Anlage 8
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004 9869
(A) )
(B) )
wurde der Gesetzentwurf nicht unwesentlich verbessert. in die deutsche Gesellschaft bedeutet dagegen für die
Bezeichnung als Schwarzarbeit herauszunehmen. Damit
Die Integration von Menschen aus anderen Ländern
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Jerzy Montag, Josef Philip
Winkler und Jutta Dümpe-Krüger (alle BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über
den Entwurf eines Gesetzes zur Intensivierung
der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit
zusammenhängender Steuerhinterziehung (Ta-
gesordnungspunkt 3)
Organisierte und gewerbliche Schwarzarbeit hat in
Deutschland ein nicht hinnehmbares Niveau erreicht. Sie
schädigt gesetzestreue Unternehmer wie Arbeitnehmer
und verursacht hohe Einnahmeausfälle bei den Sozial-
kassen und beim Fiskus. Die Zielsetzung, die Bekämp-
fung der Schwarzarbeit im gewerblichen Bereich zu in-
tensivieren, unterstützen wir deshalb voll und ganz.
Im Gesetzgebungsverfahren ist es gelungen, so ge-
nannte haushaltsnahe geringfügige Beschäftigungen aus
dem Aufgabenkatalog des Zolls und Dienst- und
Werkleistungen unter Angehörigen, im Gefälligkeitsbe-
reich und im Rahmen der Nachbarschaftshilfe aus der
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Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
Bülow, Marco SPD 06.05.2004
Evers-Meyer, Karin SPD 06.05.2004
Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 06.05.2004
Hagemann, Klaus SPD 06.05.2004
Hoffmann (Chemnitz),
Jelena
SPD 06.05.2004
Lehn, Waltraud SPD 06.05.2004
Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 06.05.2004
Dr. Lippold (Offenbach),
Klaus W.
CDU/CSU 06.05.2004
Matschie, Christoph SPD 06.05.2004
Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
06.05.2004
Nickels, Christa BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
06.05.2004
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
Wir haben aber weiterhin Bedenken, alle so genann-
en Minijobs auch im nichtgewerblichen Bereich als
chwarzarbeit durch den Zoll zu bekämpfen. Wir sehen
ie Gefahr, damit Menschen ohne verwerfbares Un-
echtsbewusstsein zu verfolgen, und fürchten, dass die
otwendige Konzentration auf die Bekämpfung der or-
anisierten und gewerblichen Schwarzarbeit Schaden
ehmen könnte.
Die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmerinnen
nd Arbeitsnehmer außerhalb der Legalität oder zu we-
entlich ungünstigeren Arbeitsbedingungen ist Teil der
chwarzarbeit. Auch die gilt es zu bekämpfen. Es ist uns
in zentrales Anliegen, Lohndumping zu vermeiden. Die
m Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der
chwarzarbeit hierzu vorgesehenen Maßnahmen gehen
ber nach unserer Auffassung zu einseitig auf Kosten der
usländischen Arbeitnehmer. Es wird der Eindruck ver-
ittelt, als ob diese Menschen in aller Regel sich be-
usst für eine Beschäftigung zu ungünstigeren Arbeits-
edingungen entscheiden würden, obwohl sie in vielen
ällen keine echte Wahl haben, einer legalen Beschäfti-
ung nachzugehen. Wir sind der Auffassung, dass noch
ntensiver auch die Arbeitgeber zurVerantwortung gezo-
en werden müssen, wenn sie unter Umgehung des deut-
chen und internationale Arbeits- und Sozialrechts Kos-
en sparen oder sich unredlicher ausländischer
ubunternehmen bedienen. Dieser Aspekt findet nur we-
ige Berücksichtigung, wenn wir auch sehen, dass mit
er Neufassung der Strafvorschriften über den Men-
chenhandel in einem Gesetz zur Änderung des Strafge-
etzbuchs diese Formen der Ausbeutung der Arbeitskraft
nter erhebliche Strafdrohung genommen werden.
Trotz dieser Bedenken stimmen wir dem Gesetzent-
urf zu, weil die Intensivierung der Bekämpfung der
chwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuer-
interziehung notwendig und richtig ist.
nlage 3
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts: Keine Kürzungen von Integrations-
maßnahmen (Tagesordnungspunkt 12)
Petra Pau (fraktionslos): Das Zuwanderungsgesetz
st nun hoffentlich in der Gestalt, wie es zuletzt in den
eratungen auf dem Tisch lag, endgültig Geschichte.
orüber Koalition und bürgerliche Opposition noch dis-
utiert haben, hatte mit einem liberalen Recht oder gar
it Integration schon lange nichts mehr zu tun. Vielmehr
rohte der Rückfall in längst überwunden geglaubte
enkweisen des Polizeirechts, nach dem ein Ausländer
rundsätzlich als eine Bedrohung der Sicherheit und
rdnung angesehen wird.
9870 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004
(A) )
(B) )
PDS die vollständige Partizipation am politischen, sozia-
len, kulturellen und wirtschaftlichen Leben in der neuen
Heimat. Dazu gehört auch die Möglichkeit, die Sprache
der Mehrheitsgesellschaft zu erlernen. Insoweit ist es tat-
sächlich unverständlich, wenn die staatlichen Mittel für
Deutschkurse nicht aufgestockt, sondern reduziert wer-
den sollen.
Aber der Antrag der Union streift nur das eigentliche
Problem. Betroffen sind nicht „nur“ Spätaussiedlerinnen
und Spätaussiedler sowie ausländische Asylberechtigte,
sondern Probleme haben viele andere Gruppen in noch
höherem Maße: Ausländische Studierende können
Deutschkurse an den Universitäten beziehungsweise Stu-
dienkollegs belegen. Auch für Dozenten gibt es solche
Angebote. Firmenmanager, Diplomaten und Menschen
mit viel Geld können Lehrgänge an privaten Instituten be-
suchen. Die „normalen“ ausländischen Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen kommen hier allerdings nicht vor, von
Asylsuchenden und Aussiedlern und Aussiedlerinnen
ganz zu schweigen.
Im Auftrag des Bundes – und von ihm bezahlt – bietet
der Sprachverband Deutsch für ausländische Arbeitneh-
mer zusätzliche Deutschkurse an. Doch auch hier ist der
„Kundenkreis“ von vornherein eingeschränkt: Gefördert
werden nur Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und
ihre Familienangehörigen aus den Mitgliedstaaten der
Europäischen Union sowie aus den früheren Gastarbei-
teranwerbestaaten Türkei, Marokko, Tunesien und dem
ehemaligen Jugoslawien. Hinzu kommen Menschen, die
als Vertragsarbeitnehmer und Vertragsarbeitnehmerin-
nen aus Angola, Mosambik und Vietnam in die damalige
DDR gekommen sind. Schön. Nur, was ist mit dem
Flüchtling aus Togo, der Deutsch lernen möchte? Oder
mit der chinesischen Frau, die hier arbeitet und ebenfalls
Deutschkenntnisse braucht? Diese wenden sich mögli-
cherweise an die Volkshochschule vor Ort, denn die bie-
tet ja oft auch Sprachkurse an. Dort wartet jedoch wieder
eine Enttäuschung: Die Kurse bei der VHS werden häu-
fig von den Arbeitsämtern finanziert. Und deren Richtli-
nien schreiben vor, dass solche Fördermaßnahmen Asyl-
berechtigten und Spätaussiedlern vorbehalten bleiben
sollen. Also auch hier wieder Fehlanzeige für die Asyl
suchende Frau oder den zwar als Flüchtling, nicht aber
als Asylberechtigten anerkannten Mann.
Zu dieser Realität steht die Position der CDU/CSU,
aber auch von Teilen der Regierungskoalition in krassem
Gegensatz. Im Streit um das Zuwanderungsgesetz haben
Sie gefordert, den Besuch von Deutschkursen zur Pflicht
zu machen und die Nichtteilnahme zu bestrafen. Einen
Rechtsanspruch darauf, einen Deutschkurs überhaupt
besuchen zu können, wollten Sie dagegen nicht einräu-
men.
Integration darf vor allem nicht zur Assimilation wer-
den: Menschen ausländischer Herkunft dürfen nicht ge-
zwungen werden, ihre Muttersprache und ihre eigenen
Traditionen und Kulturen aufzugeben. Integration ist
keine Einbahnstraße, sondern erfordert Leistungen so-
wohl der Zuwandernden als auch der Aufnahmegesell-
schaft. Deshalb fordern auch die Wohlfahrtsverbände,
dass der Förderung der Mehrsprachigkeit zukünftig be-
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ondere Bedeutung zugemessen werde. Dies schließt die
tärkere Anerkennung und Förderung der Mutterspra-
hen der Migrantinnen und Migranten als Fremdsprache
it ein.
Die PDS fordert anstelle eines polizeirechtlichen Ein-
anderungsverhinderungsgesetzes eine wirksame Inte-
rationspolitik mit dem Ziel der sozialen und politischen
leichstellung der Migrantinnen und Migranten und des
riedlichen Zusammenlebens von Bürgerinnen und Bür-
ern unterschiedlicher ethnisch-kultureller und religiöser
erkunft. Unter anderem ist die Chancengleichheit von
enschen nicht deutscher Herkunftssprache beim Zu-
ang zu allen Bildungsstufen durch gesonderte Maßnah-
en, die die Integration in die Gesellschaft erleichtern,
u gewährleisten. Dazu gehören auch Sprachlehrgänge
n ausreichendem Umfang, denn das Erlernen der Spra-
he ist eine der wichtigsten Integrationsvoraussetzun-
en. Die PDS will andererseits, dass die Migranten und
igrantinnen ihre eigene Kultur und Sprache nicht auf-
eben müssen. Deshalb treten wir für das Recht auf För-
erung der Muttersprache ein. Dazu gehört auch die För-
erung der interkulturellen Erziehung und Bildung.
Integration hört aber nicht mit Spracherwerb und Bil-
ung auf. Im Gegenteil: Alle Rahmenbedingungen müs-
en dazu führen, dass alle Menschen unabhängig von ih-
em Pass in Deutschland gleichberechtigt leben können.
as schließt die Herstellung des Wahlrechts für Einge-
anderte auf allen Ebenen ein, aber auch den umfassen-
en Schutz für Verfolgte und Flüchtlinge aus Notsitua-
ionen, die Angleichung der sozialen Standards – zum
eispiel durch die Abschaffung des berüchtigten Asyl-
ewerberleistungsgesetzes –, das Ermöglichen des Fa-
iliennachzugs für alle Angehörigen und die Anglei-
hung des deutschen Rechts an die Standards der UN-
inderrechts- und der UN-Wanderarbeiterkonvention.
as bedeutet zudem Schutz für „Illegalisierte“ vor Aus-
eutung und unmenschlichen Lebensverhältnissen.
Das Scheitern des Zuwanderungsgesetzes gibt die
elegenheit, von der Diskussion über noch mehr Poli-
eirecht im Ausländerrecht endlich wegzukommen und
ich mit den wirklichen Problemen zu beschäftigen. Wir
ordern die Koalition auf, diese Chance endlich wahrzu-
ehmen.
nlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung der Bundesärzteordnung und ande-
rer Gesetze (Tagesordnungspunkt 13)
Dr. Erika Ober (SPD): Die fraktionsübergreifende
ustimmung im Ausschuss für Gesundheit und Soziale
icherung zu der vollständigen Abschaffung der „Arzt
m Praktikum“-Phase von letzter Woche begrüße ich
ehr. Mit dem uns heute vorliegenden Gesetzentwurf
utzen wir die Möglichkeit, die ärztliche Ausbildung zu
eformieren und das AiP abzuschaffen Das dient auch
er Verbesserung der Qualität der medizinischen Versor-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004 9871
(A) )
(B) )
gung. Deshalb bin ich optimistisch, dass der Gesetzent-
wurf heute von der breiten Mehrheit des Hauses getra-
gen wird.
Neben der Modernisierung der ärztlichen Ausbildung
werden in der Vorlage mit der Umsetzung der entspre-
chenden EU-Richtlinie außerdem notwendige Änderun-
gen in den Heilberufsgesetzen vorgenommen. Der
Wechsel von einem Rechtssystem zum anderen stellt Be-
troffene oft vor Probleme. Der vorliegende Entwurf ver-
bessert die Rechtsstellung von nicht deutschen Staatsan-
gehörigen, die in einem Heilberuf in Deutschland tätig
sein wollen. Das verbessert die Situation für Patientin-
nen und Patienten, weil bundeseinheitliche Mindestvo-
raussetzungen für Zulassungen zu Heilberufen auch der
Qualität der Versorgung dienen.
Eingeführt wurde das AiP Mitte der 80er-Jahre. In
Zeiten hoher Studentenzahlen im Fach Humanmedizin
wurden in der ärztlichen Ausbildung praktische Anteile
nicht ausreichend berücksichtigt. Das AiP sollte damals
die praktische Qualifikation junger Ärzte und Ärztinnen
verbessern. Das Manko an praktischer Erfahrung wäh-
rend des Studiums sollte mit der praktischen Ausbildung
nach dem dritten Staatsexamen ausgeglichen werden.
Das AiP ist inzwischen entbehrlich geworden. Denn
durch das In-Kraft-Treten der neuen Approbationsord-
nung für Ärzte vom 27. Juni 2002 konnte die praktische
ärztliche Ausbildung in die Gesamtausbildung an der
Universität integriert und somit der Versorgungswirk-
lichkeit angepasst werden. Besonders dem allgemeinme-
dizinischen und hausärztlichen Bereich wurde ein höhe-
rer Stellenwert zuerkannt. Angesichts unserer alternden
Gesellschaft war dies dringend notwendig geworden,
auch um zum Beispiel zu erreichen, dass ältere Men-
schen so lange wir möglich in ihrer gewohnten Umge-
bung bleiben können. Mit der neuen Approbationsord-
nung von 2002 wurde die Grundvoraussetzung dafür
geschaffen, die dem Studium nachgelagerte Phase des
AiP zum 1. Oktober 2004 abzuschaffen. Mit ihr wurde
das Medizinstudium neu ausgerichtet. Theorie und Pra-
xis wurden besser miteinander verzahnt. Die Ausbildung
ist näher am Patienten.
Eine weitere Voraussetzung für das Ende des AiP
wurde im GMG geschaffen. Die Finanzmittel von circa
300 Millionen Euro zur Abschaffung des AiP werden
durch das GMG aufgefangen. Dies ist dort mit Änderun-
gen zur Bundespflegesatzordnung und zum Krankenhaus-
entgeltgesetz geregelt. Im GMG ist auch die Vergütung
für die letzten drei Monate des Jahres 2004 mit einem
Bedarf von circa 75 Millionen Euro geregelt.
Die Differenz der Vergütung zwischen vollapprobier-
tem Assistenzarzt und teilapprobiertem AiPler liegt der-
zeit bei 29 000 Euro im Jahr. Das ist eine recht stattliche,
gleichwohl aber überfällige Aufstockung des Anfangs-
gehalts. Bei circa 10 000 anzunehmenden Studienab-
schlüssen im Fach Humanmedizin ergibt sich also ein
Finanzbedarf von 300 Millionen Euro innerhalb eines
Jahres.
Mit der kompletten Abschaffung des AiP greifen wir
die Ergebnisse der öffentlichen Anhörung von Sach-
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erständigen zum AiP auf. Damit gehen wir über die
rsprünglich vorgesehene rein finanzielle Gleichstellung
on AiPlern und Assistenzärzten noch hinaus. Neben der
erbesserung der Bezahlung der AiPler verzichten wir
it diesem Entwurf auf eine Übergangslösung, wie sie
och in der ersten Lesung vorgesehen war. Wir beschlie-
en heute die statusrechtliche Gleichstellung von Medi-
instudentinnen und -studenten, die bis zum 1. Oktober
004 noch AiPler sind, mit denen, die nach dem 1. Okto-
er 2004 als Assistenzärzte nach dem letzten Staatsexa-
en in ihren Beruf starten.
Mit dem Entwurf gehen wir auch über die so ge-
annte Optionslösung hinaus, die in der Anhörung dis-
utiert wurde. Sie sah vor, AiPlern zum Stichtag 1. Ok-
ober 2004 eine Wahlmöglichkeit zu geben, ob sie die
ollapprobation oder an ihrem AiP-Vertrag festhalten
ollen. Ich denke, dass die heute abzustimmende Vor-
age der Situation am besten gerecht wird.
Diese Verbesserung der Situation ärztlicher Berufsan-
änger entspricht nicht nur dem vielfach vorgetragenen
nliegen der Studentinnen und Studenten, sondern auch
en Vorstellungen der Ärzte- und Krankenhausverbände.
ir tragen mit dieser Regelung angesichts eines drohen-
en Ärztemangels in Deutschland auch dem gesamtge-
ellschaftlichen Interesse an engagierten jungen Nach-
uchsärzten Rechnung.
In der öffentlichen Anhörung vom 31. März dieses
ahres wurde neben dem AiP auch die Übergangsrege-
ung thematisiert, welche sich aus der 2002 geänderten
pprobationsordnung ergibt. Diese Übergangsregelung
ezieht sich auf den Studienablauf im Fach Humanmedi-
in. Sie steht dabei in keinem direkten Zusammenhang
it der Abschaffung des AiP. Dennoch darf es uns nicht
leichgültig sein, wann Studierende ihr Studium been-
en, die genau in diese Übergangsphase fallen und wo-
öglich unverschuldet Verzögerungen in ihrem Studien-
blauf hinnehmen müssten. Deshalb begrüße ich die
usage der Bundesregierung, diesen Sachverhalt mit den
undesländern zu erörtern. Denn diese sind im Zusam-
enspiel mit den Landesprüfungsämtern für die Durch-
ührung der Prüfungen zuständig. Hier ist eine Lösung
m Interesse der Betroffenen wünschenswert.
Was gewinnen die jungen Nachwuchsärzte durch die
nnahme dieses Gesetzentwurfes?
Endlich werden mehrfach staatlich examinierte Ärzte
nd Ärztinnen auch angemessen bezahlt. Bislang erhiel-
en dreifach staatlich examinierte Ärzte und Ärztinnen,
ie ihre universitäre Ausbildung abgeschlossen hatten,
ür ihre Arbeit nach dem Studium eine Ausbildungsver-
ütung. Die Arbeitszeiten entsprechen denen von Assis-
enzärztinnen und -ärzten. Dennoch fällt die Vergütung
erzeit noch um circa 29 000 Euro im Jahr geringer aus.
ußerdem ist ein AiPler nicht voll verantwortlich, son-
ern muss stets unter der Aufsicht eines vollapprobierten
rztes handeln. AiPler übten dennoch im Regelfall die-
elben Tätigkeiten wie Assistenzärzte aus, waren also
ünstige Arbeitskräfte. Mit der neuen Approbationsord-
ung 2002 haben sich die Voraussetzungen aber bereits
erart geändert, dass die Abschaffung des AiP – jetzt,
9872 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004
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wo im GMG auch die finanziellen Grundlagen geschaf-
fen wurden – die Konsequenz sein muss.
Schon lange wurde von Betroffenen aus vielerlei
Gründen die Forderung gestellt, das AiP abzuschaffen.
Eine der wesentlichsten Gründe war die Ungleichbe-
handlung von AiPlern mit anderen Ärzten und Ärztin-
nen. Dieser Forderung werden wir nun gerecht. Die ärzt-
liche Ausbildung ist modernisiert worden und damit
setzt die SPD ihren Kurs der letzten Legislatur konse-
quent fort.
Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass junge
Mediziner und Medizinerinnen vermehrt in andere Län-
der abwandern, um dort ärztlich tätig zu werden. Auch
ist festzustellen, dass viele Nachwuchskräfte Tätigkeiten
ausführen, die mit der kurativen medizinischen Versor-
gung im klassischen Sinne nichts mehr zu tun haben.
Der Arztberuf wird durch die der Arbeit angemessenen
Entlohnung wieder attraktiver. Die finanzielle und recht-
liche Gleichstellung kann der ärztlichen Abwanderung
vorbeugen. Patientinnen und Patienten brauchen unsere
gut ausgebildeten Medizinerinnen und Mediziner, die
motiviert sind, hier vor Ort als Ärzte zu arbeiten.
In erster Linie hat die fachlich dringend erforderliche
Abschaffung des AiP positive Auswirkungen auf den
ärztlichen Nachwuchs, in zweiter Linie aber auch auf die
Patientinnen und Patienten. Auch die Krankenhäuser
können profitieren. Denn immer häufiger fehlen dort
Nachwuchsmediziner. Mit der Gleichbehandlung wird
nun der Berufseinstieg, aber auch der Arztberuf insge-
samt aufgewertet.
Mit der Zustimmung des Deutschen Bundestages zu
dem uns vorliegenden Gesetzentwurf, werden Jungärzte
die beste Situation für den Berufseinstieg in Deutschland
seit dem Zweiten Weltkrieg vorfinden. Auch in der Me-
dizinalassistentenzeit, an die ich mich selbst noch gut er-
innern kann, oder in anderen Ausbildungszeiten waren
die Berufsanfänger sowohl finanziell als auch status-
rechtlich schlechter gestellt.
Deshalb freue ich mich über die Entscheidung, die
heute zu fällen ist und der wir alle gemeinsam positiv
gegenüberstehen.
Helge Braun (CDU/CSU): Endlich wird zum 1. Ok-
tober dieses Jahres die Phase Arzt im Praktikum, AiP,
abgeschafft. Endlich sage ich als Arzt, der das AiP selbst
absolviert hat. Endlich sage ich auch als Bundestagsab-
geordneter.
Die Ausbildung zum Arzt wird ohne das AiP attrakti-
ver. Die Ausbildungszeit verkürzt sich. Karriereperspek-
tiven sind für Studenten früher sichtbar. Der Arztberuf
musste für junge Menschen dringend interessanter ge-
macht werden. Denn der steigende Bedarf an jungen
Ärzten kann zunehmend schlechter erfüllt werden.
Die Zahl der Approbationen ist in den letzten sechs
Jahren um 22 Prozent gesunken. Die Facharztanerken-
nungen sind sogar um 25 Prozent zurückgegangen. Im
Jahr 2000 standen 9 100 Studiumsabsolventen nur 7 100
abgeschlossene AiP-Phasen gegenüber. Dies heißt: Viele
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ngehende Mediziner haben nach ihrem Studium nicht
ehr das AiP angeschlossen. 22 Prozent der Absolven-
en eines Medizinstudiums wurden also kein Arzt. Sie
aben Tätigkeiten in anderen Branchen aufgenommen.
Mangels Nachwuchsmedizinern zeichnet sich in deut-
chen Krankenhäusern ein dramatischer Fachkräfte-
angel ab. Jedes zweite Krankenhaus kann Stellen im
rztlichen Dienst nicht mehr besetzen. Besonders in
stdeutschland wird das ärztliche Versorgungsnetz
ramatisch dünn. Schätzungen zufolge sind allein in
rankenhäusern rund 4 800 ärztliche Stellen vakant.
Der Mangel an Nachwuchs hat aber auch noch eine
ndere Ursache. Deutsche Krankenhäuser und Universi-
ätskliniken stehen im nationalen Wettbewerb mit ande-
en Branchen. Ein Assistenzarzt verdient deutlich weni-
er als ein Berufseinsteiger in der Wirtschaft mit
ergleichbarer Ausbildung. Zudem sind die Arbeitsbe-
ingungen in Krankenhäusern oft nicht allzu attraktiv:
ange Arbeitszeiten und ausgeprägte Hierarchien wir-
en auf Berufseinsteiger häufig abschreckend.
Die deutsche Krankenversorgung steht aber nicht nur
ntereinander und mit anderen Branchen im Wettbe-
erb. Zunehmend wandern deutsche Nachwuchsmedizi-
er ins Ausland ab. Dieser so genannte Braindrain er-
olgt hauptsächlich in die USA. Aber auch die
kandinavischen Länder bieten für junge Ärzte attraktive
ahmenbedingungen. Diese Abwanderung ist für
eutschland zum einen fatal, weil wir trotz Ärzteman-
els Nachwuchs verlieren. Zum anderen aber stellt die
bwanderung ärztlichen Nachwuchses eine verlorene
nvestition dar. Kein Studiengang kostet den Staat so viel
eld wie der zum Mediziner. Während der Staat je Uni-
ersitätsstudent durchschnittlich rund 8 000 Euro pro
ahr ausgibt, müssen für jeden angehenden Mediziner
ährlich ungefähr 28 000 Euro aufgewandt werden. Die
älfte der gesamten Hochschulausgaben wird für die
rzteausbildung benötigt. Für jeden ausgewanderten
edizinhochschulabsolventen hätte man 14 BWL-Stu-
enten finanzieren können.
Der Braindrain bei Ärzten hat zwei Aussagen: Zum
inen zeugt er von der qualitativ hochwertigen Ausbil-
ung der deutschen Ärzte, sodass diese im Ausland ge-
ragt sind. Zum anderen aber gehen Deutschland Nach-
uchskräfte verloren, die dringend benötigt werden. Wir
rauchen daher attraktivere Arbeitsbedingungen für Be-
ufseinsteiger und mehr junge Menschen, die Arzt wer-
en wollen.
Während also deutsche Kliniken im Wettbewerb um
en Nachwuchs stehen, können sie selbst nur erschwert
m ausländische Studenten werben. Kliniken haben
roße rechtliche Schwierigkeiten, junge Ärzte von au-
erhalb der EU nach Deutschland zu holen. Da die Fach-
rztausbildung nicht mehr zur medizinischen Ausbil-
ung gehört, bekommen junge ausländische Ärzte keine
ufenthaltsgenehmigung. Hier haben leider die Grünen
it dem Scheitern der Verhandlungen zum Zuwande-
ungsgesetz eine große Chance vertan, dem Ärztemangel
bzuhelfen.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004 9873
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Der Mangel an Nachwuchs wird sich auch in Zukunft
auf absehbare Zeit nicht entspannen. Mehr als die Hälfte
aller ambulant tätigen Ärzte wird in den nächsten zehn
Jahren in den Ruhestand gehen. Doch der Anteil junger
Ärzte sinkt seit geraumer Zeit.
Die Folgen des fehlenden Nachwuchses in der Ärzte-
schaft werden durch den demographischen Wandel noch
verschärft. Mit steigender Lebenserwartung wächst auch
der Bedarf ärztlicher Betreuung im Alter, sodass allein
deswegen eine Zunahme von Approbationen erforder-
lich ist. Die Entwicklung in Deutschland ist: Bei steigen-
den Patientenzahlen haben wir immer weniger Ärzte,
weil der Nachwuchs fehlt.
Hiergegen ist die nun bereits zum Oktober 2004 erfol-
gende Abschaffung des AiP eine notwendige Maß-
nahme. Das AiP wurde eingeführt im Jahr 1988, als es
einen starken Überhang an Medizinabsolventen gab.
16 Jahre später – wir haben Ärztemangel – kann das AiP
abgeschafft werden. Studium und das Praktische Jahr
sind nun so gestaltet, dass der Absolvent des Medizin-
studiums auf die verantwortungsvolle Aufgabe des Arz-
tes auch ohne AiP vorbereitet ist. Ursprüngliche Pläne
der Bundesregierung, die Abschaffung des AiP mit
Übergangsregelungen bis zum Jahr 2009 zu gestalten,
hätten die ärztliche Versorgung in Deutschland zusätz-
lich verschärft.
Der heutige Beschluss des Bundestages, das AiP ab-
zuschaffen, muss der Auftakt zu weiteren Verbesserun-
gen der Rahmenbedingungen für Medizinstudenten und
Absolventen sein. Wollen wir dem stetig steigenden Ärz-
temangel entgegnen, dann ist die Bundesregierung ge-
fordert, wieder verstärkt junge Menschen für den Beruf
des Arztes zu interessieren, Ausbildung für Mediziner
attraktiver zu gestalten und Abwanderung von Medizi-
nern in andere Branchen und ins Ausland einzudämmen,
indem attraktive Rahmenbedingungen für junge Ärzte
geschaffen werden. Denn mit kränkelnden Studiums-
und Berufsbedingungen können wir niemanden für den
Arztberuf begeistern.
Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU): Heute ist ein
Tag der Freude für Medizinstudentinnen und Medizin-
studenten, für alle die, die im praktischen Jahr Dienst am
Patienten tun, für die, die trotz schwerer werdender Rah-
menbedingungen bereit sind, sich als Ärztinnen oder
Arzt in den Dienst kranker Menschen zu stellen: Der
Arzt im Praktikum wird ohne Wenn und Aber abge-
schafft. Damit wird der unwürdige Zustand für junge
Menschen nach langem Studium, praktischem Jahr und
Staatsexamen beseitigt, dass sie dann immer noch nicht
in der Lage sind, mit dem schwer verdienten Lohn eine
Familie zu ernähren. Die Entgelte für Ärzte im Prakti-
kum reichten dafür einfach nicht aus. Hier wird jetzt ein
Signal gesetzt, dass die Politik es ernst meint mit dem
Versprechen, den Beruf des Arztes für junge Menschen
wieder attraktiver zu machen.
Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregie-
rung vom Januar dieses Jahres sah eine Beibehaltung des
Arztes im Praktikum für alle vor, die ihr drittes Staatsex-
amen vor dem 1. Oktober 2004 ablegen. Nach der Anhö-
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ung hat sich fraktionsübergreifend die Auffassung
urchgesetzt, dass der einzig sinnvolle Weg darin be-
teht, mit dem Datum 1. Oktober allen Ärzten die Voll-
pprobation zu geben.
Bei dem Für und Wider ging es ausnahmsweise mal
icht primär ums Geld. Denn die Bereitstellung der zu-
ätzlichen Mittel für die Aufstockung der AiP-Gehälter
uf ein normales Assistenzarztgehalt war ja bereits ge-
etzlich geregelt. Nein, es war eher die Unsicherheit, ob
lle AiPler auch gemäß der gesetzlichen Empfehlung
on Seiten der Krankenhäuser entsprechend bezahlt
orden wären. „Weitere Probleme mit dem Gesetzent-
urf schienen vorprogrammiert: Was hätte die junge
utter machen sollen, die nach Ablegung des dritten
taatsexamens sich zwei Jahre um die Kindererziehung
ekümmert hat und die Arzt-im-Praktikum-Phase nicht
eleistet hat? Sollte sie diese noch später nachholen
üssen? Wer bietet diese Ausbildungsstelle dann noch
n?
Nein, als einziges ernsthaftes Argument gegen die
omplette Abschaffung des Arztes im Praktikum sprach,
ass möglicherweise Kündigungen aufgrund des Ein-
reifens in bestehende Ausbildungsverträge erfolgen
önnten. In der Anhörung hat sich ergeben, dass die
achverständigen diese Befürchtung für zwar theoretisch
erechtigt, in der Praxis aber für vollkommen unbegrün-
et halten. Dieser Auffassung haben sich im Ausschuss
ann auch alle fraktionsübergreifend angeschlossen. Der
rzt im Praktikum wird zum 1. Oktober abgeschafft.
Im Verfahren sind dann noch für die praktische Um-
etzung wichtige Dinge geregelt worden. Zum Beispiel,
ass die Mehrkosten für die Abschaffung des AIPler für
ie Krankenhäuser, die ihre Budgetvereinbarung 2004
chon abgeschlossen haben, im Jahr 2005 in die Verein-
arung über das Budget einzubeziehen sind. Das interes-
iert vornehmlich die Krankenhausdirektoren und Ge-
chäftsführer.
Die Studierenden wird interessieren, dass im Aus-
chuss darauf hingewiesen wurde, dass die für die Ap-
robationserteilung zuständigen Landesbehörden gehal-
en sein sollten, bereits vor dem In-Kraft-Treten des
esetzes die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung der
pprobation vorzubereiten, damit es nicht durch Verzö-
erungen zu personellen Engpässen in den Krankenhäu-
ern kommt. Hier ist die Bundesregierung aufgefordert,
ür eine frühzeitige und umfassende Information der Be-
roffenen über die zuständigen Behörden zu sorgen.
Mit der Abschaffung des AIP hat die Gesundheitspo-
itik ein Signal gesetzt, dass ihr der ärztliche Berufsstand
nd insbesondere der ärztliche Nachwuchs am Herzen
iegen. Doch dieses Signal allein reicht nicht aus, um
ine Trendwende in Negativentwicklung bei der ärztli-
hen Versorgung herbeizuführen.
Wir haben ein Nachwuchsproblem. Während sich im
ahr 1998 noch knapp 8 000 Absolventen des Medizin-
tudiums bei den Ärztekammern anmeldeten, war diese
ahl vier Jahre später auf 6 600 zurückgegangen. Dra-
atisch ist die Tatsache, dass immer mehr Medizinstu-
enten ihr Studium abbrechen und die mit Staatsexamen
9874 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004
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häufig nicht in der Humanmedizin ärztlich tätig werden.
In den alten Bundesländern können fast jedes zweite
Krankenhaus und in den neuen Bundesländern vier
Fünftel aller Häuser offene Stellen für Ärzte nicht beset-
zen.
Die Arbeitsbedingungen junger Ärztinnen und Ärzte
müssen grundlegend verbessert werden. Dazu gehören
nach dem Verwirrspiel über das Arbeitszeitgesetz klare
Arbeitszeitregelungen. Dazu gehört, dass die Mediziner-
ausbildung noch praxisnäher gestaltet werden muss, dass
es weniger Regulierung und Bürokratie in den Praxen
und den Krankenhäusern geben muss. Mehr als 30 Pro-
zent der durchschnittlichen Arbeitszeit verbringt der
Arzt mit Dokumentation und Verwaltungsarbeit und da-
mit nicht mehr am Patienten.
Praxisnahe Ausbildung, kollegiale ärztliche Arbeit im
Team, eine angemessene Vergütung und Wertschätzung
des ärztlichen Berufs durch die Gesellschaft, das sind
Voraussetzungen, unter denen Ärzte auch in schwierigen
Zeiten bereit sind, sich aufopferungsvoll um ihre Patien-
ten zu kümmern, ohne Rücksicht auf eine 40-Stunden-
Woche, häufig in Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit.
Wertschätzung der Gesellschaft und der Politik? Krimi-
nelle Energie und fehlendes Rechtsbewusstsein wurde
den Ärzten im Schwarzbuch des Gesundheitsministeri-
ums vorgeworfen. Auch wenn Teile des Schwarzbuches
jetzt gelöscht sind, so lässt die Tatsache, dass dieses
Schwarzbuch überhaupt entstehen konnte, darauf schlie-
ßen, dass das Verhältnis von Rot-Grün zur deutschen
Ärzteschaft doch erheblich gestört ist.
Die Ärzte sind es leid, immer dann, wenn die Gesund-
heitspolitik Schwierigkeiten hat, als Abzocker und Profi-
teure des Systems hingestellt zu werden. Das gibt es
noch, das Berufsethos der Ärzte, die in erster Linie an
ihre Patienten und erst in zweiter Linie an ihr eigenes
materielles Wohlergehen denken. Wenn dies nicht so
wäre, dann hätten die jungen Ärzte im Praktikum, denen
wir heute helfen, nicht so engagiert und klaglos gearbei-
tet.
Petra Selg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Während
der ersten Lesung des Gesetzentwurfs zur Änderung der
Bundesärzteordnung wurde bereits deutlich, dass es über
dessen grundsätzliches Anliegen kaum Meinungsver-
schiedenheiten gibt.
Zum einen geht es darum, mit der Abschaffung der
AiP-Phase die ärztliche Berufslaufbahn attraktiver zu
machen. Rot-Grün tut damit etwas für Nachwuchsge-
winnung im eigenen Land. Zum anderen trägt der Ge-
setzentwurf durch die Umsetzung der EU-Richtlinie zur
Harmonisierung der ärztlichen Berufe bei. So machen
wir es auch Ärztinnen und Ärzten aus anderen EU-Län-
dern leichter, in Deutschland zu arbeiten. Bei den Aus-
schussberatungen kristallisierte sich bei zwei Punkten al-
lerdings Nachbesserungsbedarf heraus. Dies sind die
Stichtagsregelung der AiP-Abschaffung sowie die Fi-
nanzierung der Mehrkosten.
Zuerst zur Stichtagsregelung: Der Gesetzentwurf der
Bundesregierung sieht vor, dass nur die Studenten, die
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ach dem 1. Oktober 2004 ihr drittes Staatsexamen be-
tehen, sofort ihre Vollapprobation erhalten. Sie könnten
ann von den Krankenhäusern sofort als Assistenzärzte
ingestellt werden. Alle diejenigen Studenten jedoch, die
or diesem Datum ihr Studium abschließen, müssten die
iP-Phase noch vollständig ableisten. Um eine finan-
ielle Ungleichbehandlung zu vermeiden, war allerdings
orgesehen, dass diese AiP dieselbe Vergütung wie As-
istenzärzte erhalten. Hintergrund dieser Stichtagsrege-
ung war, dass Mediziner, die vor Oktober 2003 das Stu-
ium aufgenommen haben, die novellierte Ausbildung
icht komplett durchlaufen haben. Und gerade dieses
raxisbezogenere Studium macht ja erst das AiP über-
lüssig.
Mit der Stichtagsregelung wären jedoch Umsetzungs-
robleme verbunden gewesen, die das Anliegen der
undesregierung konterkariert hätten. So ist unklar, wel-
he Auswirkungen dies auf die internen Hierarchien in
en Krankenhäusern oder auf den beruflichen Aufstieg
ätte. In welchem Verhältnis steht ein Mediziner, der be-
eits den AiP ableistet zu einem Assistenzarzt, der frisch
om Studium kommt? Darüber hinaus bestand Anlass zu
er Befürchtung, dass Examenskandidaten womöglich
hre Prüfungen verschieben würden, um auf diese Weise
on der Neuregelung zu profitieren.
Angesichts dieser Problematik einigte sich der Aus-
chuss auf einen von Rot-Grün eingebrachten Ände-
ungsantrag, der die generelle Abschaffung des AiP ab
em l. Oktober 2004 fordert. Durch die Änderung des
esetzentwurfs können auch diejenigen Studenten, die
hr Studium vor dem 1. Oktober abgeschlossen haben, zu
iesem Stichtag die Vollapprobation beantragen. Dabei
pielt keine Rolle, ob sie bereits AiP sind oder nicht. Das
rgument, damit unzulässig in Tarifverträge einzugrei-
en, konnten wir entkräften. So haben wir die Zusage der
ertragsparteien der AiP-Ausbildungsverträge, dass Be-
tandsschutzinteressen der Betroffenen nicht berührt
erden.
Mit der Änderung des Gesetzentwurfes erreichen wir
lso, dass die Absolventen nicht nur finanziell, sondern
uch statusrechtlich gleichgesetzt werden. Mit der zügi-
en und vollständigen Abschaffung der AiP-Phase sen-
en wir ein klares Signal an junge Menschen, dass wir
emüht sind, die Attraktivität des Arztberufes zu stei-
ern.
Der zweite unklare Punkt betraf die Finanzierung der
ehrkosten für die Krankenhäuser. Bereits im GMG
atten wir festgelegt, dass den Krankenhäusern für
ie Bezahlung der neuen Assistenzärzte zusätzliche
00 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Die
inanzierungsoption wurde im Rahmen der öffentlichen
nhörung zwar von den meisten Experten begrüßt, zu-
leich aber als nicht ausreichend empfunden. So sei ein
roßteil der Budgetvereinbarungen bei In-Kraft-Treten
es Gesetzes für das Jahr 2004 bereits abgeschlossen.
m diese Lücke zu schließen, empfiehlt der Ausschuss
egelungen sowohl für das Krankenhausentgeltgesetz
ls auch die Bundespflegesatzverordnung, nach denen es
öglich wird, diese Mehrkosten einmalig rückwirkend
u berücksichtigen. Ich denke, dass wir nun die richtige
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004 9875
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Antwort auf den Handlungsbedarf gefunden haben. Die
Ärztin und der Arzt im Praktikum, die ja immer auch Sy-
nonym waren für die billige Arbeitskraft im Kranken-
haus, werden ab Oktober der Vergangenheit angehören.
Und für die Finanzierungsprobleme haben wir ebenfalls
eine gute Regelung gefunden. Es ist ja im Übrigen – so
viel zum Abschluss – auch erfreulich, dass sich einmal
alle Fraktionen über etwas wirklich einig sind.
Detlef Parr (FDP): Wir alle atmen mit den Betroffe-
nen. Der AiP ist abgeschafft, auch mit ausdrücklicher
Unterstützung meiner Fraktion. So ist ein erster Schritt
getan, die Arbeitsbedingungen junger Ärzte zu verbes-
sern. Die FDP begrüßt, dass die Stichtagsregelung ge-
strichen wurde und der AiP nun am 1. Oktober 2004 der
Vergangenheit angehören wird. Dies gibt den jungen an-
gehenden Medizinern Planungssicherheit. Aber es wer-
den noch sehr viel mehr Maßnahmen folgen müssen, um
dem schon bestehenden und noch weiter drohenden Ärz-
temangel zu begegnen und den Arztberuf für junge Men-
schen wieder attraktiver zu machen.
Aktuelle Zahlen sprechen für sich. Der Nachwuchs
bricht weg. Die Zahl der Studienabsolventen ist rückläu-
fig. Die Neuzugänge in den Arztberuf verzeichnen seit
1998 einen Rückgang von rund l5 Prozent. Immer mehr
Junge wandern in andere Berufe oder ins Ausland ab.
Der Anteil der älteren Ärzte steigt dafür kontinuierlich
an, ebenso wie die Zahl derjenigen, die aus Altersgrün-
den aus der ärztlichen Berufstätigkeit ausscheiden. Ver-
sorgungsengpässe haben wir heute schon vor allem in
den neuen Bundesländern.
Als ersten Reparaturschritt fordern wir die Aufhe-
bung der Altersbegrenzung für Vertragsärzte. Dies löst
nicht die Probleme des Nachwuchsmangels, dient aber
der Sicherstellung der medizinischen Versorgung.
Doch viel wichtiger ist es, den jungen Ärzten wieder
Perspektiven zu geben, um im kurativen Berufsfeld zu
bleiben oder auch wieder dahin zurückzukehren. Dies
fängt bei den Arbeitsbedingungen in den Krankenhäu-
sern an, hört aber dort nicht auf. Überstunden und
schlechte Vergütung sind ein harter Berufsstart für junge
Ärzte. Früher haben sie solche Arbeitsbedingungen im
Krankenhaus noch geschluckt, weil sie eine Perspektive
für die Zukunft hatten. Sie hatten als Freiberufler die ei-
gene Praxis im Blick. Einkommen winkten, für die es
sich lohnte, Durststrecken in Kauf zu nehmen. Diese
Perspektive ist ihnen seit Jahren genommen.
Heute stehen die jungen Ärzte vor einer großen Ver-
unsicherung. Die Vergütungsaussicht ist mau, die eigene
Praxis ist in Anbetracht von Versorgungszentren und
ambulanter Versorgung im Krankenhaus in weite Ferne
gerückt. Ein Leben als Angestellter widerspricht dem
ärztlichen Berufsbild als „freier Beruf“. So ist er heute
immer noch in der Bundesärzteordnung definiert. Die
Therapiefreiheit wird zunehmend durch von Kassen ge-
steuerte Versorgungsprogramme eingeschränkt. Und die
Bundesregierung tut alles, den Arztberuf in der Öffent-
lichkeit schlechtzureden. Der Korruptionsbeauftragte
war der Anfang, das unsägliche Schwarzbuch zu
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100 Tage Gesundheitsreform“ war ein trauriges, vor-
äufiges Ende.
Mit solchen Diffamierungen schaden Sie, Frau
chmidt, vor allem den Patienten. Denn Sie treiben wei-
ere Ärzte aus dem System. Da nutzt es auch nicht, das
chwarzbuch in diesen Tagen stillschweigend wieder
urückzuziehen. Der Flurschaden bleibt. Wir sollten alle
ie Bundesärzteordnung ernst nehmen: Heilberufe sind
reie Berufe. Und nur, wenn Sie, liebe Kolleginnen und
ollegen von Rot-Grün, das Staatskorsett in die Requisi-
enkammer verbannen, wird sich der Wachstumsmarkt
esundheit entfalten können.
nlage 5
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Antrags: Den Weg zur Einheit
und Demokratisierung in der Republik Moldau
unterstützen (Tagesordnungspunkt 14)
Marianne Tritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zu-
ächst möchte ich allen beteiligten Kolleginnen und
ollegen danken, dass wir nun einen gemeinsamen An-
rag für die Republik Moldau verabschieden können. Es
st ein gutes Zeichen, dass wir gemeinsam an einem
trang ziehen, um den Weg zur Einheit und Demokrati-
ierung in der Republik Moldau zu unterstützen.
Unsere erste Debatte im Januar hatte es bereits ge-
eigt: Die Unterschiede bei der Beurteilung der Lage in
oldau und den weiteren erforderlichen Schritten zwi-
chen den Fraktionen des Deutschen Bundestages waren
arginal.
Es besteht Einigkeit darüber, dass insbesondere
eutschland sich nicht verstecken muss, wenn wir die
erschiedenen Unterstützungen und Hilfestellungen be-
rachten, die für Moldau auf dem Weg in die Demokratie
eleistet wurden und werden.
Es besteht auch Einigkeit darüber, dass die Regierung
n Moldau nun ihre Bemühungen und Aktivitäten erheb-
ich verstärken muss. Eine Vielzahl von Abkommen und
ereinbarungen mit der OSZE, der EU und dem Europa-
at müssen jetzt von der Regierung Moldaus intensiver
mgesetzt werden. Dies betrifft den weiteren Aufbau
on rechtsstaatlichen und demokratischen Strukturen,
ber auch die Stärkung von gesellschaftlichen und wirt-
chaftlichen Strukturen.
Wir sind uns einig darüber, dass die künftige Ent-
icklung Moldaus ganz entscheidend von der Lösung
er Transnistrien-Frage abhängt. Die Wiederherstellung
er Einheit mit dem seit 1991 abgespaltenen Landesteil
ransnistrien und die Überwindung der Spaltung des
andes ist die entscheidende Grundlage für die Schaf-
ung demokratischer und zivilgesellschaftlicher Struktu-
en. Da muss aber noch sehr viel geschehen. Russland
ird seinen zentralen Beitrag zur Konfliktlösung leisten
üssen. Diese besteht nicht darin, die Republik Moldau
n dauerhafte Abhängigkeit zu bringen, wie durch das in-
wischen gescheiterte russische „Kozak-Memorandum“.
9876 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004
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Eine Lösung des Konfliktes muss unter Wahrung der
territorialen Integrität Moldaus dazu führen, dass Trans-
nistrien sich den internationalen Überwachungsmecha-
nismen nicht mehr entziehen kann. Dazu brauchen wir
die Unterstützung Russlands.
Die Bundesregierung wird deshalb ihre Bemühungen
fortsetzen, in bilateralen Gesprächen mit der russischen
Regierung darauf zu dringen, dass der Wiedervereini-
gungsprozess in Moldau weiter vorankommt.
Die OSZE bleibt weiter aufgerufen, maßgeblich an ei-
ner Lösung mitzuwirken, der sowohl die Führung als
auch die Bevölkerung beider Landesteile zustimmen
können. Deutschland wird in Gesprächen mit Russland
auch auf die Umsetzung der Abzugsverpflichtungen der
russischen Truppen drängen. Weiterhin setzt sich die
Bundesregierung bei der EU-Kommission für die Eröff-
nung einer EU-Delegation in Chisinau ein.
Wir wollen, dass Moldau die Chance nutzt, sich der
Europäischen Union zuzuwenden. Mit unserem gemein-
samen Antrag machen wir deutlich, dass wir unser En-
gagement für die Entwicklung Moldaus weiter verstärken
wollen. Wir wollen zeigen, dass wir sehr an der stärke-
ren Anbindung Moldaus an Europa interessiert sind.
Deutschland wird zusammen mit den europäischen und
internationalen Partnern auf verschiedenen Ebenen mit-
wirken, damit eine gemeinsame Perspektive für Europas
ärmstes Land erarbeitet werden kann.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Elften Geset-
zes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes
(AWG) und der Außenwirtschaftsverordnung
(AWV) (Tagesordnungspunkt 15)
Christian Müller (Zittau) (SPD): Die Bundesregie-
rung hat soeben noch einmal Notwendigkeit und Inhalt
der vorgesehenen Änderung des Außenwirtschaftsgeset-
zes begründet. Eine politische Reaktionsmöglichkeit auf
anstehende Veräußerungen von rüstungspolitisch sensi-
blen Unternehmen, zu denen auch Hersteller von Anla-
gen zu ebenso sensibler Kommunikation gehören, an ge-
bietsfremde Erwerber ist angesichts der jüngeren
Erfahrungen, die sich mit den Stichworten „MTU“ oder
„HDW“ verbinden, offenbar notwendig.
In der Anhörung vom 26. April 2004 wurde dazu sei-
tens des Instituts für Sicherheitsstudien der Europäi-
schen Union hervorgehoben:
Die geplante Neuregelung sichert … Mitsprache
beim Zugriff auf nationale wehrtechnische Kern-
kompetenzen. Letztere sind die Voraussetzung da-
für, deutsche Interessen bei der Entwicklung einer
europäischen Rüstungspolitik einbringen zu kön-
nen. … Das gilt auch hinsichtlich der Rolle der
Bundesrepublik beim Aufbau der ESVP.
Auch wenn industrielle Zusammenschlüsse und
Übernahmen vor allem wirtschaftlich Sinn machen müs-
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en, so sind sie angesichts der besonderen Bedeutung der
ehrtechnischen Industrie per Definition hochpolitisch
nd werden auch im Ausland keinesfalls dem freien
piel marktwirtschaftlicher Kräfte überlassen. Dabei
eht es nicht nur um den Schutz sensibler Technologien,
ondern auch um die industrielle Unterfütterung politi-
cher Bindungen.
Das Recht, Nein … zu sagen, sichert … die Verfü-
gungsgewalt über industrielle Kernkompetenzen.
Dabei kann es in der Regel nicht darum gehen, ge-
plante Übernahmen tatsächlich zu untersagen. Der
Vorteil des Genehmigungsvorbehalts besteht viel-
mehr darin, dass er als Hebel eingesetzt werden
kann, um bestimmte Zusagen zur Versorgungssi-
cherheit durchzusetzen.
In den europäischen Nachbarstaaten wird die Zu-
sage in der Regel erteilt, wenn der Käufer sich etwa
zur Einhaltung bestehender Lieferverträge oder
zum Erhalt bestimmter technologischer Kompeten-
zen verpflichtet. Die Möglichkeit, die Übernahme
gegebenenfalls zu blockieren, verbessert dabei die
Verhandlungsposition der Regierung ganz entschei-
dend.
Zwischenzeitlich hatte ich den Eindruck gewonnen,
ass die deutsche Industrie akzeptiert, dass die Bundes-
epublik mit ihren Partnern in Europa und in Amerika
uf Augenhöhe verhandeln können muss. Lassen Sie
ich hoffen, dass dies auch weiterhin gilt.
In der heutigen Debatte wird behauptet, das vorgese-
en Verfahren sei im Verhältnis zu anderen Ländern zu
estriktiv. Dies trifft wohl nicht den Kern. Angesichts der
n den USA oder Großbritannien vorgesehenen Möglich-
eit, Transaktionen rückwirkend zu untersagen oder gar
ückgängig zu machen, ist dieser offenbar sehr wirksame
echanismus ein Damoklesschwert, das trotz fehlenden
esetzlichen Meldezwanges nicht unterschätzt werden
ollte.
Jedenfalls führen staatliche Regelungen in diesen und
nderen Ländern nicht dazu, dass Fusionen und Ver-
äufe von Anteilen behindert werden. Auch hier bei uns
eht es am Ende darum, einen präventiven Mechanismus
u haben, der im gegebenen Fall zu einem Dialog zwi-
chen Wirtschaft und Behörden führen wird und muss
nd auf den Erhalt von Sicherheit, Technologie und Ar-
eitsplätzen zu richten ist.
Hinsichtlich des Eingriffsverfahrens haben wir zuletzt
lternativ über das vorgesehene Genehmigungsverfahren
n Relation zu einer Meldepflicht mit Verbotsmöglich-
eit intensiv diskutiert. Wenn eine derartige Regelung
uf einen seltenen Ausnahmefall zielt, ist letztendlich
uch die Wirkung beider Verfahren ähnlich. Rechtstech-
isch ist beides möglich, ein Genehmigungsverfahren
iegt allerdings in der Systematik des Außenwirtschafts-
echts und stellt als „Genehmigung“ einen positiven Vor-
ang im Verhältnis zu einem „Verbot“ dar. Abgesehen
avon fiel die dazugehörige Entscheidung letztendlich
ach einem Abwägungsprozess in Bundesregierung und
oalition. Ich selbst hätte mir allerdings auch den ande-
en Weg sehr gut vorstellen können.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004 9877
(A) )
(B) )
Der weiter gefasste Geltungsbereich der gesetzlichen
Änderung – Rüstungsgüter – im Verhältnis zu dem der
AWV – Kriegswaffen – wurde von der Bundesregierung
begründet. Die im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
am Mittwoch festgehaltene Protokollnotiz regelt rechts-
verbindlich im Rahmen einer Gesamtabwägung die not-
wendigen Einschränkungen für Unternehmen, die in ge-
ringem Umfang andere Rüstungsgüter herstellen.
Zitat:
Bei einer möglichen Ausweitung der Genehmi-
gungspflicht des § 52 AWV auf Unternehmen, die
andere Rüstungsgüter als Kriegswaffen herstellen
oder entwickeln, berücksichtigt der Verordnungsge-
ber im Rahmen einer Gesamtabwägung neben der
Bedeutung dieser Wirtschaftsgüter für die nationa-
len Sicherheitsinteressen auch technologisches Ni-
veau sowie ihren Anteil an der Gesamtproduktion
der betroffenen Unternehmen.
Erich G. Fitz (CDU/CSU): Wir diskutieren heute in
zweiter und dritter Lesung über einen Gesetzentwurf,
von dem wir nach der Anhörung vom 26. April glaubten
und glauben konnten, ihn in dieser Form nicht wieder
auf den Tisch zu bekommen. Denn die Anhörung des
Wirtschaftsausschusses hat eindrucksvoll die von der
Union von Beginn an vertretene Position bestätigt, dass
die von der Bundesregierung vorgesehene Einführung
eines Genehmigungsvorbehaltes für den Erwerb von
Rüstungsunternehmen und Unternehmen der Krypto-
wirtschaft durch gebietsfremde Erwerber der falsche
Weg ist.
Die Sachverständigen waren sich nahezu einig, dass
das Ziel der Sicherheitsvorsorge auch durch das mildere
Mittel einer Meldepflicht zu erreichen und die geplante
Maßnahme weder geeignet noch erforderlich noch ange-
messen ist, Schlüsseltechnologien und die Kernfähig-
keiten der deutschen Rüstungswirtschaft zu erhalten.
Eine generelle Genehmigungspflicht wurde zudem als
integrationshemmend und nicht geeignet bezeichnet, die
Rolle Deutschlands als aktiver Partner vor allem beim
Aufbau der europäischen Sicherheits- und Verteidi-
gungspolitik zu fördern.
Unabhängig davon, dass die Union und eine Reihe
von Sachverständigen der Meinung waren, ein solches
Gesetz sei überhaupt nicht nötig, schien es zwischenzeit-
lich auch so – das konnte man jedenfalls den Signalen
von Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion entnehmen –,
dass sich Regierung und Opposition auf eine Melde-
pflicht mit Verbotsvorbehalt einigen könnten. Eine
solche Meldepflicht hätte den Charme gehabt, dass ei-
nerseits die durch einen Genehmigungsvorbehalt ge-
schaffene starke Reglementierung weggefallen wäre,
andererseits aber auch Eingriffsmöglichkeiten seitens
der Bundesregierung im Bedrohungsfall möglich gewe-
sen wären. Irgendwann in der Zeit zwischen der Anhö-
rung und der gestrigen Ausschusssitzung muss die SPD-
Bundestagsfraktion offenbar einen Querschuss vonseiten
des kleineren Koalitionspartners erhalten haben, der den
zum Greifen nahe scheinenden Kompromiss, nämlich
eine Meldepflicht mit Verbotsvorbehalt einzuführen,
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om Tisch gefegt hat. Schade, dass Rot-Grün sich kei-
en Ruck gegeben hat und den Sachargumenten und
mpfehlungen der Sachverständigen nicht gefolgt ist.
Die Union wird den Gesetzentwurf, über den heute
bgestimmt werden soll, aus folgenden Gründen ableh-
en:
Erstens. Die deutschen wehrtechnischen Unterneh-
en sind angesichts des seit 1990 dramatisch ge-
chrumpften nationalen Rüstungsmarktes auf internatio-
ale Kooperationen und Verflechtungen auch über
nternationale Kapitalbeteiligungen angewiesen. Anders
assen sich keine leistungsfähigen wehrtechnischen Ka-
azitäten in Deutschland erhalten. Wir halten dies aber
ur durch verstärkten Rüstungsexport in Kooperation
it unseren europäischen Partnern für möglich. Leider
st dies dank des geplanten Genehmigungsvorbehaltes,
er wie die ohnehin schon vorhandene restriktive deut-
che Rüstungsexportgenehmigungspolitik – inklusive
ndverbleibsklausel – das falsche Signal setzt, nicht so
infach. Wir sind der Auffassung, dass eine behördliche
ontrolle von Unternehmensbeteiligungen weder zur
xistenzsicherung der wehrtechnischen Industrie bei-
rägt noch fehlende Aufträge ersetzt.
Zweitens. Erschwert würden zudem multinationale
nd transatlantische Joint Ventures, was zwangsläufig zu
eschränkungen im Handels- und Investitionsbereich
ührt. Ein Sachverständiger nannte das Gesetz gar eine
ex Antiamericana. Dies schadet der Attraktivität des
ndustriestandortes Deutschland und trägt auch nicht
azu bei, technologische Kompetenzen am Standort
eutschland zu halten.
Drittens. Planwirtschaft hilft der deutschen Rüstungs-
ndustrie nicht weiter. Wohin zu viel Einmischung füh-
en kann, zeigt das Beispiel Frankreich, das etwa in der
ehrtechnik penibel darauf achtet, Kernkompetenzen
ational zu erhalten mit der Folge, dass sowohl im Mari-
ebereich wie auch bei der Heerestechnik Unternehmen
xistieren, die weder wettbewerbsfähig noch rentabel
ind.
Natürlich besteht auch das Ziel der Union darin,
ehrtechnische Kernfähigkeiten in Deutschland zu er-
alten. Die geplante AWG-Änderung ist aber das falsche
nstrument. Was wir stattdessen brauchen, sind verbes-
erte Rahmenbedingungen für die deutsche Rüstungsin-
ustrie und die Förderung von Forschung und Entwick-
ung. Wenn sich die Rahmenbedingungen für die
üstungsindustrie nicht verbessern, kann auch das von
er Bundesregierung geplante Gesetz einen Ausverkauf
er deutschen wehrtechnischen Industrie nicht aufhalten.
ie Situation der Rüstungsindustrie verbessern würde
um Beispiel eine Erhöhung der Forschungsmittel; denn
orschungs- und Entwicklungsmittel entscheiden nicht
uletzt über unsere Partnerschaftsfähigkeit. In Frank-
eich und Großbritannien zielt die militärische For-
chung viel stärker auch auf das Sichern von Ex-
ortchancen. Da haben wir in Deutschland noch großen
achholbedarf.
Viertens. Europäische Lösungen müssen Vorrang vor
ationalen Regelungen haben. Vorrangig muss die
9878 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004
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Schaffung einer europäischen Rüstungsindustrie bzw. ei-
nes europäischen Rüstungsmarktes sein. Dieses Ziel ist
jedoch nicht zuletzt deshalb gefährdet, weil das von der
Bundesregierung vorgesehene Einspruchsrecht bei
Übernahmewünschen von Gebietsfremden, also auch
von Firmen aus EU-Staaten, gelten soll. Wie man gleich-
zeitig betonen kann, das Gesetz richte sich gerade nicht
gegen europäische Kooperationen, bleibt ein Geheimnis
der Regierung.
Wie sehr sich die Schaffung eines europäischen Rüs-
tungsmarktes gerade in Zeiten knapper europäischer
Haushalte lohnen würde, belegt die Studie des britischen
Wirtschaftswissenschaftlers Keith Hartley, wonach ein
liberalisierter Rüstungsmarkt mit einer europäischen Be-
schaffungsagentur helfen könnte, Kosten von bis zu
15 Milliarden Euro im Jahr zu sparen. Wir fordern die
Bundesregierung daher auf, sich verstärkt für den Auf-
bau eines europäischen Rüstungsmarktes einzusetzen
und aktiv in der Arbeitsgruppe zur Gründung der EU-
Rüstungsagentur mitzuwirken. Dort werden Antworten
auf die entscheidenden Herausforderungen der Zukunft
erarbeitet, nämlich Antworten auf die Entwicklung ge-
meinsamer Verteidigungsfähigkeiten, die Rüstungskoo-
peration und Stärkung der industriellen und technologi-
schen Basis in Europa, die Schaffung eines
wettbewerbsfähigen europäischen Marktes für die Ver-
teidigungsindustrie und die Förderung von Forschung
und Entwicklung. Nur EU-Lösungen bieten Europa si-
cherheitspolitische Unabhängigkeit. Deshalb müssen na-
tionale Alleingänge, wie Sie sie wünschen, vermieden
werden.
Wir fordern die Bundesregierung auf, den Gesetzent-
wurf zurückzuziehen, weil dadurch weder die Sicher-
heitsbedürfnisse befriedigt noch die Probleme der
deutschen Rüstungsindustrie gelöst werden können.
Vielmehr nimmt der Staat den verbliebenen Rüstungsun-
ternehmen jeglichen Spielraum, sich in einem globalisie-
renden und von Unternehmenszusammenschlüssen ge-
prägten Umfeld zu positionieren. Im Übrigen setzt das
geplante zusätzliche Genehmigungsverfahren außen-
wirtschaftspolitisch ein Signal, das dem Ziel der von
Rot-Grün verabschiedeten Außenwirtschaftsoffensive
widerspricht. Eine Einigung auf eine Meldepflicht für
ausländische Interessenten wäre eine praktikable Alter-
native gewesen. Schade, dass Rot-Grün so bockbeinig
war.
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Heute wird trotz
aller Verhinderungs- und Verbesserungsversuche der
Opposition eine Änderung des Außenwirtschaftsgeset-
zes, AWG, mit den Stimmen der Regierungskoalition be-
schlossen. Dies stimmt mich sehr ärgerlich und zerstört
meinen Glauben in Ihre Politik vollends. Meine Damen
und Herren, die Bundesregierung legt hier einen völlig
falschen Patriotismus an den Tag und sie ist sich über die
mittel- und langfristigen Konsequenzen ihres Handelns
überhaupt nicht im Klaren.
Im Vorfeld zu diesem Gesetz haben wir eine Anhö-
rung durchgeführt, die so eindeutig zu einem Ergebnis
führte, nämlich einen Genehmigungsvorbehalt nicht ein-
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uführen, wie nur selten eine Anhörung dies zutage
ringt. Dabei waren es nicht nur die betroffenen Kreise,
llen voran der BDI, sondern auch unabhängige, neutrale
achverständige, die Ihr Gesetzvorhaben verurteilten.
Nun haben Sie uns gestern im Ausschuss erklärt, ähn-
ich wie bei den Exportgenehmigungen müsse nun auch
m AWG ein Genehmigungsvorbehalt enthalten sein.
er alles entscheidende Grund dafür sei die Rechtssyste-
atik. Wenn Sie dies einem Unternehmer erzählen, der
or der Entscheidung steht, eine Beteiligung einzugehen
der ansonsten sein Geschäft aufzugeben, dann passen
ie auf, dass man Sie nicht für verrückt erklärt. Rechts-
ystematik ist wichtig, aber Sie entscheiden hier letzt-
ndlich über Gesetze, die direkte Nachteile für die Wirt-
chaft bedeuten. Dies verdeutlicht für mich Ihr völlig
erfehltes Gespür für wirtschaftliche Zusammenhänge.
ass Sie uns dann trotzdem überzeugen wollen, Ihr Han-
eln diene Sicherheits- und Verteidigungsinteressen und
ie bezweckten, wehrtechnische Spitzentechnologie im
ande zu halten, wirkt nur noch wenig glaubwürdig.
Ein weiteres Problem wird die Reichweite des rot-
rünen Gesetzesentwurfes sein. Es ist zum jetzigen Zeit-
unkt nicht auszuschließen, dass Zulieferbetriebe und zi-
ile Unternehmen, die in geringem Umfang militärisch
utzbare Produkte herstellen, dem Genehmigungsvorbe-
alt unterliegen werden. Für das Thema „Dual Use“ for-
ere ich Sie zu noch größerer Klarheit auf.
Ihre Rüstungspolitik ist auch vom Grundansatz her
urchweg widersprüchlich. Beim Thema Rüstungsex-
orte reden schon Ihre eigenen Genossen von einer Lo-
kerung der restriktiven Handhabung. Sowohl Herr
rnold als auch Herr Gloser forderten im „Handelsblatt“
m 11. September 2003 eine lockerere Haltung. Es ist
lso nicht nur der Union und dem BDI bewusst, dass die
eutsche Wehrindustrie an der unteren Grenze der Exis-
enzsicherung angekommen ist. Denn Ihre Politik lässt
eutsche Rüstungsfirmen ausbluten.
Dass Sie nun mit der Änderung des AWG unsere Rüs-
ungsindustrie mit einem erneuten Schutzwall umgeben,
ann man nicht mehr nachvollziehen. Die Lage ist näm-
ich schon ernst genug: Sie haben den Verteidigungs-
aushalt derart zusammengekürzt, dass der Posten für
orschung und Entwicklung bald nur noch unter „ferner
iefen“ zu finden ist: 2003 gaben Sie hierfür 220 Millio-
en Euro aus und dieses Jahr stehen gerade einmal
9 Millionen Euro mehr zur Verfügung. Die USA ste-
ken hingegen 62,8 Milliarden Euro in die militärische
orschung und Entwicklung. Die Äußerung des Kolle-
en Arnold im „Handelsblatt“ am 12. Dezember 2003
lingt da wie Hohn: „Die Forschung ist der Schlüssel für
ie Bewahrung der technologischen Fähigkeiten der
üstungsindustrie“. Sie statten die Bundeswehr mit Ma-
erial aus, das Sie bald nur noch in Museen finden wer-
en, und Sie verkünden regelmäßig neue Kürzungspläne
m Verteidigungshaushalt. Wenn man aber derartig Ver-
eidigungspolitik betreibt, ist es kein Wunder, dass die
eutsche Rüstungsindustrie allein mit inländischen Auf-
rägen nicht überlebensfähig ist. Wer sich dann noch da-
über wundert, dass unsere Unternehmen das gefundene
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004 9879
(A) )
(B) )
Fressen für ausländische Firmen sind, der glänzt mit
wirtschaftlicher Naivität.
Ihr Gesetz hält die Hand vor die Augen, die eigentlich
sehen sollten, dass wir in Zeiten zunehmender europäi-
scher Rüstungskooperationen leben. Ihr Genehmigungs-
vorbehalt ist der Deckel auf eine Schwachstelle in der
deutschen Industrie. Sie machen es nur noch schlimmer.
Durch die ohnehin schon restriktive Handhabung des
AWG sind wir im Rüstungssektor bereits jetzt häufig
zweiter Sieger. Mit dieser Regelung nehmen Sie den ver-
bliebenen Rüstungsunternehmen jeglichen Spielraum,
sich in einem globalisierenden und fusionierenden Um-
feld zu positionieren. Stattdessen sollten Sie die deut-
schen Rüstungsunternehmen wettbewerbsfähig machen
und deren strategische Ausrichtung am internationalen
Markt fördern. Doch mit Planwirtschaft und neuen büro-
kratischen Regelungen für die Industrie schlagen Sie den
Sargnagel nur noch tiefer hinein. Was nützt ein Verbot
internationaler Zusammenschlüsse, wenn national nicht
für Ausgleich gesorgt wird? Der einzige Schutz, den die
deutsche Rüstungsindustrie benötigt, ist der Schutz vor
dieser rot-grünen Bundesregierung.
Ich fordere Sie auf, lösen Sie Ihre überholten Moral-
probleme und schauen Sie konstruktiv in die Zukunft.
Dieses Gesetz sollten Sie umgehend zurückziehen, es
schafft lediglich nachteilige nationale Alleingänge.
Schaffen Sie stattdessen einen einheitlichen europäi-
schen Rüstungsmarkt, erhöhen Sie die wehrtechnischen
Investitionen und schaffen Sie Arbeitsplätze durch Teil-
nahme am freien Wettbewerb!
Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wir beschließen heute den Antrag zur Änderung des Au-
ßenwirtschaftsgesetzes. Dabei geht es um die Schaffung
der rechtlichen Voraussetzungen, den Erwerb von natio-
nalen Rüstungsunternehmen zum Schutz unserer we-
sentlichen Sicherheitsinteressen beschränken zu können.
Bisher konnte der Erwerb wesentlicher Anteile unserer
Rüstungsindustrie von ausländischen Firmen selbst in
dem Falle, dass Sicherheitsinteressen gravierend betrof-
fen wären, nicht verhindert werden. Das wird sich nun
ändern.
In der Debatte muss man meines Erachtens zwei
Punkte beachten:
Erstens. Der Bereich der Rüstungsindustrie ist kein
„normaler“ Wirtschaftszweig. Wir können den Handel
mit Kriegswaffen und Rüstungsgütern nicht dem freien
Spiel des Marktes überlassen. Ebenso wenig können wir,
wenn deutsche Sicherheitsinteressen betroffen sind, dem
Verkauf ganzer Rüstungsunternehmen tatenlos zusehen.
Mit dem Hinweis auf Arbeitsplätze und Technologie
fordert die deutsche Industrie von der Bundesregierung
oftmals industriepolitische Entscheidungen – überspitzt
gesagt: „Buy German“ oder „Buy European“. Wenn wir
durch – auch – industriepolitisch motivierte Beschaffun-
gen mit staatlichen Mitteln diesen Bereich unterstützen,
dann erwächst daraus auch eine Verpflichtung anders-
herum. Mit Planwirtschaft oder nationalem Alleingang
haben die neuen Regelungen schon deshalb nichts zu
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un. Wir befinden uns vielmehr in guter internationaler
esellschaft. Die USA, Frankreich, Großbritannien, Ita-
ien – alle haben bereits auf die ein oder andere Art und
eise ihre Industrie vor Übernahmen geschützt. Wir wa-
en die letzte Nation mit bedeutender Rüstungsindustrie,
ie keine Handlungsfähigkeit bei der Kollision wirt-
chaftlicher mit sicherheitspolitischen Interessen besaß.
Dabei wird auch gerne übersehen, dass die Besonder-
eiten dieses Marktes bei weitem nicht immer zum
achteil der deutschen und europäischen Rüstungsin-
ustrie ausfallen. Bei der Beschaffung ist doch die Über-
ebensfähigkeit der deutschen und europäischen Rüs-
ungsindustrie ein Argument, das oft, wenn nicht sogar
ach meiner Meinung zu oft, eine bedeutende Rolle
pielt. Tiger, Eurofighter, Meteor, Iris-T, A 400 M – die
ufzählung lässt sich beliebig verlängern, und niemand
ill behaupten, dass die gewählte Lösung nur aufgrund
ilitärischer Anforderungen oder Wirtschaftlichkeitser-
ägungen zustande gekommen ist.
Zweitens. Manchmal wurde in der Debatte so getan,
ls würde der Verkauf von Unternehmensanteilen in
eutschland generell verboten. Das ist Unsinn. Es geht
ier um einen rechtlichen Hebel, mit dem die Ministe-
ien im Notfall intervenieren können. Eine Entschei-
ung, inwieweit durch die Veräußerung von Unterneh-
ensanteilen nationale Sicherheitsinteressen berührt
ind, ist stark von der jeweiligen Situation abhängig. Die
chwarzmalerei ist unsachlich. Es wird immer um Ein-
elfallentscheidungen gehen.
Europäische Zusammenarbeit und europäische Fusio-
en wird es auch in Zukunft geben. Ich befürworte die
uropäische Zusammenarbeit ebenso wie den weiteren
usbau europäischer Strukturen zu einer gemeinsamen
eschaffungspolitik. Dass demnach bei einer Entschei-
ung über einen Erwerb durch einen europäischen Inves-
or ein anderer Maßstab anzuwenden ist als bei einem
urch einen nicht EU-Investor, versteht sich doch von
elbst. Rot-Grün wird sich auch in Zukunft für eine Stär-
ung der europäisch-koordinierten Rüstungsindustrie
nd Beschaffung einsetzen. Eine europäische Sicher-
eitsstruktur ist ebenso wie die OCCAR ein Baustein in
iese Richtung und wird auch von uns unterstützt. Ich
in auch der Meinung, dass wir eine echte europäische
üstungsagentur benötigen, die Kompetenzen einge-
äumt bekommt, die über reine Koordination hinausge-
en, und unterstütze insofern auch die Forderungen der
ndustrie. Die Definition deutscher Kernfähigkeiten der
üstungsindustrie ist ein weiterer Baustein, der in Zu-
unft die Entscheidung über die Berührung unserer Si-
herheitsinteressen vorhersehbarer macht.
Nach der öffentlichen Anhörung vor dem Wirt-
chaftsausschuss am Montag letzter Woche wurde die
rage diskutiert, ob statt des Genehmigungsvorbehalts
ine Mitteilungspflicht mit Widerrufsvorbehalt für alle
eteiligten besser wäre. Abgesehen davon, dass die Vor-
chläge einzelner Industrievertreter reichlich spät vorge-
egt wurden, lautet die Antwort: nein.
Die betroffene Rüstungsindustrie steht auf dem
tandpunkt, dass eine Mitteilungspflicht die Interessen
er Regierung im selben Maße schützt wie der vorgese-
ene Genehmigungsvorbehalt. Dies ist aber nicht der
9880 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004
(A) )
(B) )
Fall. Die Mitteilungspflicht hätte die Regierung im
Zweifelsfall in eine juristisch unsicherere Situation ge-
bracht. Ich habe vollstes Verständnis, dass die Industrie
versucht hat, den Gesetzesentwurf abzumildern, da sie
jede potentielle Einmischung des Staates in die unter-
nehmerische Freiheit verhindern möchte. Ein umso grö-
ßeres Kompliment ist dafür jenen zu machen, die – im
Gegensatz zur anfänglichen Taktik des BDI – bis zuletzt
versucht hatten, sich konstruktiv einzubringen. Die Koa-
lition musste in dieser Frage aber eindeutig bleiben.
Die entscheidende Frage – da sind wir uns wohl alle
einig – ist, ob ein Unternehmensverkauf tatsächlich un-
sere Sicherheitsinteressen beeinträchtigt. Wenn nein,
wird die Genehmigung auch erteilt werden, wenn ja, darf
die Beschränkung keinen unnötigen juristischen Unwäg-
barkeiten unterworfen sein. Die entscheidende Frage
wird die Genehmigungspraxis sein, nicht die juristische
Konstruktion des Beteiligungsverfahrens.
Auch wenn die Industrie der Meinung ist, die Mit-
teilungspflicht wäre verhältnismäßiger: Schon alleine
durch die Möglichkeit, die Genehmigung unter Auflagen
zu erteilen, würde dem Ministerium ein wichtiges Instru-
ment fehlen, um gerade eine verhältnismäßige Entschei-
dung zu treffen. Die Ansicht, bei einer Mitteilungspflicht
würde man sich im Vorfeld schon einvernehmlich eini-
gen, hat den Reiz, dass sie praktisch vielleicht funktio-
nieren würde. Im Zweifel begeben wir uns aber wieder
in juristisch turbulentes Fahrwasser. In dieser Hinsicht
waren auch die Stellungnahmen durch das BMWA und
AA eindeutig. Wobei auch bei einem Verfahren mit Ge-
nehmigungsvorbehalt den Betroffenen keineswegs ge-
nommen ist, sich auch in Zukunft weiter vorher mit den
Ministerien an einen Tisch zu setzten – hierzu kann ich
nur weiterhin ermutigen. Bundeswehr und deutsch-euro-
päische Rüstungsindustrie werden auch in Zukunft gut
zusammenarbeiten, da bin ich mir sicher.
Gudrun Kopp (FDP): Das grundsätzliche Ziel des
vorliegenden Gesetzes, nämlich wehrtechnische Kernfä-
higkeiten und Kompetenzen in Deutschland zu erhalten,
war im Verlauf der parlamentarischen Beratungen nie
strittig. Im Interesse unserer Sicherheit und der damit
verbundenen Arbeitsplätze im Rüstungssektor gab und
gibt es fraktionsübergreifende Übereinstimmung, dass es
hier bestimmter Vorkehrungen bedarf, um zu vermeiden,
dass technologisches Know-how, das häufig nur durch
die Bereitstellung öffentlicher Mittel im Rahmen der
Rüstungsbeschaffung der Streitkräfte erworben werden
konnte, ins Ausland abwandert.
Dass dieser von allen Fraktionen getragene Grund-
satzkonsens von der Bundesregierung nunmehr aufge-
kündigt wurde, ist sehr bedauerlich. Die Bundesregie-
rung hatte im Verlauf der Beratungen den Eindruck
vermittelt, dass sie durchaus zu Änderungen ihres Ge-
setzentwurfs bereit gewesen wäre, um diesen Konsens
zu erhalten. Nicht zuletzt deshalb wurde ja schließlich
auch die Anhörung im Wirtschaftsausschuss durchge-
führt. Dass Ergebnis dieser Anhörung war dabei mehr
als eindeutig:
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Der von der Bundesregierung vorgelegte und dennoch
eute unverändert zu beratende Gesetzentwurf wurde
on den Sachverständigen nahezu einmütig als unzurei-
hend, unverhältnismäßig und nicht zielführend bewer-
et. Deshalb haben wir Liberale Lernbereitschaft seitens
er Bundesregierung vorausgesetzt und erwartet, dass
er Gesetzentwurf überarbeitet würde und insbesondere
ie beiden strittigen Punkte des Genehmigungsvorbehal-
es und des Anwendungsbereiches milder und weniger
ingriffsintensiv ausgestaltet würden. Diese Hoffnung
urde jedoch enttäuscht, was wohl in erster Linie der
ir völlig unverständlichen Haltung der Grünen in die-
er Frage geschuldet ist. Offenkundig bestimmen in der
undesregierung nach der Abdankung von Bundeskanz-
er Schröder als Parteivorsitzenden die Grünen mittler-
eile die Richtlinien der Politik, wie in der Zuwande-
ungsfrage so auch hier.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal kurz
arstellen, welche beiden Punkte im vorliegenden Ge-
etzentwurf von der Fraktion der FDP – und, soweit ich
ehe, auch von der CDU/CSU – im Besonderen kritisiert
erden und den Ausschlag für unsere Ablehnung geben:
nvestitionen ausländischer Investoren in deutsche
ehrtechnikunternehmen werden durch das vorlie-
ende Gesetz unverhältnismäßig erschwert. Die Ausfuhr
echnologischer Industrieprodukte deutscher Unterneh-
en außerhalb des engen Kreises der Produzenten von
riegswaffen wird weiter behindert.
Gegen den ausdrücklichen Rat der Experten hält die
undesregierung an der Einführung eines Genehmi-
ungsvorbehaltes fest und entscheidet sich damit gegen
as weniger eingriffsintensive, aber ebenso wirksame In-
trument der Meldepflicht mit Einspruchsmöglichkeit.
iese Meldepflicht erfüllt in der Praxis den gleichen
weck, schafft weniger Unsicherheit und ist vor allem
ie unbürokratischere Lösung. In der Regel werden sich
usländische Investoren ohnehin um das Wohlwollen der
undesregierung im Falle von Beteiligungen oder gar
bernahmen deutscher Unternehmen bemühen, da die
ffentliche Hand – sprich die Bundeswehr – in den meis-
en Fällen einen maßgeblichen Großkunden derartiger
etriebe darstellt. Insofern liegt es in ihrem ureigensten
nteresse, keine verdeckten oder unfreundlichen Über-
ahmen gegen den Willen der Regierung durchzusetzen.
m Übrigen ist völlig unklar, wie Sie eigentlich bei grö-
eren börsennotierten Unternehmen feststellen wollen
zw. wie diese selbst feststellen können, ob ein ausländi-
cher Investor die Genehmigungsschwelle von 25 Pro-
ent überschritten hat. Deshalb ist der hier von Ihnen
orgesehene Genehmigungsvorbehalt schlicht unsinnig.
Was die Ausweitung des Gesetzes auf Unternehmen,
ie nicht nur reine Kriegswaffen, sondern auch Rüs-
ungsgüter im weiteren Sinne herstellen, angeht, so er-
cheint uns Ihr Beharren auf der ursprünglichen Rege-
ung nachgerade fatal. Es ist völlig unverhältnismäßig,
ass Sie jetzt über die reinen Kriegswaffen hinaus auch
ndere Unternehmen mit einbeziehen. Da hilft uns auch
eine Protokollnotiz aus dem Wirtschaftsausschuss, mit
er Sie die betroffenen Unternehmen beruhigen wollen,
er Verordnungsgeber würde schon eine verträgliche Lö-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004 9881
(A) )
(B) )
sung herbeiführen. Wenn das so klar ist, dann schreiben
Sie es doch in das Gesetz!
Zu unserem Bedauern also müssen wir als FDP-Frak-
tion im Deutschen Bundestag das vorliegende Gesetz ab-
lehnen. Dies ist schade, weil in dieser wirtschafts- und
sicherheitspolitisch sensiblen Frage ein überfraktioneller
Konsens wünschenswert und auch erreichbar gewesen
wäre. Offenkundig aber ist dies am gegenwärtigen Zu-
stand der Koalition gescheitert.
Petra Pau (fraktionslos): Das Außenwirtschafts-
gesetz soll geändert werden. Vereinfacht gesagt, soll der
Verkauf deutscher Rüstungsunternehmen erschwert wer-
den. Ausländische Käufer brauchen künftig eine zusätz-
liche Genehmigung und die deutsche Regierung erhält
ein Vetorecht, wenn eigene Interessen betroffen werden.
Dem kann die PDS grundsätzlich zustimmen, auch wenn
der Teufel wie immer im Detail steckt. Aber da wir ge-
gen Rüstungsexporte sind, sind wir natürlich auch gegen
den Export von Rüstungsexporteuren. Also befürworten
wir alles, was Rüstungsexporte erschweren oder hem-
men könnte.
Eine andere, aber zwingend folgende Frage ist, ob das
modifizierte Gesetz wirklich dazu beiträgt, Rüstungs-
exporte zu beschränken, mehr noch, ob die Beschrän-
kung von Rüstungsexporten mit diesem Gesetz wirklich
beabsichtigt wird. Die großen Rüstungsunternehmen
sind längst internationalisiert. Sie entziehen sich ver-
meintlich deutschen Interessen und liegen auch außer
Reichweite dieses Gesetzes. National kontrolliert wer-
den nur die Heeresausrüster, Teile des Marinesektors
und ein kleiner Teil der Luft- und Raumfahrtindustrie.
Das ist mehr als nichts, aber es wirft die nächste Frage
auf: Warum wird der Begriff „militärische Sicherheit“ so
eng, materiell definiert? Warum umfasst er nicht ebenso
Patente oder Kapazitäten für biologische Waffen? Man
kann doch nicht ernsthaft ständig große Gefahren be-
schwören und, wenn es wirklich ernst wird, den
Schwanz einziehen. Besonders glaubwürdig ist das
nicht. Ich glaube übrigens auch nicht, dass das unterneh-
mensfreundliche Wirtschaftsministerium wirklich ein
guter Feuermelder ist, wenn es darum geht, Unterneh-
mensinteressen zurückzudrängen.
Sie wissen sicher, dass es auch andere Interpretatio-
nen über den Sinn und Zweck dieses Gesetzes gibt.
Demnach geht es nicht darum, Rüstungsexporte wirklich
zu begrenzen. Es geht darum, einen Fuß in der Tür zu
haben, falls sich Rüstungsgrößen an „deutschen Interes-
sen“ vorbei formieren. Das hätte sogar eine innere Lo-
gik. Die EU soll hochgerüstet werden. Das ist Programm
und soll sogar als Pflichtaufgabe in die EU-Verfassung.
Ergo gibt es genügend deutsche Unternehmen, die daran
mitverdienen wollen, und es gibt ein deutsches Interesse,
dabei zu sein. Das ist nicht unser Interesse, nicht das der
PDS. Aber genau diese Annahme lässt der vorliegende
Gesetzentwurf zu.
Das vorliegende Gesetz kann also bestenfalls ein Auf-
takt für weit reichende Veränderungen des Außenwirt-
schafts- und Kriegswaffenkontrollgesetzes sein. Es
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eicht bei weitem nicht, um Versprechen aus den rot-grü-
en Koalitionsvereinbarungen einzulösen. Und es reicht
chon gar nicht, um alle Rüstungsexporte strengen Kon-
rollen zu unterwerfen, sie einzuschränken und letztlich
bzuschaffen.
Dr. Ditmar Staffelt (Parl. Staatssekretär beim Bun-
esminister für Wirtschaft und Arbeit): Mit dem vorlie-
enden Entwurf eines 11. Gesetzes zur Änderung des
ußenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsver-
rdnung verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die
ationalen Sicherheitsinteressen und die internationale
andlungsfähigkeit Deutschlands im Rüstungsbereich
u stärken.
Mit der Einführung der Genehmigungspflicht für den
usländischen Erwerb von deutschen Unternehmen, die
riegswaffen oder Kryptosysteme Herstellen, wird si-
hergestellt, dass eine staatliche Einflussnahme und da-
it eine notwendige politische Reaktionsmöglichkeit
esteht, wenn wesentliche Sicherheitsinteressen oder die
ilitärische Sicherheitsvorsorge beeinträchtigt werden.
urch die Neuregelung werden die sicherheitspoliti-
chen Ziele, insbesondere die sicherheits- und verteidi-
ungspolitische Kooperationsfähigkeit Deutschlands im
G- und NATO- Bereich und die Versorgungssicherheit
er Streitkräfte, gestärkt. Zugleich wird die Koopera-
ionsfähigkeit der deutschen wehrtechnischen Industrie
nterstützt.
Um auf sicherheitspolitischem Terrain international
ine Rolle spielen zu können, muss Deutschland in der
age sein, eigenes wehrtechnisches Potenzial als „Mit-
ift“ einzubringen. Deutschland muss über quantitativ
nd qualitativ hochwertige Rüstungskapazitäten und
echnologische Fähigkeiten verfügen, um als gleichbe-
echtigter Partner an der Gestaltung und Umsetzung ei-
er Rüstungszusammenarbeit im Rahmen der europäi-
chen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mitwirken
u können. Durch einen sonst möglichen Ausverkauf der
eutschen wehrtechnischen Industrie würde der interna-
ionale Stellenwert Deutschlands im militärischen und
icherheitspolitischen Bereich in hohem Maße beein-
rächtigt.
Mit der vorgesehenen Gesetzesänderung werden die
andlungs- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
üstungs- und Kryptoindustrie einerseits und nationale
icherheitsinteressen andererseits ausgewogen berück-
ichtigt. Zudem wird ein Handlungsrahmen geschaffen,
er in vielen anderen Ländern – etwa USA, Frankreich,
roßbritannien und Spanien – bereits geltendes Recht
st. Wir begeben uns in diesem Bereich also lediglich auf
as Niveau der in den befreundeten Ländern – USA,
roßbritannien, Frankreich und Spanien – existierenden
nstrumente.
Es sind folgende Regelungen vorgesehen: Erweite-
ung des Sicherheitsbegriffs im Außenwirtschaftsgesetz
owie Schaffung einer Ermächtigung zur Einführung ei-
es Genehmigungsvorbehalts für die Übernahme von
eutschen Rüstungs- bzw. Kryptounternehmen durch
usländer. Erfasst von der Regelung wird der Erwerb
on in Deutschland ansässigen Unternehmen, die
9882 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004
(A) )
(B) )
Kriegswaffen nach der Kriegswaffenliste oder Güter der
sensitiven Regierungskommunikation – Kryptosysteme –
entwickeln oder herstellen, durch im Ausland ansässige
Unternehmen. Eine Genehmigung ist erforderlich, wenn
das ausländische Unternehmen nach dem Kauf mindes-
tens 25 Prozent der Stimmrechte erhält.
Um den beteiligten Unternehmen schnellstmöglich
Rechtssicherheit zu geben, gilt der Erwerb als geneh-
migt, wenn binnen eines Monats keine anderweitige Ent-
scheidung getroffen wird. Die Genehmigung muss beim
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit beantragt
werden. Das Ministerium entscheidet im Einvernehmen
mit dem Auswärtigen Amt und dem BMVg. Für den
Kryptobereich entscheidet zusätzlich das BMI.
Zum Anwendungsbereich der Genehmigungspflicht
möchte ich Folgendes klarstellen: Die gesetzliche Er-
mächtigungsgrundlage im Außenwirtschaftsgesetz erfasst
auch Unternehmen, die keine Kriegswaffen, sondern
sonstige Rüstungsgüter herstellen. Von dieser weiter ge-
henden Ermächtigungsgrundlage wird in der Ausfüllungs-
vorschrift der Außenwirtschaftsverordnung nur für Unter-
nehmen Gebrauch gemacht, die Kriegswaffen herstellen.
Die weiter gehende Ermächtigungsgrundlage ist erforder-
lich, um in Zukunft gegebenenfalls möglichst rasch durch
eine Änderung der Außenwirtschaftsverordnung auf ver-
änderte sicherheitspolitische Rahmenbedingungen reagie-
ren zu können.
Eine mögliche Erweiterung des Anwendungsbe-
reichs der Genehmigungspflicht wird jedoch nur zielge-
richtet unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeits-
grundsatzes und der Belange der Wirtschaft erfolgen.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit hat hierzu eine
entsprechende Protokollerklärung abgegeben, die neben
den Sicherheitsinteressen auch das technologische Ni-
veau der Produkte und ihren Anteil an der Gesamtpro-
duktion der betroffenen Unternehmen angemessen be-
rücksichtigt. Unternehmen, die Dual-Use-Produkte
herstellen, sind von der Gesetzesänderung nicht betrof-
fen.
Mit dem Entwurf setzt sich die Bundesregierung da-
für ein, eine konkurrenzfähige und starke deutsche Rüs-
tungsindustrie zu erhalten, die den Kern einer eng ver-
netzten europäischen Verteidigungsindustrie zusammen
mit anderen europäischen Partner bilden kann.
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Spam effektiv be-
kämpfen (Tagesordnungspunkt 16)
Ulrich Kelber (SPD): Selten beschäftigt sich der
Deutsche Bundestag mit Themen der Telekommunika-
tion und Informationstechnologie. Viel zu selten ange-
sichts der Wichtigkeit dieser Branchen und dieser Tech-
nologien für unsere Gesellschaft und Wirtschaft.
Mit dem Antrag von CDU/CSU zu Spam steht heute
aber wieder einmal ein Thema aus dem Bereich Tele-
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ommunikation und Informationstechnologie auf der Ta-
esordnung des Deutschen Bundestages.
Spam ist mehr als unerwünschte Werbe-E-Mails.
pam-E-Mails sind oft auch noch Träger von Viren,
ürmern, Dialern und Trojanern. Spam wird zuneh-
end zur Bedrohung für die Wissensgesellschaft.
Deswegen ist Spam zu Recht ein Thema für den
eutschen Bundestag. Da sind wir uns mit CDU/CSU
ls heutigem Antragsteller einig. Die Zahlen beim
hema Spam sind bedrückend, die ungebrochene Dyna-
ik des Problems alarmierend. Waren 2001 weltweit nur
irca 7 Prozent der E-Mails Spam, sind es 2004 schon
ut 50 Prozent. Und für 2006 rechnen Experten damit,
ass wenigstens zweidrittel aller E-Mails weltweit Spam
ind. Die Zahlen für Deutschland sind – wenn überhaupt
nur unmerklich besser.
Gut 20 Prozent aller Spam-E-Mails sind nicht nur läs-
ig, sondern enthalten bereits Viren, Würmer, Trojaner
nd Dialer. Damit werden Millionen PCs und die Da-
eien darauf gefährdet.
Spam wirbt für illegale Inhalte wie zum Beispiel Ket-
enbriefe. Pornographische und andere jugendgefähr-
ende Inhalte werden von den Spammern automatisiert
nd ohne Unterscheidung des Empfängers verschickt,
uch Kinder sehen sie. Spammer verdienen nach Schät-
ungen von Experten schon über 5 Milliarden Euro jähr-
ch mit ihren illegalen Aktivitäten. Manche Massen-
pammer sind längst zu Millionären auf Kosten von
illionen geworden. Alle durch Spam verursachten
osten zusammengerechnet liegen wohl schon bei über
0 Milliarden Euro. Alleine in Europa, und das jährlich.
ber diese dramatischen Zahlen alleine beschreiben das
roblem Spam nur zum Teil. Wie sieht die Praxis an den
Cs aus?
In Unternehmen sinkt die Produktivität durch die
berflutung der E-Mail-Postfächer. Die Dialer, Viren,
ürmer und Trojaner im Spam verseuchen Millionen
Cs im Land. Viele Privatleute und Kleinunternehmen
ind mit den Folgen von Viren- und Würmerbefall Ihrer
Cs durch verseuchte Spam völlig überfordert. Men-
chen mit geringer Nutzung des Internet finden fast nur
och Spam in ihren Postfächern. Viele Spam-Filter sper-
en in der Hitze des Gefechts auch einmal wichtige seri-
se E-Mails.
Und zuletzt, mir aber auch am wichtigsten: Die Kin-
er, deren Medienkompetenz wir auch an den PCs för-
ern wollen, werden mit jugendgefährdenden Inhalten
nd verseuchten Spam überflutet.
Alles das führt zu einem sinkenden Vertrauen in die
lektronischen Medien. Über die Hälfte der Menschen
efürchtet schon, am PC ausspioniert zu werden. Viele
isstrauen zunehmend der Sicherheit elektronischer
ommunikation überhaupt.
Spam ist damit ein direkter Angriff auf die Wissens-
esellschaft, auf E-Learning, E-Business und E-Govern-
ent. Wir müssen diesen Angriff ernst nehmen. Er trifft
itten ins Herz vieler Innovationen unserer Gesell-
chaft.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004 9883
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CDU/CSU und SPD sind sich in der Beschreibung
des Problems einig.
Wir sind uns auch einig, dass Spam ein Thema für
den Deutschen Bundestag und die Deutsche Bundesre-
gierung zu sein hat, aber mit ihrem Antrag heute haben
Sie es sich dann doch ein bisschen zu einfach gemacht,
meine Damen und Herren von der Opposition. Diese
Kritik müssen Sie sich gefallen lassen.
Sie haben nur einen Teil der notwendigen weiteren
Maßnahmen angesprochen, Sie haben sich nicht um die
Umsetzung von Vorschlägen gekümmert, sondern nur ei-
nen allgemeinen Forderungskatalog aufgeschrieben.
Drei ihrer fünf Forderungen sind längst Realität, sie
betreffen die internationale Kooperation und die Zusam-
menarbeit mit der IT-Wirtschaft. Die beiden anderen be-
schreiben durchaus richtige Elemente für weitere gesetz-
liche Maßnahmen, bleiben aber bruchstückhaft.
Wo ist denn ein Gesetzentwurf der Opposition für die
nationalen Maßnahmen, die die Opposition jetzt fordert?
Diese Mühen einer konkreten Umsetzung muss man sich
schon machen, wenn man sich nicht dem Verdacht aus-
setzen will, nur in Schlagzeilen zu denken, statt sich um
die Lösung des Problems zu kümmern.
Deswegen lehnen wir den Antrag von CDU/CSU
heute ab. Wir sind aber bereit zur gemeinsamen Arbeit
an konkreten Verbesserungen, die den Menschen wirk-
lich Hilfe bringen.
Erste Vorschläge sind in der Koalition bereits in der
Beratung. Darauf werde ich noch eingehen.
Die EU-Kommission hat mit der Richtlinie zum Da-
tenschutz bei der elektronischen Kommunikation alle
Mitgliedstaaten aufgefordert, die Rechtswidrigkeit von
Spam gesetzlich klar zu regeln. Bis dahin hatte sich
Rechtswidrigkeit von Spam aus verschiedenen Urteilen
deutscher Gerichte seit den 70er-Jahren ergeben. Jetzt
stellen wir die Definition von Spam auf eine gesetzliche
Grundlage.
Der Aufforderung der EU-Kommission kommt
Deutschland durch die Novelle des Gesetzes gegen den
unlauteren Wettbewerb nach. In Zukunft hat jede Bürge-
rin und jeder Bürger einen Unterlassungsanspruch gegen
Spam, können Unternehmen gegen Wettbewerber vorge-
hen, die Spam nutzen, können Gewinne durch Spam ein-
gezogen werden etc.
Es gibt also schon jetzt durchaus konkrete Schritte ge-
gen Spam in Deutschland von Seiten des Gesetzgebers.
Und auch viele Provider handeln auf der technischen
Ebene gegen Spam.
Die entscheidende Frage für den Deutschen Bundes-
tag als Gesetzgeber ist jetzt: Reichen diese ersten Maß-
nahmen gegen Spam?
Die EU-Kommission hat im Januar alle Mitgliedstaa-
ten aufgefordert, zusätzliche Schritte gegen Spam zu un-
ternehmen. Dabei ist insbesondere auch die Möglichkeit
benannt worden, Spammer mit Bußgeldern zu belegen
oder sogar strafrechtlich zu verfolgen.
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Die Einschätzung, ob weitere gesetzliche Maßnah-
en notwendig sind, sind in der Fachwelt geteilt. Selbst
ie großen Internetprovider in Deutschland streiten sich
n dieser Frage. Innerhalb einer Woche habe ich von
wei solchen Unternehmen genau entgegengesetzte Stel-
ungnahmen erhalten. Das macht es der Politik nicht ge-
ade leichter, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Eines ist klar: Gesetze alleine können gegen die
pam-Flut nichts ausrichten. Sicherlich ist es besonders
ichtig, die technologischen Maßnahmen gegen Spam
u verbessern. Wir erwarten hier von den großen Hard-
arefirmen, den großen Softwarehäusern und den Inter-
etprovidern zügige weitere Aktivitäten.
Sicherlich müssen die E-Mail-Nutzer verantwor-
ungsvoller und informierter mit dem Medium umgehen.
er zum Beispiel seine E-Mail-Adresse für jedes kleine
ewinnspiel hinterlässt, muss sich nachher nicht über
ie Spams an diese E-Mail-Adresse wundern.
Sicherlich müssen vor allem die nationalen Maßnah-
en international besser abgestimmt werden. Für Spams
ibt es keine Grenzen. Die Verfolgung der Spammer darf
lso auch nicht an den Grenzen eines Staates enden.
Aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir auch wei-
ere gesetzliche Schritte gegen Spam benötigen, gerade
uch in Deutschland als einem der großen Telekommu-
ikations- und Informationstechnologiemärkte. Nur wer
ational handelt, kann internationale Kooperationen ein-
ordern.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir vor allem die
assen-Spammer strafrechtlich verfolgen oder zumin-
est mit hohen Bußgeldern konfrontieren müssen. Das
isiko für Spammer muss merklich steigen.
Sie haben Anfang März in den Medien verfolgen kön-
en, dass einige SPD-Abgeordnete deswegen SPD-in-
ern einen konkreten Gesetzentwurf eingebracht haben,
er genau dies regeln soll. Dieser Gesetzesentwurf wird
un zwischen den Berichterstattern und den Arbeits-
ruppen diskutiert. Man muss da gar kein Versteckspiel
etreiben, es gibt noch wichtige Fragen zu klären und es
ibt auch unterschiedliche Ansichten zum Thema!
Einige fragen, ob man nicht zunächst abwarten sollte,
b die Novelle des Gesetzes gegen den unlauteren Wett-
ewerb nicht erfolgreich genug ist in der Bekämpfung
on Spam. Es ist noch nicht klar, wo ein neues Gesetz
echtstechnisch am besten implementiert werden könnte.
Zu Recht wollen einige klären, ob die vorgesehenen
trafen verhältnismäßig sind. Man muss sich fragen las-
en, welche Behörden haben denn das richtige Know-
ow für die Verfolgung der Spammer. Dies und vieles
nderes mehr ist zu bedenken, wenn es zu einem hand-
erklich guten und effektiven Gesetz kommen soll.
Sie sehen, dass ist ein bisschen mehr Arbeit, als ein-
ach nur einen Forderungskatalog in die Debatte einzu-
ringen. Nur solche konkreten Beratungen, nur entspre-
hende konkrete Beschlüsse helfen den Menschen
irklich. Alles andere wäre weiße Salbe gegen eine
kute Bedrohung wie Spam.
9884 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004
(A) )
(B) )
Wie sehen aus Sicht eines Befürworters zusätzlicher
gesetzlicher Regelungen, wie ich es bin, notwendige
Elemente eines solchen Anti-Spam-Gesetzes aus?
Dazu drei Beispiele: Schon der erste Versuch von
Massen-Spam muss zu einer empfindlichen Strafe füh-
ren. Die großen Provider werden helfen, die Massen-
Spammer zu identifizieren. Einige sind uns ja schon
heute bekannt. Internationale Zusammenarbeit wird den
Druck weiter verstärken.
Wer sich durch falsche IP-Adressen und Header ver-
steckt, mit irreführenden Betreff-Zeilen trickst oder
fremde Rechner für Spam nutzt, muss bestraft werden.
Das Sammeln von E-Mail-Adressen durch so genannte
„Ernte-Programme“ oder durch Ausprobieren von Buch-
stabenkombinationen sollte illegal werden. Diese beiden
Methoden wird für kein seriöses Geschäftsmodell benö-
tigt.
Spam ist für die Wissensgesellschaft wie eine Pest-
epedemie. Wir brauchen das Zusammenspiel von verant-
wortungsbewussten Nutzern, aktiver IT-Wirtschaft und
konsequenter Gesetzgebung, um diese Pest einzudäm-
men.
Erste gesetzliche und technische Maßnahmen sind er-
folgt. Ich bin fest davon überzeugt, dass weitere Schritte
des Gesetzgebers notwendig sind, diese sollten im Deut-
schen Bundestag mit großer Mehrheit erfolgen.
Ursula Heinen (CDU/CSU): Seit mehreren Jahren
wachsen die technischen Möglichkeiten zur Kommuni-
kation enorm. Gerade das Internet bietet uns erhebliche
Arbeitsvereinfachungen und Informationsmöglichkeiten
an. Besonders in unserem Beruf wissen wir dies alle zu
schätzen.
Doch gleichzeitig wachsen die Probleme wegen zu-
nehmenden Missbrauchs, Betrügereien etc. an. Im letz-
ten Jahr haben wir uns ausführlich mit den so genannten
Dialern beschäftigt, den Mehrwertdiensterufnummern,
dann mit unerbetener Telefonwerbung, mit der unerbete-
nen Zusendung von sms – ein Thema, das wir im Übri-
gen auch noch einmal beraten müssen! – und nun mit
den unerbeten zugesandten Mails, den Spams. Hunderte
von Spam-Mails erreichen uns tagtäglich. Nach einem
Wochenende sind das auf meiner E-Mail-Adresse mon-
tags morgens fast 80 Prozent.
Und wir müssen feststellen: Es handelt sich für den
Gesetzgeber um eine komplizierte Materie, denn der ra-
sante technische Fortschritt lässt sich kaum in den lang-
wierigen parlamentarischen Prozess einspeisen. Zudem
müsste der Gesetzgeber immer einen Schritt schneller
sein bzw. weiter denken als diejenige, die wie hier beim
Internet betrügen wollen.
An dieser Stelle möchte ich an das Gesetz zur Be-
kämpfung des Missbrauchs mit 0900er- und 0190er-
Nummern erinnern. Wir haben von Anfang an gesagt,
dass eine gesetzliche Vorgabe alle Mehrwertdiensteruf-
nummern erfassen müsste, um nicht eine Gefahr der Ver-
lagerung des Missbrauchs hervorzurufen.
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Dies hat die Bundesregierung ignoriert, mit dem Er-
olg, dass sich unsere Vorhersage bestätigt hat und nun
137er-Nummern und andere die meisten Gefahren für
ie Verbraucher darstellen. Diese Erfahrung sollten wir
ür die Zukunft nutzen.
Wir haben deshalb in unserem Antrag vorgestellt,
elches Maßnahmenbündel wir benötigen, um die Be-
ämpfung von Spams effektiv anzugehen. Wir müssen
ie Regelungen, die mit der Bekämpfung von unlauteren
achenschaften im Zusammenhang stehen, auch im Zu-
ammenhang mit dem Gesetz gegen den Unlauteren
ettbewerb (DWG) sehen, das vor Ostern in zweiter
nd dritter Lesung verabschiedet wurde.
Hier hat man zwar das unverlangte Zusenden von
pams als unzumutbare Belästigung und damit als un-
auteres und verbotenes Wettbewerbsverhalten aufge-
ommen. Dies entspricht auch dem gerade veröffentlich-
en Urteil des BGH – 11. März 2004 Az. I ZR 81/01 –,
er damit die unerwünschte Spam-Werbung der uner-
ünschten Telefon-Werbung gleichgestellt hat. Beides
st aus Sicht der Verbraucher zu begrüßen.
Aus der Unlauterkeit des unerwünschten Spammings
olgt ein Unterlassungsanspruch. Zusätzlich ist ein Ge-
innabschöpfungsanspruch eingeführt worden. Aber
ie sieht es in der Durchsetzung aus?
Die Voraussetzungen des Gewinnabschöpfungsan-
pruchs sind so streng – zulasten einer Vielzahl von Ab-
ehmern –, dass es schwierig werden wird, diesen Ge-
innabschöpfungsanspruch mit Leben zu erfüllen.
Das Problem der Rechtsdurchsetzung fängt aber
eist schon früher an. Denn die Verbraucher, die Privat-
ersonen, werden den möglichen Beklagten gar nicht
usfindig machen können. Denn sehr häufig verstecken
ich die Spammer hinter gefälschten oder nicht existen-
en IP – oder Absenderadressen. Anmerkung: IP bedeu-
et Internetprotokoll, das sind die 9 bis 10-stelligen Zah-
enkombinationen, unter denen jede E-Mail-Adresse
espeichert ist.
Vor diesen Schwierigkeiten stehen Verbraucherver-
ände schon jetzt, wenn sie Unterlassungsklagen aus
echnisch weniger komplizierten Bereichen, beispiels-
eise einem unlauteren Gewinnspiel, durchsetzen wol-
en. Schwierigkeiten schon beim Ausfindigmachen des
bsenders ergeben sich gerade dann, wenn Anbieter aus
em Ausland unlauter agieren.
Die Verbraucher bzw. klagebefugten Verbraucherver-
ände stehen im Ergebnis häufig mit leeren Händen da.
as gute Recht des Verbrauchers ist dann nicht oder nur
it extrem hohen Aufwand – der auch kostet – durch-
etzbar.
Nicht durchgesetztes Recht ist aber wenig wert und
äre schließlich auch für das Internet selbst als Platt-
orm für Handel und Kommunikation schädlich. Das In-
ernet lebt vom Vertrauen der Menschen. Wenn dieses
ertrauen verspielt wird, nimmt ein vielversprechender
irtschaftszweig Schaden.
Weil wir meinen, dass das Internet als Plattform für
irtschaft wie für Verbraucher unvermindert zur Verfü-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004 9885
(A) )
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gung stehen sollte, fordern wir die Bundesregierung zu
folgenden rechtlichen Verbesserungen auf: Die Verwen-
dung nicht existenter oder verfälschter IP- oder Absen-
derangaben soll eine Ordnungswidrigkeit darstellen und
mit Bußgeld bewehrt werden. Dieser Ordnungswidrig-
keitstatbestand soll auch die Beworbenen erfassen. Soll
heißen: Lässt sich der Absender nicht ausfindig machen,
so kann auch der Hersteller des beworbenen Produktes
haftbar gemacht werden.
Wir meinen, dass die Einführung einer Androhung
von Bußgeld dringend notwendig ist, um den Miss-
brauch einzudämmen. Zivilrechtliche Regelungen allein
reichen nicht, dies habe ich gerade ausgeführt. Wir wür-
den uns damit in die Reihe mit Italien, Dänemark oder
Österreich stellen und damit die Front der aktiv gegen
Spam angehenden Länder verstärken.
Diese Regelungen können damit letztlich zu deutlich
mehr Transparenz führen. Denn nur hohe Bußgelder
werden Spammer vom Verfälschen und Verstecken und
damit vom Handeln selbst abhalten können.
Bundesverbraucherministerin Künast ist sonst immer
bestrebt, die Verbraucher vor möglichst vielem zu schüt-
zen. Sie ist auch regelmäßg bestrebt, möglichst viel
Transparenz herbeizuführen. Sie hat deshalb zum Bei-
spiel in der Gentechnik hohe Bußgelder für Verstöße ge-
gen die Kennzeichnungspflich bei Lebensmitteln festge-
legt.
Hier geht es auch um einen Bereich, der für die Ver-
braucher im Alltag von hoher Bedeutung ist. Hier könnte
Frau Künast ihr Initiativrecht endlich einmal nutzen. Die
Verbraucher würden es ihr danken, mehr als manch an-
dere Aktion.
Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Elektronischer
Werbemüll belästigt die Verbraucher und schädigt die
Wirtschaft. Diese Erkenntnis ist nicht neu.
Es sollte klar sein, dass hier Handlungsbedarf besteht:
Die Zahl der unverlangt zugesandten Werbe-E-Mails
wächst derzeit exponentiell. Im Jahr 2000 waren Schät-
zungen zufolge lediglich circa acht Prozent aller Mails
unverlangte Werbe-Mails, Ende 2002 ging man von
40 Prozent aus, derzeit ist mehr als jede zweite Mail
Spam. Täglich sind dies 13 Milliarden Mails. Dies wären
für jeden 13 Milliarden Gründe, gegen dieses Unwesen
vorzugehen. Die Bundesregierung tut nichts.
Dabei wächst der Druck täglich: Die Zahl der ver-
schickten Spam-Mails verdoppelt sich alle 18 Monate.
Inzwischen gibt es sogar Schätzungen, wonach Anfang
2005 bereits bis zu 90 Prozent aller E-Mails Spam sein
werden. Ohne Gegenmaßnahmen würde die Kommuni-
kation via E-Mail gefährdet. Amerikanische Studien be-
legen inzwischen, dass sich das Nutzerverhalten zu än-
dern beginnt: Die Menschen nutzen E-Mails weniger,
weil sie sich von der Werbeflut überrollt fühlen. Der
Müll diskreditiert das Medium.
Mit der Zahl der verschickten Spam-Mails steigen
auch die Schäden bei Unternehmen, Bildungseinrichtun-
gen, gemeinnützigen Organisationen und Behörden.
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pam-Mails erfordern entweder kostenträchtige Ab-
ehrmaßnahmen oder absorbieren die ebenfalls teure
rbeitszeit der Mitarbeiter. Die Zahlen sind erschre-
kend: Die EU-Kommission nimmt für 2002 einen Pro-
uktivitätsverlust von 2,5 Milliarden Euro an. Das sind
,5 Milliarden Euro, die Innovation und Fortschritt feh-
en.
Darüber hinaus schädigen Spammer insbesondere die
nternetserviceprovider, die ihren Kunden jederzeit den
ersand oder Empfang von E-Mails ermöglichen müs-
en. Diese Unternehmen werden durch die Spammer
azu gezwungen, eine Infrastruktur vorzuhalten, die der
elle des elektronischen Mülls gewachsen ist. Sie wer-
en also gezwungen, teure Investitionen vorzunehmen,
m ihren Kunden Botschaften zu übermitteln, die diese
ar nicht haben wollen. Investieren sie aber nicht, ver-
topft Spam ihre Infrastruktur und sie können die Leis-
ungen für ihre Kunden nicht erbringen – und dies nur
egen der Aktivitäten einiger krimineller Spammer.
Die wahrscheinlich gefährlichste Folge aber ist der
erlust der Nutzer in die Vertrauenswürdigkeit des Me-
iums. Es besteht die Gefahr, dass E-Mails nur noch als
erbreiter obskurer Angebote, als Werbung für angeb-
ich erotische Produkte und Dienstleistungen oder als
lattform für die Anbahnung betrügerischer Geschäfte
ahrgenommen werden. Die Folge ist, dass private oder
ienstliche E-Mails in der Masse der Spam-Mails gar
icht mehr wahrgenommen werden. Am Ende dieser
ntwicklung werden wichtige Nachrichten auf anderen
egen als der elektronischen Post verschickt. Dadurch
erlöre die E-Mail als schnelles und preiswertes welt-
eites Kommunikationsmittel – und damit auch als Trei-
er für die Wirtschaft – an Bedeutung. Spam erweist sich
uch unter diesem Aspekt als Hemmschuh der Innova-
ion.
Wirtschaftliche Entwicklung setzt vernünftige Rah-
enbedingungen voraus. Dazu gehört auch ein energi-
ches Vorgehen gegen Spam.
Die Bundesregierung hat die UWG-Novelle leider
icht genutzt, um Spam effektiv zu bekämpfen. Im Ge-
ensatz zu anderen europäischen Ländern hat die Bun-
esregierung bisher keinerlei straf- oder ordnungsrecht-
iche Maßnahmen gegen Spam ergriffen. Sie beschränkt
ich darauf, im UWG Art. 13 der Richtlinie 2002/58/EG
mzusetzen.
Demnach ist die Werbung mittels E-Mail nur in zwei
ällen zulässig: Grundsätzlich muss der Empfänger vor-
er sein Einverständnis erklärt haben. Im Interesse der
flege bestehender Geschäftsbeziehungen dürfen Unter-
ehmen ihre Kunden informieren. Alle anderen Werbe-
-Mails sind unzulässig. Dies ist zu begrüßen.
Weniger erfreulich ist, dass es keine geeignete Sank-
ionsmöglichkeit gibt. BGB und UWG sehen lediglich
ivilrechtliche Maßnahmen wie Schadensersatz, Ge-
innabschöpfung und Klage auf Unterlassung vor.
iese Ansprüche sind bei Spam aber nur theoretisch
urchsetzbar:
Sehr viele kommerzielle Spammer verstecken sich
inter gefälschten oder nicht existenten IP- oder Absen-
eradressen. Sie können in der Regel von Privatleuten
9886 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004
(A) )
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nicht oder nicht mit einem vertretbaren Kostenaufwand
ermittelt werden. Praktische Auswirkungen auf die Be-
kämpfung von Spam hat dies alles nicht.
Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
vertritt die Auffassung, dass es keinen Königsweg bei
der Abwehr von Spam gibt. Sie fordert daher ein Bündel
von Maßnahmen, die zusammen geeignet sind, diesem
Missstand zu begegnen.
Erstens. Wer Werbe-E-Mails mit nicht existenten IP-
oder Absenderangaben oder sonstigen Header-Manipu-
lationen ohne vorherige Einwilligung der Empfänger
verschickt, muss bußgeldpflichtig werden. Wir wollen
nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Gegen Perso-
nen oder Unternehmen, die – aus welchen Gründen auch
immer – mit offenem Visier spammen, müssen wir nicht
das Ordnungswidrigkeitenrecht einsetzen. In diesen Fäl-
len ist der Absender ja erkennbar, sodass die zivilrechtli-
chen Ansprüche nicht ins Leere laufen. Hier reichen die
Regelungen im BGB und UWG aus. Das Ordnungswid-
rigkeitenrecht soll nur gegen diejenigen Spammer einge-
setzt werden, die durch die oben angesprochenen Mani-
pulationen ihre kriminelle Energie zutage treten lassen.
Für eine Qualifikation als Ordnungswidrigkeit
spricht, dass die verfolgende Behörde nicht durch das
Legalitätsprinzip – wie bei Straftaten – verpflichtet ist,
jeder einzelnen Straftat nachzugehen, sondern in eige-
nem Ermessen entscheiden kann, ob und wie sie vorgeht.
Man stelle sich nur vor, die Staatsanwaltschaft müsste
gegen jeden Spammer, der ihr angezeigt wird, erst ein
Verfahren eröffnen und dann in den meisten Fällen wie-
der einstellen. Solch eine kafkaeske Bürokratie wollen
wir nicht.
Die verfolgende Behörde soll selbstständig und ohne
formales Verfahren entscheiden können, gegen wen sie
tätig wird.
Zweitens. Wir fordern, dass auch derjenige, der für
sich durch Spam werben lässt, bußgeldpflichtig wird.
Hier obliegt den Behörden bzw. Gerichten die im Einzel-
fall sicher nicht leichte Unterscheidung zwischen denje-
nigen, die willentlich Spam als Werbemedium nutzen,
deren Erzeugnisse ohne ihren Willen beworben werden,
um das Unternehmen zu diskreditieren. § 8 II UWG
zeigt, dass dies durchaus möglich ist.
Drittens. Die Bundesrepublik muss endlich eine Vor-
reiterrolle bei der Eindämmung von Spam auf internatio-
naler Ebene durch Förderung multilateraler Abkommen
einnehmen. Uns ist völlig klar, dass ein Anti-Spam-Ge-
setz, das sich auf die Bundesrepublik beschränkt, allein
dem weltweiten Spam-Phänomen wenig entgegensetzen
kann. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass auch wir
Teil einer internationalen Koalition gegen Spam werden
müssen. Niemand kann auf internationaler Ebene glaub-
würdig gegen Spam vorgehen, wenn er auf nationaler
Ebene in Tatenlosigkeit verharrt.
Oft wird gesagt, dass man gegen Spam sowieso nichts
machen könne, weil die Werbe-E-Mails aus Ländern kä-
men, die sich bisher nicht als besonders kooperativ er-
wiesen hätten. Dies ist richtig und falsch zugleich. Rich-
tig ist, dass die Mails vorrangig von Servern aus
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estimmten Ländern ausgehen. Falsch ist dagegen die
nnahme, dass sich die Urheber dieser Spam-Mails dort
ufhielten: Mehr als drei Viertel der Urheber halten sich
chätzungen zufolge in den Vereinigten Staaten von
merika auf. Zwei oder drei der 50 größten Spammer
esidieren in der Bundesrepublik. Ebenso unzutreffend
st auch die Vorstellung, man habe es mit einer Unzahl
eltweit tätiger Profi-Spammer zu tun, gegen die ein
ampf von vornherein sinnlos sei: 90 Prozent des welt-
eiten Spams kommen von weniger als 200 Personen.
er Kampf gegen Spam ist ein Kampf, der durch inter-
ationale Übereinkommen erst möglich wird.
Viertens. In Ergänzung des Opportunitätsprinzips for-
ern wir, dass in Zusammenarbeit mit den Internet-Ser-
ice-Providern eine zentrale Melde- und Beschwerde-
telle eingerichtet wird, damit gegen Spam-Attacken
ebündelt und unverzüglich vorgegangen und diese
chnellstmöglich sanktioniert werden können.
Auf diese Weise wird eine effektive Zusammenarbeit
wischen staatlichen Stellen und der interessierten Pri-
atwirtschaft zum Nutzen der Bürger und Unternehmen
tabliert.
Fünftens. Wir fordern ferner, dass die Bundesregie-
ung in Zusammenarbeit mit der IT-Wirtschaft Unter-
ehmen und Verbraucher über den Umgang mit Spam-
ails, Schutzsoftware und Filtertechniken informiert.
ir sind der festen Überzeugung, dass Hilfe zur Selbst-
ilfe eine entscheidende Voraussetzung für den Sieg
ber Spam ist.
Die Erfüllung dieser Forderungen wird uns bei der
ewältigung des Spam-Problems einen großen Schritt
eiterbringen. Mehr staatliche Einmischung lehnen wir
us grundsätzlichen Erwägungen ab: Die grundsätzliche
öglichkeit der freien Kommunikation per E-Mail muss
ewährleistet bleiben; der Versand oder Empfang von E-
ails darf nicht durch Überregulierung erschwert wer-
en. Wir dürfen auch nicht die Innovationskraft der
irtschaft unterschätzen, die diesem Übel auch bald mit
irksamen Gegenmaßnahmen begegnen wird.
Die Politik muss aber auf jeden Fall eines tun – end-
ich anfangen!
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der
ntrag der Union zur Bekämpfung von Spam ist recht-
ich bedenklich und heuchlerisch. Ich bestreite, dass die
nion hier den ernsthaften Willen hat, das Spam-
roblem, das ein zutiefst wirtschaftliches ist, effektiv zu
ekämpfen. Angesichts von Poduktivitätsverlusten al-
ein in den Unternehmen von 11,5 Milliarden US-Dollar
ro Jahr in den USA und der Europäischen Union geht
s hier nicht mehr um Kavaliersdelikte oder lästige Post,
ondern um erhebliche finanzielle Schäden bei Verbrau-
hern und Unternehmen.
Der Antrag der Union empfiehlt nun Maßnahmen, die
nzureichend und rechtlich bedenklich sind. Im Forde-
ungskatalog heißt es unter 2.: ordnungsrechtliche Ver-
ntwortung und Bußgeldpflicht auch für den Beworbe-
en. Diese Forderung ist rechtsstaatlich völlig unhaltbar.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004 9887
(A) )
(B) )
Die Verhängung eines Bußgeldes ist nur zulässig bei ei-
genem Handeln oder bei Verletzung einer Handlungs-
pflicht. Nach dem, was die Union hier fordert, wären
Bußgeldverfahren zulasten von Dritten denkbar. Das
heißt: Unbeteiligte, die ohne ihr Wissen als Anbieter der
beworbenen Ware benannt werden, müssten mit einem
Bußgeld rechnen. Hintergrund ist wohl die nicht von der
Hand zu weisende Vermutung, dass der Beworbene mit
dem Werber in Verbindung steht oder sogar identisch ist,
da anderenfalls das Handeln des Werbers nicht sinnvoll
erscheint.
So einfach und auf der Grundlage reiner Vermutung
können wir aber nicht sanktionieren, auch wenn die
Union dies zur neuen Maxime erheben sollte, siehe Zu-
wanderungsrecht. Die Position der Grünen ist: Im Rah-
men eines rechtsstaatlichen Verfahrens soll die Abschie-
bung in diesen besonderen Fällen und auf der Grundlage
einer tatsachengestützten, gerichtlich überprüfbaren Ge-
fahrenprognose beschleunigt und vereinfacht werden.
Statt einzelne Details herauszuheben und dafür un-
taugliche Lösungen vorzuschlagen brauchen wir einen
Instrumentenmix. Wir brauchen staatliche, gesetzliche
Maßnahmen, die verbesserten technischen Filter der In-
ternetwirtschaft und die Aufklärung der Verbraucher
in Richtung eines sorgsamen Umgangs mit der eige-
nen E-Mail-Adresse. Hier ist immer noch der beste Tipp,
auf keinen Fall auf Spam zu antworten und für private
E-Mails eine gesonderte Adresse zu verwenden.
Unsere UWG-Novelle sieht in § 7 UWG-E ein aus-
drückliches Verbot der unverlangten Zusendung elektro-
nischer Werbebotschaften vor, es sei denn, der Adressat
hat eingewilligt. Das ist das so genannte Opt-in-Verfah-
ren. Außerdem soll die Möglichkeit einer Gewinnab-
schöpfung eingeführt werden, § 10 UWG-E. Damit wird
dem Versender der wirtschaftliche Anreiz für seine
Tätigkeit genommen.
Solange Spam sich lohnt, wird das Problem auch wei-
terhin aktuell bleiben. Die Kosten für das Versenden sind
so minimal, das Spamming ein sicheres Geschäft ist.
Dreh- und Angelpunkt sind dabei Adressen. Die Urheber
von Spams durchforsten Newsgroups, Homepages oder
E-Mail-Verzeichnisse und legen sich Adressdatenbanken
an. EU-Kommissar Erkki Liikanen hat Anfang des Jah-
res berichtet, dass ihm elektronische Versandprogramme
mit 450 Millionen elektronischen Adressen schon für
99 Dollar angeboten wurden.
Nun ist es ungeheuerlich, dass die Union das Opt-in-
Verfahren und die Gewinnabschöpfung, beides effiziente
und unbürokratische Maßnahmen zur Bekämpfung von
Werbe-Spam, im Bundesrat blockieren und mit der For-
derung nach Streichung dieser Maßnahmen morgen den
Vermittlungsausschuss anrufen will. Auch im Telekom-
munikationsgesetz fordern die Unionsländer das Opt-
out-Verfahren bei der Revers-Suche, also der Suche und
damit natürlich der Verwendung für geschäftliche Zwe-
cke von Adressen, die auf Grundlage der Telefonnum-
mer ermittelt werden. Das nenne ich heuchlerisch.
Vielleicht weiß ja auch die eine Hand nicht, was die
andere tut. Aber hier kostspielige straf- und ordnungs-
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echtliche Maßnahmen zu fordern, wenn durch ein euro-
aweit akzeptiertes Opt-in-Verfahren und die Gewinnab-
chöpfung das Problem in seinem wirtschaftlichen Kern
etroffen werden kann, ist mir unverständlich. Das ent-
pricht nicht gerade der Vorstellung einer unbürokrati-
chen und sparsamen Regierungsführung.
Wir wollen aber noch mehr erreichen, nämlich dass
as Versenden von Werbe-Spam als unlautere Wettbe-
erbshandlung nicht nur untersagt, sondern zusätzlich
it einem Bußgeld belegt werden kann, damit auch klar
ird, dass Spam ein schlechtes Geschäft ist. Eine ent-
prechende Ergänzung im Teledienstegesetz wird von
er Bundesregierung derzeit erarbeitet. Wir würden es
ierbei begrüßen, wenn die in Internetangelegenheiten
rfahrene Regulierungsbehörde für Telekommunikation
nd Post hier die Zuständigkeit als Verfolgungsbehörde
rhielte.
Auch der Vorschlag aus der SPD, einen Straftatbe-
tand für kriminelle Verschleierungstechniken wie Än-
erung der Adresszeilen oder die Nutzung fremder Com-
uter für den Spamversand einzuführen, halte ich für
rüfungswürdig. Wichtig ist jedoch vor allem, dass die
rzielten Unrechtsgewinne nicht mehr beim Unterneh-
en verbleiben dürfen und – da stimme ich der Union
usnahmsweise einmal zu – dass wir international koor-
iniert vorgehen; denn das Internet kennt keine Landes-
renzen. Die ersten Schritte auf europäischer Ebene ist
ie Bundesregierung mit der Umsetzung der Daten-
chutz-Richtlinie bereits gegangen.
Gudrun Kopp (FDP): Es steht außer Frage, dass der
egenstand des heutigen Antrags von CDU und CSU
ede Beachtung verdient. Die extreme Zunahme von
pam-Mails via Internet ist in der Tat ein ernstes Pro-
lem. Jeder Abgeordnete dieses Hauses wird dies nach-
ollziehen können, wenn er sich nur einmal jeden Mor-
en den Posteingang seines E-Mail-Accounts ansieht.
ut die Hälfte aller eingehenden Mails enthält Werbung
ür Medikamente, pornographische Produkte oder Ähn-
iches. Dies ist nicht nur meist ärgerlich, es bindet auch
ie wertvolle Zeit unserer Mitarbeiter. Experten gehen
on gut 30 Minuten täglich aufgewendeter Arbeitszeit
ür die Bearbeitung von Spam-Mails aus. Insofern sind
ie Schätzungen, wonach den Unternehmen in der EU
002 allein durch Spam ein Produktivitätsverlust von
,5 Milliarden Euro entstanden ist, durchaus glaubwür-
ig und unterstreichen die Bedeutung des Problems.
Aus diesem Grunde stimme ich auch mit der Pro-
lembeschreibung des vorliegenden Antrags absolut
berein und erkenne an, dass die grundlegende Zielset-
ung richtig und berechtigt ist. Jedoch bezweifle ich, ob
ie hier vorgeschlagenen dirigistischen und bürokrati-
chen Instrumente tauglich und angemessen sind, das
roblem Spam wirklich in den Griff zu bekommen.
Wenn Sie hier, liebe Kollegen und Kolleginnen von
er CDU/CSU-Fraktion die Bundesregierung auffor-
ern, international eine Vorreiterrolle bei der Eindäm-
ung von Spam einzunehmen und insbesondere multila-
erale Abkommen zu fördern, dann finden Sie uns an
hrer Seite. Denn dies ist doch der Kern des Problems.
9888 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004
(A) )
(B) )
Es handelt sich bei Spam um ein Phänomen, das sich
global niederschlägt. Die Verhängung von Bußgeldern
jedoch ist eben darum aber höchst problematisch. Man
kann kein Problem mit internationalem Hintergrund
– und das trifft in diesem Bereich auf 80 bis 90 Prozent
der Fälle zu – mit nationalen Rechtsänderungen bekämp-
fen. Vielmehr ist hier zumindest auf europäische Initiati-
ven hinzuwirken.
Im Besonderen aber kann ich Ihre Forderung nach ei-
ner neuen, zentralen Melde- und Beschwerdestelle nicht
nachvollziehen, und sei diese auch in Kooperation mit
der Wirtschaft beabsichtigt. Wir brauchen in Deutsch-
land sicher keine zusätzlichen Bürokratien, die entspre-
chende Kosten nach sich ziehen.
Wir sind deshalb der Auffassung, dass das Problem
Spam im Wege der Selbstbefassung der Industrie zu lö-
sen ist. Die FDP setzt hierbei insbesondere auf die zu-
sätzliche Installation von Spam-Filtern. Denn letzten En-
des haben wir es mit einem technischen Problem zu tun,
das auch eine technische Lösung erfordert. Es kann nicht
Aufgabe des Staates sein, diese Schwierigkeiten zu be-
seitigen, hier muss die private Wirtschaft technische Lö-
sungen anbieten. Ich verweise in diesem Zusammenhang
nur auf die Arbeit des eco-Forums des Verbandes der
deutschen Internetwirtschaft, das hierzu verschiedene
technische Lösungsansätze diskutiert hat.
Alles in allem also begrüßen wir, dass die Fraktion
der CDU/CSU das Problem Spam mit dem vorliegenden
Antrag thematisiert hat und stimmen auch mit der grund-
sätzlichen Zielsetzung überein. Womit wir jedoch nicht
übereinstimmen, sind die hier angedachten Instrumente.
Wir als Liberale setzen verstärkt auf internationale Ko-
operation und Abstimmung, um der lästigen Spamflut
Herr zu werden. Nationale Lösungen durch Rechtsände-
rungen und die Schaffung weiterer Behörden jedoch leh-
nen wir ab und können deshalb dem vorliegenden An-
trag nicht zustimmen.
Anlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Dritten Ge-
setzes zur Änderung des Tierseuchengesetzes
(Tagesordnungspunkt 18)
Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Mit dem Begriff
„Meilenstein“ sollte man vorsichtig sein – das gebietet
die sprachliche Sorgfalt ebenso wie die politische Red-
lichkeit. Doch im Falle des neuen Tierseuchengesetzes,
über das wir heute beraten, ist dieser Begriff durchaus
nicht fehl am Platze: Wir haben unser nationales Tier-
seuchenrecht auf den aktuellen Stand der Erkenntnis ge-
bracht und die Grundlagen für eine effiziente und umfas-
sende Tierseuchenbekämpfung gelegt.
Ich denke, dass schon überzeugend dargelegt wurde,
welche grundlegenden Defizite des bisher geltenden
Rechts beseitigt worden sind. Wir haben aus den leidvol-
len Erfahrungen vergangener Seuchenzüge wie jenen der
Schweinepest und der Maul- und Klauenseuche unsere
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ehren gezogen und einschlägige EU-Richtlinien in na-
ionales Recht umgesetzt. Um einmal die Dimension
ergangener Seuchenzüge zu illustrieren: Allein in
roßbritannien wurden beim Ausbruch der Maul- und
lauenseuche im Jahre 2001 zehn Millionen Tiere getö-
et.
Das Tierseuchengesetz in seiner bisherigen Form
ielte vor allem auf die Bekämpfung von Erkrankungen
b, die ausschließlich Tiere befallen können. Doch es
ibt verschiedene Krankheiten, die bei Tieren auftreten
nd auch auf Menschen übertragen werden können, die
o genannten Zoonosen. Die Bekämpfung dieser Zoono-
en auch am lebenden Tier hat in den letzten Jahren
eutlich an Bedeutung gewonnen. Dieser Entwicklung
rägt das neue Recht angemessen Rechnung. Um es kurz,
ber nicht verkürzt zu sagen: Das neue Tierseuchenge-
etz dient dem unmittelbaren Schutz der Bevölkerung
or Infektionen wie beispielsweise der Salmonellose.
Als positives Beispiel möchte ich in diesem Zusam-
enhang unseren nördlichen Nachbarn Dänemark an-
ühren: Durch ein umfassendes Überwachungs- und Sa-
ierungsprogramm für Schweine haltende und
erarbeitende Betriebe ist es dort gelungen, die für den
enschen nicht ungefährliche Salmonellose effektiv zu
ekämpfen. Die Zahl der jährlich erkrankten Bürger
onnte durch das nationale Monitoring-Programm von
800 auf 680 gesenkt werden – das entspricht einer Ab-
ahme von mehr als 80 Prozent.
Wir haben die Voraussetzungen geschaffen, Tierseu-
hen im Ausbruchsfall effektiv einzudämmen. Dem
und, den Ländern sowie den Städten und Landkreisen
ird durch das neue Tierseuchenrecht ein umfassendes
nstrumentarium an die Hand gegeben, im begründeten
erdachts- und im akuten Seuchenfalle schnell zu rea-
ieren. Die möglichen Sofortmaßnahmen reichen bis hin
u Eingriffen in elementare Grundrechte wie beispiels-
eise jenes der Freizügigkeit durch ein völliges Verbot
es Personenverkehrs – völlig zu recht, wie ich hier aus-
rücklich betonen möchte. Auch können Transportunter-
ehmen und Schlachthöfe in Zukunft von den Behörden
erpflichtet werden, sich an Maßnahmen zur Seuchenbe-
ämpfung zu beteiligen. Ein behördlich angeordneter
stand-still“ kann zudem bereits dadurch in Kraft treten,
ass er im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht
ird – ein unnötiger Zeitverlust kann also vermieden
erden.
Wie wir alle wissen, machen Tierseuchen nicht vor
renzen halt, dies gilt für Kreise und Bundesländer
benso wie für Staaten. Daher müssen möglichst rasch
ie Voraussetzungen geschaffen werden für ein inte-
riertes Krisenmanagement. Analog zum „klassischen“
atastrophenschutz müssen grenzüberschreitend Pläne
ntwickelt werden, wer im Krisenfalle wann und wo zu-
ammentrifft, müssen Einsatzpläne für Polizei, Feuer-
ehr und Technisches Hilfswerk erarbeitet werden. Der
eu gefasste § 79 des Tierseuchengesetzes sieht vor, dass
ach Maßgabe europäischer Bestimmungen im Seuchen-
alle Bekämpfungszentren gebildet werden, um effizient
eagieren zu können. Das Bundesministerium für Ver-
raucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft wird er-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004 9889
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mächtigt, auf dem Verordnungswege das Nähere zur
Einrichtung dieser Zentren zu regeln. Ich möchte an die-
ser Stelle appellieren, dass man möglichst rasch von die-
ser Ermächtigung Gebrauch macht und so die Grundla-
gen für eine reibungslose Zusammenarbeit im
Krisenfalle schafft.
Planung ist wichtig, doch sie ist nicht alles. Daher
halte ich es für dringend geboten, die entsprechenden
Krisenpläne in umfassenden praktischen Übungen mit
allen Beteiligten zu erproben und zu evaluieren. Solche
Übungen dürfen ebenso wie die Seuchen nicht an Gren-
zen halt machen. Sie müssen, wo es die regionalen Ge-
gebenheiten nahe legen, Kreis-, Länder- und sogar
Staatsgrenzen überschreitend durchgeführt werden. In
meinem Heimatland Niedersachsen hat es bereits im ver-
gangenen Jahr eine zumindest Kreisgrenzen überschrei-
tende Übung gegeben. Ich appelliere an alle Verantwort-
lichen, solche praktische Erprobungen in Zukunft in
vermehrtem Umfang durchzuführen.
Lassen Sie mich abschließend noch eines anmerken:
Die Gefahr der überregionalen Ausbreitung von Tierseu-
chen ließe sich deutlich verringern, wenn Zahl und Um-
fang von Tiertransporten über lange Distanzen deutlich
vermindert würden. Zu meinem größten Bedauern sind
erst vor wenigen Tagen entsprechende Verhandlungen
auf europäischer Ebene gescheitert. Das bringt uns je-
doch nicht davon ab, unsere Forderungen aufrecht zu er-
halten: Wir wollen und werden uns weiterhin dafür ein-
setzen, dass die Transportzeiten EU-weit generell
begrenzt werden. Ferner ist eine obligatorische tierärztli-
che Untersuchung vor Langzeittransporten für uns un-
verzichtbar. Auch bleibt unsere Forderung bestehen,
dass die Exporterstattungen für lebende Tiere EU-weit
abgeschafft werden müssen. All dies wäre ein großer
Fortschritt nicht nur für den Tierschutz, sondern auch für
die internationale Tierseuchenbekämpfung.
Gitta Connemann (CDU/CSU): Von Johann
Wolfgang von Goethe stammt die Feststellung, „Das
Außerordentliche geschieht nicht auf glattem, gewöhnli-
chem Weg.“ Wie wahr, auch heute noch!
Das Außerordentliche ist in diesem Fall die heutige
einstimmige Verabschiedung der Änderung des Tierseu-
chengesetzes. Leider ging auch sie nicht den glatten, ge-
wöhnlichen, also den besten und kürzesten Weg, sondern
wurde von der Bundesregierung auf Umwege geschickt.
Bereits 2001 wurde die Bundesregierung vom Bun-
desrat parteiübergreifend aufgefordert, die Lücken des
Tierseuchenrechts kurzfristig zu schließen. Die Bundes-
regierung reagierte nicht.
Mehrere Mahnungen des Bundesrates folgten. Die
Bundesregierung reagierte nicht.
Daraufhin brachte die CDU/CSU-Fraktion im Juni
2003 einen entsprechenden Antrag in den Deutschen
Bundestag ein. Die Bundesregierung reagierte nicht,
sondern ließ den Antrag mit den Stimmen ihrer Koali-
tionsfraktionen ablehnen.
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Unseren Antrag hatten wir damit begründet, dass ge-
ade bei hoch ansteckenden Tierseuchen das bisherige
ierseuchengesetz keine ausreichende Grundlage für ein
chnelles, länderübergreifendes Handeln bietet. Wir hiel-
en es deshalb unter anderem für notwendig, bei der Be-
ämpfung von Tierseuchen den Viehverkehr bundesweit
inschränken zu können. Der außerlandwirtschaftliche
irtschaftsgüter- und Personenverkehr in Vieh halten-
en Betrieben sowie in Verdachtssperrbezirken, Sperrbe-
irken und Beobachtungsgebieten sollte reglementiert
erden. Wir sahen Bedarf, Reinigungs- und Desinfek-
ionsmaßnahmen an Flug- und Seehäfen sowie im sons-
igen Reiseverkehr anordnen zu können.
Mit ebenjener Begründung möchte die Bundesregie-
ung jetzt das Tierseuchengesetz in ebenjenem Sinne än-
ern und hat dazu im April 2004 den vorliegenden Ge-
etzesentwurf eingebracht. Musste dieser Umweg, dieses
pielchen wirklich sein?
Mir, uns, geht es nicht um die Geltendmachung von
rheberrechten, obwohl das Urhebergesetz für einen so
reisten Fall der Verletzung geistigen Eigentums durch-
us nennenswerte Sanktionen bereithält.
Uns ging und geht es um die Sache. Es ging und geht
arum, eine wirksamere Tierseuchenbekämpfung zu er-
öglichen. Und diese duldete keinen Aufschub und
eine Verzögerung. Durch Ihre offensichtlich parteipoli-
isch getragene Verweigerungshaltung haben Sie aber
ine solche Verzögerung zu verantworten. Dies ist au-
erordentlich bedenklich, denn wie wir alle im letzten
ahr erleben mussten, kann eine Seuche von einem Tag
uf den anderen ausbrechen. Es kann auf Stunden an-
ommen.
Seuchen nehmen keine Rücksicht auf zögerliches Re-
ierungshandeln. Bei Seuchen geht es um mehr als um
olitisches Kalkül. Bei Seuchen geht es um Tiere, Be-
riebe und Existenzen. Wir wissen darum. Wir stellen
ns anders als die Regierungsfraktionen unserer Verant-
ortung. Deshalb werden wir dem vorliegenden Antrag
ustimmen.
Unsere Anstrengungen haben damit schließlich ge-
ruchtet. Mit dem vorliegenden Gesetz werden unsere
orstellungen von einem wirksameren Tierseuchen-
chutz größtenteils umgesetzt. Der erste Schritt ist damit
etan.
Wir hoffen, dass die Damen und Herren von der Re-
ierungskoalition darüber den nächsten notwendigen
chritt nicht vergessen. Dieser besteht darin, sich stärker
ls bisher in Brüssel für eine Politik der vorbeugenden
ierseuchenbekämpfung einzusetzen. Und dazu gehört
wingend eine Änderung der Impfpolitik auf europäi-
cher Ebene. Hier besteht Handlungsbedarf und zwar
etzt. Es darf nicht der hoffentlich nie eintretende
ächste Seuchenausbruch abgewartet werden.
Bislang gilt in Europa das Gebot der Nichtimpfungs-
olitik. Bislang wird also nur reagiert und im Fall eines
euchenausbruchs getötet. Zurzeit heißt das, Seuchenbe-
ämpfung durch Tötung verdächtiger und infizierter
iere. Es sollte aber heißen Seuchenvorbeugung durch
mpfung.
9890 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004
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Diese Forderung des Impfens statt Tötens wird von
der CDU/CSU-Fraktion bereits seit längerem erhoben.
Die wissenschaftlichen Grundlagen dafür sind gegeben.
Die Europäische Kommission hat einen Test zugelas-
sen, mit dem es möglich ist, geimpfte von infizierten
Schweinen zu unterscheiden. Dem Einsatz von Marker-
impfstoffen steht nichts mehr entgegen. Damit gibt es
endlich ein Instrument, die klassische Schweinepest zu
bekämpfen, ohne zu töten.
Zu einer Politik des Impfens statt Tötens gibt es keine
Alternative. Eine Seuchenbekämpfung durch Tötung ist
nicht nur mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen für
die betroffenen Betriebe verbunden. Vielmehr ist sie aus
ethischer Sicht nicht tragbar. Denn Massenkeulungen
bedeuten Leid insbesondere für die betroffenen Tiere.
Das Wohl der Tiere liegt uns am Herzen. Wenn es Ih-
nen genauso geht, dann lassen Sie uns den zweiten
Schritt zusammentun. Kämpfen Sie für eine Änderung
der Impfpolitik und damit für die Tiere.
Dann wird zukünftig der Gesang der Studenten in
Auerbachs Keller wieder seine Berechtigung erhalten –
ich zitiere erneut Goethe „Uns ist ganz kannibalisch
wohl, als wie fünfhundert Säuen.“
Marlene Mortler (CDU/CSU): Heute diskutieren wir
in 2. und 3. Lesung den Gesetzentwurf zur Änderung des
Tierseuchengesetzes.
Zwei erfreuliche Nachrichten vorweg: Erstens. Meine
Rede ist kürzer. Zweitens. Es gibt Zustimmung der
CDU/CSU. Nur muss ich fragen: Hätten wir die vorge-
sehenen Änderungen nicht auch schneller haben kön-
nen? Der Weg bis zur heutigen 2. und 3. Lesung war
wirklich lang!
Denn bereits im Juni 2003 hatten wir einen Antrag
eingebracht, der eine wirksamere Tierseuchenbekämp-
fung ermöglichen sollte. Dieser wurde von den Regie-
rungsfraktionen Anfang Februar dieses Jahres abgelehnt.
Keine acht Tage nach dieser Debatte brachte die Bundes-
regierung dann ihren eigenen Entwurf zur Verschärfung
des Tierseuchengesetzes in das Gesetzgebungsverfahren
ein.
Besser gut kopiert, als schlecht selber gemacht,
könnte man zu Ihrem Gesetzesänderungsentwurf sagen.
Das heißt, Sie haben die wesentlichen Forderungen aus
unserem Antrag aufgenommen. Die Bundesregierung ist
bei diesem Gesetzentwurf also der Opposition und den
unionsgeführten Bundesländern entgegengekommen.
Lassen Sie mich nur drei Punkte hervorheben, die ich
ausdrücklich befürworte: Erstens: die Einschränkung des
Verbringens von Tieren, die selbst nicht empfänglich
sind, aber über deren Verbringen der Erreger verbreitet
werden kann. Dies bedeutet erstens: Bricht in einem Ge-
biet die Geflügelpest aus, kann auch die Verbringung
von Schweinen aus diesem Gebiet eingeschränkt wer-
den.
Zweitens: dass auch bestellte Tiere nicht mehr ver-
bracht werden dürfen. Das heißt, wenn Viehmärkte ver-
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oten werden, wird und muss das auch für bestellte Tiere
elten.
Drittens: die Verhängung eines großräumigen kom-
letten Stillstands, bis geklärt worden ist, wo eingeführte
iere aus betroffenen Mitgliedsstaaten verblieben sind.
Kritisch hinterfragen muss ich allerdings folgende
unkte:
Im Gesetzentwurf wird die Definition von Tierseu-
hen auf Krankheiten erweitert, die von den Tieren auf
en Menschen übertragen werden können, die so ge-
annten Zoonosen. Das Tierseuchengesetz dient in erster
inie der Tierseuchenbekämpfung und nicht der Verhin-
erung der Krankheitsübertragung auf den Menschen.
ird hier nicht zu weit gegriffen? Zoonosen nehmen
war zu, aber hinterfragt man, warum, erkennt man: Die
ründe liegen nicht bei den Tieren, sondern sie treten vor
llem im nachgelagerten Bereich auf. Und Salmonellen
aben gehäuft nach der Urlaubszeit „Saison“.
Das Wissen um den sachgerechten Umgang mit fri-
chen und verarbeiteten Nahrungsmitteln nimmt weiter
b. Auch mangelt es an Hygiene. Das sind Hauptgründe,
arum jährlich über 70 000 Menschen in Deutschland
n Salmonellose erkranken. Deshalb unterstütze ich die
mfangreiche Initiative des DLV, dass Hauswirtschaft
nd Ernährung in den Lehrplänen der allgemeinbilden-
en Schulen verankert werden.
Die EU-Kommission äußert sich folgendermaßen:
Zoonosen sind bekanntlich schwer einzudämmen, da
ine gewisse Anzahl der betreffenden Mikroorganismen
berall vorkommt und nicht leicht aus der Lebensmittel-
ette auszuschließen ist.“
Zum anderen liegen entsprechende Richtlinien zur
berwachung der Zoonosen von europäischer Seite be-
eits vor. Experten meinen, diese würden nicht weit ge-
ug greifen. Und trotzdem stellt sich für mich in diesem
usammenhang die Frage der Verhältnismäßigkeit in
weierlei Hinsicht:
Zum einen: Wie wird die Öffentlichkeit reagieren,
enn Salmonellen der Schweinepest oder MKS im
inne des neuen Gesetzes „gleichgestellt“ sind und dann
omöglich Bestände gekeult und ganze Gebiete zu
perr- und Beobachtungsgebieten erklärt werden? Zum
nderen: Wie stellt sich das Kosten-/Nutzenverhältnis
ar? Mir scheint, dass überhaupt zu wenig danach ge-
ragt wird und das Motto regiert: Jede neue Vorschrift ist
ine gute Vorschrift, koste es, was es wolle.
Um es bezüglich der Kosten deutlich zu sagen: Viele
eutsche Landwirte kämpfen derzeit um ihre Existenz.
ie Erzeugerpreise für Milch sind so niedrig wie 1977.
Eine klare Regelung bezüglich einer zusätzlichen Er-
tattung der Kosten für Desinfektionsmaßnahmen wäre
us meiner Sicht sinnvoll gewesen. Hier haben die Län-
er mehrheitlich leider anders entschieden.
Erfreulich anzumerken bleibt mir noch, dass es im
invernehmen gelungen ist, klarzustellen, dass die Frist
ür den Zeitrahmen zur Antragstellung auf Entschädi-
ung nicht mit dem Datum der Tötungsanordnung, son-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004 9891
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dern mit Datum der ersten Tötung beginnt. In besonders
schlimmen Seuchenfällen wird diese Erleichterung mei-
nes Erachtens jedoch nicht ausreichen.
Wie zu Beginn meiner Rede geäußert, werden wir
trotz einiger Bedenken dem Gesetzentwurf zustimmen.
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Die Gesetzesnovelle, die wir heute Abend ver-
handeln, wird in der Öffentlichkeit wahrscheinlich nur
von wenigen wahrgenommen werden. Aber sie steht in
einem Zusammenhang, der in den vergangenen Jahren
die Landwirtschaft leider immer wieder in den Mittel-
punkt der öffentlichen Diskussion gerückt hat: Immer
dann, wenn Tierseuchen um sich greifen und Bilder von
der Tötung Tausender Tiere durch die Medien gehen,
seien es die englischen Scheiterhaufen während der
Maul- und Klauenseuche oder die Bilder von der Geflü-
gelgrippe in Südostasien mit lebendigem Geflügel in zu-
gebundenen Plastiksäcken, steht die Landwirtschaft lei-
der im Mittelpunkt des medialen Interesses.
Die Gefahr großer Tierseuchen hat vor allem durch
den weltweiten Handel in den vergangenen Jahren stark
zugenommen. Internationale Organisationen wie die
FAO warnen vor der weltweiten Verbreitung gefährli-
cher Tierseuchen. Immer schnellerer Transport, Touris-
mus, grenzenlose Mobilität, offene Grenzen, aber auch
veränderte Klimabedingungen begünstigen die Ausbrei-
tung von Krankheitserregern. Infektionserreger können
heute innerhalb weniger Stunden von einem Kontinent
zum anderen gelangen.
Gefährdet sind nicht nur Schweine-, Rinder- und Hüh-
nerbestände, sondern selbst die Bienen sind neuen Ge-
fahren ausgesetzt. Dieses Beispiel ist schon sehr interes-
sant. So ist der Hauptbienenschädling, die Varroa-Milbe,
nicht bei uns heimisch, sondern eingeschleppt worden.
Die noch größere Gefahr, der Bienenstockkäfer, konnte
bislang offenbar erfolgreich von Europa fern gehalten
werden. Wir haben, vor allem auf Druck der Bundesre-
gierung, seit diesem Jahr ein EU-weites Importverbot für
Bienen, um die Einschleppung des Bienenstockkäfers
über Importbienen zu verhindern.
Das Tierseuchengeschehen der vergangenen Jahre,
angefangen bei der BSE-Krise über die Maul- und Klau-
enseuche in Großbritannien 2001, die Geflügelpest in
Europa 2003 und schließlich die Geflügelgrippe in Süd-
ostasien, stellt uns vor neue Herausforderungen. Wir
müssen einerseits darüber nachdenken, wie wir die Ursa-
chen wirksam bekämpfen, damit aus Tierkrankheiten gar
nicht erst Seuchen werden. Zum Zweiten müssen wir
wirksam die Ausbreitung bremsen und Einschleppung
vermeiden.
Die Agrarpolitik von Rot-Grün hat diese neuen He-
rausforderungen von Anfang an offensiv angepackt, als
andere noch meinten, man könne das eigene Bundesland
einfach für BSE-frei erklären, um vor Seuchen verschont
zu bleiben.
Wir haben heute ein System der Krisenintervention,
das sich, denke ich, sehen lassen kann. Wenn wir an die
Maul- und Klauenseuche, wenn wir an die Geflügelpest
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enken, so haben wir sicher auch viel Glück gehabt, aber
ir haben auch ein Krisenmanagement gehabt, das ef-
ektiv, zuverlässig und schnell arbeitet und eine Ausbrei-
ung in Deutschland verhindert hat.
Die Opposition hat ja immer wieder vergeblich ver-
ucht, den rot-grünen Regierungen, sei es in Düsseldorf
der Berlin, Versäumnisse nachzuweisen. Ich erinnere
ur an das Geschrei, das beim Auftreten der Geflügel-
est in Deutschland gemacht wurde. Dilettantismus hat
err Carstensen von der CDU den Ministerinnen Künast
nd Höhn öffentlich, lauthals und unreflektiert, wie das
eider so seine Art ist, vorgeworfen. Und dann? Ange-
ichts des professionellen Vorgehens der Bundesregie-
ung und der Landesregierung Nordrhein-Westfalen
lieb der CDU/CSU am Ende nichts anderes übrig, als
leinlaut zuzugeben, dass hier besonnen, fachkundig und
rfolgreich die Ausbreitung der Seuche verhindert wurde
nd von Dilettantismus keine Rede sein konnte.
Als es Anfang dieses Jahres scheinbare Unstimmig-
eiten bei BSE-Tests gab, war es besonders die FDP, die
ngetrübt von Sachkenntnis so lange Skandal schrie, bis
ie es endlich auf die erste Seite der „Bild“-Zeitung ge-
chafft hatte. Nur eines ist Ihnen auch mithilfe der knapp
ekleideten Damen von Seite eins nicht gelungen: Der
undesregierung Versäumnisse bei der BSE-Bekämp-
ung nachzuweisen. Der Vorfall hat vielmehr gezeigt,
ass unser Kontrollsystem äußerst zuverlässig arbeitet
nd jegliche Ungenauigkeiten sofort zu Tage fördert.
Die Novelle des Tierseuchengesetzes, die wir heute
eraten, war notwendig. Sie wird die Möglichkeiten der
euchenbekämpfung noch einmal verbessern.
In Zukunft sollen Ermächtigungen ermöglicht werden,
m erstens den Viehverkehr einschränken zu können,
weitens den außerlandwirtschaftlichen Personen- und
ahrzeugverkehr in den betroffenen Gebieten begrenzen
u können, drittens Tiere und von ihnen stammende Er-
eugnisse aus Seuchengebieten zu reglementieren und
iertens Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen an
en Außengrenzen anordnen zu können.
Außerdem wird das Tierseuchengesetz auf die Be-
ämpfung von Zoonosen am lebenden Tier ausgeweitet
nd Schafe und Ziegen werden in die Tierseuchenkasse
inbezogen.
Das sind notwendige Maßnahmen und es ist erfreu-
ich, dass darüber zwischen Bundesregierung, Bundesrat
nd den Fraktionen im Bundestag offenbar Einigkeit be-
teht.
Es ist der Vorteil solcher eher unauffälliger Gesetze,
ass sie sich nicht zum Populismus eignen. Allerdings
äre es schön, wenn die Opposition auch bei zukünfti-
en Seuchenfällen etwas weniger aufgeregt und etwas
ehr an der Sache orientiert mitarbeiten würde, als das
n der Vergangenheit häufig der Fall war. Ich denke, dass
in solcher Umgang vor allem im Interesse der Betroffe-
en wäre, für die solche Situationen äußerst schwierig
ind und die verdient haben, dass wir sie mit parteipoliti-
chem Gezänk verschonen.
9892 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004
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Hans-Michael Goldmann (FDP): Die FDP begrüßt
den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung
des Tierseuchengesetzes. Er behebt einige Probleme, die
sich durch unzureichende Ermächtigungen zur Bekämp-
fung von Tierseuchen ergeben haben. Es ist unser aller
Anliegen den Schutz vor hoch ansteckenden Tierseu-
chen so sicher wie möglich zu machen, um unübersehba-
ren Schaden von der Landwirtschaft fernzuhalten.
Wir freuen uns, dass die Bundesregierung die inhaltli-
chen Anregungen des Bundesrates weitgehend übernom-
men hat. Damit kommen wir zügig zu den notwendigen
Verbesserungen. Insbesondere die Forderung des Bun-
desrates, die sachgerechte Lagerung von Futtermitteln
auch anordnen zu können, ist sehr sinnvoll.
Die FDP-Bundestagsfraktion schließt sich in der
Frage der Forderung des Bundesrates, in Art. 1 Nr. 59,
§ 84 Tierseuchengesetz, zu streichen, grundsätzlich der
Auffassung der Bundesregierung an. In der Tat gilt es,
dem Bundesverfassungsgerichts-Urteil aus dem Jahr
1999 Rechnung zu tragen. Es ist auch nicht einsichtig,
warum Verwaltungsvorschriften, die sich ausschließlich
an Behörden des Bundes richten, mit der Zustimmung
des Bundesrates erlassen werden sollten.
Auch dem Wunsch des Bundesrates, eine Ermächti-
gung zur Beauftragung Dritter zur Durchführung des
Tierseuchengesetzes in das Tierseuchengesetz aufzuneh-
men, kann sich die FDP nicht anschließen. Die Bundes-
regierung hat Recht mit ihrer Feststellung, dass dies in
die Organisationshoheit der Länder eingreifen würde
und dass deshalb eine entsprechende Regelung den Lan-
desparlamenten vorbehalten bleiben sollte. Mir ist nicht
klar, wieso hier auf einmal etwas zentral geregelt werden
soll, für das die Länder zuständig sind.
Wir begrüßen auch, dass der Gesetzentwurf besseren
Schutz lebender Tiere bei der Bekämpfung von auf den
Menschen übertragbaren Tierkrankheiten bietet. Bislang
ist das Tierseuchengesetz zu stark auf den Schutz der
Tierbestände ausgerichtet.
Insgesamt wird es durch das Gesetz deutliche Verbes-
serungen bei hoch ansteckenden Tierseuchen geben, des-
halb stimmt die FDP dem Gesetz zu.
Dr. Gerald Thalheim (Parl. Staatsekretär bei der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft): Nach den bisherigen Erfahrungen im
Zusammenhang mit der Bekämpfung insbesondere hoch-
kontagiöser Tierseuchen haben wir festgestellt, dass das
Tierseuchengesetz nicht unter allen Gesichtspunkten aus-
reichende Ermächtigungen zum Erlass der notwendigen
Maßregeln beinhaltet. Insbesondere fehlen Ermächtigun-
gen, um den Viehverkehr unter bestimmten Vorausset-
zungen und für eine bestimmte Zeit bundesweit zu regle-
mentieren, den außerlandwirtschaftlichen Personen- und
Fahrzeugverkehr in Vieh haltenden Betrieben sowie in
Verdachtssperrbezirken, Sperrbezirken und Beobach-
tungsgebieten zu reglementieren, Tiere vorsorglich, auch
wenn sie als Seuchenüberträger fungieren, töten zu kön-
nen, Tiere und von ihnen stammende Erzeugnisse, die
während der Inkubationszeit aus Ländern verbracht oder
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ingeführt worden sind, in denen zum Beispiel Maul-
nd Klauenseuche (MKS) aufgetreten ist, zu reglemen-
ieren und Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen an
en Außengrenzen der Bundesrepublik Deutschland, an
lug- und Schiffshäfen sowie bei bestimmten Fahrzeu-
en (Tierkörperbeseitigungsanstalten-Fahrzeuge, Futter-
itteltransportfahrzeuge, Milchfahrzeuge) anordnen zu
önnen.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung Änderungs-
edarf gesehen im Hinblick auf die Bekämpfung von bei
ieren auftretenden und auf den Menschen übertragba-
en Krankheiten, den Zoonosen.
Daher hat die Bundesregierung den Entwurf eines
ritten Gesetzes zur Änderung des Tierseuchengesetzes
ingebracht.
Mit dem Änderungsgesetz werden unter anderem
echtsgrundlagen für ein „stand-still“ – bezogen auf ein
and oder bezogen auf die gesamte Bundesrepublik –
eschaffen. Darüber hinaus will die Bundesregierung die
echtliche Grundlage schaffen, um Tötungen empfängli-
her sowie solcher Tiere, die geeignet sind, eine Seuche
u verschleppen, anordnen zu können.
Mit dieser Erweiterung des Tierseuchengesetzes wäre
s auch möglich, „Präventivtötungen“ anzuordnen, wenn
ies erstens zum Schutz gegen die Ausbreitung einer
ierseuche, die ihrer Beschaffenheit nach eine größere
nd allgemeinere Gefahr darstellt, oder zweitens zur Be-
eitigung von Infektionsherden erforderlich ist. Dabei
ann die Tötungsanordnung der zuständigen Behörde
chon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit kein blanker
Automatismus“ sein. Vielmehr hat die Behörde vor Er-
ass einer Tötungsanordnung im Rahmen ihres Ermes-
ens die in Rede stehenden Rechtsgüter (zum Beispiel
uch Tierschutzbelange) gegeneinander abzuwägen.
Im Einzelnen bedeutet das, nach Deutschland ver-
rachte Tiere und Erzeugnisse aus einem Mitgliedstaat
der einem Drittland, in dem eine anzeigepflichtige Tier-
euche aufgetreten ist, zu reglementieren; den Personen-
erkehr, und somit auch Veranstaltungen mit Personen
zum Beispiel Sport- oder Konzertveranstaltungen), die
egebenenfalls zur Seuchenverbreitung beitragen, in be-
timmten Gebieten zu verbieten oder zu beschränken;
einigungs- und Desinfektionsmaßnahmen unter ande-
em auch an Flughäfen oder Schiffshäfen durchführen zu
önnen.
Als Veröffentlichungsmedium ist der elektronische
undesanzeiger neu vorgesehen. Eine Veröffentlichung
ber Rundfunk und Fernsehen, begegnet rechtsstaatli-
hen Bedenken, weil sie die grundgesetzlich vorgesehe-
en Rechtsschutzmöglichkeiten unzulässig einschränkt
nd weil sich zudem die Frage stellt, wer die Gewähr für
ie Richtigkeit der über Rundfunk/Fernsehen verbreite-
en „Anordnung“ übernehmen würde.
Weiterhin – und ich erinnere mich, dass dieser Punkt
n der Sitzung am 12. Februar 2004 etwas scherzhaft dis-
utiert wurde – wird die Umbenennung der bisherigen
undesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere
n „Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinsti-
ut für Tiergesundheit“ gesetzlich verankert. Das Kolle-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004 9893
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gium der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten
der Tiere (BFAV), Hauptsitz Insel Riems, hat in seiner
Sitzung vom 18. November 2002 die Umbenennung ein-
stimmig beschlossen. Die Einrichtung entstand im Jahr
1910, als Friedrich Loeffler seine Forschungsarbeiten an
dem Erregervirus der MKS auf die Insel Riems verlegte,
um Virusverschleppungen zu vermeiden. Es entstand das
weltweit älteste Virusforschungsinstitut. Der heutige
Anstaltsteil auf Riems erhielt 1952 den Namen seines
Gründers, nämlich „Friedrich-Loeffler-lnstitut Riems“.
Nach der Wiedervereinigung wurde das „Friedrich-
Loeffler-Institut Insel Riems“ Bestandteil der BFAV.
Der Namensbestandteil „Friedrich Loeffler“ verkör-
pert sowohl den Fachbereich der Virologie (durch
Loefflers Entdeckung des MKS-Virus), als auch den
Fachbereich der Bakteriologie (Entdeckung des Diph-
therie-Erregers „Klebs-Loeffler Bakterie“). Daneben ist
der Name „Friedrich Loeffler“ auch im internationalen
Bereich eng mit der Tierseuchenforschung verbunden.
Insgesamt wird mit der Änderung des Tierseuchenge-
setzes die Zielrichtung verfolgt, den für die Tierseuchen-
bekämpfung zuständigen Behörden ein Instrumentarium
an die Hand zu geben, das eine effektive Tierseuchenbe-
kämpfung ermöglicht. Das Tierseuchengesetz wird an
die Realitäten des globalen Personen- und Güterverkehrs
angepasst. Mit der Umbenennung des Instituts würdigen
wir die Leistungen der deutschen Virenforschung.
Gleichzeitig erhält das Institut mit dem international be-
kannten und anerkannten Namen Loefflers einen hohen
Identifikationswert.
108. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2004
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8