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ID1508206200

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    Plenarprotokoll 15/82 a) Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregierung zum Europäischen Rat in Brüssel am 12./13. Dezember 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union . . . . . . . . . . . – zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Die Errungen- schaften des Konvents sichern – das europäische Verfassungspro- jekt erfolgreich vollenden . . . . . . – zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Hintze, Michael Stübgen, Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Daseinsvorsorge nicht gegen Wettbewerb ausspielen (Drucksachen 15/1712, 15/2183) . . . . Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . Anna Lührmann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 7130 B 7130 B 7130 B 7130 D 7130 D 7135 C 7139 B 7141 B 7143 A 7145 A Deutscher B Stenografisc 82. Sit Berlin, Donnerstag, de I n h a Nachträgliche Gratulation zum 60. Geburtstag des Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg) Benennung des Abgeordneten Dr. Dieter Wiefelspütz als ordentliches Mitglied und des Abgeordneten Wilhelm Schmidt (Salz- gitter) als stellvertretendes Mitglied in die ge- meinsame Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung des Tagesordnungspunktes 10 . . . Tagesordnungspunkt 3: 7129 A 7129 B 7129 B 7130 B weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Für eine zügige Regierungskonferenz über die EU-Verfassung . . . . . . . . 7130 C undestag her Bericht zung n 11. Dezember 2003 l t : – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Gauweiler, Klaus Hofbauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Gottesbezug im europäischen Verfassungsvertrag . . . . . . . . . . . – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Preis- stabilität als Ziel im EU-Verfas- sungsvertrag festschreiben – Un- abhängigkeit der Europäischen Zentralbank sichern (Drucksachen 15/1878, 15/1694, 15/1695, 15/1801, 15/2188) . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des 7130 C 7130 C Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . . Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . . . . . . Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7146 D 7147 B 7147 D II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 Michael Roth (Heringen) SPD . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger FDP . . Rainder Steenblock BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerd Müller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU . . . . . Markus Meckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Gauweiler CDU/CSU . . . . . . . . . . . Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Gauweiler CDU/CSU . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: a) Vereinbarte Debatte: Antisemitismus bekämpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der FDP: Antise- mitismus bekämpfen (Drucksache 15/2164) . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Gert Weisskirchen (Wiesloch), Wolfgang Thierse, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD, der Abgeordne- ten Claudia Nolte, Hans Raidel, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Dr. Ludger Volmer, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN sowie der Abgeordneten Markus Löning, Helga Daub, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP: Für eine OSZE-Antisemitismuskon- ferenz in Berlin 2004 (Drucksache 15/2166) . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Thierse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Löning FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sebastian Edathy SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Bötsch CDU/CSU . . . . . . . . . . 7148 A 7149 A 7151 A 7152 B 7154 C 7156 D 7158 C 7159 C 7160 C 7162 B 7163 B 7163 D 7164 C 7168 D 7165 A 7165 A 7165 A 7165 B 7171 A 7172 C 7174 A 7175 B 7177 A Claudia Roth (Augsburg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . Christoph Hartmann (Homburg) FDP . . . . . . Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . Reinhard Grindel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . . . . . . Hildegard Müller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der FDP: Schutz von bedrohten Menschenrechtsver- teidigern (Drucksache 15/2078) . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: – Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament – Intensivierung der EU-Maßnah- men für die Mittelmeer-Partner- länder in den Bereichen Menschenrechte und Demokrati- sierung – Strategische Leitlinien (Drucksachen 15/1280 Nr. 240, 15/1633) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Hermann Gröhe, Dr. Egon Jüttner, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Rainer Funke, Sabine Leutheusser- Schnarrenberger und der Fraktion der FDP: Den Friedensprozess im Sudan unterstützen (Drucksache 15/2152) . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Stär- kung der Menschenrechte in Afghanis- tan (Drucksache 15/2168) . . . . . . . . . . . . . . . 7178 C 7179 B 7180 B 7181 A 7182 C 7184 B 7184 C 7185 C 7187 B 7189 B 7189 B 7189 C 7189 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 III in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Rainer Funke, Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gegen eine Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber der Volksrepublik China (Drucksache 15/2169) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Rainer Funke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für eine Reform und Stärkung der Menschenrechtskommission (Drucksache 15/2174) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Rainer Funke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für die Einhaltung der grundle- genden Menschenrechte und Grund- freiheiten in Guantanamo Bay (Drucksache 15/2175) . . . . . . . . . . . . . . . . Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hermann Gröhe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Christa Nickels BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) SPD . . . . . . . . . Melanie Oßwald CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Claudia Roth (Augsburg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Haibach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Irmgard Karwatzki CDU/CSU . . . . . . . . . . . Brigitte Wimmer (Karlsruhe) SPD . . . . . . . . Claudia Nolte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Änderungsprotokoll vom 22. Juni 1998 zum Europäischen Über- einkommen zum Schutz der für Versu- 7189 C 7189 D 7189 D 7190 A 7191 D 7192 D 7194 B 7195 D 7197 C 7198 D 7200 A 7201 A 7201 D 7203 C che und andere wissenschaftliche Zwe- cke verwendeten Wirbeltiere (Drucksache 15/2143) . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 6. November 1997 über die Staatsangehörigkeit (Drucksache 15/2145) . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der FDP: Die deutsch-koreanischen Beziehungen dynamisch fortentwickeln (Drucksache 15/2167) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Über- einkommen aufgrund von Art. K.3 des Vertrags über die Europäische Union vom 26. Juli 1995 über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich (Drucksachen 15/1969, 15/2185) . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Übereinkommens aufgrund von Art. K.3 des Vertrags über die Euro- päische Union vom 26. Juli 1995 über den Einsatz der Informa- tionstechnologie im Zollbereich, zu dem Protokoll gemäß Art. 34 des Vertrags über die Europäische Union vom 8. Mai 2003 zur Ände- rung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich hinsichtlich der Ein- richtung eines Aktennachweissys- tems für Zollzwecke sowie zur Ver- ordnung (EG) Nr. 515/97 des Rates vom 13. März 1997 über die gegen- seitige Amtshilfe zwischen Verwal- tungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörde mit der Kommission im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und Agrarre- gelung (ZIS-Ausführungsgesetz) (Drucksachen 15/1970, 15/2130, 15/2186) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7205 A 7205 A 7205 B 7205 B 7205 C IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 c) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 15/1672, 15/2176) . . . . d) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Aufhebung des Art. 232 § 2 Abs. 2 des Einführungs- gesetzes zum Bürgerlichen Gesetz- buche (Drucksachen 15/1490, 15/2189) . . . . e) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Grunderwerb- steuerbefreiung bei Fusionen von Wohnungsunternehmen und Woh- nungsgenossenschaften in den neuen Ländern (Drucksachen 15/1407, 15/2187) . . . . f) – Zweite Beratung und Schlussab- stimmung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zu dem Vertrag vom 6. März 2002 zwischen der Bun- desrepublik Deutschland und der Republik Mosambik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 15/1845, 15/2091) – Zweite Beratung und Schlussab- stimmung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zu dem Vertrag vom 6. August 2001 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 15/1846, 15/2091) – Zweite Beratung und Schlussab- stimmung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Oktober 2001 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Bosnien und Herzegowina über die Förderung und den ge- genseitigen Schutz von Kapital- anlagen (Drucksachen 15/1847, 15/2091) g) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen (OlympSchG) (Drucksachen 15/1669, 15/2190) . . . . 7206 A 7206 B 7206 C 7207 A 7207 A 7207 B 7207 C h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Jörg Tauss, Eckhardt Barthel (Berlin), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Grietje Bettin, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Chancengleichheit in der globalen Informationsgesellschaft si- chern – VN-Weltgipfel zum Erfolg führen (Drucksachen 15/1988, 15/2184) . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: a) – f) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 81, 82, 83, 84, 85 und 86 zu Petitionen (Drucksachen 15/2177, 15/2178, 15/2179, 15/2180, 15/2181, 15/2182) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Beschlussempfehlung und Bericht des 1. Untersuchungsausschusses nach Art. 44 des Grundgesetzes (Drucksache 15/2100) . . . . . . . . . . . . . . . Peter Altmaier CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Uwe Benneter SPD . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . Jerzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU . . Florian Pronold SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Dr. Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP: Unterstützung der Bewerbung der Stadt Leipzig mit dem Segelstandort Rostock um die Ausrich- tung der XXX. Olympischen Sommer- spiele und der XIV. Paralympics 2012 (Drucksache 15/2170) . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Wieczorek (Böhlen) SPD . . . . . . . . . Eberhard Gienger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 7207 D 7208 A 7208 C 7208 D 7210 D 7213 A 7214 C 7216 C 7218 C 7219 C 7221 B 7223 A 7224 A 7224 A 7225 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 V Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Götz-Peter Lohmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Riegert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Danckert SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Dr. Maria Flachsbarth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Tierversuche in der europäischen Chemikaliengesetzgebung auf ein Mini- mum begrenzen (Drucksache 15/1982) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth CDU/CSU . . . . . . . . . Heinz Schmitt (Landau) SPD . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth CDU/CSU . . . . . . Peter Bleser CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wilhelm Priesmeier SPD . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP: Neue EU-Wertpa- pierdienstleistungsrichtlinie (Drucksache 15/2171) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Mögliche Inte- ressenüberschneidungen bei der Ver- gabe öffentlicher Mittel über die Bun- desanstalt für Arbeit auf allen Ebenen nachhaltig vermeiden (Drucksache 15/771) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Werner Bertl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Markus Kurth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Max Straubinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 7226 C 7227 C 7228 C 7229 D 7231 A 7232 C 7232 D 7234 A 7235 B 7236 B 7236 C 7237 C 7238 D 7240 A 7240 A 7240 B 7241 C 7243 D 7245 B 7245 D 7246 D Tagesordnungspunkt 11: Vereinbarte Debatte zur europäischen Perspektive für Gesamtzypern Günter Gloser SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Helias CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Rainder Steenblock BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Claudia Winterstein FDP . . . . . . . . . . . . Thomas Rachel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Blank, Gerhard Wächter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Interes- sen des deutschen Verkehrsgewerbes wirksam erhalten und sichern – Chancen zur Förderung des deut- schen Transportgewerbes national und international ergreifen (Drucksachen 15/926, 15/1398) . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Fairer Wettbewerb für das deutsche Güterkraftverkehrsge- werbe (Drucksache 15/1592) . . . . . . . . . . . . . Uwe Beckmeyer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Albert Schmidt (Ingolstadt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Wächter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Tagespflege als Baustein zum bedarfsgerechten Kin- derbetreuungsangebot – Bessere Rah- menbedingungen für Tagesmütter und -väter, Eltern und Kinder (Drucksache 15/1590) . . . . . . . . . . . . . . . . 7248 A 7249 C 7250 D 7251 C 7252 B 7253 B 7253 C 7253 C 7255 A 7257 A 7258 C 7259 D 7261 D 7263 A VI Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Zwölf- ten Gesetzes zur Änderung des Arznei- mittelgesetzes (Drucksache 15/2109) . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Christine Scheel, Kerstin Andreae, Friedrich Ostendorff, Dr. Reinhard Loske, Hans-Josef Fell, Albert Schmidt (Ingolstadt) und Dr. Antje Vogel- Sperl (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Gottesbezug im europäischen Verfassungsvertrag (Ta- gesordnungspunkt 3 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Christa Nickels, Werner Schulz (Berlin), Josef Philip Winkler und Thilo Hoppe (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Gottesbezug im europäischen Verfassungs- vertrag (Tagesordnungspunkt 3 b) . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Michael Roth (Heringen), Rainer Arnold, Sabine Bätzing, Klaus Uwe Benneter, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Peter Dreßen, Siegmund Ehrmann, Annette Faße, Gabriele Frechen, Rainer Fornahl, Günter Gloser, Uwe Göllner, Dieter Grasedieck, Monika Griefahn, Kerstin Griese, Gabriele Groneberg, Bettina Hagedorn, Klaus Hagemann, Michael Hartmann (Wackern- heim), Reinhold Hemker, Stephan Hilsberg, Frank Hofmann (Volkach), Klaas Hübner, Brunhilde Irber, Renate Jäger, Klaus Werner Jonas, Dr. h. c. Susanne Kastner, Dr. Heinz Köhler, Karin Kortmann, Volker Kröning, Horst Kubatschka, Ute Kumpf, Christian Lange (Backnang), Dr. Elke Leonhard, 7263 C 7263 D 7265 A 7265 B 7265 C Eckhart Lewering, Gabriele Lösekrug-Möller, Hilde Mattheis, Markus Meckel, Ulrike Merten, Dietmar Nietan, Dr. Erika Ober, Heinz Paula, Dr. Sascha Raabe, Reinhold Robbe, Dagmar Schmidt (Meschede), Ottmar Schreiner, Wolfgang Spanier, Dr. Margrit Spielmann, Jörg-Otto Spiller, Wolfgang Thierse, Andreas Weigel, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Jochen Welt und Engelbert Wistuba (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Gottesbezug im europäischen Verfassungs- vertrag (Tagesordnungspunkt 3 b) . . . . . . . . Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Kurt Bodewig, Ute Berg, Heidi Wright und Helga Kühn-Mengel (alle SPD) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Gottesbezug im eu- ropäischen Verfassungsvertrag (Tagesord- nungspunkt 3 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Rolf Stöckel (SPD) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Gottesbezug im europäischen Ver- fassungsvertrag (Tagesordnungspunkt 3 b) Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Vera Lengsfeld, Günter Nooke, Renate Blank, Bernd Neumann (Bremen) und Dr. Peter Gauweiler (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Be- richt zu dem Antrag: Antisemitismus be- kämpfen (Tagesordnungspunkt 3 b) . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Neue EU-Wertpapierdienst- leistungsrichtlinie (Tagesordnungspunkt 9) Stephan Hilsberg SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leo Dautzenberg CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Georg Fahrenschon CDU/CSU . . . . . . . . . . Hubert Ulrich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Andreas Pinkwart FDP . . . . . . . . . . . . . . 7266 A 7266 D 7267 A 7267 B 7267 D 7269 B 7270 A 7271 A 7271 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 VII Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Tagespflege als Baustein zum bedarfsgerechten Kinderbetreuungsange- bot – Bessere Rahmenbedingungen für Ta- gesmütter und -väter, Eltern und Kinder (Tagesordnungspunkt 13) Caren Marks SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Fischbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (Tages- ordnungspunkt 20) Dr. Marlies Volkmer SPD . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolf Bauer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Dieter Thomae FDP . . . . . . . . . . . . . . . . Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . 7272 A 7273 D 7275 C 7276 A 7276 D 7277 D 7279 D 7280 C 7281 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7129 (A) (C) (B) (D) 82. Sit Berlin, Donnerstag, de Beginn: 9
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    2) Anlage 10 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7265 (A) (C) (B) (D) in der europäischen Verfassung zu verankern, befür- worte ich. haben, die Grundlagen jener Werte zu schaffen, die die europäische Tradition ausmachen. lich-jüdischen und humanistischen Traditionen Europas und auch die humanistische Tradition dazu beigetragen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Christine Scheel, Kerstin Andreae, Friedrich Ostendorff, Dr. Reinhard Loske, Hans-Josef Fell, Albert Schmidt (Ingolstadt) und Dr. Antje Vogel-Sperl (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Gottesbezug im europäischen Verfassungsvertrag (Tagesord- nungspunkt 3 b) Ich stimme dem Antrag auf Drucksache 15/1695 nicht zu. Die Forderung, einen Bezug auf Gott, auf die christ- Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Berg, Axel SPD 11.12.2003 Bollmann, Gerd Friedrich SPD 11.12.2003 Fritz, Erich G. CDU/CSU 11.12.2003 Göppel, Josef CDU/CSU 11.12.2003 Hartenbach, Alfred SPD 11.12.2003 Heller, Uda Carmen Freia CDU/CSU 11.12.2003 Hettlich, Peter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11.12.2003 Dr. Hoyer, Werner FDP 11.12.2003 Dr. Mützenich, Rolf SPD 11.12.2003 Nitzsche, Henry CDU/CSU 11.12.2003 Sauer, Thomas SPD 11.12.2003 Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11.12.2003 Steinbach, Erika CDU/CSU 11.12.2003 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11.12.2003 Türk, Jürgen FDP 11.12.2003 Anlagen zum Stenografischen Bericht Mit der Erwähnung Gottes in der Präambel der EU- Verfassung würde ein Maßstab für verantwortliches Handeln in Politik und Gesellschaft benannt. Der expli- zite Gottesbezug würde daran erinnern und sicherstellen, dass weder der Gedanke der Nation noch der Rasse, des Staates oder einer Ideologie absolute Geltung über Men- schen beanspruchen darf. Das wäre eine Mahnung, die vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen wie der eu- ropäischen Geschichte für sich Verfassungsrang bean- spruchen kann. Dem Antragstext einschließlich seiner Begründung kann ich dennoch nicht zustimmen, da er sich aus- schließlich auf die christlich-abendländische Wertetradi- tion bezieht. Damit wird vergessen, dass auch die jüdi- sche und zu bestimmten Zeiten die islamische und auch die humanistische Tradition dazu beigetragen haben, die Grundlagen jener unteilbaren und universalistischen Werte zu schaffen, die die europäische Tradition ausma- chen, die Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität. Damit grenzt der Antrag bewusst Religionen oder Weltanschauungen aus, die Europa eben auch politisch, kulturell und spirituell geprägt haben. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Christa Nickels, Werner Schulz (Berlin), Josef Philip Winkler und Thilo Hoppe (alle BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Be- schlussempfehlung und den Bericht zu dem An- trag: Gottesbezug im europäischen Verfas- sungsvertrag (Tagesordnungspunkt 3 b) Wir unterstützen die Forderung, den Gottesbezug im europäischen Verfassungsvertrag mit der Formulierung zu verankern: „In dem Bewusstsein der Verantwortung vor Gott, den Menschen und dem, was Europa seinem geistig-reli- giösen Erbe schuldet, gründet sich die Union auf die un- teilbaren und universellen Werte der Würde des Men- schen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität.“ Mit der Erwähnung Gottes in der Präambel der EU- Verfassung wird ein Maßstab für verantwortliches Han- deln in Politik und Gesellschaft benannt. Der explizite Gottesbezug erinnert daran, dass weder der Gedanke der Nation, des Staates, noch einer Rasse oder Ideologie ab- solute Geltung über Menschen beanspruchen darf. Wir stimmen aber nicht der Begründung zu, die sich ausschließlich auf die christlich-abendländische Werte- tradition bezieht. Demgegenüber betonen wir, dass auch die jüdische und zu bestimmten Zeiten die islamische 7266 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 (A) (C) (B) (D) „Der eigene Erfahrungshorizont muss sich öffnen für neues Denken und neues Verstehen, ohne sich zugleich von den eigenen Grundwerten zu verabschieden oder sich einem Werterelativismus zu verschreiben.“ Diesem Verfassungsverständnis, das der Präsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse, formuliert hat, schlie- ßen wir uns an und haben deshalb dem Antrag zuge- stimmt. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Michael Roth (Heringen), Rainer Arnold, Sabine Bätzing, Klaus Uwe Benneter, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Peter Dreßen, Siegmund Ehrmann, Annette Faße, Gabriele Frechen, Rainer Fornahl, Günter Gloser, Uwe Göllner, Dieter Grasedieck, Monika Griefahn, Kerstin Griese, Gabriele Groneberg, Bettina Hagedorn, Klaus Hagemann, Michael Hartmann (Wackern- heim), Reinhold Hemker, Stephan Hilsberg, Frank Hofmann (Volkach), Klaas Hübner, Brunhilde Irber, Renate Jäger, Klaus Werner Jonas, Dr. h. c. Susanne Kastner, Dr. Heinz Köhler, Karin Kortmann, Volker Kröning, Horst Kubatschka, Ute Kumpf, Christian Lange (Backnang), Dr. Elke Leonhard, Eckhart Lewering, Gabriele Lösekrug-Möller, Hilde Mattheis, Markus Meckel, Ulrike Merten, Dietmar Nietan, Dr. Erika Ober, Heinz Paula, Dr. Sascha Raabe, Reinhold Robbe, Dagmar Schmidt (Meschede), Ottmar Schreiner, Wolfgang Spanier, Dr. Margrit Spielmann, Jörg-Otto Spiller, Wolfgang Thierse, Andreas Weigel, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Jochen Welt und Engelbert Wistuba (alle SPD) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Gottesbezug im euro- päischen Verfassungsvertrag (Tagesordnungs- punkt 3 b) Ich stimme dem Antrag auf Drucksache 15/1695 aus zwei Gründen nicht zu, obwohl auch ich einen Gottesbe- zug in der europäischen Verfassung, der sich nicht allein auf eine Religion oder Glaubensgemeinschaft bezieht, befürworte. Mit der Erwähnung Gottes in der Präambel der EU- Verfassung würde ein Maßstab für verantwortliches Handeln in Politik und Gesellschaft benannt. Der expli- zite Gottesbezug würde daran erinnern und sicherstellen, dass weder der Gedanke der Nation noch der Rasse, des Staates oder einer Ideologie absolute Geltung über Men- schen beanspruchen darf. Das wäre eine Mahnung, die vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen wie der eu- ropäischen Geschichte für sich Verfassungsrang bean- spruchen kann. Jedoch verengt der Antrag der CDU/CSU-Fraktion den Gottesbezug auf die christlich-abendländische Aus- richtung und verkennt damit andere monotheistische und weitere Glaubenstraditionen in Europa. Er grenzt damit bewusst Religionen oder Weltanschauungen aus, die Eu- ropa eben auch politisch, kulturell und spirituell geprägt haben. Zum arideren fehlt es dem Antrag an der bei diesem Thema nötigen Sensibilität. Ein Gottesbezug stellt keine gemeinsame Verfassungstradition der jetzigen und zu- künftigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union dar. Nur wenige Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten ken- nen überhaupt einen Gottesbezug. Für andere Staaten ist hingegen der Laizismus sogar konstitutiv. Dieser gesam- ten Breite der Verfassungstraditionen ist bei den Ver- handlungen angemessen Rechnung zu tragen. Daher kann ich der Aufforderung des Antrags, die Bundesre- gierung möge zur Durchsetzung dieses Ziels alle ihr zur Verfügung stehenden Kräfte einsetzen, nicht zustimmen. Für die Rolle und Stellung der Religionen und Kir- chen sieht der europäische Verfassungsentwurf und die in ihm verankerte EU-Charta der Grundrechte erhebliche Verbesserungen vor. Dies ist im Vergleich zu den gelten- den europäischen Verträgen ein echter Substanzgewinn. Die vom Antrag geforderte rigorose Durchsetzung des Gottesbezuges könnte diesen wie andere wichtige Fort- schritte für die Demokratie in Europa, die Handlungsfä- higkeit der Europäischen Union und die Transparenz ihrer Politik gefährden. Ein Scheitern der Regierungs- konferenz an dieser Frage darf es daher nicht geben. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Kurt Bodewig, Ute Berg, Heidi Wright und Helga Kühn-Mengel (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung und den Bericht zu dem Antrag: Got- tesbezug im europäischen Verfassungsvertrag (Tagesordnungspunkt 3 b) Ich stimme dem Antrag auf Drucksache 15/1695 aus zwei Gründen nicht zu, obwohl auch ich einen Gottesbe- zug in der europäischen Verfassung, der sich nicht allein auf eine Religion oder Glaubensgemeinschaft bezieht, befürworte. Mit der Erwähnung Gottes in der Präambel der EU- Verfassung würde ein Maßstab für verantwortliches Handeln in Politik und Gesellschaft benannt. Der expli- zite Gottesbezug würde daran erinnern und sicherstellen, dass weder der Gedanke der Nation noch der Rasse, des Staates oder einer Ideologie absolute Geltung über Men- schen beanspruchen darf. Das wäre eine Mahnung, die vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen wie der eu- ropäischen Geschichte für sich Verfassungsrang bean- spruchen kann. Es fehlt dem Antrag an der bei diesem Thema nötigen Sensibilität. Ein Gottesbezug stellt keine gemeinsame Verfassungstradition der jetzigen und zukünftigen Mit- gliedstaaten der Europäischen Union dar. Nur wenige Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten kennen überhaupt einen Gottesbezug. Für andere Staaten ist hingegen der Laizismus sogar konstitutiv. Dieser gesamten Breite der Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7267 (A) (C) (B) (D) Verfassungstraditionen ist bei den Verhandlungen ange- messen Rechnung zu tragen. Daher kann ich der Auffor- derung des Antrags, die Bundesregierung möge zur Durchsetzung dieses Ziels alle ihr zur Verfügung stehen- den Kräfte einsetzen, nicht zustimmen. Für die Rolle und Stellung der Religionen und Kir- chen sieht der europäische Verfassungsentwurf und die in ihm verankerte EU-Charta der Grundrechte erheb- liche Verbesserungen vor. Dies ist im Vergleich zu den geltenden europäischen Verträgen ein echter Substanz- gewinn. Die vom Antrag geforderte rigorose Durchset- zung des Gottesbezuges könnte diesen wie andere wichtige Fortschritte für die Demokratie in Europa, die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union und die Transparenz ihrer Politik gefährden. Ein Scheitern der Regierungskonferenz an dieser Frage darf es daher nicht geben. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Rolf Stöckel (SPD) zur Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Gottesbezug im europäischen Verfassungsvertrag (Tagesord- nungspunkt 3 b) Ich lehne einen Gottesbezug in einer europäischen Verfassung ausdrücklich ab, da der Monotheismus nicht Teil einer gemeinsamen europäischen Werteordnung ist und sein kann. Abzulehnen ist auch die Privilegierung einzelner, be- stimmter Religionsgemeinschaften, die aus nationalem Recht in die europäischen Verfassung übernommen wer- den soll. Alle religions- und Weltanschauungsgemein- schaften sind gleichzustellen und gleich zu behandeln. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Vera Lengsfeld, Günter Nooke, Renate Blank, Bernd Neumann (Bre- men) und Dr. Peter Gauweiler (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Antisemitis- mus bekämpfen (Tagesordnungspunkt 3 b) Wir stimmen dem Antrag „Antisemitismus bekämp- fen“ zu. Wir halten den Antrag aber gemessen an seinem Punkt 1 für ausgewogen. Die Behauptung, dass antisemitische Ressentiments nicht nur bei Randgruppe sondern weit in die Gesell- schaft hinein spürbar seien, steht im Widerspruch zu der zutreffenden Feststellung im Antrag, dass „die große Mehrheit der Menschen in Deutschland“ den Antisemi- tismus entschieden ablehne. Warum an dieser Stelle nicht von „den Deutschen“, sondern von den „Menschen in Deutschland“ die Rede, ist auf den ersten Blick un- klar. Am bedenklichsten ist, dass der Begriff „Antisemi- tismus“ im Antrag zwar nicht definiert wird, dass er aber den Antizionismus“, seine ideologischen und politischen Motive, seine Vertreter und seine Sympathisanten von vornherein ausklammert. Eine 112-seitige EU-Studie, die weiterhin auf Betrei- ben der in Wien ansässigen Beobachtungsstelle für Ras- sismus und Xenophobie (EUMC) zurückgehalten wird, belegt, dass die Gruppen, die vor allem verantwortlich sind für die jüngsten Übergriffe auf jüdische Einrichtun- gen in Europa, vor allem aus jungen Zuwanderern beste- hen. Außerdem zeigt die EU-Studie, dass in Teilen der Linken und der Globalisierungsgegner antisemitische Stereotypen benutzt werden, um Israel zu diffamieren. Damit ist eine Grenze überschritten worden, von der in einem Antrag gegen den Antisemitismus die Rede sein müsste. Es gibt und gab in den letzten Jahren und Jahrzehnten auf der Seite der politischen Linken eine Mobilisierung gegen Israel, die oft demagogisch und nicht immer frei von Vorurteilen ist. Die Antragsteller hätten den Mut ha- ben müssen, diese unguten Tendenzen beim Namen zu nennen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Neue EU-Wert- papierdienstleistungsrichtlinie (Tagesordnungs- punkt 9) Stephan Hilsberg (SPD): In diesen innenpolitisch so bewegten Zeiten nehme ich gern die Gelegenheit wahr, mich zu einem gemeinsamen Antrag der Fraktio- nen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP zu äußern. Es gibt eben doch mehr Gemeinsam- keiten, als dies gelegentlich im Rahmen tagespolitischer Ereignisse und Meldungen den Anschein hat. Der Antrag zu dem Entwurf einer neuen EU-Wertpa- pierdienstleistungsrichtlinie befasst sich mit einem für einen einheitlichen europäischen Markt wesentlichen Segment der Finanzdienstleistung. Er ist eingebunden in die Bemühungen um die Schaffung eines einheitlichen europäischen Marktes für Finanzdienstleistungen. Es geht nicht zuletzt auch um die Position der EU im inter- nationalen Wettbewerb im Bereich der Finanzdienstleis- tungen. Die Vollendung und die Umsetzung des von der EU- Kommission aufgestellten Aktionsplans Finanzdienst- leistungen stellt einen fundamentalen Schritt hin zu ei- nem integrierten europäischen Finanzmarkt dar. Unter maßgeblicher deutscher Mitgestaltung sind bis heute 36 der 42 Maßnahmen des EU-Aktionsplans abgeschlos- sen. Dieses Ergebnis wird von allen Beteiligten zu Recht bereits jetzt als großer Erfolg bewertet. Der Aktionsplan Finanzdienstleistungen ist in die so genannte Lissabon- Strategie eingebunden. Hiernach soll die EU bis zum Jahr 2010 zur weltweit wettbewerbsstärksten wissensba- sierten Volkswirtschaft der Welt fortentwickelt werden. 7268 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 (A) (C) (B) (D) Der Bereich der Wertpapierdienstleistungen ist zwar mittels der fast zehn Jahre alten Wertpapierdienstleis- tungsrichtlinie bereits europaweit einheitlichen Regelun- gen unterworfen. Die seither an den Finanzmärkten statt- gefundenen rasanten Entwicklungen haben aber auch erneuten Regulierungs- und Reformbedarf für die recht- lichen Rahmenbedingungen des Wertpapierhandels deutlich gemacht. Die EU-Kommission hat daher im November 2002 einen Richtlinienvorschlag vorgelegt. Dieser sieht neben der Regulierung von Wertpapier- dienstleistungsunternehmen auch die Regulierung von Börsen sowie anderen Handelssystemen vor. Die Verhandlungen zu diesem Richtlinienentwurf sind unter großem Zeitdruck geführt worden und haben bereits am 7. Oktober einen vorläufigen Schlusspunkt mit der im Rahmen einer Ecofin-Tagung erzielten politi- schen Einigung gefunden. Dieser Zeitdruck resultiert zum einen aus der Notwendigkeit, möglichst schnell zu sachgerechten Regelungen für die EU-Mitgliedstaaten zu kommen. Zugleich ist er allerdings auch dadurch be- stimmt, dass im nächsten Jahr Neuwahlen zum Europäi- schen Parlamten stattfinden; soll es noch im kommenden Jahr zur Verabschiedung einer Richtlinie des Europäi- schen Parlaments und des Rates kommen, müssen wir bis spätestens Mai nächsten Jahres eine Lösung haben. Ungeachtet dieses Zeitdrucks sind die Beratungen von allen Beteiligten mit großem Ernst und Sorgfalt ge- führt worden; die deutsche Delegation hat mit großem Engagement aktiv an diesen Beratungen mitgewirkt. Die Diskussion zwischen den Mitgliedstaaten – nicht zuletzt anlässlich der Ecofin-Sitzung am 7. Oktober 2003 – und das Abstimmungsergebnis haben allerdings auch klar gezeigt, dass nicht alle Mitgliedstaaten den gefundenen Kompromiss mittragen wollten: Das Vereinigte König- reich, Irland, Luxemburg, Finnland und Schweden haben gegen den unter italienischer Präsidentschaft erarbeite- ten Kompromiss gestimmt. Die Bundesregierung hinge- gen hielt und hält den erzielten Kompromiss insgesamt für tragfähig und hat diesem daher auch zugestimmt. Die Beratungen über den Kommissionsentwurf haben sich im Wesentlichen schwerpunktmäßig auf drei The- menbereiche konzentriert, welche auch zutreffend in dem vorliegenden Antrag aller Fraktionen kommentiert sind. In den Jahren seit In-Kraft-Treten der ersten Wertpa- pierdienstleistungsrichtlinie haben sich rein bilaterale Handelssysteme entwickelt. So haben Wertpapierdienst- leistungsinstitute im Rahmen eines als „Internalisierung“ bezeichneten Verfahrens zunehmend Wertpapierorder für ihre Kunden nicht mehr an einem offenen, allgemein zugänglichen Marktplatz – der Börse – abgewickelt, sondern auf bankintern bilateralen Systemen gegen ihren eigenen Handelsbestand oder gegen andere Kundenor- ders ausgeführt. Die Betreiber dieser Systeme liefern den Anlegern geringere Transaktionskosten und eine besonders schnelle Abwicklung. Derartige Angebote können es dem Anleger reizvoll erscheinen lassen, seine Orders im Rahmen eines solchen Systems zu tätigen. Zugleich kön- nen sie auch belebend auf den Wettbewerb im Verhältnis zu den etablierten Märkten, sprich „Börsen“, wirken. Nicht zu verkennen ist allerdings die Gefahr, welche in der Fragmentierung der Wertpapiermärkte bei einem solchen Nebeneinander verschiedener Transaktionssys- teme besteht: Der Preisbildungsprozess, der bislang transparent über die Börsen ablief, könnte negativ beein- flusst werden; eine möglicherweise sinkende Markteffi- zienz träfe private und institutionelle Anleger, aber auch emittierende Unternehmen. Dieser Gefahr versucht der Richtlinienentwurf da- durch zu begegnen, dass er ein spezifisches aufsichts- rechtliches System für Internalisierungssysteme schafft, dessen zentrales Element die Herstellung von Transpa- renz – und zwar Vor- und Nachhandelstransparenz – auch für Internalisierer schafft. In diesem Ansatz sind sich Europäisches Parlament und Rat im Grunde einig; die Regelungen in den Entwürfen beider Institutionen hierzu können als gute Grundlage für die Erarbeitung ei- ner möglichst einvernehmlichen Lösung dienen. Allerdings ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass gerade an der zentralen Frage der „Internalisierung“ die Auseinandersetzungen sowohl in der Rats-Arbeits- gruppe als auch im Rahmen der Ecofin-Tagung am 7. Oktober kulminierten: Insbesondere das Vereinigte Königreich und Irland, aber auch die skandinavischen Länder sehen die im Kompromissvorschlag enthaltenen Regelungen als zu weit gehend an; sie befürchten eine Beeinträchtigung der Position ihrer Banken auf diesem Geschäftsfeld. Aus deutscher Sicht ist hingegen die ge- fundene Lösung im Grundsatz als Kompromiss tragfä- hig; da ein Kompromiss immer auch noch Wünsche of- fen lässt, wären auch aus deutscher Sicht noch Verbesserungen in den Formulierungen denkbar. Diese dürfen allerdings nicht zu einer Aufweichung der gefun- denen Regularien führen. Ausgeklammert bleiben soll- ten nach wie vor die Teile des Handels mit professionel- len Investoren, die regelmäßig speziellen bilateralen Vereinbarungen unterliegen, zum Beispiel der Telefon- handel; insoweit werden keinerlei Systeme vorgehalten. Ein weiterer Regelungsbereich der Richtlinie ist die mit dem Stichwort „best execution“ umrissene Ver- pflichtung zur bestmöglichen Ausführung von Kunden- aufträgen. In der Vergangenheit haben die im Einzelfall auftretenden Konflikte zwischen einzelnen Abteilungen von Wertpapierhäusern zu negativen Auswirkungen für Anleger geführt. Der Richtlinienentwurf soll derartigen Entwicklungen vorbeugen, indem er bestimmte Verfah- ren zur Ermittlung der bestmöglichen Ausführung vor- gibt. In diesem Kontext ist auch die Fallgestaltung zu se- hen, dass ein Anleger ausdrücklich und ausschließlich an einer Ausführung von Wertpapieraufträgen ohne Bera- tung interessiert ist (so genanntes Execution-only-busi- ness). Dies ist insbesondere in Deutschland ein weit ver- breitetes und gern praktiziertes Verfahren. Auch hierfür bietet der erzielte Kompromiss einen geeigneten Rah- men. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7269 (A) (C) (B) (D) Der ursprüngliche Entwurf der Kommission sah eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auch auf die Vermittlung von Investmentfondsanteilen vor. Diesem Ansatz hat das Europäische Parlament in seiner Stellungnahme im Rahmen einer ersten Lesung widersprochen. Der nunmehr erarbeitete Kompromiss sieht die Möglichkeit einer Ausnahmeregelung durch die Mitgliedstaaten vor – dies allerdings nur, soweit diese Vermittlungstätigkeit innerstaatlichen Regelungen unter- worfen ist. Das ist auch sinnvoll. In Deutschland unter- liegen Vermittler bereits heute einer Erlaubnispflicht nach § 34 c der Gewerbeordnung. Die nunmehr im Richtlinienvorschlag gefundene Lösung lässt es zu, im Gleichklang mit den derzeit zur Umsetzung anstehenden Vorschriften der EU-Versicherungsvermittler-Richtlinie Regelungen auch für Fondsvermittler zu schaffen. Die hier schwerpunktmäßig herausgegriffenen Ein- zelregelungen aus dem Entwurf einer Wertpapierdienst- leistungsrichtlinie werden sicher in den weiteren Ver- handlungen zur Schaffung eines gemeinsamen Entwurfs von Europäischem Parlament und Rat im Mittelpunkt stehen. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich aktiv darum zu bemühen, die in der politischen Einigung be- reits enthaltenen sachgerechten Lösungen im Sinne des vorliegenden Antrags zu verbessern. Der zeitliche Rahmen ist – wie bereits eingangs erläu- tert – recht eng. Die formale Verabschiedung des ge- meinsamen Standpunktes des Rates steht noch aus. Das Europäische Parlament geht davon aus, dass dieser so rechtzeitig vorliegt, dass die Abstimmung im hierfür zu- ständigen Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments Ende Februar erfolgen kann; eine Abstimmung im Plenum wäre dann Ende März möglich. Dies würde zumindest noch einen weiteren Monat als Verhandlungszeitraum zur Verfügung stellen, da Ende April 2004 die letzte reguläre Plenarsitzung des Europäischen Parlaments stattfinden wird. In der Abstimmung zur Politischen Einigung hat die weit überwiegende Mehrheit der Mitgliedstaaten ihr In- teresse am Zustandekommen einer sachgerechten Rege- lung dokumentiert. Ich gehe davon aus, dass es uns im gemeinsamen Bemühen mit dem Europäischen Parla- ment gelingen wird, einen Richtlinienentwurf noch rechtzeitig zu verabschieden. Unser Bestreben wird da- hin gehen, auch diejenigen Mitgliedstaaten einzubinden, die bislang ausweislich des Abstimmungsergebnisses noch abseits stehen. Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie der Kollege Pronold am 23. Ok- tober hier gestanden hat und uns ohne jede Detailkennt- nis fünf Minuten lang erzählt hat, unser Antrag sei we- gen Zeitablauf überflüssig. Von daher kann man Rot- Grün wenigstens eine gewisse Lernfähigkeit unterstel- len; denn inzwischen haben wir uns ja begrüßenswerter- weise auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt. Dieser enthält nach wie vor unsere Kernforderungen, sodass wir auch mit dieser abgespeckten Version gut leben können. Diese Kernpunkte betreffen die drei Hauptziele der neuen EU-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, mit der die Kommission eine weitere Stärkung der europäischen Finanzmarktintegration erreichen möchte: Erstens ist dies die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie. Hier sprechen wir uns ganz klar dafür aus, dass für nicht grenzüberschreitend tätige freie Finanz- dienstleister entsprechende Ausnahmeoptionen in der Richtlinie verankert und anschließend auch in Deutsch- land gezogen werden. Dies sichert den Marktzugang für kleinere Marktakteure, wodurch der Wettbewerb und schlussendlich der Verbraucherschutz gestärkt werden. Zweites Ziel der Richtlinie ist die Stärkung des Anle- gerschutzes durch eine Garantie der bestmöglichen Order- ausführung. Diese sollte jedoch auf eine Implementierung geeigneter Verfahren zur Ermittlung der bestmöglichen Ausführung, zum Beispiel durch die Definition von Mindeststandards, beschränkt werden. Eine einzelfallbe- zogene Sicherstellung einer „best execution“ ist weder tatsächlich möglich noch aufsichtsrechtlich zu überwa- chen. Zudem müssen europäische Regelungen nationa- len Marktstrukturen Rechnung tragen. Die in Deutsch- land übliche Ausführung von Wertpapieraufträgen ohne Beratung der Kunden muss weiterhin möglich bleiben. Drittes Ziel der Richtlinie ist die Sicherung der Markt- effizienz durch eine Harmonisierung der Anforderungen an unterschiedliche Handelssysteme. Der Hintergrund dieses dritten Ziels ist die zuneh- mende Fragmentierung der Wertpapiermärkte. Diese ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Banken und Wertpapierdienstleistungsunternehmen verstärkt Wert- papieraufträge von Kunden nicht an Börsen weiterleiten, sondern auf institutsinternen, bilateralen Systemen ge- gen eigenen Handelsbestand bzw. gegen andere Kunden- aufträge ausführen. Diese so genannte Internalisierung ist zunächst für Anbieter und Kunden attraktiv. Die Bank kann mit einer erhöhten Kundenbindung, höheren Erträ- gen aus der Ausnutzung des Spreads sowie der Einspa- rung von Börsengebühren rechnen. Der Kunde kann sei- nerseits mit einer Preisstellung rechnen, die mindestens so gut ist wie der Referenzpreis an der Börse und er kann sich gleichzeitig über niedrigere Transaktionskosten freuen. Für die Effizienz des Gesamtmarktes kann eine über- mäßige Ausweitung der Internalisierung jedoch negative Folgen haben, wenn den Börsen zu viel Liquidität entzo- gen wird. Dieses Absinken der Markteffizienz würde sich dann in Form einer Qualitätsverschlechterung der Referenzpreise, die an der Börse erzielt werden, wider- spiegeln. Eine solche Verschlechterung würde wiederum auch die Anbieter, vor allem aber die Kunden von Inter- nalisierungssystemen treffen. Die Anleger wären im Endeffekt im Internalisierungssystem – trotz der geschil- derten Vorteile dieses Verfahrens – insgesamt schlechter gestellt als bei einer üblichen Börsenabwicklung. Da nicht nur die Anleger, sondern auch emittierende Unter- nehmen in Form höherer Kapitalkosten von einem über- mäßigen Liquiditätsentzug der Börsen betroffen wären, gilt es, Vorkehrungen zu treffen – Vorkehrungen, welche die Interessen der Wertpapierdienstleistungsinstitute und Banken mit denen des Gesamtmarkts und der Börsen in Einklang bringt. 7270 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 (A) (C) (B) (D) Nach unserer festen Überzeugung ist die grundle- gende Voraussetzung für diesen Interessenausgleich von Börsen und Internalisierungssystemen die Schaffung von Transparenz bei der Internalisierung – vor und nach einer Transaktion. Deshalb fordern wir die Erfassung solcher Systeme, wir fordern hohe Transparenz im Vor- und Nachhandelsbereich. Wir fordern sachgerechte Quo- tierungsverpflichtungen und die Einschränkung der Möglichkeit zur Preisnachbesserung. Wir fordern die Veröffentlichung von Geld- und Briefkursen der Interna- lisierungssysteme und wir fordern die umgehende Wei- terleitung von nicht im Internalisierungssystem ausführ- baren Limit-Orders an den Markt. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit diesem Forde- rungskatalog gleiche Wettbewerbschancen für Börsen und außerbörsliche Handelssysteme schaffen. Diese Chancengleichheit muss zudem durch eine europaweit koordinierte Regulierung auch zwischen den einzelnen Finanzplätzen gelten. Wir geben mit diesem Antrag der Bundesregierung eine wichtige und richtige Argumentationsgrundlage für die anstehenden entscheidenden Verhandlungen auf eu- ropäischer Ebene und sind voll im Einklang mit unseren Kollegen im Europäischen Parlament. Damit trägt der Deutsche Bundestag auf Initiative der CDU/CSU-Frak- tion erneut zur Stärkung des Finanzplatzes im europa- und weltweiten Wettbewerb bei. Georg Fahrenschon (CDU/CSU): Die neue EU- Wertpapierdienstleistungsrichtlinie – Investment Ser- vices Directive, ISD – ist einer der letzten zentralen Ge- setzgebungsakt zur Realisierung des Financial Services Action Plans, FSAP, den europäischen Aktionsplan für Finanzdienstleistungen. Mit diesem Aktionsplan will die Europäische Kommission den einheitlichen EU-Finanz- dienstleistungsbinnenmarkt bis 2005 vollenden. Bis heute wurde bereits ein umfassender Teil der Finanz- marktgesetzgebung auf europäischer Ebene harmoni- siert. Mit der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie geht der Aktionsplan jetzt auf die Zielgerade. Die Verhandlungen auf europäischer wie auch auf bundespolitischer Ebene haben insbesondere bei dieser Richtlinie wieder einmal verdeutlicht, wie schwierig es ist, unterschiedliche europäische Marktphilosophien und Börsentraditionen zusammenzuführen. Hauptstreitpunkt dabei war und ist – auf Ebene des Europäischen Parla- ments immer noch – die Konkurrenz zwischen dem kontinentaleuropäischen Börsenmodell beispielsweise Deutschlands oder Frankreichs und dem hausinternen Handelssystem der Investmentbanken, wie es zum Bei- spiel in Großbritannien gilt. Diese beiden Systeme auf europäischer Ebene koexis- tieren zu lassen und einen fairen Wettbewerb zu ermögli- chen sowie gleichzeitig die Interessen der Anleger zu schützen ist eine schwierige Aufgabe – nicht zuletzt an- gesichts der hohen Summen, die tagtäglich auf den euro- päischen Handelsplätzen umgesetzt werden, und des großen Einflusses der Finanzmärkte auf die deutsche, die europäische und auf die weltweite Wirtschaft. Mit dem vorliegenden interfraktionellen Entschlie- ßungsantrag, der jetzt – endlich auf der Grundlage eines Vorschlages der Union gemeinsam mit den anderen Fraktionen erarbeitet wurde, weisen wir auf europäi- scher Ebene in die richtige Richtung. Wir gehen einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung des EU-Finanzdienstleistungsbinnenmarktes. Ziel ist es, rechtliche Rahmenbedingungen für einen transparenten und funktionsfähigen Wettbewerb zwi- schen den EU-Börsen zu schaffen. Dies ist – vor allem auch im Hinblick auf den internationalen Wettbewerb zwischen den Börsen und Handelsplätzen dieser Welt – nicht nur wichtig, sondern unbedingt notwendig. Denn die Börsen gewinnen auch im täglichen Leben des Nor- malbürgers zunehmend an Bedeutung. Jeden Tag werden enorme Summen an den Börsen dieser Welt umgesetzt – und dies nicht nur von Großspekulanten und Profis, son- dern in zunehmendem Maße auch von kleinen und priva- ten Anlegern. Wollen die europäischen Börsen im globalen Ver- gleich mit Wall Street und Tokio bestehen, dürfen unhar- monische, innereuropäische Regelungen und Gesetze den Handel nicht unnötig bremsen oder gar blockieren. Denn die europäischen Börsen wirken in zunehmendem Maße wie kommunizierende Röhren, werden voneinan- der immer abhängiger. Wird in der London Stock Exchange ein Knopf gedrückt, spürt man in Frankfurt die Wirkung und umgekehrt. André Kostolany hat dies einmal so ausgedrückt: „Die Börse ist ein Reich wie das des Kaisers Karl V., in dem die Sonne nie untergeht. Keine Börse ist der ande- ren gleich. Wenn die europäischen Börsen ihre Pforten schließen, wacht New York auf. Zu der Stunde, wo in Amerika Nacht ist und die Wall Street sich zur Ruhe be- gibt, empfängt die Börse in Tokio am anderen Ende der Welt die Menschenmenge, die sich täglich über sie er- gießt. Nach Hongkong folgen Singapur, Sydney, Taiwan, dann Bombay, und am frühen Morgen übernehmen Tel Aviv und Athen die Schicht; dann Mailand, auch Ma- drid, und zu gleicher Zeit Frankfurt, Paris und London. Einige Stunden später kommt wieder Wall Street, und so ist der Kreis der 24 Stunden geschlossen.“ Diese Beschreibung verdeutlicht in bildhaften Worten die Komplexität des weltweiten Börsenhandels. Sie ver- deutlicht die globale Vernetzung der Handelsplätze auf einer rein zeitlichen Ebene. Und man muss kein Börsen- profi wie Kostolany sein, um zu erkennen, dass nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang zwischen den Börsen be- steht. Um einen fairen Wettbewerb auf europäischem und schließlich auch auf globalem Börsenbankett zu ermög- lichen, ist es wichtig, harmonische Regelungen und Transparenz zu schaffen. Dies ist in etwa vergleichbar mit einem Spiel. Halten sich alle am Tisch sitzenden Spieler an die Regeln, weil sie transparent und offen da- liegen und einem jeden leicht zugänglich sind, wird es ein faires Spiel sein, bei dem jeder die gleichen Chancen hat zu gewinnen. Spielt jeder nach seinen eigenen Re- geln, stockt das Spiel, bringt es für keinen Spieler einen guten Ausgang. Dass das Spiel nicht ins Stocken gerät, Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7271 (A) (C) (B) (D) ist in unser aller Interesse, denn: Das Spiel an der Börse bewegt das Kapital und damit auch unsere Wirtschaft. Die neue EU-Wertpapierdienstleistungrichtlinie passt sich an die Bedürfnisse und Realitäten der Finanzmärkte an und wahrt die Interessen aller Marktteilnehmer, vor allem auch die der nicht professionellen Anleger. Sie schafft ein „level playing field“ zwischen Börsen und außerbörslichen Handelssystemen einschließlich bilate- raler Internalisierungssysteme. In einer gemeinsamen Anstrengung aller Fraktionen ist es uns nun gerade noch rechtzeitig gelungen, das Vo- tum des Deutschen Bundestages auf europäischer Ebene in die Debatte einzubringen und an diesem Punkt auch die bisherige Verhandlungsposition der Bundesregierung ausdrücklich zu unterstützen. Ich betonte hier ausdrück- lich: gerade noch rechtzeitig! Denn es war wieder einmal fast zu spät. Um die Interessen der deutschen Volkswirtschaft auf europäischer Ebene vertreten zu wissen, ist es unbedingt nötig, dass wir schneller, flexibler und vor allem zeitna- her auf Berichte der Kommission reagieren und auch die Festlegung der Bundesregierung im Europäischen Rat aktiver verfolgen. Das ist eine unserer Hausaufgaben für die Zukunft. Hubert Ulrich (BÜNDNIS90/ DIE GRÜNEN): Wir beraten heute den interfraktionellen Antrag zur EU- Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, den ich ausdrücklich unterstütze. Er ist für die Schaffung eines integrierten europäischen Finanzbinnenmarktes und für die Harmo- nisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen in der EU von großer Bedeutung. Wir unternehmen darin die not- wendigen Schritte, um die Markteffizienz zu wahren und den Anlegerschutz zu sichern. Gerade in Hinblick auf die Harmonisierung der An- forderungen für Orderausführungsplätze hat Deutsch- land in den Verhandlungen eine wichtige Mittlerrolle eingenommen. Denn da gab es auf der einen Seite die Südschiene, wie zum Beispiel Frankreich und Italien, in denen der außerbörsliche Handel verboten war, und der wie Großbritannien, wo es zuvor keine Einschränkung gab. Ich meine, dass die Etablierung der Vor- und Nach- handelstransparenz eine gute Kompromisslösung ist, die die Internalisierung nicht verbietet, aber die Gefahr der negativen Folgen für den Preisbildungsprozess abge- wendet wird. Auch im Rahmen der Harmonisierung der Anforde- rungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen und der Sicherung des Anlegerschutzes fahren wir gut damit, dass im Rahmen der „Best-Execution“ Mindeststandards definiert werden, aber auf eine Maximalharmonisierung der Wohlverhaltensregeln im Privatkundenbereich ver- zichtet wird. Besonders begrüße ich, dass die Richtlinie nicht auf die Fondsvermittler ausgeweitet wird. Bei einer Einbe- ziehung wären zu hohe Anforderungen an die Fondsver- mittler gestellt worden. Denn bei der Vermittlertätigkeit steht die Informationsübermittlung und der Fondsbetrieb von Finanzprodukten im Vordergrund, während es bei der Wertpapierdienstleistungrichtlinie vor allem auf Ent- gegennahme, Ausführung und Abwicklung von Wertpa- pieraufträgen geht. So konnten wir in Deutschland circa 250 000 Arbeitsplätze retten. Insgesamt ist es vorbildhaft, dass sich bei einem so wichtigen Thema wie der Richtlinie über Wertpapier- dienstleistungen die Vertreter aller Fraktionen zusam- mengesetzt, sachorientiert diskutiert und einen tragfähi- gen Kompromiss erarbeitet haben. Gerade die Kollegen aus Union und FDP könnten aus dieser Zusammenarbeit lernen und in Zukunft, wenn es um andere Themen geht, nicht mehr aus parteitaktischen Gründen Gesetzesvorha- ben blockieren, sondern sich ein Beispiel an dieser kon- struktiven Zusammenarbeit nehmen und in Zukunft im Sinne Deutschlands handeln. Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Zunächst möchte ich mich dafür bedanken, dass wir im Parlament zum einen zu dieser Diskussion gekommen sind und zum anderen zu einer gemeinsamen Haltung in dieser für die Kapital- anleger und Finanzdienstleister wichtige Frage gefunden haben. Dabei werte ich die aus allen Fraktionen ein- geholten Verbesserungs- und Ergänzungsvorschläge zum Ursprungsantrag der Union als ein positives Signal konstruktiver Zusammenarbeit. Die fruchtbare Beratung sollte uns Parlamentarier ermuntern, die Gesetzgebung auf europäischer Ebene noch intensiver und vor allem rechtzeitiger zu begleiten, als wir es bislang tun. Die FDP unterstützt den vorliegenden Antrag aus zwei maßgeblichen Gründen. Zum einen ist der Antrag ein konstruktiver Beitrag zur längst überfälligen Novel- lierung der fast zehn Jahre alten Wertpapierdienstleis- tungsrichtlinie, der der Bundesregierung einen deutli- chen Auftrag zum politischen Handeln aufzeigt. Zum anderen unterstützen wir ausdrücklich die Zielsetzung des Antrages: Verbesserung des Anlegerschutzes, Ge- währleistung der weiteren Tätigkeit der Wertpapierhäu- ser und ein deutliches Signal für eine weitere Harmoni- sierung in Europa hin zu mehr Wettbewerb und Effizienz in diesem wichtigen Wachstumsmarkt. Ich möchte jedoch, ohne unsere Zustimmung infrage zu stellen, für die Zukunft zwei Fragen aufwerfen. Ers- tens. Wir müssen sehr genau beobachten, inwieweit die – wie im Antrag geforderte – „umfassende Vor- und Nachhandelstranparenz“ dazu führen wird, dass mit die- ser Formulierung auch eine Art Kontrahierungszwang für preissetzende Banken verbunden sein könnte, sodass diese Transparenz letztendlich zu einem Standortnachteil in Europa wird – zum einen für die privaten Anleger und zum anderen gerade auch für den Handel mit großen Pa- keten. Zweitens. Wir müssen – nicht nur an diesem Beispiel – vertiefender darüber diskutieren, in welchem Umfang die europäische Harmonisierung vorangebracht werden soll. Dies ist immer ein schwieriger Prozess. Mit den Usancen, die sich in den jeweiligen Mitgliedstaaten über lange Zeit herausgebildet haben, muss oftmals gebro- chen werden. Europa wird aber in der globalisierten Welt nur bestehen können – und darin liegt auch unsere Chance –, wenn wir durch weitgehende Rechtsharmoni- sierung und damit Rechtssicherheit einen chancenge- rechten Wachstumsmarkt in Europa schaffen. 7272 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 (A) (C) (B) (D) Dieser Antrag und letztendlich die Umsetzung der EU-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie werden hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Tagespflege als Bau- stein zum bedarfsgerechten Kinderbetreuungs- angebot – Bessere Rahmenbedingungen für Ta- gesmütter und -väter, Eltern und Kinder (Tagesordnungspunkt 13) Caren Marks (SPD): Die Balance von Familien- und Erwerbsarbeit gehört zu den vorrangigen familienpoliti- schen Zielen der Bundesregierung in dieser Legislatur- periode. Die SPD legt dabei den Schwerpunkt auf den Ausbau qualitativ hochwertiger, bedarfsdeckender und zeitlich flexibler Bildungs- und Betreuungseinrichtun- gen, um unserem Ziel einer kinder- und familienfreund- lichen Gesellschaft näher zu kommen. Der bedarfsge- rechte Ausbau der Kinderbetreuung spielt eine herausragende Rolle, da insbesondere in den westlichen Bundesländern noch erhebliche Lücken im Betreuungs- angebot bestehen. In den westlichen Bundesländern liegt der Versorgungsgrad bei unter Dreijährigen lediglich bei 2,8 Prozent, in den östlichen bei 36,3 Prozent. Die Zahl der Kinderbetreuungsplätze für über 6-Jährige verhält sich mit 5,9 Prozent (alte Bundesländer) und 47,7 Pro- zent (neue Bundesländer) nur unerheblich besser. Nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes ist dieSchaffung und Finanzierung von Angeboten der Ta- gesbetreuung Aufgabe der kommunalen Gebietskörper- schaften auf der Grundlage des Achten Buches Sozialge- setzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) – und der Kindertagesstättengesetze der Länder. Die Kreise und Städte werden dabei im Rahmen kommunaler Selbstverwaltung tätig und unterliegen der Rechtsauf- sicht der zuständigen Landesbehörden. Der Bund hat nur begrenzt Möglichkeiten, ihnen Weisungen zu erteilen oder in sonstiger Weise auf ihre Entscheidungen Einfluss zu nehmen, dies gilt auchinsbesondere für den schuli- schen Bereich, der den Kultusministerien der Länder ob- liegt. Aber fehlende Zuständigkeit ist für uns kein Grund für Untätigkeit. Die Regierung beteiligt sich daher am Aus- bau der Tagesbetreuung durch die Weiterentwicklung der gesetzlichen Grundlagen im Achten Buch Sozialgesetz- buch durch Finanzhilfen für Länder und Kommunen so- wie durch Modellprojekte. So wurde am 12. Mai 2003 die Bund-Länder-Vereinbarung zum Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen unterzeichnet (Investitionspro- gramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“). Den Län- dern und Kommunen werden bis 2007 insgesamt 4 Milli- arden Euro als Finanzhilfe zur Verfügung gestellt. Wir arbeiten an einem spürbaren Ausbau der Betreu- ung im Elementarbereich, in erster Linie bei den Kindern unter drei Jahren. Daher wird die Bundesregierung als zentrales Projekt in dieser Legislaturperiode das Angebot in der Tagesbetreuung bedarfsgerecht ausbauen und da- für eine gesetzliche Regelung schaffen. Ein vielfältiges und qualifiziertes Angebot ist neben dem Ausbau von Ta- geseinrichtungen aber ohne eine Erweiterung der Tages- pflege durch Tagesmütter und Tagesväter nicht zu leisten. Der FDP-Antrag enthält durchaus richtige Ansätze. Wir begrüßen ausdrücklich, dass das Thema Bildung und Betreuung auch bei der Opposition angekommen ist. Der Antrag fokussiert sich allerdings zu einseitig auf die Tagespflege und übersieht die zahlreichen Maßnahmen, die die rot-grüne Koalition auf diesem Gebiet bereits ini- tiiert hat und gleichwertig neben alternativen Kinderbe- treuungsmöglichkeiten auch in der Zukunft unterstützen wird. Eltern brauchen eine Vielfalt an Betreuungsmög- lichkeiten; sie wollen keine Einheitslösung, sondern Al- ternativen, aus denen sie das für sie passende Angebot aussuchen können. Eine erste Verbesserung für die Ta- gespflege wurde so mit der Umsetzung des Hartz-Kon- zeptes erreicht, in dem Kinderbetreuung in die Liste der geförderten Tätigkeiten im Bereich haushaltsnaher Dienstleistungen aufgenommen wurde. Der Antrag vernachlässigt ebenso, dass die Tages- pflege in die Zuständigkeit der Kommunen fällt, das heißt die Einflussmöglichkeiten des Bundes begrenzt sind. Zur Finanzierung dieser Aufgabe werden den Kom- munen Einspargewinne verbleiben, die durch die Zusam- menlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe entste- hen. Ab 2005 sollen davon 1,5 Milliarden Euro jährlich für den Betreuungsausbau der unter 3-Jährigen verwen- det werden. Die rechtlichen Grundlagen der Finanzie- rung werden in Art. 29 und 30 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt geschaffen. Hier appelliere ich eindringlich an die Opposition, die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe im Vermittlungsausschuss nicht scheitern zu lassen. Hervorzuheben ist, dass eine gute Kinderbetreuung wirtschaftliche und finanzielle Vorteile für eine Kom- mune bietet. Gute Bildungs- und Betreuungsangebote sind Wettbewerbs- bzw. Standortvorteile. Deutschland liegt bei der Betreuung aller Altersgruppen im interna- tionalen Vergleich deutlich zurück. Darin begründet sich auch die international vergleichbar niedrigere Erwerbs- tätigkeit von Frauen mit Kindern. Betonen möchte ich, dass dies im Wesentlichen auf die eklatante Vernachläs- sigung dieses Bereichs durch die damalige CDU/CSU- FDP-Regierung zurückzuführen ist. 16 Jahre wurde die gesellschafts-, sozial- und wirtschaftspolitische Bedeu- tung der qualitativen und quantitativen Kinderbetreuung in ihrer Regierungszeit ignoriert, meine Damen und Her- ren von der Opposition. Der Ausbau der Kinderbetreuung soll ab 2005 schritt- weise bis 2010 erreicht werden. In Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden wird es keine starre Ver- sorgungsquote pro Kommune oder Bundesland geben. Die Bundesregierung strebt Zielvereinbarungen mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden an, die einen an Kriterien orientierten bedarfsgerechten Ausbau qualifizierter Angebote und die Umwidmung frei- werdender Kindergartenplätze für Kinder unter drei Jah- ren regelt. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7273 (A) (C) (B) (D) Die Vereinbarungen werden die gesetzliche Regelung begleiten, die im Achten Buch Sozialgesetzbuch – Kin- der- und Jugendhilfe (SGB VIII) – aufgenommen wird. Schon heute gibt es dort – neben dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder ab drei Jahren – die Verpflichtung, für Kinder auch anderer Altersgrup- pen ein bedarfsgerechtes Angebot vorzuhalten (§ 24 Satz 2 SGB VIII). Diese Vorhaltepflicht wird durch die Beschreibung von Ausbauschritten konkretisiert. Im Zeithorizont bis 2010 sollen für die in Kommunen ermit- telten Bedarfe Betreuungsangebote vorhanden sein. Da- neben wird die gesetzliche Regelung über die Tages- pflege (§ 23 SGB VIII) mit dem Ziel geändert, die Fachkräfte der Tagespflege zu qualifizieren und sie zu einem gleichwertigen Angebot für Kinder unter drei Jah- ren auszubauen. Die Tagespflege wird in den nächsten Jahren an Be- deutung deutlich gewinnen. Das heißt aber auch, dass sich manche Länder und Kommunen mehr bewegen müssen als bisher. Wir erwarten, dass die Tagespflege auf eine sichere gesetzliche Grundlage gestellt wird. Sie- ben Bundesländer haben die Tagespflege in ihren Aus- führungsgesetzen zum KJHG berücksichtigt; in neun Länder ist das noch nicht der Fall. Die Tagespflege muss ein selbstverständlicher Teil der Jugendhilfeplanung werden. Internationale Untersuchungen zeigen, dass die Be- treuungsqualität deutlich steigt, wenn Tagesmütter regis- triert sind, einen Austausch mit Kolleginnen haben und fachlich beraten und betreut werden. Unsere Regierung unterstützt die Qualitätsentwick- lung in der Tagespflege durch wissenschaftliche Unter- suchungen und Projekte. Einen großen Schritt hin zu einheitlichen Ausbildungsstandards für Tagesmütter und -väter stellt das neue Curriculum „Qualifizierung in der Kindertagespflege“ dar, welches vom Deutschen Ju- gendinstitut im Regierungsauftrag erstellt wurde und Erkenntnisse aus vielen Wissenschaftszweigen, wie Ent- wicklungspsychologie über Kleinkindpädagogik berück- sichtigt. Es wird bereits von vielen Fortbildungsträgern erfolgreich eingesetzt. Es verwundert mich jedoch, dass wir gerade von der FDP einen Antrag zur Tagespflege für eine bedarfsge- rechte Kinderbetreuung zu beraten haben. In Hamburg, wo die FDP Regierungsverantwortung im mittlerweile gescheiterten Mitte-Rechts-Senat hatte, ist sie im Be- reich Bildung und Betreuung kläglich gescheitert. Der FDP-Bildungssenator Lange musste auf Grund seiner mangelnden Kompetenz in der Vermittlung von Kinder- betreuungsplätzen zurücktreten. Senator Lange stand seit Monaten wegen des von ihm eingeführten Gut- scheinsystems für Kindertagesstätten und der Defizite bei der Finanzierung der Kinderbetreuung in der Kritik. Lange hinterlässt in seinem Hamburger Bildungsressort eine Finanzlücke von circa 18 Millionen Euro und Tau- sende geprellter Eltern, die vergeblich auf eine Betreu- ung für ihre Kinder gewartet haben. Das von der SPD initiierte Volksbegehren der Initia- tive „mehr Zeit für Kinder“ sammelte innerhalb von 14 Tagen knapp 170 000 Unterschriften. Zur Abstim- mung steht ein neues Kita-Gesetz, für das mindestens ein Fünftel der Wahlberechtigten von Hamburg votieren müssen, damit der Volksentscheid erfolgreich wird. Ein Kernpunkt ist die Ausweitung des Rechtsanspruches für den Kindergartenbesuch der Drei- bis Sechsjährigen von vier auf fünf Stunden. Auf kommunaler Ebene bauen wir seit Herbst 2003 „Lokale Bündnisse für Familien“ auf, die unter Beteili- gung gesellschaftlich wichtiger Partner, insbesondere der Wirtschaft, der Gewerkschaften, aber auch sozialer Verbände, die Rahmenbedingungen für Familien verbes- sern helfen und unter anderem den Ausbau einer guten Kinderbetreuung begleiten werden. Ebenso benötigen wir eine umfassende Weiterentwicklung des Bildungsan- gebotes, das heißt eine Steigerung der Bildungsqualität in der frühkindlichen Erziehung. Wir verfolgen eine län- derübergreifende Verständigung über Bildungsstandards für Kindertageseinrichtungen und fördern Maßnahmen zur Erstellung von nationalen Qualitäts- und Bildungs- standards. Der Ausbau qualifizierter Betreuungsangebote bedeu- tet zusammengefasst: bessere Balance von Familien- und Erwerbsarbeit, mehr Bildung, gemeinsame Verant- wortung für Erziehung, eine höhere Frauenerwerbstätig- keit und mehr Wirtschaftskraft. Die SPD-Politik stärkt die Kooperation und Kommunikation zwischen Bund, Ländern, Kommunen, Eltern, Kitas, Schulen, Wirtschaft und sozialen Verbänden, um ein kinder- und familien- freundlicheres Klima in unserem Land zu schaffen. Die von uns erfolgreich initiierte „Allianz für die Familie“ ist gesellschaftlich breit verankert, Familienpolitik ist Zu- kunftspolitik. Ingrid Fischbach (CDU/CSU): Familienpolitik ist in aller Munde. Parteiübergreifend wird festgestellt, dass neben der Familienförderung auch ein entsprechendes Angebot an Kinderbetreuungsplätzen vorhanden sein muss. Die Notwendigkeit wird von niemandem bestrit- ten, der Ausbau der Betreuungsplätze steht oben auf der Prioritätenliste. Deutschland gehört im europäischen Vergleich zu den Ländern, in denen das Betreuungsangebot von Kindern insgesamt, insbesondere jedoch der unter Dreijährigen, nur unzureichend vorhanden und ausgebaut ist. Auch ein deutliches Gefälle zwischen dem Versorgungsgrad der neuen, Versorgungsgrad 36 Prozent, zu den alten Bun- desländern, Versorgungsgrad 2,8 Prozent, macht auf das Problem aufmerksam. Eine Möglichkeit, zusätzliche Betreuungsplätze zu gewinnen, besteht durch den Ausbau der Tagespflege als qualifiziertes Angebot der Erziehung, Bildung und Be- treuung von Kindern. Die Tagespflege ist in der Bundesrepublik Deutsch- land – besonders in den alten Bundesländern – seit vie- len Jahrzehnten eine bewährte und anerkannte Betreu- ungsform für Kinder. Sie ist eine familiäre Form der Kinderbetreuung, welche die elterliche Erziehung er- gänzt. 7274 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 (A) (C) (B) (D) In den letzten Jahren gewann die Tagespflege immer mehr an Bedeutung. Aufgrund der flexiblen Betreuungs- zeiten trägt sie dazu bei, dass Eltern, insbesondere allein erziehende Elternteile, Familie und Erwerbstätigkeit besser miteinander vereinbaren können. Beispiele sind die Krankenschwestern oder Busfahrerinnen, die – trotz Krippen-, Kindergarten- oder Hortplatz – aufgrund ihrer besonderen Arbeitszeiten, – nachts, frühmorgens, am Wochenende – eine ergänzende Kinderbetreuung brau- chen. Hier zeigt sich gerade ein besonderer Vorteil der Tagespflege: die flexible Betreuungszeit. Für die Eltern des Tagespflegekindes ist diese Betreu- ungssituation überschaubar und verbindlich. Es gibt in der Regel nur eine Betreuungsperson, die für die Eltern Ansprechpartner ist. Sie ist grundsätzlich in der Lage, auf die Wünsche der Eltern einzugehen, zum Beispiel in Bezug auf die Erziehung des Kindes und die Betreu- ungszeiten. Insbesondere bei unregelmäßigen Betreu- ungszeiten oder einem Betreuungsbedarf außerhalb der Öffnungszeiten von Kindertageseinrichtungen sowie bei gesundheitlicher Beeinträchtigung des Kindes, wenn zum Beispiel eine besondere Diät oder Pflege nötig ist, schätzen Eltern die Tagespflege sehr. Für die Arbeit der Tagespflegepersonen bildet die fle- xiblere Gestaltungsmöglichkeit der zeitlichen Einteilung und der pädagogischen Arbeit eine wichtige Rahmenbe- dingung. Auch die individuellen Ausgestaltungsmög- lichkeiten, wie zum Beispiel das Treffen bestimmter Er- ziehungsabsprachen zwischen der Tagesfamilie und den Eltern, sind Kennzeichen der Arbeitsbedingungen in der Tagespflege. Tagespflegepersonen haben den Auftrag, Kinder in ihrer Entwicklung und Bildung zu fördern. Gerade für Kinder unter drei Jahren ist nach entwicklungspsycholo- gischen Erkenntnissen die Erziehung durch eine Tages- pflegeperson förderlich. Die kontinuierliche Beziehung durch eine/n Tagesmutter/-vater eröffnet dem Kind mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung nach individuellen Er- fordernissen. Das Wohl des Kindes sollte immer im Mit- telpunkt stehen. Durch Betreuung, Bildung und Erziehung ist die För- derung der Entwicklung der Tageskinder zu eigenständi- gen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu leis- ten. Für die pädagogische Praxis ist es erforderlich, dass Tagespflegepersonen sich darüber bewusst sind, welches Bildungsangebot zeitgemäß und für Kinder wichtig ist und wie sie als Tagesmutter/Tagesvater die Kinder in ih- ren Bildungsprozessen unterstützen können. Dieser An- spruch kann nur über die Qualifizierung der Tagespfle- gepersonen geleistet werden. Notwendig ist eine Verbesserung der Rahmenbedin- gungen der Tagespflege insgesamt, speziell wünsche ich mir erst einmal eine einheitliche Bewertung der Beschäf- tigungssituation der Tagesmütter. Deshalb freue ich mich sehr, dass wir heute die Möglichkeit haben, uns in ersten Lesung mit dem Bereich der Tagespflege zu be- schäftigen. Obgleich die Kindertagespflege in § 23 SGB VIII als gleichrangiges Angebot der Kindertagesbetreuung neben institutioneilen Angeboten verankert ist und diese zum Teil auch öffentlich vermittelt und gefördert wird, be- steht ein großer Teil der Tagespflege aus privat organi- sierten Betreuungsverhältnissen. Vor diesem Hintergrund ist die Situation bezüglich der Mindeststandards in der Tagespflege sowie die Bera- tung über Tagespflege sowohl für Tagesmütter und -vä- ter als auch für betroffene Familien teilweise unbefriedi- gend. Eine Qualifizierung von Tagespflegepersonen ist bis- lang nicht obligatorisch, sondern wird lediglich empfoh- len. Außerdem gelten die Rahmenbedingungen für Ta- gesmütter und -väter beispielsweise in Bezug auf Sozialversicherung und Besteuerung in mancher Hin- sicht als zu kompliziert, uneinheitlich und zu bürokra- tisch. Dies ist leider so: Die Situation der Tagespflege ist durch die bundesweit unterschiedlichen Regelungen in Bezug auf Qualifizierung, Finanzierung, Fachberatung und Vermittlung sowohl für die Familien als auch die Tagespflegepersonen unbefriedigend. Deshalb ist es für die Tagespflege dringend notwendig, einheitliche Rah- menbedingungen zu schaffen, die die Tagespflege als gleichwertige, flexible Form neben den institutionellen Betreuungseinrichtungen weiter etabliert und stärkt. Da- rin sind wir uns einig. Wir sind uns auch einig, dass die geltende Rechtslage mehr verwirrt als Aufklärung und Rechtssicherheit ver- mittelt, im Gegenteil. Ist die Tagesmutter selbstständig tätig oder liegt ein Arbeitsverhältnis vor? Kann sie eine Ich-AG gründen? Was muss sie beachten: Muss sie eine zusätzliche Krankenversicherung haben oder reicht die Familienversicherung? Welche Steuern muss sie worauf zahlen, was ist steuerfrei? Die Liste ließe sich endlos verlängern. Praxisberichte zeigen, dass sehr unterschiedliche Aussagen zur Sozialversicherungspflicht und zu Steuer- fragen existieren. Es kann nicht sein, dass Tagesmütter, je nach Sichtweise und Interpretation des Sachbearbei- ters der Krankenkasse, Rentenversicherungsanstalt oder auch des Finanzamtes ganz unterschiedliche Bescheide erhalten. Deshalb muss die Regelung des sozial- und steuer- rechtlichen Status von Tagespflegeeltern grundsätzlich neu gefasst werden. Die Ungleichbehandlung derjenigen zum Beispiel, die auf privater Basis, und denen, die im Rahmen der öffentlichen Jugendhilfe Tageskinder be- treuen, sollte aufgehoben werden. Alle Tagespflegepersonen leisten im öffentlichen In- teresse eine Dienstleistung. Sie sollten ein leistungsge- rechtes Entgelt nach Steuern erhalten. Die Höhe der Ent- gelte muss vergleichbar sein. Die im Entgelt enthaltenen Beträge zur Sozialversi- cherung müssen in jedem Fall so hoch sein, dass damit eine eigenständige Absicherung gewährleistet ist. Es ist zu klären, inwieweit Beiträge in die gesetzliche Renten- versicherung oder in eine private Versicherung zu zahlen sind. Frau Lenke hat in ihrem Antrag sehr ausführlich Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7275 (A) (C) (B) (D) auf die unzureichende Rechtslage hingewiesen, sodass ich an dieser Stelle nur darauf verweisen möchte. Aber ich möchte im Folgenden auf einige andere Punkte eingehen, die ebenso einer Regelung bedürfen. Allerdings möchte ich an dieser Stelle auch deutlich ma- chen, dass die Neuregelungen nur in Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen bzw. kommunalen Spitzenverbänden erfolgen können und müssen, denn gerade die desolate finanzielle Situation unserer Kom- munen ist uns bewusst. Deshalb sollten wir auch hier an dem Konnexitätsprinzip festhalten: Wer bestellt, muss auch bezahlen!! Im Folgenden weitere Eckpunkte: Mindeststandards. Zur Sicherstellung bundeseinheit- licher Mindeststandards bei den Tagespflegepersonen wird eine verbindliche Grundqualifizierung empfohlen. Diese könnte sich beispielsweise an den Empfehlungen des DJI oder des Curriculums des Bundesverbandes Ta- gesmütter orientieren. Zur Zuverlässigkeit. Um die Zuverlässigkeit des Be- treuungsangebotes im Sinne einer verbesserten Qualifi- zierung, Beratung, Vermittlung und Praxisbegleitung zu gewährleisten, sind die strukturellen Rahmenbedingun- gen zu schaffen. Dies könnte zum Beispiel in Form von Tagespflegestützpunkten erfolgen, wie sie in dem in die- sem Jahr gestarteten bayerischen Modell „Modellprojekt zur Förderung der qualifizierten Tagespflege“ vorgese- hen sind. Tagespflegestützpunkte, die mit mindestens ei- ner sozialpädagogischen Fachkraft und Verwaltungs- kräften besetzt sind, können entweder am Jugendamt, aber auch an einem Kindergarten, einer Kinderkrippe oder einem Mütterzentrum errichtet werden. Sie sollen die Gewinnung, Qualifizierung und Beratung der Tages- pflegekräfte sicherstellen sowie die Vermittlung der Ta- gespflegekräfte übernehmen. Bei Bedarf können sie die aushilfsweise Mitbetreuung durch eine andere Tages- mutter organisieren, gegebenenfalls die Kinder im Er- satzdienst betreuen sowie Verwaltungsaufgaben über- nehmen. Zur Begrifflichkeit „Tagespflege“. Gemäß den Emp- fehlungen des Städtetages Nordrhein-Westfalen sollte in diesem Zusammenhang über eine neue Begrifflichkeit, „Tagesbetreuung in Familien“ nachgedacht werden. Der Begriff „Tagespflege“ beinhaltet mehr die Pflege als die Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern. Lang- fristiges Ziel sollte die Anerkennung der Kinderbetreu- ung in Tagespflege als neues Berufsfeld werden. Als letzten Punkt möchte ich kurz auf das Thema Eu- ropa eingehen. Tagespflege ist europaweit eine alternati- ves und ergänzendes Kinderbetreuungsangebot. Im Rah- men des Zusammenwachsens der Europäischen Union sollten daher die Qualitätsmerkmale für die strukturelle und inhaltlich-fachliche Umsetzung der Kinderbetreu- ung in Tagespflege in einer EU-Richtlinie verankert wer- den. Die Tagesbetreuung von Kindern ist ein entscheiden- der Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ihre Stärken und Vorzüge sollten weiter ausgebaut und gefördert werden. Nur so haben Eltern die Wahl zwi- schen verschiedenen Betreuungsangeboten, die in Quali- tät und Kosten vergleichbar sind. Die Bundesministerin hat in den vergangenen Tagen die große Bedeutung der Tagespflege für den Ausbau der Kinderbetreuung hervorgehoben und für den Aufbau ei- nes bedarfsgerechten Betreuungsnetzes und einer besse- ren Infrastruktur für die Tagespflege plädiert. Ziel müsse es sein, die Tagespflege zu einem gleichwertigen Ange- bot für Kinder unter drei Jahren auszubauen. Dem kann ich nur zustimmen, und bei dieser großen Übereinstim- mung freue ich mich auf die anstehenden Beratungen. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Schaffung einer hochwertigen und bedarfsgerechten Kindertagesbetreuung ist eine zentrale Aufgabe für die- ses Jahrzehnt. Daran führt kein Weg vorbei, und zwar aus ganz unterschiedlichen Gründen. Vorneweg möchte ich jedoch bereits sagen: Die Ta- gespflege spielt eine wesentliche Rolle bei der Schaf- fung einer besseren Kinderbetreuungsstruktur. Daran ha- ben wir keinen Zweifel gelassen. Auch und gerade das Familienministerium hat diesen Aspekt betont und in seinen Planungen entsprechend berücksichtigt. Völlig klar ist aber auch: Das Kinderbetreuungssys- tem muss insgesamt ausgeweitet und, wo nötig, verbes- sert werden. Die rot-grüne Koalition ist hier auf dem richtigen Weg. Es macht derzeit keinen Sinn, Einzelas- pekte isoliert herauszugreifen und den Gesamtkomplex dabei aus dem Auge zu verlieren. Wir benötigen ein Ge- samtkonzept, an dem alle politischen Ebenen und alle Akteure gemeinsam arbeiten. Genau daran arbeitet die Bundesregierung. Münden wird das dann in einen Be- treuungsgipfel, der eine klare Richtung für den Ausbau der Kindertagesbetreuung in den kommenden Jahren be- siegeln soll. Bei der FDP ist von einem solchen Gesamtkonzept je- doch nichts zu erkennen. Als Oppositionspartei mag man ihr das noch durchgehen lassen. Verantwortliches Regierungshandeln verlangt aber einiges mehr. Ein Blick nach Hamburg zeigt, wie es um die liberale Kom- petenz bei Betreuung, Erziehung und Bildung bestellt ist. Die dort zuständige FDP hat das Hamburger Kita- System sehenden Auges an die Wand fahren lassen. Und das ist nicht mal soeben über Nacht gekommen. Die Ent- wicklung hatte sich schon lange abgezeichnet. FDP und die gesamte Senatsregierung waren dem fachlich nicht gewachsen. Ein solches Desaster ist wohl beispiellos in Deutschland. Und das Schlimme daran ist das müssen zahllose Hamburger Kinder und ihre Eltern ausbaden. Und dabei brauchten gerade Familien verlässliche Rah- menbedingungen. Dennoch will ich Ihren guten Willen anerkennen, dass wir in Deutschland ein gutes, ein hochklassiges System der Kindertagesbetreuung etablieren können. Unsere Nachbarländer demonstrieren, dass das durchaus zu machen ist. Und wir sehen bei ihnen auch, wie sehr sie davon profitieren. Deshalb mein Appell an die FDP im Bund, besonders aber in den Ländern: Beteiligen Sie sich an unserem Ausbauprojekt. Selbstverständlich 7276 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 (A) (C) (B) (D) werden wir ihre Anregungen prüfen. Im Bereich der Ta- gespflege gibt es natürlich Raum für Verbesserungen. Ich denke da beispielsweise an das Qualitätsmanage- ment. Hier gibt es gute Verbesserungsansätze. Die Ta- gespflege muss mit Nachdruck aus der Grauzone heraus- geholt werden. Sie hat besondere Vorzüge, die ihr auch zukünftig einen wichtigen Stellenwert einräumen. Hier muss aber ein schlüssiges Gesamtkonzept umge- setzt werden. Das ist eine große Herausforderung für uns alle. Wenn wir unsere Gesellschaft innovativ umgestal- ten wollen, müssen wir auch diese Aufgabe lösen. Wir schaffen damit mehr Chancengerechtigkeit für unsere Kinder. Wir führen sie an Bildung heran, sodass sie ihr Leben im 21. Jahrhundert meistern können. Wir ermög- lichen eine Balance zwischen Familie und Beruf, die sich schon heute so viele Eltern – vor allem Mütter – herbeisehnen. Und wir entkommen so vielleicht der de- mographischen Falle, in der wir fast schon gefangen sind. Ina Lenke (FDP): Nach den Bundestagswahlen 1998 und 2002 versprach die rot-grüne Bundesregierung den Wählern und Wählerinnen mehr Kinderbetreuung. Bis heute hat sie das Versprechen nicht umgesetzt. Um die Bundesregierung aufzufordern, die fatale Kinderbetreuungssituation in Deutschland zu verbes- sern, hat die FDP-Bundestagsfraktion schon im Jahr 2001 Antworten zur „Einkommensteuerlichen und ren- tenversicherungsrechtlichen Situation von Müttern und Vätern in der Tagespflege“ (Drucksache 14/7725 ) ver- langt und in einer Kleinen Anfrage Ende 2002 Antwor- ten gefordert, wie die „Realisierung einer bedarfsgerech- ten Betreuungsquote für Kinder unter drei Jahren“ (Drucksache 15/338) aussehen soll. Die Bundesregie- rung hat bisher kein Gesamtkonzept vorgelegt, nur Ab- sichtserklärungen. Die Familienministerin will nun für Kinder unter drei Jahren 121 000 Krippenplätze, für 142 000 Kinder indi- viduelle Tagespflegeplätze schaffen. Das ist bisher ein ungedeckter Scheck. Zeithorizont: Erst bis zum Jahr 2010. Die Ankündigung, qualifizierte Tagesmütter in das Gesamtkonzept einzubinden, begrüßt die FDP ausdrück- lich. Mit einer Tagesmutter können die Eltern flexible Betreuungszeiten aushandeln, zum Beispiel unabhängig von Öffnungszeiten staatlicher Kindergärten. Die Kinder leben in familienähnlichen Strukturen und haben eine Kontinuität der Bezugsperson. Für viele Eltern und Al- leinerziehende ist eine qualifizierte Tagesmutter oft die einzige Lösung. Die FDP will das auch, aber nicht zu den heutigen schlechten Rahmenbedingungen. Meines Erachtens hat der Staat in der Tagespflege ordnungspolitisch versagt. Die Rahmenbedingungen sind ein Horror. Für die Tagesmütter und -väter heißt es heute: Vorsicht, Falle! Undurchschaubare Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Regelungen schaffen fi- nanzielle Unsicherheit. Deshalb legt die FDP-Bundestagsfraktion heute ein Zukunftskonzept für die Tagespflege vor. Was sind die zentralen Ziele der FDP? Wir wollen die Tagespflege als zweite Säule neben der institutionellen Kinderbetreuung. Wir wollen die Tagespflege als qualitativ hochwertiges und gleichrangiges Kinderbetreuungsangebot. Wir wol- len einheitliche, einfache und unbürokratische rechtliche Regelungen, für Eltern und Tagesmütter verständlich und attraktiv. Wir wollen eine Pflicht zur Altersvorsorge für selbstständige Tagesmütter und die Wahlfreiheit zwi- schen staatlicher und privater Rentenversicherung. Wo sind die Defizite? Die Vorschriften im Steuer- und Sozialversicherungsrecht für eine selbstständige Tages- mutter oder einen selbstständigen Tagesvater, aber auch bei einer Arbeitnehmertätigkeit sind undurchschaubar. Die finanziellen Folgen sind zum Beispiel hohe Nach- forderungen bei Rentenbeiträgen. Rechtliche Unsicher- heit verursacht Schwarzarbeit. Die Nachfrage ist größer als das Angebot an qualifizierten Tagesmüttern. Es gibt keine umfassende Professionalisierung und bundesweite Qualitätssicherung. Wie können Defizite beseitigt werden? Die Tages- pflege für Kinder unter drei Jahren wird als gleichran- gige Betreuungsform in die neue öffentliche Förderung einbezogen. Die Bundesregierung stellt mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden sicher, dass bei der Umsetzung des Betreuungskonzeptes den Kommu- nen dauerhaft Finanzmittel zur Verfügung gestellt wer- den. Die Bundesregierung lässt von Fachleuten aus Wis- senschaft und Praxis gemeinsame Qualitätsstandards und bundeseinheitliche Mindestvorgaben für die öffent- lich geförderte Tagespflege erarbeiten. Die Zahlung des Jugendamtes oder privater Auftraggeber an Tagesmütter oder -väter sollen steuerlich gleich behandelt werden. Wiedereinführung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von legalen Beschäftigungsverhältnissen im Privathaushalt. Erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten absetzbar für Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen als Werbungs- kosten und für Selbstständige als Betriebsausgaben. Die Zahl der Tagespflegestellen wird in Deutschland auf circa 300 000 geschätzt. Wenn wir eine Weiterent- wicklung der Tagespflege politisch wollen, müssen wir handeln, und zwar jetzt. Junge Frauen und Männer su- chen Familie und Beruf zu vereinbaren. Eltern brauchen eine verlässliche Lebensperspektive von Erwerbstätig- keit und zuverlässiger Tagesbetreuung. Für die Beratungen im Familienausschuss schlage ich jetzt schon eine öffentliche Anhörung dazu vor. Ich freue mich auf eine produktive und konstruktive Beratung. Anlage 10 Zu Protkoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Zwölften Ge- setzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (Tagesordnungspunkt 20) Dr. Marlies Volkmer (SPD): Mit der 12. AMG-No- velle steht heute eine der weitreichendsten und wichtigs- ten Reformen des deutschen Arzneimittelrechts zur De- batte. Der vorliegende Gesetzentwurf dient vor allem der Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7277 (A) (C) (B) (D) Verbesserung der Arzneimittelsicherheit und enthält im wesentlichen die zur Umsetzung von EU-Recht notwen- digen Regelungen zur klinischen Prüfung von Arzneimit- teln an Menschen. Damit verbessern wir die Konkurrenz- fähigkeit des Pharmastandorts Deutschland innerhalb eines starken Pharmastandorts Europa. Klinische Forschung findet im Spannungsfeld zwi- schen langfristig therapeutisch nutzbaren Forschungsin- teressen und dem Schutz der Patienten statt. Gleichzeitig die klinische Forschung durch eine Beseitigung von Ver- fahrenshemmnissen zu erleichtern und die Patientensi- cherheit zu erhöhen, das ist das Anliegen des vorliegen- den Gesetzentwurfs. Hohe qualitative Anforderungen an die klinische Forschung stehen dabei in keinem Gegen- satz zu industriepolitischen Zielen. Im Gegenteil: Gerade eine gute Qualität der Forschung und der aus ihr resultie- renden Arzneimittel stärkt im internationalen Maßstab die Wettbewerbsfähigkeit, vor allem durch ein stärkeres Vertrauen der Patientinnen und Patienten. Insbesondere in den die Ethik-Kommissionen betref- fenden gesetzlichen Regelungen manifestiert sich die Gleichzeitigkeit von Patientenschutz und Forschungser- leichterung. Durch das Gesetz wandelt sich die Rolle der Ethik-Kommission vom berufsrechtlichen Beratungsgre- mium zu einer Patientenschutzorganisation mit Behör- dencharakter. Künftig darf ein Prüfer erst mit einer klini- schen Prüfung beginnen, wenn die zuständige Ethik- Kommission sein Vorhaben zustimmend bewertet und die zuständige Bundesoberbehörde dieses genehmigt hat. Bislang konnte im Falle eines negativen Votums gleichwohl die klinische Prüfung begonnen werden, wenn eine Zustimmung der zuständigen Bundesoberbe- hörde vorlag. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen pharmazeutischen Forschung werden mit der 12. AMG- Novelle aber auch Schritte zu einer Straffung des Ver- fahrens und einer deutlichen Verkürzung der Zulas- sungsfristen unternommen. In Zukunft wird nur noch eine Ethik-Kommission federführend zuständig sein, die anderen Kommissionen arbeiten ihr zu. Zudem hat die zuständige Ethik-Kommission eine Entscheidung über einen Antrag auf Genehmigung innerhalb einer Frist von höchstens 60 Tagen zu treffen, die verlängert oder auch verkürzt werden kann. Das Nähere hierzu soll eine Ver- ordnung regeln, in der alle Spielräume der EU-Richtlinie ausgenutzt werden sollen. Ein wesentliches Anliegen des Gesetzes ist die Ver- besserung der Arzneimittelsicherheit. Zwar sind bereits nach bestehendem Recht die Herstellung und das Inver- kehrbringen gefälschter Arzneimittel sanktioniert. Neu ist jedoch die Aufnahme eines Verbotes der Herstellung oder des Inverkehrbringens von Arzneimitteln, die in Bezug auf ihre Identität oder Herkunft falsch gekenn- zeichnet sind. Damit werden die Regelungen des bisheri- gen AMG verschärft, die lediglich auf eine mindere Qualität gefälschter Arzneimittel abhoben. Für einen solchen Verstoß wird das Strafmaß mit einer Androhung von drei Jahren Freiheitsentzug deutlich verschärft. Ein Einfallstor für Arzneimittelfälschungen scheint bisher der Großhandel zu sein. Denn bislang reichen ein Gewerbeschein und eine einfache Anmeldung aus, um Handel mit Arzneimitteln zu betreiben. Mit der Einfüh- rung einer behördlichen Erlaubnispflicht für den Groß- handel wird nun einer langjährigen Forderung des Bun- desverbandes des pharmazeutischen Großhandels entsprochen. Durch die Überwachung aller zugelassenen Marktteilnehmer und die damit verbundene Transparenz der Vertriebswege wird diese Maßnahme maßgeblich zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit beitragen. Ein zentrales Anliegen des Gesetzentwurfes ist die Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei Kindern und Jugendlichen. Denn noch immer ist ein Großteil der bei Kindern angewendeten Arzneimittel ohne arzneimit- telrechtliche Zulassung für die spezifische Anwendung bei Kindern. Ja, für etliche Krankheiten, von denen Kin- der betroffen sind, gibt es überhaupt keine zugelassenen Arzneimittel. Die Ursachen dafür sind vielschichtig Eine Ursache ist die bisherige gesetzliche Regelung der Forschung an Minderjährigen, die teilweise missverstandlich und un- klar war und damit zu einer erheblichen Rechtsunsicher- heit geführt hat. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen ließen zudem Forschung nur dann zu, wenn durch die Teilnahme an einer Studie für das Kind ein individueller Nutzen vermutet werden konnte. Rechtssicherheit herzustellen und die klinische For- schung für Arzneimittel für Kinder zu erleichtern ist das Ziel des Gesetzentwurfes. Künftig soll auch solche For- schung an kranken Minderjährigen unter strengen Aufla- gen zugelassen werden, wenn ein so genannter Gruppen- nutzen vorliegt. Dieser liegt beispielsweise vor, wenn nach einem erfolgreichen Abschluss einer Therapie etwa eine zusätzliche Blutuntersuchung vorgenommen wird, von der ein individueller Nutzen für die betreffende Per- son nicht erwartet werden kann, wohl aber ein künftiger Nutzen für die jeweilige Patientengruppe. Für solche Untersuchungen muss selbstverständlich immer die Ein- willigung des gesetzlichen Vertreters vorliegen und – so- fern Einsichtsfähigkeit vorliegt – auch die des Kindes. Natürlich wirft eine solche Liberalisierung bei min- derjährigen und damit besonders schutzbedurftigen Pro- banden ethische Fragen nach der Zulässigkeit solcher Forschung auf. Mit diesen Fragen befasst sich derzeit die Enquete-Kommission „Ethik und Recht in der modernen Medizin“, die noch im laufenden Gesetzgebungsverfah- ren eine Gutachterliche Stellungnahme vorlegen wird Die Zeit für die Verabschiedung des AMG drängt. Der Zeitdruck sollte uns aber nicht daran hindern, die gefundenen Regelungen daraufhin zu überprüfen, ob un- sere Ziele erreicht werden: die Arzneimittelsicherheit zu verbessern und bei klinischen Prüfungen Rechtssicher- heit sowie einen umfassenden Probandenschutz, insbe- sondere bei nicht einwilligungsfähigen Personen, herbei- zuführen. Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU): In dieser Legislaturpe- riode steht heute bereits zum fünften Mal unmittelbar und mittelbar das Thema Arzneimittel auf der Tagesord- nung des Deutschen Bundestages. Im Wesentlichen 7278 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 (A) (C) (B) (D) handelte es sich bisher um Kostendämpfungsgesetze: um das Beitragssatzsicherungsgesetz, das Positivlistenge- setz und das GKV-Modernisierungsgesetz. Bei der 12. AMG-Novelle hingegen geht es aus- nahmsweise einmal nicht um die Diskriminierung der Arzneimittel als den Kostentreiber Nummer eins in der GKV; es geht vielmehr um die Entwicklung und Prüfung von Arzneimitteln sowie um die Arzneimittelsicherheit. Was die Entwicklung und Prüfung von Arzneimitteln betrifft, haben wir uns bereits bei der Diskussion des An- trags der CDU/CSU-Fraktion „Klinische Prüfung in Deutschland entbürokratisieren“ intensiv damit beschäf- tigt. Leider haben damals SPD und Grüne unseren An- trag abgelehnt. In dem Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technologiefolgenabschätzung zu diesem Antrag habe ich etwas Interessantes gelesen: „Vonseiten der Berichterstatterin der Fraktion der SPD wird kriti- siert, dass der Antrag alles ignoriere, was von der Bun- desregierung auf dem Gebiet der Förderung der pharma- zeutischen Forschung bereits getan worden sei, um die Rahmenbedingungen der pharmazeutischen Unterneh- men in Deutschland zu verbessern.“ Ich weiß nicht, was die SPD unter Verbesserung der Rahmenbedingungen versteht; ich weiß nur, dass ich noch niemanden gefunden habe, der eine Verbesserung erkennen konnte. Eine Verschlechterung hingegen ist na- hezu überall zu spüren. Auch die Umsetzung der der 12. AMG-Novelle zu- grunde liegenden EU-Richtlinien zur klinischen Prüfung und zur Pharmakovigilanz bzw. zur Arzneimittelsicher- heit führt nicht zur Verbesserung der Standortbedingun- gen in Deutschland. Nun muss zugegebenermaßen einer- seits vieles umgesetzt werden, da es europäisches Recht so vorgibt. Andererseits aber wurde in vielen Punkten der Rahmen, den die Richtlinien vorgeben, entweder nicht ausgeschöpft oder aber überzogen. So oder so steht fest, dass die Umsetzung zu mehr Bürokratismus und zu einer stärkeren Belastung insbesondere mittelständischer Unternehmen führt. Insbesondere die Richtlinie zur klinischen Prüfung soll so umgesetzt werden, dass wir in Deutschland kräf- tige Standortnachteile hinnehmen müssen. Mit unserem bereits angesprochenen Antrag „Klinische Prüfung in Deutschland entbürokratisieren“ wollten wir dem entge- gentreten. Da aber die Koalitionsfraktionen mit ihrer Mehrheit diesen Antrag abgelehnt haben, finden sich viele wichtige Punkte, die in die richtige Richtung ge- führt hätten, nicht in der Novelle wieder. So wollten wir zum Beispiel erreichen, dass als Vo- raussetzung für den Beginn einer klinischen Prüfung nur ein zustimmendes Votum erforderlich ist – auch bei mul- tizentrischen Prüfungen. Ziel war, eine dringend erfor- derliche Vereinfachung des komplexen Ethik-Kommis- sionsverfahrens zu erreichen. Das ist übrigens auch eine Forderung des Bundesrates. Denkt man daran, dass es in Deutschland 52 verschiedene Ethik-Kommissionen gibt, so kann man nur zu dem Schluss kommen, dass dem Bü- rokratismus keine Grenzen gesetzt sind. Das Traurige dabei ist, dass trotz mehr Bürokratismus der Schutz der Prüfungsteilnehmer nicht verbessert wird. Hinzu kommt noch, dass dadurch, dass ein Auftrag- geber einer klinischen Prüfung eine Vielzahl von Anträ- gen an die verschiedenen Ethik-Kommissionen stellen muss, ihm nicht nur erhebliche Kosten entstehen, son- dern es auch zu unnötig langen Verzögerungen kommt. Auch das stellt einen erheblichen Standortnachteil dar. Deswegen sollte unbedingt Art. 7 der Good-Clinical- Practice-Richtlinie umgesetzt werden. Danach ist für multizentrische klinische Prüfungen die Stellungnahme nur einer einzigen Ethik-Kommission pro Mitgliedstaat – und dies ungeachtet der Anzahl der Ethik-Kommissio- nen – ausreichend. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass es mehr als sinnvoll ist, dass die Kontaktstelle für die Probanden beim Bundesgesundheitsministerium bzw. dessen Untergliederungen angesiedelt wird. Sie darf sich nicht auf Länderebene befinden, wie es in der 12. AMG- Novelle festgelegt ist. Denn Informationen und Unterla- gen über die klinischen Prüfungen laufen nach neuem Recht beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizin- produkte bzw. beim Paul-Ehrlich-lnstitut zusammen. Den Ländern liegen also diese Informationen gar nicht vor, sodass eine Ansiedlung der Kontaktstellen auf Län- derebene nur der Bürokratie dient, ansonsten aber ganz offensichtlich keinen Sinn macht. Völlig unverständlich ist auch, dass für einige Arznei- mittel neue Hindernisse für die Zulassung zur klinischen Prüfung errichtet werden. Während grundsätzlich für die Genehmigung der klinischen Prüfung eine Anzeige bei der zuständigen Behörde ausreicht und bei fehlender Re- aktion die Genehmigung als erteilt gilt, muss bei be- stimmten Arzneimitteln eine schriftliche Genehmigung erteilt werden. Das mag in einigen Fällen vernünftig sein. Bemerkenswert ist, dass das grundsätzlich bei Arznei- mitteln gefordert wird, deren Wirkstoff ein biologisches Produkt tierischen Ursprungs ist oder biologische Be- standteile tierischen Ursprungs enthalten. Dies wird von der Richtlinie nicht verlangt. Und es führt dazu, dass bei- spielsweise alle Arzneimittel mit Laktose, Milchzucker, unter die schriftliche Genehmigungspflicht fallen. In der 12. AMG-Novelle wird auch die gruppennüt- zige Forschung an Minderjährigen geregelt. Dieses Thema beinhaltet für viele von uns – ich glaube, unab- hängig von der Parteizugehörigkeit – gewaltigen Kon- fliktstoff. Denn auf der einen Seite steht der Wunsch der Eltern von erkrankten Kindern nach neuen Behandlungs- möglichkeiten und neuen Arzneimitteln; auf der anderen Seite aber kommt es zu Eingriffen nicht nur in die Grundrechte minderjähriger Probanden, sondern auch zu Verletzungen der Menschenwürde und des Rechts der allgemeinen bzw. der körperlichen Selbstbestimmung. Deswegen ist es sehr bedauerlich, dass bei einem so sen- siblen Thema wie der klinischen Prüfung von Arzneimit- teln bei Kindern nicht die gutachterliche Stellungnahme der Enquetekommission „Recht und Ethik in der moder- nen Medizin“ abgewartet wird. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7279 (A) (C) (B) (D) Da sich die Bundesregierung zweieinhalb Jahre Zeit mit der Umsetzung der Richtlinie gelassen hat und die Stellungnahme der Enquete-Kommission im Januar des nächsten Jahres vorliegen soll, wäre es fair und vernünf- tig, die Ergebnisse abzuwarten, um sie dann in entspre- chender Form berücksichtigen zu können. Aber neben der klinischen Prüfung enthält die 12. AMG-Novelle auch viele andere Änderungen, die zum großen Teil – aber nicht immer – auf europarechtli- chen Vorgaben beruhen. Dabei sind einige Regelungen des Gesetzentwurfs, die der Arzneimittelsicherheit dienen, durchaus zu be- grüßen, so zum Beispiel die Bildung einer Kommission „Arzneimittel für Kinder und Jugendliche“, die Stärkung der Sanktionsmöglichkeiten bei Arzneimittelfälschun- gen oder die Einführung eines Erlaubnisvorbehalts für den pharmazeutischen Großhandel. Allerdings steckt hier der Teufel im Detail. Beim näheren Hinsehen stellt sich nämlich heraus, dass durch die Änderungen beson- ders kleinere und mittlere Betriebe unverhältnismäßig stark belastet werden. Deswegen muss jede Regelung genauestens überprüft werden, ob die Vorgaben so um- gesetzt sind, dass der Standort Deutschland gegenüber anderen Ländern nicht benachteiligt wird und die Rege- lungen nicht besonders mittelständische Betriebe belas- ten. Ich möchte Ihnen zwei Beispiele nennen: Erstens: Die Neudefinition des Begriffs „Wirkstoff“. Nach dem geltenden AMG sind Wirkstoffe Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimit- teln als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden. Die Intention der EU-Richtlinie ist, zukünftig die De- finition „Wirkstoff“ um Bestandteile von Gentransfer- Arzneimitteln zu erweitern. So weit, so gut. Was aber macht die Bundesregierung? Sie erweitert die Definition um die Stoffe, die bei ihrer Verwendung in der Arznei- mittelherstellung zu arzneilich wirksamen Bestandteilen der Arzneimittel werden. Letztendlich bedeutet das, dass zukünftig insbesondere pflanzliche, homöopathische und anthroposophische Inhaltsstoffe als Wirkstoffe gel- ten, da sie durch die Verwendung zu arzneilich wirksa- men Bestandteilen werden. Und das wiederum bedeutet, dass für die Hersteller von Naturarzneimitteln zukünftig strengere Herstellungs- und Handhabungsanforderungen gelten, die mit weit reichenden finanziellen und organi- satorischen Konsequenzen verbunden sind. Zweitens: Als weiteres Beispiel möchte ich die Belas- tung der kleineren und mittleren Hersteller durch die Verschärfung der Regeln zur Qualifikation von Herstel- lungs- und Kontrollleitern nennen. Bisher war es so, dass Herstellungs- und Kontrollleitung bei Betrieben, die Wirkstoffe herstellen, in einer Person – sozusagen in Personalunion – vereint sein konnten. Zukünftig soll es aber in den Betrieben neben dem Herstellungsleiter auch einen Kontrollleiter geben, also wieder einmal ein deut- scher Sonderweg. Denn EU-Recht spricht nur von einer „qualified person“. Auch damit werden vor allem klei- nere und mittlere Firmen belastet, da sie sich in aller Re- gel zusätzliches hoch qualifiziertes Personal nicht leisten können. Eine weitere Änderung durch die 12. AMG-Novelle zeugt meiner Meinung nach sogar von einer völligen Unkenntnis der üblichen Praxis in den Betrieben. Denn bisher war für Herstellungs- und Kontrollleiter eine zweijährige Erfahrung in Herstellung oder Prüfung not- wendig. Nun wird verlangt, dass der Herstellungsleiter zweijährige Erfahrung in der Herstellung und der Kontrolleiter zweijährige Erfahrung in der Arzneimittel- prüfung haben muss. Einerseits ist ein Austausch der Positionen im Rahmen von Jobrotationen durchaus üb- lich. Und andererseits wird durch eine ganzheitliche Be- urteilung des Gesamtgeschehens in der Produktion eine optimale Arzneimittelsicherheit gewährleistet. Festzu- halten bleibt, dass diese Änderung weder unter dem Ge- sichtspunkt der Arzneimittelsicherheit noch unter den Erfordernissen des EU-Rechts zwingend erforderlich ist. Für sehr bedenklich halte ich auch, dass durch die 12. AMG-Novelle in einigen Fällen die Zustimmungs- pflicht des Bundesrates ausgehebelt wird. Insbesondere im Zusammenhang mit der Herausnahme der OTC- Präparate aus der Erstattungspflicht erscheint es äußerst bedenklich, dass bestimmte Kriterien, die zur Verschrei- bungspflicht führen, allein vom BMGS per Rechtsver- ordnung festgelegt werden können. Das BMGS kann also hier zukünftig ohne Zustimmung des Bundesrates schalten und walten. Ganz offensichtlich will sich die Bundesregierung da- mit künftig ein Steuerungsinstrument schaffen, durch das sie die Ausgaben der GKV nach Belieben beeinflus- sen kann. Denn dadurch, dass nach dem GKV-Moderni- sierungsgesetz ab Anfang des nächsten Jahres nicht ver- schreibungspflichtige Arzneimittel nicht mehr erstattet werden, kann das BMGS relativ einfach durch Verord- nung den Kreis der nicht erstattungsfähigen Präparate – und zwar ohne Zustimmung des Bundesrates – erwei- tern und so die Ausgaben der GKV regulieren. Sollte es im Laufe des parlamentarischen Verfahrens nicht noch zu wesentlichen Verbesserungen der 12. AMG-Novelle kommen, werden wir ihr unsere Zu- stimmung verweigern. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die heute noch sehr unterschiedlichen rechtlichen Bestim- mungen in den EU-Mitgliedstaaten erschweren und ver- zögern vor allem die Durchführung multinationaler Prü- fungen. Zudem ist der Patienten- und Probandenschutz innerhalb der EU sehr unterschiedlich weit ent-wickelt. Im Jahr 2001 hat die EU mit der Richtlinie zur guten kli- nischen Praxis auf diese unbefriedigende Situation rea- giert. Mit dem nun vorliegenden 12. AMG-Änderungsge- setz wird diese Richtlinie in das deutsche Arzneimittel- recht übertragen. Der vorliegende Gesetzesentwurf ver- bessert die Rahmenbedingungen für die forschende Industrie, insbesondere durch die Vereinfachung des Ver- fahrens vor den Ethikkommissionen und die Verkürzung der Genehmigungsfristen. Damit können Arzneimittelin- novationen auch schneller den Patientinnen und Patien- ten zugute kommen. Gleichzeitig geht der Gesetzesent- wurf über einige Anforderungen der EU-Richtlinie sogar 7280 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 (A) (C) (B) (D) noch hinaus und leistet so einen wichtigen Beitrag zu mehr Patienten- und Probandensicherheit. Diskussionsbedarf innerhalb des Gesetzgebungsver- fahrens wird es aus unserer Sicht vor allem in zwei Fel- dern geben: Heute ist über die Hälfte der bei Kindern angewende- ten Arzneimittel ohne eine arzneimittelrechtliche Zulas- sung für die Anwendung bei dieser Altersgruppe. Dieser „off-licence-use“ kann mit erheblichen Risiken verbun- den sein. Für etliche Krankheiten, von denen Kinder be- troffen sind, gibt es sogar überhaupt keine Arzneimittel. Der vorliegende Gesetzesentwurf soll dazu beitragen, das Arzneimittelangebot und die Arzneimittelsicherheit für Kinder deutlich zu verbessern. Erstmals – und in sehr eingeschränktem Umfang – soll die gruppennützige For- schung mit nichteinwilligungsfähigen Kindern und Ju- gendlichen erlaubt werden. Die fremdnützige Forschung an nichteinwilligungsfä- higen Menschen ist seit Jahren in Deutschland Gegen- stand heftiger gesellschaftspolitischer Diskussionen. Sie haben dazu geführt, dass Deutschland das „Übereinkom- men über Menschenrechte und Biomedizin“ des Europa- rats nicht unterzeichnet hat. Ich begrüße es daher sehr, dass sich die Enquete-Kommission „Ethik und Recht in der modernen Medizin“ mit diesem Themenkomplex be- schäftigt und ihre Position in die weiteren Verhandlun- gen einbringen wird. Aus meiner Sicht sollte der berechtigte Vorbehalt ge- gen Forschungen an Menschen mit Behinderungen oder an Demenzkranken nicht zu einem umfassenden Tabu der Forschung an und zugunsten von kranken Kindern und Jugendlichen führen. Dies gilt einerseits wegen der erwähnten Therapieunsicherheit. Andererseits lassen Berichte aus der Praxis vermuten, dass längst gruppen- und auch fremdnützige Untersuchungen mit Kindern und Jugendlichen durchgeführt werden. Wir brauchen in diesem Bereich dringend Rechtssicherheit. Nach dem Gesetzentwurf soll die Forschung für die minderjährigen Probanden nur mit einem „minimalen Risiko“ und einer „minimalen Belastung“ verbunden sein. Das ist eine sehr vernünftige Regelung – wir sollten uns aber darum bemühen, diese Begriffe noch eindeuti- ger und rechtssicher zu definieren. Ein Augenmerk werden wir auch darauf haben müs- sen, dass künftig Frauen in ausreichender Zahl an klini- schen Studien beteiligt werden. Unterschiede in Körper- größe, Gewicht und Stoffwechsel führen dazu, dass Arzneimittel bei Frauen und Männern häufig sehr unter- schiedliche Wirkungen hervorrufen. In den klinischen Studien sind aber Frauen meistens deutlich unterreprä- sentiert. Diese mangelnde Berücksichtigung von Frauen werden wir beenden müssen. Auch hier können wir et- was aus dem Ausland lernen: In den USA und Schweden ist die gleichrangige Teilnahme von Frauen an klini- schen Arzneimittelstudien per Gesetz vorgegeben. Euro- päische Arzneimittelunternehmen, die in den USA – auf dem größten Arzneimittelmarkt der Welt – operieren wollen, müssen sich auf diese Anforderungen einstellen. Der vorliegende Gesetzesentwurf kündigt an, dass die angemessene Einbeziehung von Frauen in klinische Prü- fungen, insbesondere dann, wenn „geschlechtssensible“ Arzneimittel zu prüfen sind, über eine Rechtsverordnung vorgenommen soll. Ob diese Ankündigung ausreicht, werden wir zu diskutieren haben. Bei der Weiterentwicklung des Arzneimittelrechts sind sowohl Interessen des Patientenschutzes als auch der Industriepolitik zu beachten und so weit wie möglich miteinander zu verbinden. Dazu leisten die EU-Richtli- nie und der vorliegende Gesetzesentwurf einen wichti- gen Beitrag. Kommt es allerdings zu Konflikten zwischen dem gesundheitspolitischen und dem wirt- schaftspolitischen Ziel, gilt der Grundsatz: Die Sicher- heit und der Schutz der Patienten und Probanden haben absolute Priorität! Dr. Dieter Thomae (FDP): In vielen Punkten dieser 12. AMG-Novelle dürfte Einigkeit bestehen. Es ist sinn- voll, die durch die EU getroffenen Regelungen in deutsches Recht zu übertragen. Zu begrüßen ist, dass gegenüber dem Referentenentwurf mittlerweile darauf Rücksicht genommen worden ist, dass pharmazeutische Unternehmen bei klinischen Prüfungen darauf angewie- sen sind, dass keine unabwendbaren Verzögerungen ein- treten. Die nun im Gesetzentwurf vorgesehenen Fristen scheinen diesem Tatbestand Rechnung zu tragen. Zu einigen weiteren Punkten werden wir in der Anhö- rung nähere Informationen benötigen, so zum Beispiel zu der Frage der Sinnhaftigkeit, dass Herstellungs- und Kontrollleiter zukünftig nicht mehr personenidentisch sein dürfen. Das europäische Recht kennt da nur eine qualifizierte Person Es mag mir auf den ersten Blick nicht einleuchten, warum das bei uns anders gehandhabt werden soll. Ob die Ansätze, die jetzt in der 12. AMG- Novelle enthalten sind, um Arzneimittel fälschungs- sicherer zu machen, ausreichend sind oder ob nicht noch Anregungen, wie sie zum Beispiel der Bundesrat ge- macht hat, aufgenommen werden sollten, wird ebenfalls zu klären sein. Der Punkt allerdings, der uns vermutlich am meisten beschäftigen wird, ist die Frage, inwieweit klinische Studien mit nicht einwilligungsfähigen Personen durch- geführt werden können. Wir stecken da in einem Dilemma. Einerseits möchten wir, dass Arzneimittel speziell auf die Belange von Kindern bei ihrer Behand- lung ausgerichtet werden und dass es auch für Menschen medizinischen Fortschritt gibt, die nicht in der Lage sind, selbst zu beurteilen, ob sie an einer klinischen Stu- die teilnehmen wollen. Andererseits wollen wir diese Menschen aber auch davor schützen, dass jemand ande- res ihnen einen Schaden zufügen kann. Ich denke, dass die Formulierungen in der jetzt vorlie- genden Novelle eine gute Grundlage für eine intensive Diskussion zu diesem Thema liefert. Die Enquete- Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ hat sich ja bereits mit dem Thema beschäftigt und wird noch vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens eine Stellungnahme hierzu abgeben. Ich bin überzeugt davon, dass wir in dieser Hinsicht keine radikal ablehnende Position einnehmen dürfen Wir müssen die Tür ein Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7281 (A) (C) (B) (D) wenig öffnen, damit auch nicht einwilligungsfähige Menschen in den Genuss medizinischer Weiterentwick- lungen kommen können. Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Siche- rung: Unser Entwurf für das 12. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Arzneimittelsicherheit in Deutschland. dikamente – genauso wie Alkohol – bei Frauen anders wirken als bei Männern. Wir setzen uns dafür ein, dass frauenspezifische Fragestellungen in der Arzneimittel- forschung stärker berücksichtigt werden. Eine entspre- chende Rechtsverordnung soll – so sieht es der Gesetz- entwurf ausdrücklich vor – möglichst bald geschaffen werden. Das Gesetz schafft außerdem bessere Rahmenbedin- gungen für die Beteiligung der Ethik-Kommission und Der Entwurf enthält die für die Umsetzung der euro- päischen Richtlinie notwendigen Änderungen der Rege- lungen zur klinischen Prüfung von Arzneimitteln bei Menschen. Damit werden einheitliche Rahmenregelun- gen für die klinische Forschung mit Arzneimitteln in Eu- ropa geschaffen. Von allen Seiten wurde immer wieder gefordert, die Arzneimittelsicherheit gerade für Kinder zu verbessern. Es darf nicht sein, dass Kinderärzte Medikamente für Er- wachsene bei Kindern anwenden müssen, obwohl sie nicht für den Einsatz bei Kindern erforscht sind. Wir haben darum die Möglichkeiten für klinische Prüfungen bei Kindern erheblich verbessert. Nach den bisherigen Bestimmungen musste ein Kind einen direk- ten Nutzen von einer klinischen Prüfung haben. Der Ge- setzentwurf sieht vor, dass die klinische Prüfung bei Kindern unter bestimmten Voraussetzungen auch dann gestattet wird, wenn ein so genannter Gruppennutzen vorliegt. Dies wird die Entwicklung von kindgerechten Arz- neimitteln erheblich verbessern. Zu Recht ist die Teilnahme von Kindern an klinischen Prüfungen ein hochsensibles Thema. Niemand will, dass sein Kind als „Versuchskaninchen“ gebraucht wird. So muss für diese Untersuchungen – wie generell bei klini- schen Prüfungen an Kindern – immer die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vorliegen und – sofern Ein- sichtsfähigkeit besteht – auch die des Kindes. Zur weiteren Verbesserung der Arzneimittelsicherheit für Kinder und Jugendliche sieht der Entwurf eine Kom- mission „Arzneimittel für Kinder und Jugendliche“ beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vor. Diese kann insbesondere bei Zulassungsverfahren Stellungnahmen zur Anwendung von Arzneimitteln bei Kindern und Jugendlichen abgeben. Nicht nur Kinder, sondern auch Frauen werden bisher unzureichend in die Arzneimittelforschung einbezogen. Neue Medikamente werden meistens an jungen gesun- den Männern erprobt. Dabei ist längst bekannt, dass Me- der zuständigen Bundesoberbehörde. Außerdem wird ein Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinpro- dukte bzw. dem Paul-Ehrlich-Institut eingeführt. In den vergangenen Monaten ist in der Öffentlichkeit mit Recht auf Todesfälle durch unerwünschte Arzneimit- telwirkungen hingewiesen worden. Auch wenn die Zah- len umstritten sind, steht für uns fest: Das Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen führt jedes Jahr zu einer nicht geringen Zahl von Todesfällen. Mit den neuen Pharmakovigilanzbestimmungen wer- den die Voraussetzungen zur Vermeidung von uner- wünschten Arzneimittelwirkungen verbessert. So enthält der Entwurf geänderte Melde- und Berichtspflichten zur besseren Erfassung und Auswertung unerwünschter Arz- neimittelwirkungen. Von großer Bedeutung ist dabei der Aufbau einer EU- weiten Datenbank, die einen effektiveren Informations- austausch über schwerwiegende unerwünschte Arznei- mittelwirkungen zwischen den Mitgliedstaaten sicher- stellt. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist uns die Bekämp- fung von Arzneimittelfälschungen. Durch den Gesetz- entwurf wird die Verbreitung von Arzneimittelfälschun- gen deutlich erschwert. Bisher konnte nichts gegen die Werbung für nicht zu- gelassene Arzneimittel unternommen werden. Durch eine Änderung des Heilmittelwerbegesetzes schließen wir diese Lücke. Künftig kann in solchen Fällen ein Bußgeld erhoben werden. Das 12. AMG-Änderungsgesetz ist ein wichtiger Meilenstein für die Arzneimittelsicherheit in Deutsch- land. Die Patientinnen und Patienten können sich zu- künftig darauf verlassen, dass die Medikamente, die sie verschrieben bekommen, umfassend erforscht und auf Nebenwirkungen geprüft wurden. Dies gilt gerade für Frauen und Kinder, die in der Arzneimittelforschung bisher viel zu wenig berücksich- tigt wurden. 82. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Sebastian Edathy


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In

    dem Antrag, den wir heute verabschieden, heißt es wört-
    lich: „Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland
    lehnt Antisemitismus entschieden ab.“ Das ist so, bedeu-
    tet aber auch, dass es in unserem Land eine nennens-
    werte Minderheit gibt, die für Stereotype und Vorurteile
    gegenüber Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens
    empfänglich ist. Ich denke, dass wir gerade in Deutsch-
    land eine ganz besondere Verantwortung haben, dem im-
    mer wieder entgegenzutreten.
    Herr Kollege Lammert, Sie wissen, dass Sie frak-
    tionsübergreifend sehr geschätzt werden. Weil ich über
    Ihre Rede nicht hinweggehen möchte, werde ich zwei
    Punkte ansprechen, die ich daran nicht gut fand. Der
    erste Punkt. Sie haben Recht: Es geht darum, für
    Menschlichkeit einzustehen und der Unmenschlichkeit
    zu begegnen. Aber zur Wahrhaftigkeit gehört auch, zu
    sagen, dass in Deutschland Unmenschlichkeit einmal
    zum Regierungsprogramm erhoben worden ist und dass
    wir eine ganz besondere Verantwortung haben,


    (Zuruf von der CDU/CSU: Das hat er doch gesagt!)


    bereits den ersten Ansätzen, die darauf zielen, das wie-
    der salonfähig zu machen, was mit der Ausgrenzung
    von Minderheiten verbunden ist, ganz entschieden ent-
    gegenzutreten.


    (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Er hat doch zum Beispiel von Weizsäcker zitiert!)


    Das können Sie gerne nachlesen. Hätten Sie das ein we-
    nig dezidierter gesagt, hätte ich es besser gefunden.

    Ich möchte einen zweiten Punkt nennen. Wir führen
    hier zwar keine Walter-Jens-Debatte.


    (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Das ist ja tragisch!)


    Aber ich glaube, wenn man, was historische Fakten be-
    trifft, im Einzelfall doch nicht so genau hinhören
    möchte, ist das ein Fehler, der zu vermeiden ist.


    (Hildegard Müller [CDU/CSU]: Das müssen Sie mal nachlesen! – Gegenruf der Abgeordneten Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat Recht!)


    Wir sind nicht nur, aber auch das Volk der Dichter und
    Denker. Wir sind nicht nur, aber auch das Volk der Mör-
    der und Henker. Beides gehört zur historischen Realität.
    Das haben wir in unserem Antrag auch benannt, indem
    wir ausgeführt haben, dass gerade aus dem, was sich im
    Holocaust ereignet hat, die historische Verantwortung
    der nachwachsenden Generation erwächst, dafür Sorge
    zu tragen, dass sich das nie wiederholen kann.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Sie haben Herrn Lammert gar nicht verstanden!)


    Antisemitismus in Deutschland hat viele Gesichter.
    Zum einen schlägt uns aus den Statistiken entgegen, dass
    es im Jahr 2002 rund 1 600 antisemitisch begründete
    Straftaten gegeben hat, darunter fast drei Dutzend An-
    griffe auf Personen. Die entsprechenden Zahlen aus die-
    sem Jahr sehen nicht besser aus.

    Antisemitismus ist aber nicht nur offen erkennbar und
    trägt diese hässliche Fratze. Die jüngste Untersuchung
    des Forsa-Instituts belegt, dass sich Antisemitismus
    nicht nur in den Randbereichen der Gesellschaft findet,
    sondern auch im Zentrum: 40 Prozent der Befragten sag-
    ten, sie hätten den Eindruck, Bürger jüdischen Glaubens
    würden die deutsche Geschichte zu ihrem eigenen

    7176 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003


    (A) (C)



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    Sebastian Edathy

    Vorteil instrumentalisieren. 20 Prozent der Befragten
    waren der Meinung, Jüdinnen und Juden hätten zu viel
    Einfluss in Deutschland. 20 Prozent der Befragten waren
    der Auffassung, für den Antisemitismus seien die Jüdin-
    nen und Juden verantwortlich. – Dieses Ergebnis zeigt,
    dass sich Antisemitismus nicht auf den offen zutage tre-
    tenden Rechtsextremismus beschränkt. Daraus ergibt
    sich für uns alle, vor allem für das Parlament, die dauer-
    hafte Aufgabe, deutlich zu machen: Ja, es gibt Antisemi-
    tismus, er ist Realität; aber wir akzeptieren ihn nicht als
    Normalität und treten ihm fortwährend entgegen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich hatte vor wenigen Wochen die Gelegenheit, mit
    der Programmdirektorin des Jüdischen Museums ein Ge-
    spräch zu führen. Zwei Punkte aus diesem Gespräch, die
    mich sehr nachdenklich gemacht haben, möchte ich hier
    aufgreifen. Der erste Punkt: Frau Kugelmann hat mir be-
    richtet, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Jüdi-
    schen Museums die Erfahrung gemacht haben, dass in
    den Schülergruppen, die das Museum besuchen, immer
    wieder einzelne Jugendliche seien, die antisemitische
    Äußerungen von sich geben würden. Man muss sich fra-
    gen, woher das kommt. Schließlich ist es nicht genetisch
    bedingt, dass ein Teil der Bevölkerung antisemitische
    Ansichten hat. Offenkundig werden diese Ansichten vie-
    len Menschen in einem sehr jungen Alter eingeimpft.

    In einem Teil unserer Gesellschaft gibt es die unselige
    Tradition, dass solche Vorurteile weitergegeben werden.
    Deswegen haben wir in unserem Antrag festgehalten – das
    ist ein ganz wichtiger Punkt –, dass dem Bildungsauftrag
    eine ganz bedeutende Aufgabe zukommen muss. Unter-
    suchungen belegen: Je höher der Bildungsgrad ist, desto
    geringer ist die Anfälligkeit für antisemitische Stereo-
    type. Daraus muss man Schlussfolgerungen ziehen. Man
    muss sich immer wieder klar machen, dass man Demo-
    kratie nicht vererben kann, sondern dass Demokratie von
    jeder Generation aufs Neue erlernt werden muss. Des-
    wegen kommt gerade den Schulen und den Hochschulen
    eine besondere Verantwortung zu.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Norbert Lammert [CDU/CSU] und des Abg. Markus Löning [FDP])


    Zum zweiten Aspekt aus dem Gespräch mit der Pro-
    grammdirektorin des Jüdischen Museums. Sie hat zu
    Recht darauf hingewiesen, dass es angesichts der uns al-
    len bekannten Tatsache, dass es einen Teil der Bevölke-
    rung gibt, der antisemitischen Vorurteilen gegenüber an-
    fällig ist – manche Wissenschaftler gehen von 15 Prozent
    aus, manche von 20 Prozent –, eine Kernaufgabe der In-
    stitutionen und Einrichtungen unseres Landes sein muss,
    deutlich zu machen, dass es dafür nicht im Ansatz Tole-
    ranz und Verständnis geben kann.

    Herr Lammert, in diesem Zusammenhang hätte ich es
    gut gefunden – Herr Pflüger wird mich schelten –, wenn
    Sie ein Wort zu Herrn Hohmann gesagt hätten. Das wäre
    nicht zu viel verlangt gewesen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich habe vermisst, dass Sie schnell reagiert und schnell
    Konsequenzen gezogen haben. Norbert Elias, ein großer
    deutscher Soziologe jüdischen Glaubens, hat einmal ge-
    sagt, ein echtes Kennzeichen für Zivilisierung sei, wenn
    man etwas aus eigener Überzeugung heraus tue und nicht,
    weil es einen Fremdzwang gebe. Man halte Normen des-
    halb ein, weil sie Teil der eigenen Identität seien. – Ich
    kann Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, dass mir der
    Eindruck nicht unberechtigt erscheint, dass sich eine
    große demokratische Fraktion im Deutschen Bundestag
    von einem Abgeordneten, der sich antisemitisch geäu-
    ßert hat, weniger aus eigener Überzeugung getrennt hat
    als auf äußeren Druck hin.


    (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Sie sollten das Thema doch nicht instrumentalisieren!)


    Das ist bedauerlich.

    (Hildegard Müller [CDU/CSU]: Eine unglaub liche Unterstellung!)

    In diesem Zusammenhang will ich für die SPD-Frak-

    tion sehr deutlich sagen: Wir sind stolz, dass wir in
    Deutschland einen Verteidigungsminister haben, der Ih-
    nen vorgemacht hat, wie man sofort, also kurzfristig, re-
    agiert, wenn Grenzüberschreitungen von Vertretern ge-
    sellschaftlicher Institutionen begangen werden. Vielen
    Dank, Peter Struck – er ist gerade nicht da –, für dieses
    schnelle Handeln.


    (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Herr Edathy, Sie wissen, dass das ein großer Unterschied war!)


    In unserem Antrag heißt es: „Antisemitisches Den-
    ken, Reden und Handeln haben keinen Platz in Deutsch-
    land“. Das muss mehr als eine Beschwörung sein. Das
    muss mit Leben erfüllt werden. Ich will an dieser Stelle
    meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass Ver-
    treter des Präsidiums des Zentralrates der Juden heute
    auf der Besuchertribüne Platz genommen haben. Herz-
    lich willkommen!


    (Beifall)

    Paul Spiegel hat gesagt: Antisemitismus ist etwas,

    was eigentlich nicht die Juden angeht; denn sie sind Op-
    fer von Antisemitismus. Antisemitismus geht im We-
    sentlichen das nicht jüdische demokratische Gemeinwe-
    sen an. Damit hat er vollkommen Recht. Ich glaube, von
    der heutigen Debatte muss das Signal ausgehen, dass wir
    diese Einschätzung teilen und dass wir denen, die versu-
    chen, Minderheiten in Deutschland auszugrenzen, deut-
    lich machen, dass sie sich selber ausgrenzen und dass
    derjenige, der Minderheiten in Deutschland angreift, das
    Fundament dieser Gesellschaft angreift.

    Wenn wir die Debatte in diesem Sinne führen, dann,
    so denke ich, wird es eine gute Debatte sein.

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Friedbert Pflüger [CDU/ Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7177 Sebastian Edathy CSU]: Sie haben das Thema leider instrumentalisiert, und zwar schlecht! Das war der schlechteste Beitrag!)


    (A) (C)


    (B) (D)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Wolfgang Bötsch

von der CDU/CSU-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Bötsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren Kollegen! Leo Baeck, einer der großen Vertreter
    des Judentums in Deutschland, machte 1945 eine ebenso
    pessimistische wie scheinbar folgerichtige Aussage. Er
    sagte: Die Epoche der Juden in Deutschland ist vorbei.

    Nach der schlimmsten Konsequenz, die Antisemitis-
    mus haben kann, stellte sich zu Recht die Frage, wie je-
    mals wieder ein Leben von Juden in Deutschland – ich
    betone: in Deutschland – möglich sein könne. Herr Kol-
    lege Edathy, wenn Sie Ihre Rede im Protokoll noch ein-
    mal nachlesen, dann werden Sie vielleicht selbst zu der
    Erkenntnis kommen, dass Ihre Anmerkungen gegenüber
    dem Kollegen Lammert und auch Ihre Äußerungen, die
    Sie in parteipolitischer Einseitigkeit meinten tätigen zu
    müssen, in der heutigen Debatte möglicherweise nicht
    ganz angebracht gewesen sind.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mehr als 50 Jahre nach den Äußerungen von Leo

    Baeck gab der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in
    Deutschland, Paul Spiegel, in gewisser Weise die Ant-
    wort, als er von einer Renaissance des Judentums in
    Deutschland sprach. Ein Widerspruch? – Nein. Ein
    Wunder, das sich größtenteils im Stillen vollzog.

    Noch in den 50er-Jahren saßen die Reste jüdischer
    Bevölkerung in Deutschland auf gepackten Koffern.
    Heute wachsen die jüdischen Gemeinden in Deutschland
    zusehends. Um dieses Wunder geschehen zu lassen, war
    vor allem eines notwendig: Mut. Bei der jüdischen Be-
    völkerung war es der Mut, im Land des Holocaust den
    Neuanfang zu wagen und nicht mit vielen anderen – wo-
    für man Verständnis haben kann und muss – nach Israel
    oder in die USA auszuwandern, obwohl antisemitische
    Ressentiments mit dem Ende des Krieges nicht automa-
    tisch aus den Köpfen verschwunden waren, sondern zu
    allen Zeiten in mehr oder weniger deutlicher Form im-
    mer wieder zutage traten.

    Ich meine aber, auch andere, die in Deutschland politisch
    und wirtschaftlich Verantwortung trugen, zeigten – manch-
    mal, Herr Präsident Thierse hat es angedeutet, zu spät – Mut,
    indem sie sich der eigenen Vergangenheit stellten und be-
    reit waren, tatkräftig Wiedergutmachung zu leisten. Nicht
    zuletzt dank der Unterstützung des Staates fasste die jüdi-
    sche Kultur wieder Wurzeln in Deutschland und konnten
    unsere jüdischen Mitbürger Vertrauen in die Demokratie
    und die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland so-
    wie in die Menschen in unserem Land fassen.
    Ich erwähne hier nur den zu Beginn dieses Jahres am
    27. Januar geschlossenen Staatsvertrag mit dem Zentral-
    rat der Juden, der gewissermaßen Abschluss und Beginn
    einer Entwicklung zugleich ist.
    Als Zeuge neu aufblühenden jüdischen Lebens in
    Deutschland kann ich selbst sagen, was etwa in meinem
    Wahlkreis Würzburg tagtäglich passiert. Jahrzehntelang
    stagnierte die dortige jüdische Gemeinde, vor dem Krieg
    ein Zentrum des Judentums in Deutschland, bei knapp
    200 Personen. Durch den Zuzug von Juden aus Osteu-
    ropa stieg die Zahl seit 1991 rapide an, sodass diese Ge-
    meinde in Würzburg und ganz Unterfranken heute über
    1 100 Mitglieder zählt. Gibt es einen klareren Beweis als
    dieses Beispiel dafür, dass Deutschland für viele Men-
    schen jüdischen Glaubens, vor allem aus den Ländern
    der ehemaligen Sowjetunion, heute zum Teil sogar ein
    Hort der Hoffnung geworden ist?

    Gemeinsam mit der Bayerischen Staatsregierung steht
    die jüdische Gemeinde von Würzburg nun vor der ge-
    waltigen Aufgabe, diese neu zugezogenen, zu einem
    großen Teil kulturell entwurzelten Menschen nicht nur
    zu integrieren, sondern ihnen auch mit den Grundlagen
    ihres Glaubens neues Selbstbewusstsein zurückzuge-
    ben. Das bedeutet eine Integrationsleistung, die jüdische
    und nicht jüdische Mitbürger gemeinsam vollbringen.
    Besonders möchte ich in diesem Zusammenhang das
    kürzlich eröffnete jüdische Kulturzentrum „Shalom Eu-
    ropa“ in Würzburg erwähnen, dessen zweiter Bauab-
    schnitt vermutlich 2005 fertig gestellt sein wird, und das
    damit an eine jahrhundertelange wissenschaftliche Tra-
    dition des Judentums in dieser Stadt anknüpft. Es hat
    sich, wie auch das künftige jüdische Gemeindezentrum
    in München, das Gemeindezentrum in Frankfurt oder
    das Jüdische Museum in Berlin, zur Aufgabe gemacht,
    an die große Tradition jüdischen Lebens in Deutschland
    zu erinnern und auch Begegnungsort jüdischer und
    christlicher Kultur zu sein. Damit stehen die jüdischen
    Gemeinden unseres Landes nicht nur voll im Leben der
    Bundesrepublik, sie entwickeln darüber hinaus eine ei-
    gene Integrationskraft. Das ist eine Entwicklung, die
    Hoffnung macht. Sie wird öffentlich noch viel zu wenig
    wahrgenommen, ist aber inzwischen eine Realität.

    Real ist aber auch etwas anderes, das offenbart, wie
    fragil die Grundlage des Zusammenlebens von Juden
    und Nichtjuden in Deutschland noch immer ist: der la-
    tente Antisemitismus. Es ist zumindest ein Beginn und
    ein Anzeichen von Antisemitismus, wenn entweder of-
    fen geäußert oder einmal im Nebensatz Ressentiments
    anklingen, wenn er sich in anonymen und leider immer
    häufiger auch namentlich gekennzeichneten Schmäh-
    briefen oder an Stammtischen äußert. Von solchen An-
    fängen führt ein direkter Weg zu Steinwürfen gegen Sy-
    nagogen, zu geschändeten jüdischen Friedhöfen oder
    wie zuletzt zu geplanten und Gott sei Dank vereitelten
    Anschlägen wie dem gegen die Grundsteinlegungsfeier
    des jüdischen Gemeindezentrums in München.

    Angriffe auf Würde und Leben jüdischer Mitbürger,
    auf jüdische Einrichtungen sowie spektakuläre antisemi-
    tische Vorfälle verunsichern und schockieren uns immer
    wieder. Sie sind lauter als die Erfolge unseres Zusam-
    menlebens. Sie haben das Ziel, dessen Grundlagen zu er-
    schüttern, und sind deshalb ein Angriff gegen uns alle.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


    7178 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003


    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Wolfgang Bötsch

    Ich bin aber der Überzeugung, dass die große Mehr-

    heit unserer Bürger alle Formen von Antisemitismus ab-
    lehnt, über Anschläge auf jüdische Friedhöfe empört ist
    und tiefe Trauer über den dabei zum Ausdruck kommen-
    den Verfall von Sitte und Moral empfindet. Dies zu wis-
    sen sollte unsere jüdischen Mitbürger ermutigen, nicht
    aufzugeben und ihre Entscheidung aufrechtzuerhalten,
    in unserem gemeinsamen Land zu bleiben. Wir wollen
    an ihrem Leben, ihrer Kultur und ihrer Religion teilha-
    ben. Wir werden von staatlicher Seite alles tun, um Anti-
    semitismus in jeder Form und wenn nötig mit der ganzen
    Schärfe des Gesetzes zu bekämpfen. Das Vertrauen von
    Juden in dieses Land darf nicht enttäuscht werden.


    (Beifall im ganzen Hause)

    Deshalb ist es wichtig, Zeichen zu setzen. Hier ist die

    Politik in der Pflicht. Hier sind wir in diesem Bundestag
    in der Pflicht. Ich denke, wir sind dieser Pflicht auch mit
    dem vorliegenden Antrag „Antisemitismus bekämpfen“
    nachgekommen. Ganz besonders erfreulich und ermuti-
    gend ist dabei – das wurde schon erwähnt –, dass dieser
    Antrag so schnell und einmütig von allen Fraktionen be-
    schlossen worden ist.

    Zentral wird weiterhin auch die Auseinandersetzung
    mit Judenverfolgung und Holocaust sein. Hand in
    Hand damit muss aber etwas anderes, nicht weniger Ent-
    scheidendes gehen: Wissensvermittlung. Ihre Erfahrung
    mit der Präsidentin des Jüdischen Museums greife ich
    gern auf und kann sie nur bestätigen. Bund, Länder und
    Gemeinden müssen es sich zur Pflicht machen, Projekte
    des Zusammenlebens, die ich erwähnt habe, zu unter-
    stützen, um jüdisches Leben in Deutschland bekannt und
    verständlich zu machen. Noch wird in deutschen Schul-
    büchern kaum vermittelt, welch außerordentlichen Bei-
    trag jüdische Mitbürger in vielen Jahren vor allem in
    wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und kultureller Hin-
    sicht für unser Land geleistet haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der SPD)


    Weit mehr als bisher muss deshalb der Schulunter-
    richt Wissen über jüdische Kultur und Geschichte in
    Deutschland vermitteln. Es ist dringend erforderlich, das
    Wiederaufblühen jüdischen Lebens in der Bildungs- und
    Kulturarbeit mehr als bisher zu begleiten, damit es ein
    neues Kapitel der Beziehungen mit unseren Mitbürgern
    jüdischen Glaubens einleiten kann.

    Lassen Sie uns die damit verbundene Hoffnung nicht
    enttäuschen, damit eine Zukunft hat, was die Präsidentin
    der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte
    Knobloch, bei der Grundsteinlegung für das neue Jüdi-
    sche Zentrum in München gesagt hat:

    Seit jenem November 1938 ist ein Teil von mir, ein
    Teil meiner Koffer immer noch auf der Flucht. Am
    Abend des heutigen Tages jedoch, des
    9. November 2003, werde ich diese Koffer öffnen
    und damit beginnen, … jedes einzelne Teil an den
    Platz zu räumen, den ich dafür die letzten 65 Jahre
    freigehalten habe. Denn heute, nach genau
    65 Jahren, bin auch ich wieder ganz in meiner Hei-
    mat angekommen.
    Unsere jüdischen Mitbürger sollen wissen: Sie sind mit
    uns in unserer gemeinsamen Heimat angekommen.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)