c) Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD) . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Frauen und Familien in der Bundes- wehr stärken und fördern (Tagesordnungs- punkt 16) Marianne Tritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Unterstützung der neuen Regierung Boli- viens bei der demokratischen Stabilisie- rung des Landes 10176 C 10178 D – des Antrages: Das gemeinsame historische Erbe für die Zukunft bewahren – der Unterrichtung: Bericht der Bundesre- gierung über die Maßnahmen zur Förde- rung der Kulturarbeit gemäß § 96 Bundes- vertriebenengesetz in den Jahren 2001 und 2002 (Tagesordnungspunkt 14) Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Intensivierung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union, Latein- amerika und der Karibik (Tagesordnungs- punkt 20) Lothar Mark (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Claudia Nolte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . Dr. Claudia Winterstein (FDP) . . . . . . . . . . . 10183 C 10184 B 10186 C 10187 C 10189 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 10019 (A) (C) (B) (D) 111. Si Berlin, Donnerstag Beginn: 9
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    1) Anlage 8 Berichtigung 110. Sitzung, Seite 9999 (B), erster Absatz, der erste Satz ist wie folgt zu lesen: „Nicht nur Simbabwe, son- dern auch der Sudan ist jetzt zur Nagelprobe für Afrikas Bekenntnis zur Einhaltung der Menschenrechte, zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie geworden.“ Seite 10007 (B), erster Absatz, der zweite Satz ist wie folgt zu lesen: „Unsere Regierung und auch der Deutsche Bun- destag tun das seit langem, nämlich seit dem letzten Jahr, Kollege Büttner.“ (D) (B) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 10175 (A) (C) (B) (D) Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Fortsetzung der Deutschen Beteiligung an der Internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Marianne Tritz, Werner Schulz (Berlin), Fritz Kuhn, Irmingard Schewe-Gerigk, Silke Stokar von Neuforn, Ulrike Höfken, Marieluise Beck (Bremen), Undine Kurth (Quedlinburg), Josef Philip Winkler, Petra Selg, Christine Scheel, Jutta Dümpe-Krüger, Albert Schmidt (Ingol- stadt), Winfried Hermann, Cornelia Behm, Franziska Eichstädt-Bohlig, Thilo Hoppe, Kerstin Andreae, Ekin Deligöz, Dr. Ludger Volmer, Jerzy Montag, Grietje Bettin, Christa Nickels, Alexander Bonde, Dr. Thea Dückert, Hubert Ulrich, Winfried Nachtwei, Anna Lührmann, Hans-Christian Ströbele, Peter Hettlich und Markus Kurth (alle BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) sowie Rüdiger Veit, René Röspel, Uta Zapf, Hans Büttner (Ingolstadt), Karin Kortmann, Dr. Cornelie Sonntag- Wolgast, Christoph Strässer und Eckhardt Barthel (Berlin) (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der Internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo zur Gewährleis- tung eines sicheren Umfeldes für die Flücht- lingsrückkehr und zur militärischen Absiche- rung der Friedensregelung für das Kosovo auf Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Barthle, Norbert CDU/CSU 27.05.2004 Borchert, Jochen CDU/CSU 27.05.2004 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 27.05.2004 Haack (Extertal), Karl Hermann SPD 27.05.2004 Hagemann, Klaus SPD 27.05.2004 Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 27.05.2004 Dr. Rexrodt, Günter FDP 27.05.2004 Scheuer, Andreas CDU/CSU 27.05.2004 Schröder, Gerhard SPD 27.05.2004 Anlagen zum Stenografischen Bericht Abkommens zwischen der Internationalen Si- cherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien und der Repu- blik Serbien vom 9. Juni 1999 (Tagesordnungs- punkt 6 a) Wir erklären: Angesichts der dramatischen Entwick- lung in den vergangenen Wochen und der gezielten An- griffe gegen Minderheitenangehörige im Kosovo sind deren Leben und Grundrechte im Kosovo massiv gefähr- det. Es ist zu gezielten Übergriffen auf Rückkehrersied- lungen von ethnischen Minderheiten im Kosovo gekom- men. Für uns ergibt sich daraus die Konsequenz, dass auf absehbare Zeit alle Rückführungsmaßnahmen unter- bleiben müssen. Wir begrüßen daher die Entscheidung von UNMIK, seit dem 17. März 2004 alle Abschiebun- gen von ethnischen Minderheiten zu stoppen. Aus unserer Sicht kommt es bei der Frage der Rück- kehr von Minderheitenangehörigen ins Kosovo darauf an, ob Gefahren für Leib und Leben ausgeschlossen wer- den können. Dies wird übereinstimmend von UNMIK, UNHCR, OSZE für die nahe Zukunft verneint. Sowohl KFOR als auch UNMIK verweisen darauf, dass es in der angespannten Lage sicherheitspolitisch kontraproduktiv wäre, ethnische Minderheiten in das Kosovo zurückzu- führen und damit möglicherweise die ethnischen Span- nungen zu verschärfen. Die Bundesregierung unter- nimmt größte Anstrengungen, die Lage im Kosovo zu stabilisieren und dauerhaft zu verbessern. Die Absicht von Landesinnenministern, aus innenpolitischen Erwä- gungen Abschiebungen in das Kosovo durchzuführen, ist nicht nur menschlich, sondern auch sicherheitspoli- tisch fatal. Damit würde deutsche Innenpolitik außen- politische Ziele konterkarieren. Die Konsequenz sollte nunmehr – nach Jahren der Duldungen für den Personenkreis der Minderheitenange- hörigen aus dem Kosovo – die Gewährung eines recht- mäßigen Aufenthaltes und damit die Ermöglichung einer Zukunftsperspektive sein. In diesem Sinne sollte sich der Bundesinnenminister intensiv gegenüber seinen Länder- kollegen und der Innenministerkonferenz einsetzen. Weiterhin fordern wir das BMI auf, gegenüber dem Bundesamt für Flüchtlinge klarzustellen, dass unverzüg- lich die Praxis der generellen Einleitung von Widerrufs- verfahren gegen anerkannte Flüchtlinge aus dem Kosovo eingestellt wird. Die neuerliche Gewalteskalation im Kosovo zeigt, dass an eine Beendigung des Flüchtlings- schutz-Status noch lange nicht zu denken ist. Ist eine Rückkehr nicht zumutbar, dann darf der Flüchtlingssta- tus nicht widerrufen werden. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jürgen Koppelin (FDP) zur 10176 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 (A) (C) (B) (D) zur Gewährleistung eines sicheren Umfeldes für die Flüchtlingsrückkehr und zur militärischen Absicherung der Friedenregelung für das Ko- sovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Natio- nen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch- Technischen Abkommens zwischen der Interna- tionalen Sicherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999 (Ta- gesordnungspunkt 6 a) Ich werde der Fortsetzung der deutschen Beteiligung im Kosovo zustimmen, auch wenn ich dazu erhebliche Bedenken habe. Seit dem Einsatz deutscher Soldaten im Kosovo hat die deutsche Außenpolitik keine nennenswerten Aktivi- täten übernommen, damit der Einsatz im Kosovo poli- tisch erfolgreich abgeschlossen werden kann. Dazu hätte gehört, alle diplomatischen Möglichkeiten auszuschöp- fen und alle Kräfte zu bündeln, damit eine Aussöhnung stattfinden kann. Viele Zusagen, die Bundesaußenminister Fischer in seinem Wortbeitrag am 11. Juni 1999 gegenüber dem Deutschen Bundestag gemacht hat, sind nicht erfüllt worden. Der Wille, diese Zusagen zu erfüllen, ist nicht erkennbar. Die Bundesregierung bleibt auch den deut- schen Soldaten im Kosovo die Antwort schuldig, wie lange dieser Einsatz zeitlich noch dauern soll. Bundesaußenminister Fischer hatte versprochen, dass der Frieden im Kosovo dann eintreten wird, wenn die in- ternationale Friedenstruppe im Kosovo steht. Seit fünf Jahren ist die internationale Friedenstruppe im Kosovo präsent und Frieden ist immer noch nicht eingekehrt. Der vom deutschen Außenminister versprochene Frie- densprozess für den Kosovo ist nach fünf Jahren militä- rischem Einsatz immer noch weit entfernt. Diese negative Bilanz ist leider auch auf eine deut- sche Außenpolitik zurückzuführen, deren Interesse für das Kosovo längst nur noch auf ein Minimum be- schränkt ist. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Anträge: – Für ein höheres Liberalisierungsniveau beim Welthandel mit Dienstleistungen – GATS-Verhandlungen zügig voranbringen – Internationale Rechtssicherheit und trans- parente Regeln für den Dienstleistungshan- del – GATS-Verhandlungen voranbringen – Doha-Verhandlungen nach dem Scheitern von Cancun konstruktiv und zügig voran- bringen – Doha-Runde bis 2005 zum Erfolg führen – Mehr Entwicklung, Armutsbekämpfung und Wohlstand durch Freihandel – Qualitätssicherung im Bildungswesen und kulturelle Vielfalt bei GATS-Verhandlun- gen garantieren (Tagesordnungspunkt 10 a bis c) Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, GATS, ist zweifelsohne eine der wichtigsten Vertrags- verhandlungen, die im letzten Jahrzehnt international ini- tiiert wurden. Dienstleistungen sind ein wichtiger Wirt- schaftszweig mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten und stetig steigendem Anteil am Welthandel. Wie hoch der Anteil sein wird, hängt wesentlich von den Inhalten und Modalitäten der GATS-Verhandlungen ab. Beim GATS geht es dabei nicht allein um private, wirtschaftsnahe Dienstleistungen. Es geht auch um Bil- dung, medizinische und soziale Dienstleistungen, Um- weltdienste, Kultur und Sport. Nur die „in Ausübung ho- heitlicher Gewalt“ erbrachten Dienstleistungen sind ausgenommen – aber was die sind, darüber gibt es kei- nen weltweiten Konsens. Bei den Verhandlungen geht es entscheidend darum, was an Leistungen künftig öffentlich erbracht wird bzw. erbracht werden darf und welche Kriterien außer der rei- nen Gewinnerzielung Geltung haben sollen. Gerade in der Daseinsvorsorge, bei den Leistungen, die in unseren Städten und Gemeinden erbracht werden, sind die Fra- gen existenziell, wie viel Gestaltungsspielraum die öf- fentliche Hand noch haben wird, wie viel Zuschüsse noch erlaubt sind bzw. ob jeder private Anbieter ebenso Anspruch auf öffentliche Subventionen hat wie gemein- nützige Organisationen. Beim GATS geht es mit einer internationalen Markt- ordnung für Dienstleistungen nicht nur um eine neue Ordnung des globalen Arbeitsmarktes, sondern es wird eine neue globale, soziale Ordnung vorgezeichnet, die tief in die bisherigen politischen, sozialen und kulturel- len Wertvorstellungen und Ordnungssysteme der meis- ten Nationalstaaten eingreift und die schon bisher die Handlungsspielräume für politische Gestaltung in der Vergangenheit eingeschränkt hat und zukünftig erheb- lich einschränken kann. Dies ist in der nationalen und in- ternationalen Debatte immer mehr bewusst geworden. Das GATS ist nur scheinbar ein exotisches Spezialthema – in Wirklichkeit geht es uns alle an. Das Scheitern der WTO-Verhandlungen in Cancun hatte auch zu einem weit gehenden Stillstand der GATS- Verhandlungen geführt. Auf den ersten Blick scheint der Verhandlungsprozess wieder da, wo er vor einem Jahr bereits stand. Allerdings wurden – von der Öffentlichkeit weitgehend unbe- merkt – die GATS-Verhandlungen mit einer Sondersit- zung des WTO-Dienstleistungsrates am 2. April wieder aufgenommen. Damit stellt sich die Frage, ob wir, die Industrieländer, die Europäische Union und die deutsche Bundesregierung aus dem Scheitern in Mexiko und der öffentlichen Debatte in unserem Land die nötigen Leh- ren gezogen haben. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 10177 (A) (C) (B) (D) Aus Sicht von uns Sozialdemokraten waren die Gründe für ein Scheitern lange absehbar gewesen: Die fragile Lage der Weltwirtschaft zeigt zwar milde Zei- chen von Erholung, dies jedoch regional begrenzt. Ganze Kontinente wie Lateinamerika und Afrika konn- ten und können von den positiven Impulsen der Welt- konjunktur nicht profitieren, auch in Europa sind die Perspektiven eher mäßig. Dies erlaubt vielen Regierungen nicht, großzügige Handelszugeständnisse im Verhandlungsprozess zu ma- chen – schon gar nicht wenn sie vor bedeutsamen Wah- len stehen wie zum Beispiel den Präsidentschaftswahlen in den USA. Die US-Debatte macht auch deutlich, dass die Beant- wortung der Frage, was mehr Welthandel und Marktöff- nung wirklich für Arbeitsplätze und Wohlstand bringen, unausweichlich ist und von der Politik beantwortet wer- den muss. Die optimistischen Aussagen der Opposition entsprechen jedenfalls nicht den Tatsachen. Dass bisher in der WTO die soziale Dimension völlig und die ökologische nahezu völlig gefehlt haben, war und ist für die Handelsexperten kein Grund zur Beunru- higung – wohl aber für Hunderte von Millionen Men- schen. Ohne die soziale Frage wird es aber keine „Glo- balisierung mit menschlichem Gesicht“ geben, sondern Globalisierung wird ein Prozess bleiben bzw. werden, der auf dem Rücken breiter Schichten zugunsten Weni- ger durchgesetzt wird. Wenn man sich die hier eingebrachten und zur Ab- stimmung gestellten GATS-Anträge der CDU/CSU- so- wie der FDP-Fraktion ansieht, ist klar zu sehen, dass sie eine Globalisierung auf dem Rücken der Menschen zu- gunsten weniger Reicher durchsetzen wollen. In Ihren hier vorliegenden Anträgen tauchen erneut die gleichen weltpolitisch gescheiterten, neokonservativen Forderun- gen auf, wie sie schon vor Cancun von Ihnen zu hören waren. Es sind die gleichen Allgemeinplätze zu Proble- men, die vielfältiger sind, als Sie sie wahrzunehmen be- lieben. Dass Handel die Weltprobleme löst, ist für große Regionen der Welt eine Schimäre oder besser ein trojani- sches Pferd, in dessen Gefolge sich Deindustrialisierung und Sozialdumping verbreitet haben. Dass im Vorfeld einer neuen Liberalisierungsrunde, zunächst tief greifende Reformen der WTO hin zu mehr Gleichberechtigung der verhandelnden Staaten, zu einer sozialen und ökologischen Dimension im Mittelpunkt stehen müssen, diese Erkenntnis ist an Ihnen vorbeige- gangen. Der in dem Antrag der FDP-Fraktion eröffnete Forde- rungskatalog lässt darüber hinaus einen geradezu leicht- sinnigen Umgang mit den Interessen unseres Landes er- kennen. Sie behaupten zum Beispiel, dass das GATS keinerlei Implikationen für hoheitlich erbrachte Dienstleistungen habe, und versuchen damit, Bedenken bei der öffentli- chen Daseinsvorsorge wie Bildung, Gesundheit und Kultur zu zerstreuen. Das heißt, sie haben entweder nicht verstanden, dass das GATS keine hinlängliche Defini- tion für hoheitlich erbrachte Dienstleistung enthält, oder Sie haben es bewusst ignoriert. Sie wissen doch, dass gerade bei uns viele Leistungen öffentlich finanziert und reguliert sind, die in anderen Ländern privat erbracht oder outgesourced sind: vom Gefängnisbetrieb bis zum Gefangenenverhör, die bei uns klassisches Gewaltmonopol des Staates sind und bleiben müssen. Wer mit soviel Dilettantismus zu Werke geht und gleichzeitig lauthals das konzeptionelle Ende dieser Re- gierung verkündet, hat fundamentale Probleme mit der Wahrnehmung von Realität. Wo wir gerade bei Realität sind: Der FDP-Antrag geht zudem noch völlig am politischen Konsens in der EU vorbei. Dort war bisher Gott sei Dank Einigkeit da- rüber, dass die wesentlichen Bereiche der Daseinsvor- sorge wie zum Beispiel Bildung, Gesundheit und Kultur von der Liberalisierung ausgeklammert werden und eben nicht, wie von Ihnen gefordert, den Interessen einiger großer Dienstleistungskonzerne geopfert werden. Sie ha- ben mit Ihren Ansichten weder in der EU-Kommission noch im Europäischen Parlament noch in diesem Lande die Mehrheit. Viel gravierender ist jedoch die FDP- und CDU/CSU- Forderung, keine Sozialstandards im GATS, aber auch bei der WTO zu verankern. Lassen Sie es sich gesagt sein: Der Arbeitsmarkt ist kein Markt wie jeder andere. Und wenn Sie so tun, als sei zwischen Menschen, die ihre Arbeit verkaufen, und dem Handel mit Socken oder Kartoffelchips kein Unterschied, dann zeigt das einen Zynismus, der dem Kapitalismus vergangener Jahrhun- derte entstammen könnte. Das Verbot von ausbeuterischer Kinderarbeit, Lohn- sklaverei, gewaltsamer Unterdrückung der Koalitions- freiheit und der massiven Diskriminierung von Frauen und zum Beispiel Andersfarbiger soll auf dem Altar des „Freihandels um jeden Preis“ geopfert werden. Selbst die großen multinationalen Konzerne – zumindest die mit Sitz im kontinentalen Europa – sind da schon deut- lich weiter. Ihr Hinweis, Sozial- und Arbeitsstandards sollten doch bitte von der Internationalen Arbeitsorganisation – der ILO – durchgesetzt werden, ist nur noch zynisch. Sie wissen doch genau, dass die ILO im Gegensatz zur WTO über keinerlei wirksame Durchsetzungsmittel verfügt. In Wirklichkeit wollen Sie nur verhindern, dass es weltweit durchsetzbare und einklagbare Arbeitneh- merrechte und Sozialstandards gibt, damit der Druck auf die Löhne und Arbeitsbedingungen in Deutschland an- hält. Sie verstehen die WTO offenbar nur als einen Club, der völlig frei von Rücksichtnahme auf die ökologische und soziale Dimension des Wirtschaftens, lediglich als „Sesam, öffne Dich!“ für die großen Unternehmen auf den Weltmärkten wirken soll. Wir Sozialdemokraten stehen für eine weltoffene, ex- portstarke Wirtschaft; Ihr einseitiges und verengtes Ver- ständnis von Globalisierung können wir nicht akzeptieren. 10178 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 (A) (C) (B) (D) Die historische Wahrheit ist im letzten Bericht der ILO- Weltkommission nachzulesen; sorgfältig geprüft und vorbereitet von Unternehmen, Wissenschaftlern und Po- litikern. Dort wurde festgestellt, dass in der bisherigen Form, das heißt ohne Gewährleistung von Arbeitnehmerrech- ten, Liberalisierung und Globalisierung eben nicht zu mehr Wohlstand und Arbeitsplätzen geführt haben und auch nicht führen werden. Vielmehr sind im Zuge dieser Art von Globalisierungsprozessen verstärkt Sozial- und Ökologiedumpings zu beobachten. Im Gegensatz zu Ih- nen haben die rot-grünen Koalitionsfraktionen erkannt und mit ihren im Parlament verabschiedeten Anträgen klargestellt, dass die GATS-Verhandlungen eine einma- lige Gelegenheit bieten, nicht nur ökonomische Perspek- tiven für Unternehmen völkerrechtlich zu öffnen, son- dern gleichzeitig grundlegende ökologische und soziale Standards in der internationalen Welthandelsordnung zu verankern. Die ILO-Arbeitsnormen bilden dafür einen ersten Anfang, eine von den meisten Völkern der Welt ratifizierte Ausgangsbasis. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir bei den derzeitigen GATS-Verhandlungen drei Prioritäten: Ersten. Im Gegensatz zur CDU/CSU und insbeson- dere zur FDP sehen wir gerade jetzt – im Zuge der Ost- erweiterung der Europäischen Union – grundsätzlich keinen Bedarf für eine allgemeine Öffnung der Dienst- leistungsmärkte, auch nicht für grenzüberschreitende, zeitlich befristete Dienstleistungen für Selbstständige oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ausnah- men im Bereich von Managern, Geschäftsreisenden, Wissenschaftlern und Forschern sowie bei der Weiterbil- dung von Akademikern sehen wir dagegen als eher un- problematisch an. Was würde es auch für einen Sinn ma- chen, bis zu siebenjährige Übergangsfristen für die völlige Freizügigkeit auf dem europäischen Arbeits- markt aus Arbeitsmarktgründen durchzusetzen und in- ternational quasi über die Hintertür einen kaum kontrol- lierbaren Zustrom zuzulassen, wie es die FDP fordert und dem die CDU/CSU offensichtlich nicht wider- spricht? Zweitens. Wir wollen im Rahmen von allen Handels- abkommen soziale, ökologische und Verbraucherstan- dards systematisch einbezogen sehen. Und es darf auf keinen Fall – über welches Kleingedruckte auch immer – ein Zwei- oder Dreiklassensystem von Beschäftigten ge- ben. Das entsteht aber fast zwangsläufig, wenn nicht von Anfang an klargestellt wird, dass auf unserem Boden das Arbeitsverhältnis nach deutschem Recht geregelt ist. Wir wollen keine Lohnsklaven zum Beispiel aus Entwick- lungsländern in der Europäischen Union und in Deutsch- land, die unter unsäglichen Arbeitsbedingungen und zu Minimallöhnen bei uns arbeiten, wie das zum Beispiel in den Golfstaaten der Fall ist. Das, was sich heute schon in Deutschland auf vielen Baustellen abspielt, ist schlimm genug – eine Ausweitung darf es nicht geben. Und die Gefahr ist nicht gering. Denn in Deutschland gibt es keine verbindlichen Mindestlöhne wie in den meisten europäischen Ländern und – außer im Baubereich – keine Entsenderichtlinie, die Mindestlöhne und Mindest- standards verbindlich regelt. Drittens. Wir wollen den Bereich der öffentlichen Da- seinsvorsorge im weiteren Sinne nicht in die Liberalisie- rung des Dienstleistungshandels einbeziehen. Deswe- gen ist es gut, dass die Europäische Kommission in den Bereichen Bildung, audiovisuelle Dienstleistungen, Ge- sundheit sowie Wasser, um nur einige Bereiche zu nen- nen, keine Angebote gemacht hat. Dabei soll es im Laufe des GATS-Verhandlungsprozesses auch verbindlich blei- ben. Wir sollten uns hier auf eine möglichst weite Defi- nition der Public Services und der öffentlichen Daseins- vorsorge einigen, um bei Streitigkeiten im Rahmen der WTO klarzustellen, dass diese Bereiche allein der politi- schen Entscheidung der souveränen Staaten vorbehalten sind und bleiben. Das muss auch Umweltdienstleistun- gen und den Verkehrsbereich mit einschließen. Für die Entscheidung über Qualität und ihre Sicherung sowie die Frage der Gewährung öffentlicher Subventionen muss das Gleiche gelten. Wir befinden uns als Deutscher Bundestag erst am Anfang der Diskussion darüber, wie wir Globalisierung sozial, ökologisch und fair gestalten können. Die An- träge der Opposition haben dazu leider weder neue Er- kenntnisse noch Anregungen gebracht. Im Gegenteil, sie zeigen Wegmarkierungen in eine Richtung, die wir poli- tisch nicht gehen wollen: in eine Welt, die in Arm und Reich gespalten ist, in der die Reichen noch reicher wer- den sollen und die souveränen Nationalstaaten als Nachtwächter und Bereitsteller von Polizisten, Armeen sowie Infrastruktur gerade noch zugelassen sind – aber schon kaum mehr als Schiedsrichter zwischen den gro- ßen weltweiten Konzernen. Diese Rolle übernehmen ja immer mehr die hinter verschlossenen Türen tagenden Schiedsgerichte der WTO. Ein solches Modell einer weltweiten sozialen Eiszeit lässt uns schaudern. Wir wollen eine andere, eine so- ziale, ökologische und faire Welt. Dies ist dringend und auch möglich – nur offensichtlich nicht mit Ihnen. Ihre Anträge lehnen wir deswegen entschieden ab. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Frauen und Fami- lien in der Bundeswehr stärken und fördern (Tagesordnungspunkt 16) Marianne Tritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Förderung von Frauen und die Verbesserung der Verein- barkeit von Beruf und Familie ist für uns ein zentrales Anliegen. Dieses Anliegen forcieren wir Grünen inten- siv und seit langem in allen gesellschaftlichen Bereichen und natürlich auch in der Bundeswehr. Die Stärkung und Förderung von Frauen und Fami- lien in der Bundeswehr ist ein wichtiges Thema. Inso- fern kann ich die Initiative der CDU/CSU begrüßen. Al- lerdings kommt Ihr Antrag leider einige Zeit zu spät. Vielleicht haben Sie gedacht: Besser spät als nie. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 10179 (A) (C) (B) (D) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU; ich finde es ja ganz wunderbar, dass sie sich gerade jetzt dieses Themas annehmen. Wir alle wissen, dass ein ent- sprechender Gesetzentwurf des Verteidigungsministe- riums zur Durchsetzung der Gleichstellung von Solda- tinnen und Soldaten bereits die Endabstimmung zwischen den beteiligten Ressorts passiert hat. In Kürze wird der abgestimmte Entwurf im Bundestag zur Bera- tung vorliegen. Aber Ihr Antrag zur Stärkung und Förderung von Frauen und Familien in der Bundeswehr kommt auch aus einem anderen Grund zu spät. Ihre Forderungen hät- ten letztes Jahr vielleicht noch Sinn gemacht, sie sind aber heute leider absolut überholt. Die wesentlichen For- derungen der CDU/CSU haben sich längst erledigt, weil sie heute schon Realität oder mit dem neuen Gleichstel- lungsgesetz auf dem Weg der Realisierung sind. Erstens. Es wird ein Gesetz zur Durchsetzung der Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr geben. Zweitens. Es wird Teilzeitarbeit und Verbesserungen für Alleinerziehende und Soldatinnen und Soldaten mit Kin- dern geben. Drittens. Auch die Verkürzung der Auslands- einsätze ist längst beschlossen. Sie sind leider etwas spät dran. Es macht wenig Sinn, über Dinge zu sprechen, die bereits Realität sind. In Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen von der CDU/ CSU, scheint ein Frauenbild durch, das ich bedenklich finde. Da zeigt sich die verengte Sichtweise. Denn Ihnen scheint es doch wieder nur darum zu gehen, Frauen über ihre Rolle als Mutter zu definieren und also auch in die- sem Sinne zu fördern. Bei Ihnen geht es hauptsächlich darum, dass Soldatinnen Mütter sind und wie sie Dienst und Kinder besser miteinander vereinbaren können. Die Frage ist jedoch, ob dies derzeit wirklich das Hauptpro- blem ist oder ob wir uns nicht zuvorderst darum küm- mern müssen, dass Frauen in alle Strukturen der Bundes- wehr vollständig integriert werden? Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie steht auch in dieser Frage ganz oben auf der Agenda. Aber gleichzeitig sollten wir auch die Förderung der gleichberechtigten Integration von Frauen in die Bundeswehr nicht aus dem Blick verlieren. Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen will ein modernes Gleichstellungsgesetz für die Bundeswehr. Es soll unsere beiden Hauptzielrichtungen miteinander ver- binden: erstens die Integration von Frauen in der Bun- deswehr verbessern und zweitens die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern. Der zweite Punkt, die Verein- barkeit von Dienst und Familie, betrifft aber nicht nur die Mütter unter den Soldatinnen, sondern ausdrücklich auch die Väter unter den Soldaten. Hierzu gehören neue Angebote von familiengerechten Arbeitszeiten. Wir wollen, dass Soldaten und Soldatinnen mit Fami- lienpflichten die Möglichkeit bekommen, ihren Dienst als Teilzeitbeschäftigung auszuüben. Auch Soldaten sol- len die Chance haben, sich an der Erziehung der Kinder zu beteiligen. Mit der Einrichtung der Teilzeit schaffen wir dafür die Grundlage. Wir Grünen unterstützen vor allem flexible Regelungen. Denn die diversen privaten und familiären Situationen der Soldaten lassen sich nicht in zwei oder drei Schubladen einsortieren. Wir hören hin, wo der Schuh am meisten drückt. Aus dem Jahres- bericht des Wehrbeauftragten wurde insbesondere das Problem der Länge der Auslandseinsätze deutlich. Ge- rade weil Auslandseinsätze durch das veränderte Ein- satz- und Aufgabenspektrum der Bundeswehr immer mehr zur Normalität des Dienstes werden, wird die Ver- kürzung der Einsatzdauer der Auslandseinsätze von sechs Monate auf nunmehr vier Monate die Soldaten und Soldatinnen diesbezüglich ein großes Stück entlasten. Neben den Verbesserungen für Dienst und Familie set- zen wir uns aber auch ein für Gesetze und Regelungen, welche die Bundeswehr speziell für Frauen attraktiver macht. Vorbild für das Soldatinnen und Soldaten- Gleichstellungsgesetz ist das Bundesgleichstellungsge- setz für den öffentlichen Dienst. Viele Regelungen zur Gleichstellung und Förderung von Frauen können aus diesem Gesetz übernommen werden. Allerdings gibt es auch Bereiche und besondere Anforderungen an den mi- litärischen Dienst bei der Bundeswehr, denen besonders Rechnung getragen werden muss, zum Beispiel keine Teilzeit bei Auslandseinsätzen und auf Schiffen. Wir müssen eine Brücke schlagen zwischen den besonderen Erfordernissen bei den Streitkräften auf der einen Seite und den Belangen von Frauen und Familien auf der an- deren Seite. Frauen leisten erst seit dem 1. Januar 2001 freiwillig Dienst in der Bundeswehr. Seitdem stehen ih- nen auch dort alle Laufbahnen offen. Nur etwa 9 000 Soldatinnen sind bei der Bundeswehr, lediglich etwa die Hälfte, 43 Prozent, ist im Truppendienst. Es gibt nicht nur relativ wenige Frauen, sondern wegen der späten Öffnung auch erst wenige Jahrgänge bei den nor- malen Verwendungen. Deshalb müssen wir auch weiter- hin Erfahrungen sammeln, um den speziellen Bedürfnis- sen der Frauen tatsächlich Rechnung tragen zu können. Keinesfalls dürfen wir die Integration der erst wenigen Frauen bei der Bundeswehr durch zu viele Regelungen gefährden und die betroffenen Frauen überfrachten und überfordern. Wir werden dem Prozess der Integration weiterhin hohe Aufmerksamkeit widmen. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Unterstützung der neuen Regierung Boli- viens bei der demokratischen Stabilisierung des Landes – Chancen zum demokratischen Neubeginn in Haiti unterstützen – Nach der Neuwahl in Argentinien: Entwick- lungszusammenarbeit mit Argentinien und Uruguay zielgerichtet fortführen (Tagesordnungspunkt 19 a bis c) Karin Kortmann (SPD): Als wir am 15. Januar hier im Parlament über die jüngsten Entwicklungen in Boli- vien debattierten, waren wir gemeinsam der Auffassung, dass der neu gewählte bolivianische Präsident Carlos 10180 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 (A) (C) (B) (D) Mesa der besonderen Unterstützung der internationalen Gemeinschaft bedürfe, um das krisengeschüttelte arme Land regieren zu können und ihm soziale und wirtschaft- liche Perspektiven zu geben. In den letzten vier Monaten blieben aber die erhofften Befriedigungen der inneren Unruhen aus. Die politische Lage hat sich weiter verschärft. Während der Karnevals- zeit kursierte in Bolivien gar eine Frage, die die Destabi- lität der Regierung offenbart: Was haben Präsident Mesa und der Fasching gemeinsam? Die Antwort: No se sabe, cuando cae. Man weiß nie, auf welches bzw. an welchem Datum er fällt. Der Verlust des Vertrauens in die Demokratie, die ge- ringe Anerkennung parteipolitischer Arbeit in der Bevöl- kerung, Korruption, Klüngel und mangelnde Transpa- renz der Abgeordneten haben Bolivien auf dem Weg zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit schweren Schaden zugefügt. Das weiß auch Carlos Mesa, der nicht einem der etablierten Parteiengeflechte entstammt und der weiß, wie dünn das Fundament der parlamentarischen Unterstützung für seine Regierungsarbeit ist. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung gibt in jüngsten Umfragen die Meinung wieder, auch ohne Parlament und ohne Par- teien zurechtzukommen. Sie erteilen einer zentralisti- schen Regierungsführung, wie sie sie bis zum Amtsan- tritt von Präsident Mesa erfahren haben, eine klare Absage. Sie plädieren für regionale transparente Ent- scheidungsprozesse. Die prekäre Haushaltslage schränkt den ohnehin ge- ringen Gestaltungsspielraum der Regierung bedrohlich ein. Es fehlt an Geldern für die soziale Sicherung, die Gehälter der Lehrer, die Altersversorgung der Men- schen. Carlos Mesa hat einen defizitären Staatshaushalt übernommen, den die Vorgängerregierung durch Auf- nahme von großen Krediten dahin geführt hat, dass Boli- viens Auslandsverschuldung heute fast wieder die Ver- schuldungsrate erreicht hat wie vor dem Schuldenerlass. Die unkonditionierten Mittel, die beim multilateralen Schuldenerlass frei wurden, sollten in Bildung, Gesund- heit investiert werden, also im partizipativen Prozess die Bevölkerung erreichen. Stattdessen warteten die Munizi- pien, die Kommunen, vergeblich auf die zugesagten Haushaltsmittel. Das Geld wurde nicht investiert, son- dern für die Deckung der Staatsschulden verbraucht. Al- lein für das erste Quartal des Jahres 2004 fehlen bereits 60 Millionen US-Dollar, um den laufenden Haushalts- verpflichtungen, der Auszahlung von Renten und Gehäl- tern nachzukommen. Die groß angelegte Beteiligung der Zivilgesellschaft bei der Erstellung von Bürgerhaushalten ist damit zur Farce geworden. Der Verlust an Glaubwürdigkeit ist so schnell nicht zurückzugewinnen, aber dennoch so ent- scheidend für die Demokratie. Das Militär tut ein Weiteres, den Ordnungsrahmen zu verlassen. Die politische Analystin Maria Teresa Zegada warnt gar davon, dass die Haltung des Militärs die De- mokratie bedrohe. Grundlage für diese Aussage ist, dass sich die Armeeführung gegen die Entscheidung des Ver- fassungsgerichts wehrt, das eine Rechtsprechung des Militärgerichts aufgehoben hat, in dem vier wegen Mor- des angeklagte Offiziere freigesprochen wurden. Nach- dem das weitere Verfahren in die Zuständigkeit der Zi- vilgerichte gelegt wurde, riefen die Generäle ihre Soldaten Anfang Mai in die Kasernen zurück und ver- setzten die Armee in Alarmbereitschaft. Fast zu ähnlich drastischen Maßnahmen haben sich Rentner zusammengeschlossen, um ihre Rentenansprü- che durchzusetzen. Ihr Protest, mit Selbstmordattentä- tern bekräftigt, hat die Regierung gezwungen, den Ren- tenhöchstsatz abzusenken. Ehemalige Richter des Obersten Gerichtshofes sollen bis zu 3 506 Dollar mo- natlich an Rente erhalten haben – ein Betrag, der zwan- zigmal höher ist als der Mindestlohn von monatlich 50 Dollar. Korruptionsbekämpfung und gerechte Alters- versorgung, Einführung sozialer Sicherungssysteme sind die zentralen Erwartungen der Bevölkerung an ihre Re- gierung. Die deutsche bilaterale Entwicklungszusammenar- beit hat Bolivien zu ihrem Schwerpunktland und zum Pi- lotland des Aktionsprogramms 2015 erklärt. Damit sind besondere Erwartungen und wirksame Unterstützung verbunden. Die Erlasszusagen von bilateralen und multi- lateralen Schulden in Höhe von insgesamt 1,3 Milliarden US-Dollar und weiteren 347 Millionen Euro aus Deutschland waren ein erster wichtiger Schritt, der aber mit einer klaren Konditionierung wirkungsvoller hätte sein können. Mit unserem Antrag legen wir einen umfassenden Katalog für die weitere Schwerpunktsetzung in der ent- wicklungspolitischen Zusammenarbeit vor, der die mit der bolivianischen Regierung vereinbarten Schwer- punkte – Verwaltungs- und Justizreform, Unterstützung der Zivilgesellschaft, Wasser- und Abwasserentsorgung und nachhaltige Landwirtschaft – umfasst. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Lateiname- rika steht nicht im Mittelpunkt des Interesses einer breiten internationalen Öffentlichkeit. Die rot-grüne Bundesre- gierung gibt zudem zu erkennen, dass Lateinamerika nicht zu den Prioritäten ihres außen- und entwicklungs- politischen Handelns gehört: Die deutsche Entwicklungs- zusammenarbeit mit den Staaten Lateinamerikas ist in den letzten Jahren stark zurückgefahren worden. Das ma- nifestiert sich in gesunkenen Haushaltsmitteln. Es sind zahlreiche Goethe-Institute in Lateinamerika geschlossen worden. Das Hörfunkprogramm der Deutschen Welle für Lateinamerika ist – trotz bestehenden Interesses an deut- schen Medienangeboten – eingestellt worden. Deshalb zuallererst: Wenn wir uns heute über Latein- amerika unterhalten und die Koalitionsfraktionen in ih- rem Antrag am Vorabend des EU-Lateinamerikagipfels tönend von der Intensivierung der Beziehungen mit La- teinamerika sprechen, dann zeigt dagegen ein Blick auf die Realitäten: Lateinamerika ist zum haushälterischen Steinbruch der deutschen Entwicklungszusammenarbeit geworden. Der Abwärtstrend bei den sektoralen Mitteln in der finanziellen und der technischen Zusammenarbeit weist jetzt schon deutlich genug darauf hin, dass Ihnen Lateinamerika, wenn es wirklich darauf ankommt, nicht so sehr am Herzen liegt, wie Sie uns hier und heute glau- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 10181 (A) (C) (B) (D) ben machen wollen. Diesen Trend müssen Sie schleu- nigst umkehren, denn allein Ihre schönen Worte helfen in Südamerika niemandem. Tatsächlich gibt es eine Vielzahl gewichtiger Gründe, Lateinamerika und die Karibik zu einem vordringlichen Handlungsfeld der Außen-, Entwicklungs- und Sicher- heitspolitik Deutschlands zu machen. Erstens. Lateinamerika ist für uns in Europa ein natür- licher Partner. Gemeinsame ideelle Wurzeln und eine eng verbundene Geschichte machen die Länder Latein- amerikas und Europas zu einer Wertegemeinschaft. Wir stehen in der Politik vor der zentralen Frage, wie wir die Globalisierung nach diesen gemeinsamen Wertmaßstä- ben gestalten wollen. Mit dem Blick auf diese Heraus- forderung können wir es uns nicht leisten, mit Latein- amerika auf einen wichtigen Verbündeten zu verzichten und ihn stattdessen nur als einen armen Verwandten am Katzentisch sitzen zu lassen. Aufseiten der Europäischen Union, die in der Zusam- menarbeit mit Lateinamerika die zentrale Rolle spielen muss, sind die Voraussetzungen für eine enge Zusam- menarbeit ausbaufähig. Allerdings ist eine umfassend denkende Lateinamerikapolitik so lange erschwert, wie die Karibik nach dem AKP-Vertrag und Lateinamerika nach der ALA-Richtlinie in den Zuständigkeitsbereichen von zwei unterschiedlichen Kommissaren liegen. Zweitens. Lateinamerika ist für uns ein wichtiger Wirtschaftspartner. Der Mercosur, der Andenpakt und die San-Jose-Gruppe sind neben den direkten Wirt- schaftsverflechtungen deutscher Unternehmen interes- sante Anknüpfungspunkte für engere Wirtschaftsbezie- hungen zwischen Europa und Lateinamerika. Im weltweiten Wettbewerb riskieren wir nicht zuletzt eigene wirtschaftliche Nachteile, wenn wir Lateinamerika nur der wirtschaftlichen und politischen Einflusssphäre der USA überlassen. Drittens. Auch in sicherheitspolitischer Hinsicht sind die Staaten Lateinamerikas wichtige Partner. Der Terro- rismus ist eben nicht nur die Sache muslimischer Länder. In Lateinamerika ist der Terrorismus tagtägliche brutale Realität. Der Zufall will es, dass sich genau heute vor 40 Jahren – am 27. Mai 1964 – die so genannten „Revo- lutionären Streitkräfte Kolumbiens“ zusammengeschlos- sen haben. Tausende Zivilisten sind ihrem Terror seither zum Opfer gefallen. Abertausende wurden verschleppt. Die FARC-Terroristen und andere vernetzen sich immer mehr mit der international operierenden Drogenmafia. Unter dem Einfluss von Drogenanbau und -handel, von Geldwäsche und Korruption geraten viele Staaten La- teinamerikas zunehmend unter Druck und werden desta- bilisiert. Die unselige Allianz zwischen den kriminellen Guerilleros und dem großen Drogengeschäft ist auch ganz unmittelbar unser – Europas – Nachteil. Unsere Verantwortung für Lateinamerika ist beson- ders groß – sowohl aufgrund der Erfahrungen mit der Zusammenarbeit in den vergangenen Jahrzehnten als auch aufgrund der jüngsten zum Teil dramatischen Destabilisierungstendenzen. Für uns muss es ganz ent- schieden darum gehen, Lateinamerika im Hinblick auf seine soziale, wirtschaftliche und politische Stabilisie- rung nicht zu vernachlässigen. Die Zusammenarbeit mit Lateinamerika ist vor allem und zuerst auch im deut- schen Interesse. Handlungsbedarf für diese Zusammenarbeit ist in vielfältiger Weise gegeben. Die Krisen und Gefährdun- gen demokratischer Systeme in Lateinamerika gehören zu den wichtigsten Ansatzpunkten. Unzureichende Ge- waltenteilung, mangelnde Institutionalisierung und poli- tische Ineffizienz sind augenscheinliche Merkmale des politischen Lebens. Korruption, die lückenhafte Aus- übung der Staatsgewalt und gewaltbereite außerparla- mentarische Gruppen schwächen die demokratischen In- stitutionen ganz erheblich. Die unklare und konzeptionslose Politik der rot-grü- nen Bundesregierung wird beispielhaft durch die heute zu behandelnden Anträge verdeutlicht: Erstens. Die so genannte Konzentration der deutschen Entwicklungszusammenarbeit durch Rot-Grün führt dazu, dass eine Reihe von Staaten Lateinamerikas von deutscher Entwicklungskooperation gänzlich abge- schnitten werden, darunter ein so großes und bedeuten- des Land wie Argentinien. Wenn Armutsbekämpfung weiterhin ein zentrales Ziel deutscher Entwicklungszu- sammenarbeit ist, dann müsste man wenigstens zur Kenntnis nehmen, dass die Zahl der in Armut lebenden Menschen in Argentinien als Folge der Krisen der ver- gangenen Jahre drastisch zugenommen hat. Deshalb ha- ben wir beantragt, die Entwicklungszusammenarbeit mit Argentinien und dem ebenfalls betroffenen Uruguay über 2004 hinaus fortzuführen. Rot-Grün lehnt dies lei- der ab. Zweitens. Geradezu absurd gestaltet sich die rot- grüne Politik in der Karibik. Es ist bezeichnend, mit wel- cher Inbrunst über Jahre hinweg Bundesministerin Wieczorek-Zeul den greisen kubanischen Diktator Fidel Castro unter Missachtung der angeblich weiter geltenden Kriterien deutscher Entwicklungspolitik direkte staatli- che Hilfe aus Deutschland andienen wollte, bis dieser von sich aus absagte. Gleichzeitig soll Haiti, das ärmste Land der Region, sogar den Status eines potenziellen Kooperationslandes verlieren. Frankreich, das für Haiti eine besondere Verpflichtung empfindet, hat die Mit- gliedstaaten der Europäischen Union aufgefordert, die politische und wirtschaftliche Konsolidierung und Ent- wicklung Haitis zu unterstützen. Ich fordere Sie auf: Schließen Sie sich dem französischen Vorstoß an! Hel- fen Sie Haiti aus seinem Chaos, das nicht erst durch die Überschwemmungen dieser Tage eine Katastrophe für das Land und seine Menschen ist. Drittens. Am 15. Januar 2004 wurde im Plenum der Antrag der CDU/CSU zu Bolivien diskutiert. Die Koali- tion kündigte damals einen eigenen Antrag an, der jetzt vorliegt. Gemeinsam wollen wir den neuen Präsidenten Carlos Mesa und seine Politik unterstützen. Aber ein Antrag zum jetzigen Zeitpunkt hätte angesichts aktueller Entwicklungen doch ein paar klare Worte erfordert. Wir wollen gemeinsam, dass im angeblichen Muster- land der HIPC-Entschuldung die frei gewordenen Mittel 10182 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 (A) (C) (B) (D) ausschließlich den Armen und der Entwicklung des Lan- des zugute kommen. Der entscheidende Punkt ist, dass dies nicht nur für die international, sondern auch für die bilateral, zum Beispiel von Deutschland, erlassenen Schulden gelten muss. Darüber bestand in Bolivien Dis- sens. Und deshalb sollte der Deutsche Bundestag sich klar für eine einheitliche Behandlung des Schuldenerlas- ses und einen wirksamen Kontrollmechanismus ausspre- chen. Gas kann zu einer neuen bedeutenden Einkommens- quelle für Bolivien werden. Deshalb sollten wir zum Gasexport Boliviens ein klares Ja sagen. Aber gleichzei- tig ist davor zu warnen, wegen des Gasexportes einen neuen Regionalkonflikt um die Grenzziehung zwischen Chile, Peru und Bolivien anzuzetteln. Nur um Mehrhei- ten beim angekündigten Referendum über den Gas- export zu erzielen, darf nicht mit dem Feuer gespielt werden. Angesichts der Tatsache, dass der bolivianischen Op- positionsführer Evo Morales sich als Patron der Drogen- bauern versteht, bedarf es einer klaren Positionierung als Bedingung für unsere Hilfe, dass wir auf einer eindeuti- gen Anti-Drogen-Politik bestehen. Lateinamerika wartet auf eindeutige Signale aus Europa. Ob Rot-Grün diese aber auszusenden gewillt ist, ist mehr als fraglich. Beweisen Sie, dass es Ihnen Ernst ist mit der Intensivierung der Beziehungen zu Latein- amerika! Weisen Sie dieser Region in Ihrer Politik die Bedeutung zu, die ihr auch nach allen objektiven Ge- sichtspunkten zukommt, und überzeugen Sie uns davon, dass sogar Ihre Entwicklungspolitik mehr sein kann als Schall und Rauch! Harald Leibrecht (FDP): Unser neu gewählter Bun- despräsident Horst Köhler hat vor wenigen Tagen, von dieser Stelle aus gesagt – ich zitiere –: Wir sollten uns bewusst werden, dass die Globalisierung den Armen die- ser Welt zugute kommt. „Dies wird nur gelingen, wenn sich die Industrieländer, also auch Deutschland, in ihrem Verhalten ändern und vor allem ihre Märkte für die Ent- wicklungsländer öffnen.“ Heute Abend debattieren wir über drei Länder, die ei- nen Neuanfang machen und ihren Weg zu mehr Freiheit und Demokratie beginnen oder weiterentwickeln. Deutschland und die EU müssen ihren Beitrag zum Er- folg dieser Länder beisteuern. Dass die Staatengemeinschaft hierbei Hilfe leisten muss, zeigt sich am Beispiel Haitis. Haiti gehört heute zu den ärmsten Ländern der Welt. Aus eigener Kraft kann es die neue Regierung nicht schaffen, das Land po- litisch und wirtschaftlich zu stabilisieren. Die zum Teil traumatisierten Menschen dort brauchen dringend eine Lebensperspektive, sonst stürzt dieser Staat weiter ab und es besteht die Gefahr, dass Haiti zu einem so ge- nannten failed state wird. Die Sicherheitslage in Haiti ist katastrophal, die Wirtschaft am Boden. Soziale Unruhen und ein weit gehend rechtsfreier Raum sind die Wurzeln neuer Gewalt und Menschenrechtsverletzungen. Eine Verlängerung des Mandats der internationalen Schutz- truppe wird unvermeidlich sein; drei Monate sind ein- fach viel zu kurz. Im Vergleich zu Haiti ist die Entwicklung in Bolivien – auch Dank internationaler Bemühungen – ein Erfolg. Dank des Schuldenerlasses bleibt mehr Geld im eigenen Land und trägt zum Wirtschaftswachstum bei; das Land hat sich seitdem auch politisch stabilisiert. Allerdings dürfen wir den Blick für die gesamte Re- gion nicht verlieren. Zwar ist im rot-grünen Antrag von regionalen Lösungen oder der gemeinsamen Bekämp- fung des Drogenanbaus die Rede. Umgesetzt werden sollen jedoch weiterhin nur Insellösungen, die oft das Problem von einem Land in das andere verschieben. Be- kämpft ein Land den Drogenanbau effektiv, verlagert sich der Anbau über die grüne Grenze ins Nachbarland. Dies kann nicht die angestrebte Lösung sein. Ein richti- ger Lösungsansatz wäre, dass die Länder dieser Region endlich im Kampf gegen die Drogen enger zusammen- arbeiten. Diese Länder müssen dann aber auch die Chance bekommen, ihre Produkte auf dem Weltmarkt absetzten zu können. Protektionismus hilft uns da nicht weiter. Wir Außen- und Entwicklungspolitiker haben dies längst erkannt. Politische Stabilität und wirtschaftliches Wachstum in Haiti und Lateinamerika können nur im gegenseitigen Einvernehmen gelingen. Lateinamerika wird in Zukunft eine wichtige Rolle im Welthandel spielen. Leisten wir deshalb unseren Beitrag zur demokratischen Entwick- lung dort. Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Morgen beginnt in Guadalajara das 3. Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU, Lateinamerikas und der Karibik. Bundeskanzler Schröder selbst ist zu diesem Treffen nach Mexiko gereist und unterstreicht damit die besondere Bedeutung, die die Bundesregie- rung den Beziehungen zu Lateinamerika beimisst. Schon dies ist ein klarer Beleg dafür, dass die gegenteilige Kri- tik der Opposition, wie sie in ihrer kleinen Anfrage zur Bilanz deutscher Lateinamerikapolitik zum Ausdruck kommt, unzutreffend ist. Im Gegenteil: Europa und die Länder Lateinamerikas und der Karibik unterhalten ein enges Geflecht politi- scher, wirtschaftlicher, entwicklungspolitischer und kul- tureller Beziehungen, einschließlich der Zusammen- arbeit zwischen den Zivilgesellschaften. Die strategische Partnerschaft zwischen beiden Re- gionen ist gekennzeichnet durch eine beispiellose Dichte umfassender biregionaler Abkommen und Begegnun- gen, zu denen auch das Treffen in Guadalajara gehört. Insgesamt sind dort in Mexiko 58 Staaten vertreten, also fast ein Drittel aller Mitglieder der Vereinten Nationen. Die Bundesregierung sieht die fortschreitende regio- nale Integration in Lateinamerika als eine richtige Ant- wort auf die Globalisierung. Sie unterstützt daher die Schaffung effektiver Regionalorganisationen, unter an- derem durch Förderung von Regionalabkommen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 10183 (A) (C) (B) (D) Wir, die Bundesregierung, machen uns die Aussage einer vermeintlichen „Erschöpfung der Demokratie“ in Lateinamerika nicht zu Eigen. Gerade die von Ihnen an- geführte UNDP-Studie belegt: 43 Prozent der befragten Lateinamerikaner befürworten uneingeschränkt die De- mokratie, weitere 30,5 Prozent befürworten sie unter Vorbehalt. Dies ist deutlicher Beleg für die erfolgreiche Überwindung der Militärdiktaturen der 80er-Jahre. Den- noch unterstützen wir auch weiterhin Maßnahmen, um den Zuspruch zur Demokratie noch zu vergrößern. Konkret heißt das: Wir führen einen politischen Dia- log, wir fördern Maßnahmen der Armutsbekämpfung und der Menschenrechtspolitik, wir leisten Hilfe beim Aufbau moderner Rechtsstaatlichkeit, der Förderung der Gleichstellung der Frau und dem Schutz von marginali- sierten bzw. sozial schwachen Gruppen, wir bieten poli- tische Beratung zur Erweiterung der Partizipation von Zivilgesllschaft an, und wir helfen bei Reformen von Verwaltung und Justiz in den Zielländern. Wie und mit welchen Maßnahmen das im Einzelnen geschieht, hat die Bundesregierung gerade in ihrer Ant- wort auf die Kleine Anfrage dargelegt. Lateinamerika und die Karibik sind durch eine Mi- schung aus armen Entwicklungsländern und fortge- schrittenen Schwellenländern gekennzeichnet. Unsere Entwicklungspolitik, die auf Nachhaltigkeit angelegt und an Armutsbekämpfung orientiert ist, berücksichtigt diese unterschiedlichen Entwicklungsstadien beim Ein- satz ihrer Instrumente. Zum Beispiel in Argentinien und Uruguay: Seit An- fang 2003 erholt sich Argentiniens Wirtschaft wieder spürbar; die wirtschafts- und finanzpolitischen Risiken, die von Argentinien auf die Mercosur-Staaten und das übrige Lateinamerika ausgehen, haben sich verringert. Die bilaterale staatliche Entwicklungszusammenarbeit läuft aus, was in Argentinien übrigens erst nach 2006 zum Tragen kommt. In Zukunft sind also neben den nichtstaatlichen vor allem die regionalen Förderansätze von Bedeutung. Denn in diese sind beide Länder weiter- hin einbezogen, insbesondere im Kontext des Mercosur. In Bolivien kommt es trotz seines Reichtums an Bo- denschätzen immer wieder zu gewalttätig aufflammen- den sozialen Konflikten, wie zuletzt am vergangenen Wochenende. Die Bundesregierung trägt dieser Situation Rechnung, denn Bolivien ist Schwerpunktland unserer Entwicklungszusammenarbeit und derzeit größter Emp- fänger deutscher Leistungen in Südamerika. Zusammen mit dem von der Weltbank eingeleiteten Konsultativpro- zess und der auf US-Initiative gegründeten „Bolivia Support Group“, ist unsere Kooperation auf mittel- und langfristige strukturelle Reformen ausgerichtet und aus- drücklich armutsorientiert. Haiti ist das ärmste Land der westlichen Halbkugel. Eine Wiederaufnahme unserer Entwicklungszusammen- arbeit ist notwendig; aber dies setzt zunächst eine wei- tere Stabilisierung der Sicherheitslage und dann auch ein national wie international abgestimmtes Autbaukonzept voraus. Zurzeit bewertet in Haiti eine Evaluierungsmis- sion die dringendsten Bedürfnisse und erarbeitet darauf aufbauend tragfähige Perspektiven. Die momentane Ent- wicklung gibt Anlass zu vorsichtigem Optimismus und Hoffnung auf einen echten politischen Neubeginn. Deutschland wird – gerneinsam mit seinen europäischen Partnern – zu diesem Aufbau Haitis mit beitragen. Die- ser Aufbau kann aber nur gelingen, wenn die Haitianer selbst ihn tragen. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – des Antrags: Das gemeinsame historische Erbe für die Zukunft bewahren – der Unterrichtung: Bericht der Bundesre- gierung über die Maßnahmen zur Förde- rung der Kulturarbeit gemäß § 96 Bundes- vertriebenengesetz in den Jahren 2001 und 2002 (Tagesordnungspunkt 14) Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zuerst möchte ich der Bundesregierung für den vorge- legten Bericht über die Maßnahmen zur Förderung der Kulturarbeit gemäß § 96 des Bundesvertriebenengeset- zes danken. Der Bericht zeigt, dass viele wichtige Vorha- ben aus der „Konzeption zur Erforschung und Präsenta- tion deutscher Kultur und Geschichte im östlichen Europa“ umgesetzt werden konnten. Die Kulturarbeit in Osteuropa wurde neu und besser geordnet – vor allem wurde die bestehende Institutionenlandschaft straffer or- ganisiert, damit Dopplungen bei der Bearbeitung einzel- ner Themen vermieden werden. Dies war dringend notwendig. Die institutionellen Änderungen, die Einfüh- rung des Regionalprinzips und die effizientere Vertei- lung der Gelder wirken sich positiv auf die inhaltliche Gestaltung der Kulturarbeit aus. Dadurch, dass die Mu- seen gestärkt und besser organisiert wurden, kann die deutsche Kultur Osteuropas jetzt zugänglicher und öf- fentlichkeitswirksamer präsentiert werden. Das öffentli- che Interesse hat sich erhöht, die Zuschauerzahlen bei vielen Ausstellungen zeigen das. Auch die Umsetzungsprobleme in einzelnen Fällen ändern nichts daran, dass die Neugestaltung der Kultur- förderung in Osteuropa überfällig war. Deshalb kann ich die pauschale und polemische Kritik in dem vorliegen- den CDU/CSU-Antrag überhaupt nicht verstehen. Wenn Sie, liebe Kollegen von der CDU/CSU, in Ihrem Antrag allen Ernstes die – wenn auch vorübergehende – Rück- kehr zu den alten Regelungen vor 2000 fordern, dann verkennen Sie die Situation grundlegend. Ich habe den starken Verdacht, dass dahinter eher wahltaktisches Kalkül als ein ehrliches Interesse am Thema steckt. So fordern Sie zum Beispiel eine stärkere Rolle der Vertrie- benenverbände. Dabei war doch die Selbstbezüglichkeit in der Kulturarbeit der Vertriebenengruppen ein zentra- les Problem, das wir bei der Neukonzeption im Jahr 2000 angehen mussten. Deshalb wird nun stärker mit Trägern der allgemeinen Kulturarbeit kooperiert. 10184 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 (A) (C) (B) (D) Selbstverständlich werden jene Vertriebenenorganisatio- nen, die eine engagierte Verständigungsarbeit mit unse- ren östlichen Nachbarn leisten, weiterhin großzügig ge- fördert. Aber: Viele Vertriebenengruppen wenden sich immer noch nur an ihre eigene, immer kleiner werdende Klientel – anstatt sich für eine größere Öffentlichkeit zu öffnen. Einige der geförderten Einrichtungen mussten deshalb neu konzipiert werden, denn nur durch eine zeit- gemäße Präsentation können auch junge Menschen für das Thema „Deutsche Kultur in Osteuropa“ interessiert werden. Dazu trägt übrigens auch die verstärkte kultu- relle Jugendarbeit bei. Die Neukonzeption der Kulturför- derung macht das Thema auch für zukünftige Generatio- nen attraktiv – und erfüllt damit in einem viel tieferen Sinn die CDU/CSU-Forderung nach einer „in die Zu- kunft ausgerichteten Neuausrichtung der Kulturpflege“. Wenn die Kollegen von CDU und CSU schlichtweg ignorieren, dass ein anderes Selbstverständnis der Ver- triebenengruppen und eine andere Außendarstellung der Vertriebenenkultur und -geschichte notwendig ist, dann schaden sie damit genau genommen sich selbst. Die De- batte um das „Zentrum gegen Vertreibungen“ zeigt es ja deutlich: In einem gemeinsamen Europa kann man das Thema der kulturellen Erinnerung nicht durch unilate- rale Kampagnen vorantreiben. Damit beschädigt man nicht zuletzt das große Interesse, das die Menschen aus osteuropäischen Ländern längst an deutscher Kultur ent- wickelt haben. Die kürzlich eingereichte Entschädi- gungsklage von Sudetendeutschen vor dem Europäi- schen Gerichtshof für Menschenrechte zeigt zudem, dass das legitime Eintreten für die eigene Kultur und Ge- schichte immer wieder zur Tarnung zweifelhafter politi- scher Forderungen missbraucht wird. Nicht zuletzt weil er all diese Probleme nicht benennt, lehne ich den CDU/CSU-Antrag und die Forderung nach einer Neukonzeption der Kulturarbeit ab und unterstütze ausdrücklich die Position der Bundesregierung. Denn die Kulturarbeit in Osteuropa darf nicht für durchsich- tige Interessenpolitik missbraucht werden, sondern muss das kulturelle Erbe Deutschlands wahren und der Aus- söhnung und Verständigung zwischen den Völkern die- nen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Intensivierung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union, Lateinamerika und der Karibik (Tagesord- nungspunkt 20) Lothar Mark (SPD): Morgen treffen sich in Guadala- jara/Mexiko zum dritten Mal die Staats- und Regierung- schefs Lateinamerikas, der Karibik und der Europäi- schen Union. Erstmalig werden die zehn Repräsentanten der neuen Beitrittsländer der EU dabei und somit insge- samt 58 Staaten vertreten sein. Wenn man sich vor Augen hält, dass damit über ein Viertel der Staaten der Welt an diesem intensiven Pro- zess teilnimmt, ist dies allein schon als Erfolg zu werten: Mit keiner anderen Weltregion außerhalb Europas und der Gruppe hoch entwickelter Industrieländer unterhält die EU einen derart umfassenden Dialog. Die Gipfeltref- fen sind somit ein in dieser Art einzigartiges biregionales Forum, welches den traditionell engen, auf einer Werte- gemeinschaft basierenden Beziehungen zu den Ländern Lateinamerikas und der Karibik Ausdruck verleiht. Unter den Leitthemen „Effektiver Multilateralismus“ und „soziale Kohäsion“ soll die auf dem ersten Gipfel 1999 in Rio de Janeiro ins Leben gerufene Strategische Partnerschaft zwischen beiden Regionen weiter ausge- baut werden. Lateinamerika/Karibik ist für Europa keine prioritäre Region. Der Fall des Eisernen Vorhangs und das Ende des Kalten Kriegs haben einschneidende Veränderungen mit sich gebracht, die sich natürlich auf die Außenbezie- hungen Deutschlands bzw. der EU ausgewirkt haben: Die Öffnung Europas nach Osten und die konsequente Hinwendung zu den Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes haben vermehrt Ressourcen gebunden. Auch die weltpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre haben bewirkt, dass wir verstärkt gen Osten und nicht so sehr über den Südatlantik geblickt haben. Dies spiegelt sich in den Wirtschaftsbeziehungen deutlicher wider als in anderen Bereichen: Bis 1989 gin- gen zwei Drittel aller deutschen Direktinvestitionen au- ßerhalb der G-7-Länder nach Lateinamerika, heute sind es weniger als ein Drittel. Wenngleich in Lateinamerika ein gewisses Verständnis für diese Prozesse vorhanden ist, so wachsen doch die Erwartungen gerade in Anbe- tracht der strategischen Partnerschaft erneut. Mit dem vorliegenden Antrag sprechen sich die Koa- litionsfraktionen dafür aus, das enorme Potenzial einer intensivierten Zusammenarbeit mit der Region Latein- amerika/Karibik auszuschöpfen. Die Voraussetzungen dafür sind denkbar günstig: Zu keiner anderen Weltre- gion unterhält Deutschland ein derart enges und vielfälti- ges Beziehungsgeflecht unterhalb der staatlichen Ebene, wie zum Beispiel über die Parteien, Kirchen oder Nicht- regierungsorganisationen. Auf dem letzten Gipfeltreffen in Madrid 2002 haben die Teilnehmer vereinbart, den politischen Dialog auf staatlicher Ebene zu intensivieren. So sollen die europäi- schen und lateinamerikanischen Positionen vor interna- tionalen Konferenzen künftig besser abgestimmt wer- den. Wenn dies in den letzten zwei Jahren auch noch nicht zur Zufriedenheit geschah, so sind doch Europa und Lateinamerika im Vorfeld und im Verlauf des Irak- kriegs wieder enger zusammen gerückt. Dies gilt insbe- sondere für das „alte Europa“, das für Lateinamerika ein zunehmend attraktiver Partner wird. Es steht für ein Wertesystem, das sich von dem der USA unterscheidet, nämlich durch eine stärkere Akzentuierung von Dialog- förderung, ein starkes internationales Recht, Wandel durch Engagement oder friedliche Konfliktbeilegung und Krisenprävention. Zusammen machen die beiden Regionen einen be- achtlichen Stimmenanteil in der Generalversammlung Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 10185 (A) (C) (B) (D) der Vereinten Nationen aus, fast 30 Prozent. Daraus er- gibt sich ein nicht zu unterschätzendes Gestaltungspo- tenzial für eine künftige friedlichere und sozial gerech- tere globale Ordnung. Lateinamerika und Europa müssen hier unserer Meinung nach noch aktiver als mä- ßigende und konstruktive Kräfte in Erscheinung treten. Beide haben zum Beispiel die gleiche Auffassung über die Notwendigkeit eines starken Multilateralismus, wie er ja deshalb auch als eines der Leitthemen für den Gip- fel gewählt wurde. Wir befürworten eine internationale Rechtsordnung, die in dem Internationalen Gerichtshof und dem Internationalen Strafgerichtshof institutionali- siert ist. Wir haben ähnliche Vorstellungen von einer Re- form der Vereinten Nationen und ihrer zukünftigen Rolle. Unserer Auffassung nach müssen Europäer und Lateinamerikaner dieses politische Pfund noch mehr in die Waagschale werfen. Bei all den angeführten Argumenten lässt sich aber auch nicht übersehen, dass die Erwartungen an die stra- tegische Partnerschaft auf beiden Seiten des Atlantiks nicht einheitlich sind. Dies lässt sich kaum besser aufzei- gen als anhand des zweiten gewählten Leitthemas „so- ziale Kohäsion“: Die europäische Seite möchte diese Thematik vorwie- gend vor dem Hintergrund eines biregionalen politischen Dialogs um „gute Regierungsführung“ und Stärkung der staatlichen Institutionen verstanden wissen. Dieser soll dazu beitragen, die Korruption zu bekämpfen, die latein- amerikanischen Eliten auf das Gemeinwohl zu verpflich- ten und somit die Teilhabe breiter Bevölkerungsschich- ten am Wohlstand zu gewährleisten. Die lateinamerikanische Seite möchte diesen Begriff der „sozialen Kohäsion“ aber auch im Zusammenhang mit verstärktem Handel mit und Investitionen aus Euro- pa ausgelegt sehen. Das damit einhergehende Wirt- schaftswachstum und die folgenden Beschäftigungsim- pulse werden als eigentliche Voraussetzung für soziale Entwicklung und Armutsbekämpfung angesehen. In den vergangenen Monaten, insbesondere seit dem Scheitern der WTO-Ministerkonferenz in Cancún und der Bildung der G 20 unter der Führung Brasiliens, ist deutlich ge- worden, dass die lateinamerikanischen Partner nun be- ginnen, das einzufordern, was ihrer Ansicht nach auch eine strategische Partnerschaft ausmacht: nämlich privi- legierte Handelsbeziehungen und Marktzugänge. Beide Seiten argumentieren nachvollziehbar. Wir Eu- ropäer müssen uns in der Tat fragen, ob wir die diesbe- züglichen Forderungen aus Lateinamerika ernst genug nehmen. So geben wir einerseits Anreize dazu, dass die Volkswirtschaften der lateinamerikanischen und karibi- schen Länder sich industrialisieren. Andererseits aber schotten wir unsere Märkte mit umso höheren Zolltari- fen ab, je höher die Verarbeitungsstufe eines Produktes ist. Auf diese Weise wird Deutschland zu einem der größten Produzenten gerösteten Kaffees, ohne überhaupt nur eine Kaffeebohne anzubauen. Die lateinamerikani- schen Länder werden aber auf die Rolle der Rohstoffpro- duzenten festgelegt. Wir haben daher in unserem Antrag die Bundesregie- rung dazu aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die nach wie vor bestehenden Marktzugangsbeschränkun- gen zwischen der Europäischen Union und den Ländern Lateinamerikas schnellstmöglich, über die WTO-Verein- barungen hinausgehend, abgebaut werden. In diesem Zusammenhang möchte ich meine Hoff- nung zum Ausdruck bringen, dass nun – nach acht Jah- ren zäher Verhandlungen – das Assoziationsabkommen mit dem Mercosur bis zum kommenden Oktober einen für alle zufrieden stellenden Abschluss findet. Dieses Abkommen ist für beide Seiten von strategischer Bedeu- tung: Mercosur ist der mit Abstand wichtigste Partner der EU in Lateinamerika. Die Hälfte ihres gesamten Wa- renaustausches mit dieser Region wickelt die Europäi- sche Union mit den Mercosur-Mitgliedstaaten ab; dort- hin fließen zudem etwa 60 Prozent der europäischen Direktinvestitionen in Lateinamerika. Für Mercosur ent- fällt rund ein Viertel seines Gesamthandels auf die EU. Noch – ist man geneigt zu sagen, wenn man sich den ra- santen Aufschwung des lateinamerikanischen Handels mit Fernost, insbesondere mit China, vergegenwärtigt. Im Zeitraum 2002 bis 2003 konnte der Mercosur seine Exporte nach China beispielsweise um 96,5 Prozent stei- gern. Allein Brasilien exportierte in 2003 für 4,5 Milliar- den US-Dollar Waren dorthin, was China zum zweit- wichtigsten Abnehmer werden lässt. Ein Assoziierungsabkommen zwischen Mercosur und der EU ist also mehr als überfällig. Bisher waren die Verhandlungen am Interessenkonflikt im Agrarsektor gescheitert, in den circa 50 Prozent der Mercosur-Ex- porte fallen. Wir alle wissen um die Reformbedürftigkeit der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik. Erste Schritte wurden in diesem Jahr eingeleitet. Umso weni- ger ist es für mich nachvollziehbar, dass ein Abkommen, welches von eminenter Wichtigkeit für die Wettbewerbs- fähigkeit der europäischen Wirtschaft ist, womöglich zu- gunsten eines wirtschaftlich vergleichsweise unbedeu- tenden Sektors geopfert wird. In diesem Zusammenhang haben wir uns im Antrag auch dafür ausgesprochen, zügig Verhandlungen über Assoziierungsabkommen mit der Andenregion und den Ländern Zentralamerikas in Aussicht zu stellen. Auf diese Weise können die Integrationsprozesse in diesen Regionen beschleunigt und kann ihre Einbindung in die Weltwirtschaft vorangetrieben werden. Gleichzeitig wird der deutschen und europäischen Wirtschaft ein verlässli- cher Rahmen geboten, in dem sie ermuntert wird, sich noch stärker in Lateinamerika zu engagieren. Denn meiner festen Überzeugung nach ist wirtschaft- licher Austausch die beste Hilfe zur Entwicklung und kann einen großen Anteil zur Armutsbekämpfung beitra- gen. In den vergangenen Jahren ist die Entwicklungs- schere in der Region weiter auseinander gegangen. Noch immer ist Lateinamerika die Region mit der ungerech- testen Einkommensverteilung der Welt. Dies hat einer- seits ganz sicher mit dem Versagen der Verteilungsme- chanismen zu tun. Ansprechen möchte ich in diesem Zusammenhang auch eine in vielen Ländern überfällige Landreform. Andererseits muss man aber auch sehen, dass dort, wo wenig zu verteilen ist, wenig Spielraum für soziale Akzente bleibt. Viele Staaten der Region sitzen 10186 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 (A) (C) (B) (D) tief in der Schuldenfalle: Sie wenden teilweise bis zu 40 Prozent ihres Haushalts auf, um ihren Rückzahlungs- verpflichtungen nachzukommen. In Brasilien machten 2003 die Zinszahlungen allein auf Auslandsverbindlich- keiten eine Summe aus, die 60 Prozent der Exporterlöse entsprach. Die öffentliche Verschuldung gemessen am BIP betrug hier 58,2 Prozent. Gerade die internationalen Finanzinstitutionen fordern von diesen Staaten aber eine strenge Sparpolitik, sodass wenige Ressourcen für Bil- dung und Forschung, Sozialpolitik und Infrastruktur üb- rig bleiben. Angesichts der Tatsache, dass im vergangenen Jahr mehr als 40 Prozent der Lateinamerikaner unterhalb der Armutsgrenze lebten, also mit etwa zwei US-Dollar am Tag auskommen mussten, ist es meines Erachtens haar- sträubend, dass wir zum Beispiel jedes europäische Rind mit über zwei US-Dollar am Tag subventionieren. Diese Vergleiche, von denen sich unzählige anstellen ließen, machen deutlich, dass auch wir unsere Strukturreformen entschlossener angehen müssen. Lassen Sie mich also nochmals auf das zweite Leit- thema „soziale Kohäsion“ zurückkommen: Wenn als Er- gebnis des morgigen Gipfels die lateinamerikanischen Staaten ihre politische Verantwortung akzeptieren und noch größere Anstrengungen als bisher zugunsten einer Lösung der sozialen Probleme und zum Erreichen von sozialer Kohäsion unternehmen und wenn wir Europäer diese Anstrengungen nicht nur durch politischen Dialog, Erfahrungsaustausch und verstärkte Entwicklungszu- sammenarbeit, sondern darüber hinaus auch durch unse- ren notwendigen Beitrag zu gerechteren Handelsbezie- hungen zwischen unseren beiden Regionen leisten wollen, dann haben wir die strategische Partnerschaft entscheidend belebt. Wir fordern die Bundesregierung in unserem Antrag daher auf, durch wirtschafts-, handels-, finanz- und ent- wicklungspolitische Weichenstellungen – auch innerhalb der EU – viel versprechende Ansätze demokratischer und sozial ausgerichteter Regierungsführung in Latein- amerika zu fördern. Sind diese erfolgreich, so wirken sie modellbildend für die gesamte Region. Dies scheint umso nötiger, als zahlreiche Staaten derzeit eine tief greifende Krise ihrer politischen Institutionen erleben und populistische, autoritäre Führer verstärkt Zulauf fin- den. Wie eine Studie des UN-Entwicklungsprogramms jüngst feststellte, würden 55 Prozent der Befragten ein autoritäres Regime anstelle einer demokratisch gewähl- ten Regierung unterstützen, wenn dieses ihre wirtschaft- lichen und sozialen Probleme lösen würde. Auch für Lateinamerika gilt, dass die regionale Inte- gration ein Weg hin zu Frieden, politischer Stabilität, wirtschaftlichem Wachstum und Wohlstand ist. Deshalb sollte die EU die Integrationsprozesse in Lateinamerika nach Kräften fördern. Kein Integrationsansatz verspricht derzeit so viel Erfolg wie der Mercosur, der sich stark am europäischen Vorbild orientiert. Seit den Regierungs- wechseln in Brasilien und Argentinien hat sich im Mercosur eine neue Dynamik entfaltet, die auf eine Ver- tiefung und Erweiterung der Wirtschaftsgemeinschaft abzielt. Brasilien mit der immer noch hohen Glaubwür- digkeit seines Präsidenten Lula da Suva wird immer mehr zum Gravitationszentrum Lateinamerikas. Diese Entwicklung verdient die besondere Sympathie und Un- terstützung Europas. Lassen Sie mich abschließend noch ein Thema an- sprechen, das im Vorfeld zum Gipfel hohe Wellen ge- schlagen hat. Die geplante Einstellung des spanischspra- chigen TV-Programms der Deutschen Welle halte ich vor dem Hintergrund der geschilderten Notwendigkeit, die Beziehungen zu Lateinamerika zu intensivieren, für absolut fatal und kontraproduktiv. Es würde eine wich- tige Brücke zwischen Deutschland, Europa und über 330 Millionen spanischsprachigen Lateinamerikanern abbrechen. Das Bekanntwerden der Streichpläne hat be- reits großen Schaden angerichtet. Ich hoffe sehr, dass es der Leitung des Senders und dem Rundfunkrat gelingt, andere Einsparpotenziale zu heben, um die Fortführung des Programms zu gewährleisten. Ich werde weiterhin für den Erhalt des spanischsprachigen DW-TV-Pro- gramms kämpfen. Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, aus den vorgetragenen Gründen um Zustimmung zu unserem Antrag. Claudia Nolte (CDU/CSU): In dem Antrag der Koalitionsfraktionen zum 3. Gipfel von Lateinamerika, Karibik und EU steht nicht viel Falsches. Das ist schon einmal gut. Ich bin auch davon überzeugt, dass Sie nicht selber glauben, in der Sache damit neue Impulse zu set- zen. Man könnte diesen Antrag eher als einen höflichen Begleitantrag bezeichnen. Schon die Analyse ist in meinen Augen zu schnell nach Schema F runtergeschrieben worden. Es geht bei den Beziehungen zwischen Lateinamerika und der EU um eine strategische Partnerschaft. So zumindest ist es in Rio vereinbart worden. Woran kann man das denn nun erkennen? Versteht man nicht unter „Strategie“ ein lang- fristig gezieltes Vorgehen, gegenseitig die jeweiligen Vorzüge nutzend, um gemeinsam vereinbarte Ziele zu erreichen? Das heißt dann aber, dass man sich genau im Klaren darüber ist, wo die jeweiligen Vorzüge liegen, aufwelchen Gebieten man welche Ziele vereinbart und in welcher Weise man miteinander vorgeht. Für Deutschland müsste das bedeuten, dass wir unsere Akti- vitäten daran anpassen. Ich verzichte aufgrund der Kürze der Redezeit darauf, zu betonen, was uns alles mit Lateinamerika verbindet. Da gibt es in diesem Hohen Hause auch keinen Dissens. Schauen wir einfach auf einige Dinge, wie sie im Mo- ment nun einmal sind: Verstärkung der Kulturarbeit Deutschlands in Latein- amerika – so haben Sie es sogar in Ihrem Antrag gefor- dert. Richtig, das könnte solch ein Gebiet der Zusam- menarbeit sein. Die Realität ist: Die Deutsche Welle beschließt die Einstellung ihres spanischsprachigen Pro- gramms. Begründung: keine strategische Bedeutung. Und da die Mittel knapp sind, kann darauf verzichtet werden. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 10187 (A) (C) (B) (D) Im Januar hat das Ibero-Amerikanische Forschungs- seminar der Universität Leipzig zusammen mit anderen Experten auf eine weitere alarmierende Entwicklung hingewiesen: Deutschland ist dabei, seine traditionsrei- che Lateinamerika-Kompetenz und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu verspielen. Lateinamerikanische Lehrstühle werden an den deut- schen Unis gestrichen. Offensichtlich hat auch in der Po- litik Lateinamerika keine Priorität mehr. So das Fazit der Professoren. Vor dem WTO-Gipfel in Cancun wurde zu Recht mit unserem strategischen Partner im Norden Amerikas ge- sprochen und eine Linie vereinbart, aber nicht mit dem Süden. Dass sich die Länder dort ausgeschlossen fühl- ten, ist nur verständlich. Bei wichtigen außenpolitischen Fragen wie im Vor- feld zum Irakkrieg war es nicht einmal möglich, inner- halb Europas zu einer gemeinsamen Haltung zu kom- men, ganz zu schweigen von Gesprächen mit den strategischen Partnern. Sie schreiben in Ihrem Antrag: In der bilateralen Ent- wicklungszusammenarbeit ist Lateinamerika keine Schwerpunktregion. Mir fällt dazu nur ein: Genau das Gefühl hat man. Eben fand unter anderem die Debatte zu Argentinien statt. Hat es mit unserem Verständnis von Partnerschaft zu tun, dass man anhand verengter Krite- rien Entwicklungshilfe einstellt und damit den Übergang über die Schwelle erschwert? Hier ist doch vielmehr eine angepasste Form der Zusammenarbeit für Schwellenlän- der nötig, um Fortschritte nicht zu gefährden. In diesem Zusammenhang erscheinen mir Ihre Aussa- gen zu Argentinien in Ihrem Antrag ein wenig zu positiv. Mir sind jedenfalls keine nennenswerten Reformen der Regierung Kirchner, die die Wirtschaft oder die Sozial- und Steuersysteme betreffen, bekannt. Allerdings finde ich es erstaunlich, wenn bis heute noch nicht eine ein- zige Kabinettsitzung stattgefunden hat. Das sind nur einige Schlaglichter zum Istzustand. Wir müssen zum einen deutlich sehen, dass Lateinamerika und die Karibik keine homogene Region darstellt. Das macht eine strategische Partnerschaft per se schon schwer. Zum anderen haben wir sehr unterschiedliche Entwicklungsgrade unserer Volkswirtschaften und somit in Teilen auch unterschiedliche Interessen und Möglich- keiten. Deshalb gehört es zur ehrlichen Debatte, genau zu analysieren, auf welchen Feldern wir wie zusammen- arbeiten wollen und welchen Beitrag Deutschland leisten kann. Ich denke, wenn wir die strategische Partnerschaft mit Leben erfüllen wollen, muss das Treffen von Guadala- jara konkrete Ergebnisse hervorbringen. Es ist wichtig, dass ergebnisorientierte Gespräche geführt werden, die in konkrete Projekte zum Ausbau der Beziehungen mün- den. Die beiden Themenschwerpunkte Multilateralismus und soziale Kohäsion sind ganz sicher wichtige Themen. Der Begriff „soziale Kohäsion“ ist dabei allerdings et- was schwammig, weil jeder etwas anderes darunter ver- steht. Es muss schon noch zu einer Konkretisierung kommen, wobei es sicher vor allem um die Überwin- dung der Armut gehen muss. Entscheidend ist für mich, dass vor allem die Regierungen in den lateinamerikani- schen und karibischen Ländern erkennen, dass es ihre politische Aufgabe ist, Lösungen für die Armutsbe- kämpfung zu finden. Die Themen sind natürlich vor allem auf Wunsch der EU auf der Tagesordnung. Aber auch die lateinamerika- nischen Länder haben Erwartungen, vor allem im Hin- blick auf Handelsliberalisierung und Subventionsabbau. Es wird notwendig sein, auch diesen Fragen Raum zu geben. Der politische Dialog ist für eine strategische Partner- schaft unabdingbar. Es kann nicht ausreichen, sich nur alle Jahre zu einem Gipfel zu treffen, zumal durch die EU-Erweiterung der Kreis noch größer geworden ist. Meines Erachtens ist es unabdingbar, Formen zu entwi- ckeln, die einen kontinuierlichen Dialog ermöglichen. Themen für ein strategisches Zusammenarbeiten gibt es: beispielsweise die Erarbeitung von Vorschlägen für Re- formen der multilateralen Organisationen, der Erfah- rungsaustausch über Integrationsprozesse, Fragen zu Wirtschafts- und Handelsbeziehungen bis hin zu Bil- dungsfragen und Kulturaustausch. In diesem Sinne wün- schen wir dem Gipfel viel Erfolg. Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Latein- amerika hat in den vergangenen 20 Jahren Bemerkens- wertes geleistet. Der Subkontinent konnte sich seiner Diktatoren entledigen und demokratische Institutionen aufbauen und festigen. Dies ist umso bewundernswerter, als diese großen politischen Fortschritte nicht durch wirtschaftliche Erfolge begleitet waren. Im Durchschnitt verdienen die Menschen in Lateinamerika heute kaum mehr als im Jahr 1980, die Zahl der Armen ist auf 227 Millionen angewachsen und die Einkommensvertei- lung hat sich weiter verschlechtert. Die EU hat dagegen durch schrittweise Erweiterun- gen die Integration des Kontinents vorangetrieben und war damit sowohl wirtschaftlich als auch politisch er- folgreich. Wenn sich die EU der 25 an diesem Freitag mit den Staats- und Regierungschefs Lateinamerikas und der Ka- ribik trifft, dann sind dort Repräsentanten von 58 Staaten vertreten. Es gilt das einzulösen, was der erste EU-LA- Gipfel in Rio 1999 versprochen hatte: eine „strategische Partnerschaft für das 21. Jahrhundert“. Der dritte Gipfel in Guadalajara muss zeigen, ob La- teinamerika für Europa heute überhaupt noch „zeitge- mäß“ ist. Ist die EU in der Lage ihren Blick vom Osten – Osterweiterung – und vom Nahen Osten – Terroris- musbekämpfung – noch in eine andere Richtung zu wen- den? Aus meiner Sicht besteht kein Zweifel daran, dass sie dies tun sollte. Und es gibt eine Reihe guter Gründe für eine substanzielle strategische Partnerschaft mit Latein- amerika. Auf der politischen Ebene ziehen die EU und die Ländern Lateinamerikas als entschiedene Unterstüt- zer eines multilateralen Systems am gleichen Strang. 10188 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 (A) (C) (B) (D) Dies hat sich in den vergangenen Jahren sowohl in der Umwelt- als auch in der Sicherheitspolitik immer wieder gezeigt. Im Umweltbereich, beim Schutz der tropischen Regenwälder, ist Deutschland im Rahmen des Pilotpro- gramms der G 7 an vorderster Stelle in Brasilien aktiv. Viele Länder vor allem in Südamerika sind durch die deutsche, italienische und polnische Migration aus dem 19. und 20. Jahrhundert geprägt. Ganz zu schweigen von dem jahrhundertealten schweren Erbe der Eroberung durch die Spanier und Portugiesen. Es gibt eine kultu- relle Nähe zu Europa, die sich nicht auf die Vergangen- heit beschränkt. Für viele Entscheidungsträger der Me- cosur-Staaten strahlt das europäische Integrationsmodell eine enorme Anziehungskraft aus. Nur, aus dieser politi- schen Anziehungskraft allein lässt sich noch keine „Jahr- hundertpartnerschaft“ begründen. Dafür liegt die Mess- latte höher. Und diese Messlatte ist vor allem ökonomischer Art. Der wirtschaftliche Druck, unter dem die Regierungen in Lateinamerika, vor allem in den großen Ländern Brasi- lien und Argentinien, stehen, ist vergleichbar mit dem ei- nes Heizkessels kurz vor der Explosion. Ohne populisti- sche Heilsversprechen sind deren Regierungsführer gewählt worden, um die Region aus einer lang anhalten- den wirtschaftlichen Misere herauszuführen. Brasilien verzeichnet seit 20 Jahre kein signifikantes Wachstum mehr und Argentinien befindet sich seit der zweiten Hälfte der 90er-Jahre im freien Fall, der erst mit der Re- gierung Kirchner abgebremst wurde. Die katastrophale Wirtschaftsentwicklung nahm ihren Ausgang Anfang der 80er-Jahre mit der Schuldenkrise. Die von den internationalen Finanzorganisationen ver- ordneten Rezepte haben die Lage teilweise noch ver- schlimmert. Der Washington-Konsensus mit seinem „li- beralisiere umfassend, privatisiere alles und beschneide den Staatshaushalt, wo immer du kannst“ ist gescheitert. Er war speziell für das schuldengerüttelte Lateinamerika erfunden worden. Für die Musterschüler hat sich die Wundertüte aus dem Norden als Mogelpackung heraus- gestellt. Die negativen Ergebnisse der Politik des Washingtoner Konsenses haben in vielen Ländern zu po- litischen Umbrüchen und zu Regierungswechseln ge- führt, von denen sich die Menschen eine effektive Ar- mutsbekämpfung durch eine neue Wirtschaftspolitik versprechen. In diesem Umfeld ist es von besonderer Bedeutung, durch die europäische Politik einen Beitrag zu Entwick- lung und wirtschaftlichem Wachstum in der Region zu leisten. Ziel muss es sein, die wirtschaftliche und finan- zielle Stabilität, ein ökologisch und sozial nachhaltiges Wirtschaftsmodell und die Konsolidierung der demokra- tischen Institutionen zu fördern. Der Beitrag besteht kurz zusammengefasst darin, durch Erleichterungen im Schuldenmanagement und bei der Entschuldung finanziellen Spielraum zu schaffen und im internationalen Handel kurzfristig Zugeständ- nisse zu gewähren, die sich dann mittel- und langfristig auch für Europa bezahlt machen. Zur Entschuldung: Vor wenigen Wochen hat bei einem Studientag der Kirchen zur Finanzsituation Argentiniens der Vertreter einer Interessengemeinschaft von An- leiheninhabern einen bestechenden Vorschlag gemacht. Er setzte, sich im Rahmen der Umschuldungsverhandlun- gen für die Ausgabe einer BIP-indexierten Anleihe ein, deren Inhaber damit zu Aktionären Argentiniens werden. Diese profitieren am meisten, wenn es dem Land gut geht. Der Vorschlag steht in klarem Kontrast zur Finanzmarkt- spekulation mit staatlichen Anleihen. Anleger kaufen sie, weil sie im Vergleich zu US- oder europäischen Staats- titeln eine um 10 bis 20 Prozent höhere Verzinsung brin- gen. Die Länder geben die Finanztitel aus, weil ihnen das Wasser bis zum Halse steht. Nachdem die internationalen Anleger über Jahre die Sahne abgeschöpft haben, rufen sie bei Zahlungsunfähigkeit nach der Hilfe des IWF. An der EU liegt es, sich konstruktiv an der Entwick- lung von fairen und transparenten Verfahren zur Bewäl- tigung akuter Verschuldungskrisen in hoch verschulde- ten lateinamerikanischen Ländern zu beteiligen. Es gilt ein Konzept der Schuldentragfähigkeit zu unterstützen, das die Wiederherstellung der wirtschaftlichen Leis- tungsfähigkeit erlaubt und die sozialen Lebensbedingun- gen der Menschen berücksichtigt. Beim Handel besteht die große Herausforderung da- rin, dass sich die EU schrittweise für wettbewerbsstarke Agrarprodukte aus Lateinamerika öffnet, ohne diese Öff- nung gleich wieder durch noch umfangreichere Zu- geständnisse der anderen Seite bei Investitionen, Dienstleistungen und öffentlichem Beschaffungswesen zunichte zu machen. Nur so kann eine positive Außenbi- lanz der schwächeren Länder zu deren finanziellen Stabilität beitragen. Wir sollten alle Anstrengungen un- ternehmen, dass das seit 1999 verhandelte EU-Merco- sur-Assoziierungsabkommen noch in diesem Jahr er- folgreich abgeschlossen werden kann. Schließlich sollte die EU neben den ökonomischen Haurausforderungen aber auch den Erwartungen gerecht werden, die an sie als Friedensmacht gestellt werden. Dies ist insbesondere in Hinblick auf den kolumbiani- schen Konflikt von großer Bedeutung. Präsident Uribe setzt einseitig auf militärische Aktio- nen und auf Zugeständnisse an die Paramilitärs. Soll ein tragfähiger Frieden und keine Friedhofsruhe geschaffen werden, dann führt der Weg nur über Verhandlungen mit allen Konfliktparteien. Die EU sollte sich hier aktiver einschalten, politisch und finanziell. Wenn Krisenprävention und Friedensentwicklung er- folgreich sein wollen, dann müssen die Gemeinden und die zivilen Akteure in den Konfliktregionen in die Pla- nung und Durchführung von Friedensmaßnahmen einbe- zogen werden. Unterstützungsprogramme sollen auf zu- kunftsfähige und ökologisch nachhaltige Entwicklung in den Regionen zielen. Durch ein unabhängiges Monito- ring gilt es Transparenz und effizienten Mitteleinsatz zu gewährleisten. Als Garcia Marquez 1982 den Nobelpreis für Litera- tur erhielt, unterstrich er die Eigenverantwortung des Subkontinents: „Die maßlose Gewalt und der maßlose Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 10189 (A) (C) (B) (D) Schmerz unserer Geschichte sind das Ergebnis von jahr- hundertealten Ungerechtigkeiten und Bitternissen ohne Zahl und nicht eine dreitausend Meilen von unserem Haus entfernt ausgeheckte Verschwörung“. Die Verantwortung Kolumbiens für eine Landreform, für eine Säuberung der Sicherheitsorgane, für Steuerge- rechtigkeit und den Schutz der indigenen Völker kann nicht nach außen verlagert werden. Gleiches trifft für eine verantwortungsvolle Regierungsführung in allen anderen lateinamerikanischen Ländern zu. Gleichzeitig bedarf es aber der internationalen Unterstützung, einer konstruktiven Solidarität, die Spielraum für die Erledi- gung der eigenen Hausaufgaben lässt. Europa sollte klare Zeichen dafür setzen, dass Carlos Fuentes Unrecht hat, wenn er düster befürchtet: „Niemand denkt an LA, niemand interessiert sich dafür. Würden wir hundert Prioritäten aufstellen, stünde LA an letzter Stelle“. Dr. Claudia Winterstein, (FDP): Es ist mittlerweile fünf Jahre her, dass auf der Konferenz von Rio eine neue „strategische Partnerschaft“ zwischen der EU einerseits und den lateinamerikanischen Ländern und der Karibik – künftig: Lateinamerika – andererseits beschlossen worden ist. Diese sollte eine breite Grundlage für die In- tensivierung und Weiterentwicklung der beiderseitigen Beziehungen schaffen. Die Euphorie war zunächst groß, aber die Ernüchte- rung folgte bald. Die praktische Umsetzung gemeinsa- mer Projekte bleibt bescheiden; daran konnte auch die Folgekonferenz 2002 in Madrid nichts ändern. Bis heute existiert keine kohärente Lateinamerikastrategie der EU; eine entsprechende Resolution des Europäischen Parla- ments aus dem Jahr 2001 ist bisher ungehört geblieben. Lateinamerika findet leider in der europäischen, aber auch in der deutschen Politik so gut wie nicht statt. Da- bei ist die soziale und politische Stabilität in Lateiname- rika unabdingbar für Frieden und Sicherheit weltweit. Aus anderen Regionen der Welt ist uns der fatale Zusam- menhang zwischen Drogenanbau und -handel, organi- sierter Kriminalität bis hin zum Terrorismus und man- gelnder Rechtsstaatlichkeit schon bekannt. Gerade deshalb ist es im außenpolitischen Interesse Deutsch- lands, dass die in Rio 1999 beschworene und in Madrid 2002 bestätigte strategische Partnerschaft endlich Ge- stalt annimmt und dass die Zusammenarbeit zwischen Europa und Lateinamerika und der Karibik zu einer zen- tralen Säule der transatlantischen Beziehungen wird. Ich sehe sowohl die EU als auch die Bundesregierung in der Pflicht, auf dem Gipfel von Guadalajara darauf hinzuwirken, das bisher Versäumte endlich nachzuholen. Erstens. Der Gipfel findet zu einer Zeit statt, in der viele Staaten der Region eine schwere Krise ihrer demo- kratischen Institutionen erleben. Mangelnde Gewalten- teilung, fehlende Transparenz demokratischer Prozesse, Korruption, Ungleichheit und Armut mit der Folge des Ausschlusses breiter Bevölkerungsschichten von der Teilhabe am politischen und wirtschaftlichen Leben schwächen die Demokratie und bedrohen Frieden und Stabilität. Eine Umfrage des UNDP belegt, dass bei gro- ßen Teilen der Bevölkerung das Vertrauen in die demo- kratischen Institutionen und in demokratisch gewählte Politiker bereits tief erschüttert ist. Es wird eine der vor- dringlichen Aufgaben des kommenden Gipfels sein, den lateinamerikanischen Staaten bei der Überwindung die- ser Krise der demokratischen Institutionen und Verfah- ren zu helfen. Ich sehe uns Europäer hier in einer besonderen Ver- antwortung. Wir haben in den 90er-Jahren die lateiname- rikanischen Länder beim Aufbau der demokratischen In- stitutionen unterstützt. Dass wir es unterlassen haben, gleichzeitig ebenso nachdrücklich auf den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen hinzuwirken und die jungen Demokratien auch über die ersten Schritte hinaus weiter- hin zu fördern und zu unterstützen, rächt sich heute bit- ter. Diese Erfahrung sollte uns für die Zukunft Latein- amerikas und anderer Länder der Welt, wie zum Beispiel Afghanistans und des Irak, eine Lehn; sein. Zweitens. Selbstverständlich liegt der Schlüssel zum wirklichen Wandel in den Händen der lateinamerikani- schen Staaten selbst. Dennoch gibt es einiges, was die EU tun kann. In der extremen Armut und Ungleichheit liegt eine oft unterschätzte politische Sprengkraft. La- teinamerika weist das größte soziale Gefälle aller Regio- nen der Welt auf. Der Gipfel von Guadalajara wird sich mit diesem Problem auseinander setzen, und es ist zu hoffen, dass es diesmal nicht bei schönen Worten allein bleibt. Die von der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des sozialen Zusammen- halts gesammelten Erfahrungen, ihre Arbeitsmethoden und Konzepte könnten für Lateinamerika von großem Nutzen sein. Zum Austausch von Know-how und Erfah- rungen sollte insbesondere die Zusammenarbeit zwi- schen den für diese Politikbereiche zuständigen öffentli- chen Verwaltungen intensiviert werden. Die noch unzureichende regionale Integration stellt ebenfalls eine maßgebliche Hürde für die Entwicklung der Region dar. Sie erschwert nicht nur die Vertiefung der Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika, sondern hindert die Region auch, sich besser gegen ex- terne wirtschaftliche Schocks zu wappnen und diese bes- ser aufzufangen. Die Vertiefung der regionalen Zusam- menarbeit wird die Region in die Lage versetzen, ihr wirtschaftliches Potenzial voll auszuschöpfen und die Eingliederung der einzelnen Länder in die internationa- len Märkte erleichtern. Auch in diesem Bereich sollte die Zusammenarbeit zwischen der EU und den bestehen- den subregionalen Initiativen – Mercosur, Andenge- meinschaft, Zentralamerika –, zum Beispiel durch tech- nische Hilfe und den Aufbau von Humankapital, erheblich verstärkt werden. Die konkreteste Hilfe leisten die europäischen Staaten über die Entwicklungszusammenarbeit. Noch vor den USA ist Europa der größte Geber von Entwicklungshilfe für die Region. In der Entwicklungszusammenarbeit der Kommission nimmt die Region allerdings den letzten Rang ein – weit hinter den AKP-Staaten. Hier sind Kor- rekturen dringend erforderlich. Diese müssen einherge- hen mit einer engeren Zusammenarbeit der EU bei den notwendigen Strukturreformen und einer noch stärkeren (A) (C)Koppelung der Hilfe an Good Governance, die Beach- tung der Menschenrechte und Programme zur Armutsbe- kämpfung. Drittens. Eine intensivere Zusammenarbeit ist aber auch im Sicherheitsbereich in beiderseitigem Interesse. Internationaler Terrorismus, die Verbreitung von Mas- senvernichtungswaffen und das Problem zerfallender Staaten sind Bedrohungen, denen sich kein Staat alleine stellen kann. Auf dem Gipfel in Guadalajara wird das Thema „effektiver Multilateralismus“ deshalb einer der Schwerpunkte der Beratungen sein. Die Voraussetzun- gen für eine enge biregionale Kooperation sind günstig. Europa und Lateinamerika bilden eine Werte- und Inte- ressengemeinschaft, die mit einer Übereinstimmung in wichtigen sicherheitspolitischen Fragen einhergeht. Ein effektives multilaterales System, mit den Vereinten Na- tionen im Zentrum ist gemeinsames Ziel. Bereits in der Abschlusserklärung des Gipfels von Madrid haben die Teilnehmer eine breite Übereinstimmung erklärt, was die Themen Sicherheit, Abrüstung, Terrorismus, Be- kämpfung des Drogenhandels und des organisierten Ver- brechens sowie die Ächtung von Kleinwaffen angeht. Es mangelt jedoch immer noch an belastbaren Strukturen, die es uns ermöglichen, eine gemeinsame Antwort auf diese Herausforderungen zu geben. Hier müssen auf dem Gipfel Initiativen ergriffen werden. Langfristiges Ziel muss die Schaffung einer euro-lateinamerikani- schen Sicherheitspartnerschaft sein. Viertens. Der Gipfel von Guadalajara wird in einem wirtschaftlich günstigeren Klima stattfinden als der Gip- fel von Madrid 2002. Dies lässt hoffen, dass in die wirt- schafts- und handelspolitische Zusammenarbeit beider Regionen endlich neuer Schwung kommt. Nach fast neunjährigen Verhandlungen ist es immer noch nicht ge- lungen, ein Freihandelsabkommen mit dem Mercosur, unserem mit Abstand wichtigsten Handelspartner in La- teinamerika zu unterzeichnen. Dies liegt zum einen an der nicht hinreichenden regionalen Integration im Block der Mercosur-Staaten. Der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital muss zum einen intraregio- nal gewährleistet sein, bevor interregional dazu verhan- delt werden kann. Ein erfolgreicher Abschluss der Ver- handlungen setzt zum anderen aber auch Zugeständnisse der EU im Agrarbereich voraus. Solche werden von den Mercosur-Staaten berechtigterweise als notwendige Ge- genleistung für die Öffnung ihrer Industrie- und Dienst- leistungsmärkte gefordert. Wir können uns nicht welt- weit für Freihandel einsetzen, den eigenen Markt aber abschirmen. Ein Ziel des Gipfels in Guadalajara muss es deshalb sein, ein günstiges Klima für eine rasche und er- folgreiche Beendigung der Doha-Runde der WTO-Ver- handlungen zu schaffen. Der erfolgreiche Abschluss des Abkommens mit den Mercosur-Staaten ist auch für die deutsche Wirtschaft von strategischem Interesse, da er uns langfiistig – ebenso wie der mittelfristig geplante Abschluss von As- soziationsabkommen mit der Andengemeinschaft und Zentralamerika, den Zugang zum zukünftigen, von den USA angestrebten gesamtamerikanischen Markt, FTAA, erleichtern wird. sellschaft mbH, Amsterdamer Str. 19 (B) 2 (D) 10190 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 111. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 nd 91, 1 2, 0, T 2 111. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Peter Hettlich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

    nen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir
    haben im Oktober letzten Jahres in diesem Hause über
    den Stand der deutschen Einheit debattiert. Damals habe
    ich gesagt – dazu stehe ich auch heute noch –, dass die
    Einheit in den Köpfen weit gediehen ist, sehr viel weiter,
    als es mancher Schwarzmaler noch immer beschwört.
    Aber ohne eine Angleichung der wirtschaftlichen
    Verhältnisse wird unsere Einheit nur unvollständig blei-
    ben. Die Lösung dieser Aufgabe ist von großer Bedeu-
    tung für ganz Deutschland, denn nur durch eine sich
    selbst tragende nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung
    in Ostdeutschland können wir Spielräume für weitere
    dringend notwendige Investitionen in die Zukunft unse-
    res Landes schaffen.






    (A) (C)



    (B) (D)


    Peter Hettlich

    Wir haben in den letzten Wochen eine zum Teil unse-

    lige öffentliche Debatte über Transferleistungen
    zwischen West und Ost führen müssen. Ausgehend
    von einem Artikel mit der reißerischen Überschrift
    „1 250 Milliarden Euro – Wofür?“ entstand eine Diskus-
    sion darüber, ob Ostdeutschland ein Fass ohne Boden sei
    und ob es sich überhaupt lohne, weiterhin in die neuen
    Bundesländer zu investieren. Trauriger Höhepunkt war
    aus meiner Sicht die Behauptung, der Aufbau Ost sei ur-
    sächlich für den Absturz West. Umso bedenklicher war
    sie, da sie von Klaus von Dohnanyi stammte, der mit sei-
    nem Praktikerkreis Vorschläge für die weitere Entwick-
    lung in den neuen Bundesländern machen sollte.

    Diese Aussage war und ist so falsch wie töricht. Herr
    Dohnanyi hätte als ehemaliger Hamburger Bürgermeis-
    ter wissen müssen, dass die Probleme des Westens ihren
    Ursprung in der Zeit lange vor der Wiedervereinigung
    haben und durch die Euphorie der frühen 90er-Jahre le-
    diglich übertüncht wurden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Heute müssen wir für die Folgen einstehen. Dies aber
    Ostdeutschland bzw. den Ostdeutschen vorzuwerfen ist
    sachlich falsch und moralisch nicht zu rechtfertigen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der CDU/CSU)


    Eine hervorragende und ernst zu nehmende Analyse
    der Situation stellen dagegen der erste und zweite Fort-
    schrittsbericht wirtschaftswissenschaftlicher Institute
    über die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland
    dar. Letztmalig im November 2003 haben die beteiligten
    Institute eine nüchterne und kritische Bestandsaufnahme
    der vergangenen Jahre vorgenommen. Die Analysen und
    Lösungsansätze sind dergestalt, wie ich sie mir für
    meine tägliche Arbeit als Politiker wünsche, und ich
    kann sie auch ernst nehmen.

    Die Arbeitsgruppe Ost der Bundestagsfraktion Bünd-
    nis 90/Die Grünen hat sich in einen intensiven Dialog
    mit den Autoren begeben. In einem Positionspapier un-
    serer Fraktion hat sie bereits am 30. März Vorschläge
    vorgelegt, wie wir die künftige wirtschaftliche Entwick-
    lung Ostdeutschlands gestalten wollen:

    Förderungen nach dem Gießkannenprinzip sind weder
    sinnvoll noch vor dem Hintergrund der Haushaltspro-
    bleme von Bund, Ländern und Kommunen dauerhaft
    leistbar. Um den unterschiedlichen Entwicklungsbedin-
    gungen der Regionen Rechnung zu tragen, sehen wir da-
    her zwei Hauptaufgaben: einerseits die Stärkung der vor-
    handenen Wachstumsregionen und andererseits die
    Stabilisierung der anhaltend wirtschaftsschwachen Städte
    und ländlichen Regionen.

    Bündnis 90/Die Grünen plädierten bereits in der letz-
    ten Legislaturperiode für eine effizientere Förderung, die
    an den Stärken und Perspektiven der einzelnen Regionen
    ansetzt. Von wirtschaftlich erstarkenden Regionen strah-
    len Effekte auf angrenzende strukturschwache Gebiete
    aus, die dort Entwicklungspotenziale stärken. Wir wol-
    len Zukunftstechnologien besonders in den Regionen
    fördern, in denen bereits Kerne neuer Industrien vor-
    handen sind. So schaffen wir am ehesten die Vorausset-
    zungen, dass einzelne Regionen langfristig unabhängig
    von Transfers werden und eigenständige Entwicklungs-
    wege verfolgen.

    In den Kommunen, Landkreisen und Ländern muss
    sich die Einsicht durchsetzen, dass eine erfolgreiche Ent-
    wicklung nur gemeinsam und nicht gegeneinander er-
    reicht werden kann. Dies bedeutet den Abschied von der
    Kirchturmpolitik der vergangenen Jahre, die zum Teil zu
    erheblichen Fehlallokationen zum Beispiel bei der Er-
    schließung und der Vorhaltung von Gewerbe- und Indus-
    triegebieten, aber auch in der Wirtschaftsförderung ge-
    führt hat. Daher muss sich die Vergabe von Fördermitteln
    auch künftig an überregionalen und länderübergreifenden
    Wirtschaftsstrukturen orientieren.

    Das zentrale Instrument der Wirtschaftsförderung so-
    wie der Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur in
    den neuen Ländern ist die Gemeinschaftsaufgabe „Ver-
    besserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, die GA.
    Ihr Schwerpunkt liegt auf der Förderung überregionaler
    Wirtschaftskreisläufe. Die GA ist ein effizientes, arbeits-
    platzerhaltendes und arbeitsplatzschaffendes Mittel mit einer
    sehr hohen Zielgenauigkeit. Wir wollen, dass GA-Mittel
    stärker in Zukunftsbranchen sowie in Dienstleistungsberei-
    che fließen.

    Die von Wirtschaftsminister Clement angestoßene
    Debatte über die Kürzung der GA-Mittel war in diesem
    Zusammenhang nicht hilfreich. Aus diesem Grunde
    habe ich mich in der Öffentlichkeit ungewöhnlich scharf
    zu diesem Thema geäußert. Ich mache auch an dieser
    Stelle deutlich: Mit uns wird eine weitere Kürzung nicht
    zu machen sein.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Im Zuge der Föderalismusdebatte wird die GA aber
    von Teilen der Kommissionsmitglieder infrage gestellt,
    übrigens auch von Ministerpräsident Stoiber. Dem wol-
    len wir entgegenwirken, auch im Hinblick auf die Verän-
    derungen in der EU-Strukturpolitik, die aus der EU-Er-
    weiterung resultieren.

    Wir wollen die Finanzausstattung der GA in den
    neuen Ländern im Rahmen der Vorgaben aus dem Soli-
    darpakt II verstärken. Statt die bis 2006 befristete Inves-
    titionszulage zu verlängern, schlagen wir vor, die GA zu
    stärken, da wir sie für die bessere Maßnahme halten. Die
    Investitionszulage in ihrer jetzigen Form bewirkt zu
    hohe Mitnahmeeffekte bei den Unternehmen und ist un-
    serer Meinung nach nicht zielgenau.

    Neue und sichere Arbeitsplätze entstehen vor allem in
    zukunftsträchtigen Wirtschafts- und Dienstleistungs-
    branchen. Die Hochschulen in den neuen Ländern müs-
    sen noch stärker als bisher auf die Zusammenarbeit mit
    der regionalen Wirtschaft setzen. Sie können zum
    Schließen der Unternehmenslücke im Osten beitragen,
    indem sich wirtschafts- und ingenieurwissenschaftliche
    Studiengänge noch konsequenter an der Praxis orientie-






    (A) (C)



    (B) (D)


    Peter Hettlich

    ren und indem sie junge Menschen gezielt auf ein selbst-
    ständiges Unternehmertum vorbereiten.

    Ich möchte an dieser Stelle die deutschen Banken aus-
    drücklich an ihre Mitverantwortung erinnern und darauf
    hinweisen, dass ihre restriktive Kreditvergabe vielen Un-
    ternehmensgründern den Start unnötig schwer bzw. un-
    möglich macht.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Damit werden die positiven Entwicklungen, die wir
    durch die Gründung der Mittelstandsbank im letzten
    Jahr angestoßen haben, konterkariert. Auch die Fragen
    der Besicherung und der nach Auskunft Betroffener viel
    zu langen Bearbeitungsfristen müssen beantwortet wer-
    den. Ich bin der Meinung: Wenn sich hier nicht bald eine
    Entwicklung zum Besseren zeigt, dann müssen wir auf
    politischer Ebene entsprechend handeln.

    Die regionale Vernetzung von Forschung, Hochschu-
    len und Wirtschaft muss weiter vorangetrieben werden.
    Die wettbewerbliche Vergabe von Forschungsmitteln an
    Regionen, in denen Wissenschaft und Wirtschaft im
    Rahmen innovativer Netzwerke kooperieren, hat sich als
    ein sehr wirksames Instrument erwiesen. So entwickeln
    sich Kerne, die eine regionale Dynamik entfalten und in
    denen zusätzliche Arbeitsplätze im Industrie- und
    Dienstleistungsbereich entstehen. Der 1999 initiierte
    Inno-Regio-Wettbewerb ist eine der wichtigsten Maß-
    nahmen zur Innovationsförderung in den neuen Ländern
    und muss daher erhalten, wenn nicht sogar gestärkt wer-
    den.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Die Förderung der technologischen Leistungsfähigkeit
    ostdeutscher Unternehmen hat sich in den vergangenen
    Jahren zu einem Schwerpunkt der Wirtschaftspolitik ent-
    wickelt. Mit diesen Anreizen ist es gelungen, den Größen-
    nachteil ostdeutscher Unternehmen auszugleichen. In der
    Forschungsintensität stehen ostdeutsche Firmen den west-
    deutschen Unternehmen kaum nach. Allerdings mangelt
    es an der Umsetzung der Forschungsergebnisse in markt-
    fähige Produkte. Auch hier möchte ich noch einmal auf
    die zu lösenden Probleme in der Finanzierung derartiger
    Investitionen verweisen.

    In den vergangenen Jahren ist viel Geld in den Aus-
    bau der technischen Infrastruktur Ostdeutschlands ge-
    flossen. Der Anschlussgrad für die Abwasserentsorgung
    hat das Niveau der alten Bundesländer erreicht und die
    Telekommunikationsstruktur ist auf dem modernsten
    Stand der Technik. Auch zukünftig wird der Aus- und
    Neubau von Verkehrswegen in den neuen Bundeslän-
    dern überproportional finanziert. Studien belegen aller-
    dings auch, dass der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur
    allein nicht zu dem erhofften Entstehen neuer Arbeits-
    plätze führt.


    (Renate Blank [CDU/CSU]: Schon allein der Bau von Verkehrswegen schafft Arbeitsplätze!)

    Eine gute verkehrliche Anbindung von Regionen ist eine
    Voraussetzung für die Ansiedlung von Unternehmen, sie
    ist aber nur ein Standortfaktor unter vielen.

    So genannte weiche Standortfaktoren sind mit dafür
    ausschlaggebend, ob investiert wird. Sie werden gerade
    für die Unternehmen immer bedeutender, die hoch quali-
    fizierte und motivierte Mitarbeiter benötigen. Investitio-
    nen in die soziale Infrastruktur, in Bildung und Wissen-
    schaft, in Kinderbetreuung und Schulen, in Sport- und
    Jugendeinrichtungen, in kulturelle Angebote und in die
    innerstädtische Lebensqualität sind mit entscheidend für
    die Ansiedlung neuer Betriebe.

    Zum Schluss meiner Rede möchte ich noch ein
    Thema streifen, das in letzter Zeit ebenfalls das öffentli-
    che Interesse erregt hat, nämlich die Fehlverwendung
    der Solidarpaktmittel. Mir ist zwar bewusst, dass sich
    die Länder in einer schwierigen Situation befinden, die
    sie zum Teil – ich denke zum Beispiel an die Leistungen
    nach den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen der
    ehemaligen DDR – nicht zu verantworten haben. Den-
    noch macht es keinen Sinn, einfach die Vorgaben zu
    ignorieren und diese Mittel wie in Berlin zu 0 Prozent
    oder in Sachsen-Anhalt zu nur 1 Prozent zweckgerichtet
    zu verwenden. Es würde dadurch zu einer gesamtdeut-
    schen Diskussion kommen, die die Solidarität der alten
    Bundesländer erheblich strapazieren könnte.

    Ich habe es schon bei vielen Gelegenheiten gesagt:
    Bündnis 90/Die Grünen stehen zum Solidarpakt II und
    auch zur Höhe der vereinbarten Solidarpaktmittel. Wir
    erwarten aber, dass die ostdeutschen Länder und ihre
    Ministerpräsidenten ihre Hausaufgaben machen und
    energische Maßnahmen ergreifen, um künftige Fehlver-
    wendungen zu minimieren oder besser ganz zu vermei-
    den.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Aus meiner Sicht und auch aus der Sicht der Praxis
    wäre eigentlich Folgendes notwendig: Wir müssen die
    Verwendung der Solidarpaktmittel längerfristig planen,
    das Parlament muss wirksame Kontrollmechanismen er-
    halten und wir müssen uns auch darüber unterhalten, ob
    Sanktionen notwendig sind. Hier stehen wir zwar vor
    verfassungsrechtlichen Problemen, aber wir sollten das
    diskutieren; denn es besteht dringender Handlungsbe-
    darf.

    In den vergangenen 14 Jahren ist in Ostdeutschland
    viel Positives geschaffen worden, sowohl durch den
    Fleiß und die Kreativität der Ostdeutschen als auch
    durch die Solidarität der Bürgerinnen und Bürger aus
    den alten Bundesländern. Diese Solidarität ist für uns
    aber auch die Verpflichtung, Rechenschaft über unser
    Tun abzulegen und uns auch künftig einem kritischen
    Dialog zu stellen.

    Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)







    (A) (C)



    (B) (D)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Das Wort hat nun der Ministerpräsident des Freistaa-

tes Sachsen, Professor Milbradt.

(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren! Viel Gutes ist gesagt worden. Wenn all das um-
    gesetzt würde, wäre ein Teil meiner heutigen Interven-
    tion schon erledigt.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Ja, wenn!)

    Aber die bisherige Erfahrung ist, dass zwischen Reden
    und Handeln ein großer Unterschied besteht.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Herr Kollege Stolpe, ich hoffe nur, dass das, was Sie ge-
    sagt haben, mit den Herren Clement und Eichel abge-
    stimmt ist; denn sie haben etwas anderes verkündet.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Am Montag vergangener Woche war der Bundes-
    kanzler zum Richtfest der neuen Chipfabrik von AMD in
    Dresden. Mit einer Investitionssumme von 2,4 Milliar-
    den Euro errichtet das amerikanische Unternehmen in
    Dresden bereits sein zweites Halbleiterwerk. Insgesamt
    arbeiten in der Region Dresden 11 000 Menschen in der
    Mikroelektronikindustrie. Damit ist Dresden innerhalb
    weniger Jahre zu den Top Fünf der internationalen Mi-
    krochipindustrie aufgestiegen,


    (Zuruf von der SPD: Mit viel Bundesgeld!)

    Nummer eins in Europa. Das ist ein Beispiel, wie man
    beim Aufbau Ost Erfolge erzielen kann.


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Mit der Bundesregierung!)


    – Vorsichtig! Ich bin für die Unterstützung der Bundes-
    regierung in diesen und vielen anderen Fällen ausdrück-
    lich dankbar.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


    Es gibt auch viele andere Erfolgsgeschichten beim
    Aufbau Ost, zum Beispiel die Autoindustrie mit VW,
    BMW und Porsche in Sachsen, die optische Industrie in
    Jena, die chemische Industrie in Sachsen-Anhalt und
    Brandenburg oder auch die Entwicklung des Tourismus
    in vielen Regionen in Mecklenburg-Vorpommern. All
    diese Erfolge wären ohne ein wichtiges Instrument der
    Wirtschaftsförderung nicht möglich gewesen, die so ge-
    nannte Gemeinschaftsaufgabe.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Ausgerechnet hier will der Bundeswirtschaftsminister
    den Rotstift ansetzen.


    (Zuruf von der SPD: Stimmt nicht!)

    – Was heißt denn hier: Stimmt nicht? Uns ist untersagt
    worden, weitere Zusagen zu machen.


    (Maria Michalk [CDU/CSU]: Unverantwortlich!)


    Wir haben das entsprechende Schreiben vom Bundes-
    wirtschaftsminister im Haus.

    Die GA-Förderung ist bisher eindeutig das erfolg-
    reichste Instrument beim Wiederaufbau. Auch in dem
    von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Fort-
    schrittsbericht wird eine Fortführung der GA-Förderung
    auf hohem Niveau gefordert. In Sachsen wurden da-
    durch seit 1990 über 18 000 Investitionen von Unterneh-
    men gefördert. Das heißt, seit 1990 wurden allein in
    Sachsen mit einem GA-Volumen von 7,7 Milliarden
    Euro Investitionen von über 40 Milliarden Euro angesto-
    ßen. Dadurch wurden 224 000 neue Arbeitsplätze ge-
    schaffen und noch einmal so viele gesichert.

    Statt auf diesen Erfolgen weiter aufzubauen, statt die-
    ses Pflänzchen zu pflegen, riskiert die Bundesregierung,
    dass die Entwicklung abbricht.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Kollege Stolpe, es kann doch nicht im Interesse der
    Bundesregierung sein, dass dies eintritt. Auch Sie wollen
    wie wir alle, dass der Aufbau der Wirtschaft in Ost-
    deutschland weitergeht.

    Natürlich – jetzt komme ich zu den öffentlichen Äu-
    ßerungen – ist die Auszahlung der Barmittel in diesem
    und im nächsten Jahr gesichert. Das hat uns der Bundes-
    kanzler in Dresden bei AMD erklärt. Dazu sind Sie aber
    auch verpflichtet, Herr Müntefering.


    (Franz Müntefering [SPD]: Was?)

    Denn dabei geht es nur um die Abfinanzierung für die in
    der Vergangenheit eingegangenen Verpflichtungen. Es
    gibt schon seit Jahren keine freien Barmittel mehr.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: So ist es! – Das hat er nicht mitgekriegt!)


    Diese Mittel, Herr Müntefering, um beim Thema zu blei-
    ben, sind bereits gebunden. Für Unternehmen, die heute
    neu investieren, stehen diese Barmittel gar nicht mehr
    zur Verfügung. Zwischen uns, die wir die Haushaltsthe-
    matik kennen, ist das sicher nicht strittig. Oder muss die
    Einhaltung von Recht und Gesetz schon als besondere
    Leistung der Bundesregierung angesehen werden?


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: So was von nassforsch!)


    Um den Investoren für zukünftige Ansiedlungen – da-
    rüber reden wir – Fördermittel zusagen zu können, brau-
    chen wir Verpflichtungsermächtigungen, und zwar die
    Verpflichtungsermächtigungen, die dieser Bundestag in
    den Bundeshaushalt 2004 geschrieben hat.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Genau diese sperren Sie.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Ministerpräsident Georg Milbradt (Sachsen)


    Es geht nicht um den Bundeshaushalt des Jahres 2005.
    Es ist eine andere Diskussion, welche Verpflichtungser-
    mächtigungen dort hineinkommen. Es geht um die Ver-
    pflichtungsermächtigung dieses Jahres für die Jahre
    2005, 2006 und 2007. Darüber reden wir. Diese Mittel
    sind zumindest bis zur Stunde im Schnitt zu 45 Prozent
    gesperrt worden. Damit nehmen Sie uns den entschei-
    denden Handlungsspielraum, und das zu einem Zeit-
    punkt, in dem Investitionen in Sachsen und, wie ich ver-
    mute, auch in anderen Ländern vor der Tür stehen, wir
    aber auf der anderen Seite in neue Konkurrenz zu Ost-
    europa treten.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Sie setzen für Investoren das völlig falsche Signal.

    Als der Bundeskanzler in Dresden war, hat mich der
    Vorstandsvorsitzende von AMD gefragt: Wird denn auch
    unsere Investition gefördert? Bekommen wir noch unser
    Geld? – Das sind doch die Fragen, die an uns gerichtet
    werden. Für mich stellt sich die Frage: Wollen Sie, dass
    weitere Investitionen und Arbeitsplätze kommen, oder
    wollen Sie das nicht?


    (Christoph Matschie [SPD]: Was haben Sie denn geantwortet?)


    – Ich habe gesagt: Ja,

    (Christoph Matschie [SPD]: Dann ist es doch gut!)

    aber diese Mittel sind bisher vom Bund nicht freigege-
    ben worden. Ich habe das auf meine eigene Kappe ge-
    nommen, Herr Matschie,


    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist das!)

    weil ich mich bei einem solchen internationalen Publi-
    kum nicht für die Bundesregierung schämen wollte.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist die Situation.


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Sie haben Vertrauen in die Bundesregierung!)


    – Nein, ich habe zunächst einmal Vertrauen in die eigene
    Kraft.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ludwig Stiegler [SPD]: Eigene Kraft durch das Geld des Bundes!)


    Das Hauptproblem in Ostdeutschland ist der Mangel
    an industriellen Arbeitsplätzen. Deshalb ist mir die
    Entscheidung vollkommen unverständlich. Sie wider-
    spricht allem, was bisher über die Parteigrenzen hinweg
    für den Aufbau Ost galt. Deswegen noch einmal: Wir
    brauchen von Ihnen, Herr Stolpe, und von der restlichen
    Bundesregierung das Signal, dass alle Verpflichtungser-
    mächtigungen ab sofort freigegeben werden


    (Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl!)

    und dass Sie auch im Bundeshaushalt des Jahres 2005
    ähnliche Verpflichtungsermächtigungen für die Jahre
    2006 bis 2008 ausbringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dann kann es weitergehen. Ich kann doch nicht sagen:
    Der Bund zahlt im Augenblick nur ein Drittel. Der Bund
    weiß nicht, was er will. Da müssen wir noch einen Mo-
    nat warten, bis vielleicht wieder eine Haushaltsklausur
    stattgefunden hat. – Das ist Gift für die Investoren. Diese
    Diskussion sollte man erst gar nicht anfangen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ludwig Stiegler [SPD]: Warum führen Sie sie dann?)


    Sachsen – das will ich deutlich sagen – ist bereit, alle
    zur Verfügung stehenden GA-Mittel zu finanzieren. Wir
    haben Investoren und wir wollen sie nicht nach Ost-
    europa ziehen lassen. Sollte das eine oder andere Bun-
    desland im Osten keine Investoren haben oder nicht in
    der Lage sein, die GA-Mittel abzunehmen, so bin ich be-
    reit, diese abzunehmen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Nun zu den Koch/Steinbrück-Vorschlägen, die von
    der Bundesregierung als Begründung für eine eventuelle
    Streichung herangezogen werden. Das ist Unsinn. Rich-
    tig ist, dass sich die ostdeutschen Länder der gesamt-
    deutschen Solidarität nicht verschlossen haben und be-
    reit waren, auch in ihrem Bereich Kürzungen von
    4 Prozent pro Jahr zu akzeptieren. Aber 4 Prozent sind
    nicht 45 Prozent.


    (Zuruf von der SPD: Eben!)

    Der Bundesfinanzminister hat dem Bundeswirtschafts-
    minister eine Kürzungssumme aufgegeben, die auch die
    Steinkohle umfasst. Weil er da nicht kürzen kann, kürzt
    er im einzigen flexiblen Bereich und das ist die GA-För-
    derung. Das ist doch die Wahrheit.


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Das ist nicht die Wahrheit!)


    – Natürlich! Sie können im Bereich der Steinkohle im
    Augenblick die Subventionen gar nicht kürzen, Sie kön-
    nen sie nur verschieben, weil die Rechtsbindung bis weit
    in das nächste Jahrzehnt reicht.


    (Klaus Uwe Benneter [SPD]: Weil die Situation der Menschen da genauso schlimm ist! – Widerspruch bei der CDU/CSU)


    – Herr Benneter, ich will nicht die Mittel der Ruhrkohle-
    förderung, aber es wäre sicherlich im Sinne des Ruhrge-
    bietes besser, diese Gelder würden für die Ansiedlung
    zukunftsgerichteter Industrie verwendet statt für die Ab-
    wicklung der Vergangenheit.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich mache mir Sorgen um Ostdeutschland. Ich mache

    mir auch Sorgen um ganz Deutschland, denn ich weiß,
    wenn der Osten nicht vorankommt, dann leidet ganz
    Deutschland. Ich kann – das will ich deutlich sagen – bei
    der Bundesregierung und bei dem, was hier gesagt
    wurde, keine Strategie für den Aufbau Ost erkennen,


    (Cornelia Pieper [FDP]: Seit sechs Jahren!)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Ministerpräsident Georg Milbradt (Sachsen)


    allenfalls das alte Lied: Fahren nach Sicht. Es geht nach
    dem Motto: Kommt Zeit, kommt Rat.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christoph Matschie [SPD]: Das ist immer noch besser als Blindflug!)


    – Lassen Sie mich ausreden, Herr Matschie; Sie kom-
    men doch auch gleich zu Wort – Der für die Bundesre-
    gierung wenig erfreuliche Bericht zum Stand des Auf-
    baus Ost vom vergangenen Herbst – er wurde schon
    zitiert – wurde von der Bundesregierung nur mit einem
    Achselzucken zur Kenntnis genommen. Herr Kollege
    Stolpe, wo bleibt die politische Antwort auf die nieder-
    schmetternde Analyse der Institute, dass im Zweifel nur
    eine passive Sanierung übrig bleibt? Wissen Sie, was
    eine passive Sanierung ist? Sie können eine Region da-
    durch sanieren, dass Sie den Zähler vergrößern und dass
    dadurch das Pro-Kopf-Einkommen steigt. Sie können
    dies aber auch dadurch erreichen, dass der Nenner sinkt.
    Das nennt sich passive Sanierung oder schlicht Abwan-
    derung.

    Ist das die Antwort der Bundesregierung hinsichtlich
    des Aufbaus Ost? Das kann doch nicht richtig sein.
    Klaus von Dohnanyi, ich selbst und andere haben kon-
    krete Vorschläge vorgelegt, die alle ein und dieselbe For-
    derung in unterschiedlichen Nuancen umfassen: So wie
    bisher kann man nicht weiter vorgehen.


    (Cornelia Pieper [FDP]: Richtig!)

    Wir brauchen für den zweiten Teil des Aufbaus Ost ei-
    nen neuen Anlauf und neue Regeln, aber nicht mehr
    Geld.


    (Cornelia Pieper [FDP]: Weniger Regeln! – Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ganze Zeit haben Sie über Geld gesprochen!)


    – Ich habe über das Geld geredet, das uns zugesagt wor-
    den ist. Eines werden Sie nicht hinbekommen, Herr Kol-
    lege, nämlich dass Sie bezogen auf den Aufbau Ost mit
    weniger Geld, das für Investitionen zur Verfügung ge-
    stellt wird, eine größere Wirkung erzielen können.


    (Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das für eine Investitionspolitik, die nur Fördermittel braucht, Herr Ministerpräsident?)


    Ich werde zu einigen Punkten noch etwas ausführen.
    Auch die ostdeutschen Länder haben ihren Beitrag zur
    Kürzung von Subventionen in einem anderen Bereich
    geleistet. Die Investitionszulagen sind durch Beschluss-
    fassung des Bundestags im Frühjahr um drei Viertel ge-
    kürzt worden. Ich halte das für vertretbar. Auch das ist
    ein Beitrag zur inneren Solidarität.

    Der Aufbau Ost ist überall dort gelungen, wo der
    Staat direkt einwirken konnte und wo die ostdeutschen
    Länder und Kommunen wie auch der Bund selbst Ver-
    antwortung getragen haben. Das gilt zum Beispiel für
    das Gesundheitswesen, die Altenpflege, Schulen, Um-
    welt und Altlasten. Aber bei der zentralen Aufgabe der
    Entwicklung einer sich selbst tragenden Wirtschaftsent-
    wicklung im privaten Sektor kommen wir seit 1997 nicht
    mehr voran.


    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Seit 1996!)

    Wir haben erst 60 Prozent der Wirtschaftskraft des
    Westens erreicht und sind seit Beginn der rot-grünen
    Bundesregierung auf diesem Stand stehengeblieben.
    Darüber haben wir zu diskutieren.

    Unser gemeinsames gesamtdeutsches Ziel muss doch
    sein, die hohen Transferzahlungen von West nach Ost
    zu reduzieren. Wir sind bereit, die Förderpraxis der ver-
    gangenen Jahre kritisch zu überprüfen. Wir müssen eine
    Umsteuerung bei der Förderung vornehmen, damit
    starke industrielle Kerne und nachhaltig sichere Arbeits-
    plätze entstehen. Ich bin auch bereit, mich einer Diskus-
    sion über die Frage der Fehlverwendung von Mitteln zu
    stellen. Aber Sie wissen aus den Berichten der Bundes-
    regierung, dass zumindest dem Freistaat Sachsen in die-
    ser Hinsicht kein Vorwurf gemacht werden kann.

    Ich freue mich, dass Bundesminister Stolpe mittler-
    weile auf unser sächsisches Modell der Förderung
    industrieller Wachstumspole – die so genannten Clus-
    ter – eingeschwenkt ist. Ich wiederhole: Es geht mir
    nicht um mehr Geld; wir möchten vielmehr das vorhan-
    dene Geld effektiver einsetzen. Angesicht sinkender
    Mittel brauchen wir eine abgestimmte industriepoliti-
    sche Förderstrategie.

    Die Unternehmen, die den Kern der Wachstumspole
    bilden, funktionieren als starke Lokomotiven. Diese Lo-
    komotiven ziehen eine Vielzahl von kleinen und mittel-
    ständischen Waggons nach sich, und zwar nicht nur im
    unmittelbaren räumlichen Umfeld, sondern weit in das
    Land ausgreifend, wie man es in Sachsen insbesondere
    bei der Automobilzulieferindustrie sieht. Deshalb brau-
    chen wir auch ein leistungsfähiges Verkehrsnetz in den
    schwachen Regionen, um diese an die starken Regionen
    anzubinden.


    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist das!)

    Mit dem Aufbau ist es wie bei einem Rennwagen. Sie

    können einen Rennwagen doch nicht dadurch schneller
    machen, dass Sie die Motorleistung drosseln. Natürlich
    muss der Spritverbrauch sinken, aber darunter darf die
    Motorleistung nicht leiden. Gefragt sind vielmehr Fein-
    tuning, eine bessere und genauere Einspritzung, eine
    bessere Dynamik und möglicherweise auch ein besserer
    Fahrer.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gilt das für Sachsen?)


    Wichtig ist, dass der Bund endlich den Korb 2 des
    Solidarpakts II gesetzlich fixiert; denn die GA-Mittel
    sind Teil des Solidarpakts.


    (Arnold Vaatz [CDU/CSU]: So ist es!)

    Hätten wir diese gesetzlich fixiert, wäre die von Herrn
    Clement angestoßene Diskussion über die Kürzung der
    GA-Mittel erst gar nicht möglich gewesen. Deswegen
    fordere ich Sie alle auf, möglichst schnell Klarheit beim
    Korb 2 des Solidarpaktes II bis 2019 zu schaffen. Dann






    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Ministerpräsident Georg Milbradt (Sachsen)


    können wir uns solche Diskussionen wie die heutige er-
    sparen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ein Punkt ist mir noch besonders wichtig. Wir könn-

    ten beim Aufbau Ost viel mehr erreichen, wenn wir
    mehr Freiheiten hätten. 1990 haben wir in Ostdeutsch-
    land ein System übernommen, durch das im Westen Jahr
    für Jahr viele Tausende industrielle Arbeitsplätze ver-
    schwinden. Mit diesem System West können Sie doch
    die fehlenden Arbeitsplätze im Osten nicht schaffen. Mit
    „Weiter so wie bisher“, dem Inhalt des vorliegenden Koali-
    tionsantrages, werden wir weiter wie bisher hinterher-
    hinken. Meine Damen und Herren Abgeordneten der
    Koalitionsfraktionen aus dem Osten, wollen Sie das? Ist
    das der Auftrag Ihrer Wähler? Wie wollen Sie denn die
    extrem hohe Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland be-
    kämpfen? Was sagen Sie denjenigen, die abwandern
    wollen? Sicherlich nicht das, was in Ihrem Antrag steht,
    den Sie heute beschließen. Sie wissen doch ganz genau,
    dass dieser Antrag weiße Salbe ist und dass sich mit ihm
    die Kernprobleme des Ostens nicht lösen lassen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deswegen appelliere ich an Sie: Diskutieren Sie doch

    mit uns, den Ländern, und meinetwegen auch mit den
    Oppositionsfraktionen darüber, wie wir mehr Freiheit
    geben können und wie wir aus den Mitteln mehr machen
    können. Schauen wir doch einmal über den Tellerrand
    unserer Nation hinaus und sehen uns an, welche anderen
    europäischen Länder Erfolge erzielt haben. Irland zum
    Beispiel hat sich in 30 Jahren durch eine gezielte Wirt-
    schaftspolitik, durch Zukunftsinvestitionen in Bildung
    und Unternehmen sowie durch flexible Strukturen von
    einem der ärmsten zu einem der reicheren Länder der
    EU entwickelt.


    (Franz Müntefering [SPD]: Jetzt lenken Sie doch nicht ab! Darum geht es doch gar nicht!)


    – Doch, Herr Müntefering, genau darum geht es. Wir
    sollten uns an denjenigen Ländern in Europa orientieren,
    die Wachstum geschaffen haben,


    (Franz Müntefering [SPD]: Ja, ja, ist ja gut!)

    und nicht an denjenigen Ländern, die seit Jahren so gut
    wie kein Wachstum mehr auf die Beine gebracht haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Franz Müntefering [SPD]: Aber im Bundesrat kneifen Sie!)


    Geben Sie uns, den neuen Bundesländern, doch mehr
    Freiheit! Was würden Sie denn verlieren? – Gar nichts!


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Freiheit, Herr Milbradt?)


    Es gibt doch nur zwei Möglichkeiten, wenn Sie uns
    mehr Freiheit geben: Wir haben entweder Erfolg oder
    Misserfolg. Im ersten Fall werden uns andere nacheifern
    und im letzten Fall werden wir die politischen Folgen
    selbst zu tragen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU – Franz Müntefering [SPD]: Sie kneifen doch! An beiden Stellen wollen Sie Recht haben! Aber Sie müssen sich einmal entscheiden, was Sie wollen!)


    Geben Sie uns die Freiheit, die Wachstumsregionen in
    anderen EU-Ländern haben, mit denen wir konkurrieren.
    Wir brauchen in Deutschland mehr Mut, mehr Kreativi-
    tät und eine größere Bereitschaft zum Experimentieren.
    Die Menschen in Ostdeutschland haben in den vergange-
    nen Jahren Großartiges geleistet.


    (Franz Müntefering [SPD]: Im Bundesrat kneifen und hier die Backen dick aufblasen!)


    Sie haben bewiesen, dass sie Mut, Kreativität und Be-
    reitschaft zum Wandel haben. Jetzt kommt es darauf an,
    dass der Staat ihnen die Türen öffnet und nicht ständig
    Steine in den Weg legt.


    (Zuruf von der SPD: Im Bundesrat!)

    Danke sehr.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Bei fall bei der FDP)