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    6. Creditreform.: 1
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    Plenarprotokoll 15/100 Abgabe einer Erklärung durch den Bun- deskanzler: Deutschland 2010: Unser Weg zu neuer Stärke Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Ludwig Stiegler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . land braucht Klarheit bei der Ver- kehrsinfrastruktur (Drucksache 15/2603) . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen – zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Mitteilung der Kommission Ausbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes: Neue Formen der Finanzierung interoperabler elektronischer Mautsysteme Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und 8902 A 8912 D 8920 C 8924 B 8925 B 8927 B 8929 B 8934 A 8938 B 8952 D Deutscher B Stenografisc 100. Si Berlin, Donnerstag, I n h a Gratulation zum 60. Geburtstag des Abgeord- neten Wilhelm Josef Sebastian und zum 50. Geburtstag der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benennung der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg) als stellvertretendes Mitglied im Parlamentarischen Beirat für nachhal- tige Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung des Tagesordnungspunktes 7 g . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: 8901 A/D 8901 A 8901 B 8901 D 8901 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . 8940 A 8941 D undestag her Bericht tzung den 25. März 2004 l t : Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laurenz Meyer (Hamm) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: a) Antrag der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Dr. Klaus W. Lippold (Of- fenbach), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Deutsch- 8943 D 8944 C 8946 C 8949 B 8950 B des Rates über die allgemein Einführung und die Interoper bilität elektronischer Mautsy teme in der Gemeinschaft e a- s- II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 – zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Ver- kehrswege durch schwere Nutz- fahrzeuge (Drucksachen 15/1153 Nr. 2.33, 15/1547 Nr. 2.128, 15/2588) . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Renate Blank, Volkmar Uwe Vogel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Planungs- und Finanzie- rungssicherheit für die ICE-Stre- cken ABS/NBS Nürnberg–Erfurt (Verkehrsprojekt „Deutsche Ein- heit“ Nr. 8.1) und Erfurt–Leipzig/ Halle (Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ Nr. 8.2) schaffen (Drucksache 15/2653) . . . . . . . . . . . . . d) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Bericht zum Ausbau der Schie- nenwege 2003 (Drucksache 15/2323) . . . . . . . . . . . . . e) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Straßenbaubericht 2003 (Drucksache 15/2456) . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung eisen- bahnrechtlicher Vorschriften (Drucksache 15/2743) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Sibylle Laurischk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gesamtverkehrskonzept Südbaden – Bündelung von Schiene und Straße im Rheingraben (Drucksache 15/2470) . . . . . . . . . . . . . . . . Eduard Oswald CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . 8953 A 8953 A 8953 B 8953 B 8953 B 8953 C 8953 C 8955 C Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . Albert Schmidt (Ingolstadt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Grund CDU/CSU . . . . . . . . . . . Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Albert Schmidt (Ingolstadt) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . Reinhard Weis (Stendal) SPD . . . . . . . . . . . . Manfred Grund CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Albert Schmidt (Ingolstadt) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . Karin Rehbock-Zureich SPD . . . . . . . . . . . . Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Albert Schmidt (Ingolstadt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Danckert SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Iris Gleicke SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Grund CDU/CSU . . . . . . . . . . . Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Zusatzabkommen vom 15. Oktober 2003 zu dem Ab- kommen vom 4. Oktober 1954 zwi- schen der Bundesrepublik Deutsch- land und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteue- rung auf dem Gebiet der Erbschaft- steuern (Drucksache 15/2721) . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung der im De- zember 2002 vorgenommenen Ände- rungen des Internationalen Überein- kommens von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See und des Internationalen Codes für die Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen (Drucksache 15/2700) . . . . . . . . . . . . . 8958 A 8960 A 8960 B 8963 A 8964 A 8964 C 8964 D 8967 A 8967 B 8968 D 8969 D 8971 B 8971 D 8972 A 8972 C 8973 B 8973 D 8974 C 8976 C 8976 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 III Tagesordnungspunkt 17: a) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Übereinkommen vom 19. August 2002 zwischen den Ver- tragsstaaten des Übereinkommens zur Gründung einer Europäischen Weltraumorganisation und der Eu- ropäischen Weltraumorganisation über den Schutz und den Austausch geheimhaltungsbedürftiger Infor- mationen (Drucksachen 15/2545, 15/2692) . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeit- nehmervertreter in den Aufsichtsrat (Drucksachen 15/2542, 15/2739) . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung: Mit- teilung der Kommission an den Rat Förderung der Privatwirtschaft im Mittelmeerraum (inkl. 13769/03 ADD 1 – Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen: Ausführ- liche Folgenabschätzung) (Drucksachen 15/1948 Nr. 1.40, 15/2204) Tagesordnungspunkt 5: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes über die parla- mentarische Beteiligung bei der Ent- scheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Aus- land (Parlamentsbeteiligungsgesetz) (Drucksache 15/2742) . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Jörg van Essen, Rainer Funke, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Mitwirkung des Deutschen Bundestages bei Aus- landseinsätzen der Bundeswehr (Auslandseinsätzemitwirkungsge- setz) (Drucksache 15/1985) . . . . . . . . . . . . . Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . . . . Dr. Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8976 D 8977 A 8977 B 8977 C 8977 C 8977 D 8979 D 8981 C 8982 A Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Bartels SPD . . . . . . . . . . . . . Ronald Pofalla CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zum Schutz der Bevölke- rung vor schweren Wiederholungsta- ten durch nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsver- wahrung (Drucksache 15/2576) . . . . . . . . . . . . . . . . Ronald Pofalla CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Zeitlmann CDU/CSU . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: a) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: 60. Tagung der Menschenrechts- kommission der Vereinten Natio- nen – eine Chance für die Men- schenrechte (Drucksache 15/2755) . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Hermann Gröhe, Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Rainer Funke, Dr. Werner Hoyer, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der Fraktion der FDP: Stärkung der Menschenrechte in der interna- tionalen Politik – zur 60. Tagung der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen (Drucksache 15/2741) . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Antrag der 8982 C 8983 D 8985 C 8988 A 8989 D 8990 D 8992 B 8992 B 8993 D 8995 C 8996 B 8997 D 8999 B 8999 D 9002 A 9003 A 9003 A IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 Fraktionen der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Stärkung der Menschenrechte in Afghanistan (Drucksachen 15/2168, 15/2740). . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Auschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Rainer Funke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für eine Reform und Stärkung der Menschenrechtskommission (Drucksachen 15/2174, 15/2509). . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Hermann Gröhe, Dr. Egon Jüttner, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der CDU/CSU so- wie der Abgeordneten Rainer Funke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der Fraktion der FDP: Den Frie- densprozess im Sudan unterstützen (Drucksachen 15/2152, 15/2715) . . . . f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Rainer Funke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für die Einhaltung der grund- legenden Menschenrechte und Grundfreiheiten in Guantanamo Bay (Drucksachen 15/2175, 15/2768) . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Für die Einhaltung der grundlegenden Menschenrechte und Grundfreiheiten in Guantanamo Bay (Drucksache 15/2756) . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Hermann Gröhe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Christa Nickels BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) SPD . . . . . . . . . Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9003 B 9003 B 9003 C 9003 C 9003 D 9003 D 9005 C 9007 A 9008 A 9009 A 9010 C Claudia Roth, Menschenrechts- beauftragte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Haibach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Große Anfrage der Abgeordneten Johannes Singhammer, Klaus Hofbauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Klarstellung der Auswir- kungen der EU-Osterweiterung (Drucksache 15/2438) . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Hofbauer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Türk FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainder Steenblock BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Scheuer CDU/CSU . . . . . . . . . . Veronika Bellmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . Jörg Vogelsänger SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn CDU/CSU . . . . . . . . Dr. Michael Fuchs CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Anna Lührmann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kretschmer CDU/CSU . . . . . . . Andreas Scheuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Anna Lührmann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Engelbert Wistuba SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: a) Antrag der Abgeordneten Caren Marks, Christel Humme, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ekin Deligöz, Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Ausbau von Förderungsangeboten für Kinder in vielfältigen Formen als zentraler Beitrag öffentlicher Mitverantwortung für die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kin- dern (Drucksache 15/2580) . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Klaus Haupt, Ina Lenke, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Faire Chancen für jedes Kind – Für eine 9011 B 9012 C 9014 C 9014 C 9016 A 9017 C 9018 D 9019 C 9020 D 9023 A 9023 D 9024 B 9026 A 9026 C 9027 D 9028 B 9028 D 9030 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 V bessere Bildung, Erziehung und Be- treuung von Anfang an (Drucksache 15/2697) . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Ingrid Fischbach, Maria Eichhorn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Ausbau und Förderung der Tagespflege als Form der Kin- derbetreuung in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 15/2651) . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Maria Eichhorn, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Frauen und Männer beim Wiedereinstieg in den Beruf fördern (Drucksache 15/1983) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Mülltrennung vereinfachen – Haushalte entlasten (Drucksache 15/2193) . . . . . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Bierwirth SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tanja Gönner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Antje Vogel-Sperl BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerd Friedrich Bollmann SPD . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Carola Reimann, Walter Schöler, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Antje Hermenau, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Qualitätssicherung des deutschen Forschungssystems (Drucksache 15/2665) . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Helge Braun, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Ressortforschung des Bundes effizienter gestalten und evaluieren (Drucksache 15/1981) . . . . . . . . . . . . . 9030 C 9030 D 9030 D 9031 A 9031 B 9032 B 9033 C 9036 A 9037 B 9038 B 9038 C Tagesordnungspunkt 12: Erste Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Wolfgang Schäuble, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 35 und 87 a) (Drucksache 15/2649) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Gründung einer Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA-Er- richtungsgesetz) (Drucksache 15/2720) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Hermann Gröhe, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU: Die Berliner Afghanistankonferenz – eine neue Chance für mehr Kohärenz und Koordinierung beim Wiederaufbau (Drucksache 15/2578) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Fort- setzung des Engagements der Bundes- regierung für den Wiederaufbau- und Stabilisierungsprozess in Afghanistan (Drucksache 15/2757) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ralf Brauksiepe CDU/CSU . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Detlef Parr, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Initiative des Europäischen Parlaments, des Eu- ropäischen Rates und der UNO zur Förderung des Sports nachhaltig unter- stützen (Drucksache 15/2418) . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 9038 D 9039 A 9039 B 9039 B 9039 C 9041 D 9042 C 9043 A VI Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: 60. Tagung der Menschenrechts- kommission der Vereinten Nationen – eine Chance für die Menschenrechte (Tagesord- nungspunkt 7) Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Ausbau von Förderungsangeboten für Kinder in vielfältigen Formen als zen- traler Beitrag öffentlicher Mitverant- wortung für die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern – Faire Chancen für jedes Kind – Für eine bessere Bildung, Erziehung und Betreuung von Anfang an – Ausbau und Förderung der Tagespflege als Form der Kinderbetreuung in der Bundesrepublik Deutschland – Frauen und Männer beim Wiederein- stieg in den Beruf fördern (Tagesordnungspunkt 9 a und b) Kerstin Griese SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rita Streb-Hesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Caren Marks SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anton Schaaf SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Fischbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Rita Pawelski CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Haupt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Qualitätssicherung des deutschen For- schungssystems – Ressortforschung des Bundes effizien- ter gestalten und evaluieren (Tagesordnungspunkt 11 a und b) Dr. Carola Reimann SPD . . . . . . . . . . . . . . . Helge Braun CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9043 B 9044 A 9046 A 9046 C 9047 C 9049 A 9050 A 9051 A 9052 B 9053 A 9054 B 9055 D Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 35 und 87 a) (Ta- gesordnungspunkt 12) Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . . . . . . Jürgen Herrmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) CDU/CSU . . . . . . Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Gründung einer Bundesanstalt für Immobilienaufga- ben (BImA-Errichtungsgesetz) (Tagesord- nungspunkt 13) Bernhard Brinkmann (Hildesheim) SPD . . . Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . . . . . Antje Hermenau BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Die Berliner Afghanistan-Konferenz – eine neue Chance für mehr Kohärenz und Koordinierung beim Wiederaufbau – Fortsetzung des Engagements der Bun- desregierung für den Wiederaufbau- und Stabilisierungsprozess in Afghanis- tan (Tagesordnungspunkt 14, Zusatztagesord- nungspunkt 5) Detlef Dzembritzki SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Claudia Roth (Augsburg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Leibrecht FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 9058 C 9059 B 9060 A 9060 D 9062 A 9063 B 9064 C 9065 B 9065 D 9066 C 9068 A 9070 A 9071 B 9072 B 9074 D 9075 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 VII Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Initiative des Europäischen Parlaments, des Europäischen Rates und der UNO zur Förderunng des Sports nach- haltig unterstützen (Tagesordnungspunkt 15) Axel Schäfer (Bochum) SPD . . . . . . . . . . . . . Peter Letzgus CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Riegert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9076 A 9078 A 9079 B 9080 B 9081 B 9082 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 8901 (A) (C) (B) (D) 100. Si Berlin, Donnerstag, Beginn: 9
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    1) Anlage 8 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9043 (A) (C) (B) (D) schenrechte allzu oft auf der Strecke bleiben. Das erfah- ren wir aus Afghanistan, aus dem Irak und aus Guanta- Bildung, Erziehung und Betreuung von Kin- dern aggressiven Politik der USA geprägt, bei der die Men- trag öffentlicher Mitverantwortung für die Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: 60. Tagung der Men- schenrechtskommission der Vereinten Natio- nen – eine Chance für die Menschenrechte (Ta- gesordnungspunkt 7) Petra Pau (fraktionslos): Vor eineinhalb Wochen fand in Genf die 60. Sitzung der UN-Menschenrechts- kommission statt. Ich will die Debatte hier aufgreifen und kurz auf die Rede von Bundesaußenminister Fischer eingehen. Ich stimme Ihnen durchaus zu, denn Sie haben betont: Wir können nur dann erfolgreich sein, wenn wir den internationalen Terrorismus mit menschen- rechtlichen Mitteln bekämpfen – nicht ohne oder gar gegen sie. Dies ist eine Frage unserer eigenen Glaubwürdigkeit. Darin stimmt die PDS im Bundestag mit Ihnen, Herr Außenminister, völlig überein. Wir wissen jedoch, dass Sie über Ansprüche und nicht über die Wirklichkeit ge- sprochen haben. Diese wird nicht zuletzt von einer Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Andres, Gerd SPD 25.03.2004 Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 25.03.2004 Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 25.03.2004 Dautzenberg, Leo CDU/CSU 25.03.2004 Hartnagel, Anke SPD 25.03.2004 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 25.03.2004 Löning, Markus FDP 25.03.2004 Riemann-Hanewinckel, Christel SPD 25.03.2004 Simm, Erika SPD 25.03.2004 Spahn, Jens CDU/CSU 25.03.2004 Wolf (Frankfurt), Margareta BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 25.03.2004 Anlagen zum Stenografischen Bericht namo. Es ist auch kein Versehen, dass es auch die USA sind, die sich einer von der UNO eingesetzten Recht- sprechung bei den Menschenrechten entziehen. Herr Fischer, Sie haben das in Ihrer Genfer Rede diplomatisch übersprungen. Ich will das hier nachholen; denn die USA sind mit ihrer aktuellen Politik Teil des Problems. Außenminister Fischer hat sich des Weiteren gegen jedwede Diskriminierung gewandt, „sei es Diskriminie- rung von Kindern, Frauen oder aufgrund von religiöser, ethnischer oder nationaler Zugehörigkeit …“ Auch das ist richtig. Deshalb möchte ich an ein Versprechen von Rot-Grün erinnern: Sie wollten seit langem ein Antidis- krimierungsgesetz verabschieden. Die PDS ist gern be- reit, dabei zu helfen, zumal wir seit der vorigen Wahlpe- riode einen entsprechenden Entwurf parat haben. Ich sage das auch mit Blick auf aktuelle Debatten; sei es die so genannte Kopftuchdebatte oder der anhaltende Streit um ein Zuwanderungsgesetz. Diskriminierungen sind keine Altlasten aus der Dritten Welt: Sie finden auch hier immer wieder geistige Nahrung und sie finden vor allem auch praktisch statt. Herr Außenminister, Sie haben sich gegen spezifische Menschenrechtsverletzungen gewandt, insbesondere ge- gen solche, die Frauen und Kinder betreffen. Man braucht nur die wiederkehrenden Berichte von Amnesty International zu lesen, um zu wissen: Das Leid ist groß. Hierzulande ist aber noch immer nichtstaatliche, geschlechtsspezifische Verfolgung kein anerkannter Asylgrund. Zudem harren noch immer Teile der UN- Kinderrechtskonvention der Ratifizierung durch die Bundesrepublik Deutschland. Sie wissen, wovon ich spreche; denn Bündnis 90/Die Grünen hat das früher selbst beklagt. Ich teile die Erwartungen, die Sie in die Antisemitis- muskonferenz der OSZE Ende April in Berlin setzen. Wir haben erst vor wenigen Monaten hier im Bundestag über den grassierenden Antisemitismus in Deutschland debattiert. Wir alle wissen: Er ist kein deutsches Phäno- men. Umso mehr komme ich aus aktuellem Anlass auf mein Eingangszitat zurück: Der internationale Terrorismus kann nur mit men- schenrechtlichen Mitteln erfolgreich bekämpft wer- den – nicht ohne oder gar gegen sie. Das gilt für alle Regionen und für alle Zeiten. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Ausbau von Förderungsangeboten für Kin- der in vielfältigen Formen als zentraler Bei- 9044 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) – Faire Chancen für jedes Kind – Für eine bessere Bildung, Erziehung und Betreuung von Anfang an – Ausbau und Förderung der Tagespflege als Form der Kinderbetreuung in der Bundes- republik Deutschland – Frauen und Männer beim Wiedereinstieg in den Beruf fördern (Tagesordnungspunkt 9 a bis d) Kerstin Griese (SPD): Heute Morgen habe ich im Radio den Satz gehört: „Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine erschöpfte Frau“. Wir, die Sozialdemo- kratinnen und Sozialdemokraten, meinen: Das soll nicht mehr so sein. Es soll viel mehr erfolgreiche Frauen ge- ben, aber natürlich auch erfolgreiche Männer. Aber hin- ter ihnen soll nicht eine erschöpfte Frau stehen, sondern sie sollen gemeinsam Kinder erziehen und berufstätig sein können. Das ist unsere Vorstellung einer zukunftsfä- higen Gesellschaft: dass Frauen und Männer gleicherma- ßen ihre gute Bildung anwenden, erwerbstätig sein, im Berufsleben erfolgreich sein und selbstverständlich Kin- der haben können; sie sollen beides gut und mit einem guten Gewissen miteinander vereinbaren können. Deshalb sollte es in Zukunft eigentlich heißen: „Hin- ter jeder erfolgreichen Frau steckt eine gute Kinderbe- treuung.“ Eine Umfrage hat ergeben, dass 70 bis 80 Prozent der Frauen, die ein Kind oder mehrere Kinder haben und die deswegen zu Hause bleiben, gerne arbeiten gehen wür- den. Das zeigt uns ganz deutlich: Wir müssen mehr tun, um Frauen zu ermöglichen, mit Kindern berufstätig zu sein. Wir müssen mehr tun, um Männern zu ermögli- chen, mehr Zeit für ihre Kinder zu haben. Ich bin sehr froh, dass es inzwischen einigermaßen Übereinstim- mung darin gibt, dass wir mehr in Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern investieren müssen. Diese Übereinstimmung gibt es zumindest bei den hier vorlie- genden Anträgen. Heute Morgen war allerdings von der Opposition nichts davon zu hören, wie wichtig mehr In- vestitionen für Kinder für die Zukunft unseres Landes sind. Zu häufig wird das Thema ideologisch verbrämt. Immer wieder gibt es gerade bei den Konservativen Vor- urteile gegen Kinderbetreuung. Ich bin sehr dankbar, dass der Bundeskanzler heute Morgen in seiner Regierungserklärung deutlich gemacht hat, welchen zentralen Stellenwert dieses Thema für die Zukunft unseres Landes hat. Ich bin sehr froh, dass er gesagt hat, dass Kinder eigentlich ein Synonym für Zu- kunft und Zuversicht sind, und dass das, was wir in der Regierungskoalition tun, die Zukunftschancen von Kin- dern und Jugendlichen verbessern soll und verbessern wird. Dabei steht – da sind wir uns sicherlich alle einig – das Wohl des Kindes im Mittelpunkt. Längst sind die Zeiten vorbei, wo man einen Blumentopf damit gewin- nen konnte, Kinderbetreuungseinrichtungen zu verteu- feln oder gar von „Rabenmüttern“, die ihre Kinder „ab- geben“ zu sprechen. Das können zum Beispiel unsere französischen Nachbarinnen sowieso nicht verstehen; das Wort „Rabenmutter“ gibt es in anderen Sprachen noch nicht einmal. Wir alle wissen spätestens seit den Studien der OECD, dass Kinderbetreuung vor allem gut ist für die Kinder, dass soziale Integration ermöglicht wird, dass Bildungschancen verbessert werden und dass das auch gut ist für die Eltern. Gerade für die Eltern be- deutet es, dass sie erwerbstätig sein können, dass sie Fa- milie und Berufstätigkeit verbinden können. Die CDU/CSU fordert in ihrem Antrag zum Wieder- einstieg in den Beruf Dinge, die wir eigentlich größten- teils schon längst machen. Das zeigt wieder einmal, wie sehr Sie eigentlich der Realität hinterherhinken. Es ist gut und schön, dass Sie feststellen, dass der Anteil der gut ausgebildeten weiblichen Arbeitskräfte steigt und dass der Bedarf an gut ausgebildeten und motivierten Frauen steigt. Das ist die Grundlage für den Beschluss der Bundesregierung gemeinsam mit den Spitzenverbän- den der deutschen Wirtschaft, um die Chancengleichheit gerade in der Wirtschaft zu steigern. Diese Erkenntnis ist also nicht neu, allein Ihnen fehlt die Glaubwürdigkeit, auch tatsächlich etwas zu tun, um Veränderungen herbei- zuführen; denn sie haben in den 80er- und 90er-Jahren keine nennenswerten Initiativen oder gar Erfolge auf- weisen können. Wir haben zum Beispiel mit der neuen Elternzeit Möglichkeiten geschaffen, die die Vereinbarkeit von Fa- milie und Beruf ganz deutlich verbessern. Wir wollen dabei auch die Beteiligung der Männer an der Familien- und Erziehungsarbeit stärken. Ich weiß, dass das immer noch ein Manko ist und dass nur etwa zwei Prozent der Männer tatsächlich Elternzeit nehmen. Da müssen die Männer besser werden. Da müssen auch Wirtschaft, Un- ternehmen und Arbeitgeber besser werden, indem sie Familienarbeit als einen wichtigen Teil des Lebens aner- kennen und indem sie auch in den Betrieben und den Unternehmen ein Klima schaffen, in dem mehr Männer Elternzeit nehmen können und nehmen werden. Wir ha- ben den gesetzlichen Anspruch auf Teilzeitarbeit wäh- rend der Elternzeit verbessert; die zulässige Wochen- stundenzahl bei Teilzeitarbeit wurde auf 30 Stunden angehoben. Das unterstützt auch die ebenfalls neu einge- führte gemeinsame Elternzeit von Müttern und Vätern. Gemeinsame Zeiten bedeuten, gemeinsam mehr Zeit für die Familie zu haben. Das war uns wichtig. Die CDU/CSU fordert maßgeschneiderte Konzepte in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zu entwickeln, da- mit die Frauen nach einer Familienphase wieder besser in den Beruf einsteigen können. Auch hier gilt: schön gedacht, aber wir machen es schon! Unter dem Dach der „Allianz für Familie“ sind Initiativen des Bundesminis- teriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für eine bessere Balance von Familie und Arbeitswelt ge- bündelt. Starke Partner aus Wirtschaft, Verbänden und Politik setzen sich öffentlich und beispielhaft für eine Unternehmenskultur und Arbeitswelt ein, die für alle Beteiligten Gewinn bringt. Die lokalen Bündnisse für Familie sind Zusammenschlüsse beispielsweise von Stadträten, Verwaltung, Unternehmen, Kammern, Ge- werkschaften, Kirchengemeinden, Vereinen, Wohlfahrts- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9045 (A) (C) (B) (D) verbänden und Initiativen auf lokaler Ebene, die sich für mehr Familienfreundlichkeit einsetzen. Ich bin froh, dass es inzwischen etwa 30 Bündnisse von Nord- bis Süddeutschland, von West- bis Ostdeutschland gibt, die sich dieser Initiative angeschlossen haben. Unsere Reformen am Arbeitsmarkt sind ein wichtiger Fortschritt, um gerade Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf zu ermöglichen. Damit werden die Jobcenter dazu verpflichtet, Familien mit Kindern bei der Suche nach geeigneten Beschäftigungsmöglichkeiten und Betreu- ungsmöglichkeiten zu helfen. Es wird eine passgenauere Vermittlung ermöglicht; die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erhält bei der Beratung und Vermittlung in den Jobcentern eine besondere Bedeutung. Das ist ein wichtiger Paradigmenwechsel; denn bislang galten ge- rade die Alleinerziehenden – in den meisten Fällen allein erziehende Frauen –, als nicht erwerbsfähig, weil sie sich um die Kinderbetreuung kümmern mussten. Mit den Re- formen am Arbeitsmarkt erhalten auch diese Frauen – durch die Arbeitsvermittlung, die Beratung und die Weiterqualifizierung – eine Chance, Familie und Beruf zu vereinbaren. Ich finde es immer sehr interessant, wenn die CDU/ CSU von Wahlfreiheit von Frauen und Männern spricht. Denn gerade das, was die SPD und die Grünen in der Bundesregierung machen, bedeutet, die Wahlfreiheit zu verbessern. Nur mit einer qualitativ guten Kinderbetreu- ung, mit Wahlmöglichkeiten zwischen Tagesmüttern und Einrichtungen, mit dem guten Gewissen, dass die Kinder auch gut betreut und gefördert werden, ist diese Wahl- freiheit möglich. Wahlfreiheit heißt heutzutage eben nicht, den Frauen ein Haushaltsgeld zu zahlen, damit sie zu Hause bleiben. Abgesehen davon ist die CDU/CSU bis heute die Antwort schuldig geblieben, wie sie dieses Haushaltsgeld eigentlich finanzieren will, mit dem Sie die Frauen davon abhalten will, erwerbstätig zu sein. Im Mittelpunkt unseres Konzeptes stehen große In- vestitionen in die Infrastruktur der Kinderbetreuung, steht die Bereitstellung eines flexiblen Angebots für Kinder unter drei Jahren. Das wollen wir, um den Kin- dern etwas Gutes zu tun und um die Wahlfreiheit von Frauen und Männern zu fördern, sich entscheiden zu können, entweder zwischen Familie und Beruf oder für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das werden immer mehr junge Frauen und Männer wollen. Dazu brauchen wir eine bedarfsgerechte Angebots- struktur, wir brauchen gute Qualität, zeitliche Flexibili- tät, wir brauchen bezahlbare und vielfältige Angebote für Kinder, halbtags und ganztags, in kommunalen Ein- richtungen, in denen der Wohlfahrtspflege, durch Tages- mütter, in bürgerschaftlicher Initiative oder auch über kommerzielle Dienstleister. Ich bin der festen Überzeu- gung, dass wir auch da die Wirtschaft und die Unterneh- men noch stärker in die Verantwortung nehmen müssen. Denn auch Kinderbetreuung und Dienstleistungen, die mehr Frauen Erwerbstätigkeit ermöglichen, werden in Zukunft einen größeren Markt haben und vermehrt nach- gefragt werden. Ich finde es gut, dass wir uns gemeinsam für den Aus- bau der Kinderbetreuung einsetzen. Es gibt aber auch Unterschiede: Die FDP meint, dass der Bund am Ende der Föderalismusdebatte, in der wir uns gerade befinden, die Zuständigkeit für die Kinderbetreuung haben wird. Ich denke, es ist auch eine gute Chance, ob wir nicht an einer dezentralen Lösung und an den speziellen Mög- lichkeiten und Chancen der Gemeinden vor Ort festhal- ten. Sehr wohl ist es aber die Verantwortung des Bundes, die Kommunen zu stärken, damit sie ihren Aufgaben wirklich gerecht werden können. Da kann ich nur sagen, dass vonseiten der Opposition gerade im Vermittlungs- ausschuss viele Steine in den Weg gelegt wurden. Wenn es nicht die Verwässerung der Gemeindefinanzreform durch die Opposition gegeben hätte, wenn es nicht die Veränderungen von Hartz IV im Vermittlungsausschuss gäbe, dann wären wir jetzt auch in dieser Frage schon weiter. Sie wissen, dass die Zusage der Ministerin Renate Schmidt und die Zusage des Bundeskanzlers steht: Wir werden die Kommunen entlasten, damit sie 1,5 Milliarden Euro in bessere Betreuung für Kinder un- ter drei Jahren investieren können. Das ist eine gute Nachricht und ein ganz wichtiger Bereich, wenn wir in Deutschland zukunftsfähiger und zuversichtlicher wer- den wollen. Zum Schluss gehe ich noch auf den internationalen Vergleich ein; denn wir wissen inzwischen alle, dass in den Ländern, die eine höhere Geburtenrate als Deutsch- land haben auch die Frauenerwerbsquote höher ist und dass in diesen Ländern die Kinderbetreuung besser ist. Wir sind zwar in Deutschland Spitzenklasse, was die fi- nanziellen Transfers an Kinder und Familien angeht, aber wir sind am Ende der Tabelle, wenn es um die In- frastruktur für Kinder geht. Dabei wissen wir inzwischen alle: Gute Betreuung ist die Voraussetzung für mehr Kin- der. Beispielsweise liegt die Geburtenrate in Dänemark bei 1,74 – 100 Frauen bekommen also im Durchschnitt 174 Kinder –, in Deutschland aber bei 1,29. Gleichzeitig sind in Dänemark 72 Prozent der Frauen berufstätig, in Deutschland aber nur 58 Prozent. Norwegen, Dänemark und Schweden sind die Länder, in denen fast drei Viertel der Frauen arbeiten und mehr Kinder bekommen als in Deutschland. In den südeuropäischen Ländern wie Spa- nien und Griechenland dagegen bleiben die Frauen öfter zu Hause als in Deutschland, bekommen aber auch we- niger Kinder. Das zeigt sehr deutlich, wo wir stehen und was wir verändern müssen. In diesem Sinne appelliere ich an alle Fraktionen, nach einem guten und vor allem auch nach einem schnellen Weg zu suchen, damit wir die Kinderbetreuung gerade für die Kleinsten ausbauen kön- nen. „Auf den Anfang kommt es an“ – dieses wichtige und richtige Motto unserer Politik will ich ausdrücklich un- terstützen: Gerade in die Kleinsten müssen wir mehr in- vestieren – mehr Ideen und Kreativität, aber auch finan- zielle Mittel –, damit die Kinderbetreuung besser wird. Ich bitte Sie deshalb: Lassen Sie uns einmal parteipoliti- sche und föderale Diskussionen überwinden und ge- meinsam an einer Kraftanstrengung arbeiten, damit wir die Kinderbetreuung ausbauen können. Wir haben damit einen Anfang gemacht: Unser Programm mit einem Um- fang von 4 Milliarden Euro für Ganztagsschulen und 4,5 Millarden Euro in den nächsten Jahren für die 9046 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) Betreuung der unter Dreijährigen bedeuten eine wichtige Weichenstellung in der Politik. Es ist ein Zeichen für Zu- kunftsfähigkeit und für Zuversicht. Rita Streb-Hesse (SPD): Die heutige Debatte über die Dringlichkeit frühkindlicher Förderung, die Notwen- digkeit der Bereitstellung eines bedarfsgerechten öffent- lichen Angebots und einer Verbesserung der Qualität zeigt, dass mit dem Schock aus PISA, IGLU und zahlrei- chen anderen Untersuchungen vieles in Bewegung ge- kommen ist. Die Richtung ist gut – auch und insbeson- dere für das Gelingen von Integration. Spätestens seit PISA ist mehr als deutlich geworden, dass wir uns in der Bundesrepublik immer noch schwer tun, soziale Herkunft und Bildung zusammenzubringen. Kinder und Jugendliche ausländischer Herkunft sind da- bei doppelt benachteiligt: zum einen durch die überwie- gende Herkunft aus bildungsfernen Familien, zum An- dern durch migrationsspezifische Probleme. Die Folgen sind bekannt: häufige Zurückstellung bei Schulbeginn, überproportionaler Haupt- und Sonderschulbesuch, Schulabbruch, nicht ausreichende Schulabschlüsse und damit wenig Chancen für eine berufliche Qualifizierung. Auch hier ist der Anfang entscheidend. Eine konse- quente altersgerechte Elementarförderung als Funda- ment für den Bildungserfolg und von Chancengleichheit aller Kinder muss mehr als bisher die Situation von Migrationskindern und ihren Eltern berücksichtigen. Bund, Länder und Kommunen haben dazu mittlerweile richtige und wichtige Maßnahmen auf den Weg ge- bracht, unter anderem zur Sprachförderung vor Schulbe- ginn und zur Förderung der mehrsprachigen Entwick- lung und interkulturellen Bildung in den Kindergärten. All dies korrespondiert mit der von der Bundesregierung angeschobenen „Nationalen Qualitätsinitiative im Sys- tem der Tageseinrichtungen für Kinder“, die sich als ei- nen Schwerpunkt die Arbeit mit Migrantenkindern und ihren Eltern setzt. Erste Erfolge sind schon erkennbar. Der Anteil am Kindergartenbesuch steigt, wenn auch regional unter- schiedlich. Die Ursachen dafür sind zum Teil fehlende Angebote, zum Teil hohe Elternbeiträge. Mehr und mehr werden Angebote genutzt, die wie das Projekt Hippy eine gemeinsame Sprachförderung für Mütter und Kin- der ermöglichen. Aber nicht nur ein Kindergartenplatz wird von Eltern mit Migrationshintergrund stärker als bislang vermutet nachgefragt, sondern auch weitere Betreuungsmöglich- keiten. Die erfreulichen Zahlen aus meiner Heimatstadt Frankfurt sind dafür ein guter Beleg: Bei einem Anteil ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger an der Ge- samteinwohnerzahl von 27 Prozent liegt der Anteil ihrer Kinder in allen Einrichtungen zur Kindertagesbetreuung bei mittlerweile 40 Prozent. Und bei den Angeboten zur Kleinkinderbetreuung, dem Fokus unserer heutigen Debatte, hat uns der Ausbau mit dem Ziel, jährlich 200 weitere Plätze zu schaffen, bereits begonnen. Und auch hier findet sich der hohe Prozentsatz von 40 Pro- zent. Diese Zahlen lassen darüber hinaus die Schlussfolge- rung zu, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Kind auch in Familien mit Migrationshintergrund an Bedeutung gewinnt. Viele ausländische Mütter sind wie ihre deut- schen Geschlechtsgenossinnen wegen des niedrigen Ein- kommens des Mannes auf eine Erwerbstätigkeit ange- wiesen. Andere wollen arbeiten, insbesondere schon bei uns geborene und/oder hier aufgewachsene Frauen, die gute Schul- und Ausbildungsabschlüsse haben. So unter- stützen auch hier Strukturveränderungen den Weg einer gleichberechtigten Teilhabe. Dieser kurze Ein- bzw. Ausblick verdeutlicht, dass gute öffentliche Betreuungsangebote mit früher Förde- rung ebenso unabdingbare Voraussetzungen für einen er- folgreichen Integrationsprozess sind. Sie leisten einen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit, verbessern die Zu- kunftschancen von Kindern und stärken die Erziehungs- kompetenz der Eltern. Sie sind darüber hinaus eine Mög- lichkeit, Kinder mit Migrationshintergrund und ihre Eltern in der Auseinandersetzung mit neuen Lebensbe- dingungen und kulturellen Einflüssen zu unterstützen. Die Richtung ist eine gute – gut für die Kinder, gut für die Eltern, gut für die Wirtschaft und gut für die Gesell- schaft – sie ist gut für das Heute und die Zukunft unseres Landes. Caren Marks (SPD): Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehört zu den vorrangigen familienpolitischen Zielen der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode. Die SPD legt dabei den Schwerpunkt auf den Ausbau qualitativ hochwertiger, bedarfsdeckender und zeitlich flexibler Bildungs- und Betreuungsangebote. Besonders das Angebot der Tagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren soll in den alten Bundesländern erweitert und in den neuen Bundesländern auf seinem hohen Stand erhal- ten bzw. weiterentwickelt werden. Deutschland weist auf dem Gebiet der Kinderbetreu- ung einen strukturellen Rückstand im Vergleich zu ande- ren westeuropäischen Staaten auf. Der Ausbau von Betreuungsangeboten besitzt für die gesellschaftliche Entwicklung eine herausragende Be- deutung. So stärken Betreuungsangebote den sozialen Zusammenhalt und gewährleisten Eltern die Vereinbar- keit von Familie und Beruf. Durch ein besseres Betreu- ungsangebot wird der „bestausgebildetsten Frauengene- ration aller Zeiten“ im stärkeren Maß als bisher ermöglicht, erwerbstätig zu sein. Betreuungsangebote verbessern die Innovationsfahigkeit von Gesellschaft und Wirtschaft. Aus bildungspolitischer Sicht bringt der Ausbau eines vielfältigen und flexiblen Betreuungsangebotes erhebli- che Vorteile. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Kinder vor allem in den ersten Lebensjahren über ein enormes Lernpotenzial verfugen, welches für die Entwicklung kognitiver, motorischer und sprachlicher Gewandtheit und sozialer Kompetenz besser genutzt werden sollte. Bildung und Erziehung dürfen also nicht erst in der Schule beginnen. Die frühzeitige Förderung von Kindern wirkt sich positiv auf den weiteren Weg in Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9047 (A) (C) (B) (D) Schule und Ausbildung aus und sichert damit Lebens- chancen. Andererseits werden durch unzureichende För- derung von Kindern in dieser Altersgruppe die Weichen für Benachteiligung gestellt. So weisen Kinder im Vor- schulalter zunehmend erhebliche Entwicklungsstörun- gen im Bereich Motorik, Sprache und Sozialverhalten auf. In frühkindliche Bildung zu investieren ist weit günstiger, als für Folgen der Versäumnisse aufzukom- men. Die jahrelange Vernachlässigung der frühkindlichen Förderung hat zu dem traurigen Ergebnis gefuhrt, dass Kinder aus sozial benachteiligten und bildungsfernen Familien deutlich geringere Bildungschancen haben als andere Gleichaltrige. Die negativen Konsequenzen wir- ken ein Leben lang. Auch die Ergebnisse der PISA-Studie haben uns ein- dringlich vor Augen geführt, dass hier in puncto Chan- cengerechtigkeit ein erheblicher Nachholbedarf an bil- dungspolitischen Maßnahmen besteht. Diese Situation ist wesentlich auf die eklatante Vernachlässigung dieses Bereichs durch die damalige CDU/CSU-FDP-Regierung zurückzufuhren. 16 Jahre lang wurde die gesellschafts-, sozial- und wirtschaftspolitische Bedeutung der qualita- tiven und quantitativen Kinderbetreuung in ihrer Regie- rungszeit ignoriert, meine Damen und Herren von der Opposition. In Abstimmung und Kooperation mit den Ländern und Kommunen, Spitzenverbänden der freien Wohl- fahrtspflege und der Wirtschaft sowie anderen gesell- schaftlichen Gruppen treiben wir den an Kriterien orien- tierten bedarfsgerechten Ausbau qualifizierter Angebote voran. Dabei setzen wir auf den Ausbau der Qualitätssi- cherung, Qualifizierung der Fachkräfte, die frühzeitige Integration und spezifische Förderung von Kindern und auf Bildungs- und Erziehungspartnerschaften und El- ternbefähigung. Wir setzen dabei nicht nur auf Einrichtungen, sondern auch auf die individuelle Betreuung durch Tagesmütter und -väter. Damit verbreitern wir das Betreuungsange- bot. Maßnahmen der Qualifizierung von Tagespflegeper- sonen und Regelungen bezüglich ihrer sozialen Siche- rung führen zu einer Aufwertung der Tagespflege. Der Antrag der FDP-Fraktion zur Umsetzung des In- vestitionsprogramms „Zukunft, Bildung und Betreuung“ zielt auf wirkliche Veränderungen ab und ist grundsätz- lich in dieser Zielrichtung zu befürworten. Leider diffe- renziert er nicht die Zuständigkeit von Bund und Kom- munen für den Betreuungsausbau und unterstellt, dass letztlich der Bund am Ende der Föderalismusdebatte die Zuständigkeit für die Kinderbetreuung haben wird. Auch die Forderung, die Kinderbetreuung den freien Kräften der Marktwirtschaft zu überlassen, kann nicht geteilt werden. Die Union macht mit ihrem Antrag deutlich, dass sie nicht wirklich an einem deutlichen Ausbau von Kinder- betreuungsangeboten interessiert ist. In ihrem Alibi-An- trag fordert sie, dass der Bund den Kommunen alle Mehrkosten durch den Ausbau der Kinderbetreuung er- statten soll. Die Kommunen sollen damit aus der Pflicht entlassen werden, für ein bedarfsdeckendes Angebot zu sorgen. Eine solche Forderung ist vollkommen unrealis- tisch und nicht haltbar. Der Ausbau einer qualifizierten Tagesbetreuung für Kinder ist eine gemeinsame Aufgabe von Staat, Wirt- schaft und Gesellschaft. Um die Rahmenbedingungen für mehr Kinder- und Familienfreundlichkeit vor Ort zu schaffen, hat die Bundesregierung die Initiative „Lokale Bündnisse für Familien“ ins Leben gerufen. Die Zukunft unserer Kinder muss in unser aller Interesse liegen. Die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, unserer Ge- sellschaft hängt davon ab, wie wir unsere Kinder be- treuen, bilden und ausbilden. Unser Land wird mit unse- ren Reformen kinder- und familienfreundlicher. Bildung und Betreuung sind nicht das Sahnehäubchen, sie sind die Basis für unsere Zukunft, für unsere Innovationsfä- higkeit, für unsere Wirtschaftskraft, für unseren Sozial- staat und für unseren Anspruch auf Chancengerechtig- keit. Anton Schaaf (SPD): Die Erziehung, Bildung und Betreuung unserer Kinder ist eine wichtige Investition in die Zukunft. Bei der Versorgung mit Betreuungsplätzen ist Deutschland (West) eines der Schlusslichter in Europa. Wir liegen, was die Geburtenrate angeht, mit 1,29 Geburten pro Frau oder 8,5 Geburten pro 1 000 Einwohner auf dem letzten Platz in Europa. Deutschland ist bei den familienergänzenden Betreu- ungsmöglichkeiten fast ein Entwicklungsland. Eine Ver- besserung der Balance von Familie und Arbeitswelt bringt nicht nur für Männer und Frauen wichtige Vor- teile, sondern auch für unsere Volkswirtschaft, für die Unternehmen, für die Bevölkerungsentwicklung und für die Stabilität der sozialen Sicherung. Der zu erwartende Nutzen bei einem Ausbau der Kinderbetreuung ist weit höher als die entstehenden Kosten. Ein zuverlässiges Betreuungsangebot für Kinder un- ter drei Jahren ist nicht nur für Eltern und Unternehmen wichtig, sondern ist auch für die Kommunen ein bedeu- tender Faktor, um sich im kommunalen Wettbewerb zu behaupten. Zum einen ist die Attraktivität einer Kom- mune zunehmend auch vom bestehenden Betreuungs- und Schulangebot abhängig – nur wo ein solches Ange- bot vorliegt, fühlen sich junge Familien wohl. Zum an- deren kann es für die Kommunen nur von Vorteil sein, wenn sie in die Bildung von Kindern etwas investieren. Es ist keineswegs Zufall, dass in Ländern, wo der Bil- dungsstand höher ist, auch die Betreuungsquote für Kleinkinder viel höher liegt als bei uns – so in Frank- reich und Finnland. Aktuelle Studien und Gutachten belegen, dass eine fa- milienbewusste Politik auch ökonomisch Sinn macht. Vor allem auf das Potenzial gut ausgebildeter Frauen kann die Wirtschaft angesichts des Fachkräftemangels schon heute – trotz hoher Arbeitslosigkeit – nicht mehr verzichten. Eine familienorientierte Personalpolitik hält jüngere Beschäftigte – vor allem junge Frauen und damit auch ihr Know-how – im Betrieb und spart Kosten für die Personalgewinnung. Auch unsere Volkswirtschaft 9048 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) kann es sich mittelfristig kaum mehr leisten, ihre wich- tigsten Ressourcen und Potenziale – die Arbeitskräfte und ihre Leistungsfähigkeit, ihre Kreativität und ihr Engagement – für die Steigerung von Wachstum und In- novation ungenutzt zu lassen. Die Vereinbarkeit von Be- rufs- und Privatleben, die bislang vor allem als indivi- duelles Problem angesehen wurde, muss auch als ökonomische Chance begriffen werden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat den volkswirtschaftlichen Nutzen der Kindertagesein- richtungen in Zürich untersucht. Aus volkswirtschaftli- cher Sicht fließen pro investierten Franken rund 4 Fran- ken an die Gesellschaft zurück. Das DIW-Gutachten hat diesen Effekt in einem Beispiel durchgerechnet: Würden 1 000 Akademikerinnen mit einem Kind im Krippenalter durch den Ausbau der Kinderbetreuung eine Erwerbstä- tigkeit aufnehmen, würden sie 8,1 Millionen Euro Ein- kommensteuer und 10,4 Millionen Euro Sozialversiche- rungsbeiträge zusätzlich erbringen. Dem stehen Kosten der öffentlichen Hand für das Ganztagesangebot in Höhe von 9 bis 10 Millionen Euro gegenüber. Schließlich ent- steht ein Nutzen dadurch, dass die Spanne der Erwerbs- tätigkeit erweitert wird und die Zahl der Erwerbstätigen steigt. Familien erreichen dann über die gesamte Le- bensspanne ein höheres erzielbares Einkommen. Von einem bedarfsgerechten Ausbau der Kinderbe- treuung profitiert auch jene Gruppe, die bislang wegen auch mangelnder Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kin- der auf Sozialhilfe angewiesen war. Dies betrifft vor al- lem allein erziehende Frauen. Die Expertise ermittelt mögliche Einsparungen für die Kommunen von rund 800 Millionen Euro für den Fall, das alle allein Erzie- henden mit nur einem Kind unter dreizehn Jahren eine Berufstätigkeit aufnehmen. Wir haben uns das Ziel gesetzt, noch in diesem Jahr- zehnt bei der Kinderbetreuung endlich westeuropäisches Niveau zu erreichen! Die Finanzierung der Tagesbetreuung ist in erster Li- nie die Aufgabe der kommunalen Gebietskörperschaf- ten. Schon seit 1991 stehen nach dem Kinder- und Ju- gendhilfegesetz die Kommunen in der Pflicht ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen in Tageseinrichtun- gen vorzuhalten. Wir wissen allerdings, dass der Ausbau der Betreuung im Westen, sowie der Erhalt des Stan- dards im Osten mit erheblichen finanziellen Aufwendun- gen verbunden ist. Deshalb müssen die Kommunen in ihrer Finanzkraft nachhaltig gestärkt werden. Der Bund wird den Kommunen dabei helfen, dieser Aufgabe nach- zukommen, ein bedarfsgerechtes und qualitätsorientier- tes Angebot zu schaffen. Mit jährlich 1,5 Milliarden Euro können die Kommunen ab 2005 bereits bestehende Angebote ausbauen oder eine neue Betreuungsstruktur schaffen. Nun gilt es, mit den Ländern sicherzustellen, dass die Mittel bei den Kommunen tatsächlich ankom- men und die Kommunen sich dieser wichtigen Aufgabe auch wirklich stellen. Mit unserer Initiative zum Ausbau der Betreuungsan- gebote für Kinder unter drei Jahren leisten wir einen wichtigen Beitrag, jungen Müttern und Vätern die Ver- einbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie zu ermögli- chen. Dabei wollen wir ein möglichst vielfältiges Ange- bot aufbauen. Die tatsächlichen Bedürfnisse sind der Orientierungspunkt, dazu gehört gerade auch die Einbe- ziehung der Tagespflege. Dort, wo Einrichtungen in ländlichen Gebieten nicht zu erreichen sind oder bei un- gewöhnlichen Arbeitszeiten – wie beispielsweise Schichtarbeit – kann die Tagespflege eine sinnvolle Al- ternative sein. Bis vor kurzem haben wir noch darüber gestritten, ob Kinderbetreuung in einem größeren Umfang überhaupt erforderlich sei. Gegen einen Ausbau wurden beängsti- gend konservative und rückwärtsgerichtete Argumente ins Feld geführt. Besonders emotional wurde die Diskus- sion, als es um die Betreuung der Kleinsten ging – der Kinder unter drei Jahren. Hierzu wurden gar Untersu- chungen herangezogen, die Beweisen sollten, dass die Betreuung von kleinen Kindern außerhalb der Familie schädlich sei; und Frauen, die ihre Aufgabe nicht haupt- sächlich in der Betreuung ihrer Kinder sehen, unverant- wortlich handelten und ihren Familien und der Gesell- schaft insgesamt großen Schaden zufügen würden. Da ist Gott sei Dank auf allen Seiten Einsicht in die ökonomische und gesellschaftliche Notwendigkeit ein- gekehrt. Zu Recht wird beklagt, dass über eine Million Kinder von der Sozialhilfe lebt. Wer hier klagt und nicht gleich- zeitig dazu beiträgt, dass die Eltern dieser Kinder er- werbstätig sein können, ohne dass die Betreuung und die Erziehung ihrer Kinder vernachlässigt werden, handelt heuchlerisch. In Hartz IV ist bereits geregelt, dass Arbeitssuchen- den für ihr Kind vor einer möglichen Arbeitsaufnahme ein geeigneter Betreuungsplatz zur Verfügung stehen soll. Kann eine Frau beispielsweise nicht arbeiten, weil es an Kinderbetreuung mangelt, muss der zuständige Fallmanager auch bei diesem Problem Hilfe leisten. Da- mit er das tun kann, müssen wir aber die entsprechende Anzahl von Plätzen einrichten. Es gilt die notwendigen Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu schaffen. Besonders froh bin ich darüber, dass wir nun über die Grenzen der Fraktionen hinweg eine große Übereinstim- mung haben – auch was die Rolle der Tagespflege bei der Betreuung von Kindern angeht. Deshalb freue ich mich, dass die Familienministerin, Renate Schmidt, die Bedeutung der Tagespflege für den Ausbau der Kinder- betreuung deutlich hervorgehoben hat. Der Antrag der FDP geht hier einen Schritt zu weit und ist nicht bis zum Ende gedacht. Er enthält – wie ori- ginell – mal wieder den Ruf nach einer Privatisierung – diesmal sogar als Selbstzweck. Im Antrag heißt es: „Die Privatisierung kommunaler Kindertageseinrichtungen sollte Ziel sein.“ Unsere Initiative ist gesellschaftliche und ökonomi- sche Innovation; und in keinem anderen Bereich wie Bil- dung, Erziehung und Betreuung gilt mehr: Mehr Investi- tion und Innovation ist mehr Gerechtigkeit. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9049 (A) (C) (B) (D) Maria Eichhorn (CDU/CSU): Familien mit Kindern bilden die Grundlage für eine langfristig stabile wirt- schaftliche und soziale Entwicklung unserer Gesell- schaft. Deswegen hat die Frau Ministerin Recht, wenn sie in dieser Woche vor den wirtschaftlichen Folgen des Geburtenrückgangs gewarnt hat. Die Warnung allein tut es jedoch nicht. Die Geburtenrate in Deutschland sinkt seit Jahren. Sie liegt heute bei 1,3 und damit im europäischen Vergleich im unteren Drittel. Junge Leute wollen Kinder. Warum aber verwirklichen sie ihren Kinderwunsch nicht? – Kin- der zu haben ist heute leider ein Armutsrisiko geworden. Gegenwärtig erhalten 1,1 Millionen Kinder und Jugend- liche unter 18 Jahren Sozialhilfe. Hinzu kommt, dass sich Eltern täglich neu mit dem Problem auseinander- setzen müssen, Familie und Erwerbstätigkeit miteinan- der zu vereinbaren. In Ländern mit relativ hoher Geburtenrate, etwa in Frankreich mit einer Rate von 1,9, gibt es nicht nur gute Kinderbetreuungsmöglichkeiten, sondern auch eine in- tensive finanzielle Förderung von Familien. Im Jahr 1996, während unserer Regierungszeit, wurde der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz festge- schrieben. Dennoch fehlen nach wie vor, vor allem in Ballungsräumen, Kindergartenplätze. Nach der neues- ten Länderübersicht von November 2003 liegen SPD-re- gierte Bundesländer am Ende der Skala. Beispiel Schles- wig-Holstein: Der Versorgungsgrad ab 3 Jahre bis zur Einschulung liegt bei 91 Prozent. Es handelt sich aber überwiegend nur um Halbtagsplätze mit vier bis fünf Stunden Betreuung. Dagegen liegt der Versorgungsgrad in Bayern bei 98,6 Prozent; davon ein Drittel Ganztags- plätze und weitere 45 Prozent der Plätze mit sechs bis acht Stunden Betreuung. Wenn die SPD und die Grünen uns immer wieder glauben machen wollen, wie gut die Situation bei den von ihnen geführten Ländern und wie schlecht diese bei den unionsregierten Ländern sei, dann möchte ich sie auffordern, die Statistik nachzulesen. Man kann feststel- len: alle unionsregierten Länder liegen vorne. Lediglich Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, die bis vor einem Jahr noch SPD-regiert waren, liegen noch bei 90,6 bzw. 92 Prozent. Man kann sich aber darauf verlas- sen: Die CDU-Regierungen in diesen Ländern werden die Versäumnisse der roten Vorgängerregierungen bald aufgeholt haben. Spätestens PISA hat uns gezeigt, dass die frühkindli- che Förderung von höchster Bedeutung ist. Daher sind Bildungs- und Erziehungspläne, wie sie Bayern derzeit in über 100 Tageseinrichtungen erprobt, für Kinder be- sonders wichtig. Hauptziel ist die Förderung frühen Ler- nens in spielerischer Form. Dabei werden die besonde- ren Stärken, Interessen und Bedürfnisse des Kindes berücksichtigt. Die Ausführungen des Bundeskanzlers heute Morgen zur Kinderbetreuung haben gezeigt, dass er keine Ahnung hat, was unsere Bundesländer auf die- sem Gebiet leisten. Die Erwerbstätigkeit beider Partner ist der heute mehrheitlich gewählte Lebensentwurf. Mehr als die Hälfte aller Mütter mit Kindern und mehr als ein Viertel aller Mütter mit Kleinkindern sind derzeit erwerbstätig. Wir brauchen daher nicht nur für Drei- bis Sechsjährige, sondern auch für die unter Dreijährigen und für Schul- kinder bedarfsgerechte und qualifizierte Kinderbe- treuungsmöglichkeiten. In der Koalitionsvereinbarung haben Sie 1,5 Milliarden für den Ausbau der Kinderbe- treuung für unter Dreijährige zugesagt. Diese Mittel soll- ten aus Hartz IV finanziert werden. Wie man jüngsten Zeitungsberichten entnehmen konnte, glaubt die Regie- rung nicht mehr daran. Dies verwundert nicht: Ihre Zu- sage war von Anfang an auf Sand gebaut. Wo nehmen Sie das versprochene Geld nun her? Sie haben es nicht! Wollen Sie weitere Kürzungen beim Er- ziehungsgeld oder im Kinder- und Jugendhilfeplan vor- nehmen? Ich habe volles Verständnis für die Haltung der Kommunen, die zu Recht zuerst die Finanzierungsfrage geklärt haben wollen, bevor über einen Ausbau der Kin- derbetreuung gesprochen wird. Städte und Gemeinden haben wegen der Politik der Regierung in den letzten Jahren hohe Steuerausfälle in Kauf nehmen müssen. Be- reits in der letzten Legislaturperiode wurde eine kommu- nale Finanzreform versprochen, aber nicht einmal der Versuch dazu unternommen. Nur auf Druck des Vermitt- lungsausschusses war die Regierung bereit, wenigstens die Gewerbesteuerumlage zu senken. Wer anschafft, muss zahlen. Deswegen fordern wir die Verankerung des Konnexitätsprinzips im Grundgesetz. Junge, gut ausgebildete Frauen können und wollen nicht auf eine Erwerbstätigkeit verzichten – sei es aus wirtschaftlicher Notwendigkeit oder weil sie ihre Be- rufstätigkeit als erfüllend und bereichernd erleben. In Bayern sind gegenwärtig 63 Prozent der Frauen erwerbs- tätig. – Das ist im Bundesvergleich der höchste Wert. Ein Teil der Eltern entscheidet sich jedoch ganz bewusst dazu, wegen der Kindererziehung auf eine eigene Er- werbstätigkeit zu verzichten. Dies verdient unsere hohe Anerkennung, aber auch unsere Unterstützung. Die Gleichwertigkeit von Familie und Erwerbstätigkeit ist Grundlage unseres Familienkonzeptes, das auf drei Säu- len aufbaut. Für uns ist nicht nur eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit, sondern auch die finanzielle Förderung sowie die Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern wichtig. Im Mittelpunkt steht dabei die Wahl- freiheit: Eltern sollen selbst entscheiden, wie sie Familie leben wollen. Dabei sollte und muss das Wohl des Kin- des im Vordergrund stehen. Eltern übernehmen mit der Erziehung ihrer Kinder eine große Verantwortung. In den Familien werden grundlegende Werte und Verhaltensweisen vermittelt. Diese sind wichtige Pfeiler für das Miteinander in der Familie, aber auch für Staat und Gesellschaft. Wir wol- len den Eltern, die sich eine gewisse Zeit ganz der Erzie- hung widmen, einen reibungslosen Wiedereinstieg in das Berufsleben ermöglichen. Neben einer bedarfsgerechten Kinderbetreuung brau- chen wir eine familiengerechte Arbeitswelt. Diese kann jedoch nur in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und nicht durch Zwangsmaßnahmen geschaffen werden. 9050 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) Dazu gehören flexible Arbeitszeiten, der Ausbau von Telearbeitsplätzen, mobile Techniken im Zusammen- hang mit Heimarbeit sowie familiengerechte Weiterbil- dungsangebote. Es müssen aber auch alle Maßnahmen ausgeschöpft werden, damit Mütter und Väter den Kon- takt zum Betrieb während der Elternzeit nicht verlieren und eine Dequalifizierung vermieden wird. Modellver- suche wie Job-Rotation können darüber hinaus gezielt auf künftige berufliche Aufgaben systematisch vorberei- ten. Soziale Kompetenzen wie Teambereitschaft, Orga- nisationsfähigkeit oder Konfliktmanagement sind im Be- rufsleben zunehmend gefragt. Diese werden wesentlich in der Familie erworben und vermittelt. Beim Wieder- einstieg von Müttern und Vätern in den Beruf werden diese Fähigkeiten und Stärken bislang weder anerkannt noch berücksichtigt. Im Gegenteil: Eltern müssen sich oftmals für diese Zeit rechtfertigen. Das kann doch nicht sein! Wir müssen dafür sorgen, dass die Leistungen für die Familien einen höheren Stellenwert erhalten. Wir fordern mehr Forschungsvorhaben, um die in der Fami- lie erworbenen Kompetenzen besser erfassen und mes- sen zu können. Die Vereinbarkeit von Familie und Er- werbstätigkeit muss auf vielen Ebenen unterstützt werden. Voraussetzung hierfür ist aber eine verlässliche Finanzierung. Der Worte sind genug gewechselt, lasst uns endlich Taten sehen! Ingrid Fischbach (CDU/CSU): Die Not ist groß, Kinderbetreuungsangebote fehlen. Welche Angebote können helfen? Welche bieten eine angemessene Betreu- ung und entsprechen auch dem Wunsch der Eltern und vor allem dem Wohle des Kindes? Die Antwort aller Parteien lautet: die Tagesmütter. Tagesmütter sind au- genblicklich in aller Munde und scheinen Retterinnen in der Not zu sein. Diese Form der Kinderbetreuung darf kein Lückenbüßer werden, sondern muss ihrem eigenen Verständnis entsprechend gefördert und ausgebaut wer- den. Dabei verstehen wir Tagespflege als ergänzendes und alternatives Kinderbetreuungsangebot. Entspre- chend ihres Wunsches und besonders im Sinne des Woh- les des Kindes haben Eltern Anspruch auf eine Tages- mutter zur Betreuung ihres Kindes. Ich freue mich sehr, dass die Vertreter der Regie- rungskoalition mittlerweile ein anderes Verständnis von Tagespflege haben. Die „elitäre Form der Kinderbetreu- ung“ – noch vor Jahren verpönt und als nur für wohlha- bende Eltern vorhandenes Betreuungsangebot abgetan – ist nun endlich auch für sie eine für alle Eltern angemes- sene Form der Kinderbetreuung. Es hat zwar lange ge- dauert, aber immerhin! Worin unterscheidet sich die private Tagespflege von den öffentlichen Tageseinrichtungen? Welche Vorteile bietet sie den Eltern und auch dem zu betreuenden Kind? – Ein Vorteil liegt auf der Hand: die flexible Be- treuungszeit; es gibt keine starren Öffnungszeiten, son- dern flexible, den Wünschen der Eltern entsprechende Betreuungszeiten. Wo gibt es das sonst noch? Aber auch die familiäre Form der Kinderbetreuung ist geeignet, ge- rade für Kinder unter drei Jahren. Dazu gehört natürlich auch die Beschränkung auf eine Bezugsperson, die Ta- gesmutter, die für Kontinuität und Zuverlässigkeit steht. Auch die Möglichkeiten der individuellen Erziehungsab- sprachen – zum Wohle des Kindes – sind ein Vorteil. Ich glaube, wir alle sind uns einig, wie wichtig die frühkindliche Förderung ist. Dabei gibt es sicherlich breiten Konsens. Wir müssen aber unweigerlich auch über Mindeststandards reden; denn durch Betreuung, Bildung und Erziehung ist die Förderung der Entwick- lung der Tageskinder durch eine Tagespflegeperson zu leisten. Das bedeutet: Einheitliche Standards sind gefor- dert. Der Tagespflege ist ein entsprechender Stellenwert in der Landesgesetzgebung zuzuordnen. Ich erinnere an dieser Stelle an landesrechtliche Ausführungsbestim- mungen. Diese sind für eine funktionierende und ein- heitliche Tagespflege unbedingt nötig. Wie können wir der Tagespflege den angemessenen Stellenwert zukom- men lassen? Erstens: durch eine unverzichtbare Qualifizierung der Tagesmütter bzw. Tageseltern. Die guten und bereits mehrfach praktizierten Empfehlungen des Bundesver- bandes „Tagesmütter“ oder auch des DJI können hierbei die Grundlage sein. Zweitens: durch eine Überprüfung der Eignung von Tagesmüttern bzw. Tageseltern vor der Vermittlung. Si- cherlich ist im Sinne der Qualitätssicherung vor der Ver- mittlung eines Tageskindes an eine Tagespflegeperson deren Eignung zu überprüfen. Dies muss anhand von Eignungskriterien erfolgen, wie sie auch von der Regie- rungskoalition gefordert werden. Drittens: durch eine entsprechende Beratung und Be- gleitung der Tagespflegepersonen während der Betreu- ungszeit. Dazu gehört sowohl eine Möglichkeit des Aus- tauschs unter Tagesmüttern als auch die Hilfe durch eine Fachkraft in Konfliktsituationen und eine entsprechende Unterstützung im Bereich der rechtlichen Rahmenbedin- gungen. Im Bereich der Sozialversicherungen als auch der Steuern sind einheitliche Regelungen unbedingt von- nöten. Bei fast einvernehmlicher Diskussionsgrundlage bei der Bedeutung der Tagespflege muss ich dennoch einen großen Unterschied zwischen uns und der Regierung an- sprechen: Bei der Finanzierung der angestrebten Förde- rung und des Ausbaus an Tagespflegestellen stehlen Sie sich heraus. Durch Hartz IV wollen Sie den Kommunen 2,5 Milliarden zukommen lassen. Davon sollen 1,5 Mil- liarden für Kinderbetreuungsangebote ausgegeben wer- den. Dies nehmen Ihnen nicht nur die Kommunen, son- dern auch ich nicht ab. Es gibt eine Haushaltstelle im Etat bezüglich Finan- zierung der Kosten. Das kann auch nicht sein, weil zum Beispiel in Großstädten keine Einsparungen möglich sein werden, sondern – viele Oberbürgermeister machen das durch „Brandbriefe“ deutlich – mit zusätzlichen Kosten in Milliardenhöhe zu rechnen ist. Besser macht man es so wie wir: durch Anwendung des Konnexitätsprinzips. Wer bestellt, muss auch bezah- len. Das wäre ein fairer und verantwortungsvoller Schritt. Das ist bei der Regierung Fehlanzeige. Ihr gan- zer Antrag ist eine einzige Fehlanzeige in Bezug auf konkrete Vorhaben. Es gibt wie immer viel heiße Luft. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9051 (A) (C) (B) (D) Sie reden und reden, doch nichts wird passieren. Ich zi- tiere aus Ihrem Antrag: „als Impulsgeber“, „zu sorgen“, „anzuregen“, „hinzuwirken“, „zu prüfen“, „zu suchen“, „zu erörtern“. Ich könnte ohne Weiteres fortfahren. Es ist wie immer eine Luftnummer. Nehmen Sie sich ein Beispiel an uns und werden Sie dem Wohle der Kinder gerecht, ihrem rechtmäßigen An- spruch auf Betreuung, Erziehung und Bildung. Bereits Neil Postman sagte nämlich: Kinder sind die lebenden Botschaften, die wir einer Zeit übermitteln, an der wir selber nicht mehr teil- haben werden. Sorgen auch Sie dafür, dass wir die bestmöglichen „Botschaften übermitteln“, für uns, aber vor allem für unsere Kinder. Rita Pawelski (CDU/CSU): Wir wissen, dass wir mitten in einer dramatischen demographischen Entwick- lung stecken: Die Geburtenzahl pro Frau hat sich auf 1,34 reduziert, fast 44 Prozent der Akademikerinnen ha- ben keine Kinder mehr, Deutschland steht in der Gebur- tenskala von 209 Ländern auf dem unrühmlichen Platz 195. Wenn die Entwicklung so weiter geht, müssen im Jahr 2050 100 Arbeitnehmer für 85 Rentner sorgen. Was das für Folgen für unsere Sozialsysteme, für den Wirt- schaftsstandort Deutschland haben wird, das muss ich hier wohl niemandem klarmachen. Die Reden, die zu diesem Thema gehalten wurden, füllen mittlerweile ganze Bibliotheken. Wir wissen, dass wir den nächsten Generationen einen riesigen Scherben- haufen hinterlassen, aber was passiert: Es wird weiter geredet, geredet und versprochen. Bei Versprechungen hat die Bundesregierung eine ge- wisse Professionalität erreicht. Der Bundeskanzler hat versprochen, die Zahl der Arbeitslosen zu halbieren. Stattdessen stieg sie. Minister Eichel versprach, die Staatsfinanzen zu sanieren. Stattdessen hat diese Bun- desregierung so viele Schulden gemacht wie noch keine zuvor. Die Regierung versprach, Mittelstand und Hand- werk zu stärken. Stattdessen erreichen die Firmenpleiten einen Rekordstand. Und jetzt verspricht die Familienministerin Betreu- ungsprogramme: 20 Prozent der Kinder unter drei Jahre sollen bis 2006 einen Betreuungsplatz bekommen. Sie macht jungen Eltern, insbesondere jungen Müttern, Hoffnung. Aber bei näherem Hinsehen entpuppt sich das Programm als schillernde Seifenblase. Obwohl: Der Antrag von SPD und Grüne stellt im Vorspann durchaus die richtigen Forderungen. Ich gratu- liere Ihnen zu Ihrer Erkenntnis, dass Tagespflege im Ver- gleich zu den Tageseinrichtungen nur wenig entwickelt ist und dass Tagesmütter eine Bereicherung eines vielfäl- tigen Betreuungsangebotes sein können. Ich hoffe, der Regierungschef teilt diese Erkenntnis, denn er hat als Ministerpräsident des Landes Niedersachsen zusammen mit seiner Fraktion unsere Anträge zu diesem Thema ab- gelehnt, die Begründung der zuständigen Staatssekretä- rin war: „Dann werden die Kinder wieder in Familien betreut.“ Kommen wir zum Antrag der Regierungsfraktionen. Realisiert werden soll die Betreuung durch Mittel, die durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und So- zialhilfe ab 2005 in den Kommunen frei werden. Nach Berechnungen der Bundesregierung sparen die Kommu- nen 2,5 Milliarden Euro; 1,5 Milliarden Euro davon sol- len für die Verbesserung der Betreuungssituation der un- ter Dreijährigen verwendet werden. Das ist eine Milchmädchenrechnung. Denn Ihr Zahlenspiel wird nicht nur von den kommunalen Spitzenverbänden ange- zweifelt: Statt Einsparungen erwarten die höhere Ausga- ben Nach den Berechnungen des Deutschen Städtetages betragen die Entlastungen der Kommunen durch die Kostenübernahme des Bundes für die erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger zwar rund 10 Milliarden Euro. Dem stehen aber Belastungen von rund 15 Milliarden Euro gegenüber, da die Kommunen im Gegenzug die Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose und Sozialhil- feempfänger übernehmen müssen. Im günstigsten Fall, wenn also die Länder ihre Entlas- tungen an die Kommunen voll weitergeben, rechnet der Deutsche Städtetag mit 2,4 Milliarden Euro Belastung. Um die versprochene Entlastung von 2,5 Milliarden Euro zu erreichen, müssten fast 5 Milliarden Euro aufge- trieben werden. Das können die Kommunen nicht leis- ten. Die Heimatregion des Bundeskanzlers, die Region Hannover, hat vorgerechnet, dass die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe ein Minus von 37 Mil- lionen Euro bedeutet. Der Bürgermeister der Stadt Laatzen, immerhin SPD-Mitglied, klagt in Richtung Berlin: Was die da tun, ist irre. Also nicht nur wir, sondern auch Ihre Parteifreunde vor Ort rechnen Ihnen vor: Ihr Programm ist eine Luft- buchung. Das ist verhängnisvoll, denn damit ist die so wichtige Betreuung der Kleinkinder wieder in weite Ferne gerückt, zurück bleiben enttäuschte Eltern. Und das, obwohl der Bundeskanzler in seiner Regie- rungserklärung und auch heute Morgen feststellte, dass Deutschland zu wenig flexible Kinderbetreuungsmög- lichkeiten habe. Als katastrophal bezeichnete er die Si- tuation für Eltern mit Kindern unter drei Jahren. Er ver- sprach, Sinnvolles und vor allen Dingen Notwendiges zu tun. Aber an der so beklagten Situation änderte sich bis- her nichts. Noch immer haben in den alten Bundesländern nur knapp 3 von 100 Kindern einen Krippenplatz. Deutsch- land hechelt der europäischen Spitze weit hinterher. Selbst im Bereich der Betreuung der Drei- bis Sechsjäh- rigen – also bei Rechtsanspruch – liegt die Abdeckungs- quote für das gesamte Bundesgebiet bei 90 Prozent. Be- sonders merkwürdig ist hier aber, dass gerade die SPD- regierten Länder eine Betreuungsquote aufweisen, die zum Teil deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Dabei formulierte die SPD in ihren „Weimarer Leitli- nien“ vom 6. Januar 2004 das Ziel, ich zitiere: „Bis 2010 9052 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) wollen wir Deutschland zu einem der kinderfreundlichs- ten Länder in Europa machen“. Ein Witz! Schade nur, dass die Situation derzeitig so traurig ist, dass wohl niemand darüber lachen kann. Schon jetzt, gut fünfeinhalb Jahre vor dem Jahreswech- sel 2010, muss man kein Experte sein, um zu sehen, dass Sie auch dieses Ziel, wie so viele andere auch, nicht er- reichen werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor dem Hintergrund der bereits erwähnten demographischen Entwicklung und des damit verbundenen Rückgangs des Arbeitskräftepotenzials ist es wichtig, die Erwerbsquote der Frauen zu erhöhen. Andere europäische Länder zei- gen, wie es geht: In Schweden und Dänemark zum Bei- spiel arbeiten 75 Prozent der Frauen, in Deutschland sind es nur 64 Prozent. Im Klartext: Ausreichende Kinderbetreuung verein- facht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und er- möglicht Müttern den Wunsch, erwerbstätig zu sein. Bei uns stehen die von Müttern gewünschten und die tat- sächlich vorhandenen Arbeitszeitmodelle bei weitem nicht im Einklang. Um diese Diskrepanz abzubauen und um die Verein- barkeit von Familie und Beruf zu verbessern, muss ne- ben der Politik auch die Wirtschaft einen wichtigen Beitrag leisten. Eine familienfreundliche Unternehmens- kultur liegt auch im Interesse der Firmen. Es ist unver- antwortlich, das Potenzial gut ausgebildeter Frauen, die wegen Kinderbetreuung den Beruf aufgeben, brach lie- gen zu lassen. Wir brauchen mehr flexible Arbeitszeit- modelle. Allerdings nützen die flexibelsten Modelle nichts, wenn die öffentliche Hand nur unzureichende Kinderbetreuung bietet. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die heutige Debatte gibt Anlass zur Zufriedenheit, weil ein Konsens darüber zu bestehen scheint, wie wichtig gute Kindertagesbetreuung ist. Alle vorliegenden Anträge greifen den aktuellen Erkenntnisstand auf und fordern mehr bzw. hochwertigere Betreuungsangebote in Deutschland. Das war in dieser Klarheit nicht immer selbstverständlich. Die Regierungskoalition hat den Handlungsbedarf er- kannt. Unsere Initiative zum Ausbau der Kinderbetreu- ung für unter Dreijährige wird demnächst dem Deut- schen Bundestag vorgelegt. Bestandteil davon sind auch Verbesserungen bei der Qualität von Einrichtungen und in der Tagespflege. Wir werden eine ambitionierte Initia- tive vorlegen, die jedoch den Möglichkeiten aller Betei- ligten durchaus gerecht wird. Viele Leute haben noch immer die Vorstellung, dass es Kindern explizit schadet, wenn sie zu früh auch in ei- ner Kita oder von einer Tagesmutter betreut werden. In diesem Zusammenhang fällt gerne der Vorwurf, man sei eine Rabenmutter. Dieses Wort sollte niemand mehr in den Mund nehmen. Das ist Quatsch, oder sachlich aus- gedrückt: es gibt weit und breit keine Untersuchungen oder sonstigen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die das belegen würden. Kinderbetreuung stärkt und fördert Kinder auf vieler- lei Weise. Sie begünstigt die Herausbildung von Basis- kompetenzen der Kinder. Hierzu gehören soziale und emotionale Kompetenzen ebenso wie Spracherwerb und Lernfähigkeit. Im Zusammenspiel dieser Elemente ent- steht eine selbstbewusste, reflektierte und reife Persön- lichkeit. Hier setzt die öffentliche Verantwortung ein. Der erste Paragraph des KJHG lautet somit auch: Jeder Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenver- antwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persön- lichkeit. Ich zitiere weiter; denn so wird klar, dass die aktuel- len Forderungen zu Kitas und Tagespflege keine neue Erfindung sind. Das alles steht schon seit über einem Jahrzehnt im Gesetz. In § 22 Satz 2 KJHG heißt es zur Förderung von Kindern: Die Aufgabe umfasst die Betreuung, Bildung und Erziehung des Kindes. Außerdem ist Gesetzesnorm, dass für die Kinder von drei bis sechs Jahren ein Betreuungsrechtsanspruch be- steht und für die jüngeren und älteren – so heißt es in § 24 Satz 2 KJHG – „nach Bedarf“ Plätze vorzuhalten sind. Was das Angebot betrifft, muss man leider feststellen: Auch in den vergangenen Jahren ist viel zu wenig pas- siert. Im Westen stagnieren die Versorgungsquoten. Die Angebotsquote für unter Dreijährige im Westen liegt nach wie vor bei unter 3 Prozent, bei den Hortplätzen bei knapp 9 Prozent. Deshalb ist es unverzichtbar, beim dringendsten Handlungsbedarf anzusetzen: Wir werden den Kommunen bei Ihrer Aufgabe, ein angemessenes Angebot in den kommenden Jahren aufzubauen, massiv unterstützen. Es geht aber auch um die Qualität, nicht nur um die Größe des Angebotes. Kinder müssen erstens fürsorglich und wohlbehalten betreut werden. Sie sollen zweitens so erzogen werden, dass ihnen Werte und Gemeinschaft- lichkeit vermittelt wird. Drittens ist es wichtig, sie an das Lernen heranzuführen. Wenn wir hierfür optimale Rah- menbedingungen schaffen, bekommen unsere Kinder von Anfang an gerechte Chancen. Im Dreiklang von Betreuung, Erziehung und Bildung sind bislang die Elemente frühkindlicher Bildung stark vernachlässigt worden. Hier muss vehement gegenge- steuert werden. Die jüngeren Erkenntnisse der Neuro- wissenschaften, der Entwicklungspsychologie und der Bildungsforschung belegen dies eindeutig. Schon in den ersten Lebensmonaten fangen Kleinkinder an, das Ler- nen zu lernen. Mit rund zwei bis drei Jahren haben sie Grundfähigkeiten zum Lernen in bislang ungeahntem Umfang erworben. Hier schließt sich bereits das erste Zeitfenster in der Entwicklung. Auch und gerade in der Tagespflege werden wir zu ei- nem besseren System der Qualitätssicherung kommen müssen. Die Tagespflege ist ein wichtiger Baustein im System der Kindertagesbetreuung. Ihre Bedeutung im Rahmen des vielfältigen Angebots der Tagesbetreuung Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9053 (A) (C) (B) (D) wird künftig weiter zunehmen. Deshalb wird es umso wichtiger zu prüfen, wie wir das System der Tagespflege insgesamt weiterentwickeln können. Dazu müssen wir übrigens auch überlegen, wie wir die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten noch weiter verbessern. Die Herausforderungen im Bereich der Kindertages- betreuung sind mannigfaltig. Das demonstrieren auch die Forderungen in den verschiedenen Anträgen. Die Bundesregierung wird mit dem Projekt des Ausbaus der Betreuung für unter Dreijährige einen unverzichtbaren Schritt nach vorne gehen. Mein Appell an die Länder und Kommunen ist: Gehen Sie diesen Schritt in unser al- ler Interesse mit! Klaus Haupt (FDP): Deutschland ist, was Kinderta- gesbetreuung anbelangt, in Europa geradezu Entwick- lungsland. Dabei ist besonders in den alten Bundeslän- dern die Lage schwierig, wie die vergangene Woche veröffentlichten Zahlen des statistischen Bundesamtes eindrucksvoll belegen. Während in Ostdeutschland nahezu für jedes Kinder- gartenkind ein Ganztagesplatz vorhanden ist, findet im Westen nur jedes vierte Kind eine Betreuung über den Vormittag hinaus. Während in den ostdeutschen Ländern 37 Prozent der Kleinkinder eine Chance auf einen Be- treuungsplatz harten, waren es im Westen gerade mal 3 Prozent. In den östlichen Bundesländern hat sich die Zahl der Kindertageseinrichtungen seit 1991 um mehr als die Hälfte vermindert. Aber sogar bundesweit ist der Ausbau der Kinderbetreuung seit vier Jahren rückläufig. In der rot-grünen Koalitionsvereinbarung wurde 2002 angekündigt: Umwandlung von 500 000 frei werdenden Kindergarten- und Hortplätzen in Betreuungsangebote für unter Dreijährige und Ganztagesplätze im Kindergar- ten; Aufbau einer bedarfsgerechten Betreuungsquote für Kinder unter drei Jahren von mindestens 20 Prozent; Finanzierung durch den Bund mit 1,5 Milliarden Euro jährlich ab 2004. Davon ist bislang wenig zu sehen: Von einer finan- ziellen Förderung des Bundes zum Ausbau der Kinder- betreuung ab dem Jahr 2004 ist nicht mehr die Rede. Die Förderung des Bundes soll nun 2005 beginnen, wenn die Kommunen jährlich aus den Einsparungen durch Zu- sammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe 1,5 Milliarden Euro hierfür behalten dürfen. Die Kommunen bzw. deren Verbände gehen mittler- weile von einem Scheitern von Hartz IV aus. Wenn dies tatsächlich passiert, lassen sich die Einsparungen nicht realisieren und Kinderbetreuungsangebote nicht aus- bauen. Mit Interesse nehme ich die Forderung von Rot-Grün zur Kenntnis, die soziale Absicherung der Tagespflege- personen zu verbessern, denn die diesbezüglichen For- derungen der FDP wurden bislang stets ignoriert. Deutschland ist als rohstoffarmes Land in höchstem Maße auf die Bildung, Kreativität und Leistungsfähig- keit seiner Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Dabei haben verschiedene Studien wie PISA und IGLU deut- lich gemacht, dass gerade Kindertagesstätten von großer bildungspolitischer Bedeutung sind und dass in Deutsch- land der Bildungs- und Erziehungsauftrag des Kin- dergartens deutlicher fokussiert und besser umgesetzt werden muss. Auch die neueren Erkenntnisse der Hirn- forschung belegen die Bedeutung der ersten Lebens- jahre, belegen, dass im Bauklötzealter die Grundsteine für die Entwicklung des Kindes gelegt werden. Eines der dramatischsten Ergebnisse der internationa- len Vergleichsstudien ist, dass es in Deutschland kaum gelingt, Benachteiligungen aufgrund der sozialen Her- kunft auszugleichen. Frühkindliche Bildung ist der ent- scheidende Faktor für die Chancengerechtigkeit am Start. Besonders die Kindertagesbetreuung kann und muss daher die Chancengerechtigkeit und die soziale In- tegration verbessern. Die Kinder haben ein Recht auf Förderung – und die Gesellschaft kann es sich nicht leis- ten, die Potenziale der jungen Generationen zu ver- schwenden. Der volkswirtschaftliche Nutzen von Kindertagesein- richtungen und Tagespflege wird ebenfalls unterschätzt. Erhebliche Einnahme- und Einspareffekte für die öffent- lichen Haushalte sind zu erwarten, wenn – erstens – erwerbswillige Mütter dank einer besseren Kinderbetreu- ungsinfrastruktur einer Erwerbstätigkeit nachgehen können – zweitens –, im Bereich der Kindertageseinrichtungen Arbeitsplätze geschaffen oder in der Tagespflege selbst- ständige Existenzen gegründet werden und – drittens – bisher auf Sozialhilfe angewiesene Alleinerziehende ebenfalls bei besserer Kinderbetreuung erwerbstätig sein können. Frauen und Männer wollen mehr Chancen haben, sich trotz Karriere intensiver ihrer Familie zu widmen. Viele realisieren ihren Kinderwunsch nicht, weil er in Konflikt mit dem Wunsch nach beruflicher Selbstverwirklichung steht. Schon allein eine Steigerung der Frauenerwerbs- quote auf das Niveau unserer skandinavischen Nachbarn würde die mit der demographischen Entwicklung ver- bundenen Finanzprobleme in der umlagefinanzierten Rentenversicherung spürbar abschwächen. Ganz konkret errechnet wurden jüngst in einer Studie der Prognos AG die betriebswirtschaftlichen Effekte fa- milienfreundlicher Maßnahmen. Kapital, das in die Ein- führung familienfreundlicher Maßnahmen gesteckt wird, erbringt eine Rendite von durchschnittlich 25 Prozent. Familienfreundliche Maßnahmen sind keineswegs nur eine humanitäre Geste, sondern betriebswirtschaftlich sinnvoll. Die FDP fordert aus all diesen Gründen unter ande- rem: Erstens. Die Betreuungsangebote für Kleinkinder durch Krippen und Tagesmütter müssen quantitativ und qualitativ ausgebaut werden. Zweitens. Im Rahmen des bestehenden Rechtsan- spruchs auf einen Kindergarten-Halbtagesplatz muss die Bildung, Erziehung und Betreuung für Kinder bzw. El- tern kostenlos sein. 9054 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) Drittens. Zur besseren Vorbereitung auf die Grund- schule soll es eine pädagogisch geführte verbindliche Startklasse geben, in der zum Beispiel sprachliche Defi- zite rechtzeitig erkannt, aufgefangen und abgebaut wer- den können. Viertens. Gerade Kindertageseinrichtungen können und müssen in besonderem Maße zur Integration von Migrantinnen und Migranten und zur Vermittlung sprachlicher Kompetenz beitragen. Sinnvoll sind dabei auch Angebote für Eltern, die Partizipation und Integra- tion fördern. Fünftens. Die nachhaltige Finanzierung eines bedarfs- gerechten Kinderbetreuungsangebotes muss im Zuge der Föderalismusreform berücksichtigt werden. Keine zu- sätzlichen Lasten für die Kommunen ohne die dafür er- forderliche Finanzausstattung durch den Bund! Ich begrüße es sehr, dass alle im Bundestag vertrete- nen Fraktionen die Frage der frühkindlichen Bildung und der Kindertagesbetreuung als entscheidende Frage für die Zukunft unserer Gesellschaft erkannt haben. Jetzt ist entschlossenes, gemeinsames Handeln ge- fragt. Wir Liberalen werden daran konstruktiv mitarbei- ten. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Qualitätssicherung des deutschen For- schungssystems, – Ressortforschung des Bundes effizienter ge- stalten und evaluieren (Tagesordnungspunkt 11 a und b) Dr. Carola Reimann (SPD): Wissenschaft und For- schung sind zentrale Bestandteile unserer Gesellschaft. Ihre Bedeutung wächst in unserer Gesellschaft, die sich zunehmend über die Schaffung und wirtschaftliche Nut- zung von Wissen definiert. Von hier gehen nicht nur ent- scheidende Wachstumsimpulse für die Wirtschaft aus, die wir ja zurzeit intensiv unter dem Stichwort Innova- tion diskutieren. Es werden von der Forschung auch Lö- sungsansätze und Beratung für eine Reihe sozialer, öko- nomischer und ökologischer Probleme erwartet. Ressortforschung ist Teil unserer Forschungsland- schaft mit Groß-Forschungseinrichtungen, universitärer Forschung und außeruniversitärer Forschung der Länder. Die Ressortforschung ist in diesem Zusammenhang un- verzichtbar für politische Entscheidungen. Sie gehört zum Wissensmanagement der politischen Administra- tion. Die Ressortforschungseinrichtungen des Bundes be- sitzen deshalb immer eine Doppelfunktion. Zum einen haben sie die Aufgabe, wissenschaftliche Erkenntnisse für die Durchführung der Ressortaufgaben zu gewinnen und bereitzustellen. Zum anderen tragen sie wie andere Forschungsinstitute zum allgemeinen Erkenntnisgewinn bei. Ressortforschung ist zudem durch eine ungewöhn- lich breite Aufgabenstellung gekennzeichnet. Diese rei- chen von Fragen der Mobilität über metrologische, ma- terial- und biowissenschaftliche Fragestellung bis hin zu Aufgaben der Gesundheitsvorsorge- und -erhaltung. Das alles sei genannt ohne jeden Anspruch von Vollständig- keit, nur um die Bandbreite der Ressortforschung anzu- deuten. Den Bundesforschungsanstalten fällt dabei eine Schlüsselrolle in den Bereichen zu, in denen wissen- schaftlich fundierte Antworten auf Fragen aus dem poli- tischen Raum benötigt werden. Die wissenschaftliche Qualität der Ressortforschungseinrichtung muss, wie bei anderen Forschungseinrichtungen auch, regelmäßig überprüft werden. Diese Aufgabenstellung erfordert al- lerdings Erfahrung und Augenmaß. Besonders wichtig sind dabei die angelegten Bewertungsmaßstäbe. Sie müssen der Doppelfunktion der Ressortforschungsein- richtungen gerecht werden, weswegen hier auch die An- wendung spezifischer Bewertungsverfahren und -krite- rien erforderlich ist. Die hoheitlichen Aufgaben und Beratungsaufgaben, die quasi Dienstleitungen für die Politik darstellen, können nicht nur mit Bewertungskri- terien evaluiert werden, die für die Untersuchung der Leistungsfähigkeit von Hochschulen und Großfor- schungseinrichtungen üblich sind. Wir wollen grundsätzlich eine Evaluierung der Res- sortforschungseinrichtungen, um eine zielgerichtete Po- litikberatung zu gewährleisten und um die Qualität des deutschen Wissenschaftssystems zu sichern und weiter zu verbessern. Da beginnen wir nicht bei Null. Dort wurde, was die Qualitätsüberprüfung und -sicherung des deutschen Forschungssystems angeht, bereits eine Menge unternommen. Die Zahl der evaluierten Ressort- forschungsinstitute ist seit unserem Regierungsantritt deutlich gestiegen. Es wurden sowohl im Bereich der Großforschungseinrichtungen Evaluierungen angeregt als auch im Bereich der Ressortforschung verschiedene Anstrengungen zur Qualitätssicherung unternommen. Die bisher vorgenommenen Evaluierungen, die zum Teil auch durch den Wissenschaftsrat erfolgt sind, stellen der deutschen Ressortforschung kein schlechtes Zeugnis aus. Ganz im Gegenteil: Sie bestätigen die internationale Konkurrenzfähigkeit des deutschen Forschungssystems. Sie haben uns aber auch auf Defizite hingewiesen, Chan- cen zur Veränderung eröffnet und Verbesserungen ini- tiiert. Sie haben zudem wichtige Reformen angestoßen und einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung und Effizienzsteigerung im deutschen Forschungssystem ge- leistet. Denn dazu ist Evaluierung schließlich auch da: Entwicklungspotenziale aufzuzeigen und diese Felder qualitativ fortzuentwickeln. Diese Erfahrungen zeigen sehr deutlich, dass die Überprüfung von Einrichtungen unseres Forschungssys- tems sehr wohl sinnvoll und auch notwendig ist. Deshalb fordern wir in unserem Antrag zur „Qualitätssicherung des deutschen Forschungssystems“ die systematische Evaluierung der deutschen Ressortforschungslandschaft. Am Ende eines solchen Prozesses sollen deshalb Emp- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9055 (A) (C) (B) (D) fehlungen zur Effizienz, Umfang, Struktur und Aufga- ben der Einrichtungen stehen, mit deren Hilfe sich die Ressortforschung als wichtiger Teil des Wissenschafts- systems kontinuierlich weiter entwickeln kann. Wir verstehen unseren Evaluierungsauftrag zur Stei- gerung der Qualität und nicht zur Senkung der aufge- wendeten Mittel. Es geht nicht darum, Mittel aus der Ressortforschung abzuziehen. Im Gegenteil: Wir wollen, dass mehr Gelder in die Forschung fließen; denn wir wollen im Rahmen unserer Innovationsoffensive bis zum Jahre 2010 den Anteil der Forschungsausgaben auf 3 Prozent des BIP steigern. Der Kanzler hat dieses Ziel heute Morgen nochmals bekräftigt. Der Wissenschaftsrat hat im Bereich der Evaluation sowohl von Forschungsorganisationen als auch von nachgeordneten Einrichtungen des Bundes bisher her- vorragende Arbeit geleistet. Er ist das Gremium mit der größten fachlichen Erfahrung auf diesem Gebiet. Wir werden deshalb die Bundesregierung auffordern, den Wissenschaftsrat auch weiterhin mit der Begutachtung der Ressortforschungseinrichtungen zu betrauen. In diesem Zusammenhang möchte ich jedoch vor pauschalen Bewertungen und Fehlinterpretationen der bisherigen Evaluationsergebnisse eindringlich warnen. Zum Beispiel haben die Äußerungen von Professor Winnacker in einem Interview im DLF über die Bundes- forschungsanstalten für erhebliche Irritationen unter den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gesorgt und definitiv nicht zu einer sachlichen und differenzierten Diskussion über die Aufgaben, Qualität und die Struktur der Ressortforschungseinrichtungen beigetragen. Die pauschalen Äußerungen haben lediglich vorhandene Vorurteile bestärkt und dem Ansehen der deutschen For- schungslandschaft geschadet. Wie gesagt, auch wir stehen für die Überprüfung der Ressortforschungseinrichtungen. Wenn Evaluierungen Verbesserungspotenziale ausmachen und vorhandene Defizite aufzeigen, müssen diese Ergebnisse zur Verbes- serung und Weiterentwicklung genutzt werden. Wir wollen ja die deutsche Forschung voranbringen. Dazu gehören eben auch die kritische Analyse ihrer Leistungsfähigkeit und auch das Aufzeigen ihrer Schwachstellen. Nur so können wir letztlich wissen, wo Verbesserungen notwen- dig sind, die unser Forschungssystem fit für die Zukunft machen. Dies gilt im Übrigen auch für Ressortfor- schungseinrichtungen der Länder. Auch hier regen wir in unserem Antrag eine Evaluation durch den Wissen- schaftsrat an. Ich habe an dieser Stelle die Äußerungen des DFG- Präsidenten aufgegriffen, nicht nur weil ich sie in ihrer Pauschalität für nicht berechtigt halte, sondern weil sie geradezu dazu herausfordern, darzustellen, wie gut ei- nige, bereits evaluierte Ressortforschungseinrichtungen tatsächlich arbeiten. Ich möchte Ihnen gern ein Beispiel für eine erfolgreiche Evaluierung geben. Die Physika- lisch-Technische Bundesanstalt, eine Einrichtung, die dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellt ist und größtenteils in Braunschweig arbeitet, hat sich – auf ei- genen Wunsch hin – kürzlich über ein Jahr lang durch eine internationale Expertenkommission evaluieren las- sen. Die Kommission hat die PTB gründlich auf Herz und Nieren geprüft – sogar intensiver, als dies durch den Wissenschaftsrat normalerweise üblich ist. In ihrem Abschlussbericht stellt die Evaluierungs- kommission fest: „Die PTB verfolgt eine wichtige me- trologische Mission mit großem Nutzen für die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft“. Die Zuordnung der PTB zum Bundeswirtschaftsministerium habe sich für die Er- füllung dieser Mission als sinnvoll erwiesen. Die Kom- mission kommt zu dem Schluss, dass die Fachkompe- tenz und die Qualität der Arbeiten der PTB-Mitarbeiter exzellent seien. Ich zitiere: „Die wissenschaftliche Re- putation ist generell sehr gut, ebenso die Einbindung in das nationale, europäische und internationale Umfeld“. Der PTB wird also ein sehr hohes fachliches Niveau be- scheinigt. Mit unserem Antrag „Qualitätssicherung des deut- schen Forschungssystems“ stellen wir uns den aktuellen Erfordernissen, die deutsche Forschungslandschaft, ins- besondere die Ressortforschungseinrichtungen des Bun- des, mit dem Ziel einer weiteren Qualitäts- und Effi- zienzsteigerung überprüfen zu lassen. Im Gegensatz zum Antrag der Union, der stellenweise den Anschein er- weckt, dass auf dem Gebiet der Ressortforschungsein- richtungen die blanke Ineffizienz herrscht, bringen wir das nötige Augenmaß mit, ohne das Kind gleich mit dem Bade auszuschütten. Es gilt, die deutschen Forschungs- einrichtungen weiter zu stärken, sie fit für die Zukunft zu machen. Dafür ist eine Bestandsaufnahme der Stärken und Schwächen der Ressortforschung, verbunden mit dem Aufzeigen von Verbesserungsmöglichkeiten, unab- dingbar. Der Antrag „Qualitätssicherung des deutschen Forschungssystems“ bietet somit eine solide Arbeits- grundlage für die systematische Evaluierung der Res- sortforschungseinrichtungen, der deren spezifische Be- dingungen mit dem nötigen Augenmaß und der notwendigen Differenzierung begegnet. Helge Braun (CDU/CSU): Seit der Übernahme der Regierung im Jahr 1998 wurden drei Anträge und eine Kleine Anfrage speziell zur Ressortforschung in den Deutschen Bundestag eingebracht. Alle stammten von Oppositionsfraktionen. Die Anträge hatten immer zum Ziel, die Ressortforschungseinrichtungen zu evaluieren und die Effizienz der Forschung zu steigern. Sie, die Abgeordneten von SPD und Grünen, haben mit Ihrer Mehrheit die Anträge abgelehnt. Noch in der letzten Debatte zur Ressortforschung vor sechs Monaten führte Frau Kollegin Dr. Reimann von der SPD aus, dass die „Ressortforschung nicht losgelöst im luftleeren Raum vor sich hinforscht“. Ferner hieß es, es werde be- reits evaluiert. Nun, im März 2004, legen Sie endlich selbst einen Antrag vor, in dem Sie eine „aufgabenkriti- sche Überprüfung“ der Ressortforschungseinrichtungen fordern. Damit schließen Sie sich endlich einer langen Forderung der Union und der FDP an. Dies ist überaus erfreulich und ich begrüße Ihre Erkenntnis. Die Ressortforschungseinrichtungen finanzieren sich im Wesentlichen aus Bundesmitteln. Daher muss die Verwendung dieser Gelder nicht nur sparsam sondern 9056 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) auch effizient erfolgen. Hier ist eine Evaluierung not- wendig. Bislang wurden aber nur vereinzelte Ressortfor- schungseinrichtungen evaluiert. Dabei geht es um eine beträchtliche Summe. Allein im Jahr 2002 flossen knapp 1,3 Milliarden Euro an die Ressortforschungseinrichtungen des Bundes. Dies sind 11,6 Prozent der F-und-E-Ausgaben des Bundes. Zur Verdeutlichung: Dieses Geld würde sogar reichen, um die von der Bundesregierung geplante Förderung von fünf Universitäten zu Spitzenuniversitäten auf ganze 26 Universitäten auszudehnen. Wenn ich nun aber Ihren Antrag lese, meine Damen und Herren von SPD und den Grünen, so bin ich auch er- staunt: Sie fordern eine „aufgabenkritische Überprüfung der Ressortforschungseinrichtungen“. Sie wollen aber auch veranlassen, dass alle Ressortforschungseinrichtun- gen in Zukunft ein Forschungsprogramm erstellen. Und Sie verlangen sogar vom Wissenschaftsrat, er solle den besonderen Stellenwert der Ressortforschung definieren. Insbesondere die letzte Forderung hätte ich wirklich nicht erwartet. Sie zahlen seit 1998 jährlich circa 1,3 Milliarden Euro an die Ressortforschung und wollen nach fünf Jahren eine Definition vom Wissenschaftsrat erhalten, was Ressortforschung eigentlich bedeutet. Dies zeigt einmal mehr, mit welcher Fachkompetenz die Bun- desregierung Forschungspolitik betreibt. Der Antrag zeigt, dass die Regierung überhaupt nicht weiß, was sie bislang getan hat. Nun wird nach einer Definition des besonderen Stellenwertes der Ressortforschung gefragt. Nun sollen Forschungspläne erstellt werden. Der Antrag von SPD und den Grünen ist ein Eingeständnis der Unfä- higkeit der letzten fünf Jahre Forschungspolitik. Getreu dem Motto: Denn sie wissen nicht, was sie tun. Die in Ihrem Antrag geforderten Untersuchungen und Definitionen gibt es bereits. Zwar nicht explizit für jede Ressortforschungseinrichtung. Aber aus unterschiedli- chen Berichten des Wissenschaftsrates zu den bisher un- tersuchten Einrichtungen ergibt sich ein schlüssiges Bild, an welchen Punkten die Politik handeln muss. War- ten Sie nicht auf weitere Berichte, Untersuchungen und Definitionen! Vergeuden Sie keine wertvolle Zeit und Geld! Handlungsbedarf gibt es schon heute reichlich: Ressortforschung dient zum einen der Erfüllung ho- heitlicher Aufgaben. Zum anderen beraten die Einrich- tungen die Politik bei der Rechtsetzung durch Risikoana- lysen und durch Monitoring von Entwicklungen. Dabei kann der Forschung der Ressortforschungseinrichtungen grundsätzlich kein Sonderstatus zukommen. Die von den Einrichtungen durchgeführte Forschung muss daher stets an der universitären und außeruniversitären Forschung gemessen werden, soweit die Aufgaben auch von der Forschungslandschaft außerhalb der Ressorteinrichtun- gen durchgeführt werden kann. Für eine effiziente Res- sortforschung ist daher auf die Kompetenz der Ressort- einrichtung auf die Kernbereiche der eigentlichen Aufgabenerfüllung zu begrenzen. Alle Institute und Ein- richtungen, die wissenschaftliche Antworten finden kön- nen, sind potenzielle Partner des Staates. Eine Begren- zung der Kompetenzen auf die Ressorteinrichtungen wäre hierbei ein untragbarer Eingriff in den Wettbewerb der übrigen Forschungseinrichtungen in Deutschland. Ressortforschung außerhalb des Kernbereichs muss sich in wissenschaftlicher Konkurrenz in der Forschungs- landschaft messen lassen. Dieser Wettbewerb führt zur gebotenen Effizienzsteigerung. Andere Forschungsaufträge außerhalb des engen ho- heitlichen Aufgabenkanons sind im Rahmen des Wettbe- werbs im Forschungssystem frei zu vergeben. Dabei sol- len die Ministerien und Ressorteinrichtungen bei der Vergabe nicht als allgemeine Forschungsförderer auftre- ten. Vielmehr muss die Vergabe von wissenschaftlichen Aufträgen auf politikrelevante Fragen begrenzt sein. Die Loslösung von Forschungsbereichen aus der bisherigen Forschung dient nur der Beendigung der bisherigen Wettbewerbsverzerrung und der Steigerung der Effizienz und Qualität. Die Niederlande und die Schweiz sind diesbezüglich in der Ressortforschung Vorreiter. In diesen Staaten ste- hen Ressorteinrichtungen in den Bereichen außerhalb der Erfüllung ihrer Kernaufgaben im Wettbewerb mit anderen Institutionen der Forschungslandschaft. Auf- tragsforschung und Projektvergabe versetzt die Ressort- einrichtungen in einen erhöhten Wettbewerb. Ministe- rien sollten daher künftig sämtliche Projektmittel öffentlich ausschreiben, um den Wettbewerb zwischen Forschungseinrichtungen als Qualitätssicherung zu nut- zen. Denn nur Handlungsoptionen führen zum verstärk- ten Einsatz des Bieters und zum Vergleich der angebote- nen Leistung zwischen den Bietern. Die Eingrenzung der hoheitlichen Aufgaben ist bisher nur in den wenigsten Ressorteinrichtungen erfolgt. We- der im übergreifenden Forschungsplan, in den For- schungsprogrammen der einzelnen Einrichtungen noch in den Planungsgremien der Ministerien ist eine scharfe Abgrenzung erfolgt. Es ist daher bislang unklar, welche Aufgaben unabdingbar von der Ressortforschung durch- geführt werden müssen. Eine künftige klare Festlegung eines Kernkanons an Aufgaben der Ressortforschung in auf hoheitliche Tätigkeiten und Politikberatung ist aus folgenden Gründen von entscheidendem Vorteil: Ab- grenzung zu den Themen, die für den Wettbewerb der Wissenschaftslandschaft geeignet sind, die für die Res- sortforschung zur Verfügung stehenden Ressourcen effi- zient und zielgerichtet einzusetzen. Nur bei klarer Auf- gabenzuweisung ist eine externe Qualitätssicherung durch Evaluation möglich. Die klare Aufgabenzuweisung der Ressortforschung auf Kernbereiche erfordert hohe wissenschaftliche Ex- zellenz aus zwei Gründen, erstens weil bei der Erfüllung der Kernaufgaben der aktuelle Stand der Wissenschaft der gesamten Wissenschaftsgesellschaft einfließen muss, zweitens weil Ressortforschungseinrichtungen in der Lage sein müssen, am Wettbewerb innerhalb der For- schungslandschaft teilnehmen zu können. Hierfür müssen die Ressortforschungseinrichtungen viel intensiver mit anderen Forschungseinrichtungen vernetzt werden und mit diesen kooperieren. Die wissen- schaftlichen Ergebnisse der Ressortforschungseinrich- tungen, die der Politikberatung zugrunde liegen, können entweder auf eigenen Forschungsarbeiten beruhen, oder Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9057 (A) (C) (B) (D) sie bauen auf Erkenntnissen aus anderen Einrichtungen der Forschungslandschaft auf. Für den Durchfluss von Erkenntnissen von der allgemeinen Forschung zur Res- sorteinrichtung bedarf es einer hervorragenden Anbin- dung der Ressortforschung an übrige staatliche sowie außerstaatliche Forschungseinrichtungen. Umgekehrt müssen Forschungserkenntnisse der Ressorteinrichtun- gen der allgemeinen Forschungslandschaft zur Verfü- gung stehen. Schließlich wird die Ressortforschung mit öffentlichen Mittel finanziert und soll somit auch der Allgemeinheit so weit wie möglich zugute kommen. Dann kommt der Einsatz öffentlicher Gelder sogar dop- pelt zum Tragen: Als wissenschaftliche Erkenntnis und als Beitrag zur Politikberatung. Derzeit fehlt es an einer effizienten Vernetzung der Ressorteinrichtungen sowohl untereinander als auch mit anderen Einrichtungen der Forschung. Dies hat auch der Wissenschaftsrat kürzlich festgestellt. In seinen Empfeh- lungen zur Entwicklung der Rahmenbedingungen am Beispiel der Forschungsanstalten des BMVEL heißt es: „Es ist jedoch unverkennbar, dass die geforderte Veran- kerung der Forschungsanstalten in der scientific commu- nity bisher nicht in ausreichendem Maße realisiert wurde.“ Die Ressortforschungseinrichtungen dürfen dabei nicht parteiideologisch gesteuert werden. Vielmehr müs- sen sie den aktuellen Stand der Wissenschaft in weiten Teilen nachverfolgen oder sogar vorgeben. Ein Negativ- beispiel für den Ausschluss der Ressortforschung aus der allgemeinen Forschung zeigte in jüngster Zeit eine De- batte über gentechnologische Forschung. Diskutiert wurde, ob das Verbraucherministerium die gentechnolo- gische Forschung in seinen Ressortforschungseinrich- tungen einschränken solle. Dies darf nicht sein. Wenn die Politik sachliche und neutrale Erkenntnisse aus der aktuellen Wissenschaft wirklich erwartet zum Beispiel zu Fragen beim Anbau gentechnisch veränderter Pflan- zen oder Novel Food, dann darf die Ressortforschung nicht ideologisch ausgerichtet werden. Eine kompetente Beratung setzt eine wissenschaftlich aktuelle, fundierte und neutrale Forschung voraus. Eine Vernetzung der Ressortforschung mit anderen Teilen der Forschung dient daher auch dem Schutz vor politischem Präjudiz in der Ressortforschung. Meine Damen und Herren von SPD und Grünen, ich erkenne natürlich Ihr Bestreben, den Einfluss auf gentechnologische Forschungserkennt- nisse nicht zu verlieren. Aber hüten Sie sich vor einer ideologisierten Forschung! Die Ressortforschung steht auch unter dem verstärk- ten Einfluss der EU. In etlichen Bereichen – wie zum Beispiel der Arzneimittelzulassung – reicht die Zertifi- zierung durch eine Ressortforschungseinrichtung in ei- nem Mitgliedstaat. Dies bemächtigt dann automatisch zum Agieren in den übrigen Mitgliedstaaten der EU. Die Ressortforschungseinrichtungen stehen daher in einem internationalen Wettbewerb. Die wissenschaftliche Ex- zellenz der staatlich finanzierten Ressortforschungsein- richtungen repräsentiert dabei den Forschungsstandort Deutschland gegenüber der ausländischen Wissenschaft und Wirtschaft. Deutsche Ressortforschungseinrichtun- gen müssen daher im internationalen Vergleich hohen wissenschaftlichen und qualitativen Anforderungen ent- sprechen. Es ist dafür notwendig, nationale Schwer- punkte der Einrichtungen zu setzen, um mit wissen- schaftlichen Erkenntnissen in Europa gefragt und akzeptiert zu werden. Zudem ist eine Vernetzung mit der Forschungsstelle der Kommission geboten. Nutzen wir die Ressortforschungseinrichtungen als Botschafter für den Forschungsstandort Deutschland! Die Ressortforschung muss also in jeder Hinsicht bes- ser vernetzt werden. Vernetzung untereinander: Wir schlagen die zentrale Koordination der Ressortforschung durch das Bundesministerium für Forschung vor. Vernet- zung mit der übrigen Forschungslandschaft: Wir schla- gen die Begrenzung der Ressortforschung auf die Kernbereiche Erfüllung hoheitlicher Aufgaben und Poli- tikberatung vor. Die anderen Forschungsaufträge sind im Wettbewerbsverfahren zu vergeben. Vernetzung und Spezialisierung in der EU: Wir schlagen eine Anbindung an die Forschungsstelle der EU-Kommission vor. Angesichts der gebotenen Öffnung der Ressortein- richtungen zum Wettbewerb muss deren Personaldecke angepasst werden. Dabei ist die gesamte Personalstruk- tur zu überdenken. Die Besetzung der Leitung der Res- sortforschungseinrichtungen muss ausschließlich nach Exzellenz erfolgen. Derzeit werden die Leiter zahlrei- cher Bundesforschungsanstalten von den Anstaltskolle- gien ihrer Einrichtungen auf zwei Jahre aus dem Kreis der Institutsleiter gewählt. Berufungen gemeinsam mit Universitäten sind die große Ausnahme. Das Beispiel der Bundesanstalt für Holzforschung in Hamburg zeigt jedoch, dass gemeinsame Berufungen von Professoren in Leitungsfunktionen zum Nutzen für die Ressortein- richtung und für die Universität sein kann. Wer von der Ressortforschung Spitzenforschung erwartet, muss sie auch mit Spitzenwissenschaftlern in der Leitung beset- zen. Wir schlagen daher vor, die Leitungspositionen je nach Ressorteinrichtung künftig öffentlich auszu- schreiben oder bei der Berufung mit universitären und außeruniversitären Einrichtungen zusammenzuarbeiten. Dadurch kann die Einbindung und der Austausch der Ressortforschungseinrichtungen mit anderen For- schungseinrichtungen gefördert werden. Dabei ist mir durchaus bewusst, dass die Dotierung der wissenschaft- lichen Leitungsstellen von Ressorteinrichtungen für Spitzenforscher nicht allzu attraktiv ist. Hier muss der von der Regierung lange angekündigte Wissenschafts- tarifvertrag endlich vorgelegt und umgesetzt werden. Der Wissenschaftsrat hat mehrfach kritisiert, dass eine Tendenz zur Überalterung aufgrund mangelnder Stellen für junge Wissenschaftler besteht. Hierin liegt eine große Gefahr für die wissenschaftliche Leistungsfä- higkeit der Ressortforschung. Wir schlagen daher eine flexiblere Bewirtschaftung der Personalmittel vor. Der- zeit sind in den Ressorteinrichtungen zum Teil lediglich 1,5 Prozent der Planstellen befristet. Dieser Anteil ist deutlich auszubauen. Befristete Stellen garantieren die notwendige personelle Anpassungsfähigkeit an geänderte wissenschaftliche Anforderungen. Auch bewirkt ein ho- her Prozentsatz befristeter Planstellen eine ausreichende 9058 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) Fluktuation junger Wissenschaftler aus den Hochschulen an die Ressorteinrichtungen. Des Weiteren kann gerade durch befristete Stellen deutlich vielschichtiger ein per- soneller Austausch mit Wissenschaftlern aus anderen Forschungseinrichtungen erfolgen. Wir schlagen vor, künftig mindestens 30 Prozent der Personalmittel flexi- bel zu bewirtschaften. Die Finanzdecke der zunehmend im Wettbewerb ste- henden Ressorteinrichtungen muss dem veränderten System angepasst werden. Mit verstärkter Beteilung an Vergabeverfahren steigt die Bedeutung von Drittmitteln für die Ressorteinrichtungen. Hierbei ist insbesondere die Einwerbung von EU-Mitteln besonders anzuerken- nen, weil diese sogar im internationalen Wettbewerb er- stritten werden müssen. Wir schlagen deshalb ein Bo- nussystem mit internen Anreizen für die Einwerber vor. Ein solches Bonusverfahren würde die Forschungsan- stalten ermutigen, selbstständig verstärkt eine eigene Rolle im Wettbewerb der Forschungslandschaft zu über- nehmen und dadurch ihre wissenschaftliche Exzellenz darzulegen. In vielen Ministerien wird die Bereitschaft und Fähigkeit der Einrichtungen, zusätzliche Drittmittel einzuwerben, durch restriktive Regelungen konter- kariert. Ministerien haben Anweisungen erlassen, nach denen die Ressorteinrichtungen einen bestimmten Pro- zentsatz – meist circa 20 Prozent – der eingeworbenen Drittmittel als so genannte Gemeinkosten an das jewei- lige Ministerium abführen müssen. Hier wird die Eigen- initiative der Ressortforschungseinrichtungen massiv ge- schwächt. Derartige Schwächungen des Nutzens von Drittmitteln müssen abgeschafft werden. Nur wenige Ressortforschungseinrichtungen lassen sich bislang in ihrer wissenschaftlichen Qualität über- prüfen. So ist beispielsweise das BMVEL nach eigener Aussage nicht in der Lage, die wissenschaftliche Quali- tät der von der Ressortforschung erbrachten Beratungs- leistung zu bewerten. Eine Beurteilung ist aber geboten, um eine hohe wissenschaftliche Exzellenz zu gewähr- leisten. Eine Qualitätsüberprüfung muss intern und extern erfolgen. Interne Qualitätssicherung dient vor al- lem den Leistungsanreizen des Einzelnen. Externe Qua- litätssicherung dient der Reputation der Ressortfor- schung, der Förderung der allgemeinen Wissenschaft aber insbesondere der Sicherung der Qualität der Politik- beratung wie auch der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben. Kriterien der externen Leistungsbemessung sind der An- teil eingeworbener Drittmittel, die Zahl hochrangiger Publikationen und Wissenschaftspreise sowie die Ver- netzung zu anderen Forschungseinrichtungen. Eine re- gelmäßige externe Evaluation aller Ressortforschungs- einrichtungen ist dringend notwendig. Dies gilt auch, um die Leistung der Ressortforschungseinrichtungen mit an- deren Teilen der Forschungslandschaft zu vergleichen. Angesichts des angesprochenen internationalen Wettbe- werbs der Ressorteinrichtungen untereinander müssen im Wege der Evaluation auch die Erreichung internatio- naler Standards überprüft werden. Bereits durchgeführte Evaluationen von Ressortforschungseinrichtungen des Bundes haben zahlreiche Möglichkeiten zur Steigerung der Effizienz hervorgebracht. Die Leistungsfähigkeit und Qualität der Ressortforschung konnte anhand der Evaluationsergebnisse oft deutlich verbessert werden. Wir fordern daher dringend, die Evaluation der Ressort- forschung auf alle Einrichtungen auszudehnen und re- gelmäßig durchzuführen. Ein weiteres Hinauszögern der Evaluation durch die Ministerien zeugt nur von einer Scheu vor den Ergebnissen der Untersuchung. In einer der letzten Untersuchungen des Wissenschaftsrates war zu lesen: „Vor diesem Hintergrund erscheint grundsätz- lich eine Prüfung der Institutionalisierungsform der Res- sortforschung erforderlich.“ Je eher die Bundesregierung die von der Union und vom Wissenschaftsrat mehrfach geforderten Änderun- gen in der Ressortforschung umsetzt, desto weniger muss sie die Evaluierung fürchten. Seit 1998 hat die Bundesregierung mehr als 6,5 Milliarden Euro für Res- sortforschung ausgegeben. Ihr Antrag, nun nach einer Definition für Ressortforschung zu fragen, ist eine Bla- mage. Ich fordere Sie daher auf: Fragen Sie nicht, son- dern handeln Sie und steigern Sie die Effizienz der Res- sortforschung! Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen verfolgen das Ziel, die Qualität des deutschen Forschungssystems weiter zu verbessern. Nur ein Forschungssystem, das in- ternationalen Standards genügt, kann uns die Innovatio- nen bringen, die unsere Wirtschaft und unsere Gesell- schaft voranbringen. Für dieses Ziel spielen die Ressortforschungseinrichtungen des Bundes eine wich- tige Rolle. Sie schaffen einerseits die wissenschaftlichen Grundlagen für den jeweiligen Politikbereich und leisten zusätzlich Politikberatung. In diesem wichtigen Bereich hat die Bundesregierung schon einen ersten wichtigen Schritt getan und exemplarisch die Einrichtungen des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft evaluieren lassen. Das Gutachten des Wissenschaftsrates wurde Ende Januar vorgelegt. Mit dem heute vorliegenden Antrag wollen die Frak- tionen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD den Prozess der Evaluation weiterer Ressortforschungseinrichtungen beschleunigen. Deswegen regen wir einige Schritte an, um die Vorschläge des Wissenschaftsrates zu strukturel- len Verbesserungen schnellstmöglich umzusetzen. Um Beratung auf höchstem Niveau leisten zu können, brau- chen die Forschungseinrichtungen eine gute nationale Vernetzung und eine intensive internationale Koopera- tion. Dabei stellt die Doppelfunktion der Ressortfor- schung, die wissenschaftliche Politikberatung und die effiziente Wahrnehmung administrativer Aufgaben be- sonders hohe Anforderungen an die Forschungseinrich- tung und die Behörde. Die Doppelfunktion stellt aber auch besondere Anforderungen an die Gesamtevaluie- rung der Ressortforschung. Sowohl das notwendige Be- wertungsverfahren als auch die Bewertungskriterien müssen entsprechend festgelegt werden. Nur so erhalten wir die in den Bewertungsverfahren notwendige Sicher- heit. Neben den hohen Anforderungen an die Qualität der Forschung stehen die hohen Anforderungen an ihre Effi- zienz. Hier gilt es wie in allen anderen Forschungs- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9059 (A) (C) (B) (D) einrichtungen, Reserven zu mobilisieren; denn überall muss gelten: „Mehr Forschung fürs Geld!“ Wie bei al- len anderen Forschungseinrichtungen hat sich Bünd- nis 90/Die Grünen auch bei den Ressortforschungsein- richtungen für eine Evaluierung eingesetzt, die auch in- haltliche Kriterien berücksichtigt. Diese inhaltlichen Kriterien müssen aus den Aufgaben der einzelnen Res- sorts und den gemeinsamen Politikzielen der Koalition abgeleitet werden. Dazu gehören für uns vor allem der Schutz des Klimas durch Energieeinsparung und erneu- erbare Energien, der verantwortliche Umgang mit der Biomedizin nach ethischen Grundsätzen, die Stärkung des Verbraucherschutzes und die Förderung einer natur- nahen Landwirtschaft inklusive einer artgerechten Tier- haltung. Genauso wichtig sind uns die Förderung von Forschungsschwerpunkten mit besonderer Relevanz für eine nachhaltige Entwicklung wie der Friedens- und Konfliktforschung, der empirischen Wirtschaftswissen- schaft und der sozial-ökologischen Forschung und fami- lien- und sozialpolitische Maßnahmen für mehr Genera- tionen- und Geschlechtergerechtigkeit. Neben diesen inhaltlichen Vorgaben müssen bei Res- sortforschungseinrichtungen auch die Zweckmäßigkeit des Zuschnittes und des Umfangs der Aufgaben regel- mäßig überprüft werden. Das Parlament wird die Fort- schritte kontinuierlich begleiten. Deswegen fordern wir die Bundesregierung auf, bis spätestens Ende 2004 einen Zwischenbericht über die weiteren Entwicklungen vor- zulegen. Weil uns die Forschung am Herzen liegt, halten wir auch eine Gesamtbetrachtung der deutschen Forschungs- landschaft mehr denn je für geboten. Aus diesem Grund hoffen wir weiterhin, dass auch die Ressortforschungs- einrichtungen der Länderministerien dem Vorbild des Bundes folgen und eine stärkere Evaluation der For- schungseffizienz durchführen. Ulrike Flach (FDP): Im Jahr 1887 begann die Tra- dition der Ressortforschung mit der Gründung der Phy- sikalisch-Technischen Reichsanstalt. In diesen über 100 Jahren hat die deutsche Ressortforschung her- vorragende Arbeit geleistet und großartige Ergebnisse erzielt. Aber – und das gilt für staatliche Forschungseinrich- tungen wie für private Unternehmen – man darf sich auf seinen Lorbeeren nicht ausruhen. Und während die gro- ßen deutschen öffentlich geförderten Forschungsorgani- sationen in den letzten Jahren systematisch evaluiert wurden, ist dies bei der Ressortforschung nicht ge- schehen. Ich meine nicht die Begutachtung einzelner Einrichtungen, sondern eine generelle in- und externe Evaluierung. Dagegen gab es auch bei den Forschungs- einrichtungen wie Max-Planck, DFG etc. zunächst Be- denken. Heute finden Sie niemanden mehr, der die Eva- luierung nicht als Vorteil für mehr Wettbewerbsfähigkeit sieht. Im letzten Jahr flossen 11,3 Prozent aller vom Bund für Forschung ausgegebenen Mittel in die bundeseige- nen Anstalten. Sie hatten 2003 1,2 Milliarden Euro Ge- samtetat, also deutlich mehr als zum Beispiel die MPG. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrates hat zu Recht ge- sagt, es ist „untragbar“, dass Fördermittel in solchem Umfang ohne externe Begutachtung und ohne wettbe- werbliche Verfahren ausgegeben werden. Schon zu Be- ginn der 90er-Jahre hat der ehemalige Forschungsminis- ter Professor Laermann den Versuch unternommen, die Ressortforschung komplett evaluieren zu lassen. Damals gab es großen Widerstand in der Union. Die FDP-Frak- tion hat in der letzten Legislaturperiode einen Antrag zur Evaluierung der Ressortforschung eingebracht. Da hat die jetzige Bundesregierung gesagt: Das machen wir al- les schon. In dieser Wahlperiode haben wir wieder einen Antrag eingebracht. Da haben Sie gesagt: Wir warten die Stellungnahme des Wissenschaftsrates ab. Die ist nun genauso ausgefallen, wie wir erwartet haben. Jetzt fordern SPD und Grüne in einem Antrag, dass der Wissenschaftsrat die Ressortforschungseinrichtun- gen überprüfen möge, aber bitte – so Punkt 4 ihres An- trages – nur exemplarisch. Sie trauen sich nicht, den staatlichen Einrichtungen das zuzumuten, was Sie den anderen Forschungsorganisationen aufgebürdet haben! Wir meinen, die Begutachtung muss intern, extern und so bald wie möglich erfolgen. Der Wissenschaftsrat wäre eine kompetente Organisation für diese Aufgabe, aber ich kann mir auch eine Ausschreibung der Evaluation vorstellen. Sie schlagen vor, die Ressortforschungseinrichtungen sollen zukünftig ein Forschungsprogramm erstellen. Das ist doch die Aufgabe der Ministerien. Wozu machen Sie denn überhaupt Forschungsprogramme im jeweiligen Haushalt? Hier liegt ja gerade der Sinn von Ressortfor- schung, dass klare Aufträge für Forschungsprogramme verteilt werden können. Schauen Sie einmal in die USA, wie dort bestimmte Forschungsschwerpunkte ressort- übergreifend, kohärent und koordiniert „durchgezogen“ werden. Biotechnologie, Nanotechnologie, Sicherheits- forschung – mit massiven finanziellen Mitteln, die wir hier nicht haben, aber eben auch im Rahmen einer klar definierten Aufgabenbeschreibung. Wir wollen Ressortforschung in den internationalen und nationalen Wettbewerb stellen. Aufträge – zumin- dest im nicht sicherheitsrelevanten Bereich – müssen öf- fentlich ausgeschrieben werden. Nur mit mehr Wettbe- werb kann die Ressortforschung auch die Qualität erreichen, die wir brauchen, um ihre Existenz zu recht- fertigen. Wird diese Qualität nicht erreicht, darf man auch nicht davor zurückschrecken, Bundesanstalten auf- zulösen und die Aufgaben an öffentlich geförderte oder private Forschungseinrichtungen zu vergeben. Der Antrag der Union ist umfassender und konkreter. Ich bin froh, dass Sie den Widerstand, gegen den unsere Kollegen in den 90er-Jahren ankämpfen mussten, aufge- geben haben. Und ich hoffe, dass die Regierungskoali- tion endlich den Mut findet, wirklich Qualitätssicherung zu betreiben und nicht nur Bestandssicherung von staat- lichen Einrichtungen. 9060 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 35 und 87 a) (Tagesordnungspunkt 12) Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Nach den An- schlägen von Madrid haben wir heute Abend die erste Gelegenheit, im Plenum über die Bedrohung durch den islamistisch geprägten Terrorismus zu diskutieren. Vo- rausgegangen ist immerhin eine intensive Debatte mit dem Bundesinnenminister gestern im Innenausschuss. Jeder und jede derjenigen unter uns, die sich um die innere Sicherheit kümmern, stellt Fragen und Forderun- gen. Das ist nach der Bluttat von Madrid, nach der Zu- spitzung des Nahostkonflikts in diesen Tagen und nicht zuletzt nach der vorzeitig abgebrochenen Afrikareise des Bundespräsidenten wegen ernst zu nehmender Terrord- drohungen unumgänglich. Aber unter all den Überlegun- gen zur Gefahrenabwehr ist diejenige zum umfassenden Einsatz der Bundeswehr im Innern unseres Landes die untauglichste, und zwar aus sicherheitspolitischen, prak- tischen und gesellschaftlichen Gründen. Das möchte ich kurz darlegen: Der Aspekt betrifft unser Prinzip der Trennung poli- zeilicher und militärischer Aufgaben. Richtig ist, dass der Terrorismus die globale, transatlantische, europäi- sche und nationale Sicherheit bedroht. Das bedingt hohe Wachsamkeit, Qualifikation und Einsatz, kluge Vorsorge und die Demonstration der Stärke, die unser Rechtsstaat aufzuweisen hat. Es bedeutet aber eben nicht die poli- tisch und verfassungsrechtlich gewollte Aufgabenteilung zwischen der Polizei des Bundes und der Länder einer- seits und den Streitkräften andererseits aufzuheben. Seit Monaten kommt aus den Reihen der Union, aus Bund und Ländern, dieser Vorschlag, so als wollten Sie damit unsere nach dem 11. September 2001 beschlossenen Ge- setzespakete toppen und hätten die Patentlösung an der Hand. Jedoch den Eindruck zu erwecken, man könne via Grundgesetzänderung vollkommenen Schutz vor An- schlägen gewähren, die unser Vorstellungsvermögen übersteigen, wäre ein Irrweg. Ich kann nur dringend da- vor warnen. Halten wir fest: Schon nach geltender Gesetzeslage kann die Bundeswehr logistisch-technische Amtshilfe leisten, bei Naturkatastrophen und schweren Unglücks- fällen tätig werden, im Spannungs- und Verteidigungs- fall zivile Objekte bewachen und den Verkehr regeln und die Polizei unterstützen, wenn unsere freiheitlich-demo- kratische Grundordnung gefährdet ist. Eine bestehende Lücke – nämlich die Frage, wie und ob der Verteidi- gungsminister handeln darf, wenn zum Beispiel ein Flugzeug von einem Entführer in eine Bombe verwan- delt zu werden droht – wird mit dem Luftverkehrssicher- heitsgesetz geschlossen. Der zweite Aspekt betrifft die Umsetzung in der Pra- xis. Woher soll die Bundeswehr eigentlich die geschul- ten Kräfte nehmen, die polizeiliche Aufgaben so erfüllen können, wie es zum Beispiel die Polizisten gelernt ha- ben, so etwa beim Personen- und Objektschutz, bei der Koordinierung eines Gesamteinsatzes, bei der mäßigen- den Einwirkung auf Menschen im Fall einer Panik? Das Argument, Soldaten würden Polizeiaufgaben ja auch etwa im Kosovo oder in Afghanistan übernehmen, über- zeugt nicht. Denn dort tut sie es, weil noch keine ausge- reiften Polizeistrukturen vorhanden sind. Das alles gibt es aber in Deutschland – beim Bundesgrenzschutz, bei den Polizeien der Länder. Sollten dort Mängel und Eng- pässe sein, müssen sie auch von den Ländern beseitigt werden. Es geht nicht an, dass die Länder ihre durch Sparmaßnahmen entstandenen Personalprobleme da- durch beseitigen, dass Streitkräfte als Lückenbüßer ein- springen. Und wenn Sie schon uns nicht glauben, hören Sie doch auf das Urteil der Praktiker: des Bundeswehrver- bandes zum Beispiel, der vor einem erweiterten Einsatz im Innern mit schlüssigen Argumenten warnt! Ein dritter Einwand betrifft unser gesellschaftliches Klima. So besorgt viele Menschen auch angesichts der aktuellen Lage sind, wie sehr auch dazu bereit, Unan- nehmlichkeiten wie intensivere Kontrollen, Absperrun- gen, Wartezeiten in Kauf zu nehmen, so deutlich ist auch die Abneigung gegen eine Militarisierung unseres öf- fentlichen Lebens. Panzer vor Parlamentsgebäuden, Sol- daten vor Bahnhofshallen – davor scheuen viele zurück. Und ein lückenloses Bewachungssystem für alle mögli- cherweise gefährdeten Einrichtungen ist nicht zu errei- chen. Wir können Risiken verringern, aber nicht aus- schließen. Und wir sollten den Menschen deshalb auch nicht einen absoluten Schutz vorgaukeln. Reden wir aber auch nicht kaputt, was wir mit den so genannten Anti-Terror-Gesetzen mit erheblichen Kom- petenzerweiterungen und mehr Personal beim Bundes- kriminalamt, beim Bundesamt für Verfassungsschutz, beim Bundesgrenzschutz und beim Bundesnachrichten- dienst mit rechtlicher Handhabe geleistet haben. Der Verfolgungs- und Ermittlungsdruck ist hoch. Mit den bisher getroffenen Maßnahmen ist es immerhin gelun- gen, geplante terroristische Anschläge in der Bundes- republik zu vereiteln. Jetzt geht es darum, unsere in sich gefestigte Sicherheitsarchitektur auf Mängel abzuklop- fen, den Informations- und Datenaustausch zu verbes- sern – in Bund und Ländern, aber auch innerhalb der EU. Wichtig sind Ursachenbekämpfung, Vorbeugung und Voraufklärung. Wir bewegen uns auf dem schmalen Grat zwischen Gefahrenabwehr und Freiheit. Die Prinzipien unseres Rechtsstaates müssen wir wahren. Sonst hätten die Ter- roristen einen Teilerfolg erzielt. Den können und dürfen wir ihnen nicht gönnen. Jürgen Herrmann (CDU/CSU): Die Welt verändert sich. Was vor einigen Jahren, Monaten oder Tagen noch nicht wahrscheinlich erschien, ist heute bereits Realität oder könnte in nächster Zukunft eintreffen. In vielen Be- reichen des täglichen Lebens haben wir uns darauf ein- gestellt und entsprechende Vorkehrungen für diese neuen Herausforderungen getroffen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9061 (A) (C) (B) (D) Was für die Bereiche Wissenschaft, Technik oder Me- dizin selbstverständlich ist, sollte jedoch auch für den Bereich der inneren und äußeren Sicherheit gelten. Be- ginnend mit den Anschlägen auf das World Trade Center in New York bis hin zu den blutigen Anschlägen auf Zi- vilisten in Madrid hat uns bereits vor geraumer Zeit eine Herausforderung erreicht, die ihresgleichen sucht. Daher sind wir jetzt und heute aufgefordert, einen ausreichenden Schutz unserer Bevölkerung zu gewähr- leisten, bei dem es darauf ankommt, dass neben der Ge- fahrenbekämpfung im Ausland ein umfangreiches, lü- ckenloses Sicherheitsnetz aufgebaut wird, das auf die Bedürfnisse unseres Landes zugeschnitten ist. Die Terrorakte in Madrid haben die Diskussion um die Vorstellung möglicher Anschläge in Deutschland be- schleunigt. Ich weise jedoch nochmals ausdrücklich da- rauf hin, dass die CDU/CSU-Fraktion und auch unions- regierte Bundesländer bereits vor diesem schrecklichen Ereignis initiativ geworden sind. Bereits am 5. März 2004, also sechs Tage vor den Anschlägen in Madrid, wurde ein gleich lautender Antrag der Länder Bayern, Hessen, Sachsen und Thüringen auf den Weg gebracht. Ich weise daher die Äußerung der SPD-Fraktion in ihrer Presseerklärung vom heutigen Tag entschieden zurück, dass die Union diesen Antrag aus „parteipolitisch-ideo- logischen Zielen“ eingebracht hat. Durch Ihre Äußerun- gen dokumentieren Sie, dass es Ihnen offensichtlich nicht um den Schutz unserer Bürger geht. Sie versuchen vielmehr, von Ihren unzulänglichen Versuchen abzulen- ken, Deutschland die Sicherheit zu gewähren, die mög- lich wäre. Wir alle sind verpflichtet, neben der Entwicklung ei- nes einheitlichen, effektiven und zukunftsorientierten Gesamtverteidigungskonzeptes Vorsorge für mögliche Schadensereignisse zu treffen. Wir dürfen uns nicht mehr an den Standards der Vergangenheit orientieren, sondern wir müssen den Gefahren der Zukunft begeg- nen und heute handeln. Die CDU/CSU-Fraktion bringt daher am heutigen Tage einen Gesetzesentwurf ein, der dazu beitragen wird, den terroristischen Gefahren der Gegenwart und Zukunft entschieden zu begegnen. Wir sind an einen Punkt gelangt, an dem auch Sie endlich die Zeichen der Zeit erkennen und für eine Verfassungsänderung eintre- ten müssen, die allen Beteiligten zugute kommt. den Menschen in unserem Land und den Entscheidungsträ- gern im politischen, polizeilichen aber auch militäri- schen Umfeld. Mit der Änderung der Art. 35 und 87 a GG soll gewährleistet werden, dass die zu bewältigen- den Aufgaben auf verfassungsrechtlich sicheren Boden gestellt werden. Als die Väter des Grundgesetzes die Artikel in das Grundgesetz aufnahmen, die heute angepasst werden sollen, konnten sie nicht ermessen, wie sich die Welt verändern würde. Der Begriff der asymetrischen Bedro- hung durch Terroristen oder Failed States war nicht be- kannt. Aber schon nach der Hochwasserkatastrophe 1962 in Hamburg war ersichtlich, dass das Grundgesetz den Anforderungen nicht mehr genügte und nachgebes- sert werden musste. Heute sind Parallelen zur damaligen Geschichte feststellbar. Heute stehen wir vor neuen He- rausforderungen, denen wir angemessen entgegentreten müssen. Mit dem vorliegendem Entwurf wird die Einsatzmög- lichkeit der Streitkräfte – im Rahmen eng gefasster ver- fassungsrechtlicher Schranken – ergänzt. War der zivile Objektschutz bisher zum Beispiel im Verteidigungsfall sowie im Fall des inneren Notstandes möglich, soll dies nun auch bei einer terroristischen Bedrohung möglich sein; dies sicherlich nur als Ultima Ratio, denn generell zeichnen Polizei und Grenzschutz für diese Aufgabe ver- antwortlich. Die Streitkräfte sollen und werden nicht als Lückenbüßer für fehlende Länder- oder Bundesressour- cen benötigt, sondern sollen nur dort unterstützen, wo es die Einsatzlage erfordert. Ich nenne hier nur die Bedro- hung einer Vielzahl von Objekten bei einer terroristi- schen Gefährdung oder wenn zum Beispiel Flughäfen weiträumig gesichert werden müssen. Ebenso gilt das natürlich für den Fall, wenn Polizei und BGS aufgrund fehlender Mittel und Fähigkeiten nicht in der Lage sind, ihrem Auftrag nachzukommen. Eine rechtliche Klarstellung durch den Gesetzentwurf erfährt auch der Einsatz der Streitkräfte im Vorfeld eines unmittelbar drohenden Unglücksfalls im Sinne des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG. Ist die Rechtslage bei einem bereits ein- getretenen Unglücksfall unstrittig, so ergeben sich bei ei- nem unmittelbar bevorstehenden Schadensereignis jedoch unterschiedliche Rechtsauslegungen. Die Bundesregie- rung geht heute noch von der strittigen Annahme aus, dass dieser Tatbestand verfassungsrechtlich durch Art. 35 Abs. 2 GG erfasst wird. Da sich auch hier die Gelehrten streiten, sollten im Rahmen der Rechtssicher- heit ausreichende und wie in unserem Gesetzentwurf ge- forderte Veränderung im Grundgesetz vorgenommen werden. Zu begrüßen bei der Veränderung des Art. 35 Abs. 2 GG ist ebenfalls die Einführung des Terminus der Katastrophe, da erstens die Anpassung an das Katastro- phenschutzrecht vollzogen wird und zweitens dadurch auf die Folgen und nicht auf das auslösende Ereignis Be- zug genommen wird. Neben den zuvor genannten verfassungsrechtlichen Änderungen ist sicherlich auch eine Klarstellung bezüg- lich der Einsätze der Streitkräfte auf See und in der Luft erforderlich. Ich möchte daher an dieser Stelle nur noch- mals an Sie appellieren, sich der Auffassung Ihres In- nen- und Verteidigungsministers in Bezug auf eine Ver- fassungsänderung zur rechtlichen Sicherheit wie es auch für das Luftsicherheitsaufgabengesetz angedacht ist, an- zuschließen! Es werden noch viele Veränderungen und Anpassun- gen erforderlich sein, um eine weitestgehende Sicherheit vor terroristischen Anschlägen zu gewährleisten. Wir sollten daher die uns zur Verfügung stehenden Möglich- keiten nutzen. Hierzu zählen mit Sicherheit die Soldatin- nen und Soldaten der Bundeswehr, die mit ihrem Know- how und in Teilbereichen sehr gutem Equipment ein un- verzichtbarer Garant für die Sicherheit Deutschlands sein können. 9062 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Wir alle trauerten vor wenigen Tagen und trauern nach wie vor um die Opfer in Madrid, die durch einen heimtückischen und barbarischen und menschenverachtender Anschlag gewissenloser Terroristen zu Tode kamen. Dies war ein tiefer Schlag, der mitten ins Herz der europäischen De- mokratien traf und der uns in entwaffnender Deutlichkeit vor Augen führte: Der Terrorismus hat jetzt auch West- europa erreicht. Es war aber kein Angriff einer Macht von außen, es waren nicht nur Attentäter, die aus dem europäischen Ausland kamen. An dem Anschlag waren Menschen aus dem eigenen Land beteiligt, die man weder an der Ein- reise nach Spanien hätte hindern noch hätte ausweisen können. Das Einzige, was man machen hätte können, wäre, ei- nen derartigen Anschlag mit genügender Terrorismus- vorbeugung und mit dem Einsatz aller zur Verfügung stehenden Mittel im Vorfeld aufzudecken und ihn so – es bliebe zu hoffen, dass dies gelingt – zu vereiteln. Dies ist freilich ein frommer Wunsch, der leider bereits zu oft nicht in Erfüllung gegangen ist; aber es ist der einzige Weg, der uns zur Verfügung steht, um unser Land vor derart heimtückischen und hinterhältigen Anschlägen weitestgehend zu schützen. Wir sollten jetzt einmal konstruktiv und ohne ideolo- gische Vorbehalte gemeinsam darüber diskutieren, wel- che Mittel uns zur Verfügung stehen, um eine solch um- fassende Terrorismusvorbeugung nachhaltig und im vollen Umfang zu gestalten und welche rechtlichen Ver- besserungen nötig sind. Es steht völlig außer Frage, dass es vorrangig die dem Innenminister des Bundes und den Innenministern der Länder unterstellten Organe sind, die sich in allererster Linie um die Bekämpfung terroristi- scher Gefahren kümmern müssen. Die Polizei steht ohne Zweifel im Mittelpunkt, wenn es um die innere Sicher- heit unseres Landes geht. Dies – das bitte ich die Regie- rungsparteien einmal zur Kenntnis zu nehmen – ist je- dem in diesem Hohen Haus bewusst; niemand hier stellt das nur annähernd infrage. Es steht völlig außer Diskus- sion, dass unsere gut ausgebildeten und hochmotivierten Polizisten das beste Mittel unseres Rechtsstaates sind, sich der Herausforderung, mit der uns der Terrorismus konfrontiert, zu begegnen. Reicht das wirklich aus? – Herr Schily sagt nun schon seit Monaten fast ohne Ausnahmen: „An der Sicherheits- lage in unserem Land hat sich nichts geändert!“ Ich bin mir des Öfteren nicht ganz sicher, ob er eigentlich selbst daran glaubt, was er da den Medien und uns erzählt. Ganz abgesehen von der tatsächlichen augenblicklichen Sicherheitseinstufung ist es das oberste Gebot der Stunde, dass wir uns in vollem Umfang der Terrorab- wehr widmen. Damit meine ich wirklich „in vollem Um- fang“! Dazu gehört ohne Zweifel auch der Einsatz der Streitkräfte. Rot-Grün zieht in jüngster Vergangenheit besonders gerne Vergleiche zu Frankreich. Richten wir doch ein- mal den Blick über die Grenzen und schauen, wie unsere französischen Freunde auf den Terroranschlag in Madrid reagiert haben, wie in unserem Nachbarland Frankreich, das wohl in der gleichen Gefährdungslage sein dürfte, auf den Anschlag in Madrid reagiert wurde. Ohne zu zö- gern wurde noch am selben Tag die Sicherheitsstufe von „gelb“ auf „orange“ erhöht; es wurden 500 Soldaten im Rahmen des Antiterrorplans „Vigipirate“ zur Sicherung der Bahnhöfe und des Nahverkehrs im Raum Paris ab- kommandiert, während bei uns noch diskutiert wurde, ob dieser Anschlag nun eine erhöhte Terrorgefahr darstelle oder nicht. Es ist schlimm genug, dass das überhaupt zur Frage stand; aber ich halte es für maßlos unverantwort- lich, dass die Regierung es nicht für nötig hält, die ohne- hin bei erhöhter Sicherheitsstufe auf Überlast fahrende Polizei durch Einsatztruppen der Bundeswehr zu unter- stützen und so weitestgehend für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Ich frage die Bundesregierung eines: Wollen Sie die Verantwortung übernehmen, wenn die Bürgerinnen und Bürger an Sie herantreten und Ihnen vorwerfen, sie hät- ten nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, nicht alles in Ihrer Macht stehende getan, um solche Anschläge wie in Madrid, die auch jederzeit bei uns stattfinden könnten, zu verhindern? Ich möchte dann nicht in Ihrer Haut ste- cken und zugeben müssen: „Nein, für einen Bundes- wehreinsatz im Inneren, der nur der Sicherheit unserer Bevölkerung hätte dienen sollen, konnten wir – aus wel- chen Gründen auch immer – nicht die nötige Rechts- grundlage schaffen.“ Mir ist Ihre Argumentationslinie bestens bekannt: Sie behaupten, nach gültigem Recht könne bei Not am Mann jederzeit Amtshilfe durch die Streitkräfte geleistet wer- den. Dies gilt nur, wenn bereits Not am Manne ist! Muss es denn dazu kommen, dass auch bei uns die ersten Op- fer zu beklagen sind, weil laut Art. 35 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz die Bundeswehr nur „zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall“ eingesetzt werden darf? Dieser Passus birgt in sich, dass dieser besonders schwere Unglücksfall erst eingetreten sein muss, bevor die Streitkräfte zur Un- terstützung angefordert werden dürfen. Es ist nicht so, dass die Unionsparteien im Schilde führen, das Grundgesetz zu untergraben, um eine „Mili- tarisierung unserer Gesellschaft herbeizuführen“, wie dies der Bundesinnenminister Schily erst kürzlich bei „Sabine Christiansen“ behauptet hat. Gegen diesen Vor- wurf wehre ich mich entschieden und in aller Deutlich- keit! Kein Mensch, schon gar nicht in den Reihen der Unionsparteien, will solche Hirngespinste wie Panzer vor dem Brandenburger Tor, wie sie erst heute wieder im Plenum von Frau Göring-Eckardt vorgetragen wurden. Was wir wollen und was auch unabdingbar erforder- lich ist, ist eine rechtlich einwandfreie und verfassungs- rechtlich absolut wasserdichte Rechtsgrundlage für alle Entscheidungsträger und Verantwortlichen, die in einem Ernstfall terroristischer Bedrohung blitzartig reagieren müssen. Diese Leute haben ein Recht darauf, dass ihre ohnehin schon schwierigen Entscheidungen nicht in ei- ner rechtlichen Grauzone, sondern auf einer absolut glasklaren und unbiegsamen Rechtsgrundlage getroffen werden können. Es kann doch nicht angehen, dass ein Entscheidungsträger im Ernstfall darauf hoffen muss, Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9063 (A) (C) (B) (D) dass seine Entscheidungen erst durch eine mutige Ausle- gung des Grundgesetzes rechtlich einwandfrei sind, wie dies von Herrn Kollegen Wiefelspütz gefordert wurde. Was ist nämlich, wenn die Verantwortlichen, die das Ge- setz im Nachhinein auszulegen haben, plötzlich der Mut verlässt? Auf diese vagen Versprechen kann sich ein Verantwortlicher, der in diesem Moment möglicherweise über die Sicherheit hunderter oder vielleicht sogar tau- sender Menschen entscheiden muss, nicht verlassen. Sie sind mit ihren Ansätzen, die sich im Luftsicher- heitsaufgabengesetz wiederfinden, auf dem richtigen Weg. Wir sind hierbei inhaltlich gar nicht so weit von- einander entfernt, obwohl anzumerken ist, dass gewisse Korrekturen, auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte, einfach nötig sind. Sie vergessen dabei, dass Sie mit diesem Gesetz auf dem Weg sind, einen Konflikt mit dem gültigen Grundgesetz zu riskieren. Auch wir sind der Ansicht, dass den Streitkräften Aufgaben übertragen werden müssen, sobald es sich um Bedrohungen handelt, die die Polizei aufgrund ihrer Ausstattung einfach nicht bewältigen könnte. Dies ist aber nicht nur bei Attacken aus der Luft – nur sie wurden in ihrem Gesetzesentwurf berücksichtigt – der Fall; dies ist auch bei Gefahren von der See her der Fall, bei denen die Polizei nicht mit den adäquaten Mitteln ausgerüstet wäre, um volle Sicherheit für unser Land zu gewähren. Aus genau diesem Grund sieht unser Änderungsantrag die Neufassung des Art. 87 a GG, Abs. 2 explizit vor. Damit würde in diesem Punkt für einwandfreie Rechts- klarheit gesorgt und der Polizei eine umfassende Unter- stützung durch die Bundeswehr zukommen. Die Mittel, die die Polizei zur Sicherung unseres Landes in der Luft und zur See bräuchte, stehen nun einmal einzig und al- lein der Bundeswehr zur Verfügung. Ich muss nun schon fragen, warum diese Mittel auf der ganzen Welt zum Einsatz kommen dürfen, nicht aber, um die Sicherheit im eigenen Land, der deutschen Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Ich kenne auch Ihre Antwort auf diese Frage: Für die Sicherheit im eigenen Land sei nur die Polizei ausgebil- det und nicht die Bundeswehr, die gar nicht in der Lage wäre, polizeiliche Aufgaben zu übernehmen. Fragen Sie bitte einmal Ihren Verteidigungsminister, welche Aufga- ben die Bundeswehr im Afghanistaneinsatz oder auf dem Balkan übernommen hat. Dort fungieren unsere Truppen tatsächlich als Hilfspolizei. Es ist zwar nicht der Wunsch der Union, diese Situation auch im Inneren ent- stehen zu lassen; ich möchte Ihnen aber damit vor Augen führen, dass diese unsäglichen Argumente zur Unfähig- keit der Streitkräfte für einen Einsatz im Inneren einfach nicht stichhaltig sind. Ich fordere Sie daher auf, im Sinne einer wirksamen und effizienten Sicherheitspolitik unserem Antrag zuzu- stimmen und parteiideologische Gräben zu überwinden. Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir alle sind uns in einem Punkt einig: Es ist eine grundlegende Aufgabe des Staates, die Sicher- heit unserer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Unsere Vorstellungen von mehr Sicherheit unterscheiden sich allerdings in ihren kulturellen und gesellschaftli- chen Ansätzen ganz wesentlich von denen der CDU/ CSU. Dies wird gerade in der Frage des Bundeswehrein- satzes im Inneren, aber auch in den gegensätzlichen Konzepten für mehr Sicherheit deutlich. Die Union versucht, Altbackenes aufzuwärmen. Mit der alten Ideologie des starken Staates als Schild und Schwert der wehrhaften Demokratie will sie unser Land vor den Gefahren des globalisierten Terrorismus schüt- zen: Als Erstes sollen neue Uniformen ins Straßenbild. Durch die sichtbare Präsenz von Militär im öffentlichen Raum wollen die Christdemokraten das Sicherheitsge- fühl der Bürgerinnen und Bürger stärken. Als innenpoli- tische Sprecherin meiner Fraktion bin ich fest davon überzeugt: Soldaten mit Waffen und in Uniform auf un- seren Bahnhöfen – möglicherweise mit Panzern davor – schaffen nicht mehr Sicherheit; die Union will sie uns vorgaukeln. In Wirklichkeit entsteht ein Klima der Ver- unsicherung: Die Bevölkerung wird in Angst und Schre- cken versetzt. Die Union fordert eine Übertragung von Polizeibe- fugnissen an die Bundeswehr. Wehrpflichtige sollen zur Polizeireserve der Landesinnenministerien werden. Ich male mir diese Szenerien einmal für die Realität aus. In den Ländern – immerhin 16 an der Zahl, alle mit eigenen Polizeien und Geheimdiensten – gibt es unterschiedliche Beurteilungen der konkreten Bedrohungslage. Herr Beckstein entscheidet sich in Bayern für Bundeswehrpa- trouille am Münchener Hauptbahnhof zu Fuß. Herr Koch in Hessen mag es etwas mobiler: Er lässt die Fahr- zeuge auf den Zufahrtsstraßen zum Flughafen von Bun- deswehrsoldaten durchsuchen. Andere Bundesländer setzen demgegenüber auf den bewährten Einsatz der Polizei. Eine derartige Kleinstaaterei stiftet in der kleinen Bundesrepublik nur Chaos. Eine solche Ideologisierung der Innenpolitik treibt bekanntlich gerade in Wahl- kampfzeiten ihre eigenen Blüten. Ich erinnere nur an das Intermezzo des Herrn Schill in Hamburg. Einen solchen politischen Mummenschanz machen wir nicht mit. Gerade aus den Debatten über das Luftsicherheitsge- setz wissen wir, dass es in zugespitzten Sicherheitslagen geradezu verheerend ist, wenn mit föderaler Engstirnig- keit um Zuständigkeiten gerungen wird und jeder nach Gutdünken Phantomjäger aufsteigen lassen kann. Wir schaffen in diesem Bereich neue Regelungen. Frau Merkel kündigt hierbei jedoch in unverantwortlicher Weise eine Blockade der Union an. Die Bundeswehr hat ihre Aufgaben in der äußeren Si- cherheit. Sie nimmt diese mit großer Verantwortung und mir hohem qualitativen Standard wahr. Wir machen aus der Bundeswehr keine Hilfspolizei, die nach Belieben von Landesinnenministern angefordert werden kann. Dort, wo die Bundeswehr einen sinnvollen unterstützen- den Beitrag im Inneren leisten kann, ist ihr Einsatz schon heute möglich. Wir wollen keine Militarisierung des staatlichen Gewaltmonopols. Wehrpflichtige sind für Durchsuchungen oder gar für den Einsatz von Waffenge- walt im öffentlichen Raum nicht ausgebildet. Die enge Bindung des Polizeirechtes an das Verhältnismäßigkeits- 9064 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) prinzip ist die Grundlage für die Anerkennung des staat- lichen Gewaltmonopols. Unsere Sicherheit nach innen und außen beruht im Wesentlichen auf drei Säulen: Erstes. Die Polizei des Bundes und der Länder ist für die innere Sicherheit im Bereich der Prävention und der Strafverfolgung. Zweitens. Für die äußere Sicherheit ist die Bundes- wehr verantwortlich. Drittens. Die Geheimdieste – der nach innen ausge- richtete Verfassungsschutz und der nach außen ausge- richtete Bundesnachrichtendienst – sorgen für die strate- gische Aufklärung. Ich bin sehr dafür, die jeweiligen Bereiche zu reformieren, Bürokratie abzubauen und Doppelarbeit von Bund und Ländern zu vermeiden. Die- ses geschieht auch durch vielfältige Anstrengungen. Ich hoffe vor allem, dass die Kleinstaaterei der Verfassungs- schutzbehörden endlich überwunden wird. Sie blockiert die Verbesserung der europäischen und internationalen Zusammenarbeit. Wir brauchen – gerade bei der Abwehr des Terroris- mus – ganz gewiss Information Boards. Wir sollten aber tunlichst vermeiden, die Aufgaben von Armee, Polizei und Geheimdiensten miteinander zu vermengen. Alle drei sollten jeweils das tun, wofür sie ausgebildet und ausgestattet sind. Wer die Grenzen verwischen will, stif- tet nur – übrigens gegen den ausdrücklichen Willen der Betroffenen selbst – Chaos und Verunsicherung. Das geht zulasten der Bürgerinnen und Bürger, zulasten ihrer Sicherheit und nicht zuletzt auch zulasten der Bürger- rechte. Trennung von innerer und äußerer Sicherheit ist in unserer Verfassung aus guten Gründen festgelegt. Es gibt keinen vernünftigen Grund, von diesem bewährten Grundsatz abzuweichen. Die Union tut in dieser Debatte so, als gebe es keine weit reichenden Möglichkeiten zum Einsatz der Bundes- wehr im Inland. Das ist schlichtweg falsch: Das Grund- gesetz ist viel vernünftiger und klüger als die Opposi- tion. Schon heute ist der Einsatz der Bundeswehr „bei einem besonders schweren Unglücksfall“ möglich. Dies kann eine durch Naturereignisse oder auch durch Men- schenhand verursachte Katastrophe sein. Die Regelung gilt doch auch für politisch motivierte Anschläge. Es kann doch keinen Unterschied machen, ob beispiels- weise ein Chemiewerk durch eine Verpuffung oder durch einen Anschlag in die Luft fliegt. Genauso wenig kann das Grundgesetz so ausgelegt werden, als müsse erst der Eintritt des Schadensfalls abgewartet werden. War es etwa verfassungswidrig, dass die Bundeswehr im Oderbruch oder bei dem Hochwasser im Sommer 2002 präventiv die Dämme erhöht hat? Hätte sie die Überflu- tung abwarten und erst dann eingreifen dürfen? Wenn Frau Merkel von einem „Extremfall“ spricht, dann weiß sie offensichtlich nicht, dass die Bundeswehr bei einem übergeordneten Notstand oder zur „Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die frei- heitlich demokratische Grundordnung des Bundes“ ein- gesetzt werden kann. Herr Beckstein wird hierbei deutlicher: Er will die Bundeswehr im Objektschutz einsetzen; er will Wehr- pflichtige als Hilfspolizisten einsetzen. Es verwundert mich schon sehr, dass ausgerechnet der Innenminister den Zugriff auf die Bundeswehr fordert; denn er blo- ckiert gleichzeitig bei jeder Gelegenheit den Aufbau ei- ner Bundespolizei. Herr Beckstein ist vom föderalen Ei- gensinn geprägt: Bayern ist das einzige Bundesland, dass sich beharrlich weigert, die Flughafensicherheit in die Bundeskompetenz zu übertragen und besteht auf ei- nen eigenen bayrischen Grenzschutz. Die Debatte über den Einsatz der Bundeswehr im In- neren sollten wir wie zu Beginn der 90er-Jahre beerdi- gen. Sie kommt immer einmal wieder; aber sie wird da- durch nicht besser. Wir wollen keine Militarisierung der Gesellschaft. Wir sind offen für Debatten über die Opti- mierung der Polizeiarbeit. Lassen Sie uns über die Bun- despolizei und ihre Zuständigkeiten streiten. Das ist Aufgabe der Innenpolitik. Dr. Max Stadler (FDP): Die FDP-Bundestagsfrak- tion hat am Dienstag einstimmig ihr Konzept zum Thema innere Sicherheit und Terrorismusabwehr im li- beralen Rechtsstaat verabschiedet. Wir sind der festen Überzeugung, dass die innere Sicherheit im Wesentli- chen mit den schon bestehenden gesetzlichen Instrumen- tarien gewährleistet werden kann, wenn die Sicherheits- behörden optimal personell, technisch und finanziell ausgestattet werden. Nur aufgrund einer Bestandsauf- nahme der nach dem 11. September 2001 beschlossenen Anti-Terrorismus-Gesetze sollten wir über Gesetzesän- derungen sprechen, wenn die Auswertung der Tatsachen ergibt, dass tatsächlich gesetzgeberischer Handlungsbe- darf zur Schließung von Sicherheitslücken bestehen sollte. Es ist legitim, dass gerade nach den Anschlägen von Madrid am 11. März 2004 auch alte Vorschläge noch einmal zur Diskussion gestellt werden. Häufig zeigt aber eine nähere Betrachtung, dass falsche Argu- mente durch ständige Wiederholung nicht besser wer- den. Dies gilt für die Zentralisierungspläne des Bundesin- nenministers und insbesondere für seinen Vorschlag, die Landeskriminalämter in das Bundeskriminalamt einzu- gliedern. Die FDP lehnt dies genauso ab, wie den heute zum wiederholten Male von der CDU/CSU eingebrach- ten Vorschlag, die Bundeswehr verstärkt im Inneren ein- zusetzen. Für uns als Liberale gilt, dass wir bei allen Maßnahmen zur inneren Sicherheit darauf Wert legen, bewährte rechtsstaatliche Grundstrukturen nicht außer Kraft zu setzen. Zu diesen Grundsätzen gehört für uns die klare Trennung der Aufgaben von Polizei und Bun- deswehr. Die Bundeswehr gewährleistet unsere äußere Sicherheit; dies schließt auch die Überwachung des Luftraums ein. Sie ist für polizeiliche Aufgaben nicht ausgebildet und nicht ausgerüstet. Moderne Polizeiarbeit erfordert eine hoch spezialisierte Ausbildung. Man kann nicht die Arbeit von Fachhochschulabsolventen ohne weiteres durch den Einsatz von anderen Berufsgruppen oder etwa von Wehrpflichtigen ersetzen. Aus diesem Grund befinden wir uns in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Zahl der Praktiker aus Bundeswehr Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9065 (A) (C) (B) (D) und Polizei, die ebenfalls an der von uns vertretenen kla- ren Trennung dieser beiden Institutionen festhalten wol- len. Dagegen spricht auch nicht das oft zu hörende Argu- ment, wenn die Bundeswehr im Ausland polizeiliche Aufgaben übernehmen könne, müsse sie dies auch im Inland tun dürfen. Soweit die Bundeswehr im Ausland polizeilich tätig wird, geschieht dies unter Kriegsrecht in Staaten, in denen keine funktionierende Polizei existiert. Diese Situation ist selbstverständlich überhaupt nicht auf die Lage in der Bundesrepublik Deutschland übertrag- bar, sodass dieses Argument nicht zutrifft. Richtig ist allerdings, dass der Polizei möglich sein muss, die Bundeswehr im Einzelfall um Hilfe und Mitar- beit zu bitten. Dies ist sinnvoll und daher längst in der Verfassung geregelt. Nach Art. 35 GG darf die Polizei im Wege der Amtshilfe auf die Mitwirkung der Bundes- wehr zurückgreifen. Diese Regelung reicht unserer Mei- nung nach aus. Im Übrigen wird sich der Innenausschuss des Bun- destages mit einem speziellen Aspekt des Themas am 26. April 2004 in einer Sachverständigenanhörung be- fassen. Sollte – wogegen allerdings gewichtige Argu- mente sprechen – die Zulässigkeit des Abschusses von Passagierflugzeugen in einem Luftsicherheitsgesetz ge- regelt werden, dann muss zugleich entschieden werden, ob für diesen speziellen Fall eine Klarstellung in Art. 35 GG einzufügen ist. Dies wird nach der Einho- lung des Rates von Sachverständigen zu entscheiden sein. Ein praktisches Problem muss ebenfalls noch ange- sprochen werden: Von der Polizei wird immer wieder vorgetragen, dass die Personalkapazitäten insofern nicht richtig eingesetzt werden, als hoch ausgebildete Polizei- beamte die Bewachung von Liegenschaften übernehmen müssen. Man sollte daher darüber nachdenken, ob nach dem Modell von Berlin und Hamburg hierfür speziell ausgebildetes Wachpersonal eingesetzt wird. Auch die- ser Gesichtspunkt zwingt uns somit nicht dazu, einem vermehrten Einsatz der Bundeswehr im Inneren das Wort zu reden. Vielmehr ergäbe sich, wenn man dem Antrag der Union zustimmen würde, schon eine Veränderung der Qualität unseres Staatswesens, wie sie mit einer ständi- gen Präsenz der Bundeswehr im Inneren anstelle der Polizei optisch sichtbar würde. Wir sind der Meinung, dass der terroristischen Bedro- hung mit einer gut organisierten und optimal ausgestatte- ten Polizei und mit der Hilfe der Arbeit unserer Geheim- dienste wirksam begegnet werden kann. Daher wird die FDP den Antrag der CDU/CSU nicht unterstützen. Petra Pau (fraktionslos): Erstens. Die PDS im Bun- destag lehnt den Einsatz der Bundeswehr im Innern ab. Es gibt gute Gründe, bei der Ablehnung zu bleiben, und schlechte Anlässe, anderes zu wollen. Leider sucht und findet die CDU/CSU immer wieder schlechte Anlässe für ihr Begehren; es wird dadurch nicht besser. Das Ge- bot der Trennung zwischen Polizei und Armee hat trif- tige – historische und sachliche – Gründe. Obendrein ist sie im Grundgesetz geregelt. Zweitens. Ich weiß wohl, dass auch das Grundgesetz nicht immer der letzte Stein der Weisen ist. Es ist – so- fern es nicht die Substanz der Demokratie und der Men- schenwürde betrifft – änderbar. Interessant ist allerdings, wann und wo die CDU/CSU bereit ist, Änderungen am Grundgesetz vorzunehmen: Als es um die deutsche Ein- heit ging, lehnte sie jede Reform ab. Als es um die Ein- schränkung des Asyls ging, war sie sofort bereit. Wenn es um mehr Demokratie geht, dann sagt die CDU/CSU immer Nein. Wenn es um die Militarisierung geht, dann ist sie stets vornweg. Allein das lässt schon an ihrer Lau- terkeit zweifeln. Drittens. Das Grundgesetz lässt bereits jetzt drei Aus- nahmen zu, bei denen die Bundeswehr im Innern einge- setzt werden kann. Dabei handelt es sich wohl bemerkt um Ausnahmen. Die CDU/CSU aber will die eng gefass- ten Ausnahmen zum Dauerfall machen, und das mit überaus durchsichtigen Scheinargumenten. So heißt es: „In Afghanistan leisten Soldaten Polizeidienst. Warum sollten sie das nicht auch dürfen?“ Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Ein Fehler im Ausland begründet keinen weiteren im Inland. Viertens. Hinzu kommt: Der Antrag der CDU/CSU öffnet jedem Missbrauch Tür und Tor. Wichtige Hemm- schwellen könnten fallen. Ich kenne niemanden, der sich Panzer in seinem Alltag – auf dem Weg zum Bahnhof oder bei Demonstrationen gegen Sozialabbau bzw. Kriege – wünscht. Genau solche Einsätze sieht aber ihr Antrag vor. Sie wollen einen Freibrief für „drohende Ka- tastrophen oder Unglücksfälle“, also für präventive Ein- sätze. Genau das aber kennt das Völkerrecht – wohl be- dacht – nicht. Wir, die PDS im Bundestag, wollen ihn auch nicht, zumal er ein grundlegender Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit wäre. Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Der Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU erschöpft sich darin, die aktuelle Bundes- ratsinitiative der Länder Bayern, Hessen, Sachsen und Thüringen zu übernehmen. Beide Initiativen gehen auf einen Entwurf Bayerns zurück. Die Regelungsvorschläge sind nicht neu: Bereits nach den Ereignissen des 11. September 2001 hatte Bayern zusammen mit Sachsen einen Gesetzentwurf einge- bracht, der vorsah, dass die Streitkräfte die Polizeikräfte in Ausnahmelagen beim Schutz ziviler Objekte entlas- ten. Der Bundesrat hatte die Initiative zu Recht abge- lehnt. Auch an der Auffassung der Bundesregierung hat sich nichts geändert. Die Verfassung sieht einen Einsatz der Streitkräfte zum Schutz ziviler Objekte bislang aus gu- tem Grund nur im Spannungs- bzw. Verteidigungsfall sowie bei einem inneren Notstand vor, also bei der Be- wältigung schwerster, den Gesamtstaat fundamental be- rührender Ausnahmelagen. 9066 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) Im föderativen System des Grundgesetzes ist die Wahrnehmung originärer polizeilicher Aufgaben Sache der Länder. Wir alle sind uns darüber im Klaren, dass die neuen terroristischen Bedrohungen Bund und Ländern erhebliche Anstrengungen abverlangen. Sie erfordern aber keine Verschiebung der seit langem bewährten Trennlinie zwischen polizeilichen und militärischen Aufgaben. Es kann auch nicht sein, dass der Bund Aufgaben übernimmt, welche die Verfassung den Ländern zuweist und die diese mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln grundsätzlich auch selbst zu erfüllen vermögen. Damit würde den Streitkräften ohne einen zwingenden Grund eine Rolle zugedacht, die sie nach dem System unserer Sicherheitsarchitektur nicht haben sollen. Die Entlastung von Polizeikräften ist kein genügender Grund für eine Verschiebung der Trennlinie zwischen polizeili- chen und militärischen Aufgaben. Die Initiatoren des Entwurfs halten es zudem für er- forderlich, im Grundgesetz klarzustellen, dass die Streit- kräfte nicht nur zur Bewältigung der Folgen einer Kata- strophe oder eines besonders schweren Unglücksfalles, sondern auch bereits zu deren Verhinderung eingesetzt werden dürfen. Diese Frage hat bereits im ersten Durch- gang der Beratungen des Bundesrates zu dem Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben eine Rolle gespielt. Der Bundesrat hat sich in seiner Stellungnahme die verfas- sungsrechtlichen Bedenken Bayerns nicht zu Eigen ge- macht. Der gegenteilige Standpunkt der Bundesregierung ist Ihnen bekannt: Wir sind der Ansicht, dass das Grundge- setz den Einsatz der Streitkräfte bereits dann zulässt, wenn der Eintritt des Unglücksfalls bevorsteht. Lassen Sie uns hierzu den Verlauf der parlamentarischen Bera- tungen zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung ab- warten! Es erscheint wenig zweckmäßig, diese mit der Beratung der vorliegenden Anträge gleichsam vorweg- nehmen zu wollen. Der Vorschlag, Art. 87 a Abs. 2 GG um eine Rege- lung für Einsätze der Streitkräfte aus der Luft und von See her zu ergänzen, erhebt originäre Polizeiaufgaben zu einer neuen Hauptaufgabe der Streitkräfte neben der Er- füllung ihres Verteidigungsauftrags. Für eine derart weit- gehende Umgestaltung unserer Sicherheitsarchitektur sehe ich keinen genügenden Anlass: Für Luftlagen und Lagen innerhalb des deutschen Küstenmeeres haben wir mit Art. 35 GG eine ausreichende verfassungsrechtliche Grundlage, die nicht im Sinne einer neuen Daueraufgabe der Streitkräfte erweitert werden sollte. Damit bewegt sich die Bundesregierung innerhalb der gegebenen Si- cherheitsarchitektur, wonach Gefahrenabwehraufgaben grundsätzlich Ländersache sind. Auf hoher See gelten die Regeln des Völkerrechts. Hier hat grundsätzlich der Bundesgrenzschutz die Maßnahmen zu treffen, zu denen die Bundesrepublik Deutschland nach dem Völkerrecht befugt ist. Die Sicherheitsarchitektur des Grundgesetzes hat sich über einen langen Zeitraum bewährt. Wir alle sind gehal- ten, äußerst kritisch und sorgfältig zu prüfen, ob sie den Anforderungen genügt, die uns die neuen terroristischen Bedrohungen aufzwingen. Ohne einen zwingenden Grund gibt es keinen Anlass, die bewährte Trennlinie zwischen polizeilichen und militärischen Aufgaben zu verschieben. Ich gehe davon aus, dass die neuen Bedro- hungspotenziale keine einschneidenden Veränderungen erfordern. Schon jetzt hält das Grundgesetz ein geeigne- tes Instrumentarium bereit. Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf ei- nes Luftsicherheitsgesetzes hält sich an den Rahmen des Art. 35 GG und füllt ihn lediglich insbesondere im Hin- blick auf Kommandostrukturen und auf das Verhältnis zwischen Bundes- und Landesrecht aus. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Gründung einer Bundesanstalt für Immobilien- aufgaben (BlmA-Errichtungsgesetz) (Tagesord- nungspunkt 13) Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf soll eine neue Bundesanstalt für Immobilienaufgaben geschaffen werden. Sie übernimmt die bisher von der Bundesvermögensverwaltung wahrgenommenen Aufga- ben. Kernaufgabe der Bundesvermögensverwaltung ist die Beschaffung, Verwaltung und Verwertung von Bun- desliegenschaften. Hinzu kommt eine Reihe von immo- bilienbezogenen Dienstleistungen für die Verwaltungs- einrichtungen des Bundes, beispielsweise die forstliche Betreuung der militärisch genutzten Liegenschaften des Bundesministeriums der Verteidigung sowie die Betreu- ungsaufgaben im Rahmen des Aufenthaltes der ausländi- schen Streitkräfte. Mit der Wiedervereinigung war der Aufbau der Bun- desvermögensverwaltung in den neuen Bundesländern verbunden. Er diente der Erfassung und Sicherung des dortigen Bundesvermögens. Dieser Prozess ist weitge- hend abgeschlossen. Da im gesamten Bundesgebiet in- folge der veränderten militärischen Sicherheitslage viele Standorte aufgegeben wurden, standen die Bemühungen zur Konversion dieser Flächen in der Bundesvermögens- verwaltung voran. Zugleich galt es, die Struktur der Bundesvermögens- verwaltung der jeweiligen aktuellen Aufgabenerledi- gung anzupassen und Veränderungen in der Vergangen- heit Rechnung zu tragen. Schon früh dienten moderne Steuerungselemente – wie zum Beispiel Kosten- und Leistungsrechnung – der Erfassung und Bewertung des Verwaltungshandelns. Eingehende Untersuchungen der Arbeitsabläufe und der Vorstellungen der Beschäftigten über mögliche Ver- besserungen führten im Projekt zur Neuordnung des Immobilienmanagements dazu, das gesamte Liegen- schaftsmanagement auf die neuen Herausforderungen vorzubereiten. Es galt, von einer eher mengenorientier- ten Verwertung des Immobilienbestandes auf einen ob- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9067 (A) (C) (B) (D) jektspezifischen, qualitativ hochwertigen Umgang mit der Einzelimmobilie umzustellen. Mit der Umstrukturierung in eine Bundesanstalt des öffentlichen Rechts soll eine leistungsstarke, kosten- günstige und transparente Aufgabenerledigung erreicht werden. Die Bundesvermögensverwaltung wird zu ei- nem modernen auf Immobilien spezialisierten Dienst- leister umgestaltet. Damit folgt die Verwaltung Entwick- lungen in der Privatwirtschaft, in der Immobilien wegen ihrer Werthaltigkeit in Zeiten knapper gewordener Finanzen professionell gemanagt werden. Auch die überwiegende Zahl der Bundesländer hat bereits die Umstrukturierung ihrer Liegenschafts- und Bauverwal- tungen in unternehmerisch geführte Organisationen rea- lisiert. Die neue Bundesanstalt bietet gute Voraussetzungen für ein wertorientiertes, wirtschaftliches und ganzheitli- ches Immobilienmanagement. Sie zeichnet sich durch eine Abflachung der Hierarchieebenen und durch strenge betriebswirtschaftliche Ausrichtung aus. Sie wird nach strategischen Sparten – Portfoliomanagement, Verkauf, Facilitymanagement – organisiert und mit Ergebnisver- antwortung für die jeweiligen Geschäftsbereiche ausge- stattet. Diese Umstellung bedeutet für die Beschäftigten der BlmA, künftig in einem rein marktwirtschaftlich orientierten System eigenverantwortlich zu handeln. Deshalb sind umfangreiche Fortbildungsmaßnahmen in Vorbereitung bzw. bereits eingeleitet. Mit ihnen soll erreicht werden, notwendige Nachqualifikationen her- beizuführen. Damit eröffnen sich Chancen für die Be- schäftigten, mit neuen Kompetenzen bei eigener Ent- scheidungsverantwortung tätig zu werden. Moderne und zukunftsorientierte Arbeitsplätze entstehen und sind aus- zufüllen. Vielfältige Hilfestellungen tragen dazu bei, die notwendige Akzeptanz und Motivation der Beschäftigten zu erreichen. Nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, ist der Erfolg der Umstrukturierung sicher. Die von der Bundesregierung vorgesehene Organisa- tionsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts bietet weitgehende unternehmerische Unabhängigkeit auf der Basis eingesetzter betriebswirtschaftlicher Steuerungs- elemente. Mit Gründung der Anstalt unternimmt der Bund einen weiteren Schritt zur Einführung eines ein- heitlichen Immobilienmanagements. Die BlmA wird in der Lage sein, auch die Verwaltung weiterer Dienstlie- genschaften oder liegenschaftsbezogene Dienstleistun- gen für andere Ressorts zu übernehmen, so wie es auch vom Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsaus- schusses des Deutschen Bundestages gefordert wird. Die Dienstliegenschaften im Geschäftsbereich des Bundes- ministeriums der Finanzen bewirtschaftet die BW übri- gens bereits seit mehreren Jahren einheitlich. Weitere Ausgaben könnten gespart werden, wenn alle an einem Standort vorhandene Dienstliegenschaften des Bundes in ein Flächenmanagement einbezogen würden. Ziel muss es daher sein, durch die neue Gesellschaft alle Liegen- schaften des Bundes zu managen. Hierüber ist im weite- ren Beratungsverfahren zu entscheiden. Dabei kommt dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages eine entscheidende Rolle zu. Die Überführung der Aufgaben und die damit verbun- dene Möglichkeit, der Bundesanstalt das Eigentum an den Liegenschaften aus dem Allgemeinen Grundvermö- gen und dem Ressortvermögen des Bundesministeriums der Finanzen zu übertragen, schaffen die Voraussetzun- gen für einen wertorientierten, wirtschaftlichen und ganzheitlichen Umgang mit der Ressource Immobilie. Die Anstalt wird Rechtsnachfolger der Dienststellen der Bundesvermögensverwaltung. Alle Beschäftigten der Bundesvermögensverwaltung werden von Gesetzes wegen statusgleich auf die Bundesanstalt übergeleitet. Beschäftigte des Bundesministeriums der Finanzen, die in die Bundesanstalt wechseln, werden dorthin versetzt bzw. erhalten neue Arbeitsverträge. Die Bundesanstalt soll von einem Vorstand geleitet werden, dessen Mitglie- der in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis ste- hen. Damit werden die Leitungsstrukturen im Interesse einer wettbewerbsorientierten Unternehmenspolitik an die Leitungsstrukturen der Wirtschaft angenähert. Zu- gleich wird die Möglichkeit eröffnet, auch geeignete Persönlichkeiten aus der Wirtschaft für die Führung der Anstalt zu gewinnen und ihnen die Leitung mit Blick auf eine marktnahe und innovative Aufgabenwahrnehmung befristet zu übertragen. Befürchtungen von Berufsvertretungen und einigen Beschäftigten, bei der neuen Bundesanstalt könnten sich infolge gesteigerter Verkaufsleistungen Personalüber- hänge bilden, müssen einer sorgfältigen Prüfung unter- zogen werden. Die Beschäftigten müssen bei der Um- strukturierung „mitgenommen“ werden, damit auch weiterhin eine hohe Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewährleistet ist. Das ist ein ganz entschei- dender Faktor für ein Funktionieren der neu zu gründen- den Bundesanstalt. Dabei kann der Grundstücksverkauf mittelfristig so geplant werden, dass der durch Abverkäufe eintretende Personalminderbedarf den voraussichtlichen Alters- und sonstigen Abgängen nahezu entspricht. Schon jetzt zeichnen sich zahlreiche Personalwechsel in andere Be- reiche der Bundes- und Bundesfinanzverwaltung ab. Im Übrigen ist die Verkaufsgeschwindigkeit abhängig von der Lage am Immobilienmarkt. Die neue Organisations- form ermöglicht es, hierauf schneller und besser zu rea- gieren. Durch gegebenenfalls kurzfristige Investitionen, zum Beispiel in den entwicklungsfähigen Bestand oder Maßnahmen zur Anentwicklung von Problemliegen- schaften, können stärker als bisher Erträge aus der Ver- wertung von Liegenschaften des Allgemeinen Grundver- mögens gewonnen werden. Im Entwurf des BlmA-Errichtungsgesetzes wird be- stimmt, dass ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Bundesanstalt nicht stattfindet. Damit ist klargestellt, dass der Bund als Gewährträger die Zahlungsfähigkeit der Bundesanstalt sichert. Die Forderung der Gewerk- schaften nach einer ausdrücklichen Regelung der so ge- nannten Anstaltslast wird im weiteren parlamentarischen Verfahren geprüft. Die Arbeitnehmerrechte sind durch die vorgeschlagene gesetzliche Regelung umfassend be- stimmt. Mit den Gleichstellungsbeauftragten, den Perso- nalvertretungen und der Schwerbehindertenvertretung 9068 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) werden zurzeit organisatorische und personalwirtschaft- liche Konzepte abgestimmt, um auch für den einzelnen Beschäftigten den Rahmen auszufüllen, der durch das Errichtungsgesetz vorgegeben wird. Dieser engen und von gegenseitigem Verständnis für die Belange aller Be- schäftigten geprägten Interessenabstimmung möchte ich meine Anerkennung aussprechen. Folgende – auch in der vorliegenden Stellungnahme des Bundesrats – angesprochene Punkte müssen vor ei- ner abschließenden Entscheidung zweifelsfrei geklärt sein: Steuerliche Konsequenzen: Die Frage der Körper- schafts- oder Gewerbesteuerpflicht wird zurzeit durch das Finanzamt Bonn geprüft. Hier ist die verbindliche Auskunft der Finanzbehörde abzuwarten. Wirtschaftlichkeit der BlmA: Bei diesem Punkt ist die Stellungnahme des Bundesrechnungshofes zu beachten. Hierzu verweise ich auf die Ausführungen zur finanziel- len Vorteilhaftigkeit und zur Erreichbarkeit des Haus- haltsziels. Die Frage der Gesamtwirtschaftlichkeit hängt auch sehr eng mit der Klärung der Steuerfragen zusam- men. Da für die Gründung der BlmA der 1. Januar 2005 der optimale Zeitpunkt ist, sollten wir die offenen Fragen ohne Zeitdruck klären. Der Überweisung an die zustän- digen Ausschüsse des Parlaments bitte ich zuzustimmen. Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Der Bun- destag behandelt heute erstmals den Gesetzentwurf zur Gründung einer Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, kurz und einprägsam BImA genannt. Das gesamte Vor- haben kann und muss aus guten Gründen generell in- frage gestellt werden. Vor allern aber ist die konkrete ge- setzgeberische Ausgestaltung der eigenen Intentionen der Bundesregierung an vielen, zu vielen Stellen kritik- würdig. Eine vielleicht richtige Idee, aber handwerklich total verhunzt. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird deshalb diesem Entwurf ihre Stimme nicht geben kön- nen. Warum will die Bundesregierung diese Anstalt grün- den? Was sind ihre Motive, wie gestaltet sie das Verfah- ren, und nicht zuletzt: in welcher Art und Weise wurde bisher mit Kritik, intern wie extern, umgegangen? Bereits diese einfachen, grundlegenden Fragen zei- gen, wie sehr das gesamte Vorhaben auf wackeligen Fü- ßen steht. Viele grundsätzliche Dinge sind noch nicht oder nur unzureichend geklärt. Zahlreiche gewichtige Einwände wurden ignoriert oder, schlimmer noch, sinn- entstellend verdreht. Von einer souveränen Verfahrens- führung kann nicht die Rede sein. Das fängt schon bei der Hektik an, mit der dieses Vor- haben betrieben wird. Nachdem man sich jahrelang mit den Veränderungen unter der Überschrift „NIMBUS“ beschäftigt hatte, schlummerte die Angelegenheit mehr als ein Jahr. Jetzt plötzlich muss alles übers Knie gebro- chen werden. So reichte die Zeit nicht einmal für eine or- dentliche Vorlage, sondern wir müssen uns mit einer „Flatterdrucksache“ beschäftigen. Auch der Beratungs- zeitpunkt ist verräterisch, fast um Mittenacht. Es soll der Vorgang möglichst im Verborgenen abgewickelt werden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Bevor wir uns den einzelnen Aspekten zuwenden, sollte ein kurzer Blick zurückgeworfen werden. Die mit dem Gesetz verfolgte Idee ist so neu nicht. Im Jahre 2000 wurde die G.E.B.B. gegründet und mit vergleichba- ren Vorschusslorbeeren bedacht wie jetzt die BImA. Sie sollte für das Bundesverteidigungsministerium durch „professionelles Management“ Einsparungen für den Bundeshaushalt erbringen. Der damalige Verteidigungs- minister Scharping träumte von einer halben Milliarde D-Mark per annum. Obwohl die G.E.B.B. ein vergleichsweise einge- schränktes Aufgabengebiet hatte, blieb sie weit hinter den Erwartungen zurück, um nicht zu sagen, ein einziges Fiasko. Trotz zahlreicher, millionenschwerer externer Berater und Nachschuss nicht unerheblicher Mittel kommt sie auch nach knapp vier Jahren nicht richtig von der Stelle. Außer Spesen nichts gewesen. Ich möchte mich gar nicht lange mit pikanten Details befassen: Sollte ein dort verantwortlicher Manager auch für eine leitende Funktion bei der BImA im Gespräch sein? Ein zweiter – auch der SPD nicht fern stehender – Geschäftsführer wurde schon in der Presse genannt. Kommt vielleicht noch eine für teures Geld abgefundene Geschäftsführerin zurück? Möchte sich hier vielleicht ein bald im Ruhestand befindlicher hoher Beamter des Finanzministeriums eine lukrative Altersbeschäftigung schaffen? Nicht gerade gute Sterne, unter denen der Start erfolgen soll. Viel wichtiger ist momentan die Frage, wie das Bun- desfinanzministerium eine ähnliche Enttäuschung wie bei der G.E.B.B. vermeiden will. Oder anders gefragt: Haben Minister Eichel und sein Staatssekretär Dr. Overhaus die richtigen Lehren gezogen und manifes- tiert sich das im vorliegenden Gesetzesentwurf? Die Antwort fällt negativ aus. Schon die grundsätz- liche Frage, warum man ausgerechnet die Rechtsform einer Anstalt wählt, die ja gerade bei der Bundesagentur für Arbeit als unzeitgemäß und ineffizient begraben wurde, bleibt offen. Der ganze Entwurf geht zudem von unrealistischen, mitunter utopisch anmutenden Szena- rien aus. Es fällt nicht schwer, viele der präsentierten Zahlen und Annahmen in das Reich der Fabel zu verwei- sen. Entgegen aller gebotenen kaufmännischen Vorsicht und unter Ausblendung des außerordentlich angespann- ten Immobilienmarktes in Deutschland soll die bloße „betriebswirtschaftlich ausgerichtete Aufgabenerledi- gung“ bereits in diesem Haushaltsjahr zu Mehreinnah- men von 11 Millionen Euro im Bundeshaushalt führen! Das ist selbst im günstigsten aller denkbaren Fälle we- gen der zwangsläufig anfallenden Anlaufschwierigkei- ten und Reibungsverluste nicht zu realisieren. Auch hier sei wieder an die G.E.B.B. als warnendes Beispiel erin- nert. Doch damit nicht genug. Laut Gesetzesentwurf soll die Bundesanstalt gegenüber dem Fortbestand der Bun- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9069 (A) (C) (B) (D) desvermögensverwaltung Mehreinnahmen von 1,3 Mil- liarden Euro für den Bund bringen. Zieht man die knapp 100 Millionen Euro ab, die in den ersten vier Jahren an- fallen sollen, so verbleiben für die sechs Jahre ab 2008 über 1,2 Milliarden Euro Zufluss an den Bund! Wie diese wundersame Verachtfachung der Zuflüsse zu- stande kommt, bleibt dem Betrachter verschlossen. Was in den Einnahmen zu hoch veranschlagt wird, ist bei den Ausgaben entschieden zu niedrig angesetzt. Wi- der alle Erfahrung und auch entgegen den bekannten Zahlen aus der Vermögensverwaltung werden die Be- wirtschaftungs- und Bauunterhaltskosten zu niedrig, die notwendige neue Computerausrüstung überhaupt nicht veranschlagt! Eine solche Basis kann nur als unseriös bezeichnet werden. Die Implementierungskosten sind überhaupt nicht berücksichtigt. Im Haushalt haben Sie allein für die IT-Technik 43 Millionen Euro bereitge- stellt. Bei einer Abschreibungszeit von fünf Jahren wer- den die angestrebten Mehrerlöse der ersten Jahre allein hier schon verfeuert. Der geplante Start mit einem Betriebsmittelkredit von 200 Millionen Euro beweist schon, dass Sie selbst nicht von der Wirtschaftlichkeit des Vorhaben ausgehen. Bei einem Zinssatz von 5 Prozent fressen allein Finanzie- rungskosten für diese Darlehen anvisierte Mehreinnah- men im ersten Jahr vollständig und auch in den Folge- jahren noch zur Hälfte auf. Es wird wieder einmal – wie so oft bei Rot-Grün – die Realität ausgeblendet, getarnt und getäuscht. Nehmen wir nur die Kabinettsvorlage. In dem Anschreiben des Bundesfinanzministers heißt es: „Der Präsident des Bun- desrechnungshofes als Beauftragter für die Wirtschaft- lichkeit in der Verwaltung hat sich zustimmend zur Er- richtung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben geäußert und unterstützt die vorgesehene strategische Ausrichtung der Bundesanstalt als unternehmerisch ge- führte Organisation.“ Im Weiteren wird praktisch nur eine positive Einschätzung des Bundesrechnungshofes wiedergegeben. Lediglich wegen der Implementierungs- kosten und wegen der Abführungen in den ersten Reihen gibt es einige kritische Anmerkungen. Dies ist schlicht und einfach falsch und lässt sich nach meiner Ansicht mit der mir vorliegenden Stellungnahme des Bundesbe- auftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung vom 22. Oktober 2003 nicht vereinbaren. Der Präsident des Rechnungshofes hat meine Interpre- tation beim Besuch des Rechungsprüfungsausschusses in Potsdam kürzlich erst bestätigt: Der eben zitierte Satz sei aus dem Zusammenhang gerissen, denn unter anderem wurde das Vorhaben nur für den Fall positiv bewertet, dass alle Liegenschaften des Bundes, also auch die der anderen Ressorts in dieses neuen Management miteinbe- zogen werden. Genau das fehlt aber im Entwurf. Auch nach der bereits erwähnten NlMBUS-Untersuchung ist diese Einbeziehung aber zwingend notwendig. Der zentrale Fehler im Gesetzesentwurf ist der unge- löste Grundwiderspruch zwischen langfristigem, an- spruchsvollen Immobilienmanagement und kurzfristigen fiskalischen Interessen des Bundes. Die beste strategi- sche Planung nutzt nichts, wenn über ihr das Damokles- schwert des chronisch klammen Finanzministers hängt. Nichts dokumentiert aber die Hast und die Kurzsichtig- keit besser als das Eingeständnis, dass die unverzicht- bare Portfolioplanung erst noch zu erarbeiten ist. Das- selbe gilt für die externe Rechnungslegung. Mit „strenger betriebswirtschaftlicher Ausrichtung“ hat das alles nichts zu tun. Aber auch andere Punkte harren noch der Klärung, darunter der so wichtige Punkt der Steuerpflicht für die Bundesanstalt als wirtschaftlichem Eigentümer der Grundstücke. Entgegen der Auffassung der Bundes- regierung sprechen viele Argumente für eine Steuer- pflicht und damit auch dafür, dass bei der Einrichtung Grunderwerbsteuer in hohem Maße anfällt. Damit wür- den alle von Ihnen angenommenen Gewinne aufgefres- sen. Wenn dem aber so sein sollte, sind auch die Interes- sen der Bundesländer tangiert, besonders die des Landes Nordrhein-Westfalen, in welchem der Sitz der Anstalt eingerichtet werden soll. Wir werden genau darauf ach- ten, ob die Bundesregierung hier Herrn Steinbrück im bevorstehenden Landtagswahlkampf entgegen kommt. Der wichtigste Erfolgsgarant, das hat auch die Bun- desregierung eingesehen, sind qualifizierte und moti- vierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hier wurde im Vorfeld viel Porzellan zerschlagen. Man kann nicht ei- nerseits die Bundesvermögensverwaltung für die Straf- fung ihrer Verwaltungsstrukturen und den Einsatz mo- derner Steuerungselemente loben, ihnen andererseits aber die Kompetenz für eine erfolgreiche Weiterent- wicklung ihrer Arbeitsmethoden absprechen. Da passt es ins Bild, dass die Betroffenen in vielen Punkten im Un- klaren gelassen werden, Gesprächstermine kurzfristig abgesagt und wichtige Informationen vorenthalten wer- den. Das schlechte Beispiel der G.E.B.B. lässt grüßen. Es ist eine verhängnisvolle Entwicklung, wenn die zahlreichen konkreten Verbesserungsvorschläge aus den Reihen der Beschäftigten ignoriert oder beiseite ge- wischt werden. Die meisten der auszubauenden Voraus- setzungen wie Dienstleistungsorientierung und Control- ling sind bereits vorhanden und warten nur darauf, genutzt zu werden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht mit ihrer Kritik nicht allein. Der Beauftragte für die Wirtschaft- lichkeit in der Verwaltung, der NIMBUS-Bericht, die Personalvertretungen der betroffenen Behörden und Ein- richtungen sowie nicht zuletzt auch Kolleginnen und Kollegen quer durch die Fraktionen lehnen das Vorhaben BImA und den Gesetzesentwurf ab. Abschließend soll an dieser Stelle noch einmal auf die sehr kritische, im Kern ablehnende Einschätzung des Beauftragten für die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung eingegangen werden. Dieses Urteil ist vor allem deshalb interessant, weil es sich auf Erfahrungen anderer Um- strukturierungsmaßnahmen innerhalb der öffentlichen Verwaltung stützt. Es reicht eben nicht, die Vorschläge nur hinsichtlich der wortgetreuen Übernahme der gesetzlichen Zielset- zung zu übernehmen. Erforderlich ist auch eine inhaltli- che Auseinsetzung mit den Einwänden. 9070 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) Bevor der Entwurf weiter beraten werden kann, müs- sen die wichtigen grundsätzlichen und noch offenen Fra- gen geklärt werden. Dazu gehört: Welche Steuerpflich- ten in welcher Höhe werden durch die Umstellung ausgelöst? Was wird mit der Einbeziehung der Liegen- schaften der anderen Ressorts? Wie kann das Verhältnis mit den Ländern einvernehmlich geregelt werden? Inso- weit ist die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates völlig unzureichend. Ist das Gesetz zustimmungspflichtig? Wie sind die wirt- schaftlichen Auswirkungen im Einzelnen? Dazu müssen endlich Fakten und Formulierungsvorschläge auf den Tisch, damit der Gesetzentwurf auch verantwortlich be- urteilt werden kann. Wir werden beantragen, diese Punkte durch eine Anhörung zu klären. So lange aber diese offenen Fragen nicht eindeutig und positiv geklärt werden, lehnt die CDU/CSU-Bun- destagsfraktion nicht nur den Gesetzentwurf ab, sondern fordert die Bundesregierung auf, ihn zurückzuziehen und neu zu fassen. Er ist so schief, dass er nicht nachbes- serungsfähig ist. Er gehört in den Mülleimer der Ge- schichte. Eine weitere milliardenschwere Fehlplanung kann und darf sich unser Land nicht leisten. Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist in Kernstück unserer rot-grünen Regierungspolitik, das Ziel „Schlanker Staat – schlanke Verwaltung“ zu verwirklichen. Wir gestalten die öffentliche Verwaltung so um, dass Ressourcen zielgerichteter ausgeschöpft und Steuergelder effizienter eingesetzt werden können. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Gründung einer Bundesanstalt für Immobilienaufgaben soll die Bundes- vermögensverwaltung in eine unternehmerisch geführte Bundesanstalt des öffentlichen Rechts umstrukturiert werden. Diese Neuorganisation ist ein Baustein des Pro- jekts „Strukturentwicklung Bundesfinanzverwaltung“. Die Bundesvermögensverwaltung hat in den letzten fünf Jahrzehnten eine wechselvolle Entwicklung durch- laufen. Während in den 50er- und 60er-Jahren zunächst die Abwicklung von Ansprüchen Geschädigter des Zweiten Weltkrieges und danach die liegenschaftsbezo- genen Aufgaben im Zusammenhang mit dem Aufbau der Bundeswehr den Schwerpunkt bildeten, hat sich die Aufgabenstellung insbesondere in den 90er-Jahren durch die Wiedervereinigung und die Aufgabe militärischer Liegenschaften deutlich verändert. Riesige Flächen, im Ganzen rund 452 000 Hektar, wurden dem Allgemeinen Grundvermögen zugeführt. Ziel der Bundesvermögens- verwaltung war und ist es, diese einer neuen Verwen- dung zuzuführen und damit einen Beitrag zur Schaffung von Investitionen und Arbeitsplätzen an den aufgegebe- nen militärischen Standorten zu leisten. Anfang der 90er-Jahre hatte die Bundesvermögens- verwaltung 1693 Kasernenareale, 494 Übungsplätze, 155 Flugplätze, 3144 land- und forstwirtschaftliche Ob- jekte und über 155 000 Wohnungen zu verwerten. Inzwi- schen konnte eine Vielzahl dieser Liegenschaften ver- kauft werden. Dem Bundeshaushalt wurden, dadurch von 1990 bis 2003 rund 19 Millarden Euro zugeführt. Die dreistufige Verwaltungsorganisation der Bundes- vermögensverwaltung wurde in der Vergangenheit mehrfach überprüft. Heute sind noch 38 Bundesvermö- gensämter und neun Bundesvermögensabteilungen vor- handen. Der Personalbestand wurde von 1997 bis 2003 um rund 25 Prozent verringert. Diese Umorganisationsprozesse wurden von moder- neren Arbeits- und Managementmethoden und der Ein- führung betriebswirtschaftlicher Instrumente wie zum Beispiel Kosten- und Leistungsrechnung begleitet. Die Führung durch Zielvereinbarungen sollte zu einer Opti- mierung der Aufgabenerledigung beitragen und eine Kostentransparenz schaffen. Heute ist jedoch eine große Anzahl von Liegenschaften, soweit sie am Markt zu platzieren waren, veräußert. Neue, für Verwaltungszwe- cke entbehrliche Liegenschaften der Ressorts werden kaum noch zugeführt. Das hat zur Folge, dass sich der Aufgabenschwerpunkt der Bundesvermögensverwaltung mehr und mehr auf die Verwertung der weniger markt- gängigen und somit schwer veräußerbaren Liegenschaf- ten verlagert. Derzeit betreut die Bundesvermögensver- waltung noch einen Bestand von rund 37 000 Liegenschaften mit einer Grundstücksfläche von etwa 300 000 Hektar, darunter allein rund 69 000 Wohnun- gen. Von der Bundesforstverwaltung werden zusätzlich 355 000 Hektar aus dem Zuständigkeitsbereich anderer Ressorts, insbesondere des Bundesministeriums der Ver- teidigung, betreut. Aufgrund der beschriebenen Aufgabenveränderungen sowie um den Erfordernissen der Lage der öffentlichen Haushalte gerecht werden zu können, ist nun eine grund- legende und qualitative Neuorganisation der BVV unab- dingbar. Mit einer erneuten Veränderung der Verwal- tungsstruktur, zum Beispiel hin zu einem zweistufigen Aufbau und damit zu flacheren Organisationsstrukturen, würde man das mit einer grundlegenden Modernisierung verfolgte Ziel nicht erreichen. Die Konzentration auf ori- ginäre Aufgaben dient dazu, vorhandene Kernkompeten- zen zu stärken. Mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben wird zugleich der Grundstein für ein einheitliches Liegen- schaftsmanagement des Bundes gelegt. Die BImA wird in Zukunft noch besser die Möglichkeit haben, in der Bundesfinanzverwaltung gewonnene Erfahrungen aus dem Liegenschaftsmanagement auch für die dienstlich genutzten Liegenschaften anderer Ressorts zur Verfü- gung zu stellen. Ich bin als Mitglied des Haushaltsausschusses davon überzeugt, dass durch ein einheitliches Liegenschafts- management prinzipiell Einsparungen im Bundeshaus- halt ausgelöst werden können. Auch die Erfahrungen der Verwaltung des Landes Niedersachsen bestätigen diese Annahme. Wir werden allerdings aufmerksam und fort- laufend prüfen, ob in der neuen, eigenverantwortlichen Unternehmensstruktur die Vorteile der betriebswirt- schaftlichen Arbeitsweise tatsächlich ausgeschöpft wer- den. In einem Jahr, in dem die rund 1 700 Dienstliegen- schaften – Zoll und Oberbehörden – von der BVV verwaltet und bewirtschaftet wurden, konnten im Ge- schäftsbereich des Bundesfinanzministeriums 14 Millio- nen Euro eingespart werden. Dies entsprach 15 Prozent Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9071 (A) (C) (B) (D) der Bewirtschaftungskosten. Durch die Neugründung der BImA werden weitere Effizienzgewinne erwartet. Die Organisationsform einer Bundesanstalt ermög- licht eine Immobilienorganisation, die den schwierigen Herausforderungen des Immobilienmarktes gewachsen ist. Eine schlanke, fachgesteuerte und unmittelbar eigen- verantwortliche Unternehmensstruktur lässt eine be- triebswirtschaftliche Arbeitsweise mit flexiblerem und immobilienspezifischem Einsatz von Finanzmitteln zu. Das Immobiliengeschäft wird zum Kerngeschäft der BImA. Ich sehe darin zahlreiche Vorteile: Eine stärkere betriebs- und marktwirtschaftlich ausgerichtete Arbeits- weise wird geschaffen. Die Möglichkeit der Steuerung durch den Einsatz von betriebswirtschaftlichen Steue- rungs- und Controllinginstrumenten wie kaufmännisches Rechnungswesen wird eröffnet. Durch eine immobilien- und betriebswirtschaftliche Steuerung des Immobilien- bestandes wird das Ziel der sukzessiven Bestands- reduzierung verfolgt. Ein Portfoliomanagement wird eingeführt und eine einheitliche und gezielten Portfolio- strategie verfolgt. Ein sparsamerer Umgang mit der Flä- che wird erzielt. Durch die Übertragung eines definierten Immobilien- bestandes an die BImA wird diese in die Lage versetzt, ihre Ziele und Verpflichtungen weitgehend selbständig zu verfolgen. Als Anstalt mit eigener Bilanz und eige- nem Wirtschaftsplan wird sie die Ergebnisse ihrer Tätig- keit in eigener Ergebnisverantwortung ausweisen. Die vorgesehenen kaufmännischen Systeme sollen der BImA bei der eigenen Standortbestimmung helfen und ihr über genauere Messzahlen ermöglichen, die richtigen wirtschaftlichen Entscheidungen zu treffen. Dabei wird die BImA in weit größerem Maße als bisher entscheiden können, ob und in welchem Umfang sie Teile ihrer Er- löse in entwicklungsfähige Immobilien investiert, um optimalere Ergebnisse zu erreichen. Das fördert Eigen- initiative und Flexibilität und ist daher unbedingt zu be- grüßen. In der neuen Bundesanstalt entstehen somit moderne, zukunftsorientierte Arbeitsplätze. Den Beschäftigten werden interessante und qualifizierte Aufgaben geboten und bessere Qualiflzierungschancen zur Verfügung stehen als in der jetzigen Verwaltungsstruktur. Die Be- diensteten erhalten weitreichendere Kompetenzen mit größeren Entscheidungsspielräumen als bisher. Die Mo- tivation des Einzelnen kann dadurch gesteigert werden, dass eine Offenheit für Veränderungen vorhanden ist. Die neu entstehenden Arbeitsplätze halten einem Ver- gleich mit der Privatwirtschaft stand. Sie bieten die Ar- beitsplatzsicherheit des öffentlichen Dienstes. Die in die Bundesanstalt für Immobilenaufgaben wechselnden Be- schäftigten der BW übernehmen uneingeschränkt die bisher erworbenen beamten- bzw. tarifrechtlichen Be- dingungen des öffentlichen Dienstes. Ich befürworte die Gründung der BImA, da sie dazu beiträgt, die Bundesfmanzverwaltung zukunftsorientier- ter, leistungsstärker und kostengünstiger zu gestalten. Dr. Günter Rexrodt (FDP): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Errichtung einer Bundesanstalt für Immobilienaufgaben will Bundesfinanzminister Eichel ein professionelles Immobilienmanagement betreiben. Dazu soll die bisherige Bundesvermögensverwaltung in eine unternehmerisch geführte Anstalt des öffentlichen Rechts überführt werden, um ein effektives und effizien- tes Immobilienmanagement zu ermöglichen. Aufgabe der Bundesvermögensverwaltung ist die Beschaffung, Verwaltung und Verwertung von Bundesliegenschaften. Diese Immobilien bilden das so genannte allgemeine Grundvermögen. Dieses besteht aus rund 70 000 Woh- nungen, 365 000 Hektar Wald und Hunderten von Gewerbeimmobilien und Investorenobjekten. Bisher werden die Aufgaben von rund 7 000 Mitarbeitern wahr- genommen. Diese sollen auch in der zukünftigen Orga- nisationsform, so der vorliegende Gesetzentwurf, die Aufgaben erledigen. Für die FDP kann ich sagen, dass bei oberflächlicher Betrachtung des Gesetzentwurfs die Zielsetzung einer solchen Organisationsform unterstützenswert wäre. So sprechen Sie in Ihrem Gesetzentwurf von flacheren Hie- rarchien, strafferen Strukturen und einer größeren Effi- zienz, auch bedingt durch die Einführung der kaufmän- nischen Buchführung. Auf diese Art und Weise soll eine höhere Kosten- und Ertragstransparenz erreicht werden. Dieses ist im Grundsatz nicht zu monieren. Doch bei Licht betrachtet, entpuppt sich der Gesetzentwurf als ein Papier mit vielen Unbekannten. Der wahre Grund Ihres Gesetzentwurfs ist meines Er- achtens allein unter fiskalischen Gesichtspunkten zu se- hen. Nach Ihren Berechnungen soll der Staat in zehn Jahren 1,3 Milliarden Euro mehr einnehmen. Doch hier fangen meine Zweifel an. Für die ersten vier Jahre sind Mehreinnahmen von insgesamt 95 Millionen Euro vor- gesehen. Daraus folgt, dass für die verbleibenden sechs Jahre zusätzliche Einnahmen für den Bund von 1,2 Mil- liarden Euro eingeplant sind. Damit basieren die Planun- gen Ihres Hauses auf der Annahme, dass in den sechs Folgejahren ein jährlicher Betrag von 200 Millionen Euro – also dem Achtfachen der Vorjahre – eingenom- men wird. Dies erscheint mir geradezu utopisch. Denn schaut man sich die Veräußerungserlöse der Bundesver- mögensverwaltung in den Vorjahren an, so besteht eine rückläufige Tendenz bei den Einnahmen. Betrugen die Einnahmen aus Veräußerungen im Jahr 2000 noch rund 840 Millionen Euro lagen sie im Jahr 2003 bei 600 Mil- lionen Euro – Soll – und im Jahr 2004 bei 550 Millionen Euro. Nun kann man darüber streiten, ob die rückläufi- gen Einnahmen nur auf eine Verschlechterung der allge- meinen Marktlage zurückzuführen sind. Fakt ist jedoch, dass aus dem Immobilienportfolio durch den Verkauf weiterer Liegenschaften erstens der Bestand immer ge- ringer wird und zweitens die Qualität der Liegenschaften und damit die zu erzielenden Preise in der gewünschten Form nicht mehr zu halten zu sein werden. Es erscheint mir geradezu abenteuerlich, wenn die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegt, der in Zahlen, Berechnungen und Annahmen grundlegend falsch ist. Dies erinnert in unschöner Art und Weise an die vergangenen Haushalte, die regelmäßig im Haus- haltsvollzug wie ein Kartenhäuschen in sich zusammen- fielen und letztendlich nicht das hielten, was sie verspra- chen. 9072 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) Darüber hinaus bleibt noch eine Vielzahl von Fragen offen. Dies betrifft sowohl die Organisationsstruktur als auch den Personalbereich. Die Bundesregierung spricht in ihrem Gesetzentwurf von flachen Hierarchien, führt aber gleichzeitig aus, dass bei der Startorganisation im Wesentlichen alle bisherigen Regionalstandorte erhalten bleiben. Somit käme zu den bisherigen Ebenen – Zen- trale, Hauptstellen, Nebenstellen – noch die Fachaufsicht durch das Ministerium hinzu. Man kann sich des Ein- drucks nicht erwehren, dass hier alte Strukturen und Hie- rarchien lediglich unter einem neuen Dach fortbestehen. Ein wesentlicher Unterschied – und noch dazu ein teu- erer – besteht jedoch: Kam die Bundesvermögensver- waltung bisher mit einem Behördenleiter aus, so werden zukünftig drei Vorstände dem neuen Amt hoch bezahlt vorstehen. Zu klären ist außerdem, welche berufliche Perspek- tive das neue Amt den jetzigen Beschäftigten bietet, wenn beispielsweise in einigen Bundesvermögensäm- tern einhergehend mit dem angestrebten Verkaufstempo Aufgaben wegfallen. Was passiert mit diesen Beschäf- tigten? Ein schlüssiges Personalkonzept ist bisher nicht bekannt. Sie sehen, dieser Gesetzentwurf muss erheblich nach- gebessert werden. Für die FDP kann ich sagen, wir wer- den mit konstruktiven Vorschlägen das weitere parla- mentarische Verfahren begleiten. Ein pflichtgemäßes Abnicken, nur weil der Gesetzentwurf ansatzweise in die richtige Richtung geht, wird es mit uns nicht geben. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Die Berliner Afghanistan-Konferenz – eine neue Chance für mehr Kohärenz und Koor- dinierung beim Wiederaufbau – Fortsetzung des Engagements der Bundesre- gierung für den Wiederaufbau- und Stabili- sierungsprozess in Afghanistan (Tagesordnungspunkt 14, Zusatzordnungs- punkt 5) Detlef Dzembritzki (SPD): Die internationale Af- ghanistan-Konferenz in der nächsten Woche besitzt große Symbolkraft für Afghanistan und die ganze Re- gion. Aber auch für uns ist sie von Bedeutung: Schaffen wir es als Staatengemeinschaft, zusammen eine langfris- tige Perspektive für Afghanistan zu entwickeln? Gelingt es uns, Wiederaufbau und Demokratisierung zu unter- stützen? Oder kapitulieren wir vor den Rückschlägen durch neue Gewaltausbrüche, Morde, organisierte Kri- minalität und Drogenhandel? Ich meine, wir müssen unserer Verantwortung, die aus dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus entsteht, langfristig und nachhaltig gerecht werden. Be- kämpfung des Terrorismus bedeutet nämlich auch, mit der Regierung und der Bevölkerung Afghanistans eine Perspektive zu entwickeln, die über den Moment hinaus- weist. In dieser Haltung scheinen sich die Anträge von CDU/CSU und SPD/BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Afghanistan-Konferenz einig zu sein. Wir alle hier im Hause plädieren dafür, unserer Verantwortung nachzu- kommen. Auch die Forderung im CDU/CSU-Antrag, Kooperation und Koordination auf allen Ebenen zu ver- bessern, um für Afghanistan schneller mehr zu errei- chen, kommt mir auf den ersten Blick durchaus berech- tigt vor. Auf den zweiten Blick jedoch packt mich ein Unbehagen, das ich Ihnen an dieser Stelle erläutern möchte. Mir scheint, dass sich die Damen und Herren der CDU/CSU-Fraktion nicht ordentlich und ausführlich über die Förderung und die Maßnahmen Deutschlands in Afghanistan informiert haben. Auch ist an der Opposi- tion vorübergegangen, an welcher Stelle die einzelnen Ministerien zusammenarbeiten und ihre Unterstützungs- maßnahmen koordinieren. Das Afghanistan-Konzept der Bundesregierung vom Herbst 2003 wurde von den betei- ligten Bundesministerien gemeinsam verfasst, von Aus- wärtigem Amt, BMZ, Verteidigungs- und Innenministe- rium. Ich gehe doch stark davon aus, dass sich die Kollegin und die Kollegen Minister im Vorfeld abge- sprochen und ihre jeweiligen Aufgaben koordiniert ha- ben. In dem Antrag von CDU/CSU werden alle relevanten Problemfelder angesprochen – von „besserer Verzah- nung und Koordinierung“ über „konsequentere Bekämp- fung des Drogenanbaus, Unterstützung der Regierung Karzai, Durchführung von Wahlen, Umsetzung der Ver- fassung sowie der Frauen- und Menschenrechte“ bis zur „Justizreform und der Rückkehrerproblematik“. Allerdings scheint mir der Blick von CDU/CSU al- leine auf das halb leere Glas gerichtet zu sein. Denn wir müssen uns doch – bei aller Kritik – vor Augen führen, dass alles, was sich in Afghanistan bislang in Richtung State- und Nationbuilding entwickeln konnte, lediglich drei Jahre Zeit hatte, um initiiert und durchgeführt zu werden. Für diesen knappen Zeitraum haben wir einiges geschafft! Dies wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht aus dem zivilen und militärischen Bereich Menschen auch aus unserem Land bereit gewesen wären, sich in Afghanistan einzubringen. Wir wissen, dass dies mit persönlichen Risiken verbunden ist. Und daher von die- ser Stelle aus unser Dank für Einsatz und Engagement! Ich möchte an dieser Stelle nicht ausführlich auf unser Engagement im sicherheitspolitischen Bereich eingehen, das unter den Stichworten ISAF und „PRT-Projekt ISAF Insel Kunduz“ allen hier bekannt ist. Aber ich möchte doch noch einmal auf die besondere Komponente des Pi- lotprojekts in Kunduz hinweisen, das sich nämlich neben seiner militärischen Komponente gerade durch eine zi- vile Komponente auszeichnet: Hier findet die ange- mahnte Verzahnung militärischer und ziviler Maßnah- men vor Ort doch statt – und das unter internationaler Beteiligung: Die Schweiz, Ungarn und Belgien haben bereits Soldaten für 2004 zugesagt. Auch die Stärkung der Zentralregierung in der Region, die Vermittlung zwi- schen Zentralregierung und den lokalen Machthabern Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9073 (A) (C) (B) (D) und die Stärkung der örtlichen Verwaltungen durch poli- tische Beratung stehen auf der Agenda der Soldaten. Durch die Bundesregierung wird sichergestellt, dass der zivile Anteil verstärkt werden wird. Gerade diese Aufgaben sind ein wesentlicher Schritt hin zum Aufbau eines funktionsfähigen Staatsapparates. Ich erinnere nur daran, dass die afghanischen Ministe- rien auf Provinzebene oftmals nur durch eine Person ver- treten sind. Dies erschwert natürlich die Umsetzung der Vorgaben und Beschlüsse aus Kabul. Die bislang eher schleppende Vermittlung der Regierungspolitik in die Provinzen kann aber doch nur Schritt für Schritt und da- mit langfristig aufgebaut werden. Dass dies nur in enger Abstimmung mit den Behörden, Menschen und zivilen Helfern vor Ort möglich ist, liegt auf der Hand. Dazu leistet Deutschland einen wichtigen Beitrag. Wegen der brisanten Situation in Afghanistan arbeiten in Kunduz Bundeswehr und Polizei eng zusammen. Nicht zu vergessen sind die Unterstützung der Soldaten beim Aufbau der Wasser- und Elektrizitätsversorgung und die Unterstützung der Arbeit nichtstaatlicher Orga- nisationen vor Ort. Auch in Herat kommt es zur Koope- ration. Hier liegt der Akzent neben der Arbeit der Außenstelle der deutschen Botschaft auf der Entwick- lungszusammenarbeit in den Bereichen Kultur und Bil- dung. Es gibt eine gute Zusammenarbeit mit der Univer- sität Herat – natürlich auch zwischen anderen deutschen und afghanischen Universitäten – und eine medienpoliti- sche Kooperation mit der Deutschen Welle zur Herstel- lung und Stärkung der politischen Öffentlichkeit. Ich nutze die Gelegenheit, um uns alle, aber auch die internationale Gemeinschaft daran zu erinnern, wie wichtig der Schul- und der Ausbildungsbereich sind. Af- ghanistan braucht in absehbarer Zeit qualifizierte Nach- wuchskräfte, die den Aufbau und die Entwicklung ihres Landes in die eigenen Hände nehmen wollen und vor al- lem auch nehmen können. Bildung und Ausbildung sind das Fundament und die Chance zur Versöhnung, zur Qualifikation und für die Nachhaltigkeit des Wiederauf- baus. Dass all die genannten Aufgaben und Maßnahmen verstetigt werden müssen, versteht sich für mich von selbst. Dass aber bereits entwicklungs- und sicherheits- politische Instrumente verzahnt werden, die dann mit den vorhandenen afghanischen Möglichkeiten, aber ge- nauso mit dem europäischen und internationalen Enga- gement und der Arbeit der NGOs abgestimmt werden, muss doch auch einmal positiv hervorgehoben werden! Verbesserungen anzumahnen ist berechtigt und notwen- dig. Es aber zu unterlassen auch auf die Fortschritte hin- zuweisen, die in einem völlig zerstörten Land anfangen sich abzuzeichnen – zerstört von den staatlichen Institu- tionen über die Infrastruktur bis hin zur Zivilgesell- schaft –, halte ich für fahrlässig und unseriös. Noch ein Hinweis auf die Koordination mit den NGOs vor Ort: Auch der CDU/CSU-Fraktion sollte be- kannt sein, dass die staatlich unterstützten NGOs sich bei ihren jeweiligen Botschaften vor Ort melden und da- mit in die Kooperation einbezogen werden. Diejenigen NGOs aber, die nicht von staatlicher Seite gefördert wer- den, können nur zur Zusammenarbeit ermuntert werden. Verordnen kann man diese nicht. Der Name „NGO“ legt ja schon nahe, wo die Grenzen der Einflussnahme von- seiten der Regierungen sind. Ein Aspekt liegt mir noch am Herzen: Beim Aufbau der afghanischen Polizei ist Deutschland „Lead Nation“. Angesichts der Bedingungen und Erfordernisse vor Ort ist es uns gelungen, nicht nur den Polizeiaufbau als Ein- zelaufgabe zu sehen, sondern dies mit der Förderung von Frauen und deren Gleichstellung, aber auch mit dem Aufbau und der Stärkung von Bildung und Ausbildung zu verknüpfen. Auch hier will ich noch etwas konkreter werden, da mir ein Stückchen inhaltliche Nachhilfe für die CDU/ CSU-Fraktion nötig scheint: Die einzelnen Maßnahmen für den Polizeiaufbau können Sie ganz leicht im Internet auf den Homepages der Ministerien nachlesen: Vom zentralen Projektbüro in Kabul, den Polizeitrainingszen- tren in Kunduz und Herat, der arbeitsfähigen Polizeiaka- demie in Kabul bis hin zur Weiterbildung in Menschen- rechtsschutz, Polizeiführung, moderner Polizeitechnik und Verkehrswesen sind alle Maßnahmen aufgelistet. Auch die Unterstützung beim Aufbau von Drogenbe- kämpfungseinheiten sowie der Grenzpolizei sind nach- zulesen. Was mir allerdings besonders wichtig erscheint, auch wenn es nur eine kleine Maßnahme ist, ist unsere Beteiligung an dem Fonds, aus dem die Gehaltszahlun- gen für die afghanischen Polizistinnen und Polizisten si- chergestellt werden. Ich erinnere ausdrücklich daran, wie wichtig reguläre Arbeit und regelmäßiger Lohn für die Menschen in Af- ghanistan ist. Damit können sie einen ersten Schritt in Richtung Normalität machen. Es geht aber auch immer wieder darum, darauf zu achten, dass klare und transpa- rente Verwaltungsstrukturen entstehen, damit Korrup- tion unterbunden werden kann. Es geht also weniger um die großen Gesten als um praktische Unterstützung vor Ort. Eine wichtige Symbolfunktion hingegen hat nun die Aufnahme von Frauen in den Polizeidienst. Damit erhal- ten Frauen eine Funktion, die mit Verantwortung und Stärke verbunden ist. Schritt für Schritt können sie diese dann auch in der Öffentlichkeit ausfüllen. So hat das In- nenministerium nicht nur zwei deutsche Polizeibeamtin- nen in das deutsche Ausbilderteam entsandt, um für Frauen in Leitungsfunktionen öffentliche Akzeptanz zu schaffen, sondern es werden darüber hinaus auch Fort- und Ausbildungsmaßnahmen für afghanische Frauen eingerichtet, damit sie die nötigen Qualifikationen erhal- ten und als Polizeianwärterinnen für die Fachausbildung und den Dienst vorbereitet werden. Damit wird gegen die bedrückende Tatsache gekämpft, dass viele Frauen in Afghanistan, wenn überhaupt, nur über eine Grundschul- ausbildung verfügen. Mit Unterstützung des afghanischen Innenministe- riums und der Polizeiakademie Kabul werden spezielle Schreib- und Lesekurse angeboten: 57 Polizistinnen ha- ben bereits das erste Ausbildungsjahr absolviert – im Vergleich zu den männlichen Kollegen eine kleine Zahl, mit Blick auf die Situation in Afghanistan aber ein erster 9074 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) Fortschritt. So werden beispielsweise die speziellen Re- gistrierungsteams für die anstehenden Wahlen, die Frauen an ihren Wohnorten aufsuchen, von den neu aus- gebildeten Polizistinnen begleitet. Ich denke, die Verzah- nung der Ressorts wird an diesem Beispiel besonders deutlich. Ohne Abstimmung untereinander und vor Ort wären solche Fortschritte nicht möglich. Die Förderung der Hochschulzusammenarbeit, der Medienlandschaft und der Kulturgüter ist Ihnen, so hoffe ich jedenfalls, ebenfalls bekannt. Lassen Sie mich den- noch ein weiteres Kooperationsbeispiel nennen, um die Kritik der CDU/CSU-Fraktion ins richtige Licht zu rü- cken: Auswärtiges Amt, DAAD, Deutsche Welle und einige NGOs haben es gemeinsam geschafft, dass die Deutsche Welle – und das freut mich als Außen- und Ent- wicklungspolitiker besonders – als einziger ausländi- scher Sender das staatliche afghanische Fernsehen mit ei- nem Nachrichtenblock beliefert, der in den Sprachen Dari und Paschtu gesendet wird. Ziel ist eine Ausweitung dieses Projekts auf die Provinzen. In Europa diskutieren wir auf hohem intellektuellem Niveau, wie wichtig eine gemeinsame Medienlandschaft und Öffentlichkeit für die europäische Identität wäre, in Afghanistan arbeiten wir konkret an dieser Vorbedingung für die Demokratie mit. Mir scheint auch dies ein Beispiel für die Chancen zu sein, die in Zusammenarbeit und Koordination liegen. Mir fallen noch viele weitere Beispiele ein, die ich als Mosaiksteine für den Wiederaufbau bezeichnen möchte. Sicherlich fügen sie sich nicht von Anfang an nahtlos in ein großes Bild, mit der Zeit aber werden sie sich anein- ander anpassen. Ich erinnere an das Sonderprogramm, das Frauen in den paschtunischen Stammesgebieten wieder den Zu- gang zu Hochschulen und zum Gesundheitssystem er- möglicht, an Alphabetisierungs-, Computer- und Eng- lischkurse für Frauen sowie Workshops zur Fortbildung afghanischer Juristen. Wir haben noch eine lange Wegstrecke vor uns. Die bevorstehende Konferenz ist ein weiterer Schritt zur Sta- bilisierung Afghanistans. Wir dürfen den Ernst der Lage nicht verkennen oder beschönigen. Wir können aber nur dann neue Dynamik und Kraft in den Wiederaufbau ste- cken, wenn wir uns, trotz aller Rückschläge, immer auch wieder auf die kleinen Erfolge besinnen. Ich plädiere da- für, das halb volle Glas zu betrachten, statt nur die Defi- zite zu sehen. Drei Jahre nach der ersten Petersberg-Konferenz hat Afghanistan eine Regierung und eine Verfassung. Wah- len werden vorbereitet und zumindest die Präsidenten- wahl erscheint in diesem Jahr möglich. Die internatio- nale Gemeinschaft ist bereit und willens, sich weiterhin in Afghanistan zu engagieren – und das in enger Zusam- menarbeit mit der afghanischen Regierung und den Menschen vor Ort. Nutzen wir die Konferenz, um diesen Willen auszudrücken und unsere Unterstützung zu ver- stetigen. Lassen Sie uns aber auch bereit sein, zu akzep- tieren, dass sich in Afghanistan andere Strukturen und Traditionen entwickelt haben als in Deutschland und Europa. Noch ein Wort an die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion: Bei gründlichem Lesen Ihres An- trages drängt sich der Eindruck auf – und ich bedauere, dass es so ist –, dass Sie das sensible und brisante Thema Afghanistan benutzen, um innenpolitisch ein Fass aufzu- machen. Sie wollen Ihre Schelte an den Bundesministe- rien und der Bundesregierung vorbringen. Das Thema selbst tritt in den Hintergrund, die Regierungskritik do- miniert. Verbesserungen in Koordination und Koopera- tion anzumahnen ist Ihre Pflicht als Opposition. Ihr Auf- trag als Opposition beschränkt sich aber nicht auf die Funktion des Kritikers, sondern umfasst ebenso die Auf- gabe, Alternativen aufzuzeigen. Die kann ich in Ihrem Konzept zu Afghanistan nicht erkennen – wie übrigens in kaum einem Ihrer Konzepte. Ich finde das schade; denn ich hätte mir im Vorfeld der Konferenz um der af- ghanischen Sache willen auch ein gemeinsames inter- fraktionelles Papier vorstellen können, das öffentlich aufzeigt, wie ernst es uns als Parlament mit dem Wieder- aufbau in Afghanistan und der Unterstützung von Demo- kratie und Menschenrechten ist. Der Kampf gegen den Terrorismus – und damit möchte ich schließen – bedeutet für uns nicht nur Inter- vention und Ergreifung von Top-Terroristen und Dikta- toren. Dieser Kampf bedeutet eben auch, Verantwortung zu übernehmen, zerfallende und zerfallene Staaten nicht alleine zu lassen. Die Menschen dort brauchen Perspek- tiven, sie brauchen Sicherheit für Leib und Leben und sie brauchen vor allem langfristige Konzepte, die mit ih- nen und im Einklang mit ihrer Kultur und Lebenswelt entwickelt und umgesetzt werden. Diese Verantwortung legt uns die Charta der Vereinten Nationen auf. Nehmen wir diese Verantwortung gemeinsam wahr! Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wir vergessen Afghanistan nicht! Dies ist die zentrale Botschaft der dritten Afghanistan-Konferenz in Deutschland, die nach den erfolgreichen Konferenzen auf dem Petersberg diesmal in Berlin abgehalten werden wird. Die Konferenz verfolgt bewusst einen breiten An- satz: politische, sicherheitspolitische und Wiederaufbau- aspekte werden miteinander verknüpft. Denn die Rück- kehr Afghanistans in die Völkergemeinschaft wird nur gelingen, wenn die internationale Gemeinschaft dieses geschundene Land und seine Bevölkerung weiterhin po- litisch, wirtschaftlich und sozial unterstützt. Dieses Zei- chen soll in Berlin deutlich werden. Diese Botschaft soll von Berlin ausgehen. Zur Berliner Konferenz laden die Regierungen Af- ghanistans und Deutschlands gemeinsam ein. Ganz be- sonders wichtig sind uns aber auch die Aktivitäten am Rande der Konferenz: So wird auch diesmal wieder, ähnlich wie bei den Petersberg-Konferenzen, eine Kon- ferenz für die afghanische Zivilgesellschaft stattfinden. Die Schaffung eines tragfähigen Friedens und der Wie- deraufbau der Gesellschaft sind Themen, die ohne Mitwirkung von Nichtregierungsorganisationen bzw. an- deren zivilgesellschaftlichem Engagement nicht ver- wirklicht werden können. Insofern bin ich „Swiss Peace“ und der Friedrich-Ebert-Stiftung für die Vorbe- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9075 (A) (C) (B) (D) reitung und Durchführung dieser Veranstaltung zu Be- ginn der kommenden Woche sehr dankbar. Die Investorenkonferenz am 30. März, ausgerichtet von BDI und Weltbank, wird ein Großereignis mit 150 deutschen und internationalen Teilnehmern werden. Die angekündigte Teilnahme Präsident Karzais unter- streicht die Bedeutung dieses Treffens. Wichtige Im- pulse versprechen wir uns auch von den Seitenveranstal- tungen, die das UNDP, die Arbeitsgruppe „Sicherheit in Afghanistan“ der G8, der Afghanistan Reconstruction Trust Fund oder die NRO „International Center for Tran- sitional Justice“ ausrichten. Die Achtung und der Respekt der Menschenrechte sind unabdingbar für Wiederaufbau und nachhaltige Ent- wicklung in Afghanistan. Die neue afghanische Verfas- sung hat dafür – bei aller inhaltlicher Kritik an Punkten wie beispielsweise der Definition als „islamische Repu- blik“ – die richtigen Weichen gestellt. Die Gleichberech- tigung von Frau und Mann hat durch sie eine rechtliche Grundlage bekommen. Doch wir alle wissen: Nach wie vor herrschen Straflosigkeit, Diskriminierung und Gewalt in weiten Teilen des Landes. Es geht jetzt um die Umsetzung der Verfassungsnormen in die gelebte Wirk- lichkeit. Es gibt Signale, die hoffnungsfroh stimmen: Bei Beginn des Schuljahres zum afghanischen Neujahr am vergangenen Sonntag wurden 4,2 Millionen Schulkinder registriert, was circa 70 Prozent der Kinder im schul- pflichtigen Alter entspricht. Darunter sind 1,2 Millionen Mädchen. Dies sind Zahlen, die Afghanistan bislang nicht gekannt hat. Die andere Seite sieht weniger gut aus. Die prekäre Sicherheitslage ist offensichtlich. Die Unruhen in Herat, der Tod des Sohns von Ismael Khan, des Luftfahrtminis- ters Mir Wais Sadiq am vergangenen Sonntag haben dies wieder einmal dramatisch vor Augen geführt. Gewalttä- tige Machtkämpfe im Norden und Westen des Landes und islamistischer Terror und dessen Bekämpfung im Süden und Osten Afghanistans rauben dem Land die bit- ter notwendige Stabilität, Stabilität, die auch Vorausset- zung zum Abhalten von fairen und freien Wahlen ist. Wir hoffen, dass die Wahlen des Präsidenten und des Parlamentes noch in diesem Jahr stattfinden können. Die Registrierung der Wähler macht gute Fortschritte. Das Engagement der Völkergemeinschaft drückt sich auch im fortgesetzten Einsatz von ISAF, jetzt unter Füh- rung der NATO, und der Schaffung der so genannten Provincial Reconstruction Teams aus, darunter das unter deutscher Leitung stehende PRT in Kunduz. Morgen wird der UN-Sicherheitsrat über eine Verlängerung des UNAMA-Mandats beraten, die wir nachdrücklich unter- stützen. Afghanistan wird uns noch lange begleiten. Der Auf- bau einer starken Zentralgewalt wird nicht über Nacht zu schaffen sein. Der Respekt vor den Menschenrechten, die Achtung der Gleichberechtigung von Mann und Frau sind rechtliche, aber auch erzieherische Maßnahmen, die Zeit beanspruchen. Deutschland, Europa, die NATO und die Vereinten Nationen stehen im Wort, Afghanistan über diese Zeit zu begleiten. Die Abhaltung von Wahlen werden der nächste Markstein einer langen und – leider vermutlich – langsamen Entwicklung sein. Rückschläge, vor allem, wenn die gewaltige Aufgabe des Kampfes ge- gen den Mohnanbau mit der ihr zukommenden Ernsthaf- tigkeit angegangen wird, werden unabdinglich sein. Sie dürfen uns und vor allem das afghanische Volk nicht ent- mutigen. Harald Leibrecht (FDP): Der Wiederaufbau und die Stabilisierung Afghanistans sind trotz mancher Fort- schritte auch nach zweieinhalb Jahren alles andere als in trockenen Tüchern – leider. Die Afghanen selbst, Präsident Karsai, seine Regie- rung und die engagierten, mutigen Mitglieder der Loya Jirga haben beeindruckende Anstrengungen unternom- men, um in dem leidgeprüften Land den friedlichen Neuanfang zu schaffen. Aber die Wunden der Vergan- genheit sind tief, die Strukturprobleme enorm, die ver- feindeten, auf ihre Eigeninteressen bedachten Warlords sind zu mächtig, die Wirtschaft des Landes ist noch viel zu sehr vom Drogenanbau abhängig. Deshalb wird die internationale Staatengemeinschaft noch lange Zeit in der Verantwortung bleiben und den Afghanen weiter Un- terstützung bei ihrem Neuanfang geben müssen. Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt daher, dass in der kommenden Woche hier in Berlin eine weitere inter- nationale Afghanistan-Konferenz stattfindet, bei der im Zusammenwirken zwischen den Afghanen und ihren in- ternationalen Partnern weiter an der Zukunftsgestaltung des Landes gearbeitet werden soll. Wir haben schon im Herbst letzten Jahres eine neue Afghanistan-Konferenz gefordert. Das wurde damals von Außenminister Fischer abgelehnt mit der Bemerkung, man müsse erst die Er- gebnisse der letzten Petersberger Konferenz umsetzen und die Wahlen in Afghanistan durchführen. Jetzt hat Herr Fischer offensichtlich eingesehen, dass der Wieder- aufbauprozess in Afghanistan einen neuen internationa- len Anschub und vor allem eine bessere Koordinierung benötigt. Die Abstimmung von Sicherheits- und Entwicklungs- maßnahmen läuft bislang alles andere als rund. Die Ver- wendung internationaler Hilfsgelder muss viel besser koordiniert und wesentlich effizienter werden. Bei der für den Neuanfang Afghanistans ganz zentra- len Bekämpfung des Drogenanbaus fehlt es bislang an wirkungsvollen Konzepten. Frau Wieczorek-Zeul hat angekündigt, dieses Thema auf der Konferenz bis hin zur Zerstörung von Opiumanbauflächen „massiv“ ange- hen zu wollen. Wir sind wirklich gespannt, wie die Bun- desregierung das gerade in der wichtigen Anbauregion Kunduz tun will. Vor allem aber muss die Bundesregierung endlich al- les daransetzen, ihr mit der Kunduz-Mission gestartetes Konzept für „Stabilitätsinseln“ jetzt wirklich in die Tat umzusetzen. Von den in Aussicht gestellten weiteren In- seln in anderen Landesteilen – deren Aufgabe es ja auch sein soll, die Wahlen mit vorzubereiten – ist bislang weit und breit nichts zu sehen. Doch von unseren Bundes- wehrsoldaten und den zivilen deutschen Helfern in Kun- duz allein wird Afghanistan ganz sicher nicht stabilisiert 9076 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) werden. Da bedarf es ganz anderer internationaler An- strengungen. Präsident Karsai hat heute angekündigt, dass die für Juni geplanten Wahlen auf September verschoben wer- den. Das ist angesichts der Tatsache, dass bisher nur 10 Prozent der Wähler registriert sind, sicher sinnvoll. Die Berliner Afghanistan-Konferenz muss ein Erfolg werden. Die rot-grüne Bundesregierung hat in ihren Be- mühungen, einen effektiven deutschen Beitrag zur welt- weiten Krisenbewältigung zu leisten, stark – manche meinen: zu stark – auf die Afghanistan-Karte gesetzt. Deswegen steht jetzt nicht nur die Zukunft Afghanistans, sondern auch ein gutes Stück Glaubwürdigkeit der deut- schen Außenpolitik auf dem Spiel. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Initiative des Euro- päischen Parlaments, des Europäischen Rates und der UNO zur Förderung des Sports nach- haltig unterstützen (Tagesordnungspunkt 15) Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Heute ist ein beson- derer Tag in der Historie des Sports: Heute, am 25. März, wird das Olympische Feuer für die Sommer- spiele in Athen entfacht und damit der größte Staffellauf der olympischen Geschichte gestartet. Genau vor 108 Jahren, am 25. März 1896, begannen die ersten Spiele der Neuzeit in der griechischen Hauptstadt. Mit dem Motto des Fackellaufs – „Gebt die Flamme weiter – vereinigt die Welt“ – werden wir auf den sportlichen Hö- hepunkt im August dieses Jahres in Athen eingestimmt. Das Jahr 2004 ist in jeder Hinsicht ein Sportjahr: Die Olympischen Sommerspiele, die Paralympics und natür- lich die Fußballeuropameisterschaft in Portugal sind die herausragenden Ereignisse. Weitere Weltcups und Meis- terschaften versprechen spannende Wettkämpfe. Bereits stattgefunden haben die Handball-EM in Slowenien und die Biathlon-WM in Oberhof. In diesen Tagen werden Medaillen vergeben bei der Eiskunstlauf-WM in Dort- mund. Die Eishockey-WM in Tschechien folgt ebenso wie viele andere Championate. Diese große Zahl von Wettkämpfen zeigt: Der Sport steht nicht am Rande, son- dern er ist für die Aktiven wie für die Helfer, für mehrere Milliarden Zuschauende und Fans rund um den Globus die schönste Nebensache der Welt. Die internationale Politik unterstützt den Sport mit zwei Prädikaten: mit dem Europäischen Jahr der Erzie- hung durch Sport 2004 und dem UNO-Jahr des Sports 2005. Die Zielrichtung beider Mottos ist ähnlich: Der Sport soll auf verschiedenen Ebenen der Gesellschaft ge- fördert und seine positive Wirkung in ihr verankert wer- den. Es ist schön und gut, dass die FDP mit ihrem Antrag noch einmal ausdrücklich die Unterstützung dieser Initi- ativen fordert. Die Liberalen haben allerdings noch nicht mitbekommen, wie sportlich die rot-grüne Bundesregie- rung ist und dass sich ihre Vorstellungen im Regierungs- handeln bereits heute wiederfinden. Wenn die nachhal- tige Unterstützung gewünscht wird – nachhaltig muss ja gegenwärtig alles sein –, so kann man nicht genug beto- nen: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, der Sport ist an sich und für uns nachhaltig. Im Sport lässt sich vieles lernen, was man auch im übrigen Leben gut gebrauchen kann. Gerade deshalb setzen wir, die Sozial- demokraten, uns so intensiv für den Sport ein. Ich will Einiges näher erläutern: Vor gut einem Jahr, am 6. Februar 2003, haben das Europäische Parlament und der Europäische Rat einen gemeinsamen Beschluss gefasst: Die breite Öffentlich- keit soll auf die Bedeutung des Sports in der Erziehung aufmerksam gemacht werden. Damit war das „Europäi- sche Jahr der Erziehung durch Sport 2004“ geboren. Heute, wo die große EU-Erweiterung um zehn weitere Länder ansteht, wird ein alle Mitgliedstaaten verbinden- des Element in den Vordergrund gestellt. Es ist eine großartige Sache, dass die Europäer ihre gemeinsamen Werte wie Toleranz, Fairplay, Teamgeist, Solidarität und Respekt vor die anderen, die insbesondere den Sport kennzeichnen, stellen und sie fördern. Dies gewinnt ge- rade vor dem Hintergrund der vielen schon genannten sportlichen Großereignisse, die zusätzlich 2004 auf eu- ropäischem Boden stattfinden, an Bedeutung. Der Sport spielt für viele Menschen in Europa eine große Rolle. Dennoch wurde dieses Thema in den Ver- trägen der EU nicht behandelt. Nach langen Bemühun- gen insbesondere unserer Bundesregierung, die bereits 1999 während der deutschen Ratspräsidentschaft ange- regt hatte, die Belange des Sports bei der Fortentwick- lung des EU-Vertragsrechts stärker zu berücksichtigen, ist es nun gelungen, Europa und Sport zusammenzubrin- gen. Im Entwurf der EU-Verfassung heißt es in Teil III, Kapitel V, Abschnitt 4: „Die Tätigkeit der Union hat fol- gende Ziele: Entwicklung der europäischen Dimension des Sports durch Förderung der Fairness bei Wettkämp- fen und der Zusammenarbeit zwischen Sportorganisatio- nen sowie durch den Schutz der körperlichen und seeli- schen Unversehrtheit der Sportler, insbesondere junger Sportler“. Die Regierungsfraktionen werden sich darü- ber hinaus für die zusätzliche Aufnahme des Schutzes der Autonomie des Sports und seiner ehrenamtlichen Struktur einsetzen. Europa lebt von Bürgernähe und muss für die Men- schen erlebbar sein. „In der Gewissheit, dass Europa, in Vielfalt geeint, ihnen die besten Möglichkeiten bietet, unter Wahrung der Rechte des Einzelnen und im Be- wusstsein ihrer Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen und der Erde dieses große Abenteuer fort- zusetzen [...]“, so heißt es in der Präambel der Verfas- sung. Der EU-Konvent hat deutlich gemacht, dass es auf die Menschen und ihr Engagement ankommt. Wir brau- chen zwar auch transparente Strukturen, die dafür sor- gen, dass die Entscheidungen der EU demokratisch bes- ser legitimiert und von allen besser verstanden werden, aber ohne den Einsatz füreinander ist alles andere unbe- deutend. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9077 (A) (C) (B) (D) Gerade der Sport lebt vom bürgerschaftlichen Enga- gement. In den 15 EU-Mitgliedstaaten gibt es mehr als 700 000 Sportvereine. Von den circa 2 Millionen Leh- rern, Trainern und Mitarbeitern sind die meisten auf eh- renamtlicher Basis tätig. Ohne die große Einsatzbereit- schaft in den Sportvereinen und Verbänden wären weder Breiten- noch Spitzensport möglich. Auch die zahlrei- chen Projekte im „Europäischen Jahr der Erziehung durch Sport“ zeigen dieses vielfältige Engagement der Zivilgesellschaft. „Move your body – Stretch your mind“, auf deutsch „Beweg Dich – für Deine Zukunft“ – dieser Leitspruch des „Europäischen Jahres der Erziehung durch Sport“ bringt für 2004 in diesem Bereich der EU mit all seinen Facetten in Form eines Wettbewerb auf höchstem Ni- veau, aber auch als erzieherisches und soziales Instru- ment einen frischen Impuls. Es ist gut, dass man die aktuelle bildungspolitische Debatte in Deutschland nicht führen kann, ohne den Sport zu berücksichtigen. Gerade Ganztagsschulen er- möglichen erfolgreiche Partnerschaften mit den Sport- vereinen vor Ort. Die Befähigung zur aktiven Teilhabe an Bildung und Arbeit liegt uns Sozialdemokraten be- sonders am Herzen. Wir sehen im Sport auch ein Schlüs- selelement zur Bekämpfung von Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung und zur Förderung der Chancen- gleichheit der Geschlechter. Sport in jedem Lebensalter schafft die Gelegenheit zu lebenslangem Lernen. Die Mobilität, auch über unsere nationalen Grenzen hinweg, lässt sich durch Austauschmaßnahmen und Projekte von Sportverbänden und -vereinen steigern. Alle Generatio- nen werden profitieren; das Verständnis füreinander wird gestärkt werden. Die sozialdemokratische Bildungsmi- nisterin Edelgard Bufmahn hat zu Recht bei der Eröff- nungsfeier des Europäischen Jahrs der Erziehung durch Sport den französischen Philosophen und Pädagogen Rousseau zitiert: „Das große Geheimnis der Erziehung besteht darin, dass die Übungen des Geistes und des Körpers ein- ander wechselseitig entspannen.“ Nicht umsonst haben wir dieses Europäische Jahr ge- rade in Leipzig eröffnet. Die rot-grüne Bundesregierung macht damit ihre tatkräftige Unterstützung der Olympia- bewerbung deutlich. „Beweg Dich – für Deine Zukunft“, könnte man auch als Motto für die Arbeit der Regie- rungskoalition bezeichnen. Wir setzen uns für die not- wendige Erneuerung unseres Landes ein und schaffen die Grundlage dafür, dass Wohlstand und soziale Ge- rechtigkeit erhalten bleiben. Werte und Ziele für unser Land – der Sport macht's vor. „Sport tut Deutschland gut“ – die Kampagne des Deutschen Sportbundes weist auf die gesellschaftspoliti- sche Orientierung, die der Sport gibt, hin. Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine Regierung haben dies von Anfang an sowohl in ideeller als auch finanzieller Hin- sicht gefördert. Das Berliner Manifest des deutschen Sports macht deutlich, dass der Sport Menschen zusam- menführt, in Bildung, Freizeit und Arbeit hineinwirkt und nicht zuletzt ein wichtiger Faktor der Gesundheits- förderung ist. Auch der Gesundheitssport bleibt auf der Tagesord- nung des Deutschen Bundestages. Wir Sportpolitiker von SPD und Bündnis 90/Die Grünen wollen die De- batte um ein Präventionsgesetz weiter voranbringen. Die Erarbeitung eines solchen Gesetzes haben wir in der Ge- sundheitsreform bereits festgeschrieben. Mit der geplan- ten öffentlichen Anhörung am 28. April wollen wir dazu neue Anstöße erfahren und geben. Den gesunden Sport will auch das von der UNO-Ge- neralversammlung am 3. November 2003 ausgerufene „International Year of Sport and Physical Education 2005“ fördern. Adolf Ogi, der Sport-Sonderbeauftragte der UNO, hat die Sportresolution maßgeblich initiiert. Darin wird überzeugend dargestellt, dass der Sport zur Entwicklung und zur Friedensförderung und damit zu ei- ner besseren Welt beitragen kann. Dort heißt es, Sport sei eine wichtige Nahrung für das Gemüt. Allerdings warnt die Resolution auch vor den negativen Aspekten des Sports wie Doping. Mit dem UNO-Jahr des Sports wurde zugleich eine zweite Sportresolution von Griechenland auf den Weg gebracht. Der Gastgeber der Olympischen Spiele fordert, während der sportlichen Wettkämpfe solle weltweit kein Krieg geführt werden. Der Aufruf zur internationalen Waffenruhe ist nicht neu: Schon in der Antike wurde Zu- schauern und Athleten die unversehrte Anreise zugesi- chert und der Waffengang gegen die Ausrichter der Spiele verboten. In unserer Zeit wurde daraus das Be- streben abgeleitet, weltweit die Waffen schweigen zu lassen. Leider hat sich dieser Frieden stiftende Gedanke nicht immer durchgesetzt. Es sei nur an das schreckliche At- tentat in München 1972 und an das in Sarajewo 1984, als eine Mörsergranate viele Menschen auf dem Marktplatz tötete, erinnert. Auch während der Winterspiele 2002 in Salt Lake City ließ sich Präsident Bush nicht dazu bewe- gen, das Bombardement Afghanistans auszusetzen. Wenn im August unsere Sportler um Medaillen ringen, können sie dies in einer – hoffentlich – friedlichen Um- gebung tun. Hätte Gerhard Schröder nicht vor einem Jahr mit einem vehementen Nein zum Irakkrieg reagiert, wäre das Thema der Aussetzung der Kampfhandlungen während der Spiele auch für uns Deutsche virulent, denn CDU und CSU wollten bekanntermaßen deutsche Solda- ten an Euphrat und Tigris entsenden. Das olympische Feuer, das heute für Athen in „good old Europe“ entzündet wurde, wird erstmals auch nach Afrika und Südamerika getragen und alle bewohnten Kontinente besuchen. Die weltumspannende Kraft des Sports und die Einsicht, dass er, so Ogi, „die wirkungs- vollste und billigste Waffe im Kampf um eine bessere Welt ist“, hilft, große Teile der Gesellschaft dafür zu sen- sibilisieren, dass die globalen Probleme uns alle ange- hen. In Beethovens „Ode an die Freude“. – Sie ist heute die Hymne der EU – heißt es: „Alle Menschen werden Brüder, wo Dein sanfter Flügel weilt.“ Hier schließt sich der Kreis. Deshalb sei noch einmal an das Motto des olympischen Fackellaufs erinnert: „Gebt die Flamme weiter – vereinigt die Welt“. 9078 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) Peter Letzgus (CDU/CSU): Fast jeder dritte Ein- wohner unseres Landes ist Mitglied einer der fast 90 000 Sportvereine. Dies stellt einen Organisationsgrad dar; für den unser Land weltweit bewundert wird. Dennoch ist die öffentliche Aufmerksamkeit durch mediale Inszenie- rung auf eine kleine Auswahl von Sportarten, Spitzen- leistungen und Spitzensportler beschränkt. Die wahre Bedeutung unserer Sportvereine, ihr gesellschaftlicher Beitrag für unser Gemeinwesen, erfährt zu wenig Auf- merksamkeit. Die Initiative „Europäisches Jahr der Erziehung durch Sport 2004“ will die Aufmerksamkeit auf die Arbeit der Vereine lenken. Sie will die gesellschaftliche Bedeutung des Sports herausheben und dessen soziale Kompetenz stärken, die Voraussetzung für den Zusammenhalt einer Gemeinschaft ist. Solidarität, Fairplay, Teamwork und Toleranz werden im Sport praktiziert; sie sind Grundelemente des Sports. Mein Kollege Riegert hat schon angedeutet: Erziehung und erzieherische Werte sind im Sport selbst angelegt und werden im Sport und durch Sport in der Regel spie- lerisch erlernt und erfahren. Erziehung im Sport erfährt durch Sport selbst seine Begründung; und zwar ohne er- hobenen Zeigefinger. Sport erzieht mehr als andere Me- dien zur sozialen Kompetenz, weil sich Sport in der Re- gel in der Gemeinschaft abspielt. Ich stelle dies anhand einiger Beispiele heraus: Wenn wir heute eine zunehmende Gewaltbereitschaft von Kin- dern und Jugendlichen in ganz Europa erkennen, dann ist dies ein verheerendes Zeichen. Kinder und Jugendli- che akzeptieren oft gesellschaftliche Vereinbarungen nicht, sie rebellieren, sie randalieren, egal was die Ursa- chen und Umstände sein mögen. Fest steht – dies belegen Studien –: Kinder und Ju- gendliche aus Sportvereinen neigen weitaus weniger zur Gewaltbereitschaft. Sie haben frühzeitig in der Gemein- schaft erlebt und erfahren, Regeln anzuerkennen und zu respektieren, sich in demokratische Verhaltensweisen zu üben, sich in ein Mannschaftsgefüge einzuordnen, Leis- tung zu erbringen und Anerkennung zu erfahren. Sie ha- ben gelernt, zu gewinnen und zu verlieren, Verantwor- tung – für sich und für andere – zu übernehmen. Leistung gibt Selbstvertrauen, fördert die Persönlich- keitsentwicklung und erzieht zu Toleranz und Fairplay. Diese soziale Kompetenz schränkt die Gewaltbereit- schaft ein. Der Sport nimmt damit in herausragender Weise eine Aufgabe wahr, die wenig Beachtung findet. Sportvereine haben eine hohe Integrationskraft. Vier von fünf Heranwachsenden sind im Verlauf ihrer Kind- heit und Jugend Mitglied in einem Sportverein. Während die Integrationskraft anderer Institutionen stagniert und rückläufig ist, nimmt sie im Sport weiter zu. Unsere Vereine leisten eine hervorragende Arbeit bei der Zusammenführung unterschiedlicher Gruppen. Die Integration ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger vollzieht sich im Sport nahezu reibungslos. Wir haben uns im Sport praktisch daran gewöhnt, dass viele unserer Leistungsträger ausländische Mitbürgerinnen und Mit- bürger sind. Aber auch in der täglichen Vereinsarbeit der Sportvereine fallen ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht auf. Durch Sport, über Leistung, erfah- ren sie Anerkennung, im Miteinander tauscht man Ge- wohnheiten, Sitten und Gebräuche aus und lernt, damit wie selbstverständlich umzugehen. Sport kennt keine Sprachbarrieren: Er ist international und grenzüber- schreitend. An dieser Stelle darf an die hervorragende Rolle des Sports bei der Wiedervereinigung beider deut- scher Staaten erinnert werden: Es waren Sportler aus Ost und West, die als Erste aufeinander zugingen und so mit ihrer unkomplizierten, offenen Art mithalfen, Barrieren auf beiden Seiten abzubauen. Unsere Gesellschaft wird älter. Immer mehr ältere Menschen treten Sportvereinen bei, um sich fit zu halten, aber auch um Anschluss zu halten, Kommunikation zu finden, auch und gerade mit jüngeren Menschen. Es ist eine ganz wichtige Funktion, die der Sport hier leistet; sie wird – da brauchen wir uns nur die demographische Entwicklung in unserem Land anzusehen – immer mehr Bedeutung bekommen. Wir kümmern uns um die Integration behinderter Menschen. Behinderte Menschen wollen nicht bemitlei- det, sie wollen wie jeder Nichtbehinderte behandelt wer- den. Im Sportverein gehört der Umgang mit behinderten Menschen zur Selbstverständlichkeit. Wer sieht, mit welch eisernem Willen, mit welcher Begeisterung sie ihre Behinderung angehen und überwinden, durch Sport Lebensmut schöpfen, der wird ihnen die Anerkennung nicht verweigern können, auch nicht außerhalb des Sports. Immer mehr Behinderte nehmen heute am akti- ven Leben unserer Vereine teil und lernen durch Sport, ihre Behinderung zu überwinden. Unseren Sportvereinen erwachsen mit der Gesund- heitsfürsorge nicht nur neue Aufgaben, sondern auch eine höhere gesellschaftliche Verantwortung. Die Bewe- gungsarmut, gerade bei Kindern und Jugendlichen, nimmt zu. Die Ergebnisse von Studien sind erschreckend und alarmierend: In den letzten fünf Jahren hat sich die Zahl fettleibiger Kinder verdoppelt; chronische Erkran- kungen als Folge von Bewegungsarmut stellen unser Gesundheitssystem vor schier unlösbare Herausforde- rungen. Prävention durch Sport erhält angesichts zuneh- mender Bewegungsarmut einen vor Jahren nicht auszu- denkenden Stellenwert. Auch hier bietet der Sport hervorragende Programme zur bewussten Gesundheits- erziehung an. Je früher damit begonnen wird, desto bes- ser. Ziel muss ein lebenslanges Sporttreiben sein. Wenn es uns nicht gelingt, die heranwachsenden Ge- nerationen auch durch Sport gesünder und fitter zu ma- chen, werden wir uns noch wundern, in welche Höhen die Kosten für unser Gesundheitswesen steigen werden. Daher muss die Politik sich fragen, wie sie in den ver- gangenen Jahren und Jahrzehnten durch Gesetzgebung Sport gefördert hat, welche Rahmenbedingungen sie ge- schaffen hat, damit Sport für alle in ausreichendem Um- fange stattfinden kann. Denn es steht fest: Ohne mo- derne Sportstätten, ohne gut ausgebildete Übungsleiter und ohne Anpassung der Vereinsförderung kann der Sport seine Aufgaben in Zukunft nicht erfüllen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9079 (A) (C) (B) (D) Die wenigen Beispiele zeigen, welchen erzieheri- schen Wert der Sport hat. Obwohl die gesellschaftliche Bedeutung des Sportes für unser Gemeinwesen seit Jah- ren herausgestellt wird, hat Sport immer noch nicht den Stellenwert, den er aufgrund seiner sozialen Kompetenz haben sollte. Viele sehen im Sport zu sehr die nach au- ßen erkennbare körperliche Leistung und zu wenig die Impulse, die durch diese Leistungen in die Gesellschaft hineinstrahlen und die Voraussetzungen, die für eine sol- che Leistung erforderlich sind: Selbstdisziplin, eiserner Wille, zielstrebiges Umsetzen eines Vorhabens, Team- geist, Fairplay und Toleranz. Die soziale Kompetenz ist bei Sporttreibenden wesentlich höher ausgeprägt als bei Nichtsportlern. Deshalb ist diese europäische Initiative wichtig; deshalb verdient sie Unterstützung. Das Europäische Parlament und der Europäische Rat sollten endlich die uneingeschränkte Gemeinnützigkeit des Sportes anerkennen. Sport ist nicht unter kommer- ziellen Gesichtspunkten zu betrachten. Es reicht nicht, Lippenbekenntnisse zu formulieren und mit hohem Mit- telaufwand Initiativen zu starten. Die jetzige Initiative mag einen zeitlich begrenzten Impuls auslösen. Wir brauchen aber eine eindeutige, langfristige Festlegung, die die Vereine und den Sport in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung stärken. Es geht um eine stärkere Anerken- nung und Besserstellung des ehrenamtlichen Engage- ments. Es geht um das Prinzip der Subsidiarität. Dem Sport sind die Mittel zu geben, die er von sich aus nicht erbringen kann. Es geht um die Anerkennung der Bedeu- tung des Sports für unser Gemeinwesen. Das Jahr 2005 soll von der UNO zum Internationalen Jahr des Sports erklärt werden. Die besondere Bedeu- tung des Sports für Dialog, Kommunikation, Völkerver- ständigung und Erziehung soll herausgestellt werden. Das Ausrufen eines Jahres der Erziehung und eines Jah- res des Sports machen allerdings nur dann Sinn, wenn Taten folgen. Lassen Sie es uns darum gemeinsam anpa- cken. Klaus Riegert (CDU/CSU): Die gesellschaftliche Bedeutung des Sports umfassend europaweit herauszu- stellen soll ein wesentliches Anliegen der Initiative „Eu- ropäisches Jahr der Erziehung durch Sport 2004“ durch das Europäische Parlament sein. Ziel dieser Initiative soll sein, eine breite Öffentlichkeit auf die Bedeutung des Sports in der Erziehung aufmerksam zu machen so- wie nachhaltige Kooperationen zwischen Bildungs- und Sporteinrichtungen zu fördern. Eine solche Initiative räumt dem Sport ohne Zweifel eine herausragende Stel- lung in unserem gesellschaftlichen Wertesystem ein; eine Stellung, die ihm de facto nicht immer zugeteilt worden ist. In 28 europäischen Ländern sollen Projekte, welche die erzieherischen Werte des Sports aufgreifen, gefördert werden. Sport ist ohne Zweifel europaweit die größte Bürgerbewegung. Sport ist ein geeignetes Medium, die weiter reichenden Erziehungsprozesse, die durch den Sport ausgelöst werden, hervorzuheben. Inwieweit da- durch mehr Verständnis für die im Sport vorhandenen Erziehungswerte erreicht wird, bleibt abzuwarten. Sport ist mehr als körperliche Ertüchtigung, objektiv messbare Leistung, Fitness, Wettkampf und medienge- rechte Inszenierung. Sport fördert solidarisches, faires Verhalten, die Anerkennung von Regeln und Entschei- dungen, Leistung, Toleranz, Hilfsbereitschaft, Akzep- tanz von Verlieren, das Sich-Einordnen. Sport trägt da- mit entscheidend zu einer Persönlichkeitsstruktur junger Menschen bei und vermittelt – und dies ist die herausra- gende Bedeutung des Sports – alle wesentlichen Regeln des gesellschaftlichen Miteinanders. Diese Werte liegen dem Sport zugrunde; sie sind im Sport selbst angelegt. Bewusst wahrgenommen werden diese Erziehungswerte des Sportes allerdings kaum. Deshalb ist es wichtig, sie herauszustellen, damit deut- lich wird, warum wir mehr Sport brauchen. Je frühzeiti- ger junge Menschen über den Sport Erziehungswerte spielerisch erlernen und erfahren, desto gefestigter wer- den sie für das ganze Leben. Mein Kollege Letzgus wird darauf näher eingehen. Bei aller positiven Bewertung des Anliegens erlauben Sie mir auch einige kritische Anmerkungen. Die erziehe- rische Bedeutung, die dem Sport zugrunde liegt, ist bei- leibe keine neue Erkenntnis. Mens sana in corpore in sano hat früher jeder Schüler gelernt. Im antiken Grie- chenland wusste man die Bedeutung der Erziehung durch Sport zu schätzen und räumte dem Sport den ent- sprechenden Stellenwert ein. Nur beherzigt worden ist diese uralte Erkenntnis zu wenig, obwohl die erzieheri- schen Werte des Sports unter Wissenschaftlern, Pädago- gen, Psychologen und im Sport unumstritten sind. Von einer ganzheitlichen Erziehung sind wir weit entfernt. Ich weiß nicht, ob wir annähernd den Umsetzungsgrad des alten Griechenlands erreichen. In Deutschland scheint der ganzheitliche Bildungsan- satz zumindest bei den Bildungspolitikern und den El- tern noch nicht angekommen zu sein. Nach wie vor steht Sport an vorderster Stelle der Streichliste, wenn Unter- richt gekürzt werden soll. In einigen Ländern rührt der Sport an berufsbildenden Schulen ein geradezu stiefmüt- terliches Dasein. Seit Jahren führt der Deutsche Sport- bund eine Kampagne für die Wiedereinführung der drit- ten Sportstunde, die von einigen Ländern gestrichen worden ist. Sportpolitiker, renommierte Wissenschaftler, Ärzte und Krankenkassen fordern seit Jahren, den Stel- lenwert des Schulsportes im Fächerkanon zu erhöhen. Ohne großen Erfolg. Status quo wird heute als Erfolg ge- priesen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass zwischen der sportlichen Aktivität und der Leistungs- und Lernfähig- keit ein direkter Zusammenhang besteht. Wir wissen, dass der Lernprozess verkürzt, der Lernerfolg erhöht und die Aufmerksamkeit bei motorisch gut ausgebildeten Schülern besser ist. Und dennoch: In unserem Bildungs- wesen führt der Sport nach wie vor ein Schattendasein. In unseren Kinderhorten gibt es zu wenig Bewe- gungsräume für sportliche Aktivitäten. Bei der Ausbil- dung der Erzieher und Betreuer spielt der Sport nur eine unwesentliche Rolle. Wenn Erziehung durch Sport spie- lerisch geht, warum fangen wir nicht bei den Kleinsten an? Andere europäische Länder sind uns hier weit 9080 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) voraus. Kinder und Jugendliche finden immer weniger Möglichkeiten, durch Bewegung und Sport motorische Fähigkeiten, Selbstvertrauen und Selbständigkeit als Grundlagen zur Entwicklung einer eigenen Persönlich- keit zu entfalten. Die Bewegungsräume für Spiel und Freizeit werden immer mehr eingeschränkt. Die Kürzung der Sportförderung gehört heute zu den bevorzugten Einsparpotenzialen der Politik in Kommu- nen, Ländern und im Bund. Angesichts der Olympischen Spiele in Athen, der Olympiabewerbung Leipzig und der Fußballweltmeisterschaft 2006 gibt es in einigen Politik- feldern eine gewisse Zurückhaltung. Vielerorts wird aber schon angekündigt, dass der Sport mit weniger Mitteln auskommen muss. Der Sportstättenbau wird zurückge- fahren, von Vereinen werden Benutzungsentgelte für Sportstätten eingefordert, den Vereinen wird eine stär- kere steuerliche Entlastung verweigert. Dies sind keine ermutigenden Voraussetzungen, den Stellenwert des Sportes zu verbessern. Dies alles sind Signale, die dem Aufbruch für mehr Sport und höheren Stellenwert des Sports entgegenstehen. Konsequenzen sind bisher nicht in dem erforderlichen Umfang gezogen worden. Erst langsam beginnt man auf europäischer Ebene den Stellenwert des Sportes zu würdigen. Die europäi- schen Regierungen tun sich schwer, Sport mit einem ei- genen Artikel im europäischen Vertrag aufzunehmen und dessen Gemeinnützigkeit verbindlich festzulegen. Dies ist wichtig, wenn der Sport seine umfassenden Auf- gaben zukünftig wahrnehmen soll. Sport ist mehr als Be- rufssport und die Freizügigkeit von Transfers. Es wäre zu begrüßen, wenn diese europäische Initiative zu mehr Beachtung des Sports durch die Europäische Kommis- sion und das Europäische Parlament führen würde. Ich halte in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse der europäischen Kommissarin für Bildung und Kultur, Viviane Reding, für lobenswert und hilfreich, dass der Sport trotz seiner sozialen und wirtschaftlichen Bedeu- tung bisher nicht im Vordergrund der Bemühungen auf europäischer Ebene gestanden habe. Die soziale Dimen- sion wurde vernachlässigt. Dies soll sich auf europäi- scher Ebene ändern. Die Initiative soll dazu der Anfang sein. So weit, so gut. Wir erwarten Ergebnisse, Verbesse- rungen; wir brauchen keinen Aktionismus und Populis- mus. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wünscht der Ini- tiative der Sache wegen Erfolg. Wir brauchen in einer Zeit der sozialen Spannungen und Veränderungen Ge- meinsinn, Solidarität und Fair Play. Diese Grundwerte werden im Sport gelegt. Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn man den Sportteil der Tageszeitungen aufschlägt, kann man das Thema „Sport und Europa“ in vielen Schlagzeilen erleben. Mal sieht EU-Wettbewerbskom- missar Mario Monti italienische Gesetze für den Pro- fisport als wettbewerbsverzerrend an. Dann stellt sich heraus, dass europaweit bekannte Fußballvereine hoch verschuldet sind. Wir haben längst die europäische Di- mension des Sports kennen gelernt als Form eines span- nungsreichen Wettbewerbs zwischen Sportlern und zwi- schen Vereinen. Im Vordergrund stehen Statistik und Tabelle sowie die Superzeitlupe im Fernsehen. Cham- pions League und Europameisterschaften bilden Eck- daten für einen virtuellen und realen europäischen Sport- kalender. Besonders dieser kommerzielle Teil des Sports – insbesondere der Fußball – überdeckt jedoch die so- ziale Dimension und die Bildungsaspekte des Sports. Gerade diese Werte des Sports sind jedoch die unver- zichtbare Basis für seine weitere Entwicklung. Und ge- nau darin liegt die Kraft des Sports, die ihn zu einer tra- genden sozialen Säule in unserer Gesellschaft macht. Leider kommt in der – ebenfalls überwiegend kom- merziellen – Sportberichterstattung oft zu kurz, dass die EU einen wichtigen Beitrag für Sport und Bildung in Europa leistet. Denn es werden im Jahr 2004 mehr als 200 Projekte finanziell gefördert, die sich für Bildung und Erziehung durch Sport einsetzen. Die EU setzt in erster Linie darauf, die bestehenden erzieherischen Werte des Sports an die sportliche Basis und die Bil- dungseinrichtungen zu vermitteln. Ich halte es für aus- sichtsreich, über die Multiplikatoren im Bildungsbereich einen – lassen Sie es mich so nennen – sich selbst tra- genden Aufschwung anzustoßen. Ich hoffe, dass die Pro- jekte dazu eine wichtige Initiative sind und langfristige Wirkung entfalten. Die EU gibt dazu sozusagen den Startschuss. Mit dem diesjährigen Europäischen Jahr der Erzie- hung durch Sport ist schon jetzt Dynamik in die Sport- entwicklung gekommen. Lassen Sie mich stellvertretend einige wenige Beispiele nennen. Erst vor wenigen Wo- chen haben sich in Deutschland die Verantwortlichen des Nationalen Beirats des Europäischen Jahres und die Ver- treter des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engage- ment auf gemeinsame Aktionen in der „Woche des bür- gerschaftlichen Engagements“ im kommenden Oktober verständigt. Ziel ist es, die ehrenamtliche Arbeit im Sport in der Öffentlichkeit besser darzustellen. lch möchte daran erinnern, dass das Bildungsministe- rium im letzten Jahr über 1,6 Millionen Euro für Bil- dungsprojekte im Sportbereich zur Verfügung gestellt hat. Nach meinem Verständnis sollten wir unsere An- strengungen im Jahr von Bildung und Forschung auch stärker auf diesen Bereich ausrichten. Wir brauchen mehr Kooperation zwischen Schule und Vereinssport. Beide Seiten können diese Kooperation zur eigenen Pro- filbildung nutzen. Besonders erfreulich finde ich, dass es immer mehr Sportprojekte in Kindergärten gibt. Gerade bei der kindlichen Entwicklung können körperliche Ak- tivität und Bewegungserziehung eng miteinander ver- bunden werden. Diese Sportprojekte zielen in zwei Richtungen. Die Kinder können Bewegung und Sport als Teil ihrer gegenwärtigen und späteren Sportaktivitäten verstehen. Es geht aber auch um die Herausbildung von individuellen Fähigkeiten im motorischen und sozialen Bereich. Ich würde mir wünschen, dass wir mehr Mo- dellprojekte dieser Art in unserem Land hätten. Ebenso notwendig ist die Erstellung von Qualitätskri- terien für spiel- und bewegungsfreundliche Kindergärten sowie für den Neu- und Umbau von Schulen. Dazu müs- sen auch Anleitungen für ökologisches Bauen und eine bewegungsfreundliche Umfeldgestaltung zählen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9081 (A) (C) (B) (D) Anlässlich der Europawahl im Juni dieses Jahres hat der Deutsche Sportbund (DSB) eine europapolitische Entschließung verabschiedet. Damit wird auch ein wich- tiger Schritt getan zu mehr Zusammenhalt in Europa. Ich möchte besonders hervorheben, dass das Europäi- sche Jahr der Erziehung durch Sport im gleichen Jahr wie die Olympischen Sommerspiele in Athen stattfindet. Wir befinden uns auch im Jahr der Osterweiterung der Europäischen Union. Der Grundsatz der gewaltfreien Spiele und der Völkerverständigung wird mit der Mög- lichkeit der menschlichen Begegnung verbunden, Im Jahr 2006 gibt es dann mit den Olympischen Winterspie- len in Turin und mit der Fußball-WM in Deutschland die nächsten großen Sportveranstaltungen in Europa mit weltweiter Bedeutung. Wir fahren sozusagen auf einer Brücke, auf der Sportgroßveranstaltungen die Brücken- pfeiler bilden. Ich hoffe, dass wir dabei auch in Zukunft unseren Weg auf den sozialen Bahnen des Sports fortset- zen. Zum Schluss noch einige Bemerkungen zum Antrag der FDP. Es stehen darin viele allgemeine Aussagen, de- nen man kaum widersprechen kann oder will. Es sind je- doch auch Plattitüden dabei, die nicht weiter helfen. Auch der Forderungsteil ist ziemlich allgemein. Gefor- dert wird zum Teil, was längst geschieht, wie beispiels- weise die Unterstützung der Kampagne „Sport tut Deutschland gut“. Zudem kämen die Forderungen reich- lich spät, wenn sie denn neu und umsetzungsfähig wä- ren. Hätten die Bundesregierung und andere Akteure bis heute darauf gewartet, die eigenen Beiträge zu planen, dann kämen sie wohl erst im nächsten Jahr. Also, liebe Sportsfreunde von der FDP, aus dem Versuch, einen par- lamentarischen Startschuss zum Europäischen Jahr für Erziehung durch Sport 2004 abzufeuern, ist doch eher eine Knallerbse nach gelungenem Start geworden. Detlef Parr (FDP): Die jüngsten Kampagnen des Eu- ropäischen Parlaments, des Europäischen Rates und der UNO zur Förderung des Sports zeigen, dass der Sport in- ternational enorm an Relevanz gewonnen hat. Gerade im Jahr der Olympischen Sommerspiele, die nach zwölf Jahren endlich wieder in Europa stattfinden werden, be- schließen die europäischen Gremien, den Sport noch stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Erziehung durch Sport ist ein zentrales gesellschafts- politisches Thema. Die Vermittlung von Werten durch den Sport ist heute allgemein akzeptiert. Gesundes Le- ben durch den Sport gehört dabei ganz weit nach vorne. Gerade in diesem Bereich jedoch sind die Defizite leider, nicht nur in Deutschland, stark. Wir müssen feststellen, dass Bewegungsmangel und die daraus resultierenden Folgen rasant zunehmen. Trotz vieler sportorientierter Angebote in Schulen und Verei- nen nehmen Phänomene wie Koordinations- und motori- sche Leistungsschwäche sowie Übergewicht gerade im Kinder- und Jugendalter deutlich zu. Sollte das von der Bundesregierung zurzeit erarbeitete Präventionsgesetz Wirklichkeit werden, müssen die Chancen der Erziehung durch Sport unbedingt berücksichtigt werden. Weder das Elternhaus noch die Schule bieten heute den Kindern ausreichende Möglichkeiten, durch Bewe- gung und Sport motorische Fähigkeiten, Selbstvertrauen und Selbstständigkeit als eine Grundlage zur Entwick- lung einer eigenen Persönlichkeit zu entfalten. Es be- steht ein enger Zusammenhang zwischen sportlicher Ak- tivität und Leistungs- und Lernfähigkeit – nicht nur in der Schule. Das dürfen wir nicht vergessen! Die klassischen Bewegungsräume wie Spiel-, Bolz- und Sportplätze stehen leider seit langem nicht mehr in dem nötigen Maße zur Verfügung. Der Zeitrahmen für den Sportunterricht in den Schulen wurde in den letzten Jahren eher reduziert als erweitert. Und bei Unterrichts- ausfall ist häufig der Sport das Opfer. Die Konsequenzen aus dieser Misere werden trotz der vielen Ergebnisse re- präsentativer Untersuchungen nicht in ausreichendem Maße gezogen. Die Grundlagen für regelmäßige Bewegung und sportliches Training werden in der Kindheit und im Ju- gendalter gelegt, deswegen muss die Erziehung zum und durch Sport im frühen Alter beginnen. Sie ist eine Auf- gabe, die durch Familie, Kindergarten und Kindertages- stätten, Schulen und Vereine gleichzeitig zu bewältigen ist. Das Europäische Jahr der Erziehung durch Sport 2004 hat zum Ziel, eine breite Öffentlichkeit auf die Be- deutung des Sports in der Erziehung aufmerksam zu ma- chen sowie nachhaltige Kooperationen zwischen Bil- dungs- und Sporteinrichtungen zu fördern. Ich denke dabei an solide Kooperationen zwischen Schulen und Sporteinrichtungen bei der Ganztagesbetreuung, an die Zukunft des Schulsports als Keimzelle unseres Leis- tungssports sowie an die Integration benachteiligter Ju- gendlicher durch eine Einbindung in Strukturen der nicht formalen Bildung: Gewalt- und Drogenprävention kön- nen ebenfalls durch sportliche Aktivität unterstützt wer- den: Hierzu sollten auch die Krankenkassen die Kompe- tenzen des Sports nutzen. Im Rahmen des Europäischen Jahres der Erziehung durch Sport werden europaweit 200 Projekte gefördert Diese Projekte umfassen sowohl gemeinschaftliche – mit mindestens acht teilnehmenden Ländern der EU – als auch lokale Projekte. Ich hoffe, dass die Bundesre- gierung die Chance dieser Programme nutzen wird, um deutlich zu machen, welchen Wert der Sport für andere Bereiche der Politik wie Erziehung, Soziales, Integration und Jugendpolitik hat. Der Sport wirkt sich positiv auf die Gesellschaft aus, darüber brauchen wir uns nicht zu streiten. Schöne Worte in Sonntagsreden reichen aber nicht aus. Auch seitens des Bundes müssen die erforder- lichen materiellen und ideellen Rahmenbedingungen ge- schaffen bzw. vor dem Hintergrund der schwierigen Fi- nanzlage erhalten werden. Nicht am Sport, sondern durch den Sport sparen ist die einzig akzeptable Devise. Dabei spielt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung eine wichtige Rolle, was Prävention und Ge- sundheitsförderung durch Sport angeht. Die Bundesre- gierung sollte die Kompetenzen bei den eigenen Aktivi- täten noch stärker nutzen und die jeweiligen Ministerien 9082 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) in der Umsetzung und Unterstützung der Projekte ein- binden. Beispiele wie die Kampagne des Deutschen Sport- bundes „Sport tut Deutschland gut“ sollen nicht ein iso- liertes Beispiel der Motivation zu Sport und Bewegung in unserer Gesellschaft bleiben. Lassen Sie uns diese Chance nutzen, um mehr Men- schen, die in unseren Land leben, zum Sport zu bewe- gen! Lassen Sie uns die internationalen Kampagnen an- gemessen unterstützen! Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss, bei denen ich auf die Einzel- heiten eingehen kann. Anlage 9 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 797. Sitzung am 12. März 2004 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen, einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 Grundgesetz nicht zu stellen bzw. einen Einspruch ge- mäß Artikel 77 Absatz 3 nicht einzulegen: – Gesetz zur Änderung des Fleischhygienegesetzes, des Geflügelfleischhygienegesetzes und des Le- bensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes und sonstiger Vorschriften – … Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Sicher- stellung einer Übergangsregelung für die Umsatz- besteuerung von Alt-Sportanlagen – Vierundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Ab- geordnetengesetzes und Zwanzigstes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes – Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Kos- tenrechtsmodernisierungsgesetz – KostRMoG) – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftver- kehr (Montrealer Übereinkommen) – Gesetz zur Harmonisierung des Haftungsrechts im Luftverkehr – Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 6. November 1997 über die Staatsangehörig- keit – Gesetz zu dem Vertrag vom 17. Juli 2003 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Ergänzung des Europäi- schen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen und die Erleichte- rung seiner Anwendung – Gesetz zu dem Vertrag vom 17. Juli 2003 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Ergänzung des Europäi- schen Auslieferungsübereinkommens vom 13. De- zember 1957 und die Erleichterung seiner An- wendung – Gesetz zu dem Seeverkehrsabkommen vom 10. Dezember 2002 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einer- seits und der Regierung der Volksrepublik China andererseits – Viertes Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Investitionszulagengesetz 2005 (InvZuIG 2005) – Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und an- derer Gesetze Ferner hat der Bundesrat die folgende Entschließung gefasst: Die nunmehr vorliegende Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG („Finanzsicher- heitenrichtlinie“) trägt den Bedenken des Bundesrates (vgl. Beschluss vom 17. Oktober 2003; Bundesrats- drucksache 563/03 [Beschluss]) teilweise Rechnung. So- weit der Anwendungsbereich des Bankenprivilegs in der Insolvenz gegenüber dem Regierungsentwurf deutlich eingeschränkt worden ist, erscheint dies sachlich gebo- ten (vgl. die Begründung zu Nummer 8 des genannten Beschlusses). An seiner Auffassung, dass eine Beschrän- kung der Richtlinienumsetzung auf den Interbankenver- kehr vorzugswürdig wäre, hält der Bundesrat fest. Bei den einschlägigen Beratungen im Deutschen Bun- destag sind die gravierenden Mängel der Finanzsicher- heitenrichtlinie deutlich zu Tage getreten. Zu diesen zählt neben der sachwidrigen Ausdehnung des Bankenprivi- legs auf den allgemeinen gewerblichen Rechtsverkehr vor allem die Unklarheit darüber, welche Besicherungs- zwecke mit derart privilegierten Finanzsicherheiten ver- folgt werden dürfen. Diese Frage ist für die Reichweite der Richtlinie von zentraler Bedeutung, ohne dass die Richtlinie hierzu brauchbare und verlässliche Aussagen enthielte. Daher wäre insbesondere klarzustellen, dass eine Bevorzugung von Finanzsicherheiten nur im Rah- men typischer Finanzmarktgeschäfte – und nicht im all- gemeinen Kreditgeschäft der Banken – in Betracht kommt. Diese sachliche Grenzziehung folgt bereits aus dem Regelungszweck der Richtlinie; ihre klare Festle- gung könnte verhindern, dass die Bevorzugung von Fi- nanzsicherheiten sich in der Kredit- und Insolvenzpraxis unter dem Druck von „Basel II“ zur Einbruchstelle eines allgemeinen Bankenprivilegs entwickelt. Derartige Regelungsschwächen gefährden den Richt- linienzweck der Sicherung rechts- und wirtschaftspoliti- scher Mindeststandards in der Europäischen Union. Der Bundesrat hält die Behebung dieser Mängel für vor- dringlich und fordert deshalb die Bundesregierung auf, auf europäischer Ebene auf eine sachgerechte Beschrän- kung und Präzisierung der Richtlinie hinzuwirken. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 9083 (A) (C) (B) (D) Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 25. September bis 2. Oktober 2003 in Straßburg und die Debatte der Erweiterten Par- lamentarischen Versammlung über die Aktivitäten der OECD am 1. Oktober 2003 – Drucksachen 15/2137, 15/2369 Nr 1 – – Unterrichtung durch die Delegation der Interparlamentari- schen Gruppe der Bundesrepublik Deutschland über die 109. Interparlamentarische Versammlung vom 1. bis 3. Oktober 2003 in Genf, Schweiz – Drucksachen 15/2146, 15/2369 Nr. 2 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Vierzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission 2000/2001 – Drucksachen 14/9903, 14/9904 (Anlagenband) – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Vierzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission 2000/2001 – Drucksachen 14/9903, 14/9904 – hier: Stellungnahme der Bundesregierung – Drucksachen 15/1265 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuss die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- tung abgesehen hat. Petitionsausschuss Drucksache 15/2217 Nr. 1.3 Drucksache 15/2217 Nr. 1.4 Innenausschuss Drucksache 15/1948 Nr. 1.27 Drucksache 15/1948 Nr. 1.33 Drucksache 15/2217 Nr. 2.11 Drucksache 15/2217 Nr. 2.27 Drucksache 15/2217 Nr. 2.33 Drucksache 15/2373 Nr. 2.16 Rechtsausschuss Drucksache 15/2028 Nr. 2.5 Drucksache 15/2373 Nr. 2.12 Drucksache 15/2373 Nr. 2.54 Finanzausschuss Drucksache 15/2373 Nr. 2.23 Drucksache 15/2373 Nr. 2.49 Drucksache 15/2447 Nr. 2.20 Drucksache 15/2447 Nr. 2.21 Drucksache 15/2447 Nr. 2.27 Drucksache 15/2447 Nr. 2.28 Drucksache 15/2447 Nr: 2.31 Drucksache 15/2447 Nr. 2.43 Drucksache 15/2447 Nr. 2.49 Drucksache 15/2519 Nr. 2.12 Drucksache 15/2519 Nr. 2.14 Drucksache 15/2519 Nr. 2.15 Drucksache 15/2519 Nr. 2.16 Drucksache 15/2519 Nr. 2.38 Drucksache 15/2519 Nr. 2.39 Drucksache 15/2519 Nr. 2.41 Drucksache 15/2519 Nr. 2.44 Drucksache 15/2519 Nr. 2.46 Haushaltsausschuss Drucksache 15/2447 Nr. 2.1 Drucksache 15/2447 Nr. 2.9 Drucksache 15/2447 Nr. 2.48 Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Drucksache 15/2447 Nr. 2.11 Drucksache 15/2447 Nr. 2.17 Drucksache 15/2447 Nr. 2.22 Drucksache 15/2447 Nr. 2.23 Drucksache 15/2447 Nr. 2.24 Drucksache 15/2447 Nr. 2.26 Drucksache 15/2447 Nr. 2.36 Drucksache 15/2447 Nr. 2.40 Drucksache 15/2447 Nr. 2.46 Drucksache 15/2447 Nr. 2.47 Drucksache 15/2519 Nr. 2.7 Drucksache 15/2519 Nr. 2.9 Drucksache 15/2519 Nr. 2.11 Drucksache 15/2519 Nr. 2.13 Drucksache 15/2519 Nr. 2.24 Drucksache 15/2519 Nr. 2.25 Drucksache 15/2519 Nr. 2.37 Ausschuss für Verbraucherschutz Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 15/1547 Nr. 2.102 Drucksache 15/2217 Nr. 2.31 Drucksache 15/2373 Nr. 2.8 Drucksache 15/2373 Nr. 2.53 Drucksache 15/2447 Nr. 2.30 Drucksache 15/2519 Nr. 1.6 Drucksache 15/2519 Nr. 1.11 Drucksache 15/2519 Nr. 2.17 Drucksache 15/2519 Nr. 2.23 Drucksache 15/2519 Nr. 2.26 Drucksache 15/2519 Nr. 2.27 Drucksache 15/2519 Nr. 2.28 Drucksache 15/2519 Nr. 2.33 Drucksache 15/2519 Nr. 2.34 Drucksache 15/2519 Nr. 2.35 Drucksache 15/2519 Nr. 2.36 Drucksache 15/2519 Nr. 2.40 Drucksache 15/2519 Nr. 2.42 Drucksache 15/2519 Nr. 2.43 Drucksache 15/2519 Nr. 2.48 Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 15/792 Nr. 2.16 Drucksache 15/979 Nr. 2.8 Drucksache 15/1547 Nr. 2.21 Drucksache 15/1613 Nr. 1.1 9084 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 100. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 (A) (C) (B) (D) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 15/2447 Nr. 1.5 Drucksache 15/2447 Nr. 1.6 Drucksache 15/2447 Nr. 1.7 Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Drucksache 15/2447 Nr. 1.1 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 15/1948 Nr. 1.2 Drucksache 15/2028 Nr. 2.1 Drucksache 15/2028 Nr. 2.2 Drucksache 15/2028 Nr. 2.3 Drucksache 15/2028 Nr. 2.10 Drucksache 15/2519 Nr. 1.2 Drucksache 15/2519 Nr. 1.3 Drucksache 15/2519 Nr. 1.10 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 15/2028 Nr. 2.19 Drucksache 15/2447 Nr. 2.29 Drucksache 15/2447 Nr. 2.38 Drucksache 15/2519 Nr. 2.31 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 15/2519 Nr. 1.9 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 15/2373 Nr. 2.4 Drucksache 15/2373 Nr. 2.5 Drucksache 15/2447 Nr. 2.35 Drucksache 15/2519 Nr. 2.10 sellschaft mbH, Amsterdamer Str. nd 19 22 91, 1 2, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344 100. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 25. März 2004 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ernst Hinsken


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Herr Kollege Stiegler, Sie haben eben darauf verwie-

    sen, dass zu 75 Prozent Managerfehler die Ursache von
    Insolvenzen sind.



Rede von Ludwig Stiegler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Ja, laut einer Feststellung von Creditreform.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ernst Hinsken


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Ich frage Sie: Warum hat die Zahl der Insolvenzen in

    der Bundesrepublik Deutschland vor zwei Jahren bei un-
    ter 30 000 pro Jahr gelegen und warum hat sie im letzten
    Jahr und in diesem Jahr bei über 40 000 gelegen? Haben
    hier nur Managerfehler eine Rolle gespielt oder sind
    nicht in erster Linie die katastrophale wirtschaftliche
    Lage und die verfehlte Wirtschaftspolitik der Bundes-
    regierung schuld, dass diese Unternehmen in den Kon-
    kurs getrieben wurden?


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)