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    Plenarprotokoll 15/94 in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper, Ulrike Flach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Jahr der Technik zur Stärkung der Forschungslandschaft und des Innovationsklimas in Deutsch- land nutzen (Drucksache 15/2594) . . . . . . . . . . . . . . . . Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . Dr. Christoph Bergner CDU/CSU . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . Dr. Carola Reimann SPD . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Marie-Luise Dött, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Nationale Umset- zung des Emissionshandels (Drucksachen 15/1282, 15/2390) . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag 8332 B 8332 C 8335 B 8360 C 8361 A 8362 A 8363 B Deutscher B Stenografisc 94. Sit Berlin, Donnerstag I n h a Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 11 a und 22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Glückwünsche zum Geburtstag der Bundes- ministerin für Bildung und Forschung, Frau Edelgard Bulmahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Innovationen und Zukunftstechnolo- gien im Mittelstand – Hightech-Master- plan (Drucksache 15/2551) . . . . . . . . . . . . . . . . 8331 A 8331 D 8332 A 8336 A 8332 A Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Kuhn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8336 A 8338 C undestag her Bericht zung , den 4. März 2004 l t : Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kasparick SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christoph Bergner CDU/CSU . . . . . . Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinz Riesenhuber CDU/CSU . . . . . . . . Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christoph Bergner CDU/CSU . . . . . . . . . Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Walter Hoffmann (Darmstadt) SPD . . . . . . . 8341 A 8344 A 8346 B 8347 A 8349 B 8350 C 8353 C 8355 C 8357 C 8358 C der Abgeordneten Dr. Peter Paziore Marie-Luise Dött, weiterer Abg ordneter und der Fraktion der CDU CSU: Nationalen Allokationsplan a k, e- / ls II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 Parlamentsgesetz gestalten (Drucksachen 15/1791, 15/2533) . . . . Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurt-Dieter Grill CDU/CSU . . . . . . . . . . Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marie-Luise Dött CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marie-Luise Dött CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker SPD . . . . . . Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Obermeier CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wilfried Schreck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der nachhal- tigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) (Drucksachen 15/2562, 15/2591) . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Be- handlung von Altersvorsorgeauf- wendungen und Altersbezügen (Al- terseinkünftegesetz – AltEinkG) (Drucksachen 15/2563, 15/2592) . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der erneuerbaren Energien im Strombereich (Drucksachen 15/2539, 15/2593) . . . . 8363 B 8363 C 8365 A 8366 A 8367 D 8369 C 8370 A 8372 A 8374 A 8374 B 8376 B 8376 D 8377 B 8378 C 8379 B 8379 B 8380 C 8381 C 8382 C 8383 A 8384 B 8384 C 8384 C d) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Handel mit Be- rechtigungen zur Emission von Treib- hausgasen (Treibhausgas-Emissions- handelsgesetz – TEHG) (Drucksache 15/2540) . . . . . . . . . . . . . e) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertre- ter in den Aufsichtsrat (Drucksache 15/2542) . . . . . . . . . . . . . f) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung einer Repräsentativstatistik über die Be- völkerung und den Arbeitsmarkt so- wie die Wohnsituation der Haus- halte (Mikrozensusgesetz 2005 – MZG 2005) (Drucksache 15/2543) . . . . . . . . . . . . . g) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der in Rom am 17. No- vember 1997 angenommenen Fas- sung des Internationalen Pflanzen- schutzübereinkommens (Drucksache 15/2544) . . . . . . . . . . . . . h) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 19. August 2002 zwischen den Vertragsstaaten des Übereinkom- mens zur Gründung einer Europäi- schen Weltraumorganisation und der Europäischen Weltraumorgani- sation über den Schutz und den Aus- tausch geheimhaltungsbedürftiger Informationen (Drucksache 15/2545) . . . . . . . . . . . . . i) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des Be- schlusses des Rates (2003/725/JI) vom 2. Oktober 2003 zur Änderung von Art. 40 Abs. 1 und 7 des Über- einkommens zur Durchführung des Schengener Übereinkommens vom 14. Juni 1985 betreffend den schritt- weisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (Drucksache 15/2546) . . . . . . . . . . . . . j) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll Nr. 13 vom 3. Mai 2002 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die voll- 8384 D 8384 D 8384 D 8385 A 8385 A 8385 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 III ständige Abschaffung der Todes- strafe (Drucksache 15/2549) . . . . . . . . . . . . . k) Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- zung gemäß § 56 a der Geschäftsord- nung: Technikfolgenabschätzung – hier: TA-Projekt: Biometrische Identifikationssysteme – Sach- standsbericht (Drucksache 14/10005) . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Gentechnik und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Le- bensmittelzutaten-Verordnung (Drucksache 15/2520) . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Hans- Michael Goldmann, Horst Friedrich (Bayreuth), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Nationale Küs- tenwache schaffen (Drucksache 15/2581) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Finanzie- rung der Beseitigung von Rüstungs- altlasten in der Bundesrepublik Deutschland (Rüstungsaltlastenfinan- zierungsgesetz – RüstAltFG) (Drucksachen 15/1888, 15/2434) . . . . b) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes Investitionszulagengesetzes 2005 (InvZulG 2005) (Drucksachen 15/2249, 15/2605, 15/2606) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c–f) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses: Sammelübersichten 95, 96, 97 und 98 zu Petitionen (Drucksachen 15/2473, 15/2474, 15/2475, 15/2476) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: Wahlvorschlag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ 8385 B 8385 B 8385 C 8385 C 8385 D 8386 A 8386 C DIE GRÜNEN und der FDP: Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Bei- rates für nachhaltige Entwicklung (Drucksache 15/2586) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Afrika auf dem Weg zu Eigenver- antwortung und Selbstbestimmung unterstützen (Drucksache 15/2478) . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Hans Büttner (Ingolstadt), Reinhold Hemker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Unterstützung von Landreformen zur Bekämpfung der Armut und der Hungerkrise im süd- lichen Afrika (Drucksachen 15/1307, 15/1843) . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Dr. Friedbert Pflüger, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Eine neue Politik für Afrika süd- lich der Sahara – Afrika fordern und fördern (Drucksache 15/2574) . . . . . . . . . . . . . . . Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Löning FDP . . . . . . . . . . . . . . . . Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Heinrich FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . . . . . . . . . . . Conny Mayer (Baiersbronn) CDU/CSU . . . . Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang 8386 D 8387 A 8387 A 8387 B 8387 C 8389 B 8389 D 8391 C 8393 D 8395 A 8397 B 8398 C IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte der Op- fer im Strafprozess (2. Opfer- schutzgesetz) (Drucksache 15/814) . . . . . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ver- besserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren (Opferrechtsreformgesetz – OpferRRG) (Drucksache 15/2536) . . . . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Joachim Stünker, Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Ab- geordneten Jerzy Montag, Irmingard Schewe-Gerigk, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren (Opferrechts- reformgesetz – OpferRRG) (Drucksachen 15/1976, 15/2609) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Jörg van Essen, Rainer Funke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Opferrechte stär- ken und verbessern (Drucksachen 15/936, 15/2609) . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) CDU/CSU Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michaela Noll CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Daniela Raab CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts 8399 D 8400 A 8400 A 8400 B 8400 C 8401 C 8402 C 8404 A 8405 B 8406 D 8408 B (… Betreuungsrechtsänderungsgeset- zes – … BtÄndG) (Drucksache 15/2494) . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . Ute Granold CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Bätzing SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Grübel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gerhards, Minister (Nordrhein- Westfalen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Julia Klöckner, Uda Carmen Freia Heller, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Kennzeichnung allergener Stoffe in Lebensmitteln vernünftig regeln (Drucksachen 15/1227, 15/1597) . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft – zu dem Antrag der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Sören Bartol, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Ulrike Höfken, Volker Beck (Köln), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Lebensmittelüberwachung effizienter gestalten – zu dem Antrag der Abgeordne- ten Ursula Heinen, Peter H. Carstensen (Nordstrand), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Wirk- samere und breitere Lebensmit- telüberwachung und -kontrolle in Deutschland – zu dem Antrag der Abgeordneten Ursula Heinen, Julia Klöckner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Verbrau- cher aufklären und schützen – Innovation und Vielfalt in der 8409 D 8409 D 8411 A 8412 B 8413 C 8414 B 8415 D 8417 A 8418 D 8420 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 V Produktentwicklung und Wer- bung für Lebensmittel erhalten (Drucksachen 15/2339, 15/2386, 15/1789, 15/2595) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Gabriele Hiller- Ohm, Sören Bartol, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Ulrike Höfken, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Nährwert- und gesundheits- bezogene Angaben auf Lebensmitteln europaweit einheitlich regeln – für mehr Verbraucherschutz und fairen Wettbewerb (Drucksache 15/2579) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär BMVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursula Heinen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm SPD . . . . . . . . . . . . . . . Julia Klöckner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Re- aktorsicherheit zu dem Antrag der Abge- ordneten Gabriele Lösekrug-Möller, Ulrike Mehl, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der SPD sowie der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Naturschutz geht alle an – Akzep- tanz und Integration des Naturschutzes in andere Politikfelder weiter stärken (Drucksachen 15/1318, 15/2053) . . . . . . . . Gabriele Lösekrug-Möller SPD . . . . . . . . . . . Cajus Caesar CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 8420 A 8420 B 8420 C 8422 A 8423 B 8423 D 8425 A 8426 C 8428 C 8429 B 8430 B 8431 A 8432 B 8432 C 8434 C Undine Kurth (Quedlinburg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Georg Schirmbeck CDU/CSU . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst FDP . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Groneberg SPD . . . . . . . . . . . . . . . Josef Göppel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: b) Antrag der Abgeordneten Dr. Dieter Thomae, Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Abschaffung der Praxisgebüh- ren (Drucksache 15/2351) . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . . . . Erika Lotz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Zöller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Petra Selg BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch FDP . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Drucksachen 15/2286, 15/2608) . . . . . . . Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beatrix Philipp CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerold Reichenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: a) Unterrichtung durch die Bundesre- gierung: Waldzustandsbericht 2003 – Ergebnisse des forstlichen Um- weltmonitorings – (Drucksache 15/2210) . . . . . . . . . . . . . b) Große Anfrage der Abgeordneten Georg Schirmbeck, Peter H. Carstensen (Nordstrand), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Zukunft der Forstwirtschaft (Drucksachen 15/1640, 15/2398) . . . . 8436 A 8436 D 8438 A 8439 B 8440 D 8441 D 8441 D 8443 A 8443 D 8445 D 8447 B 8448 A 8448 D 8449 D 8450 A 8450 D 8452 D 8453 C 8454 C 8456 A 8456 B VI Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Rahmenbedin- gungen für Waldbesitzer und mittel- ständische Holzwirtschaft verbes- sern – Eigentumsrechte stärken (Drucksachen 15/941, 15/2060) . . . . . Gabriele Hiller-Ohm SPD . . . . . . . . . . . . . . . Georg Schirmbeck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär BMVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan FDP . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56 a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung – hier: Mo- nitoring – „Gesundheitliche und ökolo- gische Aspekte bei mobiler Telekom- munikation und Sendeanlagen – wissenschaftlicher Diskurs, regulatori- sche Erfordernisse und öffentliche Debatte“ (Drucksache 15/1403) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Außenwirt- schaftsgesetzes (AWG) und der Außen- wirtschaftsverordnung (AWV) (Drucksache 15/2537) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Begleitregelungen zur Einführung des digitalen Kontrollge- räts zur Kontrolle der Lenk- und Ruhe- zeiten (Kontrollgerätebegleitgesetz – KontrGerätBeglG) (Drucksache 15/2538) . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 8456 B 8456 C 8458 C 8461 A 8462 B 8463 D 8464 A 8464 C 8464 C 8465 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte der Opfer im Strafprozess (2. Opferschutzgesetz) – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesse- rung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren (Opferrechtsreformge- setz – OpferRRG) – Bericht: Opferrechte stärken und ver- bessern (Tagesordnungspunkt 7 a und b) Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Berichts: Technikfolgenabschätzung; hier Monitoring „Gesundheitliche und ökologische Aspekte bei mobiler Telekom- munikation und Sendeanlagen – wissen- schaftlicher Diskurs, regulatorische Erfor- dernisse und öffentliche Debatte“ (Tagesordnungspunkt 14) Renate Jäger SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Haibach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Dr. Antje Vogel-Sperl BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) und der Außenwirtschaftsverord- nung (AWV) (Tagesordnungspunkt 15) Christian Müller (Zittau) SPD . . . . . . . . . . . Erich G. Fritz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . Alexander Bonde BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Begleit- 8465 B 8466 A 8467 D 8468 D 8469 C 8471 A 8471 D 8472 B 8474 A 8475 A 8475 D 8476 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 VII regelungen zur Einführung des digitalen Kontrollgeräts zur Kontrolle der Lenk- und Ruhezeiten (Kontrollgerätebegleitge- setz – KontrGerätBeglG) (Tagesordnungs- punkt 16) Uwe Beckmeyer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volkmar Uwe Vogel CDU/CSU . . . . . . . . . . . Klaus Hofbauer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Peter Hettlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8477 B 8478 A 8479 A 8479 D 8480 D 8481 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 8331 (A) (C) (B) (D) 94. Sit Berlin, Donnerstag Beginn: 9
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    2) Anlage 5 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 8465 (A) (C) (B) (D) Während der Verletzte in der Vergangenheit als Zeuge oft nur Objekt des Strafverfahrens war, besteht heute keitsrechte des Opfers besteht. Die Bundesregierung hatte hier die Prüfung des Vorschlages zugesagt. Bundestag, dass wir heute zur Abstimmung kommen. nicht unerheblichen Beeinträchtigung der Persönlich- Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte der Opfer im Strafprozess (2. Opfer- schutzgesetz) – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren (Opferrechtsreformgesetz – OpferRRG) – Bericht: Opferrechte stärken und verbes- sern (Tagesordnungspunkte 7a und b) Petra Pau (fraktionslos): Zunächst: Obwohl die Stel- lung des Opfers im Strafverfahren in den letzten Jahren eine Aufwertung erfahren hat, gibt es weder in der Rechtspolitik, der Rechtspraxis noch in der Rechtswis- senschaft Zweifel daran, dass der Opferschutz weiter ausgebaut werden muss. Deshalb begrüßt die PDS im Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Andres, Gerd SPD 04.03.2004 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.03.2004 Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.03.2004 Flach, Ulrike FDP 04.03.2004 Hartnagel, Anke SPD 04.03.2004 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.03.2004 Lanzinger, Barbara CDU/CSU 04.03.2004 Lehder, Christine SPD 04.03.2004 Röspel, René SPD 04.03.2004 Rupprecht (Weiden), Albert CDU/CSU 04.03.2004 Dr. Stadler, Max FDP 04.03.2004 Zapf, Uta SPD 04.03.2004 Anlagen zum Stenografischen Bericht weitgehend Einigkeit darüber, dass nicht zuletzt die Menschenwürde des Verletzten es gebietet, ihn einerseits vor zu großen Belastungen im Strafverfahren zu schüt- zen und ihn andererseits in die Lage zu versetzen, seine eigenen Interessen aktiv in das Prozessgeschehen einzu- bringen. Das Opferschutzgesetz von 1987 und das Zeugen- schutzgesetz von 1998 und die Regelungen zum Täter- Opfer-Ausgleich, TOA, waren erste Schritte in diese Richtung. Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass die ent- sprechenden Vorschriften in vielen Fällen noch nicht ausreichen, sodass Verbesserungen und Ergänzungen er- forderlich sind, um dem gewollten Ziel näher zu kommen. Deshalb wird es Zeit, dass wir heute abstimmen und der in der Anhörung ausgebrochene Streit um Urheber- rechte, statt um Lösungen beendet wird. Auch der Weiße Ring, die Opferschutzorganisation, begrüßt diesen Gesetzentwurf und fordert eine schnelle Umsetzung der geplanten Maßnahmen. In ihrer Stellung- nahme dazu heißt es: Der Entwurf des Opferrechtsre- formgesetzes der Bundesregierung beinhaltet zahlreiche Forderungen des Weißen Rings, darunter auch die Aus- weitung der Inanspruchnahme des Opferanwaltes auf Staatskosten. Künftig kann er auch von den Angehöri- gen eines getöteten Opfers beantragt werden. Für Opfer von Straftaten ist eine zügige Schadenswiedergutma- chung als Teil der Verarbeitung des Geschehens beson- ders hilfreich. Wurden sie bislang fast immer auf den Zi- vilklageweg verwiesen und hatten damit nach dem Strafprozess ein zweites meist ebenso belastendes Ver- fahren durchzustehen, dürfte dies in vielen Fällen künf- tig nicht mehr nötig sein. Durch vermehrte Anwendung des so genannten Adhäsionsverfahrens können zivil- rechtliche Ansprüche aus der Straftat bereits im Rahmen des Strafverfahrens festgestellt und zugesprochen werden. Auch das vorgesehene Anwesenheitsrecht von Ver- trauenspersonen bei Zeugenvernehmungen, die Auf- zeichnung auf Tonträger zur Vermeidung wiederholter Vernehmungen sowie der vom Schutzgedanken für das Opfer geprägte Ausbau der Videovernehmung von Opferzeugen in der Hauptverhandlung sind eindeutige Fortschritte beim Opferschutz. Dazu zählt weiterhin die bessere Information des Verletzten über seine Rechte im Strafverfahren, auf die er künftig Anspruch hat und die ihm nicht wie bisher lediglich gegeben werden können. Insbesondere für Opfer von Sexual- und Gewaltstrafta- ten ist es von besonderem Interesse, etwas über Dauer der Haft, Entlassung oder Vollzugslockerungen zu erfah- ren, um sich auf eine eventuelle Begegnung mit dem Tä- ter einstellen zu können. Allerdings gibt es auch noch ei- nige Fragen, welche zügig geklärt werden müssen: Unklar ist noch, ob – wie die Länderkammer verlangt – überhaupt keine Kopien von audiovisuellen Aufzeich- nungen herausgegeben werden, da hier die Gefahr einer 8466 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 (A) (C) (B) (D) Das angestrebte Ziel, dass die Opfer von Straftaten nicht ein zweites Mal zu einem Opfer vor Gericht wer- den und eine schnelle Wiedergutmachung ihrer Schäden erhalten, ist ohne Abstriche begrüßenswert. Inwieweit die vorgeschlagenen Maßnahmen greifen, wird sich zei- gen müssen. Da sich zum Beispiel bei dem Gesetz von 1986 Um- setzungsprobleme gezeigt haben, sollte man eine Be- gleituntersuchung über die Wahrnehmung und tatsächli- che Wirkung der vorgeschlagenen Maßnahmen durchführen. Denn gut gemeint ist nicht immer gut ge- macht. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Berichts: Technikfolgenab- schätzung; hier: Monitoring – „Gesundheitliche und ökologische Aspekte bei mobiler Telekom- munikation und Sendeanlagen – wissenschaftli- cher Diskurs, regulatorische Erfordernisse und öffentliche Debatte“ (Tagesordnungspunkt 14) Renate Jäger (SPD): Der heute zu diskutierende Bericht ist ein Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs über die elektromagnetische Verträglichkeit der Umwelt. Dieser Diskurs wird leider oft sehr emotionalisiert ge- führt. Er ist oft von Unwissenheit, Einseitigkeit und Wi- dersprüchlichkeiten geprägt. Manch ein Konflikt könnte durch bessere Information und Transparenz vermieden werden. Dieser Bericht ist dazu ein wesentlicher Beitrag. Er hat das Ziel, Politik, Netzbetreiber und regulierende Instanzen zu einem konstruktiven Umgang mit den po- tenziellen Risiken des Mobilfunks zusammenzuführen, und er liefert eine gute Grundlage für die weitere Befas- sung des Parlaments mit dieser Thematik. Lassen Sie mich kurz auf die wissenschaftlichen Grundlagen und Erkenntnisse eingehen: Mobilfunk funktioniert auf der Grundlage von so genannten hoch- frequenten elektromagnetischen Feldern. In unserem all- täglichen Umfeld – das wissen wir alle –, ob im Haus- halt, im Beruf oder im Freien, sind wir ständig elektromagnetischen Feldern, EMF, ausgesetzt, den na- türlichen wie Sonne, Gewittern oder Erdmagnetismus und den technisch erzeugten wie zum Beispiel durch Hochspannungsleitungen, diverse Elektrogeräte im Haushalt, medizinische Geräte und vieles andere mehr. Die vom Menschen erzeugten EMF werden auch oft als „Elektrosmog“ bezeichnet. Da die Zellregulationen beim Menschen zu großen Teilen auf elektromagne- tischen Impulsen basieren, können elektromagnetische Einwirkungen von außen auch Einfluss auf die Zell- regulationen haben. Diese Annahme führte zu circa 20 000 wissenschaftlichen Studien, die gemacht worden sind an Zellpopulationen, an Tieren sowie an Menschen und die die verschiedensten Aspekte betreffen wie zum Beispiel den Kalziumtransport, da Kalzium eine wich- tige Rolle bei der Funktion von Neuronen und anderen Zellen spielt, die Erkenntnisfunktionen des Gehirns, Ge- dächtnis- und Lernfähigkeit, Blut-Hirn-Schranke, Herz- Kreislauf-System, Fortpflanzung und Krebsgefährdung um nur einige zu nennen. Zwar konnten in der Mehrzahl der Studien messbare biologische Effekte nachgewiesen werden. Es wurde je- doch kein eindeutiger Nachweis auf negative gesund- heitliche Folgen erbracht. Leider wurden und werden diese beiden Sachverhal- te – der Nachweis biologischer Wirkungen einerseits und der nicht erbrachte Nachweis gesundheitlicher Aus- wirkungen andererseits – in der öffentlichen Debatte nicht getrennt. Sie werden ständig vermischt und aus der Vermischung von beidem resultiert ein Großteil der Ver- unsicherung. Ein gesundheitliches Risiko ist messbar nachgewie- sen: der so genannte thermische Effekt beim Handy bei einem SAR-Wert von 4 Watt pro Kilogramm. Zur Erläu- terung: Der SAR-Wert ist der Wert für die Energieab- sorption im Körper. Der thermische Effekt besagt, dass sich beim Telefonieren mit dem Handy das umliegende Gewebe erwärmt, gegebenenfalls auch die nahe am Ohr liegenden Teile des Gehirns. Auf diese nachgewiesenen thermischen Effekte bezog sich die Internationale Strahlenschutzkommission bei ih- rer Grenzwertempfehlung. Beim Handy beträgt dieser Wert 2 Watt pro Kilogramm, was zu einer Temperaturer- höhung von maximal 0,1 Grad Celsius im Gewebe führt. Bei dieser Temperaturerhöhung sind keinerlei schädi- gende Wirkungen nachgewiesen. Wissenschaftlich nicht geklärt sind die gesundheitli- chen Auswirkungen der so genannten athermischen Ef- fekte, die nicht zu einer Temperaturerhöhung im menschlichen Körper führen, aber messbare biologische Effekte zeigen. Inwieweit Migräne, Kopfschmerzen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen in Zusammenhang mit den athermischen Effekten der EMF gebracht werden kön- nen, sagen die Forschungsergebnisse nicht eindeutig aus. Da die athermischen Effekte im Zusammenhang zu se- hen sind mit den elektromagnetischen Prozessen im menschlichen Körper, ist zu vermuten, dass manche Menschen sensibler als andere auf EMF reagieren kön- nen. In wissenschaftlichen Studien wird – zwar nicht nach- gewiesen – in Schweden „Elektrosensibilität“ als Krank- heit anerkannt und mit speziellen Gesundheitsvorsorge- maßnahmen verbunden. Insgesamt ist bezogen auf die Ergebnisse der Studien festzustellen, dass der derzeitige Wissensstand nicht zufriedenstellend ist und eine ein- heitliche Risikobewertung nicht vorgenommen werden kann. Insbesondere sind die Langzeitwirkungen nicht ausreichend erforscht. Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass es hinsichtlich der Grenzwerte von EMF keine verbind- lichen Regelungen innerhalb der EU gibt. Es gibt emp- fohlene Grenzwerte und die Mitteilung der EU-Kommis- sion an die Mitgliedstaaten, nach dem Vorsorgeprinzip zu handeln. Solange keine wissenschaftliche Klarheit Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 8467 (A) (C) (B) (D) herrscht, können gesundheitliche Auswirkungen auch nicht ausgeschlossen werden. Da muss begründbare Vor- sorge stattfinden. Meine Betonung liegt hier auf begründbar. Demgemäß können die Mitgliedstaaten niedrigere Grenzwerte festlegen, was die meisten auch gemacht haben. Interessant sind in diesem Zusammenhang der im Be- richt enthaltene Ländervergleich und die unterschiedli- chen Herangehensweisen. Beispielsweise liegen in der Schweiz die Grenzwerte so niedrig, dass für das Telefo- nieren größere Empfangslücken bestehen, und trotzdem fordern Protestgruppen eine weitere Absenkung der Grenzwerte. Diese Erfahrung lehrt auch: Viel Vorsorge bedeutet nicht weniger Forderungen der Mobilfunkgegner. In Deutschland liegen die EMF im öffentlichen Raum weit unter den Grenzwertempfehlungen, auch die Emis- sionen der Mobilfunkgeräte. Bei Einhaltung der Sicher- heitsabstände von Mobilfunksendestationen sind auch thermische Wirkungen ausgeschlossen. Insgesamt sind nach derzeitigem Wissensstand bei Einhaltung der Grenzwerte keine gesundheitlichen Risiken zu erwarten. Uneinig ist man noch darüber, inwieweit bei dem Vor- sorgeprinzip die Langzeitexpositionen ausreichend be- rücksichtigt werden. Was die Risikobewertung in der öffentlichen Debatte angeht, gibt es ein großes Kuriosum: Das Mobiltelefon ist in der Bevölkerung voll akzeptiert, obwohl es in der Wissenschaft einen großen Konsens darüber gibt, dass die durch Mobiltelefone erzeugten EMF in ihrer Stärke und Auswirkung weit über denen von Sendeanlagen lie- gen, je nach Entfernung das Hundert- bis Zehntausend- fache über den Werten der Sendeanlagen. Die Proteste richten sich aber hauptsächlich gegen Sendeanlagen, die das mobile Telefonieren überhaupt erst ermöglichen. Davon ausgehend ist nicht zu erwarten, dass von Laien- protesten sachlich begründete Forderungen ausgehen. Gerade diese Tatsache erfordert von Netzbetreibern, Politik und regulierenden Instanzen, den Bürgern und den Kommunen weitestgehende Informationen zukom- men zu lassen. Sorgen und Ängste in der Bevölkerung müssen dabei ernst genommen werden und es muss ein offener Dialog auf sachlicher Basis geführt werden. Dazu benötigen alle Beteiligten Kenntnisse über den neuesten wissenschaftli- chen Sachstand als Grundlage für ihre eigene Risikobe- wertung. Insgesamt ist in Richtung Information und Vertrau- ensbildung einiges auf den Weg gebracht worden. Es gab zunächst die Vereinbarung der Betreiber mit den kom- munalen Spitzenverbänden zum Informationsaustausch und dann durch die Bundesregierung initiiert die Selbst- verpflichtung der Mobilfunknetzbetreiber zur Verbesse- rung von Sicherheit und Bürgerbeteiligung. Im Nach- gang existieren bereits zwei Monitoring-Berichte über die Erfüllung dieser Selbstverpflichtung. Die Bundesre- gierung hat über das Bundesamt für Strahlenschutz das Deutsche Forschungsprogramm Mobilfunk aufgelegt, in dem weitere Forschungsvorhaben aus den Bereichen Biologie, Dosimetrie, Epidemiologie, Elektrosensibili- tät und Risikokommunikation durchgeführt werden. Au- ßerdem ist durch die Regulierungsbehörde für Telekom- munikation und Post eine Standortdatenbank für die Kommunen eingerichtet worden. Das Bundesumweltministerium ist in Gesprächen mit Netzbetreibern und Herstellern über ein besonders um- weltfreundliches Handy – mit einem SAR-Wert von un- ter 0,6 Watt pro Kilogramm –, das das Label „Blauer En- gel“ erhalten soll. Bisher verweigern sich die Hersteller, weil sie für ein Qualitätssiegel auch andere Parameter berücksichtigt haben wollen. Vielleicht sollte man die Bewertungskriterien erneut diskutieren, um endlich zu einer Lösung zu kommen. Eine wesentliche vertrauensbildende Maßnahme sind die Messaktionen durch die Regulierungsbehörde für Te- lekommunikation und Post, bei denen keine Überschrei- tungen der Grenzwerte festgestellt wurden. Häufig wur- den die Grenzwerte um mehr als das Tausendfache unterschritten. Informationspolitik in diesem Bereich kann nicht nur einseitig betrieben werden. Auch die Kommunen müssen ihre Kompetenzen bezüglich der Mobilfunktechnik stär- ken, um einen sachgerechten Dialog führen zu können. Was könnte bzw. was müsste getan werden? Wenn die WHO in diesem Jahr ihre internationale Studie zu dieser Thematik vorlegt, könnte eine erneute Diskussion über Grenzwerte erforderlich werden. Das Parlament könnte in bestimmten Abständen einen Bericht über den Fort- gang der EMVU-Debatte initiieren. Eine koordinierte Forschungsplattform „Mobilfunk und Gesundheit“ könnte eingerichtet werden. Eine Reduzierung der Mo- bilfunkstandorte kann erreicht werden, indem ein Stand- ort durch mehrere Funkdienste genutzt wird. Die Mehr- fachnutzung sollte weiter forciert werden bei neu zu errichtenden Sendeanlagen für die UMTS-Technik. Abschließend sei gesagt: Ziel der Debatte um die Ver- träglichkeit der durch Mobilfunk geschaffenen EMF muss sein, zuallererst gesundheitliche Risiken für die Menschen auszuschließen. In diesem Prozess muss aber auch der Konflikt zwischen sachlicher Risikobewertung und dem empfundenen Risiko entschärft werden durch plausible und begründete Vorsorge auf der Basis weite- rer wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie einer breiten Öffentlichkeitsarbeit. Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Im- mer wieder erleben wir in unseren Wahlkreisen aufge- regte Debatten um die Risiken von Mobilfunk. Anlass ist zumeist die geplante Aufstellung eines Mobilfunkmas- tes. Wir nehmen diese Sorgen und Ängste der Bürgerin- nen und Bürger, die in den Debatten geäußert werden, sehr ernst. Deshalb hat der Deutsche Bundestag eine Studie beim Büro für Technikfolgenabschätzung zur nä- heren Untersuchung verschiedener Fragen im Zusam- menhang mit mobiler Telekommunikation in Auftrag ge- geben. Der Titel der Studie: „Gesundheitliche und ökologische Aspekte bei mobiler Telekommunikation und Sendeanlagen“ verspricht dann allerdings mehr, als die Studie tatsächlich enthält. 8468 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 (A) (C) (B) (D) Denn es geht in der Studie nicht etwa um eine ausge- wogene Betrachtung verschiedener positiver und negati- ver Aspekte der mobilen Telekommunikation. Nein, das Büro für Technikfolgenabschätzung beschränkt seine Untersuchung auf die umfassende Zusammenstellung der vorhandenen Information zu den gesundheitlichen und ökologischen Risiken mobiler Telekommunikation. Auf 100 Seiten werden die wissenschaftliche Suche nach Risiken des Mobilfunks, die Reaktion der Men- schen auf die Konfrontation mit vermeintlichen Risiken des Mobilfunks und einige gesundheitlich-ökologische Regelungen für mobile Telekommunikation dargestellt. Die Studie schließt mit einigen Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Autoren für die Gestaltung einer wei- teren öffentlichen Diskussion über vermeintliche Risi- ken und notwendigen Regulierungen im Bereich mobiler Telekommunikation in Deutschland. In der Studie wird zum Beispiel darauf hingewiesen, dass Herzschrittmacher älterer Bauart Störungen aufwei- sen können, wenn ihm Handys näher als 25 Zentimeter kommen. Was nicht erwähnt wird, das sind zum Beispiel die ge- sundheitlich fördernde beruhigende Wirkung von intelli- genten Herzschrittmachern, die kontinuierlich Gesund- heitsdaten an den zuständigen Arzt übermitteln und im Notfall sogar selbstständig eine SMS an die Rettungs- stelle oder zum Arzt schicken. Das sind Innovationen. Das sind positive Auswirkungen, die nicht unter den Teppich gekehrt werden sollten. Auch auf andere Chancen und positive Auswirkungen mobiler Telekommunikation geht die Studie nicht näher ein. Ausgeblendet werden nicht nur positive gesundheit- liche Wirkungen des mobilen Telefonierens, etwa durch die Sicherheit ständiger Erreichbarkeit, durch vermehrte und deutlich weniger aufwendige Kommunikation. Ret- tungskräfte können einfacher und schneller gerufen wer- den und sind in der Regel früher vor Ort. Es wird auch nicht weiter eingegangen auf positive Strahlungsauswirkungen auf die Wahrnehmungsfähigkeit und Denkleistung des Menschen beim mobilen Telefonie- ren, die in Versuchen durch verbesserte Reaktionszeiten von strahlungsexponierten Menschen nachgewiesen wur- den. Dennoch erscheinen die Ergebnisse der Studie mit Blick auf die öffentliche Debatte über vermeintliche Ri- siken mobiler Telekommunikation sehr wertvoll. Sie las- sen sich einfach, kurz und bündig zusammenfassen: Erstens. Negative gesundheitliche Beeinträchtigungen – das heißt gesundheitliche Schädigungen – durch die Strahlungen bei mobilem Telefonieren mit heutigem Standard in Deutschland konnten nicht nachgewiesen werden. Zweitens. Die in diesem Zusammenhang bestehenden Grenzwerte sind unter gesundheitlichen Aspekten aus- reichend, es besteht kein gesetzgeberischer bzw. sonsti- ger Handlungsbedarf. Dies hat übrigens das Bundesver- fassungsgericht in seinem Urteil aus dem Jahr 2002 bereits festgehalten. Mit diesem eindeutigen Ergebnis, das die Erkennt- nisse aus über 20 000 Publikationen zu diesem Themen- bereich berücksichtigt, könnte das Kapitel Schädigungen durch Mobilfunkanlagen und Handys geschlossen wer- den. Allerdings ist es schon erkenntnistheoretisch un- möglich, potenzielle Gefährdungen völlig auszuschließen. Das gilt auch für die Strahlung von Handys und Sen- demasten und liegt einfach daran, dass niemals alle theo- retisch möglichen bzw. denkbaren Schadenswirkungen untersucht werden können. Wir müssen uns immer zwangsweise auf diejenigen Gefährdungen beschränken, die wir untersuchen und beobachten können. Dass bis- lang beim Mobilfunk keine solchen negativen Wirkun- gen beobachtet wurden, könnte seine Ursache darin ha- ben, dass bislang nur noch nicht richtig gesucht wurde, oder darin, dass solche Wirkungen nicht existieren. Auch wenn exzessive Mobilfunknutzer nicht scharen- weise in Krankenhäusern oder auf dem Sterbebett lie- gen, lässt sich eine Gefährdung niemals ausschließen, ebenso wenig wie es sich ausschließen lässt, dass Fern- sehen dumm macht, die Blähungen von Kühen die At- mosphäre erwärmen oder Mehrweg ökologisch besser sein könnte als Einweg. Solange keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse die derzeit in Deutschland bestehenden Grenzwerte und sonstigen Auflagen für die Strahlung von Mobilfunkan- tennen und Mobiltelefonen als unzureichend ausweisen, sollte die weitere Entwicklung mobiler Telekommunika- tion – wie derzeit zum Beispiel die Einführung der UMTS-Technik – nicht mit Debatten und öffentlichen Diskursen über Phantomrisiken belastet werden. Wir ha- ben mittlerweile so viele handfeste große Probleme in Deutschland, die dringend gelöst werden müssen, wie zum Beispiel die zunehmende Arbeitslosigkeit, das Ge- sundheits- und Rentenchaos. Der Bundestag sollte sich dann wieder mit dem Thema befassen, wenn neue wissenschaftliche Erkennt- nisse Schädigungen tatsächlich belegen können. Es ist unsere zentrale Aufgabe, die Entwicklung zukunftsfähi- ger Technologien und die Anwendung dieser Techniken zu fördern. Wir wollen Chancen ergreifen und damit den Wohlstand im Lande mehren und uns nicht durch Risi- kodiskussionen selbst blockieren. Ich schließe meine Rede mit einem Ausspruch von Erich Kästner: „Wird’s besser – wird’s schlimmer – fragt man alljährlich – seien wir ehrlich – leben ist immer – lebensgefährlich“. Holger Haibach (CDU/CSU): Der vorliegende Be- richt über das Mobilfunkmonitoring ist vor allem und zu allererst eine wissenschaftliche Fleißarbeit. Insofern ein herzlicher Dank an die Ersteller dieses Berichts. Betrachtet man nun allerdings den Inhalt des Berichts, so kommt man zu einer zugegebenermaßen überspitzt formulierten, nichtsdestoweniger erstaunlichen Er- kenntnis: Man weiß, dass man nichts weiß, zumindest nichts Genaues und Sicheres. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 8469 (A) (C) (B) (D) Die Zahl von mehr als 20 000 Untersuchungen zu den Auswirkungen des Mobilfunks auf Menschen, Tiere und Umwelt belegt jedoch, wie groß das Interesse an Sicher- heit bei diesem Thema ist. Objektiv lässt sich allerdings feststellen, dass eine wie auch immer geartete Schädi- gung durch Mobiltelefone und Anlagen bisher nicht ein- wandfrei bewiesen werden kann. Dies soll allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ein subjektives Bedrohungsgefühl in Teilen der Bevölkerung gibt; auch dies zeigt der Bericht deutlich auf. Bemerkenswert ist hierbei, dass die subjektiv emp- fundene Bedrohung nicht etwa von den zumeist direkt am Körper getragenen Mobiltelefonen, sondern von den Mobilfunkmasten ausgeht. Die Schizophrenie der öffent- lichen Debatte wird spätestens dann deutlich, wenn man bedenkt, dass zwar niemand einen Mobilfunkmast direkt in seiner Nähe sehen will, andererseits die Zahl der Han- dybesitzer in Deutschland von Jahr zu Jahr steigt und in- zwischen die Zahl von 50 Millionen überschritten hat. Diese Ängste in der Bevölkerung sind vielfach auf Unwissenheit und mangelnde Aufklärung zurückzufüh- ren. Es ist somit auch unsere Aufgabe, die Debatte über mögliche Gefahren von Mobilfunkanlagen zu versachli- chen und die Menschen zu informieren. Dies ist für meine Fraktion ein wesentliches Ergebnis dieser Unter- suchung. Dem entspricht die Empfehlung des Berichts, dass gerade bei Mobilfunkanlagen eine „transparente Ri- siko-Nutzen-Analyse“ durchzuführen ist. Nochmals: Sachliche Diskussion und nicht das Schüren von Ängs- ten muss hier die Devise sein. Dies gilt auch für den Bereich der Diskussion um Re- gelungen und Grenzwerte, wenn es um die Frage der Abstrahlung von Mobilfunkanlagen geht. Wer geglaubt hätte, eine möglichst strenge Regulierung bis ins letzte Detail hinein führe automatisch zu einer Beruhigung der Gemüter und damit zu einem vernünftigen Umgang in der Mobilfunkdebatte, der sieht sich heute getäuscht. Denn der vorliegende Bericht stellt eindeutig fest, dass in den Ländern, in denen die höchste Regulierungsdichte beim Mobilfunk herrscht, die öffentliche Diskussion und die Emotionalisierung der Debatte am stärksten ist. Dies sollte uns allen – und im Besonderen der Bundesregie- rung – eine Warnung auch für andere Politikbereiche sein. Wesentlich vielversprechender sind da doch die frei- willigen Initiativen, die seitens der Kommunen und der Mobilfunkbetreiber unternommen wurden, um einen Wildwuchs von Masten und damit eine über das notwen- dige Maß hinausgehende Belastung der Bevölkerung durch Elektrosmog zu verhindern. Die Errichtung von Mobilfunkkatastern und der Versuch, über einen Mast mehrere Mobilfunknetze zu betreiben, haben gerade in städtischen Bereichen erste Erfolge gezeigt. Immerhin werden von etwa 35 Prozent aller Masten inzwischen zwei oder mehr Netze angesteuert; diesen Trend gilt es zu stärken und zu unterstützen. Wenn insgesamt bei den Netzbetreibern positive Zei- chen zu beobachten sind, so muss auch andererseits deutlich gemacht werden, dass die Handyhersteller mit ihrer Weigerung, Strahlungswerte auf ihren Handys an- zugeben, der Sache Mobilfunk keinen Gefallen tun. Anliegen der CDU/CSU-Fraktion ist es, die Debatte über den Mobilfunk zu entideologisieren. Es geht hier weder um die unkontrollierte Abstrahlung von Sende- leistung noch um das Verbot und die Rückkehr in die kommunikationstechnische Steinzeit. Vielmehr muss der Mittelweg gefunden werden, den der vorliegende Be- richt des TA-Büros wiederholt einfordert. Die Verfasser folgen damit einer Linie, die auch international von füh- renden Forschungsinstitutionen im In- und Ausland so gesehen wird. Aus diesem Grund müssen bestehende Risiken unter- sucht und abgewogen werden. Denn es ist so, wie der Bericht feststellt, dass die „wissenschaftlichen Kernfra- gen innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre nicht hin- reichend beantwortet werden können.“ Aber eines ist auch richtig und wichtig und auch dies stellt der Bericht fest; zu warten, bis der absolute Beweis der Unschädlichkeit des Mobilfunks erbracht ist, kann nicht die Lösung sein. Denn Unschädlichkeit kann als negativer Tatbestand nun einmal nicht bewiesen werden. Dr. Antje Vogel-Sperl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Weltweit liegen heute mehr als 20 000 wissen- schaftliche Studien und einige Hundert Metastudien vor, die der Frage nach möglichen gesundheitlichen Auswir- kungen des Mobilfunks nachgehen. Eine klare und ein- deutige Antwort steht jedoch noch immer aus, was letzt- lich die Ursache für die Verunsicherung der Bevölkerung ist. Jeder dritte Deutsche ist besorgt wegen möglicher Gesundheitsrisiken laut einer Umfrage des Bundesum- weltministeriums. Vor diesem Hintergrund hat der Ausschuss für (Bil- dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Herbst 2001 das nun vorliegende Gutachten beim Büro für Technikfolgenabschätzung in Auftrag gegeben. Ziel war es, mehr Licht in die Debatte zu bringen. Dies ist durchaus gelungen Der Bericht liegt nun vor und bietet – dafür gebührt dem TAB unser ausdrücklicher Dank – einen sehr gut strukturierten Überblick über den Stand der gesellschaftlichen Diskussion sowie über die For- schungsergebnisse und regulatorischen Ansätze auf na- tionaler und internationaler Ebene. Das Ergebnis der TAB-Wissenschaftler bezüglich der Forschungslage gibt uns leider noch keine wissenschaft- liche Klarheit. Trotz Hinweisen auf biologische Effekte durch Mobilfunkstrahlung ist eine tatsächliche Gefähr- dung der menschlichen Gesundheit bislang nicht beleg- bar. Ein Unbedenklichkeitsnachweis ist dies jedoch nicht. Die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der TAB-Wissenschaftler sind jedoch eindeutig Sie fordern zwei grundlegende Strategien, breit angelegte Vorsorge- maßnahmen und die Anwendung des Minimierungsge- bots in allen Bereichen des Mobilfunks Durch diese Empfehlungen sehen wir Grüne uns eindeutig in unseren Forderungen unterstützt. Konkret heißt das: Wir brauchen mehr Forschung zu den gesundheitlichen Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung, 8470 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 (A) (C) (B) (D) wir brauchen eine bessere Information und Aufklärung der Bevölkerung, wir brauchen mehr Bürgerbeteiligung beim Netzausbau und der Standortfindung, wir brauchen eine sachgerechte Kennzeichnung von strahlungsarmen Geräten und wir brauchen die Anwendung des Minimie- rungsgebots sowohl bei der Netzplanung, dem Gerätede- sign und bei der Nutzung der Technologie selbst. Mini- mierung heißt dabei: Wo immer Möglichkeiten bestehen, die Strahlenbelastung der Bevölkerung zu verringern, müssen diese genutzt werden! Was haben wir nun seit Abschluss der Selbstver- pflichtung im Jahr 2001 erreicht? Mit ihrem Vorsorge- programm hat die Bundesregierung ein ganzes Paket an Maßnahmen erfolgreich auf den Weg gebracht: Mit 20,5 Millionen Euro fördert derzeit die Bundesre- gierung im Zeitraum zwischen 2002 und 2005 die Erfor- schung der gesundheitlichen Auswirkungen des Mobil- funks sowie die Optimierungspotenziale bei der technischen Regulierung des Netzausbaus und die Ent- wicklung strahlungsarmer Sendemasten und Mobiltele- fone. Im vergangenen Jahr ist das Mobilfunkforschungs- programm des Umweltministeriums mit einem Volumen von 8,5 Millionen Euro zuzüglich eines Beitrags der Netzbetreiber in gleicher Höhe erfolgreich angelaufen. Auch die Information der Bevölkerung konnte durch Maßnahmen der Bundesregierung verbessert werden. Mit einer Informationskampagne bietet das Bundesamt für Strahlenschutz zielgruppenorientierte Informationen rund um das Thema Mobilfunk an, insbesondere für Kinder und Jugendliche. Gerade hier besteht auch drin- gender Handlungsbedarf, denn Kinder und Jugendliche telefonieren mehr und mehr mit Handys. Die Informa- tionsbroschüre „Mobilfunk: Wie funktioniert das eigent- lich?“, auf Initiative der grünen Bundestagsfraktion vom Bundesamt für Strahlenschutz herausgegeben, bringt verständliche Informationen über den Umgang mit Mo- biltelefonen speziell für diese Zielgruppe. Das heißt: vorsorgender Gesundheitsschutz gerade für Kinder und Jugendliche, die aufgrund ihres Alters eines besonderen Schutzes bedürfen. Genauso bietet die Infobroschüre „Deutsches Mobil- funkforschungsprogramm“ eine Fülle von Informationen über den Mobilfunk und die derzeitigen Forschungsakti- vitäten unter Leitung des BfS. Das bedeutet Zugang zu wissenschaftlichen Informationen, Transparenz und Klarheit für die Bürgerinnen. Seit Anfang dieses Jahres steht allen Bürgerinnen und Bürgern eine internetbasierte Standortdatenbank zur Verfügung gemäß der freiwillige Selbstverpflichtung und dem Koalitionsvertrag. Diese Datenbank bietet so- wohl Informationen zu allen Mobilfunksenderstandorten in Deutschland als auch zu den umfangreichen Strahlen- messprogrammen, die Bund und Länder in den vergan- genen Jahren durchgeführt haben. Das bedeutet einen weiteren wesentlichen Fortschritt zu mehr Transparenz. Angesichts der noch offenen Fragen und derzeit nicht endgültig ausgeräumten Bedenken bezüglich der ge- sundheitlichen Auswirkungen des Mobilfunks müssen wir diesen Kurs der Vorsorge und Strahlenminimierung konsequent weitergehen. Doch das heißt auch, dass die Netzbetreiber und Handyhersteller ihren Beitrag leisten müssen. Und da gibt uns sowohl der Bericht der TAB- Wissenschaftler als auch das seit dieser Woche vorlie- gende zweite Jahresgutachten zur Umsetzung der Selbst- verpflichtung deutliche Hinweise auf bestehende Defi- zite. Auch wenn sich die Kommunikation zwischen Netz- betreibern und den Kommunen erkennbar verbessert hat, die Information und Einbindung der Bürgerinnen und Bürger durch Netzbetreiber und Kommunen ist nach wie vor mangelhaft. Aber genau diese Einbeziehung ist not- wendig, um Akzeptanz in der Bevölkerung, Transparenz für die Betroffenen im Sinne des vorsorgenden Verbrau- cherschutzes und auch Planungssicherheit für die Netz- betreiber zu erzielen. Diese frühzeitige Einbindung ist unerlässlich zum Nutzen für alle Akteure. Betreiber und Kommunen müssen frühzeitig auf betroffene Bürger zu- gehen und nicht erst warten, bis das Kind in den Brun- nen gefallen ist und ein Konflikt um bestimmte Stand- orte ausgebrochen ist. Die Verfahren zur Standortfindung und auch zur Ein- bindung der Bürger sind zudem in jeder Kommune un- terschiedlich. Viele kleinere Gemeinden sind hier zudem überfordert. Hier vermeiden einheitliche Verfahren so- wohl gesellschaftliche Konflikte als auch Kosten und Aufwand der Betreiber. Notwendig ist also sowohl ein Leitfaden als auch ein Katalog mit Best-Practice-Bei- spielen, um den Kommunen nützliche Hilfestellungen anzubieten. Beides bringt Transparenz und Effizienz. Wir Grüne fordern dies seit Beginn dieser Legislaturpe- riode. Noch immer fehlt eine vorsorgeorientierte Kenn- zeichnung von Mobilfunkgeräten. Ein Warnhinweis für Jugendliche unter 16 Jahren ist dabei genauso erforder- lich wie die Kennzeichnung strahlungsarmer Geräte. Beides fordern wir mit Nachdruck im Sinne des Vorsor- geprinzips. Und wenn eine Anpassung der Kriterien des seit 2002 vorliegenden „Blauen Engels“ notwendig ist, dann sind die Hersteller aufgefordert, der Jury Umwelt- zeichen hierfür praktikable Vorschläge vorzulegen, an- statt sich der Anwendung des „Blauen Engels“ zu ver- weigern. Das Argument, das Bewerben von Handys aufgrund ihrer strahlungsarmen Eigenschaften – wie es zum Beispiel ein Schweizer Hersteller ganz offensiv be- treibt – stelle ein Handelshindernis auf einem globalen Markt dar, ist nicht überzeugend. Das zweite Jahresgutachten zur freiwilligen Selbst- verpflichtung hat zudem große Defizite hinsichtlich der Kenntnisse des Verkaufspersonals über den SAR-Wert der angebotenen Mobilfunktelefone und dessen Veröf- fentlichung in der jeweiligen Bedienungsanleitung offen gelegt. Weiterhin gibt es vielfältige Möglichkeiten, die Strah- lungsbelastung der Bevölkerung auf ein Minimum zu re- duzieren. Das betrifft sowohl die technische Gestaltung der Telefone und Sendemasten als auch planerische Maßnahmen bei der kommunalen Standortplanung. Her- steller, Betreiber und Kommunen müssen diese Mög- lichkeiten nur konsequent anwenden. Und das – so Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 8471 (A) (C) (B) (D) bestätigen es auch die Forschungsberichte – ist heute noch nicht der Fall. Im Übrigen ist gerade auch hier eine innovative Industrie gefragt, entsprechende Produkte ge- mäß dem Minimierungsprinzip zu entwickeln. Das ist gut für den Verbraucher und für die Erschließung neuer Märkte. Wir Grüne haben immer eine Absenkung der Grenz- werte und verbindliche Regeln im Bereich Mobilfunk angestrebt und wollen dies auch weiterhin. Klar ist, wenn der Weg der Selbstverpflichtung weiter begangen werden soll, muss der Ansatz der Vorsorge konsequent umgesetzt werden. Hier sind vor allem die Hersteller und Netzbetreiber aufgefordert, ihren Teil des Beitrags ernsthafter zu erfüllen. Sollte dies nicht erfolgen, müssen wir gemeinsam über dann notwendige gesetzgeberische Maßnahmen nachdenken. Michael Kauch (FDP): Wir Liberalen befürworten die Mobilfunktechnik als Teil der modernen Telekom- munikation und stehen grundsätzlich auch einer weiteren Verbreitung positiv gegenüber. Die FDP nimmt zugleich die Sorgen der Menschen sehr ernst. Wir brauchen eine sachliche, aber kritische Debatte darüber, wie diese Technologie ohne Gesundheitsgefahren eingesetzt wer- den kann. Der vorliegende TAB-Bericht kann nur der Anfang sein. Auch wenn die derzeitigen wissenschaftlichen Er- kenntnisse keinen Anlass für eine Veränderung der be- stehenden Grenzwerte geben, müssen die gesundheitli- chen und ökologischen Risiken aus Sorge um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger weiter erforscht werden. Wir brauchen Klarheit! Insbesondere die Lang- zeitwirkungen gepulster elektromagnetischer Felder so- wie mögliche nicht thermische Effekte sind bislang nicht ausreichend untersucht worden. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass unsere Auf- merksamkeit nicht nur für die Mobilfunksendeanlagen, sondern gerade auch für die Handys gelten muss. Über die notwendige Forschung hinaus muss Transparenz über die Strahlungsintensität von Handys hergestellt werden. Wir brauchen eine Kennzeichnung, die den Konsumenten beim Kauf über die Strahlungswerte der Geräte aufklärt. Der mündige Verbraucher kann ent- scheiden, ob die Strahlungsintensität beim Kauf eine Rolle spielen soll oder nicht. Doch die derzeitige Situation sieht anders aus. Zwar besteht seit 2002 die Möglichkeit, für strahlungsarme Handys das Umweltzeichen „Blauer Engel“ zu beantra- gen. Jedoch wurde dies bislang von keinem Hersteller in Anspruch genommen. Ich fordere die Industrie auf, sich der Einführung eines solchen Labels nicht weiter zu ver- schließen und sich in dieser Frage zu bewegen. Ich fordere aber auch die Bundesregierung – allen voran Umweltminister Trittin – auf, politische Verant- wortung zu übernehmen, anstatt mit dem Finger auf die Industrie zu zeigen. Schaffen Sie die Voraussetzungen dafür, dass sich die Klassifizierung der Strahlungsinten- sität von Handys durchsetzt. Handeln Sie, Herr Trittin! Die laufende öffentliche Debatte über die gesundheit- lichen Gefahren der Sendemasten steht in einem Miss- verhältnis zum derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnis- stand. Obwohl bislang unterhalb der geltenden Grenzwerte keine Gefahren festgestellt werden konnten, wächst vor Ort in den Kommunen der Unmut von Bür- gerinnen und Bürgern, die im Umkreis von Sendemasten wohnen. Wir als Politiker müssen diese Sorgen ernst nehmen, aber zugleich akzeptieren, dass eine Optimie- rung des Netzes und damit eine Minimierung der Strah- lung der Endgeräte nur durch den Ausbau der Sendean- lagen zu erreichen ist. Um die Akzeptanz der Mobilfunktechnologie nicht zu gefährden, müssen die Gemeinden frühzeitig und stärker als bisher bei der Suche nach geeigneten Standorten be- teiligt werden. Eine alternative Standortwahl kann in vielen Fällen schon im Vorfeld Konflikte verhindern. Ich appelliere an die Netzbetreiber, die geschlossene Selbstverpflichtung wieder ernster zu nehmen. Nur das Miteinander von Gemeinden und Mobilfunkbetreibern kann helfen, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu gewinnen. Dafür sollten wir uns gemeinsam einsetzen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Elften Geset- zes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) (Tagesordnungspunkt 15) Christian Müller (Zittau) (SPD): Die Bundesregie- rung hat heute ausführlich Notwendigkeit und Inhalt der vorgesehenen Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes begründet. Eine politische Reaktionsmöglichkeit auf an- stehende Veräußerungen von rüstungspolitisch sensiblen Unternehmen, zu denen auch Hersteller von Anlagen zu ebenso sensibler Kommunikation gehören, an gebiets- fremde Erwerber ist angesichts der erwähnten jüngeren Erfahrungen ebenso sinnvoll wie notwendig. Insofern kann hier nur die von der Opposition vorge- tragene Kritik relativiert und zurückgewiesen werden. Vor allem muss erwähnt werden, dass es in wichtigen Partnerländern der Bundesrepublik wie Frankreich, Großbritannien und den USA aus wohlverstandenem Eigeninteresse vergleichbare Regelungen gibt, die zum Teil über die vorgesehene deutsche Regelung hinausrei- chen. Dies ist ein deutlicher Hinweis auf das zu jeder Zeit bestehende Spannungsverhältnis von wirtschaftli- cher Partnerschaft und Wettbewerb, das neben den sicherheitspolitischen Interessen ohne Zweifel zu beach- ten ist. Die vorgesehene Maßnahme der Bundesregie- rung zielt vielmehr auch auf die Garantierung der beste- henden Versorgungssicherheit der Bundeswehr. Daher muss die vorgetragene Kritik, dieser Eingriff in die Freiheit des Kapitalverkehrs passe nicht in den Kon- text der Globalisierung, an dieser Stelle fehlgehen. Dies gilt vor allem deshalb, weil der Anwendungsbereich der 8472 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 (A) (C) (B) (D) Regelung eng begrenzt bleiben wird und eine Versagung der Genehmigung nicht als Automatismus, sondern eher als letzte Eingriffsmöglichkeit zu betrachten ist, bei der auch die wirtschaftlichen Auswirkungen auf das zu ver- äußernde Unternehmen in die Bewertung eingehen. Der Zugang zum nationalen oder internationalen Kapital- markt ist grundsätzlich frei; das Verfahren fordert keine ausschließliche Eigenfinanzierung. Immerhin begrüßen die betroffenen Unternehmen bzw. Verbände unter Anerkennung des angestrebten Schutzes zumindest die vorgesehene Beschränkung auf Kriegswaffen produzierende Unternehmen. In jedem Fall sind Unternehmen, die Dual-Use-Güter herstellen, vom Gesetzentwurf nicht erfasst. Kryptosysteme sind nur zum Teil Dual-Use-Produkte. Die Opposition beklagt hier, dies alles passe außer- dem nicht zu den Beschlüssen der EU hinsichtlich der Einrichtung einer gemeinsamen Rüstungsagentur oder der Schaffung einer europäischen Rüstungsindustrie. Dem ist entgegenzuhalten, dass die vorgesehenen Ein- schränkungen nicht im Widerspruch dazu stehen. Die nationalen Rüstungsindustrien unterliegen außerdem laut EG-Vertrag nicht der gemeinsamen Handelspolitik. Somit fehlt für eine einheitliche europäische Export- richtlinie die dazugehörige Rechtsgrundlage. Das Ziel einer Konvergenz nationaler Rüstungs- exportentscheidungen im Zuge einer weiteren Europäi- sierung bei rechtlicher Verbindlichkeit im EU-Verhal- tenskodex wird von der Bundesregierung auch weiterhin verfolgt. Die Gründung von Gemeinschaftsunterneh- men wird von der Genehmigungspflicht nicht tangiert. Wenn Deutschland im europäischen oder auch atlanti- schen Kontext ernst genommen werden will, müssen wir über leistungsfähige und technologisch hochwertige in- dustrielle Kapazitäten verfügen können. Nur auf diese Weise ist es auch im Hinblick auf die transatlantische Partnerschaft darstellbar, dass wir in der Lage sind, et- was Substanzielles in die Rüstungszusammenarbeit ein- zubringen. Das halte ich für ein wesentliches Argument, über das in Frankreich vermutlich niemand diskutieren würde. Daher ist mit dieser Änderung des Außenwirt- schaftgesetzes das Signal verbunden, dass die deutsche wehrtechnische Industrie nicht zur Disposition steht. Erich G. Fritz (CDU/CSU): Die Bundesregierung kann es nicht lassen – wieder schafft sie mit dem nun vorgelegten Gesetzentwurf auf Drucksache 15/2537 zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) und der damit ein- hergehenden Einführung eines Genehmigungsvorbehal- tes für den Erwerb von Anteilen deutscher wehrtechni- scher Unternehmen durch ausländische Interessenten zusätzliche Reglementierungen für die deutsche Rüs- tungsindustrie. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt den Gesetz- entwurf aus mehreren Gründen ab: Angesichts des seit 1990 dramatisch geschrumpften nationalen Rüstungsmarktes sind die deutschen wehr- technischen Unternehmen auf internationale Kooperatio- nen und Verflechtungen auch über internationale Kapi- talbeteiligungen angewiesen. Anders lassen sich keine leistungsfähigen wehrtechnischen Kapazitäten in Deutschland erhalten. Die Bundesregierung darf den Unternehmen den Weg zu internationalen Kooperatio- nen und Kapitalbeteiligungen daher nicht versperren. Gerade angesichts des knappen heimischen Budgets sind solche Kooperationen und die Suche nach neuen Märk- ten im Ausland das Gebot der Stunde. Erschwert würden zudem multinationale und trans- atlantische Joint Ventures, was zwangsläufig zu Be- schränkungen im Handels- und Investitionsbereich führt. Dies schadet der Attraktivität des Industriestandortes Deutschland. Wir alle wissen aber, dass transatlantische Zusammenarbeit aus europäischer Sicht nicht nur sicher- heitspolitisch, sondern auch wirtschaftlich bzw. indus- triepolitisch relevant ist. Schließlich handelt es sich bei den USA um den größten und in absehbarer Zeit wachs- tumsstärksten Rüstungsmarkt der Welt. Die Bundesre- gierung darf bei den Plänen nicht vergessen, dass die Firmen auch produzieren und verkaufen können müssen. Nur mit den Aufträgen des deutschen Staates kann dies nicht garantiert werden. Mit der Einführung eines Genehmigungsvorbehaltes entsteht – neben den aufgrund der restriktiven deutschen Rüstungsexportgenehmigungspolitik ohnehin schon be- stehenden Problemen – ein weiterer Abschreckungsfak- tor für die Einbeziehung deutscher Rüstungsunterneh- men in einen europäischen Rüstungsmarkt. Problematisch ist auch die Reichweite der geplanten Genehmigungspflicht; denn die jetzt vorgeschlagene ge- setzliche Regelung schließt nicht aus, dass der Kreis der betroffenen Unternehmen künftig erweitert wird und da- mit auch Zuliefererbetriebe und zivile Unternehmen um- fasst, die lediglich in geringem Umfang militärisch nutz- bare Produkte herstellen. Diese Gefahr hat auch der Bundesrat erkannt und in seiner Empfehlung auf der Bundesratsdrucksache 5/1/04 zu Recht empfohlen, die in Art. l Nr. l Buchstabe b § 7 Abs. 2 Nr. 5 aufgeführten Wörter „Kriegswaffen oder andere Rüstungsgüter“ durch die Wörter „Güter im Sinne von Teil B der Anlage zu § l Abs. l des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen (Kriegswaffen- liste)“ zu ersetzen. Damit würde deutlicher, dass das Kriegswaffenkontrollgesetz und nicht das Außenwirt- schaftsgesetz Grundlage der Neuregelung sein wird. Wie Sie wissen, hat auch der Bundesrat Zweifel, ob das Ziel, wehrtechnische Kernfähigkeiten in Deutsch- land zu erhalten, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf tatsächlich erreicht wird. Auch die Länderkammer sieht die Gefahr, dass dadurch die Kooperation deutscher und ausländischer Unternehmen bei europäischen und NATO-internen Rüstungskooperationen erschwert wird. Eine Kooperation, so der Bundesrat, sei oft nur bei ei- gentumsbedingter Verflechtung möglich, weil Unterneh- men sensibles technisches Know-how vorzugsweise in- nerhalb der eigenen Unternehmensgruppe weitergeben. Insofern könnten sich die von der Bundesregierung vor- gesehenen Maßnahmen zum Schutz gegen Übernahmen Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 8473 (A) (C) (B) (D) negativ auf die deutsche Industrie und den Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland auswirken. Natürlich besteht auch das Ziel der Union darin, wehrtechnische Kernfähigkeiten in Deutschland zu er- halten. Darüber müssen wir nicht diskutieren. Die ge- plante Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung ist jedoch das falsche In- strument. Was wir stattdessen brauchen, sind verbesserte Rahmenbedingungen für die deutsche Rüstungsindustrie und die Förderung von Forschung und Entwicklung. Nur so kann die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Rüs- tungsindustrie erhöht werden. Und genau da liegt das Problem; denn die deutschen Forschungs- und Entwicklungsmittel sind vergleichs- weise gering. Dies bemängeln ja inzwischen auch Ver- teidigungsexperten der SPD. Wie ich einem Artikel im „Handelsblatt“ vom Dezember letzten Jahres entnehmen konnte, vertreten selbst SPD-Wehrexperten wie unser Kollege Rainer Arnold die Auffassung, dass die For- schung der Schlüssel für die Bewahrung der technologi- schen Fähigkeiten der Rüstungsindustrie ist; vergleiche „Handelsblatt“ vom 12. Dezember 2003: ,,Militärische Forschung auf dem Abstellgleis“. Unser diesbezüglicher Nachholbedarf ist immens. 2004 stecken die USA rund 62,8 Milliarden Dollar in die militärische Forschung. Damit hat sich der Posten seit 2001 nahezu verdoppelt und schon im Jahre 2001 haben die USA mehr als viermal so viel Forschungsgelder aus- gegeben wie die EU zusammen; vergleiche „Handels- blatt“ vom 12. Dezember 2003: ,,Militärische Forschung auf dem Abstellgleis“. In Deutschland beliefen sich die Forschungsausgaben 2003 auf 220 Millionen Euro. Eine Erhöhung von 19 Millionen Euro wurde in den Etatbera- tungen für 2004 vereinbart. Damit nimmt Deutschland selbst im EU-Vergleich einen hinteren Platz ein. Die Wirtschaft hat gute Alternativen bei unerwünsch- ten Unternehmenskäufen im militärisch sensiblen Be- reich vorgeschlagen. So schlug sie neben einer Selbst- verpflichtung der betroffenen Unternehmen auch eine Meldepflicht für ausländische Interessenten vor – ohne Erfolg. Die Bundesregierung hat sich dagegen entschie- den, weil ihrer Ansicht nach erstens eine Selbstver- pflichtung der Unternehmen der Bundesregierung nicht die Möglichkeit gegeben hätte, im Einzelfall einen die wesentlichen deutschen Sicherheitsinteressen gefährden- den ausländischen Erwerb gegebenenfalls zu verhindern, und zweitens ihr Gesetzentwurf den betroffenen Unter- nehmen durch die Genehmigungsfrist von einem Monat ein größeres Maß an Rechtssicherheit gibt, während die Einführung einer gesetzlichen Meldepflicht verbunden mit der Möglichkeit, gegebenenfalls durch Einzeleingriff einen Erwerbsvorgang zu verbieten, die Notwendigkeit mit sich gebracht hätte, den Einzeleingriff spätestens nach sechs Monaten durch eine Verordnung zu bestäti- gen. Dass die Änderung mit der heißen Nadel gestrickt wurde, zeigt die Antwort der Bundesregierung auf meine Kleine Anfrage, Drucksache 15/2363. Einige Fragen konnten mangels vorhandener Erkenntnisse schlichtweg nicht beantwortet werden. So gibt es keine Erkenntnisse über mögliche Auswirkungen der Neuregelung auf kleine und mittlere Unternehmen der Zuliefererindustrie, keine Erkenntnisse über mögliche Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt oder auch keine Erkennt- nisse über die Höhe der Kosten, die den Unternehmen bei der Beantragung einer Genehmigung entstehen kön- nen. Dies legt den Schluss nahe, dass sich die Bundes- regierung bei der Vorbereitung des Gesetzes ziemlich unreflektiert an den Regelungen der amerikanischen, britischen und französischen Partner orientiert hat. Wir fordern die Bundesregierung auf, den Gesetzent- wurf zurückzuziehen, weil dadurch nicht die Probleme der deutschen Rüstungsindustrie gelöst werden können. Vielmehr nimmt der Staat den verbliebenen Rüstungsun- ternehmen jeglichen Spielraum, sich in einem globalisie- renden und von Unternehmenszusammenschlüssen ge- prägten Umfeld zu positionieren. Festhalten möchte ich daher: Erstens. Auch die Union verfolgt das Ziel, wehrtech- nische Kernfähigkeiten in Deutschland zu erhalten. Wir halten dies aber nur durch verstärkten Rüstungsexport in Kooperation mit unseren europäischen Partnern für möglich. Leider ist auch dies dank einer weiteren Regle- mentierung der Bundesregierung, nämlich der Endver- bleibsklausel, nicht so einfach. Unsere Alternative zum Erhalt wehrtechnischer Kernfähigkeiten in Deutschland lautet daher: Europäisierung der Rüstungsexportrichtli- nien, Erhöhung des Verteidigungsetats und Erhöhung des Investitionsausgabenanteils am Wehretat. Zweitens. Planwirtschaft hilft der deutschen Rüs- tungsindustrie nicht. Wohin zu viel Einmischung führen kann, zeigt das Beispiel Frankreich, das etwa in der Wehrtechnik penibel darauf achtet, Kernkompetenzen national zu erhalten mit der Folge, dass sowohl im Mari- nebereich wie auch bei der Heerestechnik Unternehmen existieren, die weder wettbewerbsfähig noch rentabel sind. Wenn sich die Rahmenbedingungen für die Rüs- tungsindustrie nicht verbessern, kann auch das von der Bundesregierung geplante Gesetz einen Ausverkauf der deutschen wehrtechnischen Industrie nicht aufhalten. Die Situation der Rüstungsindustrie verbessern würde zum Beispiel eine Erhöhung der Forschungsmittel. For- schungs- und Entwicklungsmittel entscheiden nicht zu- letzt über unsere Partnerschaftsfähigkeit. In Frankreich und Großbritannien zielt die militärische Forschung viel stärker auch auf das Sichern von Exportchancen – da ha- ben wir in Deutschland noch großen Nachholbedarf. Drittens. Europäische Lösungen müssen Vorrang vor nationalen Regelungen haben. Prioritär muss die Schaf- fung einer europäischen Rüstungsindustrie bzw. eines europäischen Rüstungsmarktes sein. Dieses Ziel ist je- doch nicht zuletzt deshalb gefährdet, weil das von der Bundesregierung vorgesehene Einspruchsrecht auch bei Übernahmewünschen von Firmen aus EU-Staaten gelten soll. Wie sehr sich die Schaffung eines europäischen Rüs- tungsmarktes gerade in Zeiten knapper europäischer Haushalte lohnen würde, belegt die Studie des britischen Wirtschaftswissenschaftlers Keith Hartley, wonach ein 8474 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 (A) (C) (B) (D) liberalisierter Rüstungsmarkt mit einer europäischen Be- schaffungsagentur helfen könnte, Kosten von bis zu 15 Milliarden Euro im Jahr zu sparen; vergleiche „Han- delsblatt“ vom 5. Dezember 2004: „Rüstungskonzerne müssen umdenken“. Wir fordern die Bundesregierung nicht zuletzt deshalb auf, sich verstärkt für den Aufbau eines europäischen Rüstungsmarktes einzusetzen und aktiv in der Arbeitsgruppe zur Gründung der EU-Rüs- tungsagentur mitzuwirken. Dort werden Antworten auf die entscheidenden Herausforderungen der Zukunft erar- beitet, nämlich Antworten auf die Entwicklung gemein- samer Verteidigungsfähigkeiten, die Rüstungskoopera- tion und Stärkung der industriellen und technologischen Basis in Europa, die Schaffung eines wettbewerbsfähi- gen europäischen Marktes für die Verteidigungsindustrie und die Förderung von Forschung und Entwicklung. Nur EU-Lösungen bieten Europa sicherheitspoliti- sche Unabhängigkeit. Deshalb müssen nationale Allein- gänge vermieden werden. Natürlich werden dabei auch europäische Konsortien entstehen, die nicht mehr unter deutscher Leitung sind. Aber durch eine Konsolidierung auf dem europäischen Markt können mehr Arbeitsplätze in der deutschen Rüstungsindustrie erhalten werden, als dies durch nationale Alleingänge möglich wäre. Andere Lösungen als europäische würden über kurz oder lang zum Verlust europäischer Unternehmen an die USA füh- ren. Christian Schmidt (Führt) (CDU/CSU): Mit der ge- planten Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes will die Bundesregierung offenbar einen Schutzwall für die deut- sche Rüstungsindustrie errichten. So hat jedenfalls die „FAZ“ vom 4. Februar 2004 das von der Bundesregie- rung vorgeschlagene Vetorecht beim Verkauf deutscher Rüstungsunternehmen bezeichnet. Die Frage, die sich damit aber aufdrängt, ist: Braucht die deutsche Rüs- tungsindustrie tatsächlich einen solchen Schutzwall und, falls ja, vor wem? Die deutsche Rüstungsindustrie hat vor allem in den letzten fünf Jahren Grund zum Klagen gehabt: Eine Bun- desregierung, die den Verteidigungshaushalt so zusam- menkürzt, dass der Posten für Forschung und Entwick- lung bald nur noch unter „ferner liefen“ zu finden ist, die in Kauf nimmt, dass die Bundeswehr mit Material aus- gestattet ist, das in der Regel älter als die Rekruten ist, und die immer wieder aus purer Finanznot die Rüstungs- planung zusammenstreicht, gibt zu solchen Klagen reichlich Anlass. Ein Ende der Streichungen ist auch heute nicht absehbar. Im Gegenteil: Erst vor einigen Ta- gen sind Hiobsbotschaften aus dem Finanzministerium bekannt geworden, die weitere erhebliche Einschnitte in den Verteidigungshaushalt bedeuten. Wenn man den Verteidigungsetat aber so beschneidet, dass die deutsche Rüstungsindustrie aus Aufträgen aus dem Inland kaum noch überleben kann, und die Mög- lichkeiten zum Rüstungsexport im nationalen Allein- gang so eng fasst, dass Unternehmen anderer Länder fle- xibler sind und erhebliche Wettbewerbsvorteile haben, dann darf man sich nicht wundern, dass die deutsche wehrtechnische Industrie schwächelt und zum gefunde- nen Fressen für ausländische Investoren wird. Wer diese Rahmenbedingungen setzt, der hilft dem einzelnen Un- ternehmen nicht dadurch, dass er es durch ein Vetorecht vor der Übernahme und Ausschlachtung durch ausländi- sche Investoren schützt. Im Übrigen verkennt die Bun- desregierung die Tatsache, dass viele Unternehmen der deutschen wehrtechnischen Industrie keine großen Ak- tiengesellschaften sind, sondern als mittlere und kleine Unternehmen im Forschungs- und Zulieferbereich tätig sind. Vor einem Ausverkauf ins Ausland werden gerade diese Unternehmen durch den neuen Gesetzentwurf nicht geschützt, obwohl sie im Kampf gegen die großen internationalen Wettbewerber eigentlich viel mehr un- sere Unterstützung nötig hätten. Wer die Kernfähigkeiten der deutschen wehrtechni- schen Industrie und damit die Spitzentechnologie in Deutschland erhalten will – und darauf scheint das Ge- setz der Bundesregierung ja abzuzielen –, der muss dem einzelnen Unternehmen die Möglichkeit zum Handeln und für fairen Wettbewerb am Markt geben. Am Erhalt dieser Kernfähigkeiten sollten wir nicht nur aus sicher- heits- und verteidigungspolitischen Gründen alle interes- siert sein, sondern wir haben hier noch eine Industrie, in der Deutschland international punkten kann und die ein Garant für hoch qualifizierte Arbeitsplätze ist. Das kön- nen auch die „Ideologen“ in der Regierungskoalition nicht leugnen, die ihrer Meinung nach lieber „politisch korrekte“ Industriezweige fördern wollen und damit in Kauf nehmen, dass die „Schmuddelkinder“ aus der wehrtechnischen Industrie weiter an Boden verlieren. Wieder einmal zäumt die Bundesregierung deshalb das Pferd von hinten auf: Statt weitere Reglementierun- gen zu schaffen, muss sich die Bundesregierung endlich für eine einheitliche europäische Exportrichtlinie einset- zen, um Chancengleichheit und Transparenz auf dem in- ternationalen Markt zu schaffen. Die Bundesregierung muss in Forschung und Entwicklung der wehrtechni- schen Industrie investieren, um Kernfähigkeiten weiter zu entwickeln und im Land zu halten. Es ist kaum nach- vollziehbar, wie man in Zeiten einer Globalisierung in einen solchen Protektionismus verfallen kann. Schon jetzt besteht die Gefahr, dass der amerikanische Rüs- tungsmarkt den europäischen Unternehmen weiter den Rang abläuft. Der Schlüssel zum Erfolg liegt deshalb in einer europäischen Harmonisierung der Rüstungsexport- vorschriften und einer internationalen Zusammenarbeit – und nicht in Nationaltümelei. Es ist auch wenig glaubwürdig, dass sich die Bundes- regierung in diesem speziellen Fall Gedanken um die Si- cherheitsinteressen unseres Landes macht. Wer die Bun- deswehr derart stiefmütterlich behandelt, wie es die rot- grüne Regierung macht, der ist hier wenig überzeugend. Um den Ausverkauf deutscher Industrie und Hochtech- nologie zu verhindern, wäre es sinnvoller, durch lang- fristige und verlässliche Auftragsvergabe Planungssi- cherheit für deutsche Unternehmen zu schaffen. Deshalb sagen wir Nein zu einer Änderung des Au- ßenwirtschaftsgesetzes, die nur darauf abzielt, der Indus- trie neue bürokratische Regelungen aufzubürden und ihr neue Stolpersteine in den Weg zu legen. Wir brauchen Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 8475 (A) (C) (B) (D) mehr Zusammenarbeit und Markt und weniger Staatsdi- rigismus. Wenn also die deutsche Rüstungsindustrie ei- nen Schutzwall braucht, dann einen, um sie vor der rot- grünen Regierung zu schützen. Mit diesem Schutz könnte sie sich ohne weitere Reglementierungen auf dem internationalen Markt sehr gut behaupten. Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir debattieren heute den Antrag zur Änderung des Au- ßenwirtschaftsgesetzes, und zwar zur Ermächtigung der Bundesregierung, Rechtsgeschäfte beim Erwerb von na- tionalen Rüstungsunternehmen zum Schutz unserer we- sentlichen Sicherheitsinteressen beschränken zu können. Ich könnte als bündnisgrüner Politiker eine Menge zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Außenwirtschaftsver- ordnung beitragen und damit auch über die Problematik der Rüstungsexporte sprechen. Ich möchte mich aber auf genau diesen Teilaspekt beschränken, der heute unser Thema ist. Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit der Bundesrepublik in Bezug auf die nationalen Kernfähig- keiten der Rüstungsindustrie liegt, da sind wir uns wohl alle einig, in unserem Sicherheitsinteresse. Bisher konnte der Erwerb wesentlicher Anteile unserer Rüs- tungsindustrie von ausländischen Firmen selbst in dem Falle, dass Sicherheitsinteressen gravierend betroffen wären, nicht verhindert werden. Die Übernahme unserer Industrie könnte jedoch deren Zerschlagung, Verlage- rung oder zumindest einen unerwünschten Technologie- transfer nach sich ziehen. Die Ermächtigung der Regie- rung zum Schutz unserer Interessen war daher überfällig und wurde richtigerweise bereits von der Vorgängerre- gierung 1998 in einem europäischen Letter-of-Intent- Prozess angestoßen. Im Übrigen fürchte ich, dass wir nicht alle Hintertüren verschlossen haben, die unsere Si- cherheitsinteressen in Bezug auf Kernfähigkeiten ge- fährden können – aber zumindest ist der Haupteingang jetzt mit einem Pförtner versehen. Dieser Pförtner, und das darf nicht übersehen werden, führt eine Einzelfallprüfung durch – es gibt also keinen Versagungsautomatismus. Vielmehr werden in einer Prüfung nach Maß unsere Sicherheitsinteressen gegen die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen abge- wogen. Deren wirtschaftliche Überlebensfähigkeit wird also ausreichend berücksichtigt. Der Vorwurf, die inter- nationale Kooperationsfähigkeit unserer Unternehmen sei beeinträchtigt, ist schlichtweg falsch. Zudem wird die Gründung von Joint Ventures zur Realisierung einzelner Projekte von ihr gar nicht erfasst – dies stellt aber die überwiegende Mehrzahl der Rüstungskooperationen dar. Stichwort: MEADS, Eurofighter, Tiger, für die alle mul- tinationale Firmen gegründet wurden. Wir befinden uns dabei international und europäisch in guter Gesellschaft. Die USA, Großbritannien und Frankreich haben viel weitgehendere Rechte zum Schutz ihrer Industrien eingerichtet. Italien, Schweden und Spa- nien sind auch am Letter-of-lntent-Verfahren beteiligt. Damit sind die Länder mit den größten Rüstungsindus- trien der NATO-Länder erfasst. Wir stellen also – wenn Sie das Wort erlauben – nur „Waffengleichheit“ her. Wieso vergleichbare Regelungen bei uns nun die wirt- schaftliche Kooperationsfähigkeit behindern sollen, er- schließt sich mir nicht. Die Änderung beweist Augenmaß. Nicht nur ist der Erwerb „nur“ unter einen Genehmigungsvorbehalt ge- stellt, der ja im Übrigen auch unter Auflagen erteilt wer- den kann und daher ausreichend flexibel ist. Zudem wird diese Genehmigung bereits nach der kurzen Frist von ei- nem Monat fingiert. Und nicht zuletzt: In der Änderung des AWG wird zwar ein weiterer Rechtsrahmen gesetzt, den die Verordnung aber nicht in Gänze ausschöpft. Zum Teil wurde im Vorfeld der Debatte versucht, ein Junktim zwischen der geplanten Änderung und einer Lo- ckerung der Exportrichtlinien herbeizureden, nach dem Motto: Wenn schon die Unternehmen nicht mehr ver- kauft werden sollen, dann aber wenigstens mehr Markt- öffnung für die Produkte. Als Grüner muss ich Ihnen sa- gen: Nicht mit uns! Klare Ausfuhrregelungen und eine restriktive Exportpolitik haben sich bewährt. Langfristig ist es wirtschaftlicher, die Verbreitung von Waffen zu verhindern, als staatlich finanzierte Technik leichtfertig zu verkaufen und dann ein paar Jahrzehnte später zu- gunsten derer zu intervenieren, die in die Mündungen dieser Technik blicken. Und im Übrigen, was die euro- päische Kooperation angeht: Als Haushälter vom Einzel- plan 14 habe ich miterlebt, wie intensiv bei uns bei den Triebwerken des Airbus A400M für eine europäische Lösung im Verbund von Rolls-Royce und MTU – Eigen- werbung: „Einzige europäische Endmontagelinie für das TP400-Triebwerk für das militärische Großraumflug- zeug Airbus A400M“ – geworben wurde, die nach lan- gen Verhandlungen und Einsatz weiterer Haushaltsmittel auch erreicht wurde. Wie Sie vermutlich wissen, hat das Ergebnis nicht lange getragen – MTU Aero Engines ge- hört jetzt dem US-Investment-Konzern KKR. Um es deutlich zu sagen: Eine amerikanische Triebwerkslösung wäre auch deutlich billiger zu haben gewesen. Damit ist sie aber immerhin noch innerhalb der NATO geblieben – das hätte aber auch ganz anders kommen können. Ich denke daher, es ist nur verantwortungsbewusst, der Bun- desregierung die notwendigen Instrumente an die Hand zu geben, um unsere Sicherheitsinteressen langfristig zu schützen. Und noch einmal deutlich: wenn das Gesetz noch dazu beiträgt, dass man uns als Parlament nicht wie bei A400M und MTU an der Nase herumführen kann: Umso besser! Gudrun Kopp (FDP): Das grundsätzliche Ziel der Bundesregierung, wehrtechnische Kernfähigkeiten und Kompetenzen in Deutschland zu erhalten, wird – so denke ich – von allen Fraktionen im Interesse unserer Si- cherheit und der damit verbundenen Arbeitsplätze im Rüstungssektor mitgetragen. Ob dies jedoch mit dem nun vorgelegten Gesetzentwurf erreicht werden kann, ist mehr als fraglich. Vielmehr hat sich die Bundesregie- rung wieder einmal für ein bürokratisches und eingriffs- intensives Instrumentarium entschieden, das geeignet ist, die Situation der betroffenen Unternehmen weiter zu er- schweren. 8476 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 (A) (C) (B) (D) Statt sich endlich auch auf europäischer Ebene mit Nachdruck für eine europäische Rüstungsexportrichtli- nie einzusetzen, die es deutschen Betrieben erlauben würde, auf Augenhöhe mit anderen europäischen Unter- nehmen zu konkurrieren, wird von der Bundesregierung hier noch einmal die schlechte Ausgangssituation deut- scher Anbieter zementiert. Dabei muss doch jedem klar sein, dass die von uns allen geforderte europäische Rüs- tungskompetenz und -kapazität eben auch die Beteili- gung ausländischer Unternehmen an deutschen Firmen beinhaltet. Gerade dies aber wird durch den vorliegen- den Entwurf weiter erschwert. Die wehrtechnische Industrie in der Bundesrepublik leidet – wie alle anderen Branchen auch – unter extrem ungünstigen ökonomischen Rahmenbedingungen. An- statt diese Rahmenbedingungen endlich zu verbessern und ebenso grundlegende wie durchgreifende Reformen in den Bereichen Steuern und Abgaben, Entbürokratisie- rung, Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme so- wie Förderung von Bildung, Wissenschaft und For- schung voranzutreiben, fällt dieser Bundesregierung nichts weiter ein, als im Angesicht desaströser Wahler- gebnisse und Umfragen die ohnehin nur zaghaft und un- zureichend erfolgten Reformtrippelschritte wieder in- frage zu stellen. Die Stichworte Erbschaftsteuer und Vermögensteuer mögen hier genügen, um dies zu illus- trieren. Solange aber die Situation in Deutschland so ist wie sie ist – und sie ist wirklich dramatisch –, solange sind auch die wehrtechnischen Unternehmen in Deutsch- land, die durch unsere im europäischen Vergleich äu- ßerst restriktive Rüstungsexportpolitik und die langjäh- rige eklatante Unterfinanzierung der Bundeswehr ohnehin unter großem Druck stehen, dringend auf Inves- titionen auch aus dem Ausland angewiesen. Eben diese Investitionen aber werden durch den vor- liegenden Gesetzentwurf unnötig bürokratisiert und da- mit erschwert, was insbesondere vor dem Hintergrund der von uns allen geteilten Zielsetzung eines Auf- und Ausbaus europäischer Rüstungskapazitäten unverständ- lich ist. Die betroffenen Unternehmen hatten hierzu Vor- schläge unterbreitet, wie mit weniger eingriffsintensiven Instrumenten – wie einer Selbstverpflichtung der ent- sprechenden Betriebe oder einer Meldepflicht für aus- ländische Interessenten – dem gleichen Ziel, nämlich dem Erhalt wehrtechnischer Kompetenzen in Deutsch- land, hätte gedient werden können. Es ist schade, dass die Bundesregierung diese Vor- schläge ignoriert hat und stattdessen nahezu reflexhaft Zuflucht in staatlicher Bevormundung in Form des jetzt vorliegenden Genehmigungsvorbehalts sucht. Ich kann deshalb nur an die Bundesregierung appellieren, diese vermeintliche Lösung noch einmal zu überdenken und gegebenenfalls im Verlauf des parlamentarischen Ver- fahrens anderen Instrumenten den Vorzug zu geben. Dr. Ditmar Staffelt, Parlamentarischer Staatssekre- tär beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit: Mit dem vorliegenden Entwurf eines Elften Gesetzes zur Än- derung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außen- wirtschaftsverordnung verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die nationalen Sicherheitsinteressen und die inter- nationale Handlungsfähigkeit Deutschlands im Rüs- tungsbereich zu stärken. Mit der Einführung der Genehmigungspflicht für den Erwerb von deutschen Unternehmen, die Kriegswaffen oder Kryptosysteme herstellen, wird sichergestellt, dass eine staatliche Einflussnahme besteht, wenn wesentliche Sicherheitsinteressen oder die militärische Sicherheits- vorsorge beeinträchtigt werden. Durch die Neuregelung werden die sicherheitspoliti- schen Ziele, insbesondere die sicherheits- und verteidi- gungspolitische Kooperationsfahigkeit Deutschlands im EG- und NATO-Bereich und die Versorgungssicherheit der Streitkräfte gestärkt. Zugleich wird die Koopera- tionsfähigkeit der deutschen wehrtechnischen Industrie unterstützt. Um auf sicherheitspolitischem Terrain eine Rolle spielen zu können, muss Deutschland in der Lage sein, eigenes wehrtechnisches Potenzial als „Mitgift“ einzu- bringen. Deutschland muss über quantitativ und qualita- tiv hochwertige Rüstungskapazitäten und technologische Fähigkeiten verfugen, um als gleichberechtigter Partner an der Gestaltung und Umsetzung einer Rüstungszusam- menarbeit im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mitwirken zu können. Durch einen sonst möglichen Ausverkauf der deutschen wehr- technischen Industrie würde der internationale Stellen- wert Deutschlands im militärischen Bereich in hohem Maße beeinträchtigt. Mit der vorgesehenen Gesetzesänderung werden die Handlungs- und Konkurrenzfähigkeit der deutschen Rüstungs- und Kryptoindustrie einerseits und nationale Sicherheitsinteressen andererseits ausgewogen berück- sichtigt. Zudem wird ein Handlungsrahmen geschaffen, der in vielen anderen Ländern, etwa USA, Frankreich, Großbritannien und Spanien, bereits geltendes Recht ist. Es sind folgende Regelungen vorgesehen: Erweite- rung des Sicherheitsbegriffs im Außenwirtschaftsgesetz sowie Schaffung einer Ermächtigung zur Einführung ei- nes Genehmigungsvorbehalts für die Übernahme von deutschen Rüstungs- bzw. Kryptounternehmen durch Ausländer. Erfasst von der Regelung wird der Erwerb von in Deutschland ansässigen Unternehmen, die Kriegswaffen nach der Kriegswaffenliste oder Güter der sensitiven Regierungskommunikation, Kryptosysteme, entwickeln oder herstellen, durch im Ausland ansässige Unterneh- men. Eine Genehmigung ist erforderlich, wenn das aus- ländische Unternehmen nach dem Kauf mindestens 25 Prozent der Stimmrechte erhält. Um den beteiligten Unternehmen schnellstmöglich Rechtssicherheit zu geben, gilt der Erwerb als geneh- migt, wenn binnen eines Monats keine anderweitige Ent- scheidung getroffen wird. Die Genehmigung muss beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit beantragt werden. Das Ministerium entscheidet im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem BMVg. Für den Kryptobereich entscheidet zusätzlich das BMI. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 8477 (A) (C) (B) (D) Zum Anwendungsbereich der Genehmigungspflicht möchte ich Folgendes klarstellen: Die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage im Außenwirtschaftsgesetz er- fasst auch Unternehmen, die keine Kriegswaffen, son- dern sonstige Rüstungsgüter herstellen. Von dieser wei- tergehenden Ermächtigungsgrundlage wird in der Ausfüllungsvorschrift der Außenwirtschaftsverordnung nur für Unternehmen Gebrauch gemacht, die Kriegswaf- fen herstellen. Die weitergehende Ermächtigungsgrund- lage ist erforderlich, um in Zukunft gegebenenfalls mög- lichst rasch durch eine Änderung der Verordnung auf veränderte sicherheitspolitische Rahmenbedingungen re- agieren zu können. Eine mögliche Erweiterung des An- wendungsbereichs der Genehmigungspflicht wird jedoch nur zielgerichtet unter Berücksichtigung des Verhältnis- mäßigkeitsgrundsatzes und der Belange der Wirtschaft erfolgen. Unternehmen, die Dual-Use-Produkte herstel- len, sind von der Gesetzesänderung nicht betroffen. Mit dem Entwurf setzt sich die Bundesregierung da- für ein, eine konkurrenzfähige und starke deutsche Rüs- tungsindustrie zu erhalten, die den Kern einer eng ver- netzten europäischen Verteidigungsindustrie zusammen mit anderen europäischen Partnern bilden kann. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Begleitregelungen zur Einführung des digitalen Kontrollgerätes zur Kontrolle der Lenk- und Ruhezeiten (Kontrollgerätebegleitgesetz – Kontr GerätBeglG) (Tagesordnungspunkt 16) Uwe Beckmeyer (SPD): Wie wir gehört haben, wer- den durch den vorliegenden Entwurf eines Artikel-Ge- setzes das Fahrpersonalgesetz und das Gesetz zur Errich- tung eines Kraftfahrtbundesamts geändert. Damit setzt die Bundesregierung zwei Verordnungen der Europäi- schen Union zur Einführung eines digitalen Tachogra- phen in nationales Recht um. Die Tendenz, immer mehr Gütertransporte auf der Straße durchzuführen, ist noch immer ungebrochen und hat zu einem Anstieg der Verkehrsdichte geführt. Um im überaus starken Wettbewerb zwischen den Anbietern von Transportdienstleistungen zu bestehen, sind die Un- ternehmen bestrebt, ihre Personalkosten möglichst ge- ring zu halten. Deshalb ist die Kontrolle der Lenk- und Ruhezeiten der Beschäftigten im gewerblichen Güterkraft- und Om- nibusverkehr unerlässlich für die Sicherheit auf Deutsch- lands Straßen. Der Sekundenschlaf am Lenkrad durch Übermüdung stellt ein erhebliches Risiko für Leib und Leben aller Verkehrsteilnehmer dar. Das Unfallrisiko von Berufskraftfahrern ist, bezogen auf die hohen Fahr- leistungen und den Anteil des LKW-Verkehrs, zwar niedrig, aber Unfälle mir schweren LKW sind oft mit gravierenden Folgen für die Verkehrsteilnehmer verbun- den. Wir alle wollen nicht, dass Unternehmen des Trans- portgewerbes, die gegen die Sozialvorschriften ver- stoßen, auf unlauteren Wegen Wettbewerbsvorteile er- reichen gegenüber den Wettbewerbern, die sich gesetzestreu verhalten. Der Straßenkontrolldienst des Bundesamts für Güter- verkehr hat 2003 650 000 Fahrzeuge kontrolliert. Dabei wurden 139 000 Verstöße gegen die Fahrpersonalvor- schriften ermittelt. 65,8 Prozent der Verstöße betrafen die Überschreitung der Lenkzeit, die Nichteinhaltung von Ruhezeiten und den nicht ordnungsgemäßen Betrieb des Kontrollgeräts. Verglichen mit dem Jahre 2002 ist die Anzahl der Beanstandungen in diesem Bereich um fast 15 000 gestiegen. Es zeigt sich, dass es leider viele schwarze Schafe unter den Unternehmen gibt und wir auf umfassende Kontrollen zur Erhöhung der Verkehrs- sicherheit und für die Einhaltung gleicher Wettbewerbs- bedingungen nicht verzichten dürfen. Seit 1970 müssen Fahrzeuge mit über 3,5 Tonnen zu- lässigem Gesamtgewicht und Omnibusse mit mehr als acht Fahrgastplätzen in Deutschland und Europa mit me- chanischen Fahrtenschreibern ausgerüstet sein. Diese Kontrollgeräte bieten, wie unter anderem die Kontrollen des Bundesamts für Güterverkehr zutage fördern, leider nur einen geringen Widerstand gegen Manipulationen. Insofern ist die Initiative der EU zur Einführung des digitalen Tachographen folgerichtig, die Manipulations- sicherheit wird um ein Vielfaches erhöht, ganz auszu- schließen sind derartige Vergehen jedoch nie. So wird auch die Arbeit der Kontrollbehörden, einhergehend mit der fortschreitenden Verbreitung der neuen Generation von Fahrtenschreibern, bedeutend effizienter zu gestal- ten sein. Nun wissen wir, dass mit der EG-Verordnung 2135/98 festgelegt wurde, dass 24 Monate nach Veröffentlichung der technischen Spezifikationen des digitalen Kontroll- geräts alle Neufahrzeuge mit dem neuen Fahrtenschrei- ber ausgerüstet werden müssen. Die EG-Verordnung 1360/2002, in der die Anforderungen definiert sind, wurde am 5. August 2002 veröffentlicht. Ergo müssten ab dem 6. August dieses Jahres alle neu zugelassenen LKW und Omnibusse mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüstet sein. Aber zu diesem Ter- min wird kein Gerät die Praxisreife erreicht haben. Beim Joint Research Center der EU in Italien ist bis heute erst ein Antrag auf Erteilung einer Bauartgenehmigung für ein Kontrollgerät eingereicht worden. Die endgültige Genehmigung kann frühestens Ende Mai erteilt werden, daran anschließend muss der Tachograph von den LKW- Herstellern mindestens zwölf Monate im Alltagseinsatz auf seine Betriebstauglichkeit getestet werden. Die Ein- führung des neuen Kontrollgeräts wird sich also um circa ein Jahr verzögern. Warum diese ärgerliche und vermeidbare Panne? Die Kommission wäre nach der Verordnung 2135/98 ver- pflichtet gewesen, dem Rat einen neuen Vorschlag zur Verlängerung der Fristen vorzulegen, falls bis zum 5. August 2003 keine Bauartgenehmigung erteilt wurde. Die Kommission hätte schon vor sieben Monaten auf die 8478 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 (A) (C) (B) (D) Verzögerung der Entwicklung der digitalen Fahrten- schreiber reagieren müssen, sie ist dieser Pflicht aber bis heute nicht nachgekommen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Kommission nicht an einer Wiederaufnahme der äußerst zäh und kontrovers verlaufenen Verhandlun- gen über die Verordnung gelegen ist. Die Bundesrepublik hat der Kommission dagegen schon im Dezember mitgeteilt, dass sie eine Änderung der Fristsetzung für gegeben hält. Die zu erwartenden technischen und organisatorischen Probleme haben wir hier in Deutschland am geringsten zu vertreten. Wir wissen mit großer Sicherheit, dass der von der EU vorgegebene Zeitrahmen nicht einzuhalten ist. Mit dieser Debatte zur Einbringung des Gesetzent- wurfs wird deutlich, dass von deutscher Seite alles getan wird, um die notwendigen Ausführungsregeln ohne Ver- zögerung in Kraft zu setzen. Wir sollten der EU-Kom- mission keine Möglichkeit geben, mit dem Hinweis auf eine unterlassene oder verspätete Umsetzung durch die Bundesrepublik von eigenen Versäumnissen und Unter- lassungen abzulenken. Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU): Bereits seit meh- reren Jahren gibt es Planungen, den herkömmlichen Fahrtenschreiber durch ein verbessertes elektronisches System zu ersetzen. Auf den ersten Blick erscheint dies auch sinnvoll: Wir alle wissen, dass Polizeikontrollen auf deutschen Autobahnen immer wieder erschreckende Überschreitungen der Lenkzeiten und Unterschreitungen der Ruhezeiten ans Tageslicht bringen. In den Nachrich- ten hören wir immer wieder von furchtbaren Unfällen mit Autobussen oder Lastwagen, die durch übermüdete oder eingeschlafene Fahrer verursacht wurden. Diese Unfälle fordern nicht selten viele Verletzte und zahlrei- che Todesopfer – und damit menschliches Leid, das sich verhindern ließe. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass die Arbeit der Bus- und LKW-Fahrer immer härter und komplizier- ter wird. Wir alle wissen, unter welchen enormen Belas- tungen gefahren werden muss. Wir wissen auch, dass Deutschland ein europäisches Transitland ist. Das Ver- kehrsaufkommen, das jetzt schon hoch ist, wird sich noch einmal durch den Beitritt der mittel- und osteuro- päischen Länder zur EU drastisch erhöhen. All dies kann aber keine Entschuldigung für die Ge- fährdung der Sicherheit auf unseren Straßen sein. Diese Gefährdung entsteht maßgeblich durch die eklatanten Verletzungen der Lenk- und Ruhezeiten. Ich denke, dass wir uns hier über alle Parteigrenzen hinweg einig sind. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf unseren Antrag „Sicherheit im Busverkehr“, zu dem ich bereits am 29. Januar 2004 in diesem Hause redete. Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion hat damals mehrere Sofort- maßnahmen gefordert, um die Sicherheit auf deutschen Straßen signifikant zu erhöhen. Neben anderen wichti- gen Maßnahmen unterstützen wir im Zuge der europäi- schen Harmonisierung die Einführung von aktiven elek- tronischen Warnsystemen in LKWs und Bussen. Zu den von uns geforderten Maßnahmen gehört auch die Ein- führung eines digitalen Fahrtenschreibers. Auch wenn Rot-Grün unseren Antrag zur Sicherheit im Busverkehr abgelehnt hat, bleibt doch festzuhalten, wie wichtig diese Maßnahmen für die Sicherheit auf un- seren Straßen sind. Zu dem Zwischenruf des Parlamen- tarischen Geschäftsführers der SPD-Bundestagsfrak- tion, Herrn Kollegen Schmidt, all das sei doch „purer Aktionismus“, kann ich nur sagen, dass es besser wäre, der Kollege kümmerte sich um Dinge, von denen er et- was versteht. Neben diesen wichtigen Sicherheitsaspekten möchte ich einige Worte zu den „Schattenseiten“ dieses Gesetz- entwurfes sagen. Es zeichnet sich nämlich ab, dass die Einführung des digitalen Fahrtenschreibers in gleicher Art und Weise vonstatten oder besser gesagt schief geht wie die LKW-Maut. Darüber redet im Moment nur nie- mand, weil sich die Medien des Themas noch nicht an- genommen haben. Der Schaden ist nicht unmittelbar in Euro und Cent ausweisbar. Ich meine damit das mensch- liche Leid der Unfälle, die durch übermüdete Fahrer ver- ursacht werden und die hohen volkswirtschaftlichen Schäden durch diese Unglücke. Das neue Gerät kann im Wesentlichen das, was das alte auch konnte, nämlich die Überschreitung der Lenk- zeiten erfassen. Es bürdet den Unternehmen aber hohe Kosten auf. Der neue digitale Fahrtenschreiber, den es übrigens serienreif noch gar nicht gibt, muss kostspielig erworben und eingebaut werden. Unternehmen und Werkstätten müssen sich mit der notwendigen und teuren Software zur Auswertung der Daten versorgen. Zum Einlesen in den digitalen Fahrtenschreiber sind bislang vier verschiedene Chipkarten geplant: eine für den Fahrer, die dieser für circa 20 Euro selbst erwerben muss, eine für den Unternehmer, eine für die Werkstatt und natürlich eine für die Kontrollbeamten. Ohne pessimistisch klingen zu wollen: Hier zeichnet sich ein ähnliches Kompetenzwirrwarr und Chaos wie bei der Maut-Katastrophe von Minister Stolpe ab. Außerdem werden das alte und das neue System gut zehn Jahre nebeneinander existieren, da erst ab Einfüh- rungstag die Halter neuer Fahrzeuge verpflichtet sind, den digitalen Fahrtenschreiber einzubauen, und die alten Geräte Bestandsgarantie haben. Schließlich ist der Einführungstermin des neuen Ge- rätes offen: Ursprünglich sollte er am 5. August 2004 sein, doch nun wird die Einführung wohl eher Mitte des Jahres 2005 sein. Ein Schelm wer Böses dabei denkt: Und wer dächte hier nicht an die Mautpleite der rot-grünen Bundesregie- rung. Ich möchte zum Schluss noch einmal betonen: Auch uns liegt an der Erhöhung der Verkehrssicherheit und an effizienten Sicherheitskontrollen. Das darf aber die Kraftfahrer durch zusätzliche Bedienungsfunktionen nicht weiter belasten. Auch die Kosten für die Fuhrun- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 8479 (A) (C) (B) (D) ternehmer bei Einbau und Betrieb der Geräte müssen an- gemessen bleiben. Die Fuhrunternehmer sind nämlich von der rot-grünen Bundesregierung schon genug gebeu- telt worden. Klaus Hofbauer (CDU/CSU): Die vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten von LKW- und Busfahrern sind sinnvoll und tragen in deutlichem Maße zur Verbesse- rung der Sicherheit im Straßenverkehr bei. Ohne diese Regelungen würde die Zahl der schweren Verkehrsun- fälle durch Übermüdung oder Erschöpfung von Fahrern erheblich höher liegen. Daher ist es notwendig, dass die Einhaltung dieser Vorgaben konsequent überwacht wird. Eine effektive Kontrolle setzt jedoch voraus, dass die technischen Einrichtungen zweckdienlich und benutzer- freundlich gestaltet sind. Einerseits ist es notwendig, dass die erforderlichen Kontrolldaten nachvollziehbar erfasst werden. Andererseits dürfen Fahrer, Speditionen und Werkstätten mit den Auflagen hinsichtlich der An- schaffung, Erfassung und Archivierung nicht über Ge- bühr belastet werden. Das vorliegende Gesetz setzt eine Vorordnung des Europäischen Rates vom September 1998 um. Das bis- her eingesetzte mechanische Kontrollgerät zur Überwa- chung der Lenk- und Ruhezeiten im gewerblichen Stra- ßenverkehr soll und muss durch ein digitales Gerät ersetzt werden. Die mechanische Erfassung hat sich in den letzten Jahren als stör- und manipulationsanfällig er- wiesen. Eine effektive Kontrolle im Sinne der Verkehrs- sicherheit und im Interesse des Arbeitsschutzes der Fah- rer war in vielen Fällen nicht möglich. Der vorliegende Gesetzentwurf trägt zu einer effizienten und deutlichen Verbesserung bei und ist daher im Grundsatz zu begrü- ßen. Was vom Grundsatz her eine gute Idee ist, droht in Deutschland jedoch wiederum zur Blamage zu werden. Die Terminvorstellungen des Vorhabens sind völlig un- realistisch. Unter diesen Voraussetzungen zeichnet sich heute schon ab, dass die Einführung der digitalen Kon- trollgeräte ein ähnliches Debakel wie die Maut werden könnte. Die EU-Verordnung sieht vor, dass bis zum 5. Sep- tember 2004 alle Nutzfahrzeuge mit dem neuen System auszurüsten sind. Nach Äußerungen der Baugeräteher- steller ist jedoch mit einem Vorliegen der Bauartgeneh- migung erst im zweiten Quartal 2004 zu rechnen. Es ist damit äußerst unwahrscheinlich, dass im August dieses Jahres praxistaugliche Kontrollgeräte zur Verfügung ste- hen. Rot-Grün hat es versäumt, mit allem Nachdruck be- reits frühzeitig auf realistische Umsetzungsfristen zu drängen. Sollte die Europäische Kommmission keine Fristverlängerung gewähren, ist mit massiven Proble- men für alle Beteiligten zu rechnen. Rechtsunsicherhei- ten, Defizite bei der Überwachung und zusätzliche Kos- ten für Fahrer, Speditionen und Werkstätten sind damit nicht auszuschließen. Ohne eine ausreichende Entwick- lung und Erprobung droht der gesamten neuen Kontroll- technik ein Imageschaden. Damit ist jedoch nur ein Punkt genannt. Beispielhaft möchte ich hier noch auf einige weitere Aspekte hinwei- sen. Vielen Unternehmen droht durch die nötige An- schaffung der Hard- und Software eine nicht unerhebli- che Kostenbelastung. Insbesondere kleinere Betriebe wären davon betroffen. Daher sollte das Gesetz den Un- ternehmen ausdrücklich die Möglichkeit zur Speiche- rung durch Dritte einräumen. Diese Auftragsspeicherung muss gerade für kleinere Betriebe einfach und unkompli- ziert zu vergeben sein. Des Weiteren sollten die Kosten der Regelungen für Fahrer, Werkstätten und Speditionsunternehmen genauer geprüft werden. Auch in der Gegenäußerung der Bun- desregierung zu den Einwänden des Bundesrates wurden die zusätzlichen Kosten der Speditionen und Werkstätten nicht genauer spezifiziert. Es darf keinesfalls sein, dass kleine und mittelständische Unternehmen des Kfz- und Transportgewerbes wiederum die Leidtragenden eines in kurzer Frist von Rot-Grün durchgepeitschten Gesetzent- wurfes sind. Nicht zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass die verpflichtende Einführung einer neuen Technologie durch die zuständige Bundesbehörde ausreichend beglei- tet werden muss. Die Unternehmen dürfen mit techni- schen Problemen nicht allein gelassen werden, so wie es bei der Maut geschehen ist. Das Kraftfahrt-Bundesamt muss ausreichende Informationen und Hilfestellungen anbieten, um Speditionen, Werkstätten und Fahrer bei der Einführung der neuen Geräte in jeder Form zu unter- stützen. Lassen Sie mich zusammenfassen: Nach Auffassung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist das Gesetz im Grundsatz richtig und notwendig. Durch die Vorschläge der Länder konnten im Entwurf bereits mehrere Verbes- serungen erreicht werden. Jedoch steht die Bundesregie- rung bei der Einführung dieser neuen Technologie in der Pflicht, der Industrie ausreichende Testzeiträume zur Verfügung zu stellen und den Prozess für die Unterneh- men kostenoptimal zu gestalten. Rot-Grün muss aus dem selbst verschuldeten Mautde- bakel lernen. Die Einführung der digitalen Kontrollge- räte darf keinesfalls wieder zu einer Blamage für den Standort Deutschland werden. Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Was lange währt, scheint endlich gut zu werden!“ So könnte das Motto zur Einführung von digitalen Kontrollgeräten für die Überwachung von Lenk- und Ruhezeiten lauten. Die Meldungen und Berichte über Manipulationen an den bislang eingesetzten analogen Kontrollgeräten dürf- ten so alt sein wie diese Geräte selber. Auch wenn wir gelegentlich über verspeiste Tachoscheiben schmunzeln durften, so ist der Hintergrund doch ein ernster. Der enorme Druck im Transportgewerbe hat zunehmend dazu geführt, dass die zum Teil erheblichen Überschrei- tungen von Lenk- und Ruhezeiten immer häufiger durch Manipulationen an den Fahrtenschreibern verschleiert werden sollten. 8480 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 (A) (C) (B) (D) Insofern war die Forderung nach einem fälschungssi- cheren und effizienten System die logische Konsequenz, um Missbräuchen vorzubeugen und damit die Sicherheit im Straßenverkehr weiter zu verbessern. Denn es geht dabei nicht nur um den Schutz der Fahrer vor sich selbst, sondern insbesondere auch um den Schutz von unbetei- ligten Dritten, die im Falle eines Unfalls geschädigt wer- den könnten. Schon 1998 hatte der Rat der Europäischen Union die Einführung eines digitalen Kontrollgerätes beschlossen. Allerdings dauerte es noch bis zum August 2002, bis mit der Veröffentlichung des Technischen Anhangs IB eine technische Gerätespezifikation vorgegeben wurde. Bin- nen 24 Monaten, das heißt konkret ab dem 5. August dieses Jahres, müssten demnach alle betroffenen Neufahrzeuge ab 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht mit diesen Geräten ausgestattet werden. Wir stehen aber heute vor dem konkreten Problem, dass es noch kein Mitgliedsland der EU gibt, das auf- grund der Komplexität eine Bauartgenehmigung für die- ses neue System erteilt hat. Somit ist schon jetzt abseh- bar, dass der Termin 5. August 2004 nicht zu halten sein wird. Ohne diese Genehmigung ist jedoch eine Einfüh- rung nicht möglich. Die Lösung kann daher nur in einer Fristverlängerung liegen. Ich halte es für dringend angeraten, schnellstmög- lich mit der EU-Kommission eine Klärung über eine an- gemessene Terminverschiebung herbeizuführen. Wenn wir diese neue Kontrolltechnik ohne den entsprechenden Vorlauf einführen, dann befürchten viele Fachleute er- hebliche Anlaufprobleme, die wiederum die Akzeptanz des Systems vom ersten Tag an beeinträchtigen. Wir soll- ten aus den Fehlern bei der Einführung der LKW-Maut lernen und daher zunächst noch befristet auf die vorhan- dene, aber weniger manipulationssichere Lenk- und Ru- hezeiterfassung zurückgreifen, bis das neue System tat- sächlich funktionsfähig zur Verfügung steht. Dennoch ist es richtig, diesen Gesetzentwurf zum jet- zigen Zeitpunkt vorzulegen und zu verabschieden, da wichtige Gesetzesänderungen zur Einführung des digita- len Kontrollgerätes Voraussetzung sind. Ohne eine Anpassung des Fahrpersonalgesetzes, FpersG, und des Gesetzes über die Errichtung eines Kraftfahrt-Bundes- amtes, KBA-Gesetz, wäre die Umsetzung der EG-Ver- ordnungen Makulatur. Schon der Einsatz verschiedener Chipkartentypen – Fahrerkarte, Unternehmenskarte, Werkstattkarte, Kon- trollkarte – führt zu einer Vielzahl von erforderlichen Regelungen. Diese Karten müssen personalisiert und re- gistriert sein, damit Manipulationen direkt ein Riegel vorgeschoben werden kann. Ohne die Registrierung ver- lorener oder defekt gemeldeter Karten könnten beispiels- weise die Sozialvorschriften umgangen werden. Mit ei- ner in falsche Hände gelangten Werkstattkarte könnten sogar Manipulationen der Erfassungsgeräte erfolgen. Al- lerdings würden die Kontrollgeräte diese Einflussnahme registrieren, sodass eine Rückverfolgung von Eingriffen möglich ist. Aber dazu ist auch eine entsprechende lü- ckenlose Kontrolle notwendig. Da die Karten sowohl biometrische als auch adminis- trative Daten enthalten, ist deren getrennte Verwendung insbesondere unter dem Aspekt des Datenschutzes zu gewährleisten. Auch die Frage der Speicherdauer, die je nach Kartentyp zwischen 31 Tagen und einem Jahr be- trägt, und des Speicherortes ist von großer Bedeutung für ein Funktionieren des Systems. Daher wird der Um- gang mit diesen Daten in einer entsprechenden neuen Fahrpersonalverordnung geregelt, wobei die Landesbe- hörden die Aufsicht über deren Ausführung haben. Das Kraftfahrt-Bundesamt spielt insbesondere bei der Führung des Zentralen Kontrollgerätkartenregisters eine wesentliche Rolle. Auch wird ihm die Aufgabe der Zertifizierungsstelle für die kryptologischen Schlüssel, deren Verwendung die Voraussetzung für eine Kommu- nikation zwischen Speicher- und Kontrollgeräten dar- stellt, zugeteilt. In seiner Komplexität ist dieses Schlüs- selmanagement weltweit einzigartig. Auch aus diesem Grunde sollten wir dafür Sorge tragen, dass die Klä- rung der Terminfrage – wie schon weiter oben darge- legt – von großer Bedeutung ist, bevor wir dieses Neu- land betreten. Die Frage der Kosten für die Einführung des Systems sei nur kurz gestreift. Sie liegen nach den bisherigen Er- kenntnissen je nach Kartentyp zwischen 40 und 50 Euro einschließlich der Gebühren des Kraftfahrt-Bundesamtes und erscheinen mir durchaus angemessen. Der zusätz- lich notwendige Personaleinsatz hält sich ebenfalls in Grenzen und kann über die vorgenannten Gebühren kos- tendeckend finanziert werden. Kurz und gut, die Voraussetzungen für die Einführung des Systems sind geschaffen. Wir müssen nur noch dafür sorgen, dass dieses innovative Kontrollsystem nicht durch übermäßigen Ehrgeiz an einem zu frühen Start scheitert. Gewähren wir ihm daher eine angemessene Startphase, um seine „Kinderkrankheiten“ auszukurie- ren; dann werden letztlich alle Beteiligten von den Vor- teilen der digitalen Kontrollgeräte profitieren. Getreu dem Motto: „Was lange währt, wird tatsächlich gut!“ Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Für die FDP- Bundestagsfraktion ist die Einführung des digitalen Kontrollgerätes vor allem ein wichtiger Beitrag zur Ver- kehrssicherheit. Das digitale Kontrollgerät ist die längst fällige Reaktion auf die zunehmenden Unfallzahlen im Schwerlastverkehr und bei Bussen. Die Richtlinie wird für Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Ge- samtgewicht gelten und für mehr Sicherheit im Straßen- verkehr sorgen. Nicht nur auf deutschen Straßen wird mit dem digitalen Kontrollgerät die Möglichkeit zur Fäl- schung der Daten für Lenk- und Ruhezeiten schwieriger, sondern auch auf europäischen Verkehrswegen. So kurz vor dem Beitritt der neuen EU-Mitgliedstaa- ten ist es höchste Zeit für einfachere und gleichzeitig ef- fektivere Kontrollmöglichkeiten des größten Unsicher- heitsfaktors im Straßenverkehr, nämlich des Menschen. Aber das Kontrollgerät kann nur der sicheren Dokumen- tation der Lenk- und Ruhezeiten dienen und nur mittel- bar der verbesserten Fahrweise des Fahrzeugführers. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 8481 (A) (C) (B) (D) Daher muss der Gesetzgeber dafür sorgen, dass die Lenk- und Ruhezeiten eingehalten werden, und entspre- chend Personal zur Überprüfung zur Verfügung stellen. Straferhöhungen, wie gerade für telefonierende Autofah- rer ohne Freisprechanlage beschlossen, nützen gar nichts, solange es keine ausreichenden Kontrollen der entsprechenden Gesetze gibt. Die Konsequenzen der Einführung eines neuen Kon- trollgeräts dürfen aber nicht alleine in Deutschland zu spüren sein. Wo im Vergleich mit den Nachbarstaaten schon am meisten im Straßenverkehr kontrolliert wird, dürfen mit dem Einbau der Geräte keine Wettbewerbs- nachteile für das Güterkraftverkehrsgewerbe entstehen. Dafür muss die Bundesregierung sorgen. Dazu fällt mir ein, dass die Bundesregierung seit drei Jahren einen Be- richt über Wettbewerbsverzerrungen im europäischen Güterkraftverkehrsgewerbe unter anderem zu Sozial- standards vorlegen will. Wahrscheinlich wird das Parla- ment diesen Bericht erhalten, wenn die digitalen Kon- trollgeräte längst Alltag geworden sind. Das wird leider noch eine Weile dauern. Bisher gibt es wohl EU-weit kein normgerechtes digitales Gerät zur Kontrolle von Lenk- und Ruhezeiten. Aus diesem Grund möchte EU-Kommissarin de Palacio den Starttermin für die Einführung des elektronischen Fahrtenschreibers verschieben. Bei den europäischen Nachbarn geht die Angst um, sie könnten ein ähnliches Desaster mit dem Einbau des Kontrollgeräts erleben wie wir mit dem Ein- bau von nicht funktionierenden Mauterfassungsgeräten. Hilfreich war mit Sicherheit die Erkenntnis eines Spre- chers von Bundesverkehrsminister Stolpe: Was nützten uns Termine, wenn sie von vornherein nicht eingehalten werden könnten. Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt jedenfalls die europaweite Einführung des digitalen Fahrtenschrei- bers. Wichtig dabei ist eine verstärkte Kontrolle der Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten und dass für alle EU-Länder die gleichen Konsequenzen entstehen. Ich freue mich deshalb auf die Beratungen im Verkehrsaus- schuss. Angelika Mertens, Parlamentarische Staatssekre- tärin beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen: Was wir hier heute zu später Stunde mit- einander besprechen, ist ganz und gar undramatisch. Schade, denn zu so später Stunde wäre etwas Aufregung vielleicht ganz hilfreich. Mit dem Gesetzentwurf über Begleitregelungen zur Einführung des digitalen Kontrollgerätes erfüllen wir ei- nen Beschluss der Europäischen Union. Undramatisch, aber nicht unwichtig. Denn hier geht es um die Einfüh- rung eines neuen Kontrollsystems im Straßengüterver- kehr. Mit dem Gesetzentwurf schaffen wir die Vorausset- zungen für die erforderlichen Ausführungsregelungen. Das ist eine kleine Zeitenwende im Straßengüterver- kehr: Das digitale Kontrollgerät wird das bislang mecha- nische Kontrollgerät, den Fahrtenschreiber, ersetzen. Das ist gut, denn einen Fahrtenschreiber – das habe ich mir selbst demonstrieren lassen – kann beinahe jedes Kind manipulieren. Die Regelungen der betreffenden EG-Verordnung (Nr. 2135/98) reichen allerdings nicht aus, um das neue System zu realisieren. Deshalb müssen wir das Fahrper- sonalgesetz ergänzen. Da geht es einmal um die Kontrol- len durch die jeweiligen Behörden und um die Überwa- chung der Einhaltung der Sozialvorschriften durch den Unternehmer. Und es geht um die Einführung einer Mit- teilungspflicht der Bußgeldbehörden, die für die Sozial- vorschriften zuständig sind. Diese Regelungen werden mit dem vorliegenden Gesetz getroffen. Hinzu kommen technische Regelungen. Da geht es zum Beispiel um das so genannte Herunterladen der Da- ten aus dem Massespeicher des Kontrollgerätes oder der Fahrerkarte in die betriebliche Datenverarbeitung. Das ist notwendig, weil sonst Betriebsprüfungen nicht durch- führbar wären. Notwendig ist außerdem die deklaratorische Klarstel- lung der Zuständigkeit der Länder, wenn es um die Aus- gabe der Kontrollgerätekarten geht. Der Regelungsbereich des Gesetzes ist also unproble- matisch und, wie gesagt, wenig dramatisch. Voraussetzung für den Einsatz des digitalen Kontroll- gerätes ist allerdings das Vorliegen einer Bauartgeneh- migung. Ab August müssen nach den jetzt geltenden Fristen alle Neufahrzeuge mit einem entsprechenden Ge- rät ausgestattet werden. Und da gibt es dann doch ein kleines, aber nicht unbedeutendes Problem: Es ist un- wahrscheinlich, dass bis August genehmigte und praxis- taugliche Geräte existieren. Europaweit haben die Ge- rätehersteller erklärt, dass dieser Zeitplan nicht zu halten ist. Die deutschen Hersteller (Actia, Siemens-VDO) rechnen frühestens im zweiten Quartal 2004 mit einer Bauartgenehmigung. Die logische Konsequenz: Es wird zum 6. August 2004 in ganz Europa kein einziges praxis- taugliches digitales Kontrollgerät geben. Mit dieser Frist hätte die Industrie auch keine ausreichenden Testzeit- räume für das neue System. Es ist richtig, dass die EU Druck macht, was die Ein- führung des neuen Gerätes angeht. Allerdings brauchen wir einen neuen und realistischen Zeitplan. Behördli- cherseits sind die Fristen noch enger gesteckt. Nach der jetzigen Regelung müssen die Mitgliedstaaten schon ab Mai in der Lage sein, bauartgenehmigte Kontrollgeräte- karten auszugeben. Das ist zeitlich einfach nicht zu schaffen. Letztlich müssen auch die Techniker mit der neuen Technik an funktionsfähigen Geräten geschult werden. Und das ist kein rein behördliches Problem, denn auch das europäische Transportgewerbe fordert seit langem eine Verschiebung der Einführung. Auch der Bundesrat hat das Zeitproblem erkannt: In der Stellungnahme vom 13. Februar 2004 wird die Bun- desregierung gebeten, sich bei der EU-Kommission für eine Verschiebung des Starttermins einzusetzen. Bundes- minister Stolpe war schneller – er hatte schon im vergan- genen Dezember an die Verkehrskommissarin de Palacio geschrieben. Er hat auf die bestehenden Probleme hinge- 8482 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 (A) (C) (B) (D) wiesen und dringend um einen realistischeren Zeitplan gebeten. Eine solche Verschiebung wäre EU-rechtlich möglich, aber die Kommission lehnt sie bislang ab. Diese Situation ist nicht nur aus Sicht der Bundesregierung nicht akzeptabel. Ein Festhalten an den jetzt geltenden Fristen würde für alle Beteiligten massive Probleme bedeuten. Abgesehen von allen Terminschwierigkeiten der In- dustrie ist es aber wichtig, durch die rechtzeitige Verab- schiedung der gesetzlichen Grundlage den EU-Vorgaben Rechnung zu tragen. Das tun wir mit diesem Gesetzent- wurf. Der Bundesrat hat keine grundsätzlichen Ein- wände erhoben. Insofern sind wir im Zeitplan. sellschaft mbH, Amsterdamer Str. nd 91, 1 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344 22 94. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 4. März 2004 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Antje Vollmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Für den Bundesrat erhält jetzt der Herr Justizminister

    des Landes Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Gerhards,
    das Wort.


    (Nordrhein-Westfalen)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach
    den Vorreden kann ich es in vielen Punkten sehr kurz
    machen, weil ich festgestellt habe, dass wir uns in
    wesentlichen, zentralen Punkten einig sind. Die Bundes-
    justizministerin und auch die Abgeordneten, die gespro-
    chen haben, haben dankenswerterweise darauf hinge-
    wiesen, dass es uns nicht darum geht, die Grundstruktur
    des Betreuungsrechts zu ändern. Ganz im Gegenteil, das
    war ein Jahrhundertwerk. Es geht uns nur darum, an den
    Stellen, an denen das gut Gemeinte nicht mit dem Guten
    identisch ist, Korrekturen anzubringen.

    Das kann man in zwei Punkten zusammenfassen: Das
    Gesetz ist an manchen Stellen zu aufwendig geraten – es
    atmet noch den Geist der 80er- und 90er-Jahre – und es
    ist zu teuer in der Umsetzung, und zwar ohne dass diese
    Kosten erforderlich wären.

    Ich muss nicht alle Punkte wiederholen, weil vieles
    von dem, was in meinem Redemanuskript steht, schon
    gesagt worden ist. Ich will nur auf einige wesentliche
    Punkte eingehen, die von Ihnen schon angesprochen
    wurden und die den Gang der weiteren Beratung sicher-
    lich noch bestimmen werden.

    Die Zahl der Betreuungsfälle ist zum einen wegen
    der demographischen Entwicklung übermäßig gestiegen.
    Das ist gar keine Frage. Zum anderen hat aber das Ge-
    setz dafür gesorgt, dass den Familien die Flucht aus der
    Verantwortung erleichtert wird. Wir haben nämlich in
    vielen Fällen das Prinzip der Erforderlichkeit nicht so
    ausgestaltet, dass an der Spitze der Überlegung die Frage
    steht, ob überhaupt eine Betreuung vom Gericht ange-
    ordnet werden muss, ob andere Personen in Betracht
    kommen und ob es Möglichkeiten gibt, die wir als Ge-
    setzgeber nachjustieren sollten, durch die die Familien
    und auch die Betroffenen selbst zu dem Zeitpunkt, zu
    dem sie das noch leisten können, in die Pflicht genom-
    men werden.

    Der zentrale Punkt an dieser Stelle – Sie haben ihn
    bereits angesprochen – ist die Stärkung der Vorsorge-
    vollmacht. Dazu muss ich nichts sagen; alles Wichtige
    ist dazu schon ausgeführt worden. Ich bin sehr dankbar,
    dass wir uns da einig sind. Ich bin insbesondere für das
    Muster dankbar, das das Bundesjustizministerium vorge-
    schlagen hat und auf das sich die Länder inzwischen ver-
    ständigt haben; denn es ist völlig richtig, in der Republik
    mit einer Mustervollmacht und nicht mit verschiedenen
    zu arbeiten.
    Dass wir ein zentrales Register brauchen, ist auch
    schon gesagt worden. Da muss ich nichts weiter ausfüh-
    ren.

    An zweiter Stelle sieht der Entwurf aber eine Entlas-
    tung aller Beteiligten – also nicht nur der Gerichte und
    der öffentlichen Finanzen, sondern gerade auch der
    Betroffenen – dadurch vor, indem wir neben der Vorsor-
    gevollmacht für bestimmte Fälle die gesetzliche Vertre-
    tungsmacht einführen. Dies ist richtig – dazu haben
    mehrere Redner schon einiges gesagt –, weil es einem
    weit verbreiteten Bedürfnis der Betroffenen und ihrer
    Familien entgegenkommt, zumindest bestimmte Fälle
    der Betreuung in der Familie zu regeln. Man kann davon
    ausgehen, dass in den Krankheitsfällen, in denen bei-
    spielsweise operiert werden muss oder in denen ärztliche
    Entscheidungen abgesichert werden müssen, die Ehegat-
    ten füreinander eintreten. Das ist ja auch ein Hauptgrund
    dafür, weshalb die Leute heiraten. Das darf man nicht
    unterschätzen. Ich glaube, in diesem Punkt sind wir uns
    einig.

    Sie haben an der Stelle noch einen anderen Punkt ange-
    sprochen, der in der Tat heikler ist, weil es dafür – darauf
    haben Sie hingewiesen – keine so breite Zustimmung in
    der Bevölkerung gibt. Es geht um die Vermögensvor-
    sorge. Dieser Begriff führt allerdings zu Missverständ-
    nissen. Es geht eben nicht um das Vermögen der Betrof-
    fenen. Es geht um bestimmte, exklusiv aufgeführte
    Leistungen. Es geht beispielsweise um den Zugriff auf
    das laufende Konto bis zu einem Betrag von maximal
    3 000 Euro. Das ist für manchen in der Tat sehr viel.
    Aber es handelt sich nicht um das Vermögen, das die
    Menschen besitzen. Es geht also nicht um das Häuschen
    und auch nicht um das Aktienpaket, sondern nur um lau-
    fende Einnahmen.

    Es geht ferner um das Stellen von Anträgen auf So-
    zialleistungen und um die Entgegennahme der Bewilli-
    gung von Leistungen bei der Renten- und der Kranken-
    versicherung. Es geht gegebenenfalls auch um die
    Möglichkeit, für die Steuererklärung, wenn sie unproble-
    matisch ist, eine Unterschrift abzugeben, ohne dass dafür
    ein Betreuer bestellt werden muss. Es geht in der Tat
    auch um die Frage, ob ein Mietverhältnis aufgelöst wer-
    den kann, wenn ein Heimvertrag abgeschlossen wird.
    Ich räume ein, dass bei dem letzten Punkt die Abwägung
    besonders schwierig sein kann und dass man sie unter
    Umständen auch anders treffen kann, als sie der Gesetz-
    entwurf vorgibt.

    Ich sage ausdrücklich: Wir sollten an dieser Stelle
    nicht immer von Missbrauch ausgehen. Wir neigen als
    Juristen dazu, immer den pathologischen Fall im Auge
    zu haben und nicht die Vielzahl der Fälle, in denen das
    ganz normal funktioniert. Es ist ganz wichtig, dass wir
    an der Stelle nicht mit der Missbrauchsfrage und mit
    dem Bedenken überziehen und deswegen eine Regelung
    zu klein halten, die sich im Prinzip, so glaube ich, als
    sehr vernünftig darstellt.

    Ein weiterer Punkt, auf den ich eingehen will, ist die
    Frage der Vergütung. Ich meine, dass das geltende
    Recht an manchen Stellen zum Missbrauch animiert;
    denn es werden die Falschen prämiert. Derjenige, der






    (A) (C)



    (B) (D)


    Minister Wolfgang Gerhards (Nordrhein-Westfalen)


    langsam arbeitet und der jede Minute aufschreibt, wird
    gegenüber dem, der sehr viel schneller in der Lage ist,
    eine Entscheidung zu treffen, bevorzugt, weil er am
    Ende mehr Geld für seine Leistung bekommt. Das kann
    nicht richtig sein. Die Vergütung muss pauschaliert wer-
    den. Ich habe auch noch keine generelle Kritik an dem
    Ansatz der Pauschalierung gehört.

    Ich höre an der Stelle immer die Frage – sie ist aus
    den Beratungen bekannt –, ob wir mit dem jetzt vorge-
    schlagenen Pauschalsystem wirklich alle Fälle umfas-
    send abdecken. Es gibt den Einwand, dass es Betreuer
    gibt, die sich auf die besonders schwierigen Fälle kon-
    zentrieren, bei denen der Aufwand größer ist. Erstens
    glaube ich nicht, dass das der Wahrheit entspricht, weil
    die meisten einen Mix von Fällen haben. Manche ma-
    chen es sich vielleicht auch zu leicht. Zweitens denke
    ich, dass die Gerichte sehr wohl in der Lage sind, dafür
    zu sorgen, dass bei den zu treffenden Betreuungsent-
    scheidungen darauf geachtet wird, dass die Betreuer
    gleichermaßen bedient werden. Das heißt, es wird darauf
    geachtet, dass nicht einer nur die leichten Fälle und ein
    anderer nur die schweren Fälle bekommt. Es muss für
    einen Mix gesorgt werden, sodass sich für jeden Be-
    treuer ein ausgewogenes Verhältnis an Fällen ergibt.

    Wenn man die heutige Praxis zugrunde legt, dann
    kann man davon ausgehen, dass 40 bis 50 Fälle von ei-
    nem Berufsbetreuer bearbeitet werden können. Ohne die
    Aufwandsentschädigung verdient er damit 40 000 bis
    50 000 Euro im Jahr. Das ist angemessen; aber mehr
    muss es auch nicht sein.

    Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen will, ist in die-
    sem Zusammenhang, was der Betreuer eigentlich leisten
    muss. Da sind wir an einer sehr sensiblen Stelle. Da geht
    es um den Abgleich mit dem, was die Familie, andere
    soziale Institutionen, aber auch der gesunde Mensch tun
    müssten. Ich habe eine Menge an Beispielen gehört, was
    Berufsbetreuer alles im Zusammenhang mit Vermögens-
    paketen zu leisten haben. Dafür würde sich der Gesunde
    einen Anwalt oder einen Steuerberater nehmen. Das
    muss der Berufsbetreuer nicht leisten. Da soll er einen
    Auftrag erteilen und dann ist er aus dem Schneider.
    Mehr muss er nicht tun.

    Sie haben den Vorschlag zu § 1906 a BGB angespro-
    chen, mit dem Zwangsbehandlungen ermöglicht werden
    sollen. An dieser Stelle bin ich ganz bei Ihnen. Das war
    Teil eines Kompromisses, den die Länder geschlossen
    haben. Ich persönlich und auch die Landesregierung von
    Nordrhein-Westfalen sind sehr damit einverstanden, dass
    an dieser Stelle wieder klar gezogen wird, dass der Be-
    treuer ausschließlich im Interesse des Betreuten arbeitet
    und nicht in die Pflicht genommen wird für eine Situa-
    tion, in der er auf zwei Schultern tragen müsste. Das
    kann das Vertrauensverhältnis in vielen Fällen stören.
    Ich akzeptiere an dieser Stelle einen Änderungsbedarf.

    Ein Letztes – denn meine Redezeit ist gleich abgelau-
    fen –



Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Richtig!

(Nordrhein-Westfalen)


– will ich ansprechen. Es gibt eine Reihe von Dingen
außerhalb dessen, was die Justiz betreiben muss. Da geht
es um die Frage, ob die Vergütung für die Betreuungs-
vereine richtig gestaltet ist. Das ist eine Länderangele-
genheit außerhalb der Justiz. Es geht auch um die Frage,
ob die Betreuungsbehörden wie bisher nicht ihre Pflicht
wahrnehmen müssen oder sich ihrer Aufgabe entledigen
können, wie sie das in der Vergangenheit getan haben,
weil die rechtlichen Betreuer in vielen Fällen soziale Be-
treuung geleistet haben.

Das gehört nicht in diesen Gesetzentwurf. Es gehört
aber zu der Diskussion, die die Sozialminister bereits
führen, wobei sie gebeten haben, dass sich eine gemein-
same Bund-Länder-Arbeitsgruppe, bestehend aus den
Justizverwaltungen einerseits und den Sozialverwaltun-
gen andererseits, mit diesen Fragen befasst. Ich bin zu-
versichtlich, dass man das am Ende wieder in einer
Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit den verschiedenen Res-
sorts angemessen besprechen kann. Das ist aber ein
Thema, das unabhängig von dem jetzigen Gesetzentwurf
zu betreiben ist und diesen Gesetzentwurf nicht blockie-
ren darf.

Ich danke Ihnen für die Bereitschaft, das Thema ge-
meinsam so sachgerecht anzugehen, wie es die heutige
Diskussion gezeigt hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Antje Vollmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Norbert Röttgen.