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ID1508200200

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    Plenarprotokoll 15/82 a) Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregierung zum Europäischen Rat in Brüssel am 12./13. Dezember 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union . . . . . . . . . . . – zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Die Errungen- schaften des Konvents sichern – das europäische Verfassungspro- jekt erfolgreich vollenden . . . . . . – zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Hintze, Michael Stübgen, Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Daseinsvorsorge nicht gegen Wettbewerb ausspielen (Drucksachen 15/1712, 15/2183) . . . . Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . Anna Lührmann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 7130 B 7130 B 7130 B 7130 D 7130 D 7135 C 7139 B 7141 B 7143 A 7145 A Deutscher B Stenografisc 82. Sit Berlin, Donnerstag, de I n h a Nachträgliche Gratulation zum 60. Geburtstag des Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg) Benennung des Abgeordneten Dr. Dieter Wiefelspütz als ordentliches Mitglied und des Abgeordneten Wilhelm Schmidt (Salz- gitter) als stellvertretendes Mitglied in die ge- meinsame Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung des Tagesordnungspunktes 10 . . . Tagesordnungspunkt 3: 7129 A 7129 B 7129 B 7130 B weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Für eine zügige Regierungskonferenz über die EU-Verfassung . . . . . . . . 7130 C undestag her Bericht zung n 11. Dezember 2003 l t : – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Gauweiler, Klaus Hofbauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Gottesbezug im europäischen Verfassungsvertrag . . . . . . . . . . . – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Preis- stabilität als Ziel im EU-Verfas- sungsvertrag festschreiben – Un- abhängigkeit der Europäischen Zentralbank sichern (Drucksachen 15/1878, 15/1694, 15/1695, 15/1801, 15/2188) . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des 7130 C 7130 C Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . . Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . . . . . . Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7146 D 7147 B 7147 D II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 Michael Roth (Heringen) SPD . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger FDP . . Rainder Steenblock BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerd Müller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU . . . . . Markus Meckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Gauweiler CDU/CSU . . . . . . . . . . . Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Gauweiler CDU/CSU . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: a) Vereinbarte Debatte: Antisemitismus bekämpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der FDP: Antise- mitismus bekämpfen (Drucksache 15/2164) . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Gert Weisskirchen (Wiesloch), Wolfgang Thierse, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD, der Abgeordne- ten Claudia Nolte, Hans Raidel, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Dr. Ludger Volmer, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN sowie der Abgeordneten Markus Löning, Helga Daub, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP: Für eine OSZE-Antisemitismuskon- ferenz in Berlin 2004 (Drucksache 15/2166) . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Thierse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Löning FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sebastian Edathy SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Bötsch CDU/CSU . . . . . . . . . . 7148 A 7149 A 7151 A 7152 B 7154 C 7156 D 7158 C 7159 C 7160 C 7162 B 7163 B 7163 D 7164 C 7168 D 7165 A 7165 A 7165 A 7165 B 7171 A 7172 C 7174 A 7175 B 7177 A Claudia Roth (Augsburg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . Christoph Hartmann (Homburg) FDP . . . . . . Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . Reinhard Grindel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . . . . . . Hildegard Müller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der FDP: Schutz von bedrohten Menschenrechtsver- teidigern (Drucksache 15/2078) . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: – Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament – Intensivierung der EU-Maßnah- men für die Mittelmeer-Partner- länder in den Bereichen Menschenrechte und Demokrati- sierung – Strategische Leitlinien (Drucksachen 15/1280 Nr. 240, 15/1633) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Hermann Gröhe, Dr. Egon Jüttner, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Rainer Funke, Sabine Leutheusser- Schnarrenberger und der Fraktion der FDP: Den Friedensprozess im Sudan unterstützen (Drucksache 15/2152) . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Stär- kung der Menschenrechte in Afghanis- tan (Drucksache 15/2168) . . . . . . . . . . . . . . . 7178 C 7179 B 7180 B 7181 A 7182 C 7184 B 7184 C 7185 C 7187 B 7189 B 7189 B 7189 C 7189 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 III in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Rainer Funke, Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gegen eine Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber der Volksrepublik China (Drucksache 15/2169) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Rainer Funke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für eine Reform und Stärkung der Menschenrechtskommission (Drucksache 15/2174) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Rainer Funke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für die Einhaltung der grundle- genden Menschenrechte und Grund- freiheiten in Guantanamo Bay (Drucksache 15/2175) . . . . . . . . . . . . . . . . Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hermann Gröhe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Christa Nickels BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) SPD . . . . . . . . . Melanie Oßwald CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Claudia Roth (Augsburg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Haibach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Irmgard Karwatzki CDU/CSU . . . . . . . . . . . Brigitte Wimmer (Karlsruhe) SPD . . . . . . . . Claudia Nolte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Änderungsprotokoll vom 22. Juni 1998 zum Europäischen Über- einkommen zum Schutz der für Versu- 7189 C 7189 D 7189 D 7190 A 7191 D 7192 D 7194 B 7195 D 7197 C 7198 D 7200 A 7201 A 7201 D 7203 C che und andere wissenschaftliche Zwe- cke verwendeten Wirbeltiere (Drucksache 15/2143) . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 6. November 1997 über die Staatsangehörigkeit (Drucksache 15/2145) . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der FDP: Die deutsch-koreanischen Beziehungen dynamisch fortentwickeln (Drucksache 15/2167) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Über- einkommen aufgrund von Art. K.3 des Vertrags über die Europäische Union vom 26. Juli 1995 über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich (Drucksachen 15/1969, 15/2185) . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Übereinkommens aufgrund von Art. K.3 des Vertrags über die Euro- päische Union vom 26. Juli 1995 über den Einsatz der Informa- tionstechnologie im Zollbereich, zu dem Protokoll gemäß Art. 34 des Vertrags über die Europäische Union vom 8. Mai 2003 zur Ände- rung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich hinsichtlich der Ein- richtung eines Aktennachweissys- tems für Zollzwecke sowie zur Ver- ordnung (EG) Nr. 515/97 des Rates vom 13. März 1997 über die gegen- seitige Amtshilfe zwischen Verwal- tungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörde mit der Kommission im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und Agrarre- gelung (ZIS-Ausführungsgesetz) (Drucksachen 15/1970, 15/2130, 15/2186) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7205 A 7205 A 7205 B 7205 B 7205 C IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 c) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 15/1672, 15/2176) . . . . d) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Aufhebung des Art. 232 § 2 Abs. 2 des Einführungs- gesetzes zum Bürgerlichen Gesetz- buche (Drucksachen 15/1490, 15/2189) . . . . e) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Grunderwerb- steuerbefreiung bei Fusionen von Wohnungsunternehmen und Woh- nungsgenossenschaften in den neuen Ländern (Drucksachen 15/1407, 15/2187) . . . . f) – Zweite Beratung und Schlussab- stimmung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zu dem Vertrag vom 6. März 2002 zwischen der Bun- desrepublik Deutschland und der Republik Mosambik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 15/1845, 15/2091) – Zweite Beratung und Schlussab- stimmung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zu dem Vertrag vom 6. August 2001 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 15/1846, 15/2091) – Zweite Beratung und Schlussab- stimmung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Oktober 2001 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Bosnien und Herzegowina über die Förderung und den ge- genseitigen Schutz von Kapital- anlagen (Drucksachen 15/1847, 15/2091) g) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen (OlympSchG) (Drucksachen 15/1669, 15/2190) . . . . 7206 A 7206 B 7206 C 7207 A 7207 A 7207 B 7207 C h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Jörg Tauss, Eckhardt Barthel (Berlin), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Grietje Bettin, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Chancengleichheit in der globalen Informationsgesellschaft si- chern – VN-Weltgipfel zum Erfolg führen (Drucksachen 15/1988, 15/2184) . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: a) – f) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 81, 82, 83, 84, 85 und 86 zu Petitionen (Drucksachen 15/2177, 15/2178, 15/2179, 15/2180, 15/2181, 15/2182) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Beschlussempfehlung und Bericht des 1. Untersuchungsausschusses nach Art. 44 des Grundgesetzes (Drucksache 15/2100) . . . . . . . . . . . . . . . Peter Altmaier CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Uwe Benneter SPD . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . Jerzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU . . Florian Pronold SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Dr. Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP: Unterstützung der Bewerbung der Stadt Leipzig mit dem Segelstandort Rostock um die Ausrich- tung der XXX. Olympischen Sommer- spiele und der XIV. Paralympics 2012 (Drucksache 15/2170) . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Wieczorek (Böhlen) SPD . . . . . . . . . Eberhard Gienger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 7207 D 7208 A 7208 C 7208 D 7210 D 7213 A 7214 C 7216 C 7218 C 7219 C 7221 B 7223 A 7224 A 7224 A 7225 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 V Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Götz-Peter Lohmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Riegert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Danckert SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Dr. Maria Flachsbarth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Tierversuche in der europäischen Chemikaliengesetzgebung auf ein Mini- mum begrenzen (Drucksache 15/1982) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth CDU/CSU . . . . . . . . . Heinz Schmitt (Landau) SPD . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth CDU/CSU . . . . . . Peter Bleser CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wilhelm Priesmeier SPD . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP: Neue EU-Wertpa- pierdienstleistungsrichtlinie (Drucksache 15/2171) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Mögliche Inte- ressenüberschneidungen bei der Ver- gabe öffentlicher Mittel über die Bun- desanstalt für Arbeit auf allen Ebenen nachhaltig vermeiden (Drucksache 15/771) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Werner Bertl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Markus Kurth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Max Straubinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 7226 C 7227 C 7228 C 7229 D 7231 A 7232 C 7232 D 7234 A 7235 B 7236 B 7236 C 7237 C 7238 D 7240 A 7240 A 7240 B 7241 C 7243 D 7245 B 7245 D 7246 D Tagesordnungspunkt 11: Vereinbarte Debatte zur europäischen Perspektive für Gesamtzypern Günter Gloser SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Helias CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Rainder Steenblock BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Claudia Winterstein FDP . . . . . . . . . . . . Thomas Rachel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Blank, Gerhard Wächter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Interes- sen des deutschen Verkehrsgewerbes wirksam erhalten und sichern – Chancen zur Förderung des deut- schen Transportgewerbes national und international ergreifen (Drucksachen 15/926, 15/1398) . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Fairer Wettbewerb für das deutsche Güterkraftverkehrsge- werbe (Drucksache 15/1592) . . . . . . . . . . . . . Uwe Beckmeyer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Albert Schmidt (Ingolstadt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Wächter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Tagespflege als Baustein zum bedarfsgerechten Kin- derbetreuungsangebot – Bessere Rah- menbedingungen für Tagesmütter und -väter, Eltern und Kinder (Drucksache 15/1590) . . . . . . . . . . . . . . . . 7248 A 7249 C 7250 D 7251 C 7252 B 7253 B 7253 C 7253 C 7255 A 7257 A 7258 C 7259 D 7261 D 7263 A VI Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Zwölf- ten Gesetzes zur Änderung des Arznei- mittelgesetzes (Drucksache 15/2109) . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Christine Scheel, Kerstin Andreae, Friedrich Ostendorff, Dr. Reinhard Loske, Hans-Josef Fell, Albert Schmidt (Ingolstadt) und Dr. Antje Vogel- Sperl (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Gottesbezug im europäischen Verfassungsvertrag (Ta- gesordnungspunkt 3 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Christa Nickels, Werner Schulz (Berlin), Josef Philip Winkler und Thilo Hoppe (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Gottesbezug im europäischen Verfassungs- vertrag (Tagesordnungspunkt 3 b) . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Michael Roth (Heringen), Rainer Arnold, Sabine Bätzing, Klaus Uwe Benneter, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Peter Dreßen, Siegmund Ehrmann, Annette Faße, Gabriele Frechen, Rainer Fornahl, Günter Gloser, Uwe Göllner, Dieter Grasedieck, Monika Griefahn, Kerstin Griese, Gabriele Groneberg, Bettina Hagedorn, Klaus Hagemann, Michael Hartmann (Wackern- heim), Reinhold Hemker, Stephan Hilsberg, Frank Hofmann (Volkach), Klaas Hübner, Brunhilde Irber, Renate Jäger, Klaus Werner Jonas, Dr. h. c. Susanne Kastner, Dr. Heinz Köhler, Karin Kortmann, Volker Kröning, Horst Kubatschka, Ute Kumpf, Christian Lange (Backnang), Dr. Elke Leonhard, 7263 C 7263 D 7265 A 7265 B 7265 C Eckhart Lewering, Gabriele Lösekrug-Möller, Hilde Mattheis, Markus Meckel, Ulrike Merten, Dietmar Nietan, Dr. Erika Ober, Heinz Paula, Dr. Sascha Raabe, Reinhold Robbe, Dagmar Schmidt (Meschede), Ottmar Schreiner, Wolfgang Spanier, Dr. Margrit Spielmann, Jörg-Otto Spiller, Wolfgang Thierse, Andreas Weigel, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Jochen Welt und Engelbert Wistuba (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Gottesbezug im europäischen Verfassungs- vertrag (Tagesordnungspunkt 3 b) . . . . . . . . Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Kurt Bodewig, Ute Berg, Heidi Wright und Helga Kühn-Mengel (alle SPD) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Gottesbezug im eu- ropäischen Verfassungsvertrag (Tagesord- nungspunkt 3 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Rolf Stöckel (SPD) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Gottesbezug im europäischen Ver- fassungsvertrag (Tagesordnungspunkt 3 b) Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Vera Lengsfeld, Günter Nooke, Renate Blank, Bernd Neumann (Bremen) und Dr. Peter Gauweiler (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Be- richt zu dem Antrag: Antisemitismus be- kämpfen (Tagesordnungspunkt 3 b) . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Neue EU-Wertpapierdienst- leistungsrichtlinie (Tagesordnungspunkt 9) Stephan Hilsberg SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leo Dautzenberg CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Georg Fahrenschon CDU/CSU . . . . . . . . . . Hubert Ulrich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Andreas Pinkwart FDP . . . . . . . . . . . . . . 7266 A 7266 D 7267 A 7267 B 7267 D 7269 B 7270 A 7271 A 7271 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 VII Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Tagespflege als Baustein zum bedarfsgerechten Kinderbetreuungsange- bot – Bessere Rahmenbedingungen für Ta- gesmütter und -väter, Eltern und Kinder (Tagesordnungspunkt 13) Caren Marks SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Fischbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (Tages- ordnungspunkt 20) Dr. Marlies Volkmer SPD . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolf Bauer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Dieter Thomae FDP . . . . . . . . . . . . . . . . Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . 7272 A 7273 D 7275 C 7276 A 7276 D 7277 D 7279 D 7280 C 7281 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7129 (A) (C) (B) (D) 82. Sit Berlin, Donnerstag, de Beginn: 9
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    2) Anlage 10 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7265 (A) (C) (B) (D) in der europäischen Verfassung zu verankern, befür- worte ich. haben, die Grundlagen jener Werte zu schaffen, die die europäische Tradition ausmachen. lich-jüdischen und humanistischen Traditionen Europas und auch die humanistische Tradition dazu beigetragen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Christine Scheel, Kerstin Andreae, Friedrich Ostendorff, Dr. Reinhard Loske, Hans-Josef Fell, Albert Schmidt (Ingolstadt) und Dr. Antje Vogel-Sperl (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Gottesbezug im europäischen Verfassungsvertrag (Tagesord- nungspunkt 3 b) Ich stimme dem Antrag auf Drucksache 15/1695 nicht zu. Die Forderung, einen Bezug auf Gott, auf die christ- Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Berg, Axel SPD 11.12.2003 Bollmann, Gerd Friedrich SPD 11.12.2003 Fritz, Erich G. CDU/CSU 11.12.2003 Göppel, Josef CDU/CSU 11.12.2003 Hartenbach, Alfred SPD 11.12.2003 Heller, Uda Carmen Freia CDU/CSU 11.12.2003 Hettlich, Peter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11.12.2003 Dr. Hoyer, Werner FDP 11.12.2003 Dr. Mützenich, Rolf SPD 11.12.2003 Nitzsche, Henry CDU/CSU 11.12.2003 Sauer, Thomas SPD 11.12.2003 Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11.12.2003 Steinbach, Erika CDU/CSU 11.12.2003 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11.12.2003 Türk, Jürgen FDP 11.12.2003 Anlagen zum Stenografischen Bericht Mit der Erwähnung Gottes in der Präambel der EU- Verfassung würde ein Maßstab für verantwortliches Handeln in Politik und Gesellschaft benannt. Der expli- zite Gottesbezug würde daran erinnern und sicherstellen, dass weder der Gedanke der Nation noch der Rasse, des Staates oder einer Ideologie absolute Geltung über Men- schen beanspruchen darf. Das wäre eine Mahnung, die vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen wie der eu- ropäischen Geschichte für sich Verfassungsrang bean- spruchen kann. Dem Antragstext einschließlich seiner Begründung kann ich dennoch nicht zustimmen, da er sich aus- schließlich auf die christlich-abendländische Wertetradi- tion bezieht. Damit wird vergessen, dass auch die jüdi- sche und zu bestimmten Zeiten die islamische und auch die humanistische Tradition dazu beigetragen haben, die Grundlagen jener unteilbaren und universalistischen Werte zu schaffen, die die europäische Tradition ausma- chen, die Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität. Damit grenzt der Antrag bewusst Religionen oder Weltanschauungen aus, die Europa eben auch politisch, kulturell und spirituell geprägt haben. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Christa Nickels, Werner Schulz (Berlin), Josef Philip Winkler und Thilo Hoppe (alle BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Be- schlussempfehlung und den Bericht zu dem An- trag: Gottesbezug im europäischen Verfas- sungsvertrag (Tagesordnungspunkt 3 b) Wir unterstützen die Forderung, den Gottesbezug im europäischen Verfassungsvertrag mit der Formulierung zu verankern: „In dem Bewusstsein der Verantwortung vor Gott, den Menschen und dem, was Europa seinem geistig-reli- giösen Erbe schuldet, gründet sich die Union auf die un- teilbaren und universellen Werte der Würde des Men- schen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität.“ Mit der Erwähnung Gottes in der Präambel der EU- Verfassung wird ein Maßstab für verantwortliches Han- deln in Politik und Gesellschaft benannt. Der explizite Gottesbezug erinnert daran, dass weder der Gedanke der Nation, des Staates, noch einer Rasse oder Ideologie ab- solute Geltung über Menschen beanspruchen darf. Wir stimmen aber nicht der Begründung zu, die sich ausschließlich auf die christlich-abendländische Werte- tradition bezieht. Demgegenüber betonen wir, dass auch die jüdische und zu bestimmten Zeiten die islamische 7266 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 (A) (C) (B) (D) „Der eigene Erfahrungshorizont muss sich öffnen für neues Denken und neues Verstehen, ohne sich zugleich von den eigenen Grundwerten zu verabschieden oder sich einem Werterelativismus zu verschreiben.“ Diesem Verfassungsverständnis, das der Präsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse, formuliert hat, schlie- ßen wir uns an und haben deshalb dem Antrag zuge- stimmt. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Michael Roth (Heringen), Rainer Arnold, Sabine Bätzing, Klaus Uwe Benneter, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Peter Dreßen, Siegmund Ehrmann, Annette Faße, Gabriele Frechen, Rainer Fornahl, Günter Gloser, Uwe Göllner, Dieter Grasedieck, Monika Griefahn, Kerstin Griese, Gabriele Groneberg, Bettina Hagedorn, Klaus Hagemann, Michael Hartmann (Wackern- heim), Reinhold Hemker, Stephan Hilsberg, Frank Hofmann (Volkach), Klaas Hübner, Brunhilde Irber, Renate Jäger, Klaus Werner Jonas, Dr. h. c. Susanne Kastner, Dr. Heinz Köhler, Karin Kortmann, Volker Kröning, Horst Kubatschka, Ute Kumpf, Christian Lange (Backnang), Dr. Elke Leonhard, Eckhart Lewering, Gabriele Lösekrug-Möller, Hilde Mattheis, Markus Meckel, Ulrike Merten, Dietmar Nietan, Dr. Erika Ober, Heinz Paula, Dr. Sascha Raabe, Reinhold Robbe, Dagmar Schmidt (Meschede), Ottmar Schreiner, Wolfgang Spanier, Dr. Margrit Spielmann, Jörg-Otto Spiller, Wolfgang Thierse, Andreas Weigel, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Jochen Welt und Engelbert Wistuba (alle SPD) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Gottesbezug im euro- päischen Verfassungsvertrag (Tagesordnungs- punkt 3 b) Ich stimme dem Antrag auf Drucksache 15/1695 aus zwei Gründen nicht zu, obwohl auch ich einen Gottesbe- zug in der europäischen Verfassung, der sich nicht allein auf eine Religion oder Glaubensgemeinschaft bezieht, befürworte. Mit der Erwähnung Gottes in der Präambel der EU- Verfassung würde ein Maßstab für verantwortliches Handeln in Politik und Gesellschaft benannt. Der expli- zite Gottesbezug würde daran erinnern und sicherstellen, dass weder der Gedanke der Nation noch der Rasse, des Staates oder einer Ideologie absolute Geltung über Men- schen beanspruchen darf. Das wäre eine Mahnung, die vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen wie der eu- ropäischen Geschichte für sich Verfassungsrang bean- spruchen kann. Jedoch verengt der Antrag der CDU/CSU-Fraktion den Gottesbezug auf die christlich-abendländische Aus- richtung und verkennt damit andere monotheistische und weitere Glaubenstraditionen in Europa. Er grenzt damit bewusst Religionen oder Weltanschauungen aus, die Eu- ropa eben auch politisch, kulturell und spirituell geprägt haben. Zum arideren fehlt es dem Antrag an der bei diesem Thema nötigen Sensibilität. Ein Gottesbezug stellt keine gemeinsame Verfassungstradition der jetzigen und zu- künftigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union dar. Nur wenige Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten ken- nen überhaupt einen Gottesbezug. Für andere Staaten ist hingegen der Laizismus sogar konstitutiv. Dieser gesam- ten Breite der Verfassungstraditionen ist bei den Ver- handlungen angemessen Rechnung zu tragen. Daher kann ich der Aufforderung des Antrags, die Bundesre- gierung möge zur Durchsetzung dieses Ziels alle ihr zur Verfügung stehenden Kräfte einsetzen, nicht zustimmen. Für die Rolle und Stellung der Religionen und Kir- chen sieht der europäische Verfassungsentwurf und die in ihm verankerte EU-Charta der Grundrechte erhebliche Verbesserungen vor. Dies ist im Vergleich zu den gelten- den europäischen Verträgen ein echter Substanzgewinn. Die vom Antrag geforderte rigorose Durchsetzung des Gottesbezuges könnte diesen wie andere wichtige Fort- schritte für die Demokratie in Europa, die Handlungsfä- higkeit der Europäischen Union und die Transparenz ihrer Politik gefährden. Ein Scheitern der Regierungs- konferenz an dieser Frage darf es daher nicht geben. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Kurt Bodewig, Ute Berg, Heidi Wright und Helga Kühn-Mengel (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung und den Bericht zu dem Antrag: Got- tesbezug im europäischen Verfassungsvertrag (Tagesordnungspunkt 3 b) Ich stimme dem Antrag auf Drucksache 15/1695 aus zwei Gründen nicht zu, obwohl auch ich einen Gottesbe- zug in der europäischen Verfassung, der sich nicht allein auf eine Religion oder Glaubensgemeinschaft bezieht, befürworte. Mit der Erwähnung Gottes in der Präambel der EU- Verfassung würde ein Maßstab für verantwortliches Handeln in Politik und Gesellschaft benannt. Der expli- zite Gottesbezug würde daran erinnern und sicherstellen, dass weder der Gedanke der Nation noch der Rasse, des Staates oder einer Ideologie absolute Geltung über Men- schen beanspruchen darf. Das wäre eine Mahnung, die vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen wie der eu- ropäischen Geschichte für sich Verfassungsrang bean- spruchen kann. Es fehlt dem Antrag an der bei diesem Thema nötigen Sensibilität. Ein Gottesbezug stellt keine gemeinsame Verfassungstradition der jetzigen und zukünftigen Mit- gliedstaaten der Europäischen Union dar. Nur wenige Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten kennen überhaupt einen Gottesbezug. Für andere Staaten ist hingegen der Laizismus sogar konstitutiv. Dieser gesamten Breite der Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7267 (A) (C) (B) (D) Verfassungstraditionen ist bei den Verhandlungen ange- messen Rechnung zu tragen. Daher kann ich der Auffor- derung des Antrags, die Bundesregierung möge zur Durchsetzung dieses Ziels alle ihr zur Verfügung stehen- den Kräfte einsetzen, nicht zustimmen. Für die Rolle und Stellung der Religionen und Kir- chen sieht der europäische Verfassungsentwurf und die in ihm verankerte EU-Charta der Grundrechte erheb- liche Verbesserungen vor. Dies ist im Vergleich zu den geltenden europäischen Verträgen ein echter Substanz- gewinn. Die vom Antrag geforderte rigorose Durchset- zung des Gottesbezuges könnte diesen wie andere wichtige Fortschritte für die Demokratie in Europa, die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union und die Transparenz ihrer Politik gefährden. Ein Scheitern der Regierungskonferenz an dieser Frage darf es daher nicht geben. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Rolf Stöckel (SPD) zur Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Gottesbezug im europäischen Verfassungsvertrag (Tagesord- nungspunkt 3 b) Ich lehne einen Gottesbezug in einer europäischen Verfassung ausdrücklich ab, da der Monotheismus nicht Teil einer gemeinsamen europäischen Werteordnung ist und sein kann. Abzulehnen ist auch die Privilegierung einzelner, be- stimmter Religionsgemeinschaften, die aus nationalem Recht in die europäischen Verfassung übernommen wer- den soll. Alle religions- und Weltanschauungsgemein- schaften sind gleichzustellen und gleich zu behandeln. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Vera Lengsfeld, Günter Nooke, Renate Blank, Bernd Neumann (Bre- men) und Dr. Peter Gauweiler (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag: Antisemitis- mus bekämpfen (Tagesordnungspunkt 3 b) Wir stimmen dem Antrag „Antisemitismus bekämp- fen“ zu. Wir halten den Antrag aber gemessen an seinem Punkt 1 für ausgewogen. Die Behauptung, dass antisemitische Ressentiments nicht nur bei Randgruppe sondern weit in die Gesell- schaft hinein spürbar seien, steht im Widerspruch zu der zutreffenden Feststellung im Antrag, dass „die große Mehrheit der Menschen in Deutschland“ den Antisemi- tismus entschieden ablehne. Warum an dieser Stelle nicht von „den Deutschen“, sondern von den „Menschen in Deutschland“ die Rede, ist auf den ersten Blick un- klar. Am bedenklichsten ist, dass der Begriff „Antisemi- tismus“ im Antrag zwar nicht definiert wird, dass er aber den Antizionismus“, seine ideologischen und politischen Motive, seine Vertreter und seine Sympathisanten von vornherein ausklammert. Eine 112-seitige EU-Studie, die weiterhin auf Betrei- ben der in Wien ansässigen Beobachtungsstelle für Ras- sismus und Xenophobie (EUMC) zurückgehalten wird, belegt, dass die Gruppen, die vor allem verantwortlich sind für die jüngsten Übergriffe auf jüdische Einrichtun- gen in Europa, vor allem aus jungen Zuwanderern beste- hen. Außerdem zeigt die EU-Studie, dass in Teilen der Linken und der Globalisierungsgegner antisemitische Stereotypen benutzt werden, um Israel zu diffamieren. Damit ist eine Grenze überschritten worden, von der in einem Antrag gegen den Antisemitismus die Rede sein müsste. Es gibt und gab in den letzten Jahren und Jahrzehnten auf der Seite der politischen Linken eine Mobilisierung gegen Israel, die oft demagogisch und nicht immer frei von Vorurteilen ist. Die Antragsteller hätten den Mut ha- ben müssen, diese unguten Tendenzen beim Namen zu nennen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Neue EU-Wert- papierdienstleistungsrichtlinie (Tagesordnungs- punkt 9) Stephan Hilsberg (SPD): In diesen innenpolitisch so bewegten Zeiten nehme ich gern die Gelegenheit wahr, mich zu einem gemeinsamen Antrag der Fraktio- nen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP zu äußern. Es gibt eben doch mehr Gemeinsam- keiten, als dies gelegentlich im Rahmen tagespolitischer Ereignisse und Meldungen den Anschein hat. Der Antrag zu dem Entwurf einer neuen EU-Wertpa- pierdienstleistungsrichtlinie befasst sich mit einem für einen einheitlichen europäischen Markt wesentlichen Segment der Finanzdienstleistung. Er ist eingebunden in die Bemühungen um die Schaffung eines einheitlichen europäischen Marktes für Finanzdienstleistungen. Es geht nicht zuletzt auch um die Position der EU im inter- nationalen Wettbewerb im Bereich der Finanzdienstleis- tungen. Die Vollendung und die Umsetzung des von der EU- Kommission aufgestellten Aktionsplans Finanzdienst- leistungen stellt einen fundamentalen Schritt hin zu ei- nem integrierten europäischen Finanzmarkt dar. Unter maßgeblicher deutscher Mitgestaltung sind bis heute 36 der 42 Maßnahmen des EU-Aktionsplans abgeschlos- sen. Dieses Ergebnis wird von allen Beteiligten zu Recht bereits jetzt als großer Erfolg bewertet. Der Aktionsplan Finanzdienstleistungen ist in die so genannte Lissabon- Strategie eingebunden. Hiernach soll die EU bis zum Jahr 2010 zur weltweit wettbewerbsstärksten wissensba- sierten Volkswirtschaft der Welt fortentwickelt werden. 7268 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 (A) (C) (B) (D) Der Bereich der Wertpapierdienstleistungen ist zwar mittels der fast zehn Jahre alten Wertpapierdienstleis- tungsrichtlinie bereits europaweit einheitlichen Regelun- gen unterworfen. Die seither an den Finanzmärkten statt- gefundenen rasanten Entwicklungen haben aber auch erneuten Regulierungs- und Reformbedarf für die recht- lichen Rahmenbedingungen des Wertpapierhandels deutlich gemacht. Die EU-Kommission hat daher im November 2002 einen Richtlinienvorschlag vorgelegt. Dieser sieht neben der Regulierung von Wertpapier- dienstleistungsunternehmen auch die Regulierung von Börsen sowie anderen Handelssystemen vor. Die Verhandlungen zu diesem Richtlinienentwurf sind unter großem Zeitdruck geführt worden und haben bereits am 7. Oktober einen vorläufigen Schlusspunkt mit der im Rahmen einer Ecofin-Tagung erzielten politi- schen Einigung gefunden. Dieser Zeitdruck resultiert zum einen aus der Notwendigkeit, möglichst schnell zu sachgerechten Regelungen für die EU-Mitgliedstaaten zu kommen. Zugleich ist er allerdings auch dadurch be- stimmt, dass im nächsten Jahr Neuwahlen zum Europäi- schen Parlamten stattfinden; soll es noch im kommenden Jahr zur Verabschiedung einer Richtlinie des Europäi- schen Parlaments und des Rates kommen, müssen wir bis spätestens Mai nächsten Jahres eine Lösung haben. Ungeachtet dieses Zeitdrucks sind die Beratungen von allen Beteiligten mit großem Ernst und Sorgfalt ge- führt worden; die deutsche Delegation hat mit großem Engagement aktiv an diesen Beratungen mitgewirkt. Die Diskussion zwischen den Mitgliedstaaten – nicht zuletzt anlässlich der Ecofin-Sitzung am 7. Oktober 2003 – und das Abstimmungsergebnis haben allerdings auch klar gezeigt, dass nicht alle Mitgliedstaaten den gefundenen Kompromiss mittragen wollten: Das Vereinigte König- reich, Irland, Luxemburg, Finnland und Schweden haben gegen den unter italienischer Präsidentschaft erarbeite- ten Kompromiss gestimmt. Die Bundesregierung hinge- gen hielt und hält den erzielten Kompromiss insgesamt für tragfähig und hat diesem daher auch zugestimmt. Die Beratungen über den Kommissionsentwurf haben sich im Wesentlichen schwerpunktmäßig auf drei The- menbereiche konzentriert, welche auch zutreffend in dem vorliegenden Antrag aller Fraktionen kommentiert sind. In den Jahren seit In-Kraft-Treten der ersten Wertpa- pierdienstleistungsrichtlinie haben sich rein bilaterale Handelssysteme entwickelt. So haben Wertpapierdienst- leistungsinstitute im Rahmen eines als „Internalisierung“ bezeichneten Verfahrens zunehmend Wertpapierorder für ihre Kunden nicht mehr an einem offenen, allgemein zugänglichen Marktplatz – der Börse – abgewickelt, sondern auf bankintern bilateralen Systemen gegen ihren eigenen Handelsbestand oder gegen andere Kundenor- ders ausgeführt. Die Betreiber dieser Systeme liefern den Anlegern geringere Transaktionskosten und eine besonders schnelle Abwicklung. Derartige Angebote können es dem Anleger reizvoll erscheinen lassen, seine Orders im Rahmen eines solchen Systems zu tätigen. Zugleich kön- nen sie auch belebend auf den Wettbewerb im Verhältnis zu den etablierten Märkten, sprich „Börsen“, wirken. Nicht zu verkennen ist allerdings die Gefahr, welche in der Fragmentierung der Wertpapiermärkte bei einem solchen Nebeneinander verschiedener Transaktionssys- teme besteht: Der Preisbildungsprozess, der bislang transparent über die Börsen ablief, könnte negativ beein- flusst werden; eine möglicherweise sinkende Markteffi- zienz träfe private und institutionelle Anleger, aber auch emittierende Unternehmen. Dieser Gefahr versucht der Richtlinienentwurf da- durch zu begegnen, dass er ein spezifisches aufsichts- rechtliches System für Internalisierungssysteme schafft, dessen zentrales Element die Herstellung von Transpa- renz – und zwar Vor- und Nachhandelstransparenz – auch für Internalisierer schafft. In diesem Ansatz sind sich Europäisches Parlament und Rat im Grunde einig; die Regelungen in den Entwürfen beider Institutionen hierzu können als gute Grundlage für die Erarbeitung ei- ner möglichst einvernehmlichen Lösung dienen. Allerdings ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass gerade an der zentralen Frage der „Internalisierung“ die Auseinandersetzungen sowohl in der Rats-Arbeits- gruppe als auch im Rahmen der Ecofin-Tagung am 7. Oktober kulminierten: Insbesondere das Vereinigte Königreich und Irland, aber auch die skandinavischen Länder sehen die im Kompromissvorschlag enthaltenen Regelungen als zu weit gehend an; sie befürchten eine Beeinträchtigung der Position ihrer Banken auf diesem Geschäftsfeld. Aus deutscher Sicht ist hingegen die ge- fundene Lösung im Grundsatz als Kompromiss tragfä- hig; da ein Kompromiss immer auch noch Wünsche of- fen lässt, wären auch aus deutscher Sicht noch Verbesserungen in den Formulierungen denkbar. Diese dürfen allerdings nicht zu einer Aufweichung der gefun- denen Regularien führen. Ausgeklammert bleiben soll- ten nach wie vor die Teile des Handels mit professionel- len Investoren, die regelmäßig speziellen bilateralen Vereinbarungen unterliegen, zum Beispiel der Telefon- handel; insoweit werden keinerlei Systeme vorgehalten. Ein weiterer Regelungsbereich der Richtlinie ist die mit dem Stichwort „best execution“ umrissene Ver- pflichtung zur bestmöglichen Ausführung von Kunden- aufträgen. In der Vergangenheit haben die im Einzelfall auftretenden Konflikte zwischen einzelnen Abteilungen von Wertpapierhäusern zu negativen Auswirkungen für Anleger geführt. Der Richtlinienentwurf soll derartigen Entwicklungen vorbeugen, indem er bestimmte Verfah- ren zur Ermittlung der bestmöglichen Ausführung vor- gibt. In diesem Kontext ist auch die Fallgestaltung zu se- hen, dass ein Anleger ausdrücklich und ausschließlich an einer Ausführung von Wertpapieraufträgen ohne Bera- tung interessiert ist (so genanntes Execution-only-busi- ness). Dies ist insbesondere in Deutschland ein weit ver- breitetes und gern praktiziertes Verfahren. Auch hierfür bietet der erzielte Kompromiss einen geeigneten Rah- men. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7269 (A) (C) (B) (D) Der ursprüngliche Entwurf der Kommission sah eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auch auf die Vermittlung von Investmentfondsanteilen vor. Diesem Ansatz hat das Europäische Parlament in seiner Stellungnahme im Rahmen einer ersten Lesung widersprochen. Der nunmehr erarbeitete Kompromiss sieht die Möglichkeit einer Ausnahmeregelung durch die Mitgliedstaaten vor – dies allerdings nur, soweit diese Vermittlungstätigkeit innerstaatlichen Regelungen unter- worfen ist. Das ist auch sinnvoll. In Deutschland unter- liegen Vermittler bereits heute einer Erlaubnispflicht nach § 34 c der Gewerbeordnung. Die nunmehr im Richtlinienvorschlag gefundene Lösung lässt es zu, im Gleichklang mit den derzeit zur Umsetzung anstehenden Vorschriften der EU-Versicherungsvermittler-Richtlinie Regelungen auch für Fondsvermittler zu schaffen. Die hier schwerpunktmäßig herausgegriffenen Ein- zelregelungen aus dem Entwurf einer Wertpapierdienst- leistungsrichtlinie werden sicher in den weiteren Ver- handlungen zur Schaffung eines gemeinsamen Entwurfs von Europäischem Parlament und Rat im Mittelpunkt stehen. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich aktiv darum zu bemühen, die in der politischen Einigung be- reits enthaltenen sachgerechten Lösungen im Sinne des vorliegenden Antrags zu verbessern. Der zeitliche Rahmen ist – wie bereits eingangs erläu- tert – recht eng. Die formale Verabschiedung des ge- meinsamen Standpunktes des Rates steht noch aus. Das Europäische Parlament geht davon aus, dass dieser so rechtzeitig vorliegt, dass die Abstimmung im hierfür zu- ständigen Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments Ende Februar erfolgen kann; eine Abstimmung im Plenum wäre dann Ende März möglich. Dies würde zumindest noch einen weiteren Monat als Verhandlungszeitraum zur Verfügung stellen, da Ende April 2004 die letzte reguläre Plenarsitzung des Europäischen Parlaments stattfinden wird. In der Abstimmung zur Politischen Einigung hat die weit überwiegende Mehrheit der Mitgliedstaaten ihr In- teresse am Zustandekommen einer sachgerechten Rege- lung dokumentiert. Ich gehe davon aus, dass es uns im gemeinsamen Bemühen mit dem Europäischen Parla- ment gelingen wird, einen Richtlinienentwurf noch rechtzeitig zu verabschieden. Unser Bestreben wird da- hin gehen, auch diejenigen Mitgliedstaaten einzubinden, die bislang ausweislich des Abstimmungsergebnisses noch abseits stehen. Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie der Kollege Pronold am 23. Ok- tober hier gestanden hat und uns ohne jede Detailkennt- nis fünf Minuten lang erzählt hat, unser Antrag sei we- gen Zeitablauf überflüssig. Von daher kann man Rot- Grün wenigstens eine gewisse Lernfähigkeit unterstel- len; denn inzwischen haben wir uns ja begrüßenswerter- weise auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt. Dieser enthält nach wie vor unsere Kernforderungen, sodass wir auch mit dieser abgespeckten Version gut leben können. Diese Kernpunkte betreffen die drei Hauptziele der neuen EU-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, mit der die Kommission eine weitere Stärkung der europäischen Finanzmarktintegration erreichen möchte: Erstens ist dies die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie. Hier sprechen wir uns ganz klar dafür aus, dass für nicht grenzüberschreitend tätige freie Finanz- dienstleister entsprechende Ausnahmeoptionen in der Richtlinie verankert und anschließend auch in Deutsch- land gezogen werden. Dies sichert den Marktzugang für kleinere Marktakteure, wodurch der Wettbewerb und schlussendlich der Verbraucherschutz gestärkt werden. Zweites Ziel der Richtlinie ist die Stärkung des Anle- gerschutzes durch eine Garantie der bestmöglichen Order- ausführung. Diese sollte jedoch auf eine Implementierung geeigneter Verfahren zur Ermittlung der bestmöglichen Ausführung, zum Beispiel durch die Definition von Mindeststandards, beschränkt werden. Eine einzelfallbe- zogene Sicherstellung einer „best execution“ ist weder tatsächlich möglich noch aufsichtsrechtlich zu überwa- chen. Zudem müssen europäische Regelungen nationa- len Marktstrukturen Rechnung tragen. Die in Deutsch- land übliche Ausführung von Wertpapieraufträgen ohne Beratung der Kunden muss weiterhin möglich bleiben. Drittes Ziel der Richtlinie ist die Sicherung der Markt- effizienz durch eine Harmonisierung der Anforderungen an unterschiedliche Handelssysteme. Der Hintergrund dieses dritten Ziels ist die zuneh- mende Fragmentierung der Wertpapiermärkte. Diese ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Banken und Wertpapierdienstleistungsunternehmen verstärkt Wert- papieraufträge von Kunden nicht an Börsen weiterleiten, sondern auf institutsinternen, bilateralen Systemen ge- gen eigenen Handelsbestand bzw. gegen andere Kunden- aufträge ausführen. Diese so genannte Internalisierung ist zunächst für Anbieter und Kunden attraktiv. Die Bank kann mit einer erhöhten Kundenbindung, höheren Erträ- gen aus der Ausnutzung des Spreads sowie der Einspa- rung von Börsengebühren rechnen. Der Kunde kann sei- nerseits mit einer Preisstellung rechnen, die mindestens so gut ist wie der Referenzpreis an der Börse und er kann sich gleichzeitig über niedrigere Transaktionskosten freuen. Für die Effizienz des Gesamtmarktes kann eine über- mäßige Ausweitung der Internalisierung jedoch negative Folgen haben, wenn den Börsen zu viel Liquidität entzo- gen wird. Dieses Absinken der Markteffizienz würde sich dann in Form einer Qualitätsverschlechterung der Referenzpreise, die an der Börse erzielt werden, wider- spiegeln. Eine solche Verschlechterung würde wiederum auch die Anbieter, vor allem aber die Kunden von Inter- nalisierungssystemen treffen. Die Anleger wären im Endeffekt im Internalisierungssystem – trotz der geschil- derten Vorteile dieses Verfahrens – insgesamt schlechter gestellt als bei einer üblichen Börsenabwicklung. Da nicht nur die Anleger, sondern auch emittierende Unter- nehmen in Form höherer Kapitalkosten von einem über- mäßigen Liquiditätsentzug der Börsen betroffen wären, gilt es, Vorkehrungen zu treffen – Vorkehrungen, welche die Interessen der Wertpapierdienstleistungsinstitute und Banken mit denen des Gesamtmarkts und der Börsen in Einklang bringt. 7270 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 (A) (C) (B) (D) Nach unserer festen Überzeugung ist die grundle- gende Voraussetzung für diesen Interessenausgleich von Börsen und Internalisierungssystemen die Schaffung von Transparenz bei der Internalisierung – vor und nach einer Transaktion. Deshalb fordern wir die Erfassung solcher Systeme, wir fordern hohe Transparenz im Vor- und Nachhandelsbereich. Wir fordern sachgerechte Quo- tierungsverpflichtungen und die Einschränkung der Möglichkeit zur Preisnachbesserung. Wir fordern die Veröffentlichung von Geld- und Briefkursen der Interna- lisierungssysteme und wir fordern die umgehende Wei- terleitung von nicht im Internalisierungssystem ausführ- baren Limit-Orders an den Markt. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit diesem Forde- rungskatalog gleiche Wettbewerbschancen für Börsen und außerbörsliche Handelssysteme schaffen. Diese Chancengleichheit muss zudem durch eine europaweit koordinierte Regulierung auch zwischen den einzelnen Finanzplätzen gelten. Wir geben mit diesem Antrag der Bundesregierung eine wichtige und richtige Argumentationsgrundlage für die anstehenden entscheidenden Verhandlungen auf eu- ropäischer Ebene und sind voll im Einklang mit unseren Kollegen im Europäischen Parlament. Damit trägt der Deutsche Bundestag auf Initiative der CDU/CSU-Frak- tion erneut zur Stärkung des Finanzplatzes im europa- und weltweiten Wettbewerb bei. Georg Fahrenschon (CDU/CSU): Die neue EU- Wertpapierdienstleistungsrichtlinie – Investment Ser- vices Directive, ISD – ist einer der letzten zentralen Ge- setzgebungsakt zur Realisierung des Financial Services Action Plans, FSAP, den europäischen Aktionsplan für Finanzdienstleistungen. Mit diesem Aktionsplan will die Europäische Kommission den einheitlichen EU-Finanz- dienstleistungsbinnenmarkt bis 2005 vollenden. Bis heute wurde bereits ein umfassender Teil der Finanz- marktgesetzgebung auf europäischer Ebene harmoni- siert. Mit der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie geht der Aktionsplan jetzt auf die Zielgerade. Die Verhandlungen auf europäischer wie auch auf bundespolitischer Ebene haben insbesondere bei dieser Richtlinie wieder einmal verdeutlicht, wie schwierig es ist, unterschiedliche europäische Marktphilosophien und Börsentraditionen zusammenzuführen. Hauptstreitpunkt dabei war und ist – auf Ebene des Europäischen Parla- ments immer noch – die Konkurrenz zwischen dem kontinentaleuropäischen Börsenmodell beispielsweise Deutschlands oder Frankreichs und dem hausinternen Handelssystem der Investmentbanken, wie es zum Bei- spiel in Großbritannien gilt. Diese beiden Systeme auf europäischer Ebene koexis- tieren zu lassen und einen fairen Wettbewerb zu ermögli- chen sowie gleichzeitig die Interessen der Anleger zu schützen ist eine schwierige Aufgabe – nicht zuletzt an- gesichts der hohen Summen, die tagtäglich auf den euro- päischen Handelsplätzen umgesetzt werden, und des großen Einflusses der Finanzmärkte auf die deutsche, die europäische und auf die weltweite Wirtschaft. Mit dem vorliegenden interfraktionellen Entschlie- ßungsantrag, der jetzt – endlich auf der Grundlage eines Vorschlages der Union gemeinsam mit den anderen Fraktionen erarbeitet wurde, weisen wir auf europäi- scher Ebene in die richtige Richtung. Wir gehen einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung des EU-Finanzdienstleistungsbinnenmarktes. Ziel ist es, rechtliche Rahmenbedingungen für einen transparenten und funktionsfähigen Wettbewerb zwi- schen den EU-Börsen zu schaffen. Dies ist – vor allem auch im Hinblick auf den internationalen Wettbewerb zwischen den Börsen und Handelsplätzen dieser Welt – nicht nur wichtig, sondern unbedingt notwendig. Denn die Börsen gewinnen auch im täglichen Leben des Nor- malbürgers zunehmend an Bedeutung. Jeden Tag werden enorme Summen an den Börsen dieser Welt umgesetzt – und dies nicht nur von Großspekulanten und Profis, son- dern in zunehmendem Maße auch von kleinen und priva- ten Anlegern. Wollen die europäischen Börsen im globalen Ver- gleich mit Wall Street und Tokio bestehen, dürfen unhar- monische, innereuropäische Regelungen und Gesetze den Handel nicht unnötig bremsen oder gar blockieren. Denn die europäischen Börsen wirken in zunehmendem Maße wie kommunizierende Röhren, werden voneinan- der immer abhängiger. Wird in der London Stock Exchange ein Knopf gedrückt, spürt man in Frankfurt die Wirkung und umgekehrt. André Kostolany hat dies einmal so ausgedrückt: „Die Börse ist ein Reich wie das des Kaisers Karl V., in dem die Sonne nie untergeht. Keine Börse ist der ande- ren gleich. Wenn die europäischen Börsen ihre Pforten schließen, wacht New York auf. Zu der Stunde, wo in Amerika Nacht ist und die Wall Street sich zur Ruhe be- gibt, empfängt die Börse in Tokio am anderen Ende der Welt die Menschenmenge, die sich täglich über sie er- gießt. Nach Hongkong folgen Singapur, Sydney, Taiwan, dann Bombay, und am frühen Morgen übernehmen Tel Aviv und Athen die Schicht; dann Mailand, auch Ma- drid, und zu gleicher Zeit Frankfurt, Paris und London. Einige Stunden später kommt wieder Wall Street, und so ist der Kreis der 24 Stunden geschlossen.“ Diese Beschreibung verdeutlicht in bildhaften Worten die Komplexität des weltweiten Börsenhandels. Sie ver- deutlicht die globale Vernetzung der Handelsplätze auf einer rein zeitlichen Ebene. Und man muss kein Börsen- profi wie Kostolany sein, um zu erkennen, dass nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang zwischen den Börsen be- steht. Um einen fairen Wettbewerb auf europäischem und schließlich auch auf globalem Börsenbankett zu ermög- lichen, ist es wichtig, harmonische Regelungen und Transparenz zu schaffen. Dies ist in etwa vergleichbar mit einem Spiel. Halten sich alle am Tisch sitzenden Spieler an die Regeln, weil sie transparent und offen da- liegen und einem jeden leicht zugänglich sind, wird es ein faires Spiel sein, bei dem jeder die gleichen Chancen hat zu gewinnen. Spielt jeder nach seinen eigenen Re- geln, stockt das Spiel, bringt es für keinen Spieler einen guten Ausgang. Dass das Spiel nicht ins Stocken gerät, Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7271 (A) (C) (B) (D) ist in unser aller Interesse, denn: Das Spiel an der Börse bewegt das Kapital und damit auch unsere Wirtschaft. Die neue EU-Wertpapierdienstleistungrichtlinie passt sich an die Bedürfnisse und Realitäten der Finanzmärkte an und wahrt die Interessen aller Marktteilnehmer, vor allem auch die der nicht professionellen Anleger. Sie schafft ein „level playing field“ zwischen Börsen und außerbörslichen Handelssystemen einschließlich bilate- raler Internalisierungssysteme. In einer gemeinsamen Anstrengung aller Fraktionen ist es uns nun gerade noch rechtzeitig gelungen, das Vo- tum des Deutschen Bundestages auf europäischer Ebene in die Debatte einzubringen und an diesem Punkt auch die bisherige Verhandlungsposition der Bundesregierung ausdrücklich zu unterstützen. Ich betonte hier ausdrück- lich: gerade noch rechtzeitig! Denn es war wieder einmal fast zu spät. Um die Interessen der deutschen Volkswirtschaft auf europäischer Ebene vertreten zu wissen, ist es unbedingt nötig, dass wir schneller, flexibler und vor allem zeitna- her auf Berichte der Kommission reagieren und auch die Festlegung der Bundesregierung im Europäischen Rat aktiver verfolgen. Das ist eine unserer Hausaufgaben für die Zukunft. Hubert Ulrich (BÜNDNIS90/ DIE GRÜNEN): Wir beraten heute den interfraktionellen Antrag zur EU- Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, den ich ausdrücklich unterstütze. Er ist für die Schaffung eines integrierten europäischen Finanzbinnenmarktes und für die Harmo- nisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen in der EU von großer Bedeutung. Wir unternehmen darin die not- wendigen Schritte, um die Markteffizienz zu wahren und den Anlegerschutz zu sichern. Gerade in Hinblick auf die Harmonisierung der An- forderungen für Orderausführungsplätze hat Deutsch- land in den Verhandlungen eine wichtige Mittlerrolle eingenommen. Denn da gab es auf der einen Seite die Südschiene, wie zum Beispiel Frankreich und Italien, in denen der außerbörsliche Handel verboten war, und der wie Großbritannien, wo es zuvor keine Einschränkung gab. Ich meine, dass die Etablierung der Vor- und Nach- handelstransparenz eine gute Kompromisslösung ist, die die Internalisierung nicht verbietet, aber die Gefahr der negativen Folgen für den Preisbildungsprozess abge- wendet wird. Auch im Rahmen der Harmonisierung der Anforde- rungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen und der Sicherung des Anlegerschutzes fahren wir gut damit, dass im Rahmen der „Best-Execution“ Mindeststandards definiert werden, aber auf eine Maximalharmonisierung der Wohlverhaltensregeln im Privatkundenbereich ver- zichtet wird. Besonders begrüße ich, dass die Richtlinie nicht auf die Fondsvermittler ausgeweitet wird. Bei einer Einbe- ziehung wären zu hohe Anforderungen an die Fondsver- mittler gestellt worden. Denn bei der Vermittlertätigkeit steht die Informationsübermittlung und der Fondsbetrieb von Finanzprodukten im Vordergrund, während es bei der Wertpapierdienstleistungrichtlinie vor allem auf Ent- gegennahme, Ausführung und Abwicklung von Wertpa- pieraufträgen geht. So konnten wir in Deutschland circa 250 000 Arbeitsplätze retten. Insgesamt ist es vorbildhaft, dass sich bei einem so wichtigen Thema wie der Richtlinie über Wertpapier- dienstleistungen die Vertreter aller Fraktionen zusam- mengesetzt, sachorientiert diskutiert und einen tragfähi- gen Kompromiss erarbeitet haben. Gerade die Kollegen aus Union und FDP könnten aus dieser Zusammenarbeit lernen und in Zukunft, wenn es um andere Themen geht, nicht mehr aus parteitaktischen Gründen Gesetzesvorha- ben blockieren, sondern sich ein Beispiel an dieser kon- struktiven Zusammenarbeit nehmen und in Zukunft im Sinne Deutschlands handeln. Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Zunächst möchte ich mich dafür bedanken, dass wir im Parlament zum einen zu dieser Diskussion gekommen sind und zum anderen zu einer gemeinsamen Haltung in dieser für die Kapital- anleger und Finanzdienstleister wichtige Frage gefunden haben. Dabei werte ich die aus allen Fraktionen ein- geholten Verbesserungs- und Ergänzungsvorschläge zum Ursprungsantrag der Union als ein positives Signal konstruktiver Zusammenarbeit. Die fruchtbare Beratung sollte uns Parlamentarier ermuntern, die Gesetzgebung auf europäischer Ebene noch intensiver und vor allem rechtzeitiger zu begleiten, als wir es bislang tun. Die FDP unterstützt den vorliegenden Antrag aus zwei maßgeblichen Gründen. Zum einen ist der Antrag ein konstruktiver Beitrag zur längst überfälligen Novel- lierung der fast zehn Jahre alten Wertpapierdienstleis- tungsrichtlinie, der der Bundesregierung einen deutli- chen Auftrag zum politischen Handeln aufzeigt. Zum anderen unterstützen wir ausdrücklich die Zielsetzung des Antrages: Verbesserung des Anlegerschutzes, Ge- währleistung der weiteren Tätigkeit der Wertpapierhäu- ser und ein deutliches Signal für eine weitere Harmoni- sierung in Europa hin zu mehr Wettbewerb und Effizienz in diesem wichtigen Wachstumsmarkt. Ich möchte jedoch, ohne unsere Zustimmung infrage zu stellen, für die Zukunft zwei Fragen aufwerfen. Ers- tens. Wir müssen sehr genau beobachten, inwieweit die – wie im Antrag geforderte – „umfassende Vor- und Nachhandelstranparenz“ dazu führen wird, dass mit die- ser Formulierung auch eine Art Kontrahierungszwang für preissetzende Banken verbunden sein könnte, sodass diese Transparenz letztendlich zu einem Standortnachteil in Europa wird – zum einen für die privaten Anleger und zum anderen gerade auch für den Handel mit großen Pa- keten. Zweitens. Wir müssen – nicht nur an diesem Beispiel – vertiefender darüber diskutieren, in welchem Umfang die europäische Harmonisierung vorangebracht werden soll. Dies ist immer ein schwieriger Prozess. Mit den Usancen, die sich in den jeweiligen Mitgliedstaaten über lange Zeit herausgebildet haben, muss oftmals gebro- chen werden. Europa wird aber in der globalisierten Welt nur bestehen können – und darin liegt auch unsere Chance –, wenn wir durch weitgehende Rechtsharmoni- sierung und damit Rechtssicherheit einen chancenge- rechten Wachstumsmarkt in Europa schaffen. 7272 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 (A) (C) (B) (D) Dieser Antrag und letztendlich die Umsetzung der EU-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie werden hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Tagespflege als Bau- stein zum bedarfsgerechten Kinderbetreuungs- angebot – Bessere Rahmenbedingungen für Ta- gesmütter und -väter, Eltern und Kinder (Tagesordnungspunkt 13) Caren Marks (SPD): Die Balance von Familien- und Erwerbsarbeit gehört zu den vorrangigen familienpoliti- schen Zielen der Bundesregierung in dieser Legislatur- periode. Die SPD legt dabei den Schwerpunkt auf den Ausbau qualitativ hochwertiger, bedarfsdeckender und zeitlich flexibler Bildungs- und Betreuungseinrichtun- gen, um unserem Ziel einer kinder- und familienfreund- lichen Gesellschaft näher zu kommen. Der bedarfsge- rechte Ausbau der Kinderbetreuung spielt eine herausragende Rolle, da insbesondere in den westlichen Bundesländern noch erhebliche Lücken im Betreuungs- angebot bestehen. In den westlichen Bundesländern liegt der Versorgungsgrad bei unter Dreijährigen lediglich bei 2,8 Prozent, in den östlichen bei 36,3 Prozent. Die Zahl der Kinderbetreuungsplätze für über 6-Jährige verhält sich mit 5,9 Prozent (alte Bundesländer) und 47,7 Pro- zent (neue Bundesländer) nur unerheblich besser. Nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes ist dieSchaffung und Finanzierung von Angeboten der Ta- gesbetreuung Aufgabe der kommunalen Gebietskörper- schaften auf der Grundlage des Achten Buches Sozialge- setzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) – und der Kindertagesstättengesetze der Länder. Die Kreise und Städte werden dabei im Rahmen kommunaler Selbstverwaltung tätig und unterliegen der Rechtsauf- sicht der zuständigen Landesbehörden. Der Bund hat nur begrenzt Möglichkeiten, ihnen Weisungen zu erteilen oder in sonstiger Weise auf ihre Entscheidungen Einfluss zu nehmen, dies gilt auchinsbesondere für den schuli- schen Bereich, der den Kultusministerien der Länder ob- liegt. Aber fehlende Zuständigkeit ist für uns kein Grund für Untätigkeit. Die Regierung beteiligt sich daher am Aus- bau der Tagesbetreuung durch die Weiterentwicklung der gesetzlichen Grundlagen im Achten Buch Sozialgesetz- buch durch Finanzhilfen für Länder und Kommunen so- wie durch Modellprojekte. So wurde am 12. Mai 2003 die Bund-Länder-Vereinbarung zum Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen unterzeichnet (Investitionspro- gramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“). Den Län- dern und Kommunen werden bis 2007 insgesamt 4 Milli- arden Euro als Finanzhilfe zur Verfügung gestellt. Wir arbeiten an einem spürbaren Ausbau der Betreu- ung im Elementarbereich, in erster Linie bei den Kindern unter drei Jahren. Daher wird die Bundesregierung als zentrales Projekt in dieser Legislaturperiode das Angebot in der Tagesbetreuung bedarfsgerecht ausbauen und da- für eine gesetzliche Regelung schaffen. Ein vielfältiges und qualifiziertes Angebot ist neben dem Ausbau von Ta- geseinrichtungen aber ohne eine Erweiterung der Tages- pflege durch Tagesmütter und Tagesväter nicht zu leisten. Der FDP-Antrag enthält durchaus richtige Ansätze. Wir begrüßen ausdrücklich, dass das Thema Bildung und Betreuung auch bei der Opposition angekommen ist. Der Antrag fokussiert sich allerdings zu einseitig auf die Tagespflege und übersieht die zahlreichen Maßnahmen, die die rot-grüne Koalition auf diesem Gebiet bereits ini- tiiert hat und gleichwertig neben alternativen Kinderbe- treuungsmöglichkeiten auch in der Zukunft unterstützen wird. Eltern brauchen eine Vielfalt an Betreuungsmög- lichkeiten; sie wollen keine Einheitslösung, sondern Al- ternativen, aus denen sie das für sie passende Angebot aussuchen können. Eine erste Verbesserung für die Ta- gespflege wurde so mit der Umsetzung des Hartz-Kon- zeptes erreicht, in dem Kinderbetreuung in die Liste der geförderten Tätigkeiten im Bereich haushaltsnaher Dienstleistungen aufgenommen wurde. Der Antrag vernachlässigt ebenso, dass die Tages- pflege in die Zuständigkeit der Kommunen fällt, das heißt die Einflussmöglichkeiten des Bundes begrenzt sind. Zur Finanzierung dieser Aufgabe werden den Kom- munen Einspargewinne verbleiben, die durch die Zusam- menlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe entste- hen. Ab 2005 sollen davon 1,5 Milliarden Euro jährlich für den Betreuungsausbau der unter 3-Jährigen verwen- det werden. Die rechtlichen Grundlagen der Finanzie- rung werden in Art. 29 und 30 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt geschaffen. Hier appelliere ich eindringlich an die Opposition, die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe im Vermittlungsausschuss nicht scheitern zu lassen. Hervorzuheben ist, dass eine gute Kinderbetreuung wirtschaftliche und finanzielle Vorteile für eine Kom- mune bietet. Gute Bildungs- und Betreuungsangebote sind Wettbewerbs- bzw. Standortvorteile. Deutschland liegt bei der Betreuung aller Altersgruppen im interna- tionalen Vergleich deutlich zurück. Darin begründet sich auch die international vergleichbar niedrigere Erwerbs- tätigkeit von Frauen mit Kindern. Betonen möchte ich, dass dies im Wesentlichen auf die eklatante Vernachläs- sigung dieses Bereichs durch die damalige CDU/CSU- FDP-Regierung zurückzuführen ist. 16 Jahre wurde die gesellschafts-, sozial- und wirtschaftspolitische Bedeu- tung der qualitativen und quantitativen Kinderbetreuung in ihrer Regierungszeit ignoriert, meine Damen und Her- ren von der Opposition. Der Ausbau der Kinderbetreuung soll ab 2005 schritt- weise bis 2010 erreicht werden. In Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden wird es keine starre Ver- sorgungsquote pro Kommune oder Bundesland geben. Die Bundesregierung strebt Zielvereinbarungen mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden an, die einen an Kriterien orientierten bedarfsgerechten Ausbau qualifizierter Angebote und die Umwidmung frei- werdender Kindergartenplätze für Kinder unter drei Jah- ren regelt. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7273 (A) (C) (B) (D) Die Vereinbarungen werden die gesetzliche Regelung begleiten, die im Achten Buch Sozialgesetzbuch – Kin- der- und Jugendhilfe (SGB VIII) – aufgenommen wird. Schon heute gibt es dort – neben dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder ab drei Jahren – die Verpflichtung, für Kinder auch anderer Altersgrup- pen ein bedarfsgerechtes Angebot vorzuhalten (§ 24 Satz 2 SGB VIII). Diese Vorhaltepflicht wird durch die Beschreibung von Ausbauschritten konkretisiert. Im Zeithorizont bis 2010 sollen für die in Kommunen ermit- telten Bedarfe Betreuungsangebote vorhanden sein. Da- neben wird die gesetzliche Regelung über die Tages- pflege (§ 23 SGB VIII) mit dem Ziel geändert, die Fachkräfte der Tagespflege zu qualifizieren und sie zu einem gleichwertigen Angebot für Kinder unter drei Jah- ren auszubauen. Die Tagespflege wird in den nächsten Jahren an Be- deutung deutlich gewinnen. Das heißt aber auch, dass sich manche Länder und Kommunen mehr bewegen müssen als bisher. Wir erwarten, dass die Tagespflege auf eine sichere gesetzliche Grundlage gestellt wird. Sie- ben Bundesländer haben die Tagespflege in ihren Aus- führungsgesetzen zum KJHG berücksichtigt; in neun Länder ist das noch nicht der Fall. Die Tagespflege muss ein selbstverständlicher Teil der Jugendhilfeplanung werden. Internationale Untersuchungen zeigen, dass die Be- treuungsqualität deutlich steigt, wenn Tagesmütter regis- triert sind, einen Austausch mit Kolleginnen haben und fachlich beraten und betreut werden. Unsere Regierung unterstützt die Qualitätsentwick- lung in der Tagespflege durch wissenschaftliche Unter- suchungen und Projekte. Einen großen Schritt hin zu einheitlichen Ausbildungsstandards für Tagesmütter und -väter stellt das neue Curriculum „Qualifizierung in der Kindertagespflege“ dar, welches vom Deutschen Ju- gendinstitut im Regierungsauftrag erstellt wurde und Erkenntnisse aus vielen Wissenschaftszweigen, wie Ent- wicklungspsychologie über Kleinkindpädagogik berück- sichtigt. Es wird bereits von vielen Fortbildungsträgern erfolgreich eingesetzt. Es verwundert mich jedoch, dass wir gerade von der FDP einen Antrag zur Tagespflege für eine bedarfsge- rechte Kinderbetreuung zu beraten haben. In Hamburg, wo die FDP Regierungsverantwortung im mittlerweile gescheiterten Mitte-Rechts-Senat hatte, ist sie im Be- reich Bildung und Betreuung kläglich gescheitert. Der FDP-Bildungssenator Lange musste auf Grund seiner mangelnden Kompetenz in der Vermittlung von Kinder- betreuungsplätzen zurücktreten. Senator Lange stand seit Monaten wegen des von ihm eingeführten Gut- scheinsystems für Kindertagesstätten und der Defizite bei der Finanzierung der Kinderbetreuung in der Kritik. Lange hinterlässt in seinem Hamburger Bildungsressort eine Finanzlücke von circa 18 Millionen Euro und Tau- sende geprellter Eltern, die vergeblich auf eine Betreu- ung für ihre Kinder gewartet haben. Das von der SPD initiierte Volksbegehren der Initia- tive „mehr Zeit für Kinder“ sammelte innerhalb von 14 Tagen knapp 170 000 Unterschriften. Zur Abstim- mung steht ein neues Kita-Gesetz, für das mindestens ein Fünftel der Wahlberechtigten von Hamburg votieren müssen, damit der Volksentscheid erfolgreich wird. Ein Kernpunkt ist die Ausweitung des Rechtsanspruches für den Kindergartenbesuch der Drei- bis Sechsjährigen von vier auf fünf Stunden. Auf kommunaler Ebene bauen wir seit Herbst 2003 „Lokale Bündnisse für Familien“ auf, die unter Beteili- gung gesellschaftlich wichtiger Partner, insbesondere der Wirtschaft, der Gewerkschaften, aber auch sozialer Verbände, die Rahmenbedingungen für Familien verbes- sern helfen und unter anderem den Ausbau einer guten Kinderbetreuung begleiten werden. Ebenso benötigen wir eine umfassende Weiterentwicklung des Bildungsan- gebotes, das heißt eine Steigerung der Bildungsqualität in der frühkindlichen Erziehung. Wir verfolgen eine län- derübergreifende Verständigung über Bildungsstandards für Kindertageseinrichtungen und fördern Maßnahmen zur Erstellung von nationalen Qualitäts- und Bildungs- standards. Der Ausbau qualifizierter Betreuungsangebote bedeu- tet zusammengefasst: bessere Balance von Familien- und Erwerbsarbeit, mehr Bildung, gemeinsame Verant- wortung für Erziehung, eine höhere Frauenerwerbstätig- keit und mehr Wirtschaftskraft. Die SPD-Politik stärkt die Kooperation und Kommunikation zwischen Bund, Ländern, Kommunen, Eltern, Kitas, Schulen, Wirtschaft und sozialen Verbänden, um ein kinder- und familien- freundlicheres Klima in unserem Land zu schaffen. Die von uns erfolgreich initiierte „Allianz für die Familie“ ist gesellschaftlich breit verankert, Familienpolitik ist Zu- kunftspolitik. Ingrid Fischbach (CDU/CSU): Familienpolitik ist in aller Munde. Parteiübergreifend wird festgestellt, dass neben der Familienförderung auch ein entsprechendes Angebot an Kinderbetreuungsplätzen vorhanden sein muss. Die Notwendigkeit wird von niemandem bestrit- ten, der Ausbau der Betreuungsplätze steht oben auf der Prioritätenliste. Deutschland gehört im europäischen Vergleich zu den Ländern, in denen das Betreuungsangebot von Kindern insgesamt, insbesondere jedoch der unter Dreijährigen, nur unzureichend vorhanden und ausgebaut ist. Auch ein deutliches Gefälle zwischen dem Versorgungsgrad der neuen, Versorgungsgrad 36 Prozent, zu den alten Bun- desländern, Versorgungsgrad 2,8 Prozent, macht auf das Problem aufmerksam. Eine Möglichkeit, zusätzliche Betreuungsplätze zu gewinnen, besteht durch den Ausbau der Tagespflege als qualifiziertes Angebot der Erziehung, Bildung und Be- treuung von Kindern. Die Tagespflege ist in der Bundesrepublik Deutsch- land – besonders in den alten Bundesländern – seit vie- len Jahrzehnten eine bewährte und anerkannte Betreu- ungsform für Kinder. Sie ist eine familiäre Form der Kinderbetreuung, welche die elterliche Erziehung er- gänzt. 7274 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 (A) (C) (B) (D) In den letzten Jahren gewann die Tagespflege immer mehr an Bedeutung. Aufgrund der flexiblen Betreuungs- zeiten trägt sie dazu bei, dass Eltern, insbesondere allein erziehende Elternteile, Familie und Erwerbstätigkeit besser miteinander vereinbaren können. Beispiele sind die Krankenschwestern oder Busfahrerinnen, die – trotz Krippen-, Kindergarten- oder Hortplatz – aufgrund ihrer besonderen Arbeitszeiten, – nachts, frühmorgens, am Wochenende – eine ergänzende Kinderbetreuung brau- chen. Hier zeigt sich gerade ein besonderer Vorteil der Tagespflege: die flexible Betreuungszeit. Für die Eltern des Tagespflegekindes ist diese Betreu- ungssituation überschaubar und verbindlich. Es gibt in der Regel nur eine Betreuungsperson, die für die Eltern Ansprechpartner ist. Sie ist grundsätzlich in der Lage, auf die Wünsche der Eltern einzugehen, zum Beispiel in Bezug auf die Erziehung des Kindes und die Betreu- ungszeiten. Insbesondere bei unregelmäßigen Betreu- ungszeiten oder einem Betreuungsbedarf außerhalb der Öffnungszeiten von Kindertageseinrichtungen sowie bei gesundheitlicher Beeinträchtigung des Kindes, wenn zum Beispiel eine besondere Diät oder Pflege nötig ist, schätzen Eltern die Tagespflege sehr. Für die Arbeit der Tagespflegepersonen bildet die fle- xiblere Gestaltungsmöglichkeit der zeitlichen Einteilung und der pädagogischen Arbeit eine wichtige Rahmenbe- dingung. Auch die individuellen Ausgestaltungsmög- lichkeiten, wie zum Beispiel das Treffen bestimmter Er- ziehungsabsprachen zwischen der Tagesfamilie und den Eltern, sind Kennzeichen der Arbeitsbedingungen in der Tagespflege. Tagespflegepersonen haben den Auftrag, Kinder in ihrer Entwicklung und Bildung zu fördern. Gerade für Kinder unter drei Jahren ist nach entwicklungspsycholo- gischen Erkenntnissen die Erziehung durch eine Tages- pflegeperson förderlich. Die kontinuierliche Beziehung durch eine/n Tagesmutter/-vater eröffnet dem Kind mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung nach individuellen Er- fordernissen. Das Wohl des Kindes sollte immer im Mit- telpunkt stehen. Durch Betreuung, Bildung und Erziehung ist die För- derung der Entwicklung der Tageskinder zu eigenständi- gen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu leis- ten. Für die pädagogische Praxis ist es erforderlich, dass Tagespflegepersonen sich darüber bewusst sind, welches Bildungsangebot zeitgemäß und für Kinder wichtig ist und wie sie als Tagesmutter/Tagesvater die Kinder in ih- ren Bildungsprozessen unterstützen können. Dieser An- spruch kann nur über die Qualifizierung der Tagespfle- gepersonen geleistet werden. Notwendig ist eine Verbesserung der Rahmenbedin- gungen der Tagespflege insgesamt, speziell wünsche ich mir erst einmal eine einheitliche Bewertung der Beschäf- tigungssituation der Tagesmütter. Deshalb freue ich mich sehr, dass wir heute die Möglichkeit haben, uns in ersten Lesung mit dem Bereich der Tagespflege zu be- schäftigen. Obgleich die Kindertagespflege in § 23 SGB VIII als gleichrangiges Angebot der Kindertagesbetreuung neben institutioneilen Angeboten verankert ist und diese zum Teil auch öffentlich vermittelt und gefördert wird, be- steht ein großer Teil der Tagespflege aus privat organi- sierten Betreuungsverhältnissen. Vor diesem Hintergrund ist die Situation bezüglich der Mindeststandards in der Tagespflege sowie die Bera- tung über Tagespflege sowohl für Tagesmütter und -vä- ter als auch für betroffene Familien teilweise unbefriedi- gend. Eine Qualifizierung von Tagespflegepersonen ist bis- lang nicht obligatorisch, sondern wird lediglich empfoh- len. Außerdem gelten die Rahmenbedingungen für Ta- gesmütter und -väter beispielsweise in Bezug auf Sozialversicherung und Besteuerung in mancher Hin- sicht als zu kompliziert, uneinheitlich und zu bürokra- tisch. Dies ist leider so: Die Situation der Tagespflege ist durch die bundesweit unterschiedlichen Regelungen in Bezug auf Qualifizierung, Finanzierung, Fachberatung und Vermittlung sowohl für die Familien als auch die Tagespflegepersonen unbefriedigend. Deshalb ist es für die Tagespflege dringend notwendig, einheitliche Rah- menbedingungen zu schaffen, die die Tagespflege als gleichwertige, flexible Form neben den institutionellen Betreuungseinrichtungen weiter etabliert und stärkt. Da- rin sind wir uns einig. Wir sind uns auch einig, dass die geltende Rechtslage mehr verwirrt als Aufklärung und Rechtssicherheit ver- mittelt, im Gegenteil. Ist die Tagesmutter selbstständig tätig oder liegt ein Arbeitsverhältnis vor? Kann sie eine Ich-AG gründen? Was muss sie beachten: Muss sie eine zusätzliche Krankenversicherung haben oder reicht die Familienversicherung? Welche Steuern muss sie worauf zahlen, was ist steuerfrei? Die Liste ließe sich endlos verlängern. Praxisberichte zeigen, dass sehr unterschiedliche Aussagen zur Sozialversicherungspflicht und zu Steuer- fragen existieren. Es kann nicht sein, dass Tagesmütter, je nach Sichtweise und Interpretation des Sachbearbei- ters der Krankenkasse, Rentenversicherungsanstalt oder auch des Finanzamtes ganz unterschiedliche Bescheide erhalten. Deshalb muss die Regelung des sozial- und steuer- rechtlichen Status von Tagespflegeeltern grundsätzlich neu gefasst werden. Die Ungleichbehandlung derjenigen zum Beispiel, die auf privater Basis, und denen, die im Rahmen der öffentlichen Jugendhilfe Tageskinder be- treuen, sollte aufgehoben werden. Alle Tagespflegepersonen leisten im öffentlichen In- teresse eine Dienstleistung. Sie sollten ein leistungsge- rechtes Entgelt nach Steuern erhalten. Die Höhe der Ent- gelte muss vergleichbar sein. Die im Entgelt enthaltenen Beträge zur Sozialversi- cherung müssen in jedem Fall so hoch sein, dass damit eine eigenständige Absicherung gewährleistet ist. Es ist zu klären, inwieweit Beiträge in die gesetzliche Renten- versicherung oder in eine private Versicherung zu zahlen sind. Frau Lenke hat in ihrem Antrag sehr ausführlich Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7275 (A) (C) (B) (D) auf die unzureichende Rechtslage hingewiesen, sodass ich an dieser Stelle nur darauf verweisen möchte. Aber ich möchte im Folgenden auf einige andere Punkte eingehen, die ebenso einer Regelung bedürfen. Allerdings möchte ich an dieser Stelle auch deutlich ma- chen, dass die Neuregelungen nur in Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen bzw. kommunalen Spitzenverbänden erfolgen können und müssen, denn gerade die desolate finanzielle Situation unserer Kom- munen ist uns bewusst. Deshalb sollten wir auch hier an dem Konnexitätsprinzip festhalten: Wer bestellt, muss auch bezahlen!! Im Folgenden weitere Eckpunkte: Mindeststandards. Zur Sicherstellung bundeseinheit- licher Mindeststandards bei den Tagespflegepersonen wird eine verbindliche Grundqualifizierung empfohlen. Diese könnte sich beispielsweise an den Empfehlungen des DJI oder des Curriculums des Bundesverbandes Ta- gesmütter orientieren. Zur Zuverlässigkeit. Um die Zuverlässigkeit des Be- treuungsangebotes im Sinne einer verbesserten Qualifi- zierung, Beratung, Vermittlung und Praxisbegleitung zu gewährleisten, sind die strukturellen Rahmenbedingun- gen zu schaffen. Dies könnte zum Beispiel in Form von Tagespflegestützpunkten erfolgen, wie sie in dem in die- sem Jahr gestarteten bayerischen Modell „Modellprojekt zur Förderung der qualifizierten Tagespflege“ vorgese- hen sind. Tagespflegestützpunkte, die mit mindestens ei- ner sozialpädagogischen Fachkraft und Verwaltungs- kräften besetzt sind, können entweder am Jugendamt, aber auch an einem Kindergarten, einer Kinderkrippe oder einem Mütterzentrum errichtet werden. Sie sollen die Gewinnung, Qualifizierung und Beratung der Tages- pflegekräfte sicherstellen sowie die Vermittlung der Ta- gespflegekräfte übernehmen. Bei Bedarf können sie die aushilfsweise Mitbetreuung durch eine andere Tages- mutter organisieren, gegebenenfalls die Kinder im Er- satzdienst betreuen sowie Verwaltungsaufgaben über- nehmen. Zur Begrifflichkeit „Tagespflege“. Gemäß den Emp- fehlungen des Städtetages Nordrhein-Westfalen sollte in diesem Zusammenhang über eine neue Begrifflichkeit, „Tagesbetreuung in Familien“ nachgedacht werden. Der Begriff „Tagespflege“ beinhaltet mehr die Pflege als die Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern. Lang- fristiges Ziel sollte die Anerkennung der Kinderbetreu- ung in Tagespflege als neues Berufsfeld werden. Als letzten Punkt möchte ich kurz auf das Thema Eu- ropa eingehen. Tagespflege ist europaweit eine alternati- ves und ergänzendes Kinderbetreuungsangebot. Im Rah- men des Zusammenwachsens der Europäischen Union sollten daher die Qualitätsmerkmale für die strukturelle und inhaltlich-fachliche Umsetzung der Kinderbetreu- ung in Tagespflege in einer EU-Richtlinie verankert wer- den. Die Tagesbetreuung von Kindern ist ein entscheiden- der Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ihre Stärken und Vorzüge sollten weiter ausgebaut und gefördert werden. Nur so haben Eltern die Wahl zwi- schen verschiedenen Betreuungsangeboten, die in Quali- tät und Kosten vergleichbar sind. Die Bundesministerin hat in den vergangenen Tagen die große Bedeutung der Tagespflege für den Ausbau der Kinderbetreuung hervorgehoben und für den Aufbau ei- nes bedarfsgerechten Betreuungsnetzes und einer besse- ren Infrastruktur für die Tagespflege plädiert. Ziel müsse es sein, die Tagespflege zu einem gleichwertigen Ange- bot für Kinder unter drei Jahren auszubauen. Dem kann ich nur zustimmen, und bei dieser großen Übereinstim- mung freue ich mich auf die anstehenden Beratungen. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Schaffung einer hochwertigen und bedarfsgerechten Kindertagesbetreuung ist eine zentrale Aufgabe für die- ses Jahrzehnt. Daran führt kein Weg vorbei, und zwar aus ganz unterschiedlichen Gründen. Vorneweg möchte ich jedoch bereits sagen: Die Ta- gespflege spielt eine wesentliche Rolle bei der Schaf- fung einer besseren Kinderbetreuungsstruktur. Daran ha- ben wir keinen Zweifel gelassen. Auch und gerade das Familienministerium hat diesen Aspekt betont und in seinen Planungen entsprechend berücksichtigt. Völlig klar ist aber auch: Das Kinderbetreuungssys- tem muss insgesamt ausgeweitet und, wo nötig, verbes- sert werden. Die rot-grüne Koalition ist hier auf dem richtigen Weg. Es macht derzeit keinen Sinn, Einzelas- pekte isoliert herauszugreifen und den Gesamtkomplex dabei aus dem Auge zu verlieren. Wir benötigen ein Ge- samtkonzept, an dem alle politischen Ebenen und alle Akteure gemeinsam arbeiten. Genau daran arbeitet die Bundesregierung. Münden wird das dann in einen Be- treuungsgipfel, der eine klare Richtung für den Ausbau der Kindertagesbetreuung in den kommenden Jahren be- siegeln soll. Bei der FDP ist von einem solchen Gesamtkonzept je- doch nichts zu erkennen. Als Oppositionspartei mag man ihr das noch durchgehen lassen. Verantwortliches Regierungshandeln verlangt aber einiges mehr. Ein Blick nach Hamburg zeigt, wie es um die liberale Kom- petenz bei Betreuung, Erziehung und Bildung bestellt ist. Die dort zuständige FDP hat das Hamburger Kita- System sehenden Auges an die Wand fahren lassen. Und das ist nicht mal soeben über Nacht gekommen. Die Ent- wicklung hatte sich schon lange abgezeichnet. FDP und die gesamte Senatsregierung waren dem fachlich nicht gewachsen. Ein solches Desaster ist wohl beispiellos in Deutschland. Und das Schlimme daran ist das müssen zahllose Hamburger Kinder und ihre Eltern ausbaden. Und dabei brauchten gerade Familien verlässliche Rah- menbedingungen. Dennoch will ich Ihren guten Willen anerkennen, dass wir in Deutschland ein gutes, ein hochklassiges System der Kindertagesbetreuung etablieren können. Unsere Nachbarländer demonstrieren, dass das durchaus zu machen ist. Und wir sehen bei ihnen auch, wie sehr sie davon profitieren. Deshalb mein Appell an die FDP im Bund, besonders aber in den Ländern: Beteiligen Sie sich an unserem Ausbauprojekt. Selbstverständlich 7276 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 (A) (C) (B) (D) werden wir ihre Anregungen prüfen. Im Bereich der Ta- gespflege gibt es natürlich Raum für Verbesserungen. Ich denke da beispielsweise an das Qualitätsmanage- ment. Hier gibt es gute Verbesserungsansätze. Die Ta- gespflege muss mit Nachdruck aus der Grauzone heraus- geholt werden. Sie hat besondere Vorzüge, die ihr auch zukünftig einen wichtigen Stellenwert einräumen. Hier muss aber ein schlüssiges Gesamtkonzept umge- setzt werden. Das ist eine große Herausforderung für uns alle. Wenn wir unsere Gesellschaft innovativ umgestal- ten wollen, müssen wir auch diese Aufgabe lösen. Wir schaffen damit mehr Chancengerechtigkeit für unsere Kinder. Wir führen sie an Bildung heran, sodass sie ihr Leben im 21. Jahrhundert meistern können. Wir ermög- lichen eine Balance zwischen Familie und Beruf, die sich schon heute so viele Eltern – vor allem Mütter – herbeisehnen. Und wir entkommen so vielleicht der de- mographischen Falle, in der wir fast schon gefangen sind. Ina Lenke (FDP): Nach den Bundestagswahlen 1998 und 2002 versprach die rot-grüne Bundesregierung den Wählern und Wählerinnen mehr Kinderbetreuung. Bis heute hat sie das Versprechen nicht umgesetzt. Um die Bundesregierung aufzufordern, die fatale Kinderbetreuungssituation in Deutschland zu verbes- sern, hat die FDP-Bundestagsfraktion schon im Jahr 2001 Antworten zur „Einkommensteuerlichen und ren- tenversicherungsrechtlichen Situation von Müttern und Vätern in der Tagespflege“ (Drucksache 14/7725 ) ver- langt und in einer Kleinen Anfrage Ende 2002 Antwor- ten gefordert, wie die „Realisierung einer bedarfsgerech- ten Betreuungsquote für Kinder unter drei Jahren“ (Drucksache 15/338) aussehen soll. Die Bundesregie- rung hat bisher kein Gesamtkonzept vorgelegt, nur Ab- sichtserklärungen. Die Familienministerin will nun für Kinder unter drei Jahren 121 000 Krippenplätze, für 142 000 Kinder indi- viduelle Tagespflegeplätze schaffen. Das ist bisher ein ungedeckter Scheck. Zeithorizont: Erst bis zum Jahr 2010. Die Ankündigung, qualifizierte Tagesmütter in das Gesamtkonzept einzubinden, begrüßt die FDP ausdrück- lich. Mit einer Tagesmutter können die Eltern flexible Betreuungszeiten aushandeln, zum Beispiel unabhängig von Öffnungszeiten staatlicher Kindergärten. Die Kinder leben in familienähnlichen Strukturen und haben eine Kontinuität der Bezugsperson. Für viele Eltern und Al- leinerziehende ist eine qualifizierte Tagesmutter oft die einzige Lösung. Die FDP will das auch, aber nicht zu den heutigen schlechten Rahmenbedingungen. Meines Erachtens hat der Staat in der Tagespflege ordnungspolitisch versagt. Die Rahmenbedingungen sind ein Horror. Für die Tagesmütter und -väter heißt es heute: Vorsicht, Falle! Undurchschaubare Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Regelungen schaffen fi- nanzielle Unsicherheit. Deshalb legt die FDP-Bundestagsfraktion heute ein Zukunftskonzept für die Tagespflege vor. Was sind die zentralen Ziele der FDP? Wir wollen die Tagespflege als zweite Säule neben der institutionellen Kinderbetreuung. Wir wollen die Tagespflege als qualitativ hochwertiges und gleichrangiges Kinderbetreuungsangebot. Wir wol- len einheitliche, einfache und unbürokratische rechtliche Regelungen, für Eltern und Tagesmütter verständlich und attraktiv. Wir wollen eine Pflicht zur Altersvorsorge für selbstständige Tagesmütter und die Wahlfreiheit zwi- schen staatlicher und privater Rentenversicherung. Wo sind die Defizite? Die Vorschriften im Steuer- und Sozialversicherungsrecht für eine selbstständige Tages- mutter oder einen selbstständigen Tagesvater, aber auch bei einer Arbeitnehmertätigkeit sind undurchschaubar. Die finanziellen Folgen sind zum Beispiel hohe Nach- forderungen bei Rentenbeiträgen. Rechtliche Unsicher- heit verursacht Schwarzarbeit. Die Nachfrage ist größer als das Angebot an qualifizierten Tagesmüttern. Es gibt keine umfassende Professionalisierung und bundesweite Qualitätssicherung. Wie können Defizite beseitigt werden? Die Tages- pflege für Kinder unter drei Jahren wird als gleichran- gige Betreuungsform in die neue öffentliche Förderung einbezogen. Die Bundesregierung stellt mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden sicher, dass bei der Umsetzung des Betreuungskonzeptes den Kommu- nen dauerhaft Finanzmittel zur Verfügung gestellt wer- den. Die Bundesregierung lässt von Fachleuten aus Wis- senschaft und Praxis gemeinsame Qualitätsstandards und bundeseinheitliche Mindestvorgaben für die öffent- lich geförderte Tagespflege erarbeiten. Die Zahlung des Jugendamtes oder privater Auftraggeber an Tagesmütter oder -väter sollen steuerlich gleich behandelt werden. Wiedereinführung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von legalen Beschäftigungsverhältnissen im Privathaushalt. Erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten absetzbar für Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen als Werbungs- kosten und für Selbstständige als Betriebsausgaben. Die Zahl der Tagespflegestellen wird in Deutschland auf circa 300 000 geschätzt. Wenn wir eine Weiterent- wicklung der Tagespflege politisch wollen, müssen wir handeln, und zwar jetzt. Junge Frauen und Männer su- chen Familie und Beruf zu vereinbaren. Eltern brauchen eine verlässliche Lebensperspektive von Erwerbstätig- keit und zuverlässiger Tagesbetreuung. Für die Beratungen im Familienausschuss schlage ich jetzt schon eine öffentliche Anhörung dazu vor. Ich freue mich auf eine produktive und konstruktive Beratung. Anlage 10 Zu Protkoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Zwölften Ge- setzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (Tagesordnungspunkt 20) Dr. Marlies Volkmer (SPD): Mit der 12. AMG-No- velle steht heute eine der weitreichendsten und wichtigs- ten Reformen des deutschen Arzneimittelrechts zur De- batte. Der vorliegende Gesetzentwurf dient vor allem der Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7277 (A) (C) (B) (D) Verbesserung der Arzneimittelsicherheit und enthält im wesentlichen die zur Umsetzung von EU-Recht notwen- digen Regelungen zur klinischen Prüfung von Arzneimit- teln an Menschen. Damit verbessern wir die Konkurrenz- fähigkeit des Pharmastandorts Deutschland innerhalb eines starken Pharmastandorts Europa. Klinische Forschung findet im Spannungsfeld zwi- schen langfristig therapeutisch nutzbaren Forschungsin- teressen und dem Schutz der Patienten statt. Gleichzeitig die klinische Forschung durch eine Beseitigung von Ver- fahrenshemmnissen zu erleichtern und die Patientensi- cherheit zu erhöhen, das ist das Anliegen des vorliegen- den Gesetzentwurfs. Hohe qualitative Anforderungen an die klinische Forschung stehen dabei in keinem Gegen- satz zu industriepolitischen Zielen. Im Gegenteil: Gerade eine gute Qualität der Forschung und der aus ihr resultie- renden Arzneimittel stärkt im internationalen Maßstab die Wettbewerbsfähigkeit, vor allem durch ein stärkeres Vertrauen der Patientinnen und Patienten. Insbesondere in den die Ethik-Kommissionen betref- fenden gesetzlichen Regelungen manifestiert sich die Gleichzeitigkeit von Patientenschutz und Forschungser- leichterung. Durch das Gesetz wandelt sich die Rolle der Ethik-Kommission vom berufsrechtlichen Beratungsgre- mium zu einer Patientenschutzorganisation mit Behör- dencharakter. Künftig darf ein Prüfer erst mit einer klini- schen Prüfung beginnen, wenn die zuständige Ethik- Kommission sein Vorhaben zustimmend bewertet und die zuständige Bundesoberbehörde dieses genehmigt hat. Bislang konnte im Falle eines negativen Votums gleichwohl die klinische Prüfung begonnen werden, wenn eine Zustimmung der zuständigen Bundesoberbe- hörde vorlag. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen pharmazeutischen Forschung werden mit der 12. AMG- Novelle aber auch Schritte zu einer Straffung des Ver- fahrens und einer deutlichen Verkürzung der Zulas- sungsfristen unternommen. In Zukunft wird nur noch eine Ethik-Kommission federführend zuständig sein, die anderen Kommissionen arbeiten ihr zu. Zudem hat die zuständige Ethik-Kommission eine Entscheidung über einen Antrag auf Genehmigung innerhalb einer Frist von höchstens 60 Tagen zu treffen, die verlängert oder auch verkürzt werden kann. Das Nähere hierzu soll eine Ver- ordnung regeln, in der alle Spielräume der EU-Richtlinie ausgenutzt werden sollen. Ein wesentliches Anliegen des Gesetzes ist die Ver- besserung der Arzneimittelsicherheit. Zwar sind bereits nach bestehendem Recht die Herstellung und das Inver- kehrbringen gefälschter Arzneimittel sanktioniert. Neu ist jedoch die Aufnahme eines Verbotes der Herstellung oder des Inverkehrbringens von Arzneimitteln, die in Bezug auf ihre Identität oder Herkunft falsch gekenn- zeichnet sind. Damit werden die Regelungen des bisheri- gen AMG verschärft, die lediglich auf eine mindere Qualität gefälschter Arzneimittel abhoben. Für einen solchen Verstoß wird das Strafmaß mit einer Androhung von drei Jahren Freiheitsentzug deutlich verschärft. Ein Einfallstor für Arzneimittelfälschungen scheint bisher der Großhandel zu sein. Denn bislang reichen ein Gewerbeschein und eine einfache Anmeldung aus, um Handel mit Arzneimitteln zu betreiben. Mit der Einfüh- rung einer behördlichen Erlaubnispflicht für den Groß- handel wird nun einer langjährigen Forderung des Bun- desverbandes des pharmazeutischen Großhandels entsprochen. Durch die Überwachung aller zugelassenen Marktteilnehmer und die damit verbundene Transparenz der Vertriebswege wird diese Maßnahme maßgeblich zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit beitragen. Ein zentrales Anliegen des Gesetzentwurfes ist die Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei Kindern und Jugendlichen. Denn noch immer ist ein Großteil der bei Kindern angewendeten Arzneimittel ohne arzneimit- telrechtliche Zulassung für die spezifische Anwendung bei Kindern. Ja, für etliche Krankheiten, von denen Kin- der betroffen sind, gibt es überhaupt keine zugelassenen Arzneimittel. Die Ursachen dafür sind vielschichtig Eine Ursache ist die bisherige gesetzliche Regelung der Forschung an Minderjährigen, die teilweise missverstandlich und un- klar war und damit zu einer erheblichen Rechtsunsicher- heit geführt hat. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen ließen zudem Forschung nur dann zu, wenn durch die Teilnahme an einer Studie für das Kind ein individueller Nutzen vermutet werden konnte. Rechtssicherheit herzustellen und die klinische For- schung für Arzneimittel für Kinder zu erleichtern ist das Ziel des Gesetzentwurfes. Künftig soll auch solche For- schung an kranken Minderjährigen unter strengen Aufla- gen zugelassen werden, wenn ein so genannter Gruppen- nutzen vorliegt. Dieser liegt beispielsweise vor, wenn nach einem erfolgreichen Abschluss einer Therapie etwa eine zusätzliche Blutuntersuchung vorgenommen wird, von der ein individueller Nutzen für die betreffende Per- son nicht erwartet werden kann, wohl aber ein künftiger Nutzen für die jeweilige Patientengruppe. Für solche Untersuchungen muss selbstverständlich immer die Ein- willigung des gesetzlichen Vertreters vorliegen und – so- fern Einsichtsfähigkeit vorliegt – auch die des Kindes. Natürlich wirft eine solche Liberalisierung bei min- derjährigen und damit besonders schutzbedurftigen Pro- banden ethische Fragen nach der Zulässigkeit solcher Forschung auf. Mit diesen Fragen befasst sich derzeit die Enquete-Kommission „Ethik und Recht in der modernen Medizin“, die noch im laufenden Gesetzgebungsverfah- ren eine Gutachterliche Stellungnahme vorlegen wird Die Zeit für die Verabschiedung des AMG drängt. Der Zeitdruck sollte uns aber nicht daran hindern, die gefundenen Regelungen daraufhin zu überprüfen, ob un- sere Ziele erreicht werden: die Arzneimittelsicherheit zu verbessern und bei klinischen Prüfungen Rechtssicher- heit sowie einen umfassenden Probandenschutz, insbe- sondere bei nicht einwilligungsfähigen Personen, herbei- zuführen. Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU): In dieser Legislaturpe- riode steht heute bereits zum fünften Mal unmittelbar und mittelbar das Thema Arzneimittel auf der Tagesord- nung des Deutschen Bundestages. Im Wesentlichen 7278 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 (A) (C) (B) (D) handelte es sich bisher um Kostendämpfungsgesetze: um das Beitragssatzsicherungsgesetz, das Positivlistenge- setz und das GKV-Modernisierungsgesetz. Bei der 12. AMG-Novelle hingegen geht es aus- nahmsweise einmal nicht um die Diskriminierung der Arzneimittel als den Kostentreiber Nummer eins in der GKV; es geht vielmehr um die Entwicklung und Prüfung von Arzneimitteln sowie um die Arzneimittelsicherheit. Was die Entwicklung und Prüfung von Arzneimitteln betrifft, haben wir uns bereits bei der Diskussion des An- trags der CDU/CSU-Fraktion „Klinische Prüfung in Deutschland entbürokratisieren“ intensiv damit beschäf- tigt. Leider haben damals SPD und Grüne unseren An- trag abgelehnt. In dem Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technologiefolgenabschätzung zu diesem Antrag habe ich etwas Interessantes gelesen: „Vonseiten der Berichterstatterin der Fraktion der SPD wird kriti- siert, dass der Antrag alles ignoriere, was von der Bun- desregierung auf dem Gebiet der Förderung der pharma- zeutischen Forschung bereits getan worden sei, um die Rahmenbedingungen der pharmazeutischen Unterneh- men in Deutschland zu verbessern.“ Ich weiß nicht, was die SPD unter Verbesserung der Rahmenbedingungen versteht; ich weiß nur, dass ich noch niemanden gefunden habe, der eine Verbesserung erkennen konnte. Eine Verschlechterung hingegen ist na- hezu überall zu spüren. Auch die Umsetzung der der 12. AMG-Novelle zu- grunde liegenden EU-Richtlinien zur klinischen Prüfung und zur Pharmakovigilanz bzw. zur Arzneimittelsicher- heit führt nicht zur Verbesserung der Standortbedingun- gen in Deutschland. Nun muss zugegebenermaßen einer- seits vieles umgesetzt werden, da es europäisches Recht so vorgibt. Andererseits aber wurde in vielen Punkten der Rahmen, den die Richtlinien vorgeben, entweder nicht ausgeschöpft oder aber überzogen. So oder so steht fest, dass die Umsetzung zu mehr Bürokratismus und zu einer stärkeren Belastung insbesondere mittelständischer Unternehmen führt. Insbesondere die Richtlinie zur klinischen Prüfung soll so umgesetzt werden, dass wir in Deutschland kräf- tige Standortnachteile hinnehmen müssen. Mit unserem bereits angesprochenen Antrag „Klinische Prüfung in Deutschland entbürokratisieren“ wollten wir dem entge- gentreten. Da aber die Koalitionsfraktionen mit ihrer Mehrheit diesen Antrag abgelehnt haben, finden sich viele wichtige Punkte, die in die richtige Richtung ge- führt hätten, nicht in der Novelle wieder. So wollten wir zum Beispiel erreichen, dass als Vo- raussetzung für den Beginn einer klinischen Prüfung nur ein zustimmendes Votum erforderlich ist – auch bei mul- tizentrischen Prüfungen. Ziel war, eine dringend erfor- derliche Vereinfachung des komplexen Ethik-Kommis- sionsverfahrens zu erreichen. Das ist übrigens auch eine Forderung des Bundesrates. Denkt man daran, dass es in Deutschland 52 verschiedene Ethik-Kommissionen gibt, so kann man nur zu dem Schluss kommen, dass dem Bü- rokratismus keine Grenzen gesetzt sind. Das Traurige dabei ist, dass trotz mehr Bürokratismus der Schutz der Prüfungsteilnehmer nicht verbessert wird. Hinzu kommt noch, dass dadurch, dass ein Auftrag- geber einer klinischen Prüfung eine Vielzahl von Anträ- gen an die verschiedenen Ethik-Kommissionen stellen muss, ihm nicht nur erhebliche Kosten entstehen, son- dern es auch zu unnötig langen Verzögerungen kommt. Auch das stellt einen erheblichen Standortnachteil dar. Deswegen sollte unbedingt Art. 7 der Good-Clinical- Practice-Richtlinie umgesetzt werden. Danach ist für multizentrische klinische Prüfungen die Stellungnahme nur einer einzigen Ethik-Kommission pro Mitgliedstaat – und dies ungeachtet der Anzahl der Ethik-Kommissio- nen – ausreichend. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass es mehr als sinnvoll ist, dass die Kontaktstelle für die Probanden beim Bundesgesundheitsministerium bzw. dessen Untergliederungen angesiedelt wird. Sie darf sich nicht auf Länderebene befinden, wie es in der 12. AMG- Novelle festgelegt ist. Denn Informationen und Unterla- gen über die klinischen Prüfungen laufen nach neuem Recht beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizin- produkte bzw. beim Paul-Ehrlich-lnstitut zusammen. Den Ländern liegen also diese Informationen gar nicht vor, sodass eine Ansiedlung der Kontaktstellen auf Län- derebene nur der Bürokratie dient, ansonsten aber ganz offensichtlich keinen Sinn macht. Völlig unverständlich ist auch, dass für einige Arznei- mittel neue Hindernisse für die Zulassung zur klinischen Prüfung errichtet werden. Während grundsätzlich für die Genehmigung der klinischen Prüfung eine Anzeige bei der zuständigen Behörde ausreicht und bei fehlender Re- aktion die Genehmigung als erteilt gilt, muss bei be- stimmten Arzneimitteln eine schriftliche Genehmigung erteilt werden. Das mag in einigen Fällen vernünftig sein. Bemerkenswert ist, dass das grundsätzlich bei Arznei- mitteln gefordert wird, deren Wirkstoff ein biologisches Produkt tierischen Ursprungs ist oder biologische Be- standteile tierischen Ursprungs enthalten. Dies wird von der Richtlinie nicht verlangt. Und es führt dazu, dass bei- spielsweise alle Arzneimittel mit Laktose, Milchzucker, unter die schriftliche Genehmigungspflicht fallen. In der 12. AMG-Novelle wird auch die gruppennüt- zige Forschung an Minderjährigen geregelt. Dieses Thema beinhaltet für viele von uns – ich glaube, unab- hängig von der Parteizugehörigkeit – gewaltigen Kon- fliktstoff. Denn auf der einen Seite steht der Wunsch der Eltern von erkrankten Kindern nach neuen Behandlungs- möglichkeiten und neuen Arzneimitteln; auf der anderen Seite aber kommt es zu Eingriffen nicht nur in die Grundrechte minderjähriger Probanden, sondern auch zu Verletzungen der Menschenwürde und des Rechts der allgemeinen bzw. der körperlichen Selbstbestimmung. Deswegen ist es sehr bedauerlich, dass bei einem so sen- siblen Thema wie der klinischen Prüfung von Arzneimit- teln bei Kindern nicht die gutachterliche Stellungnahme der Enquetekommission „Recht und Ethik in der moder- nen Medizin“ abgewartet wird. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7279 (A) (C) (B) (D) Da sich die Bundesregierung zweieinhalb Jahre Zeit mit der Umsetzung der Richtlinie gelassen hat und die Stellungnahme der Enquete-Kommission im Januar des nächsten Jahres vorliegen soll, wäre es fair und vernünf- tig, die Ergebnisse abzuwarten, um sie dann in entspre- chender Form berücksichtigen zu können. Aber neben der klinischen Prüfung enthält die 12. AMG-Novelle auch viele andere Änderungen, die zum großen Teil – aber nicht immer – auf europarechtli- chen Vorgaben beruhen. Dabei sind einige Regelungen des Gesetzentwurfs, die der Arzneimittelsicherheit dienen, durchaus zu be- grüßen, so zum Beispiel die Bildung einer Kommission „Arzneimittel für Kinder und Jugendliche“, die Stärkung der Sanktionsmöglichkeiten bei Arzneimittelfälschun- gen oder die Einführung eines Erlaubnisvorbehalts für den pharmazeutischen Großhandel. Allerdings steckt hier der Teufel im Detail. Beim näheren Hinsehen stellt sich nämlich heraus, dass durch die Änderungen beson- ders kleinere und mittlere Betriebe unverhältnismäßig stark belastet werden. Deswegen muss jede Regelung genauestens überprüft werden, ob die Vorgaben so um- gesetzt sind, dass der Standort Deutschland gegenüber anderen Ländern nicht benachteiligt wird und die Rege- lungen nicht besonders mittelständische Betriebe belas- ten. Ich möchte Ihnen zwei Beispiele nennen: Erstens: Die Neudefinition des Begriffs „Wirkstoff“. Nach dem geltenden AMG sind Wirkstoffe Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimit- teln als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden. Die Intention der EU-Richtlinie ist, zukünftig die De- finition „Wirkstoff“ um Bestandteile von Gentransfer- Arzneimitteln zu erweitern. So weit, so gut. Was aber macht die Bundesregierung? Sie erweitert die Definition um die Stoffe, die bei ihrer Verwendung in der Arznei- mittelherstellung zu arzneilich wirksamen Bestandteilen der Arzneimittel werden. Letztendlich bedeutet das, dass zukünftig insbesondere pflanzliche, homöopathische und anthroposophische Inhaltsstoffe als Wirkstoffe gel- ten, da sie durch die Verwendung zu arzneilich wirksa- men Bestandteilen werden. Und das wiederum bedeutet, dass für die Hersteller von Naturarzneimitteln zukünftig strengere Herstellungs- und Handhabungsanforderungen gelten, die mit weit reichenden finanziellen und organi- satorischen Konsequenzen verbunden sind. Zweitens: Als weiteres Beispiel möchte ich die Belas- tung der kleineren und mittleren Hersteller durch die Verschärfung der Regeln zur Qualifikation von Herstel- lungs- und Kontrollleitern nennen. Bisher war es so, dass Herstellungs- und Kontrollleitung bei Betrieben, die Wirkstoffe herstellen, in einer Person – sozusagen in Personalunion – vereint sein konnten. Zukünftig soll es aber in den Betrieben neben dem Herstellungsleiter auch einen Kontrollleiter geben, also wieder einmal ein deut- scher Sonderweg. Denn EU-Recht spricht nur von einer „qualified person“. Auch damit werden vor allem klei- nere und mittlere Firmen belastet, da sie sich in aller Re- gel zusätzliches hoch qualifiziertes Personal nicht leisten können. Eine weitere Änderung durch die 12. AMG-Novelle zeugt meiner Meinung nach sogar von einer völligen Unkenntnis der üblichen Praxis in den Betrieben. Denn bisher war für Herstellungs- und Kontrollleiter eine zweijährige Erfahrung in Herstellung oder Prüfung not- wendig. Nun wird verlangt, dass der Herstellungsleiter zweijährige Erfahrung in der Herstellung und der Kontrolleiter zweijährige Erfahrung in der Arzneimittel- prüfung haben muss. Einerseits ist ein Austausch der Positionen im Rahmen von Jobrotationen durchaus üb- lich. Und andererseits wird durch eine ganzheitliche Be- urteilung des Gesamtgeschehens in der Produktion eine optimale Arzneimittelsicherheit gewährleistet. Festzu- halten bleibt, dass diese Änderung weder unter dem Ge- sichtspunkt der Arzneimittelsicherheit noch unter den Erfordernissen des EU-Rechts zwingend erforderlich ist. Für sehr bedenklich halte ich auch, dass durch die 12. AMG-Novelle in einigen Fällen die Zustimmungs- pflicht des Bundesrates ausgehebelt wird. Insbesondere im Zusammenhang mit der Herausnahme der OTC- Präparate aus der Erstattungspflicht erscheint es äußerst bedenklich, dass bestimmte Kriterien, die zur Verschrei- bungspflicht führen, allein vom BMGS per Rechtsver- ordnung festgelegt werden können. Das BMGS kann also hier zukünftig ohne Zustimmung des Bundesrates schalten und walten. Ganz offensichtlich will sich die Bundesregierung da- mit künftig ein Steuerungsinstrument schaffen, durch das sie die Ausgaben der GKV nach Belieben beeinflus- sen kann. Denn dadurch, dass nach dem GKV-Moderni- sierungsgesetz ab Anfang des nächsten Jahres nicht ver- schreibungspflichtige Arzneimittel nicht mehr erstattet werden, kann das BMGS relativ einfach durch Verord- nung den Kreis der nicht erstattungsfähigen Präparate – und zwar ohne Zustimmung des Bundesrates – erwei- tern und so die Ausgaben der GKV regulieren. Sollte es im Laufe des parlamentarischen Verfahrens nicht noch zu wesentlichen Verbesserungen der 12. AMG-Novelle kommen, werden wir ihr unsere Zu- stimmung verweigern. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die heute noch sehr unterschiedlichen rechtlichen Bestim- mungen in den EU-Mitgliedstaaten erschweren und ver- zögern vor allem die Durchführung multinationaler Prü- fungen. Zudem ist der Patienten- und Probandenschutz innerhalb der EU sehr unterschiedlich weit ent-wickelt. Im Jahr 2001 hat die EU mit der Richtlinie zur guten kli- nischen Praxis auf diese unbefriedigende Situation rea- giert. Mit dem nun vorliegenden 12. AMG-Änderungsge- setz wird diese Richtlinie in das deutsche Arzneimittel- recht übertragen. Der vorliegende Gesetzesentwurf ver- bessert die Rahmenbedingungen für die forschende Industrie, insbesondere durch die Vereinfachung des Ver- fahrens vor den Ethikkommissionen und die Verkürzung der Genehmigungsfristen. Damit können Arzneimittelin- novationen auch schneller den Patientinnen und Patien- ten zugute kommen. Gleichzeitig geht der Gesetzesent- wurf über einige Anforderungen der EU-Richtlinie sogar 7280 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 (A) (C) (B) (D) noch hinaus und leistet so einen wichtigen Beitrag zu mehr Patienten- und Probandensicherheit. Diskussionsbedarf innerhalb des Gesetzgebungsver- fahrens wird es aus unserer Sicht vor allem in zwei Fel- dern geben: Heute ist über die Hälfte der bei Kindern angewende- ten Arzneimittel ohne eine arzneimittelrechtliche Zulas- sung für die Anwendung bei dieser Altersgruppe. Dieser „off-licence-use“ kann mit erheblichen Risiken verbun- den sein. Für etliche Krankheiten, von denen Kinder be- troffen sind, gibt es sogar überhaupt keine Arzneimittel. Der vorliegende Gesetzesentwurf soll dazu beitragen, das Arzneimittelangebot und die Arzneimittelsicherheit für Kinder deutlich zu verbessern. Erstmals – und in sehr eingeschränktem Umfang – soll die gruppennützige For- schung mit nichteinwilligungsfähigen Kindern und Ju- gendlichen erlaubt werden. Die fremdnützige Forschung an nichteinwilligungsfä- higen Menschen ist seit Jahren in Deutschland Gegen- stand heftiger gesellschaftspolitischer Diskussionen. Sie haben dazu geführt, dass Deutschland das „Übereinkom- men über Menschenrechte und Biomedizin“ des Europa- rats nicht unterzeichnet hat. Ich begrüße es daher sehr, dass sich die Enquete-Kommission „Ethik und Recht in der modernen Medizin“ mit diesem Themenkomplex be- schäftigt und ihre Position in die weiteren Verhandlun- gen einbringen wird. Aus meiner Sicht sollte der berechtigte Vorbehalt ge- gen Forschungen an Menschen mit Behinderungen oder an Demenzkranken nicht zu einem umfassenden Tabu der Forschung an und zugunsten von kranken Kindern und Jugendlichen führen. Dies gilt einerseits wegen der erwähnten Therapieunsicherheit. Andererseits lassen Berichte aus der Praxis vermuten, dass längst gruppen- und auch fremdnützige Untersuchungen mit Kindern und Jugendlichen durchgeführt werden. Wir brauchen in diesem Bereich dringend Rechtssicherheit. Nach dem Gesetzentwurf soll die Forschung für die minderjährigen Probanden nur mit einem „minimalen Risiko“ und einer „minimalen Belastung“ verbunden sein. Das ist eine sehr vernünftige Regelung – wir sollten uns aber darum bemühen, diese Begriffe noch eindeuti- ger und rechtssicher zu definieren. Ein Augenmerk werden wir auch darauf haben müs- sen, dass künftig Frauen in ausreichender Zahl an klini- schen Studien beteiligt werden. Unterschiede in Körper- größe, Gewicht und Stoffwechsel führen dazu, dass Arzneimittel bei Frauen und Männern häufig sehr unter- schiedliche Wirkungen hervorrufen. In den klinischen Studien sind aber Frauen meistens deutlich unterreprä- sentiert. Diese mangelnde Berücksichtigung von Frauen werden wir beenden müssen. Auch hier können wir et- was aus dem Ausland lernen: In den USA und Schweden ist die gleichrangige Teilnahme von Frauen an klini- schen Arzneimittelstudien per Gesetz vorgegeben. Euro- päische Arzneimittelunternehmen, die in den USA – auf dem größten Arzneimittelmarkt der Welt – operieren wollen, müssen sich auf diese Anforderungen einstellen. Der vorliegende Gesetzesentwurf kündigt an, dass die angemessene Einbeziehung von Frauen in klinische Prü- fungen, insbesondere dann, wenn „geschlechtssensible“ Arzneimittel zu prüfen sind, über eine Rechtsverordnung vorgenommen soll. Ob diese Ankündigung ausreicht, werden wir zu diskutieren haben. Bei der Weiterentwicklung des Arzneimittelrechts sind sowohl Interessen des Patientenschutzes als auch der Industriepolitik zu beachten und so weit wie möglich miteinander zu verbinden. Dazu leisten die EU-Richtli- nie und der vorliegende Gesetzesentwurf einen wichti- gen Beitrag. Kommt es allerdings zu Konflikten zwischen dem gesundheitspolitischen und dem wirt- schaftspolitischen Ziel, gilt der Grundsatz: Die Sicher- heit und der Schutz der Patienten und Probanden haben absolute Priorität! Dr. Dieter Thomae (FDP): In vielen Punkten dieser 12. AMG-Novelle dürfte Einigkeit bestehen. Es ist sinn- voll, die durch die EU getroffenen Regelungen in deutsches Recht zu übertragen. Zu begrüßen ist, dass gegenüber dem Referentenentwurf mittlerweile darauf Rücksicht genommen worden ist, dass pharmazeutische Unternehmen bei klinischen Prüfungen darauf angewie- sen sind, dass keine unabwendbaren Verzögerungen ein- treten. Die nun im Gesetzentwurf vorgesehenen Fristen scheinen diesem Tatbestand Rechnung zu tragen. Zu einigen weiteren Punkten werden wir in der Anhö- rung nähere Informationen benötigen, so zum Beispiel zu der Frage der Sinnhaftigkeit, dass Herstellungs- und Kontrollleiter zukünftig nicht mehr personenidentisch sein dürfen. Das europäische Recht kennt da nur eine qualifizierte Person Es mag mir auf den ersten Blick nicht einleuchten, warum das bei uns anders gehandhabt werden soll. Ob die Ansätze, die jetzt in der 12. AMG- Novelle enthalten sind, um Arzneimittel fälschungs- sicherer zu machen, ausreichend sind oder ob nicht noch Anregungen, wie sie zum Beispiel der Bundesrat ge- macht hat, aufgenommen werden sollten, wird ebenfalls zu klären sein. Der Punkt allerdings, der uns vermutlich am meisten beschäftigen wird, ist die Frage, inwieweit klinische Studien mit nicht einwilligungsfähigen Personen durch- geführt werden können. Wir stecken da in einem Dilemma. Einerseits möchten wir, dass Arzneimittel speziell auf die Belange von Kindern bei ihrer Behand- lung ausgerichtet werden und dass es auch für Menschen medizinischen Fortschritt gibt, die nicht in der Lage sind, selbst zu beurteilen, ob sie an einer klinischen Stu- die teilnehmen wollen. Andererseits wollen wir diese Menschen aber auch davor schützen, dass jemand ande- res ihnen einen Schaden zufügen kann. Ich denke, dass die Formulierungen in der jetzt vorlie- genden Novelle eine gute Grundlage für eine intensive Diskussion zu diesem Thema liefert. Die Enquete- Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ hat sich ja bereits mit dem Thema beschäftigt und wird noch vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens eine Stellungnahme hierzu abgeben. Ich bin überzeugt davon, dass wir in dieser Hinsicht keine radikal ablehnende Position einnehmen dürfen Wir müssen die Tür ein Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7281 (A) (C) (B) (D) wenig öffnen, damit auch nicht einwilligungsfähige Menschen in den Genuss medizinischer Weiterentwick- lungen kommen können. Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Siche- rung: Unser Entwurf für das 12. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Arzneimittelsicherheit in Deutschland. dikamente – genauso wie Alkohol – bei Frauen anders wirken als bei Männern. Wir setzen uns dafür ein, dass frauenspezifische Fragestellungen in der Arzneimittel- forschung stärker berücksichtigt werden. Eine entspre- chende Rechtsverordnung soll – so sieht es der Gesetz- entwurf ausdrücklich vor – möglichst bald geschaffen werden. Das Gesetz schafft außerdem bessere Rahmenbedin- gungen für die Beteiligung der Ethik-Kommission und Der Entwurf enthält die für die Umsetzung der euro- päischen Richtlinie notwendigen Änderungen der Rege- lungen zur klinischen Prüfung von Arzneimitteln bei Menschen. Damit werden einheitliche Rahmenregelun- gen für die klinische Forschung mit Arzneimitteln in Eu- ropa geschaffen. Von allen Seiten wurde immer wieder gefordert, die Arzneimittelsicherheit gerade für Kinder zu verbessern. Es darf nicht sein, dass Kinderärzte Medikamente für Er- wachsene bei Kindern anwenden müssen, obwohl sie nicht für den Einsatz bei Kindern erforscht sind. Wir haben darum die Möglichkeiten für klinische Prüfungen bei Kindern erheblich verbessert. Nach den bisherigen Bestimmungen musste ein Kind einen direk- ten Nutzen von einer klinischen Prüfung haben. Der Ge- setzentwurf sieht vor, dass die klinische Prüfung bei Kindern unter bestimmten Voraussetzungen auch dann gestattet wird, wenn ein so genannter Gruppennutzen vorliegt. Dies wird die Entwicklung von kindgerechten Arz- neimitteln erheblich verbessern. Zu Recht ist die Teilnahme von Kindern an klinischen Prüfungen ein hochsensibles Thema. Niemand will, dass sein Kind als „Versuchskaninchen“ gebraucht wird. So muss für diese Untersuchungen – wie generell bei klini- schen Prüfungen an Kindern – immer die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vorliegen und – sofern Ein- sichtsfähigkeit besteht – auch die des Kindes. Zur weiteren Verbesserung der Arzneimittelsicherheit für Kinder und Jugendliche sieht der Entwurf eine Kom- mission „Arzneimittel für Kinder und Jugendliche“ beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vor. Diese kann insbesondere bei Zulassungsverfahren Stellungnahmen zur Anwendung von Arzneimitteln bei Kindern und Jugendlichen abgeben. Nicht nur Kinder, sondern auch Frauen werden bisher unzureichend in die Arzneimittelforschung einbezogen. Neue Medikamente werden meistens an jungen gesun- den Männern erprobt. Dabei ist längst bekannt, dass Me- der zuständigen Bundesoberbehörde. Außerdem wird ein Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinpro- dukte bzw. dem Paul-Ehrlich-Institut eingeführt. In den vergangenen Monaten ist in der Öffentlichkeit mit Recht auf Todesfälle durch unerwünschte Arzneimit- telwirkungen hingewiesen worden. Auch wenn die Zah- len umstritten sind, steht für uns fest: Das Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen führt jedes Jahr zu einer nicht geringen Zahl von Todesfällen. Mit den neuen Pharmakovigilanzbestimmungen wer- den die Voraussetzungen zur Vermeidung von uner- wünschten Arzneimittelwirkungen verbessert. So enthält der Entwurf geänderte Melde- und Berichtspflichten zur besseren Erfassung und Auswertung unerwünschter Arz- neimittelwirkungen. Von großer Bedeutung ist dabei der Aufbau einer EU- weiten Datenbank, die einen effektiveren Informations- austausch über schwerwiegende unerwünschte Arznei- mittelwirkungen zwischen den Mitgliedstaaten sicher- stellt. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist uns die Bekämp- fung von Arzneimittelfälschungen. Durch den Gesetz- entwurf wird die Verbreitung von Arzneimittelfälschun- gen deutlich erschwert. Bisher konnte nichts gegen die Werbung für nicht zu- gelassene Arzneimittel unternommen werden. Durch eine Änderung des Heilmittelwerbegesetzes schließen wir diese Lücke. Künftig kann in solchen Fällen ein Bußgeld erhoben werden. Das 12. AMG-Änderungsgesetz ist ein wichtiger Meilenstein für die Arzneimittelsicherheit in Deutsch- land. Die Patientinnen und Patienten können sich zu- künftig darauf verlassen, dass die Medikamente, die sie verschrieben bekommen, umfassend erforscht und auf Nebenwirkungen geprüft wurden. Dies gilt gerade für Frauen und Kinder, die in der Arzneimittelforschung bisher viel zu wenig berücksich- tigt wurden. 82. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Joseph Fischer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Europa

    steht vor einer der wichtigsten Weichenstellungen seiner

    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7131


    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundesminister Joseph Fischer

    jüngeren Geschichte. In nur fünf Monaten, am 1. Mai
    des kommenden Jahres, wird unser Kontinent mit dem
    Beitritt von zehn neuen Mitgliedern zur Europäischen
    Union friedlich geeint. Gleichzeitig befinden wir uns
    – dies ist eine der Konsequenzen dieses historischen Er-
    eignisses – in einer entscheidenden Phase der Reform-
    diskussion. Vor diesem Hintergrund gewinnt der morgen
    beginnende Europäische Rat eine besondere Bedeutung.

    Frau Präsidentin, lassen Sie mich gleich zu Beginn
    meiner Rede der italienischen Ratspräsidentschaft, die
    den Europäischen Rat vorbereitet hat – dies war weiß
    Gott eine schwierige Arbeit und es wird noch schwieri-
    ger, den Rat zum Erfolg zu führen –, ausdrücklich dan-
    ken. Die italienische Präsidentschaft hat eine vorzügli-
    che Arbeit geleistet. Mit großer Umsicht und viel
    Geschick hat sie in den letzten sechs Monaten die Dis-
    kussion um den Verfassungsentwurf gesteuert. Wie ich
    schon sagte: Dies ist wirklich keine leichte Aufgabe.

    Ein historischer Rückblick zeigt: Das Ergebnis von
    Maastricht 1991 war die historische Antwort Europas
    auf die deutsche Einheit. Dieser Vertrag zur Wirtschafts-
    und Währungsunion hat Europa entscheidend vorange-
    bracht. Die nachfolgenden Regierungskonferenzen in
    Amsterdam und Nizza konnten sich daran jedoch leider
    nicht messen. Sie haben nicht die notwendigen Antwor-
    ten gefunden, um die Einheit Europas wirklich herbeizu-
    führen. Aus dieser Erfahrung heraus können wir uns,
    kann sich Europa jetzt ein zweites Nizza nicht leisten.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Die Konsequenz aus Nizza war die Einberufung eines
    Konvents; zum ersten Mal wurde ein Konvent einberu-
    fen. Der Konvent setzte sich zusammen aus nationalen
    und europäischen Parlamentariern, aus Regierungsver-
    tretern und Vertretern der Europäischen Kommission; er
    war gewissermaßen das institutionelle Viereck der Staa-
    ten und Bürger in der Union.

    In einer öffentlichen Debatte wurde ein Verfassungs-
    entwurf ausgearbeitet, von dem man sagen kann, dass er
    in der Tat alles andere als minimalistisch ist. Dieser Ver-
    fassungsentwurf des Konvents hat die Voraussetzungen
    dafür geschaffen, die Einheit Europas zu vollenden. Als
    Mitglied des Konvents gestatten Sie mir eine kurze per-
    sönliche Anmerkung: Je länger der Abstand zum Kon-
    vent selbst ist, desto mehr begreife ich, was die Mitglie-
    der, vor allem aber was das Präsidium, angeführt von
    Präsident Giscard d’Estaing, von Guiliano Amato und
    Jean-Luc Dehaene, tatsächlich geleistet haben. Ich
    möchte ihnen hier meinen allergrößten Respekt ausspre-
    chen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Die Bundesregierung hat sich von Anfang an dafür
    ausgesprochen, diesen historischen Gesamtkompromiss,
    den der Konvent erreicht hat, während der Regierungs-
    konferenz nicht wieder aufzuschnüren. Es geht jetzt da-
    rum, zu verhindern, dass die Mitgliedstaaten hinter die-
    sen ehrgeizigen Entwurf des Konvents zurückfallen.
    Eine Rückkehr zu den Ergebnissen von Nizza bedeutete
    unweigerlich, dass ein gesamteuropäischer Integrations-
    prozess auf Dauer politischen Schaden nehmen würde.
    Fast zwangsläufig würde damit die Entwicklung eines
    Europas der unterschiedlichen Geschwindigkeiten und
    Kerne vorgezeichnet.

    Ich möchte nochmals unterstreichen: Hierbei handelt
    es sich nicht um Taktiken oder Drohungen. Es sind viel-
    mehr die Konsequenzen, die sich aus einer erweiterten
    Union ergeben, wenn das institutionelle Gefüge, wenn
    die Entscheidungsmechanismen und wenn die demokra-
    tische Transparenz nicht in dem Maße gegeben sind, wie
    es der Problemdruck, aber auch das Verständnis, das die
    Bürgerinnen und Bürger zu Recht erwarten, erfordern.
    Deswegen soll man den Boten für die Botschaft nicht
    verantwortlich machen. Problemlösungen warten nicht
    und aus diesem Grunde werden wir alles tun, damit sich
    hier nicht andere Wege auftun. Deswegen verteidigen
    wir den Entwurf des Konvents.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich will nicht darum herumreden: Vor dem anstehen-
    den europäischen Rat befindet sich die Regierungskon-
    ferenz in einer ihrer schwierigsten Phasen. Ob wir in
    den kommenden Tagen zu einem positiven Ergebnis
    kommen werden, ist – das ist jetzt keine diplomatische
    Formulierung, keine Floskel – in der Tat offen. Unsere
    Haltung ist daher: Wenn sich beim Rat in Brüssel zeigen
    sollte, dass die Bereitschaft zu den erforderlichen Inte-
    grationsfortschritten in der Union der 25 noch nicht da
    ist, dann sollten wir besser weiter verhandeln. Kein Er-
    gebnis in diesem Jahr ist unseres Erachtens deutlich bes-
    ser als ein schlechtes Ergebnis, das die Arbeit an der
    Vollendung Europas über Jahre verzögern oder gar be-
    hindern würde.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Der strittigste und für die Bundesregierung wichtigste
    Punkt bleibt die Einführung der doppelten Mehrheit.
    Dabei unterstützen wir nachdrücklich den Vorschlag des
    Konvents. Warum? Die doppelte Mehrheit gewährleistet
    einen fairen Interessenausgleich zwischen den Großen
    und Kleinen innerhalb der Union. Sie ist eine wichtige
    Grundlage für einen handlungsfähigen Rat; denn sie ver-
    ringert ganz erheblich – das ist der entscheidende
    Punkt – die Blockademöglichkeiten. Das gilt – auch das
    sei hinzugefügt – selbstverständlich auch für die bisher
    existierende Blockademinderheit der Nettozahler.

    Schließlich spiegelt die doppelte Mehrheit wie kein
    anderes Element die zweifache Natur der Europäi-
    schen Union wider: die Union der Staaten und die
    Union der Bürger. Die Staatenmehrheit unterstreicht
    die Gleichberechtigung aller Mitglieder. Jeder Mit-
    gliedstaat hat eine Stimme, und zwar unabhängig da-
    von, ob es der kleinste Mitgliedstaat in der erweiterten
    Union, Malta, sein wird oder der bevölkerungs-
    reichste, die Bundesrepublik Deutschland. Wenn wir
    die doppelte Mehrheit beschließen, wird deshalb auch

    7132 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003


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    Bundesminister Joseph Fischer

    künftig keine Entscheidung in Europa ohne die Mit-
    gliedstaaten getroffen werden.

    Das zusätzliche Erfordernis einer Mehrheit der Uni-
    onsbürger verwirklicht ein zentrales Prinzip, das in jeder
    Demokratie als selbstverständlich gilt: ein Bürger – eine
    Stimme. Die Gleichheit der Staaten und die Gleichheit
    der Bürger sind das Grundprinzip dieser doppelten
    Mehrheit. Erst die Kombination beider Elemente, der
    Mehrheit der Staaten und der Mehrheit der Bürger, ver-
    deutlicht den besonderen Charakter der Union als Staa-
    ten- und Bürgerunion.

    Zugleich wird der entscheidende Kompromiss, der
    diese Union bei jeder einzelnen Entscheidung prägen
    wird, nämlich der Kompromiss zwischen den Interessen
    der großen und der kleinen Mitgliedstaaten, zum Grund-
    prinzip bei allen Entscheidungen: In der ersten Abstim-
    mung – Gleichheit der Staaten – werden die kleinen und
    die großen Staaten gleichberechtigt sein. Bei einem Ver-
    hältnis von sechs großen zu 19 kleinen Staaten in der er-
    weiterten Union – das ist völlig klar – wird es bei dieser
    Abstimmung ein Schwergewicht der kleinen Mitglied-
    staaten und ihrer Interessen geben.

    Das wird mit der zweiten Abstimmung ausgeglichen,
    bei der die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger zählt.
    Dort haben selbstverständlich die sechs großen Mitglied-
    staaten das stärkere Gewicht. Da beide Abstimmungen
    bei diesem Abstimmungsprinzip der doppelten Mehrheit
    gleichberechtigt nebeneinander stehen, ist der Zwang
    zum Kompromiss bei maximaler Transparenz und Ver-
    ständlichkeit dieser Abstimmung für die Bürger gege-
    ben.

    Wenn man das gegen das Prinzip von Nizza stellt,
    wird man begreifen, warum die doppelte Mehrheit auf
    Gestaltungsmehrheiten gründet, das Prinzip von Nizza
    aber als intransparentes Prinzip tatsächlich auf Blocka-
    deminderheiten gründet. Das würde die erweiterte
    Union meines Erachtens auf Dauer nicht aushalten. Eine
    Rückkehr zu dem Prinzip von Nizza mit seiner intrans-
    parenten und deshalb wenig demokratischen und schwer
    vermittelbaren Stimmengewichtung würde nach unserer
    Meinung ein Scheitern der Regierungskonferenz bedeu-
    ten.

    Die erweiterte Union wird ohne Zweifel starken zen-
    trifugalen Kräften ausgesetzt sein. Sie ist daher auf eine
    effiziente und durchsetzungsfähige Kommission ange-
    wiesen, die die Gemeinschaftsinteressen vertritt und sie
    zum Nutzen aller voranbringt. Dies liegt besonders im
    Interesse der kleinen Mitgliedstaaten.

    Die Bundesregierung befürwortet daher weiterhin
    und nachdrücklich eine Verkleinerung der Kollegiums
    bei gleichberechtigter Rotation zwischen den Mitglied-
    staaten. Einige Mitgliedstaaten, besonders auch die
    neuen, messen einem eigenen Kommissar allerdings
    eine hohe, um nicht zu sagen: sehr hohe Bedeutung bei.
    In ihren Augen würde ein solcher nationaler Kommissar
    helfen, die Legitimität der Unionspolitik zu Hause zu
    stärken.

    In dieser Diskussion dürfen allerdings zwei Dinge
    nicht vergessen werden: Zum einen wird die Kommis-
    sion laut Verfassungsentwurf künftig ihre Legitimität
    stärker und direkter von den Bürgerinnen und Bürgern
    beziehen; denn sie nehmen – das ist einer der wichtigen
    Fortschritte im Verfassungsentwurf – über die Wahlen
    zum Europäischen Parlament Einfluss auf die Bestim-
    mung des Kommissionspräsidenten. Zum anderen war
    die perspektivische Verkleinerung der Kommission die
    Grundlage des Verzichts der großen Länder auf einen
    zweiten Kommissar in Nizza.

    Größere Kontinuität des Handelns der Europäischen
    Union soll auch durch einen hauptamtlichen Präsiden-
    ten des Europäischen Rates garantiert werden. Das ist
    eine weitere zentrale Neuerung des Verfassungsent-
    wurfs. Dieser neue Präsident wird nicht mehr Kompe-
    tenzen als der bisherige Vorsitzende bekommen. Hier
    kommt der Konventsentwurf den Kritikern entgegen.
    Seine Aufgaben werden klar von denen des Kommis-
    sionspräsidenten und des europäischen Außenministers
    abgegrenzt. Es ist eine Position, für die die Bundesregie-
    rung entschieden eingetreten ist, und die Diskussion in
    der Regierungskonferenz hat gezeigt, dass es hier mitt-
    lerweile einen belastbaren Konsens gibt.

    Außerdem wurde im Präsidentschaftskompromiss
    eine weitere wichtige Forderung der kleineren Mitglied-
    staaten berücksichtigt: die Beibehaltung der Rotation
    des Vorsitzes im Rahmen von Teampräsidentschaften
    bei den Spezialräten. Gerade die turnusmäßige Über-
    nahme der Verantwortung für die Arbeit der Union ist
    für viele Mitgliedstaaten, vor allen Dingen für die neuen
    Mitgliedstaaten, ein wichtiges Element für die Identifi-
    kation mit Europa und für die Integration in die europäi-
    schen Strukturen.

    Die Bundesregierung begrüßt darüber hinaus die Ent-
    schlossenheit des italienischen Vorsitzes, die konkrete
    Umsetzung der Rotation des Vorsitzes einem Beschluss
    des Europäischen Rates zu überlassen und damit sekun-
    därrechtlich zu regeln. Dieser könnte schnell und ohne
    weitere mit Ratifikationsverfahren verbundene Vertrags-
    veränderungen angepasst werden.

    Meine Damen und Herren, wir unterstützen nach-
    drücklich die im Verfassungsentwurf in vielen Bereichen
    vorgesehene Stärkung des Europäischen Parlaments.
    Auch dies ist im Verfassungsentwurf ein ganz wichtiger
    Schritt nach vorne.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Das gebietet unser großes Interesse an einer wirklich eu-
    ropäischen Demokratie.

    All das mag jetzt nüchtern klingen. Aber es wird Aus-
    wirkungen haben. Denn wenn dieser Vertragsentwurf
    angenommen wird, werden dies die entscheidenden Fra-
    gen sein. Gerade für den Bundestag ist der Punkt, den
    ich jetzt anspreche – auch wenn er trocken daher-
    kommt – sehr wichtig. So soll das Mitentscheidungsver-
    fahren, in dem das Europäische Parlament mit dem Rat
    gleichberechtigt beschließt, zum Regelgesetzgebungs-
    verfahren werden. Die Bundesregierung ist sich darüber
    im Klaren, welch sensible Angelegenheit dies auch für

    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7133


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    Bundesminister Joseph Fischer

    das Verhältnis zwischen Europäischem Parlament und
    Bundestag tatsächlich ist.

    In Bezug auf das künftige Haushaltsverfahren müssen
    wir eine akzeptable Lösung finden. Der Konventsent-
    wurf sieht hier das Letztentscheidungsrecht des Europäi-
    schen Parlaments vor. Dazu gibt es im Europäischen Rat,
    in dem die nationalen Regierungen vertreten sind, erheb-
    lichen Widerspruch. Aber ich denke, wir sind auf gutem
    Wege. Die italienische Präsidentschaft wird hierzu einen
    interessanten Vorschlag machen, der sich im Wesentli-
    chen an der Struktur des Mitentscheidungsverfahrens
    orientiert und sowohl den Europäischen Rat als auch das
    Europäische Parlament berücksichtigt, wenn es um das
    Haushaltsverfahren geht, also um die Entscheidung: Wer
    bestimmt letztendlich, wie viel Geld in Europa ausgege-
    ben wird? Dies muss, wie es auch beim normalen Ge-
    setzgebungsverfahren der Fall ist, den Zwang zum Kom-
    promiss beinhalten. Wir hielten einen solchen Vorschlag
    für eine gute Lösung, ohne dass es hierbei zu einem ein-
    gebauten konstitutionellen Konflikt zwischen dem Rat
    und dem Parlament kommt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Meine Damen und Herren, in der Debatte in Deutsch-
    land wurde in diesem Zusammenhang immer wieder die
    Kompetenzfrage in den Vordergrund gestellt. Dies taten
    vor allen Dingen die Bundesländer – an erster Stelle das
    Bundesland Bayern, aber auch andere – sowie die Oppo-
    sition, insbesondere die Union. Dabei – auch dies kommt
    relativ trocken bzw. juristisch daher, ist aber für den All-
    tag von entscheidender Bedeutung – ist auch die dahinter
    stehende Frage zu beantworten: Wer macht was in Eu-
    ropa bzw. in der Europäischen Union?


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Genau!)

    So sieht der Entwurf eine klarere Kompetenzabgren-

    zung – dafür hat sich die Bundesregierung zusammen
    mit den Ländern sehr eingesetzt – und die Stärkung von
    Kontrollmechanismen vor. Gerade – das ist für mich ein
    weiterer zentraler Punkt – in Bezug auf die Stärkung der
    Subsidiaritätskontrolle haben wir alle gemeinsam in-
    tensiv um einen Konsens gekämpft. Das heißt im Klar-
    text, dass jede europäische Entscheidung daraufhin zu
    überprüfen ist, ob sie tatsächlich auf europäischer Ebene
    getroffen werden muss oder ob es nicht besser wäre,
    wenn sie in nationaler oder regionaler Kompetenz ver-
    bleiben würde, also in den einzelnen Mitgliedstaaten ge-
    troffen würde. Die Subsidiaritätskontrolle ist im neuen
    Verfassungsentwurf enthalten, und zwar nicht nur in
    Form eines Obersatzes, sondern in der Tat als eine di-
    rekte Regelung. Ich denke, damit gewinnen die nationa-
    len Parlamente in der erweiterten Union und in ihren In-
    stitutionen an Bedeutung und spielen eine ganz
    besondere Rolle, die sie dann auch wahrnehmen müssen.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


    Das heißt, dass die Parlamente der Mitgliedstaaten
    – gestatten Sie mir, dass ich mich besonders an die Ab-
    geordneten wende – schon in der Vorbereitungsphase ei-
    nes Gesetzgebungsaktes durch die Kommission syste-
    matisch und zeitig unterrichtet werden. Anschließend
    besteht die Möglichkeit, zu jedem Vorschlag Stellung zu
    nehmen. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass das Parla-
    ment nicht erst, wenn eine Entscheidung bereits auf dem
    Weg ist, gefragt wird, ob sie tatsächlich zum Subsidiari-
    tätsansatz passt, dass also nicht nur das, was in Europa
    beschlossen werden muss, auch auf europäischer Ebene
    und der Rest in den Mitgliedstaaten entschieden wird,
    sondern dass hier ein Frühwarnmechanismus besteht,
    durch den die nationalen Parlamente rechtzeitig genug,
    bereits wenn ein solches Verfahren beginnt, eingeschal-
    tet werden.

    Darüber hinaus können die nationalen Parlamente vor
    dem EuGH Klage erheben. Ich betone bewusst: Nicht
    nur die Vielzahl der nationalen Parlamente der einzelnen
    Mitgliedstaaten besitzen ein Klagerecht, sondern zum
    Beispiel auch das zweite Parlament der Bundesrepublik
    Deutschland, der Bundesrat. Das war für die Länderver-
    treter von großer Bedeutung. Auch dem Ausschuss der
    Regionen soll künftig diese Möglichkeit zustehen.

    Diese Fortschritte werden – das ist heute bereits ab-
    sehbar – auf der Regierungskonferenz nicht infrage ge-
    stellt werden. Damit wird dem Interesse des Bundestags
    wie auch der deutschen Länder voll entsprochen.

    Daneben wird sich die Bundesregierung weiterhin für
    die Präzisierung der Daseinsvorsorge und der Koordinie-
    rung im Bereich der Sozialpolitik einsetzen. Wir wissen,
    dass dies besonders für die Bundesländer von Bedeutung
    ist. Auch hier zeichnet sich aufgrund einer verbesserten
    Formulierung im Wesentlichen Konsens ab.

    Meine Damen und Herren, mit dem Verfassungsent-
    wurf liegt uns ein ausgezeichneter Vorschlag für die in-
    nere Reform der Europäischen Union vor. Es liegt im
    langfristigen Interesse unseres Landes, dass uns diese
    Reform gelingt. Aber sie muss eine wirkliche Reform
    sein und darf nicht auf das Niveau des Vertrages von
    Nizza zurückfallen. Es darf kein Nizza II geben. Wollten
    wir nur die Ziele des Nizza-Vertrages erreichen, dann
    brauchten wir keine europäische Verfassung, sondern
    könnten uns ausschließlich an das halten, was bereits
    entschieden und ratifiziert worden ist. Ich bin aber der
    Meinung, dass der Vertrag von Nizza als Minimalkom-
    promiss für die Ausgestaltung der Zukunft der Europäi-
    schen Union der 25 und mehr Mitgliedstaaten nicht aus-
    reichen wird.

    Uns geht es darum, dass diese Reform durchgeführt
    und ein Verfassungsvertrag ausgearbeitet wird. Er ist die
    Grundlage für ein starkes und handlungsfähiges Europa
    in der Welt. Kein einzelner der europäischen Staaten,
    auch nicht der größte, kann in Zukunft alleine seine Inte-
    ressen nach außen auf Dauer wirksam vertreten. Dafür
    sind selbst die größten und mächtigsten europäischen
    Nationalstaaten unter den Bedingungen, die sich uns in
    Zukunft stellen werden, zu klein. Nur gemeinsam als Eu-
    ropäische Union können wir den Herausforderungen der
    Zukunft effektiv begegnen. Nur gemeinsam haben wir
    eine Chance, das 21. Jahrhundert auf positive Weise zu
    gestalten.

    7134 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003


    (A) (C)



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    Bundesminister Joseph Fischer

    Uns muss klar sein: Die Welt wird auf die Europäer

    nicht warten. Entweder lösen wir unsere internen Pro-
    bleme, entweder stellen wir eine gemeinsame Hand-
    lungsfähigkeit her, entweder finden wir nicht nur in ei-
    nem gemeinsamen Markt zusammen, sondern auch in
    einer gemeinsamen Demokratie und einer gemeinsamen
    Außen- und Sicherheitspolitik, entweder wird die Euro-
    päische Union zum politischen Subjekt auf internationa-
    ler Bühne oder die Welt wird sich ohne den wesentlichen
    Einfluss der Europäer fortentwickeln. Das würde für uns
    alle eine bittere Erfahrung werden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Meine Damen und Herren, auch wenn es nicht Auf-
    gabe einer Verfassung sein kann, eine einheitliche euro-
    päische Haltung in der Außenpolitik herzustellen, so
    schafft der vorliegende Entwurf doch die notwendigen
    Institutionen und Verfahren, mit denen Europa künftige
    Krisen geschlossen besser bewältigen kann. Zum einen
    sieht er eine engere inhaltliche Zusammenarbeit der Mit-
    gliedstaaten vor. Zum anderen bekommt Europa in der
    operativen Außenpolitik ein Gesicht, nämlich durch ei-
    nen europäischen Außenminister. Die Regierungskon-
    ferenz stellt diesen wichtigen Schritt im Wesentlichen
    nicht mehr infrage. Der europäische Außenminister wird
    dem Rat für Auswärtige Angelegenheiten vorsitzen und
    zugleich Vizepräsident der Kommission sein. Er hat also
    eine echte Doppelfunktion inne. Er soll dabei – auch das
    ist eine wesentliche neue Änderung – von einem europä-
    ischen Auswärtigen Dienst unterstützt werden, der sich
    aus Mitarbeitern des Rates, der Kommission und ent-
    sandten nationalen Beamten zusammensetzt. Die Ein-
    führung des Amtes eines Außenministers und seines aus-
    wärtigen Dienstes auf europäischer Ebene wäre ein un-
    geheurer Fortschritt für die europäische Außen- und
    Sicherheitspolitik.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Seit dem Europäischen Rat in Köln 1999 wurde ge-
    rade im Bereich der gemeinsamen Sicherheitspolitik viel
    erreicht: So sind in Brüssel die relevanten Institutionen
    und Mechanismen aufgebaut worden. Die Entwicklung
    militärischer und ziviler Fähigkeiten wurde vorangetrie-
    ben. Die Vereinbarungen zwischen EU und NATO, die
    so genannten Berlin-Plus-Vereinbarungen, wurden fina-
    lisiert. Die Union hat drei Krisenmanagementoperatio-
    nen auf dem Balkan sowie eine weitere im Kongo über-
    nommen und die Bereitschaft zur Führung einer
    militärischen Operation in Bosnien-Herzegowina er-
    klärt.

    Gleichzeitig muss die Europäische Sicherheits- und
    Verteidigungspolitik jedoch weiterentwickelt werden.
    Hierzu würden die jetzt vorliegenden Verfassungsbe-
    stimmungen entscheidend beitragen. Dazu gehört insbe-
    sondere die Möglichkeit zur so genannten strukturierten
    Zusammenarbeit im militärischen und sicherheitspoliti-
    schen Bereich.

    Die jetzt gefundene Formulierung, die die italienische
    Präsidentschaft nach der französisch-britisch-deutschen
    Einigung in die Regierungskonferenz eingeführt hat,
    stellt eine echte Verbesserung des vorliegenden Ent-
    wurfs, aber keine Kritik am Konvent dar. Er konnte diese
    Einigung nicht erreichen. Nachdem sie jetzt erreicht
    wurde, kann man von einer echten Verbesserung spre-
    chen. Ich denke, dies ist ein ganz wichtiger Punkt, um
    die gemeinsame Handlungsfähigkeit nach außen sicher-
    zustellen. Hinzu kommen eine gemeinsame Agentur
    für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten
    sowie eine Solidaritätsklausel zur Bekämpfung der Fol-
    gen von Terroranschlägen und Katastrophen natürlichen
    oder menschlichen Ursprungs.

    Meine Damen und Herren, die Stärkung der Gemein-
    samen Außen- und Sicherheitspolitik wird jetzt nicht nur
    im Rahmen der Regierungskonferenz auf dem Europäi-
    schen Rat behandelt. Sie steht auch in einem anderen
    Zusammenhang auf der Tagesordnung des Europäischen
    Rates. Wir sind uns einig: Die Union muss gegenüber
    den Herausforderungen und Risiken des 21. Jahrhun-
    derts handlungsfähiger werden. Sie muss schneller, akti-
    ver und kohärenter handeln. So werden wir auf dem Rat
    die vom Hohen Beauftragten entwickelte europäische
    Sicherheitsstrategie verabschieden. Auch das halte ich
    für einen ganz wichtigen Schritt nach vorne. Man kann
    auch sagen, dies zeigt, dass die Europäische Union be-
    griffen hat, was nach dem 11. September direkt und un-
    mittelbar hätte in Angriff genommen werden sollen.

    Wenn man sich diese gemeinsame europäische Si-
    cherheitsstrategie, die jetzt im Entwurf zur Verabschie-
    dung vorliegt, anschaut – die Bundesregierung hat we-
    sentlich dazu beigetragen, diese Idee auf den Weg zu
    bringen –, dann kann man feststellen, dass der Weg ent-
    lang dem erweiterten Sicherheitsbegriff führt und dass
    wir nicht nur über das Militär, sondern vor allen Dingen
    auch über die Konfliktlösung im zivilen Bereich sowie
    über diplomatische Prävention reden. Wir analysieren in
    diesem Entwurf nicht nur die ganze Bandbreite von Risi-
    ken und Gefahren, sondern uns liegt auch ein vollständi-
    ger Instrumentenkasten mit Antworten vor. Das heißt,
    wir bewegen uns entlang dem erweiterten Sicherheitsbe-
    griff und betreiben Krisenprävention, Krisenbewältigung
    und Krisenverhinderung. Ich denke, ich kann hier im In-
    teresse aller sagen: Bei der Umsetzung des erweiterten
    Sicherheitsbegriffs sind die Europäer in der Tat weltweit
    am weitesten.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Jörg van Essen [FDP])


    Ich möchte hier nicht auf die weiteren Details einge-
    hen und denke, wir werden an anderer Stelle nochmals
    darüber sprechen können.

    Für mich ist wichtig – lassen Sie mich das an dieser
    Stelle nochmals betonen –: Alle Reformbemühungen im
    außen- und sicherheitspolitischen Bereich in der Euro-
    päischen Union haben immer auch das Ziel, die transat-
    lantische Partnerschaft und die NATO zu stärken. Die
    NATO bleibt das Fundament unserer kollektiven Vertei-
    digung. Sie ist einer der zentralen Eckpfeiler der Stabili-
    tät im 21. Jahrhundert. Niemand will und kann ihre

    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7135


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    (B) (D)


    Bundesminister Joseph Fischer

    grundlegende Bedeutung als Garant unserer Sicherheit
    infrage stellen.

    Eine gestaltungs- und handlungsfähige europäische
    Sicherheits- und Verteidigungspolitik kann das Konzept
    des europäischen Pfeilers in der NATO mit Leben erfül-
    len. Exakt darum geht es. Die NATO im 21. Jahrhundert
    wird nicht gefährdet, wenn die Europäer stärker und in
    der politischen Willensbildung geschlossener werden,
    wenn die Institutionen der Außen- und Sicherheitspolitik
    vorhanden sind, um handlungsfähiger zu werden, und
    wenn wir unsere Fähigkeiten erweitern. Mit dem So-
    lana-Papier werden wir eine europäische Strategie ha-
    ben. Das wird die NATO nicht schwächen, sondern die
    transatlantische Brücke über die Stärkung des europäi-
    schen Pfeilers festigen. Meines Erachtens wird nur ein
    schwaches Europa auf Dauer zur Erosion der NATO bei-
    tragen. Deswegen ist es auch im Interesse unserer trans-
    atlantischen Partner, dass wir in der europäischen Si-
    cherheitspolitik vorankommen.

    Eines möchte ich nochmals sagen: Wir wollen zwi-
    schen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungs-
    politik und der NATO Komplementarität und nicht Kon-
    kurrenz. Das ist unsere Grundlage.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Lassen Sie mich zusammenfassen: Ein erfolgreicher
    Abschluss der Regierungskonferenz erfordert von allen
    Partnern eine Rückbesinnung auf das, was der Europäi-
    sche Rat in Laeken beschlossen hat und was dieses Eu-
    ropa seit seiner Gründung ausmacht, nämlich die Errei-
    chung eines europäischen Kompromisses. Es wird
    morgen und übermorgen in Brüssel nicht darum gehen,
    dass wir Blockademinderheiten verteidigen. Die Erwei-
    terung der Union auf jetzt 25 bedeutet die Vereinigung
    Europas, das über fünf Jahrzehnte, wie unser Land,
    durch den Eisernen Vorhang, durch Mauer und Stachel-
    draht getrennt war.

    Gewiss wird es viel Verständnis, Sensibilität und Ge-
    duld bedürfen, um in der europäischen Familie wirklich
    zusammenzuwachsen. Aber jetzt brauchen wir, wenn die
    Dinge nicht auseinander laufen sollen, in der Tat bei al-
    len Beteiligten in der Europäischen Union, bei den alten
    und bei den neuen Mitgliedern, bei den großen und bei
    den kleinen Mitgliedstaaten, bei den – was die Finanzen
    betrifft – Nehmern und gleichzeitig bei den Gebern die
    Erkenntnis der Notwendigkeit, dass diese europäische
    Erweiterung, die zum 1. Mai kommt, gleichzeitig einer
    entsprechenden historischen Antwort bedarf. So wie mit
    dem Vertrag von Maastricht auf die deutsche Einheit ge-
    antwortet wurde, so muss jetzt auf die europäische Ein-
    heit mit der Annahme des Konventsentwurfs durch die
    Regierungskonferenz geantwortet werden.

    Alle Beteiligten müssen sich über die historische Di-
    mension dessen, was jetzt anzupacken ist, im Klaren
    sein. Es geht nicht allein um die Verteidigung der natio-
    nalen Interessen. Darum ging es im Konvent selbstver-
    ständlich immer, aber letztendlich stand im Konvent
    nicht das nationale Interesse, sondern der europäische
    Kompromiss an erster Stelle. Das unterscheidet den
    Konventsentwurf von Nizza. Ganz genau das ist der Un-
    terschied.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Deswegen möchte ich namens der Bundesregierung
    hier nochmals an alle Beteiligten appellieren, im Geiste
    des europäischen Kompromisses zu agieren und zu han-
    deln und der historischen Herausforderung gerecht zu
    werden. Was wir wollen, ist eine Verfassung für Europa.
    Was wir nicht wollen, ist ein Nizza 2. Das wird unsere
    Verhandlungsstrategie bestimmen. Ich würde mich
    freuen, wenn wir dafür die Unterstützung des Hauses be-
    kämen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)




Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Wolfgang

Schäuble.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Schäuble


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den

    meisten Aussagen des Bundesaußenministers in seiner
    Regierungserklärung muss auch von der CDU/CSU-
    Bundestagsfraktion nicht widersprochen werden. Das
    gilt für die historische Bedeutung der Erweiterung der
    Europäischen Union und für die Überwindung der euro-
    päischen Spaltung. Das gilt für die Aussagen, dass wir
    damit zugleich die Entscheidungsfähigkeit der Europäi-
    schen Union verbessern müssen, dass wir eine europäi-
    sche Verfassung brauchen, dass wir über den in Nizza er-
    reichten Stand von Entscheidungsfindung hinaus
    kommen müssen. Das gilt auch für das, was Sie zu der
    Entwicklung einer europäischen Strategie in dem So-
    lana-Papier gesagt haben. Es gilt nicht zuletzt für den
    Dank an die italienische Präsidentschaft; das hat man
    von der Regierung früher auch schon anders gehört.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es ist gut, dass die Leistung der italienischen Präsident-
    schaft, die wirklich beachtlich gewesen ist, gewürdigt
    wird, genauso wie die Leistung des Konvents und des
    Präsidiums des Konvents. Das alles findet unsere Zu-
    stimmung.

    Die Lage in Europa ist gleichwohl sehr viel schwieri-
    ger, als wir uns angesichts dieser europäischen Heraus-
    forderungen wünschen würden. Davon hat der Bundes-
    außenminister nicht gesprochen, aber darüber muss in
    dieser Debatte auch gesprochen werden. Die Schwierig-
    keiten, die sich auch in der krisenhaften Zuspitzung in
    der Regierungskonferenz und vor dem europäischen
    Gipfel in den kommenden Tagen in Brüssel zeigen, ver-
    deutlichen ja, wie viel Vertrauen in Europa in den letz-
    ten Monaten zerstört worden ist. Daran hat leider die
    Bundesregierung mitgewirkt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der Punkt ist, dass Worte und Taten nicht überein-

    stimmen. Wenn wir sehen, wie jetzt um Stimmrechtsan-
    teile in einer Tonart gerungen wird, die wir für falsch

    7136 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003


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    Dr. Wolfgang Schäuble

    halten, dann zeigt sich darin, dass die Politik der deut-
    schen Regierung zusammen mit ihren Partnern, die von
    anderen als der rücksichtslose Versuch der Dominanz
    verstanden worden ist und verstanden werden musste,
    zur Zerstörung von Vertrauen geführt und die Einigungs-
    möglichkeiten in Europa dramatisch erschwert hat. Das
    ist der Bundesregierung anzulasten. Das darf nicht fort-
    gesetzt werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es ist übrigens noch viel schlimmer. Das Vertrauen ist

    nicht nur zwischen den europäischen Regierungen
    zerstört worden. Ich habe dieser Tage in einer Zeitungs-
    meldung – diese Untersuchung ist noch nicht veröffent-
    licht – gelesen: Die jüngste Umfrage des Eurobarome-
    ters hat ergeben, dass nur noch jeder zweite Deutsche für
    die Mitgliedschaft in der Europäischen Union sei. Die
    Umfrage der Brüsseler Kommission zeigte, dass im
    Herbst 2003 nicht einmal mehr jeder zweite Befragte in
    Deutschland die EU-Zugehörigkeit befürwortete. Dies
    entspricht gegenüber dem Frühjahr 2003 einem Rück-
    gang um 13 Prozentpunkte. Das macht deutlich, Herr
    Bundeskanzler und Herr Außenminister, welch schwe-
    ren Schaden Sie der europäischen Einigung zugefügt ha-
    ben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)


    Das setzt sich fort und das macht keinen Sinn. Ich lese
    Ihnen gleich die nächste Zeitungsmeldung vor. Darüber
    muss doch geredet werden. Wir kommen in Europa nicht
    voran, wenn zwischen den beteiligten Regierungen kein
    grundlegendes Vertrauen besteht. Wir kommen in Eu-
    ropa nicht voran, wenn die Bevölkerung dieses europäi-
    sche Projekt nicht mehr will und unterstützt, weil sie es
    nicht mehr versteht und der Geist der Zusammenarbeit
    systematisch zerstört wird. Das ist das Problem.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Auch ich beschäftige mich gelegentlich mit dem

    Kerneuropagedanken. Aber wir haben dieses Kern-
    europa immer als ein Element verstanden, um Europa
    voranzubringen, nicht um es zu spalten.


    (Widerspruch bei der SPD)

    Wir können uns nicht aussuchen, wer dazu gehört und
    wer nicht. Das ist der Unterschied. Deutsch-französi-
    sche Zusammenarbeit ist für Europa wesensnotwendig.
    Ohne deutsch-französische Zusammenarbeit kommt Eu-
    ropa nicht voran. Weil diese Zusammenarbeit in Nizza
    nicht gut funktioniert hat, wurde in Nizza nicht das er-
    reicht, was hätte erreicht werden sollen. Aber wenn
    deutsch-französische Zusammenarbeit so verstanden
    wird, dass die anderen sie als einen Akt der Bevormun-
    dung empfinden und es zu einem Streit zwischen großen
    und kleinen Ländern in Europa kommt, dann wirkt sich
    die deutsch-französische Zusammenarbeit nicht in einer
    förderlichen Weise für Europa aus. Das muss korrigiert
    werden. Dagegen ist in den letzten Monaten verstoßen
    worden.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ein anderes Beispiel aus den letzten Tagen: Der Bun-
    deskanzler hat in China einseitig die Aufhebung einer
    gemeinsamen EU-Entscheidung hinsichtlich des Rüs-
    tungsexports nach China angekündigt. Anschließend
    erklärte er – ich zitiere die nächste Zeitungsmeldung –:

    Er
    – der Bundeskanzler –

    „verstehe das überhaupt nicht“, sagte er … zum
    Wirbel um die Aufhebung des Waffenembargos.
    Das Ganze sei schließlich eine Entscheidung, wel-
    che die EU zu treffen habe, das Vorgehen sei längst
    mit Frankreich abgestimmt.

    So, Herr Bundeskanzler, geht es nicht. So zerstören
    Sie die Grundlagen zur Einigung in der Europäischen
    Union.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU)


    Angesichts der Bedeutung des bevorstehenden Gip-
    fels ist es ganz wichtig, dass wir sehen, wo die Ursachen
    der Schwierigkeiten liegen, die beseitigt werden müssen.
    In der Zukunft darf es nicht mehr so schief laufen, wie
    das in den letzten Monaten der Fall gewesen ist.

    In der Debatte um die doppelte Mehrheit unterstüt-
    zen wir die Position, die der Bundesaußenminister dar-
    gelegt hat. Dabei muss man allerdings sehen, wie diese
    Situation entstanden ist: In Nizza war kein besseres Er-
    gebnis zu erreichen. Daran war übrigens auch die Bun-
    desregierung beteiligt. Das, was in Nizza unterschrieben
    wurde, darf man unter Berücksichtigung des Verhältnis-
    ses zu anderen nicht allzu leicht zum Teufelswerk erklä-
    ren, obwohl ich für eine Verbesserung der Stimmvertei-
    lung bin.

    Das Problem ist übrigens nicht so sehr die Frage des
    Gewichts von großen und kleinen Ländern. Das Problem
    an den Beschlüssen von Nizza ist, dass sie zu viele
    Blockademöglichkeiten enthalten. Wir müssen errei-
    chen, dass Europa entscheidungsfähiger wird.

    Ich habe dieser Tage die Ehre gehabt, mit dem finni-
    schen Ministerpräsidenten, der Berlin besucht hat, zu
    sprechen. Er hat mir in Bezug auf die Verhandlungen ei-
    nen Satz gesagt, den man sich für den Gipfel am Wo-
    chenende in Brüssel gut merken sollte. Er hat gesagt, die
    Finnen würden sich ein wenig wundern. Sie seien der
    Europäischen Union beigetreten, um zu gestalten. Jetzt
    gingen die Verhandlungen nur um die Frage, wie man
    am besten blockieren könne. Das ist die Veränderung.


    (Günter Gloser [SPD]: Wen meinen Sie denn?)

    Das ist die Folge des Verlusts an Vertrauen. Daran hat
    die deutsche Bundesregierung maßgeblich mitgewirkt.
    Das liegt in Ihrer Verantwortung. Hier muss korrigiert
    werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das ist richtig!)


    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7137


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    Dr. Wolfgang Schäuble

    Wir werden noch sehr lange Zeit in Europa damit zu

    leben haben, dass die einzelnen Mitgliedsländer eine un-
    terschiedliche Erfahrung haben und ein unterschiedli-
    ches Verständnis von dem haben, was diese Europäische
    Union als eine sich bildende und entwickelnde politische
    Einheit werden soll. Das muss man respektieren. Die
    Einstellung der sechs Länder, die vor 50 Jahren mit dem
    europäischen Einigungsprozess begonnen haben, ist eine
    andere als die der Länder, die später hinzugekommen
    sind oder erst zum 1. Mai dazustoßen werden. Damit
    muss man sensibel umgehen. Wenn man diesen Ländern
    das Gefühl vermittelt, man wolle sie bevormunden, oder
    wenn man sie arrogant wie Kinder behandelt, die sich
    am Tisch ruhig zu verhalten haben, bevor sie mitreden
    dürfen, dann wird man das europäische Projekt nicht för-
    dern, sondern man wird Europa spalten. Durch die Art,
    wie wir mit unserem wichtigen polnischen Nachbarn in
    den letzten Monaten umgegangen sind, ist gegen das Ge-
    bot der Sensibilität verstoßen worden. Das wird der Be-
    deutung des deutsch-polnischen Verhältnisses nicht
    gerecht. Das wird auch der Bedeutung Polens für den eu-
    ropäischen Einigungsprozess nicht gerecht. Wir brau-
    chen eine führende Rolle Polens bei der europäischen
    Einigung, wenn die europäische Spaltung überwunden
    werden soll.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Das kann ja wohl nicht wahr sein!)


    Es hat keinen Sinn, wenn Sie sich erregen. Es wäre
    viel besser, wir würden gemeinsam darüber nachdenken,


    (Zuruf von der SPD: Dann haben Sie es mit Frau Steinbach richtig gemacht!)


    wie wir das, was schief gelaufen ist, in den kommenden
    Monaten verbessern.


    (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verbessern Sie erst einmal das Verhältnis zu Polen!)


    Der Bundesaußenminister hat sich in seiner Regie-
    rungserklärung viel mit den institutionellen Fragen be-
    schäftigt. Er hat weniges – nichts Falsches, aber leider
    auch nichts Ausreichendes – zur Kompetenzordnung
    gesagt. Da ist nicht so viel erreicht worden – nicht im
    Konvent und nicht in der Regierungskonferenz –, wie
    wir für nötig gehalten hätten. Ich füge hinzu: Das war
    nicht möglich. Es ist der Stand in Europa, dass eine klare
    Kompetenzordnung – das ist keine Kritik – derzeit wohl
    nicht zu erreichen ist. Die jetzige Kompetenzordnung
    wird nicht ausreichen, um den Menschen in Europa bes-
    ser klar zu machen, wer was entscheidet und wer für
    welche Entscheidungen demokratisch legitimiert und
    verantwortlich ist. Die Effizienz wird auch nicht besser.

    Hinzugekommen ist aber, dass sich schrittweise auch
    in diesem Verfassungsentwurf in Fragen der Wirt-
    schaftsordnung die Gewichte in die falsche Richtung
    verschieben. Ich will das anhand der Währungsstabili-
    tät verdeutlichen. Auch darüber muss gesprochen wer-
    den. Es sind kleine Schritte. Zum Glück scheint der An-
    griff auf die institutionelle Unabhängigkeit der
    Europäischen Zentralbank, der bis vor einigen Tagen
    noch sehr ernsthaft geführt worden ist, abgewehrt wor-
    den zu sein. Aber die kleinen Schritte bleiben.

    Zunächst einmal war es die dramatische Beschädi-
    gung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts
    durch die deutsche Bundesregierung,


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    die unverantwortlich ist und nachhaltigen Schaden für
    das Vertrauen der Menschen in das europäische Projekt
    gebracht hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Angesichts dieser Beschädigung, für die die Bundesre-
    gierung die Verantwortung trägt, ist es umso notwendi-
    ger, dass in den kommenden Tagen noch durchgesetzt
    wird, was nicht nur die CDU/CSU-Bundestagsfraktion
    seit Monaten in jeder Debatte fordert, sondern was auch
    die Europäische Zentralbank gefordert hat, nämlich dass
    die Währungsstabilität als weiteres Ziel der Europäi-
    schen Union in die Verfassung aufgenommen wird. Ge-
    rade nach der Beschädigung der Stabilität ist es notwen-
    dig, die Währungsstabilität wie in den bisherigen
    Verträgen als Ziel zu verankern.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Günter Gloser [SPD]: Wo ist der Euro instabil?)


    – Sie sollten zur Kenntnis nehmen, wie stark das Ver-
    trauen der Menschen in das europäische Projekt und die
    europäische Währung beschädigt worden ist. Es macht
    doch keinen Sinn, sich damit zu trösten, dass im Augen-
    blick der Wechselkurs des Euro relativ stabil ist. Lassen
    Sie die nächste Krise kommen, lassen Sie Veränderun-
    gen im Zinsgefüge kommen, dann werden wir eine dra-
    matische Schwächung der Stabilität des Euro zu be-
    fürchten haben. Deswegen ist es notwendig, dass das
    Stabilitätsziel in der europäischen Verfassung veran-
    kert wird.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es ist übrigens auch ein kleiner Schritt, dass die Euro-

    päische Zentralbank nach dem Verfassungsentwurf keine
    Institution eigenen Rechts und eigener Qualität mehr
    sein soll, sondern zu einem normalen Organ der Euro-
    päischen Union entwickelt wird. All diese kleinen
    Schritte zusammen verschieben die Wirtschaftsordnung
    in Euro-pa in die falsche Richtung. Europa muss eine
    Stabilitätsgemeinschaft sein; anderenfalls wird sie das
    Vertrauen der Menschen nicht finden. Wir bestehen auf
    dieser Stabilitätsgemeinschaft.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben sich in den Verhandlungen der Regierungs-

    konferenz und in den öffentlichen Debatten nach Auffas-
    sung der CDU/CSU zu sehr auf die institutionellen Fra-
    gen konzentriert. In ihnen stimmen wir überein; aber die
    anderen Fragen, die genauso im deutschen und europäi-
    schen Interesse sind, hat die Bundesregierung nicht aus-
    reichend vertreten. Wir appellieren daher an Sie, in den
    nächsten Tagen auf der Konferenz in Brüssel alle Kraft
    darauf zu verwenden, dass die Wirtschaftsordnung, das

    7138 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003


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    Dr. Wolfgang Schäuble

    Kompetenzgefüge und die Abgrenzung der Zuständig-
    keiten noch so weit wie möglich verbessert werden.

    Wenn am Ende das Ergebnis der Regierungskonfe-
    renz vorliegt, werden wir zu bewerten haben, ob es ge-
    genüber dem heutigen Stand der Verträge in Europa eine
    Verbesserung darstellt, sodass wir ihm zustimmen kön-
    nen. Institutionell wird eher eine Verbesserung als eine
    Verschlechterung eintreten. In Fragen der Währungssta-
    bilität spricht allerdings im Augenblick leider sehr viel
    für die Besorgnis, dass es eher eine Verschlechterung als
    eine Verbesserung sein könnte. Wir müssen darauf ach-
    ten, dass diese Verschlechterung ausgeräumt wird, damit
    wir am Ende die notwendigen Mehrheiten im Ratifizie-
    rungsverfahren gewährleisten können. Eine Entschei-
    dung darüber ist nicht getroffen. Es ist die Aufgabe der
    Bundesregierung, in den Verhandlungen der nächsten
    Tage dies durchzusetzen.


    (Zuruf von der SPD: Schwarzmalen!)

    – Sie sollten das nicht so gering schätzen. Es war eine
    gemeinsame Position der Regierungen aller 16 deut-
    schen Bundesländer. Die Bundesrepublik Deutschland
    ist nach ihrem Grundgesetz ein Bundesstaat. Wenn alle
    16 deutschen Bundesländer gemeinsame Positionen ver-
    treten, dann können das deutsche Parlament und die
    Bundesregierung nicht nonchalant darüber hinwegge-
    hen. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass das Grundge-
    füge unserer verfassungsmäßigen Ordnung auch im eu-
    ropäischen Prozess erhalten und gestärkt wird. Wer
    darüber hinweggeht, wird Europa nicht stärken, sondern
    eher schwächen.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Günter Gloser [SPD]: Sie malen immer den Teufel an die Wand!)


    – Lassen Sie mich den Zwischenruf aufnehmen, ich
    malte den Teufel an die Wand. Erwin Teufel war nach
    den Erklärungen auch des Bundesaußenministers ein be-
    sonders herausragendes und verdienstvolles Mitglied im
    europäischen Verfassungskonvent. Ich nutze die Gele-
    genheit, ihm für seinen herausragenden Beitrag noch
    einmal zu danken.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Kurt Bodewig [SPD]: Nehmen Sie sich ein Beispiel!)


    – Wir sind in der Debatte vor dem Europäischen Rat, in
    dem möglicherweise das Ergebnis abschließend festge-
    legt werden wird. Ich teile die Meinung, dass ein
    schlechter Vertrag – dies hat der Bundesaußenminister
    auch gerade gesagt – am Ende schlechter als eine Verlän-
    gerung der Bemühungen wäre, in der Regierungskonfe-
    renz zu einem guten Ergebnis zu kommen. Deswegen
    nenne ich hier die Punkte, in denen nach Auffassung der
    CDU/CSU die Bundesregierung in den nächsten Tagen
    ihre Kraft darauf verwenden sollte, Verbesserungen zu
    erreichen.

    Die Verschiebung in der Wirtschaftsordnung zulasten
    der Stabilität der europäischen Währung ist ein zentraler
    Punkt, bei dem noch Korrekturen erreicht werden müs-
    sen, damit eine breite Zustimmung nicht nur im parla-
    mentarischen Verfahren, sondern auch in der Bevölke-
    rung erreicht werden kann, die wir vom europäischen
    Werk wieder und wieder überzeugen müssen.

    Eine letzte Bemerkung mache ich zu dem anderen
    Thema, das ebenfalls auf der Tagesordnung des Europäi-
    schen Rates steht – der Bundesaußenminister hat auch
    dies kurz erwähnt –: die Frage einer gemeinsamen eu-
    ropäischen Sicherheitspolitik.

    Ich begrüße ausdrücklich, dass der Bundesaußen-
    minister in seiner heutigen Regierungserklärung klarge-
    stellt hat, dass die europäische Sicherheits-, Verteidi-
    gungs- und Außenpolitik nur ein Beitrag zur Stärkung
    der atlantischen Partnerschaft sein kann; sie kann keine
    Alternative und kein Gegengewicht dazu darstellen. Das
    muss klar sein.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP] – Joseph Fischer, Bundesminister: Das haben wir immer gemacht!)


    Jeder Zweifel in dieser Frage wird die atlantische
    Partnerschaft beschädigen und Europa spalten. Das liegt
    nicht im nationalen Interesse Deutschlands. Unser natio-
    nales Interesse ist unverrückbar auf die europäische Inte-
    gration und die atlantische Partnerschaft gestützt. Das
    darf nicht in Zweifel gezogen und gegeneinander ausge-
    spielt werden.

    Deswegen ist der Brüsseler Vierergipfel, zu dem an-
    dere Staaten, die daran teilnehmen wollten, nicht zuge-
    lassen wurden, ein Verstoß gegen das nationale Interesse
    der deutschen und europäischen Politik und gegen die at-
    lantische Solidarität.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das ist einer der entscheidenden Gründe dafür, dass das
    Misstrauen innerhalb Europas verstärkt und geschürt
    wurde. Über die daraus entstandenen Schwierigkeiten
    bei den Verhandlungen der Regierungskonferenz wird
    derzeit täglich in der Presse berichtet.

    Insofern reicht es nicht aus, im Nachhinein in wohl-
    klingenden Regierungserklärungen festzustellen, alles
    sei gut. Vielmehr ist es notwendig, dass im alltäglichen
    Regierungshandeln den bestehenden Prinzipien entspre-
    chend agiert wird, statt dagegen zu verstoßen. Das muss
    bei der Bundesregierung angemahnt werden.

    Wenn wir eine Gemeinsame Außen- und Sicherheits-
    politik ermöglichen wollen, dann müssen wir auch in un-
    seren Entscheidungen die entsprechenden Konsequen-
    zen tragen. Die Vernachlässigung der Bundeswehr und
    des Verteidigungshaushalts


    (Michael Roth [Heringen] [SPD]: Ja, was denn nun? Sparen, konsolidieren oder mehr ausgeben?)


    ist nicht mit den Prinzipien einer gemeinsamen Sicher-
    heitspolitik zu vereinbaren. Es ist auch nicht miteinander
    zu vereinbaren, auf der einen Seite festzustellen, dass
    eine in die Europäische Union integrierte Krisenpräven-
    tion, Reaktionsverbände und eine integrierte NATO-Ein-
    satztruppe – die NATO-Response-Force, die zur Krisen-

    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember 2003 7139


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    Dr. Wolfgang Schäuble

    prävention und Krisenverhinderung schnell eingesetzt
    werden kann – notwendig sind, während sich Rot-Grün
    auf der anderen Seite in der Frage, wie das Parlament an
    solchen Entscheidungen zu beteiligen ist, der Suche
    nach einem Verfahren verweigert, das die Effizienz sol-
    cher integrierter Einsatzverbände ermöglicht und die Vo-
    raussetzung für die Aufstellung solcher Verbände bildet.

    Der Bundesverteidigungsminister hat aufgrund sei-
    ner Erfahrungen bei dem Planspiel der Verteidigungs-
    minister in Colorado darauf hingewiesen, dass diesem
    Umstand in der Frage des Beteiligungsrechts unseres
    Parlaments Rechnung getragen werden muss. Nach sei-
    ner Rückkehr nach Deutschland ist er von Rot-Grün zu-
    rückgepfiffen worden. Alle Ihre Entwürfe weisen in die-
    ser Frage sozusagen ein weißes Blatt Papier auf; sie
    enthalten keine Lösung.

    Wir müssen den europäischen Worten auf internatio-
    naler Ebene Taten folgen lassen. Das gilt in den institu-
    tionellen Fragen wie auch hinsichtlich der gemeinsamen
    außen- und sicherheitspolitischen Strategie und in der
    Wirtschafts- und Stabilitätspolitik. Nur wenn Taten und
    Worte übereinstimmen, werden wir bei den europäischen
    Partnern wie auch in unserer Bevölkerung das zerstörte
    Vertrauen für das europäische Projekt zurückgewinnen.

    Ich wünsche der Bundesregierung im Namen der
    CDU/CSU Erfolg bei den schwierigen Verhandlungen in
    den nächsten Tagen. Wenn Sie die von mir beschriebene
    Richtung einschlagen, dann haben Sie die Unterstützung
    der Opposition. Wir werden aber danach das Ergebnis
    anhand der Kriterien, die die CDU/CSU frühzeitig auf-
    gestellt hat, sorgfältig prüfen. Danach werden wir zu ent-
    scheiden haben.

    Ich wünsche einen engagierten Einsatz für die Ziele
    der Deutschen und für ein stärkeres Europa. Ich wünsche
    Ihnen dabei viel Erfolg. Nächste Woche werden wir die
    Ergebnisse in der Wahrnehmung europäischer wie natio-
    naler Verantwortung unvoreingenommen zu prüfen und
    zu bewerten haben.

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)