Plenarprotokoll 15/56
Abgabe einer Erklärung durch den Bun-
deskanzler: Deutschland bewegt sich –
mehr Dynamik für Wachstum und Be-
schäftigung
in Verbindung mit
Tagesordnungspunkt 7:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen
der SPD und des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Förderung
der Steuerehrlichkeit
(Drucksache 15/1309) . . . . . . . . . . . . .
b) Erste Beratung des von den Abgeord-
neten Dr. Hermann Otto Solms,
der FDP: Steuersenkung vorziehen
(Drucksache 15/1221) . . . . . . . . . . . . .
Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . .
Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . .
Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . .
Krista Sager BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . .
Krista Sager BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . .
Hubertus Heil SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4583 A
4583 A
4583 B
4583 C
4587 D
4592 D
4596 D
4600 A
4603 B
4603 C
4603 D
4608 A
Deutscher B
Stenografisc
56. Sit
Berlin, Donnerstag
I n h a
Begrüßung des Marschall des Sejm der Repu-
blik Polen, Herrn Marek Borowski . . . . . . .
Begrüßung des Mitgliedes der Europäischen
Kommission, Herrn Günter Verheugen . . .
Begrüßung des neuen Abgeordneten Michael
Kauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Benennung des Abgeordneten Rainder
Steenblock als stellvertretendes Mitglied im
Programmbeirat für die Sonderpostwert-
zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . .
Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 1:
4621 C
4621 D
4581 A
4581 B
4582 D
4581 B
Dr. Andreas Pinkwart, weiteren Ab-
geordneten und der Fraktion der FDP
eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur vereinfachten Nachversteue-
undestag
her Bericht
zung
, den 3. Juli 2003
l t :
rung als Brücke in die Steuerehr-
lichkeit
(Drucksache 15/470) . . . . . . . . . . . . . .
in Verbindung mit
Tagesordnungspunkt 19:
a) Antrag der Abgeordneten Dr. Michael
Meister, Friedrich Merz, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der CDU/
CSU: Steuern: Niedriger – Einfa-
cher – Gerechter
(Drucksache 15/1231) . . . . . . . . . . . . .
b) Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann
Otto Solms, Dr. Andreas Pinkwart,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
4583 A
4583 A
Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . .
Anja Hajduk BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
.
4610 D
4611 D
II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . .
Gabriele Frechen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . .
Dr. Ernst Dieter Rossmann SPD . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 3:
Zweite Beratung und Schlussabstimmung
über den von der Bundesregierung einge-
brachten Entwurf eines Gesetzes zu dem
Vertrag vom 16. April 2003 über den
Beitritt der Tschechischen Republik,
der Republik Estland, der Republik Zy-
pern, der Republik Lettland, der Repu-
blik Litauen, der Republik Ungarn, der
Republik Malta, der Republik Polen,
der Republik Slowenien und der Slowa-
kischen Republik zur Europäischen
Union
(Drucksachen 15/1100, 15/1200, 15/1300,
15/1301) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . . . . . . .
Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . .
Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . .
Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . .
Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . . . .
Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . .
Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . .
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . .
Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU . . . . . . . . . . .
Markus Meckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU . . . . . . . . . . .
Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dietmar Nietan SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Stübgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . .
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
Erika Steinbach zur namentlichen Abstim-
mung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . .
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 25:
a) Erste Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Reform des Zulas-
sungs- und Prüfungsverfahrens des
4612 D
4615 B
4617 C
4619 A
4621 B
4622 A
4623 D
4626 C
4629 B
4629 D
4630 B
4631 A
4631 D
4633 A
4634 C
4636 C
4637 A
4637 B
4638 A
4639 B
4640 C
4642 A
4642 A
Wirtschaftsprüfungsexamens (Wirt-
schaftsprüfungsexamens-Reform-
gesetz – WPRefG)
(Drucksache 15/1241) . . . . . . . . . . . . .
b) Erste Beratung des vom Bundesrat ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Bundesnatur-
schutzgesetzes
(Drucksache 15/776) . . . . . . . . . . . . . .
c) Erste Beratung des von den Abgeord-
neten Rainer Funke, Joachim Günther
(Plauen), weiteren Abgeordneten und
der Fraktion der FDP eingebrachten
Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur
Bereinigung von SED-Unrecht
(Drittes SED-Unrechtsbereinigungs-
gesetz – 3. SED-UnBerG)
(Drucksache 15/1235) . . . . . . . . . . . . .
in Verbindung mit
Zusatztagesordnungspunkt 2:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen
der SPD und des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Tabaksteuergesetzes und ande-
rer Verbrauchsteuergesetze
(Drucksache 15/1313) . . . . . . . . . . . . .
b) Antrag der Abgeordneten Brunhilde
Irber, Annette Faße, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der SPD sowie
der Abgeordneten Undine Kurth
(Quedlinburg), Dr. Reinhard Loske,
weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN: Reisen ohne Handicap – Für
ein barrierefreies Reisen und Na-
turerleben in unserem Land
(Drucksache 15/1306) . . . . . . . . . . . . .
c) Antrag der Abgeordneten Hans
Büttner (Ingolstadt), Reinhold Hemker,
weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der SPD sowie der Abgeordneten
Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele,
weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN: Unterstützung von Landrefor-
men zur Bekämpfung der Armut
und der Hungerkrise im südlichen
Afrika
(Drucksache 15/1307) . . . . . . . . . . . . .
d) Antrag der Abgeordneten Reinhold
Hemker, Sören Bartol, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der SPD so-
wie der Abgeordneten Thilo Hoppe,
Volker Beck (Köln), weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion des BÜND-
4644 B
4644 B
4644 D
4644 D
4644 D
4645 A
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 III
NISSES 90/DIE GRÜNEN: Verbesse-
rung der Welternährungssituation
und Verwirklichung des Rechts auf
Nahrung
(Drucksache 15/1316) . . . . . . . . . . . . .
e) Antrag der Abgeordneten Gabriele
Lösekrug-Möller, Ulrike Mehl, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der
SPD sowie der Abgeordneten Undine
Kurth (Quedlinburg), Volker Beck
(Köln), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN: Naturschutz geht alle
an – Akzeptanz und Integration des
Naturschutzes in andere Politikfel-
der weiter stärken
(Drucksache 15/1318) . . . . . . . . . . . . .
f) Antrag der Abgeordneten Hubert
Hüppe, Christa Nickels und weiterer
Abgeordneter: Forschungsförderung
der Europäischen Union unter Re-
spektierung ethischer und verfas-
sungsmäßiger Prinzipien der Mit-
gliedstaaten
(Drucksache 15/1310) . . . . . . . . . . . . .
g) Antrag der Abgeordneten Ulrike
Flach, Cornelia Pieper und weiterer
Abgeordneter: Kein Ausstieg aus der
gemeinsamen Verantwortung für die
europäische Stammzellforschung
(Drucksache 15/1346) . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 26:
a) Zweite und dritte Beratung des von
den Fraktionen der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ein-
gebrachten Entwurfs eines Vierten
Gesetzes zur Änderung des Europa-
wahlgesetzes und eines Neunzehnten
Gesetzes zur Änderung des Europa-
abgeordnetengesetzes
(Drucksachen 15/1205, 15/1340) . . . .
c) Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Ent-
wurfs eines Zweiten Gesetzes zur
Änderung des Zollverwaltungsgeset-
zes und anderer Gesetze
(Drucksachen 15/1060, 15/1342) . . . .
d) Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Durchführung
gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften
über die grenzüberschreitende Be-
weisaufnahme in Zivil- oder Han-
delssachen in den Mitgliedstaaten
(EG-Beweisaufnahmedurchführungs-
gesetz
(Drucksachen 15/1062, 15/1283) . . . .
4645 B
4645 B
4645 C
4645 C
4645 D
4646 A
4646 C
f) Zweite Beratung und Schlussabstim-
mung über den von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurf eines Ge-
setzes zu dem Vertrag vom 27. Juni
2001 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Republik In-
dien über die Auslieferung
(Drucksachen 15/1073, 15/1285) . . . .
g) Beschlussempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses zu der Unterrich-
tung durch die Bundesregierung: Vor-
schlag für eine Richtlinie des Euro-
päischen Parlaments und des Rates
zur Änderung der Richtlinien 72/
166/EWG, 845/5/EWG und 90/232/
EWG des Rates sowie der Richtlinie
2000/26/EG über die Kraftfahrzeug-
Haftpflichtversicherung
(Drucksachen 15/103 Nr. 2.34, 15/985)
h) Beschlussempfehlung und Bericht des
Finanzausschusses zu der Unterrich-
tung durch die Bundesregierung: Ent-
schließung des Europäischen Parla-
ments zu der Mitteilung der
Kommission an den Rat und das
Europäische Parlament „Clearing
und Abrechnung in der Europäi-
schen Union. Die wichtigsten politi-
schen Fragen und künftigen Heraus-
forderungen“
(Drucksachen 15/611 Nr. 1.7, 15/1169)
i) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit zu der Verord-
nung der Bundesregierung: Drei-
zehnte Verordnung zur Durchfüh-
rung des Bundes-Immissionsschutz-
gesetzes (Verordnung über Großfeue-
rungs- und Gasturbinenanlagen –
13. BImSchV)
(Drucksachen 15/1074, 15/1154 Nr. 1,
15/1281) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
j) Beschlussempfehung und Bericht des
Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit zu der Verord-
nung der Bundesregierung: Verord-
nung zur Umsetzung EG-rechtlicher
Vorschriften, zur Novellierung der
Zweiundzwanzigsten Verordnung zur
Durchführung des Bundes-Immissions-
schutzgesetzes (Verordnung über
Immissionswerte für Schadstoffe in
der Luft – 22. BImSchV) und zur
Aufhebung der Dreiundzwanzigsten
Verordnung zur Durchführung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes
(Verordnung über die Festlegung von
Konzentrationswerten – 23. BImSchV)
(Drucksachen 15/1178, 15/1272 Nr. 2.2,
15/1351) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4646 D
4647 A
4647 A
4647 B
4647 C
IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
k)–o)
Beschlussempfehlungen des Petitions-
ausschusses: Sammelübersichten 45,
46, 47, 48 und 49 zu Petitionen
(Drucksachen 15/1242, 15/243, 15/244,
15/245, 15/246) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
in Verbindung mit
Zusatztagesordnungspunkt 3:
a)–e)
Beschlussempfehlungen des Petitions-
ausschusses: Sammelübersichten 50,
51, 52, 53 und 54 zu Petitionen
(Drucksachen 15/1335, 15/1336, 15/1337,
15/1338, 15/1339) . . . . . . . . . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 8:
Beschlussempfehlung des Vermittlungs-
ausschusses zu dem Gesetz zur Regelung
des Urheberrechts in der Informations-
gesellschaft
(Drucksachen 15/38, 15/837, 15/1066,
15/1353). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 9:
Beschlussempfehlung des Vermittlungs-
ausschusses zu dem Gesetz zur Förde-
rung von Kleinunternehmen, zur Ein-
dämmung der Schattenwirtschaft und
zur Verbesserung der Untermehmens-
finanzierung
(Drucksachen 15/537, 15/900, 15/1042,
15/1197, 15/1354) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 10:
Beschlussempfehlung des Vermittlungs-
ausschusses zu dem Gesetz zur Bekämp-
fung des Missbrauchs von 0190er-/
0900er-Mehrwertdiensterufnummern
(Drucksachen 15/907, 15/1068, 15/1126,
15/1198, 15/1355) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 26:
b) Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Abwicklung
der Bundesanstalt für vereinigungs-
bedingte Sonderaufgaben (BvSAb-
wicklungsgesetz – BvSAbwG)
(Drucksachen 15/1181, 15/1352) . . . .
e) Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Ent-
4647 D
4648 B
4648 D
4648 D
4649 A
4649 B
wurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Gesetzes über die Tätigkeit euro-
päischer Rechtsanwälte in Deutsch-
land und weiterer berufsrechtlicher
Vorschriften für Rechts- und Patent-
anwälte, Steuerberater und Wirt-
schaftsprüfer
(Drucksachen 15/1072, 15/1284) . . . .
Tagesordnungspunkt 5:
a) Unterrichtung durch die Bundesregie-
rung: Ernährungs- und agrarpoli-
tischer Bericht 2003 der Bundes-
regierung
(Drucksache 15/405) . . . . . . . . . . . . . .
b) – Zweite und dritte Beratung des von
den Abgeordneten Hans-Michael
Goldmann, Birgit Homburger, wei-
teren Abgeordneten und der Frak-
tion der FDP eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur
Aufhebung des Gesetzes zur Mo-
dulation von Direktzahlungen im
Rahmen der Gemeinsamen
Agrarpolitik und zur Änderung
des GAK-Gesetzes
(Drucksachen 15/754, 15/1158)
– Zweite und dritte Beratung des
vom Bundesrat eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Aufhe-
bung des Modulationsgesetzes
und zur Änderung des GAK-
Gesetzes
(Drucksachen 15/948, 15/1158)
c) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Waltraud Wolff (Wolmirstedt),
Matthias Weisheit, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Ulrike
Höfken, Volker Beck (Köln), wei-
terer Abgeordneter und der Frak-
tion des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN: EU-Agrarreform mu-
tig angehen und ausgewogen ge-
stalten
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Peter H. Carstensen (Nordstrand),
Gerda Hasselfeldt, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der
CDU/CSU: Mit der Reform der
Gemeinsamen Agrarpolitik die
Landwirtschaft und die ländli-
chen Räume in der EU stärken
– zu dem Antrag der Abgeordne-
ten Hans-Michael Goldmann,
Dr. Christel Happach-Kasan, weite-
4649 D
4650 A
4650 B
4650 B
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 V
rer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP: Marktwirtschaftliches
Modell einer flächengebundenen
Kulturlandschaftsprämie verwirk-
lichen
(Drucksachen 15/462, 15/422, 15/435,
15/1025) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Reinhold Hemker, Dr. Sascha
Raabe, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der SPD sowie der
Abgeordneten Ulrike Höfken,
Thilo Hoppe, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN: Für
eine nachhaltige Agrarpolitik
und einen gerechten Interessen-
ausgleich bei den laufenden
WTO-Verhandlungen
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Peter H. Carstensen (Nordstrand),
Albert Deß, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU:
WTO-Verhandlungen – Europäi-
sches Landwirtschaftsmodell ab-
sichern
(Drucksachen 15/550, 15/534, 15/1133)
e) Antrag der Abgeordneten Hans-
Michael Goldmann, Dr. Christel
Happach-Kasan, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der FDP:
Agrarpolitische Herausforderungen
der WTO und EU-Osterweiterung
mit der Kulturlandschaftsprämie
meistern
(Drucksache 15/1232) . . . . . . . . . . . . .
f) Antrag der Abgeordneten Hans-
Michael Goldmann, Dr. Christel
Happach-Kasan, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der FDP: Imp-
fen statt Töten – Grundlage für den
Einsatz von Markerimpfstoffen
schaffen
(Drucksache 15/1004) . . . . . . . . . . . . .
Renate Künast, Bundesministerin BMVEL
Peter Bleser CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . .
Waltraud Wolff (Wolmirstedt) SPD . . . . . . . .
Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . . . . . .
Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/
CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Reinhold Hemker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . .
Josef Miller, Staatsminister (Bayern) . . . . . . .
Dr. Wilhelm Priesmeier SPD . . . . . . . . . . . . .
4650 C
4650 D
4651 A
4651 B
4651 B
4653 C
4655 D
4657 C
4658 D
4659 D
4661 A
4662 D
Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Matthias Weisheit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 6:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Maria Eichhorn, Dr. Maria Böhmer, wei-
teren Abgeordneten und der Fraktion der
CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines
Dritten Gesetzes zur Änderung des
Achten Buches Sozialgesetzbuch (Drit-
tes SGB VIII-Änderungsgesetz –
3. SGB VIII-ÄndG)
(Drucksache 15/1114) . . . . . . . . . . . . . . . .
Andreas Scheuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . .
Christel Riemann-Hanewinckel,
Parl. Staatssekretärin BMFSFJ . . . . . . . . . . .
Klaus Haupt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jutta Dümpe-Krüger BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ingrid Fischbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . .
Christel Humme SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 9:
a) – Zweite und dritte Beratung des von
den Fraktionen der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung der Vor-
schriften über die Straftaten
gegen die sexuelle Selbstbestim-
mung und zur Änderung anderer
Vorschriften
(Drucksachen 15/350, 15/1311)
– Zweite und dritte Beratung des von
den Abgeordneten Wolfgang
Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, wei-
teren Abgeordneten und der Frak-
tion der CDU/CSU eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Ver-
besserung des Schutzes der Be-
völkerung vor Sexualverbrechen
und anderen schweren Straftaten
(Drucksachen 15/29, 15/1311) . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses zu dem Antrag der
Abgeordneten Wolfgang Bosbach,
Dr. Norbert Röttgen, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der CDU/
CSU: Sozialtherapeutische Maßnah-
men für Sexualstraftäter auf den
Prüfstand stellen
(Drucksachen 15/31, 15/1311) . . . . . .
4665 A
4667 A
4668 A
4670 A
4670 B
4672 A
4673 D
4674 D
4675 D
4677 C
4679 B
4679 B
4679 C
VI Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
c) Erste Beratung des vom Bundesrat ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Erweiterung des Einsatzes der
DNA-Analyse bei Straftaten mit
sexuellem Hintergrund
(Drucksache 15/410) . . . . . . . . . . . . . .
d) Erste Beratung des vom Bundesrat ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Strafvollzugs-
gesetzes
(Drucksache 15/778) . . . . . . . . . . . . . .
e) Erste Beratung des vom Bundesrat ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zum Schutz vor schweren Wiederho-
lungstaten durch nachträgliche An-
ordnung der Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung
(Drucksache 15/899) . . . . . . . . . . . . . .
Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . .
Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . .
Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Siegfried Kauder (Bad Dürrheim)
CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sibylle Laurischk FDP . . . . . . . . . . . . . . . . .
Renate Gradistanac SPD . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Christean Wagner, Staatsminister (Hessen)
Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Daniela Raab CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . .
Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) CDU/CSU
Tagesordnungspunkt 8:
Antrag der Abgeordneten Günter Nooke,
Bernd Neumann (Bremen), weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der CDU/
CSU: Umsetzung des Bundestags-
beschlusses zur Wiedererrichtung des
Berliner Stadtschlosses
(Drucksache 15/1094) . . . . . . . . . . . . . . . .
Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . .
Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . .
Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Vera Lengsfeld CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . .
Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . .
Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . .
Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . .
4649 D
4649 D
4649 D
4680 A
4681 D
4684 A
4685 A
4685 D
4687 B
4688 B
4689 C
4691 B
4692 C
4694 B
4694 C
4695 B
4696 B
4697 A
4698 A
4698 D
4699 D
4700 B
4701 C
4702 B
Tagesordnungspunkt 11:
a) Antrag der Abgeordneten Dr. Sigrid
Skarpelis-Sperk, Doris Barnett, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD sowie der Abgeordneten
Michaele Hustedt, Volker Beck (Köln),
weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN: Sicherung eines fairen und
nachhaltigen Handels durch eine
umfassende entwicklungsorientierte
Welthandelsrunde
(Drucksache 15/1317) . . . . . . . . . . . . .
b) Antrag der Abgeordneten Erich G.
Fritz, Karl-Josef Laumann, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU: Für ein höheres Libera-
lisierungsniveau beim Welthandel
mit Dienstleistungen – GATS-Ver-
handlungen zügig voranbringen
(Drucksache 15/1008) . . . . . . . . . . . . .
c) Antrag der Abgeordneten Katherina
Reiche, Thomas Rachel, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der CDU/
CSU: Qualitätssicherung im Bil-
dungswesen und kulturelle Vielfalt
bei GATS-Verhandlungen garan-
tieren
(Drucksache 15/1095) . . . . . . . . . . . . .
d) Antrag der Abgeordneten Gudrun
Kopp, Rainer Brüderle, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der FDP: In-
ternationale Rechtssicherheit und
transparente Regeln für den Dienst-
leistungshandel – GATS-Verhand-
lungen voranbringen
(Drucksache 15/1010) . . . . . . . . . . . . .
in Verbindung mit
Zusatztagesordnungspunkt 4:
Antrag der Abgeordneten Erich G. Fritz,
Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der CDU/CSU:
WTO-Doha-Runde zum Erfolg führen –
Voraussetzungen schaffen für eine er-
folgreiche WTO-Ministerkonferenz in
Cancun/Mexico
(Drucksache 15/1323) . . . . . . . . . . . . . . .
in Verbindung mit
Zusatztagesordnungspunkt 5:
Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp,
Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der FDP: Mehr Wohl-
stand für alle durch mutige Marktöff-
nung
(Drucksache 15/1333) . . . . . . . . . . . . . . .
4702 D
4702 D
4703 A
4703A
4703 B
4703 B
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 VII
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk SPD . . . . . . . . . .
Dr. Michael Fuchs CDU/CSU . . . . . . . . . . . .
Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Sascha Raabe SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erich G. Fritz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . .
Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Thomas Rachel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 10:
Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/
CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN und der FDP: Einsetzung einer
Enquete-Kommission „Kultur in
Deutschland“
(Drucksache 15/1308) . . . . . . . . . . . . . . . .
Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . .
Gitta Connemann CDU/CSU . . . . . . . . . . . .
Ursula Sowa BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Helga Daub FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Matthias Sehling CDU/CSU . . . . . . . . . . . . .
Siegmund Ehrmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . .
Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 13:
Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen
– zu dem Antrag der Abgeordneten Ernst
Kranz, Wolfgang Spanier, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Franziska
Eichstädt-Bohlig, Volker Beck (Köln),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN:
Stadtumbau Ost auf dem richtigen
Weg
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Henry Nitzsche, Dirk Fischer (Ham-
burg), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU: Stadtent-
wicklung Ost – Mehr Effizienz und
Flexibilität, weniger Regulierung
und Bürokratie
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Joachim Günther (Plauen), Horst
Friedrich (Bayreuth), weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der FDP:
4703 C
4705 A
4706 B
4707 A
4708 B
4709 C
4711 B
4713 A
4714 A
4715 B
4715 C
4717 A
4718 A
4719 A
4720 A
4721 B
4722 C
Stadtumbau Ost – ein wichtiger Bei-
trag zum Aufbau Ost
(Drucksachen 15/1091, 15/352, 15/750,
15/1331) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ernst Kranz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Henry Nitzsche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . .
Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Joachim Günther (Plauen) FDP . . . . . . . . . .
Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMVBW
Marco Wanderwitz CDU/CSU . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 12:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion
der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Änderung des Bür-
gerlichen Gesetzbuches (Gesetz zur Be-
seitigung der Rechtsunsicherheit beim
Unternehmenskauf)
(Drucksache 15/1096) . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 14:
Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen zu dem Antrag der Abgeord-
neten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dirk
Fischer (Hamburg), weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der CDU/CSU:
Vorrang für die Ostseesicherheit
(Drucksachen 15/465, 15/1194) . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 15:
Unterrichtung durch die Bundesregierung:
Bericht der Bundesregierung zum
Stand der Bemühungen um Rüstungs-
kontrolle, Abrüstung und Nichtverbrei-
tung sowie über die Entwicklung der
Streikräftepotenziale (Jahresabrüstungs-
bericht 2002)
(Drucksache 15/1104) . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 16:
Beschlussempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses zu der Unterrichtung
durch die Bundesregierung: Vorschlag
für eine Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates zur Harmo-
nisierung der Rechts- und Vewaltungs-
vorschriften der Mitgliedstaaten über
den Verbraucherkredit
(Drucksachen 15/457 Nr. 2.2, 15/1288)
4724 A
4724 B
4725 C
4726 D
4727 D
4728 C
4729 D
4730 D
4731 A
4731 B
4731 C
VIII Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
Tagesordnungspunkt 17:
Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/
CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN und der FDP: Für eine Verbesse-
rung der privaten Vermittlung im Aupair-
Bereich zur wirksamen Verhinderung
von Ausbeutung und Missbrauch
(Drucksache 15/1315) . . . . . . . . . . . . . . . .
Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . .
Anlage 2
Neuabdruck der Antwort der Parl. Staats-
sekretärin Dr. Uschi Eid auf die Fragen der
Abgeordneten Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU)
(55. Sitzung Drucksache 15/1264, Fragen 34
und 35): . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Welche Haltung wird die Bundesregierung
auf der UN-Konferenz in Paris zur weiteren Fi-
nanzierung des GFATM einnehmen?
Ist die Bundesregierung prinzipiell bereit,
zusätzliche Mittel zu den bereits zugesagten
200 Millionen Euro innerhalb von fünf Jahren
für den GFATM bereitzustellen?
Anlage 3
Neuabdruck der Antwort der Parl. Staats-
sekretärin Dr. Uschi Eid auf die Fragen der
Abgeordneten Conny Mayer (Baiersbronn)
(CDU/CSU) (55. Sitzung Drucksache 15/1264,
Fragen 38 und 39): . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Trifft es zu, dass die Bundesregierung die
europäische Zusage, den GAFTM bis Ende 2004
mit 1 Milliarde Euro zu unterstützen, hat schei-
tern lassen, und wenn ja, wie begründet die Bun-
desregierung ihre Haltung?
Inwieweit stand die Bundesregierung seit der
Gründung des GAFTM hinter dessen Zielen, und
ist die Bundesregierung entschlossen, an diesen
Zielen in Zukunft festzuhalten?
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Johannes Singhammer (CDU/CSU) zur Ab-
stimmung über den Entschließungsantrag der
CDU/CSU zu dem Entwurf eines Gesetzes zu
dem Vertrag vom 16. April 2003 über den
Beitritt der Tschechischen Republik, der
Republik Estland, der Republik Zypern, der
Republik Lettland, der Republik Litauen,
der Republik Ungarn, der Republik Malta,
der Republik Polen, der Republik Slowe-
nien und der Slowakischen Republik zur
Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 3)
4731 D
4732 C
4733 A
4733 B
4733 C
4733 D
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) zur Abstim-
mung über den Entwurf eines Gesetzes zu
dem Vertrag vom 16. April 2003 über den
Beitritt der Tschechischen Republik, der
Republik Estland, der Republik Zypern,
der Republik Lettland, der Republik Li-
tauen, der Republik Ungarn, der Repu-
blik Malta, der Republik Polen, der Re-
publik Slowenien und der Slowakischen
Republik zur Europäischen Union (Tages-
ordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 6
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) zur
Abstimmung über den Entwurf eines Geset-
zes zu dem Vertrag vom 16. April 2003
über den Beitritt der Tschechischen Repu-
blik, der Republik Estland, der Republik
Zypern, der Republik Lettland, der Repu-
blik Litauen, der Republik Ungarn, der
Republik Malta, der Republik Polen, der
Republik Slowenien und der Slowakischen
Republik zur Europäischen Union (Tages-
ordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 7
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
Matthias Sehling und Beatrix Philipp (beide
CDU/CSU) zur Abstimmung über den Ent-
wurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom
16. April 2003 über den Beitritt der Tsche-
chischen Republik, der Republik Estland,
der Republik Zypern, der Republik Lett-
land, der Republik Litauen, der Republik
Ungarn, der Republik Malta, der Republik
Polen, der Republik Slowenien und der
Slowakischen Republik zur Europäischen
Union (Tagesordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . .
Anlage 8
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne-
ten Axel E. Fischer (Karlsruhe), Ingo
Wellenreuther und Veronika Bellmann
(alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den
Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom
16. April 2003 über den Beitritt der Tsche-
chischen Republik, der Republik Estland,
der Republik Zypern, der Republik Lettland,
der Republik Litauen, der Republik Un-
garn, der Republik Malta, der Republik
Polen, der Republik Slowenien und der
4734 A
4734 C
4735 B
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 IX
Slowakischen Republik zur Europäischen
Union (Tagesordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . .
Anlage 9
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) zur Ab-
stimmung über den Entschließungsantrag der
CDU/CSU zu dem Entwurf eines Gesetzes
zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über
den Beitritt der Tschechischen Republik,
der Republik Estland, der Republik Zy-
pern, der Republik Lettland, der Republik
Litauen, der Republik Ungarn, der Repu-
blik Malta, der Republik Polen, der Repu-
blik Slowenien und der Slowakischen
Republik zur Europäischen Union (Tages-
ordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 10
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) zur
Abstimmung über den Entwurf eines Geset-
zes zu dem Vertrag vom 16. April 2003
über den Beitritt der Tschechischen Repu-
blik, der Republik Estland, der Republik
Zypern, der Republik Lettland, der Repu-
blik Litauen, der Republik Ungarn, der
Republik Malta, der Republik Polen, der
Republik Slowenien und der Slowakischen
Republik zur Europäischen Union (Tages-
ordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 11
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Klaus Brähmig (CDU/CSU) zur Abstim-
mung über den Entwurf eines Gesetzes zu
dem Vertrag vom 16. April 2003 über den
Beitritt der Tschechischen Republik, der
Republik Estland, der Republik Zypern,
der Republik Lettland, der Republik Li-
tauen, der Republik Ungarn, der Republik
Malta, der Republik Polen, der Republik
Slowenien und der Slowakischen Republik
zur Europäischen Union (Tagesordnungs-
punkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 12
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
über den Entwurf eines Gesetzes zur Än-
derung des Bürgerlichen Gesetzbuches
(Gesetz zur Beseitigung der Rechtsun-
sicherheit beim Unternehmensverkauf)
(Tagesordnungspunkt 12) . . . . . . . . . . . . . . . .
4735 C
4736 A
4736 B
4736 C
4737 C
Christine Lambrecht SPD . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Günter Krings CDU/CSU . . . . . . . . . . . .
Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . .
Jerzy Montag BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 13
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
über den Antrag: Vorrang für die Ostsee-
sicherheit (Tagesordnungspunkt 14) . . . . . . .
Dr. Christine Lucyga SPD . . . . . . . . . . . . . . .
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Enak Ferlemann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . .
Rainder Steenblock BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . . . . . .
Angelika Mertens SPD . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 14
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
über die Unterrichtung: Bericht der Bun-
desregierung zum Stand der Bemühungen
um Rüstungskontrolle, Abrüstung und
Nichtverbreitung sowie über die Entwick-
lung der Streitkräftepotenziale (Jahres-
abrüstungsbericht 2002) (Tagesordnungs-
punkt 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Rolf Mützenich SPD . . . . . . . . . . . . . . . .
Karl-Theodor Freiherr von und
zu Guttenberg CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . .
Harald Leibrecht FDP . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kerstin Müller, Staatsministerin AA . . . . . . . .
Anlage 15
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
über die Beschlussempfehlung und den Be-
richt: Vorschlag für eine Richtlinie des Euro-
päischen Parlamemts und des Rates zur
Harmonisierung der Rechts- und Verwal-
tungsvorschriften der Mitgliedstaaten über
den Verbraucherkredit (Tagesordnungs-
punkt 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Grosse-Brömer CDU/CSU . . . . . . .
Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4737 C
4738 B
4739 B
4740 B
4741 B
4741 D
4742 C
4742 C
4743 B
4744 D
4745 D
4746 D
4747 C
4749 B
4749 B
4751 A
4752 C
4753 A
4754 A
4754 A
4755 D
X Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
Sibylle Laurischk FDP . . . . . . . . . . . . . . . . .
Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 16
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
über den Antrag: Für eine Verbesserung
der privaten Vermittlung im Aupair-
bereich zur wirksamen Verhinderung von
Ausbeutung und Missbrauch (Tagesord-
nungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Angelika Krüger-Leißner SPD . . . . . . . . . . .
Rita Pawelski CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . .
Jutta Dümpe-Krüger BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4757 B
4757 C 4758 C
4758 C
4760 C
4762 A
4762 C
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4581
(A) (C)
(B) (D)
56. Sit
Berlin, Donnerstag
Beginn: 9
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4733
(A) (C)
(B) (D)
beit des GFATM für einen wichtigen Baustein im Ge-
samtgefüge ihrer Maßnahmen zur Bekämpfung von
ßungsantrag der CDU/CSU zu dem Entwurf
eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. April 2003
16. Juli 2003 in Paris deutlich machen, dass sie die Ar-
CSU) zur Abstimmung über den Entschlie-
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
* für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm-
lung der NATO
Anlage 2
Neuabdruck der Antwort
der Parl. Staatssekretärin Dr. Uschi Eid auf die Fragen
der Abgeordneten Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) (55. Sit-
zung, Drucksache 15/1264, Fragen 34 und 35):
Welche Haltung wird die Bundesregierung auf der UN-
Konferenz in Paris zur weiteren Finanzierung des GFATM
einnehmen?
Ist die Bundesregierung prinzipiell bereit, zusätzliche Mit-
tel zu den bereits zugesagten 200 Millionen Euro innerhalb
von fünf Jahren für den GFATM bereitzustellen?
Zu Frage 34:
Die Bundesregierung wird auf der Konferenz am
Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
Borchert, Jochen CDU/CSU 03.07.2003
Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 03.07.2003
Dr. Lamers (Heidelberg), Karl A. CDU/CSU 03.07.2003
*
Lamp, Helmut CDU/CSU 03.07.2003
Nickels, Christa BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 03.07.2003
Otto (Godern), Eberhard FDP 03.07.2003
Polenz, Ruprecht CDU/CSU 03.07.2003
Raidel, Hans CDU/CSU 03.07.2003*
Schindler, Norbert CDU/CSU 03.07.2003
Schmidt (Ingolstadt), Albert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 03.07.2003
Schösser, Fritz SPD 03.07.2003
Seib, Marion CDU/CSU 03.07.2003
Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 03.07.2003
Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 03.07.2003
Anlagen zum Stenografischen Bericht
HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria hält und dass sie
den Fonds daher auch weiterhin im Rahmen der finan-
ziellen Möglichkeiten unterstützen wird.
Zu Frage 35:
Es wird auf die Antwort zu Frage 28 verwiesen.
Anlage 3
Neuabdruck der Antwort
der Parl. Staatssekretärin Dr. Uschi Eid auf die Fragen
der Abgeordneten Conny Mayer (Baiersbronn) (CDU/
CSU) (55. Sitzung, Drucksache 15/1264, Fragen 38 und
39):
Trifft es zu, dass die Bundesregierung die europäische Zu-
sage, den GFATM bis Ende 2004 mit einer Milliarde Euro zu
unterstützen, hat scheitern lassen, und wenn ja, wie begründet
die Bundesregierung ihre Haltung?
Inwieweit stand die Bundesregierung seit der Gründung
des GFATM hinter dessen Zielen, und ist die Bundesregierung
entschlossen, an diesen Zielen in Zukunft festzuhalten?
Zu Frage 38:
Es wird auf die Antwort zu Frage 28 verwiesen.
Zu Frage 39:
Die Bundesregierung hat die vom GFATM verfolgten
Ziele zur Bekämpfung der drei Krankheiten HIV/Aids,
Tuberkulose und Malaria von Anfang an unterstützt. Sie
sieht in dem Fonds jedoch nur ein Instrument, um diese
Ziele zu erreichen. Wesentliche Beiträge zur Unterstüt-
zung der Entwicklung bei der Bewältigung der dramati-
schen Ausbreitung übertragbarer Krankheiten und zur
Stärkung nationaler Gesundheitssysteme in Partnerlän-
dern leistet die Bundesregierung über ihre bilaterale
finanzielle und technische Zusammenarbeit, durch Un-
terstützung von Initiativen der Privatwirtschaft und
nichtstaatlicher Organisationen. Die Bundesrepublik
Deutschland ist das Land, das seit 1999 über seine bila-
terale und multilaterale Entwicklungszusammenarbeit
einen besonderen Schwerpunkt auf die Bekämpfung von
HIV/Aids setzt. So konnte mit sechzehn Partnerländern
der Bereich HIV/Aids als besonderer Schwerpunkt der
Kooperation vereinbart werden. Darüber hinaus finan-
ziert sie in großem Umfang Programme internationaler
Organisationen wie WHO, Weltbank und anderer Regio-
naler Entwicklungsbanken sowie die in jüngster Zeit
stark ausgeweiteten EU-Aktivitäten auf diesem Gebiet.
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Johannes Singhammer (CDU/
4734 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
(A) (C)
(B) (D)
über den Beitritt der Tschechischen Republik,
der Republik Estland, der Republik Zypern,
der Republik Lettland, der Republik Litauen,
der Republik Ungarn, der Republik Malta, der
Republik Polen, der Republik Slowenien und
der Slowakischen Republik zur Europäischen
Union (Tagesordnungspunkt 3)
Ich erkläre, dass ich dem Entschließungsantrag der
CDU/CSU-Fraktion, Drucksache 15/1359, zur Schluss-
abstimmung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung
– Drucksache 15/1100, 15/1200,15/1300 – völlig zu-
stimme.
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU)
zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset-
zes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den
Beitritt der Tschechischen Republik, der Repu-
blik Estland, der Republik Zypern, der Repu-
blik Lettland, der Republik Litauen, der Repu-
blik Ungarn, der Republik Malta, der Republik
Polen, der Republik Slowenien und der Slowa-
kischen Republik zur Europäischen Union (Ta-
gesordnungspunkt 3)
Ich begrüße die Erweiterung der Europäischen Union
und sehe darin vor allem einen bedeutenden Schritt zur
Verständigung und Aussöhnung mit Deutschlands östli-
chen Nachbarstaaten sowie zur langfristigen Stabilisie-
rung des Friedens in Europa.
Ich bedauere deshalb das im Deutschen Bundestag
angewandte Abstimmungsverfahren, das mir nur die
Möglichkeit lässt, ein Gesamtvotum über alle Länder ab-
zugeben, anstatt über jedes Land einzeln abstimmen zu
können. Da ich einerseits nicht gegen die Aufnahme je-
ner Länder stimmen möchte, deren Beitritt ich befür-
worte, es andererseits aber nicht mit meinem Gewissen
vereinbaren kann, der Aufnahme der Tschechischen Re-
publik zuzustimmen, stimme ich mit Enthaltung.
Die tschechische Regierung hat es versäumt, noch vor
dem Beschluss über ihre Aufnahme in die Europäische
Union die diskriminierenden, völkerrechts- und men-
schenrechtswidrigen Benes-Dekrete aufzuheben. Die
Regierung der Tschechischen Republik ist nach wie vor
nicht bereit, die kollektive Entrechtung, die entschädi-
gungslose Enteignung und die Vertreibung von dreiein-
halb Millionen Sudetendeutschen klar und unmissver-
ständlich als völkerrechtswidrig anzuerkennen, den
Sudetendeutschen, deren Vorfahren jahrhundertelang in
Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien ansässig waren,
das Recht auf Heimat zuzugestehen, das Amnestiegesetz
vom 8. Mai 1946 mit seiner Ex-tunc-Straffreistellung für
an Deutschen begangene Verbrechen aufzuheben, sich
unzweideutig von denjenigen Benes-Dekreten zu distan-
zieren, die zu den völkerrechtswidrigen Enteignungen
Sudetendeutscher geführt haben.
Die Benes-Dekrete sind mit der Rechts- und Wertege-
meinschaft der Europäischen Union nicht vereinbar.
Umso unverständlicher ist es, dass weder die Europäi-
sche Kommission noch die deutsche Bundesregierung
ernsthafte Anstrengungen unternommen hat, auf der
Grundlage der Kopenhagener Kriterien die Tschechische
Republik dazu zu bewegen, die Benes-Dekrete vor einer
Entscheidung über die Aufnahme des Landes in die Eu-
ropäische Union aufzuheben. Die Europäische Kommis-
sion hat entgegen ihren eigenen Vorgaben darauf ver-
zichtet, in den Verhandlungen mit der Tschechischen
Republik auf der uneingeschränkten Erfüllung der von
der Europäischen Union selbst gesetzten moralischen
und politischen Prinzipien zu bestehen. Mit der Auf-
nahme der Tschechischen Republik in die Europäische
Union verstößt die Gemeinschaft eklatant gegen Grund-
prinzipien, die sie selbst in der Kopenhagener Erklärung
festgelegt hat.
Die weiterhin gültigen, Vertreibung und ethnische
Säuberung rechtfertigenden Unrechtsdekrete der Tsche-
chischen Republik sind mit dem europäischen Rechts-
und Menschenrechtsstandard nicht vereinbar. Sie dürfen
deshalb in der bestehenden Rechtsordnung eines Mit-
gliedstaates keinen Bestand haben. Wenn nämlich künf-
tig völkerrechtswidrige Dekrete in der Rechtsordnung
eines zur Europäischen Union gehörenden Landes fort-
bestehen, dann ist das gesamte Fundament Europas ge-
fährdet.
Anlage 6
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Jochen-Konrad Fromme
(CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf
eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. April
2003 über den Beitritt der Tschechischen Repu-
blik, der Republik Estland, der Republik Zy-
pern, der Republik Lettland, der Republik Li-
tauen, der Republik Ungarn, der Republik
Malta, der Republik Polen, der Republik Slowe-
nien und der Slowakischen Republik zur Euro-
päischen Union (Tagesordnungspunkt 3)
Mit der Osterweiterung der Europäischen Union er-
öffnet sich nach den bitteren Erfahrungen vor allem in
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die historische
Chance, Frieden, Freiheit und Sicherheit in ganz Europa
nachhaltig zu stärken. Die Einigung Europas ist das
wertvollste Erbe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhun-
derts. Die Europäische Union als Rechts- und Wertege-
meinschaft bietet dabei die Chance einer dauerhaften
Verständigung und Aussöhnung zwischen Deutschland
und seinen östlichen Nachbarstaaten. Die CDU/CSU-
Bundestagsfraktion begrüßt daher die Aufnahme aller
zehn Beitrittsstaaten zur Europäischen Union zum
1. Mai 2004. Dieser Beitritt ist eine zukunftsgerichtete
Weiterentwicklung einer jahrhundertealten gemeinsa-
men Wertegemeinschaft auf der Grundlage gemeinsa-
men Glaubens, gemeinsamer Kultur und gemeinsamer
Geschichte.
Maßgeblich für einen Erfolg der Europäischen Union
als Rechts- und Wertegemeinschaft ist die Einhaltung
der vom Europäischen Rat 1993 beschlossenen Kopen-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4735
(A) (C)
(B) (D)
hagener Kriterien. Darin werden von den Mitgliedstaa-
ten unter anderem eine stabile Demokratie, der Schutz
von Minderheiten und die Achtung der Menschenrechte
gefordert. Die Kopenhagener Kriterien waren richtungs-
weisend für den Reformprozess, den die Bewerberländer
eingeleitet und vorangebracht haben, um die Bedingun-
gen für eine von allen Seiten gewünschte Mitgliedschaft
in der EU zu erfüllen.
Es bestehen jedoch insbesondere in der Tschechi-
schen Republik Dekrete fort, die entgegen dem Völker-
recht als Rechtfertigungen für Tötungen, Vertreibungen
und Entrechtungen gedient haben.
Nicht nur ich meine, dass diese Dekrete und deren po-
litische Bestätigungen den Weg verschließen könnten,
die Vergangenheit aufzuarbeiten und zu überwinden, um
die Zukunft von Nachbarn zum Wohle ihrer Bürger zu
meistern. Und deswegen sage ich: Vertreibungsdekrete,
Vertreibungsgesetze sowie so genannte Straffreistel-
lungsgesetze sind Unrecht und stehen im Gegensatz zum
Völkerrecht. Sie dürfen nirgendwo Bestandteil einer be-
stehenden Rechtsordnung sein. Daher sind diese Dekrete
abzuschaffen bzw. für nichtig zu erklären.
Ich begrüße in diesem Zusammenhang die Erklärun-
gen der tschechischen Regierung vom 19. Juni 2003 in
Prag und vom 29. Juni 2003 in Göttweig, in denen auf
die „unannehmbaren Taten und Ereignisse“ in der Zeit
unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg hingewiesen
und ein Bekenntnis der moralischen Verantwortung ab-
gelegt wird, als einen wichtigen Schritt in die richtige
Richtung.
In diesem Zusammenhang erinnere ich an die Auffor-
derung des Europäischen Parlaments aus dem Jahre
1999, „fortbestehende Gesetze und Dekrete aus den Jah-
ren 1945 und 46 aufzuheben, soweit sie sich auf die Ver-
treibung von einzelnen Volksgruppen in der ehemaligen
Tschechoslowakei beziehen“, sowie an den deutsch-
tschechischen Nachbarschaftsvertrag von 1992 und die
deutsch-tschechische Erklärung von 1997, in der sich
beide Seiten zu ihrer historischen Verantwortung be-
kannt haben.
Ich fordere die Bundesregierung auf, insbesondere
mit der Tschechischen Republik über die Aufhebung der
Vertreibungs- und Entrechtungsdekrete sowie Straffrei-
stellungsgesetze zu verhandeln.
Anlage 7
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Matthias Sehling und
Beatrix Philipp (beide CDU/CSU) zur Abstim-
mung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem
Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt
der Tschechischen Republik, der Republik Est-
land, der Republik Zypern, der Republik Lett-
land, der Republik Litauen, der Republik Un-
garn, der Republik Malta, der Republik Polen,
der Republik Slowenien und der Slowakischen
Republik zur Europäischen Union (Tagesord-
nungspunkt 3)
Wir schließen uns der mündlichen Erklärung nach
§ 31 GO der Abgeordneten Erika Steinbach an.
Anlage 8
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Axel E. Fischer (Karlsruhe-
Land), Ingo Wellenreuther und Veronika
Bellmann (alle CDU/CSU) zur Abstimmung
über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Ver-
trag vom 16. April 2003 über den Beitritt der
Tschechischen Republik, der Republik Estland,
der Republik Zypern, der Republik Lettland,
der Republik Litauen, der Republik Ungarn,
der Republik Malta, der Republik Polen, der
Republik Slowenien und der Slowakischen Re-
publik zur Europäischen Union (Tagesord-
nungspunkt 3)
Wir stimmen dem Gesetz zu und erklären hierzu:
Mit der Osterweiterung der Europäischen Union er-
öffnet sich nach den bitteren Erfahrungen vor allem in
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die historische
Chance, Frieden, Freiheit und Sicherheit in ganz Europa
nachhaltig zu stärken. Die Einigung Europas ist das
wertvollste Erbe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhun-
derts. Die Europäische Union als Rechts- und Wertege-
meinschaft bietet dabei die Chance einer dauerhaften
Verständigung und Aussöhnung zwischen Deutschland
und seinen östlichen Nachbarstaaten.
Maßgeblich für einen Erfolg der Europäischen Union
als Rechts- und Wertegemeinschaft ist die Einhaltung
der vom Europäischen Rat 1993 beschlossenen Kopen-
hagener Kriterien. Darin werden von den Mitgliedstaa-
ten unter anderem eine stabile Demokratie, der Schutz
von Minderheiten und die Achtung der Menschenrechte
gefordert. Die Kopenhagener Kriterien waren richtungs-
weisend für den Reformprozess, den die Bewerberländer
eingeleitet und vorangebracht haben, um die Bedingun-
gen für eine von allen Seiten gewünschte Mitgliedschaft
in der EU zu erfüllen.
Es bestehen jedoch insbesondere in der Tschechi-
schen Republik Dekrete fort, die entgegen dem Völker-
recht als Rechtfertigungen für Tötungen, Vertreibungen
und Entrechtungen gedient haben.
Nicht nur wir meinen, dass diese Dekrete und deren
politische Bestätigungen den Weg verschließen könnten,
die Vergangenheit aufzuarbeiten und zu überwinden, um
die Zukunft von Nachbarn zum Wohle ihrer Bürger zu
meistern. Und deswegen sagen wir: Vertreibungsdekrete,
Vertreibungsgesetze sowie so genannte Straffreistel-
lungsgesetze sind Unrecht und stehen im Gegensatz zum
Völkerrecht. Sie dürfen nirgendwo Bestandteil einer be-
stehenden Rechtsordnung sein. Daher sind diese Dekrete
abzuschaffen bzw. für nichtig zu erklären.
Wir begrüßen in diesem Zusammenhang die Erklä-
rungen der tschechischen Regierung vom 19. Juni 2003
4736 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
(A) (C)
(B) (D)
in Prag und vom 29. Juni 2003 in Göttweig, in denen auf
die „unannehmbaren Taten und Ereignisse“ in der Zeit
unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg hingewiesen
und ein Bekenntnis der moralischen Verantwortung ab-
gelegt wird, als einen wichtigen Schritt in die richtige
Richtung.
In diesem Zusammenhang erinnern wir an die Auffor-
derung des Europäischen Parlaments aus dem Jahre
1999, „fortbestehende Gesetze und Dekrete aus den Jah-
ren 1945 und 1946 aufzuheben, soweit sie sich auf die
Vertreibung von einzelnen Volksgruppen in der ehemali-
gen Tschechoslowakei beziehen“, sowie an den deutsch-
tschechischen Nachbarschaftsvertrag von 1992 und die
deutsch-tschechische Erklärung von 1997, in der sich
beide Seiten zu ihrer historischen Verantwortung be-
kannt haben.
Anlage 9
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Dr. Wolfgang Götzer (CDU/
CSU) zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der CDU/CSU zu dem Entwurf ei-
nes Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. April 2003
über den Beitritt der Tschechischen Republik,
der Republik Estland, der Republik Zypern,
der Republik Lettland, der Republik Litauen,
der Republik Ungarn, der Republik Malta, der
Republik Polen, der Republik Slowenien und
der Slowakischen Republik zur Europäischen
Union (Tagesordnungspunkt 3)
Hiermit erkläre ich, dass ich mit dem Entschließungs-
antrag der CDU/CSU-Fraktion (Drucksache 15/1359)
vollinhaltlich übereinstimme.
Anlage 10
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Albert Rupprecht (CDU/
CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines
Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. April 2003
über den Beitritt der Tschechischen Republik,
der Republik Estland, der Republik Zypern,
der Republik Lettland, der Republik Litauen,
der Republik Ungarn, der Republik Malta, der
Republik Polen, der Republik Slowenien und
der Slowakischen Republik zur Europäischen
Union (Tagesordnungspunkt 3)
Mit seiner Zustimmung zu dem Vertrag für die Auf-
nahme zehn neuer Mitgliedstaaten zur Europäischen
Union gibt der Deutsche Bundestag dem Willen Aus-
druck, die Europäische Union zu einem Bund der Frei-
heit und des Friedens wieder zu vereinen. Ich stimme
dem Antrag aus übergeordneten Gründen zu, wenngleich
ich erhebliche Bedenken anmelden möchte:
Ich sehe mit großer Sorge, dass viele Voraussetzungen
noch nicht erfüllt sind, die bei dieser Erweiterung zwin-
gend erfüllt sein müssten. Die Erweiterung findet statt,
bevor die Reformdiskussion in der Europäischen Union
einen erfolgreichen Abschluss gefunden hat. Es ist weder
absehbar, ob das noch zu verhandelnde institutionelle
Gefüge der EU effektiv arbeiten kann, noch ob es von
den Staaten überhaupt akzeptiert wird. Eine klare Ab-
grenzung der Kompetenzen in der Union ist noch nicht
gegeben. Wir wissen momentan nicht, in welchen Berei-
chen wir soziale und wirtschaftliche Belange gemein-
sam, koordiniert oder einzelstaatlich regeln. Wir stim-
men der Erweiterung zu, bevor uns ein schlüssiges und
mehrheitsfähiges Konzept Sicherheit darüber gibt, wie
mittel- und langfristig die erweiterte Union und ihre Ak-
tivitäten finanziert werden. Deutschlands Grenzregionen
wurde zur Vorbereitung auf die Erweiterung von Vertre-
tern der Regierungspartei SPD ein geschlossenes Grenz-
gürtelprogramm versprochen, welches bis heute noch
nicht existiert. Nach den Plänen der Bundesregierung
wird Deutschland in Zukunft aus den EU-Töpfen keine
Zuwendungen mehr für Strukturmaßnahmen erhalten.
Den Grenzregionen bleibt gleichzeitig auch kein Hand-
lungsspielraum, eigene Unternehmen entsprechend
schützen oder fördern zu können. Nach wie vor gibt es
auf tschechischer Seite keine Außerkraftsetzung der
tschechischen Vertreibungsdekrete. Mit der Erweiterung
wird somit der EU als Rechtsgemeinschaft ein zweifel-
haftes Erbe übertragen. In der EU und in Deutschland
wurden notwendige Maßnahmen im Vorfeld der Erwei-
terung nicht getroffen, wenngleich die Maßnahmen auf
beiden Ebenen wiederholt als notwendig angesehen wur-
den. Insbesondere die Bundesregierung ist in der Ge-
samtbetrachtung hier ihrer Fürsorgepflicht gegenüber
der deutschen Bevölkerung – insbesondere in den Grenz-
regionen zu den Beitrittsstaaten – nicht ausreichend
nachgekommen.
Anlage 11
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Klaus Brähmig (CDU/CSU)
zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset-
zes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den
Beitritt der Tschechischen Republik, der Repu-
blik Estland, der Republik Zypern, der Repu-
blik Lettland, der Republik Litauen, der Repu-
blik Ungarn, der Republik Malta, der Republik
Polen, der Republik Slowenien und der Slowa-
kischen Republik zur Europäischen Union (Ta-
gesordnungspunkt 3)
Mit der Osterweiterung der Europäischen Union er-
öffnet sich nach den bitteren Erfahrungen vor allem in
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die historische
Chance, Frieden, Freiheit und Sicherheit in ganz Europa
nachhaltig zu stärken.
Die Einigung Europas ist das wertvollste Erbe der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Europäische
Union als Rechts- und Wertegemeinschaft bietet dabei
die Chance einer dauerhaften Verständigung und Aus-
söhnung zwischen Deutschland und seinen östlichen
Nachbarstaaten. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion be-
grüßt daher die Aufnahme aller zehn Beitrittsstaaten zur
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4737
(A) (C)
(B) (D)
Europäischen Union zum 1. Mai 2004. Dieser Beitritt ist
eine zukunftsgerichtete Weiterentwicklung einer Jahr-
hunderte alten gemeinsamen Wertegemeinschaft auf der
Grundlage gemeinsamen Glaubens, gemeinsamer Kultur
und gemeinsamer Geschichte.
Maßgeblich für einen Erfolg der Europäischen Union
als Rechts- und Wertegemeinschaft ist die Einhaltung
der vom Europäischen Rat 1993 beschlossenen Kopen-
hagener Kriterien. Darin werden von den Mitgliedstaa-
ten unter anderem eine stabile Demokratie, der Schutz
von Minderheiten und die Achtung der Menschenrechte
gefordert. Die Kopenhagener Kriterien waren richtungs-
weisend für den Reformprozess, den die Bewerberländer
eingeleitet und vorangebracht haben, um die Bedingun-
gen für eine von uns gewünschte Mitgliedschaft in der
EU zu erfüllen.
Ich sehe jedoch, dass offensichtlich nicht alle Bei-
trittsländer – aus welchen Gründen auch immer – sich
vor dem Beitritt in die Rechts- und Wertegemeinschaft
der Europäischen Union von Dekreten getrennt haben,
die völkerrechtswidrig so genannte Rechtfertigungen für
die Vertreibungen der Deutschen aus ihrer Heimat am
Ende des Zweiten Weltkrieges und danach waren. So
schmerzt es mich, dass zum Beispiel die Tschechische
Republik an den Benes-Dekreten festhält, was wieder-
holt in den Äußerungen führender Regierungsvertreter,
aber auch in der Resolution des tschechischen Parlamen-
tes vom 23. April 2002 zum Ausdruck gekommen ist.
Daran hat auch die bedeutende Erklärung der Regierung
der Tschechischen Republik vom 18. Juni 2003, in der
auf die „unannehmbaren Taten und Ereignisse“ in der
unmittelbaren Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hinge-
wiesen wird, in der Substanz nichts geändert, zumal die
tschechische Regierung gerade in jüngster Zeit ein Fest-
halten an den Benes-Dekreten als den rechtlichen
Grundlagen der Vertreibung politisch bekräftigt hat.
Nicht nur ich meine, dass diese wiederholten politi-
schen Bekräftigungen den Weg verschließen könnten,
die Vergangenheit aufzuarbeiten und zu überwinden, um
die Zukunft von Nachbarn zum Wohle ihrer Bürger zu
meistern. Denn dazu gehört auch ein Bekenntnis zur
Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit wie auch ein
Bekenntnis zum Recht auf die Heimat für die deutschen
Vertriebenen, die wie die tschechische Bevölkerung
Schlimmstes erleiden mussten.
Deswegen sage ich: Vertreibungsdekrete und Vertrei-
bungsgesetze sind Unrecht und stehen im Gegensatz
zum Völkerrecht. Daher unsere Bitte, unser nachbar-
schaftliches Verlangen: Vertreibungen und ethnische
Säuberungen dürfen nirgendwo Bestandteil einer beste-
henden Rechtsordnung sein und besonders nicht bleiben.
Deshalb fordere ich: Die Vertreibungs- und Enteig-
nungsdekrete sind in den Beitrittsstaaten, in denen sie
noch bestehen, abzuschaffen, für nichtig zu erklären.
Ich halte daher an der Forderung einer Abschaffung
der Vertreibungsdekrete und Vertreibungsgesetze fest, so
wie es in der „Entschließung des Europäischen Parla-
mentes vom 15. April 1999 zum regelmäßigen Bericht
der Kommission über die Fortschritte der Tschechischen
Republik“ auf dem Weg zum Beitritt zum Ausdruck ge-
kommen ist.
Anlage 12
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung über den Entwurf eines Gesetzes
zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches
(Gesetz zur Beseitigung der Rechtsunsicherheit
beim Unternehmensverkauf) (Tagesordnungs-
punkt 12)
Christine Lambrecht (SPD): Der Gesetzentwurf der
CDU/CSU will ein angeblich bestehendes Auslegungs-
problem des § 444 BGB lösen. Eine unterstellte Rechts-
unsicherheit im Haftungsrecht bei Unternehmenskäufen
soll beseitigt werden. Wenn diese Rechtsunsicherheit in
der Beratungspraxis tatsächlich besteht, dann werden
wir darüber reden müssen.
Ihr Entwurf geht aber weit darüber hinaus, indem er
die gesetzliche Regelung auf den Verbrauchsgüterkauf
beschränkt, entgegen der eindeutigen Intention des Ge-
setzgebers, der die Regelung in allen Kauf- und Werk-
verträgen angewendet wissen wollte.
Kaum eine Vorschrift des neuen Schuldrechts hat so
heftige Diskussionen ausgelöst wie § 444 BGB, nach
dessen Wortlaut eine Verbindung von Garantie und Haf-
tungsbeschränkung nicht mehr möglich erscheint. Der
Umfang der einschlägigen Publikationen ist eindrucks-
voll.
Der Grund für diese Diskussion liegt in § 444 Alt. 2 BGB.
Nach dieser Bestimmung kann sich der Verkäufer auf
eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers
wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt
werden, dann nicht berufen, wenn er eine Garantie für
die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.
Diese Regelung wirft folgendes Problem auf:
Einerseits spielen Garantien im kaufmännischen Ge-
schäftsverkehr eine bedeutsame Rolle. Man denke nur
an Maschinenbau- und Anlagenverträge, wo Garantien
etwa im Hinblick auf Kapazität, Leistungsdaten und Ver-
brauch absolut üblich und wohl auch unverzichtbar sind.
Andererseits sollen auch in diesen Fällen nicht über
Jahre hinweg und unbegrenzt Einstandspflichten über-
nommen werden. Deshalb werden Garantien und die ge-
setzliche Gewährleistung summenmäßig, zeitlich oder
auch hinsichtlich der Rechtsfolgen beschränkt.
Gerade beim Unternehmenskauf wird das gesetzliche
Gewährleistungssystem in der Regel durch ein umfas-
sendes, in sich geschlossenes System vertraglicher Haf-
tungen des Verkäufers ersetzt, in denen Garantien für die
Richtigkeit von Jahresabschlüssen, Umsätzen oder Er-
trägen übernommen werden.
Dies sei nun wegen der Regelung des § 444 BGB al-
les nicht mehr möglich, wurde und wird gewarnt. Zwi-
schenzeitlich überwiegen aber die Stimmen im Schrift-
tum, die eine einschränkende Auslegung der Norm im
4738 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
(A) (C)
(B) (D)
Hinblick darauf fordern, dass der Gesetzgeber die alte
Vertragspraxis nicht habe ändern wollen.
Unterschiedliche Auffassungen werden vertreten,
verschiedene Lösungsansätze werden vorgeschlagen:
Nach einer Auffassung erfasst § 444 BGB nur den
Bereich der so genannten unselbstständigen Garantie,
nicht aber die selbstständige Garantie, die ein eigenstän-
diges Haftungssystem nach § 311 BGB darstellt.
Andere subsumieren unter § 444 auch die selbststän-
dige Garantie und fordern mit unterschiedlichen Argu-
mentationen eine einschränkende Auslegung der Norm
oder schlagen angesichts einer nach ihrer Auffassung
verbleibenden Rechtsunsicherheit Beschaffenheitsver-
einbarungen (gegebenfalls verschuldensunabhängig)
vor, die dann zeitlich oder summenmäßig beschränkt
werden könnten.
Auch wird erwogen, einen selbstständigen Garantie-
vertrag im Sinne des § 311 BGB abzuschließen, bei dem
klargestellt werden soll, dass er nicht dem § 444 BGB
unterfalle.
Schließlich wird eine Gesetzesänderung zur Beseiti-
gung der Unklarheiten angeregt.
Auch wenn ich persönlich der Ansicht bin, dass
§ 444 BGB bei sachgerechter Auslegung der bisherigen
Vertragspraxis nichts entgegensteht, werden wir uns mit
dieser Problematik ohne Scheuklappen befassen.
Dies ist auch angebracht, immerhin handelt es sich
um eine Sachfrage ohne parteipolitischen Hintergrund.
Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Manchmal können
einige wenige Paragraphen ein Beben in den betroffenen
Kreisen auslösen. Das habe ich zuletzt als Berichterstat-
ter im Rahmen der Novelle zum Urheberrecht erfahren,
als es um einen neuen § 52 a UrhG ging. Ein ähnliches
Echo in der Fachwelt hat der neu gefasste § 444 BGB
hervorgerufen, der eine der Grundlagen für den Unter-
nehmenskauf bildet und in seiner geltenden Fassung ein
Ergebnis der Reform des Schuldrechts ist.
Anlass für die Reform des Schuldrechts war die Um-
setzung der EG-Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten
Aspekten des Verbrauchergüterkaufs und der Garantien
für Verbrauchsgüter vom 25. Mai 1999. Wesenselement
dieser Richtlinie ist eine Verbesserung des Verbraucher-
schutzes.
Wie bei so vielen anderen Richtlinien hat die Bundes-
regierung auch diese Richtlinie der Europäischen Union
seinerzeit mit eigenen, zum Teil nur halb ausgegorenen
Ideen befrachtet. Am Ende wundert man sich dann, dass
Umsetzungsfristen versäumt werden, eine EU-rechts-
konforme Umsetzung scheitert oder wir im Ergebnis
eine verschlimmbesserte deutsche Rechtslage erhalten,
die nicht nur den Juristen ein Ärgernis ist, sondern auch
der Rechtssicherheit und damit dem Wirtschaftsstandort
Deutschland schadet.
Leider hat ausgerechnet der § 444, eine zentrale Be-
stimmung des Kaufrechts, zu großer Verunsicherung ge-
führt.
Mit der Schuldrechtsreform hat der Gesetzgeber erst-
mals den Begriff der Garantie in das BGB eingeführt.
Dabei wurde allerdings das Ziel, nämlich eine Klarstel-
lung zu erreichen, verfehlt.
Das ist natürlich ein gefundenes Fressen für wissen-
schaftliche Abhandlungen und Berichte der Fachpresse,
die inzwischen ganze Aktenordner füllen. Der Gesetzge-
ber hat der Praxis des Unternehmenskaufs den Boden
unter den Füßen weggezogen. Es muss nun wieder ein-
mal auf die Rechtsprechung gewartet werden, die für
den Gesetzgeber in die Bresche springen muss, um
Rechtssicherheit zu schaffen.
Der Begriff der Garantie findet sich in den §§ 276 I,
442 I, 443, 444, 477 BGB. § 444 BGB erregte dabei be-
sonderes Aufsehen. Der Verkäufer kann sich danach auf
eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers
ausgeschlossen oder beschränkt werden, nicht berufen,
wenn er eine Garantie für die Beschaffenheit übernom-
men hat.
Es stellt sich die Frage, ob nun die Garantie bisheriger
Unternehmenskaufverträge hierunter fällt oder nicht. So-
lange diese Frage nicht beantwortet ist, schwimmt die
Vertragspraxis steuerlos in unbekannten Gewässern.
Inzwischen hat erfreulicherweise auch das Bundes-
justizministerium dieses Problem erkannt. Man sah sich
sogar herausgefordert, dem Bundesverband der Deut-
schen Industrie eine entsprechende – rechtlich allerdings
unverbindliche – Interpretationshilfe zukommen zu las-
sen. Nur gesetzgeberischen Handlungsbedarf mochte
man nicht anerkennen. Das ist für mich eine inkonse-
quente Haltung, die die eingetretene Rechtsunsicherheit
nicht zu beseitigen vermag.
Der Unternehmenskauf ist für eine Volkswirtschaft
von immenser Bedeutung. Jede Verzögerung bedeutet
die Gefährdung von Arbeitsplätzen, die Verschiebung
von Investitionen und möglicherweise sogar die Ver-
nichtung der Existenzgrundlage eines Unternehmens.
Führt man sich diese Punkte vor Augen, dann stößt es
auf Unverständnis, dass bislang gesetzgeberisch nicht
gehandelt wurde.
Betrachtet man die bisherige umfangreich erschie-
nene Literatur zu dem von der CDU/CSU-Fraktion in die
politische Diskussion eingebrachten Thema, so findet
man – das erstaunt uns nicht – verschiedene Ansichten
über die rechtliche Einordnung der Problematik. Dass so
viel darüber diskutiert wird, unterstreicht einmal mehr,
wie unklar die derzeitige Situation ist.
Unternehmen auf eine höchstrichterliche Rechtspre-
chung zu vertrösten oder möglicherweise sogar zu emp-
fehlen, auf angloamerikanisches Recht auszuweichen,
verbietet sich aus meiner Sicht schlichtweg. Als Union
wollen wir, dass der Bundestag schnellstmöglich seine
gesetzgeberische Pflicht erfüllt, damit der derzeit danie-
derliegende Markt für Unternehmenskäufe wieder in
Schwung kommt und internationale Investoren keinen
Bogen um Deutschland machen.
Kernelement der Umsetzung der entsprechenden
Brüsseler Vorgaben ist ein verbesserter Verbraucher-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4739
(A) (C)
(B) (D)
schutz. Die bereits zitierte EU-Richtlinie hebt in ihren
Erwägungsgründen hervor, dass ein Hauptziel der Ver-
träge die Erreichung eines hohen Verbraucherschutzni-
veaus ist.
Man kann dem Gesetzgeber nicht vorwerfen, dass er
europäisches Recht nicht richtlinienkonform umgesetzt
habe. Aber warum muss der deutsche Gesetzgeber wie-
der einmal über das Ziel hinausschießen und eine Rege-
lung einführen, die die Richtlinie gar nicht verlangt?
Wollen wir nicht deregulieren, statt immer weitere Ge-
setze und Verordnungen zu erlassen? Wenn der Gesetz-
geber und auch das Bundesjustizministerium die Schief-
lage erkennen, muss man sich weiter fragen, warum
denn nicht eine Korrektur erfolgt. Der Bund ist nicht
dazu aufgerufen, kluge Interpretationshilfen für
schlechte Gesetze zu formulieren, sondern einfach gute
Gesetze zu verabschieden. Alle Interpretationshilfen
werden überflüssig, wenn wir den klaren Unionsvor-
schlag Gesetz werden lassen und damit lediglich das
richtlinienkonform umsetzen, was die EU-Richtlinie
verlangt. Damit ist dem Ziel eines verbesserten Verbrau-
cherschutzes am besten gedient. Werden Unternehmens-
käufe erschwert oder teilweise vielleicht sogar ver-
hindert, weil man eigentlich im Sinn hatte, Verbraucher-
rechte zu stärken, dann hat kein Verbraucher etwas da-
von.
Die Richtlinie selbst unterstreicht diese Position. Nir-
gends ist der Unternehmenskauf in der Richtlinie ge-
nannt. Es wird fast ausschließlich vom Verbraucher ge-
sprochen; allein das zeigt die Zielsetzung. Die Richtlinie
erlaubt zwar in ihrem Art. 8 Abs. 2, dass ein „Mehr“ an
gesetzlichen Regeln möglich ist. Die Richtlinie hebt da-
bei aber hervor, dass ihre Bestimmungen einen Mindest-
schutz darstellen und dass strengere Bestimmungen er-
lassen oder aufrechterhalten werden können, „um ein
höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustel-
len“. Der Durchschnittsverbraucher interessiert sich aber
relativ selten für den Kauf eines Unternehmens.
Der Unionsentwurf beschränkt das Verbot, die Haf-
tung für Garantieerklärungen einzuschränken oder aus-
zuschließen, im Einklang mit der EU-Richtlinie auf den
Bereich des Verbrauchergüterkaufs entsprechend der
nach früherer Rechtslage in § 11 Nr. 11 AGBG geregel-
ten Sachverhalte und auf den konkret vereinbarten Inhalt
der Garantie. Das Verbot, die Haftung wegen arglistig
verschwiegener Mängel zu beschränken oder auszu-
schließen, bleibt davon unberührt.
Die Rechtsunsicherheit, die dem Standort und der An-
wendung des deutschen Rechts schadet, wäre mit dem
Unionsantrag beendet. Unserem Entwurf gelingt daher,
was der Schuldrechtsreform der Regierung nicht gelang.
Wir fordern die Regierungsmehrheit daher auf: Stimmen
Sie unserem Antrag zu, damit den Vorgaben der Richtli-
nie endlich Genüge getan wird. Geben Sie mit uns wie-
der klare Signale für die Praxis des Unternehmenskauf-
vertrages, damit sie sich wieder auf sicherem Kurs in
jedem Gewässer bewegen kann.
Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Die Verfasser des
Bürgerlichen Gesetzbuches konnten gegen Ende des
19. Jahrhunderts noch nicht damit rechnen, dass das Ge-
setz eines Tages auch für komplizierte Unternehmenstrans-
aktionen taugen müsste. Übernahmen, Verschmelzungen,
Anteilskäufe, sogar im internationalen Wettbewerb – all
dies war damals allenfalls die Ausnahme. Dass sich das
inzwischen geändert hat, weiß nicht nur der interessierte
Leser der Wirtschaftspresse. Dennoch wurde diese Ent-
wicklung 100 Jahre nach In-Kraft-Treten des BGB wie-
derum ignoriert, als das Schuldrecht reformiert wurde.
Weil die EG-Richtlinie zum Gebrauchsgüterkauf im In-
teresse eines verbesserten Verbraucherschutzes umzuset-
zen war, wurde übersehen, dass damit in einem Rund-
umschlag der wirtschaftlich wichtige Bereich des Unter-
nehmenskaufs kaputtgeregelt wurde, in dem es gerade
nicht um Gebrauchsgegenstände wie Kühlschränke oder
Computer und damit dem erforderlichen Schutz der Ver-
braucher geht.
Umstritten war und ist vor allem der Paragraph mit
der leicht zu merkenden Ziffer 444. Professoren und
Wirtschaftsanwälte weisen immer wieder darauf hin,
dass dieser Paragraph das Haftungssystem bei Unterneh-
menskäufen infrage stellt. Es hat sich in jahrelanger Pra-
xis entwickelt und als sachgerecht erwiesen. Nun jedoch
verbietet der neue Paragraph 444 BGB die Beschrän-
kung oder den Ausschluss der Haftung in den Fällen, in
denen der Verkäufer eine Garantie für die Beschaffenheit
einer Sache übernommen hat. In Unternehmenskaufver-
trägen schließt der Verkäufer aber häufig die Haftung für
Sachmängel des verkauften Unternehmens aus, über-
nimmt stattdessen Garantien für bestimmte Umstände
– die eben gerade die Beschaffenheit des Unternehmens
betreffen – und beschränkt gleichzeitig die Haftung da-
für, zum Beispiel durch finanzielle Höchstgrenzen. Ob
das geltende Recht solche Haftungsbeschränkungen
überhaupt noch erlaubt und Unternehmenskaufverträge
bei unrichtigen Garantien möglicherweise rückabgewi-
ckelt werden müssen, ist höchst umstritten. Die Schuld-
rechtsreform hat im Bereich des Unternehmenskaufs
Rechtsunsicherheit geschaffen, anstatt sie zu beseitigen.
Diesen Fehler korrigiert der Gesetzentwurf der CDU/
CSU-Fraktion. Schon geringfügige Änderungen in drei
Bestimmungen des BGB reichen dafür aus. Sie stellen
eindeutig klar, dass sich das Verbot, die Haftung des Ver-
käufers auszuschließen oder zu beschränken, auf den
konkret vereinbarten Inhalt einer Garantie bezieht. Der
Gesetzentwurf sieht zudem einen noch über die Vorga-
ben der EG-Richtlinie zum Gebrauchsgüterkauf hinaus-
gehenden Schutz der Verbraucher vor, weil er ausdrück-
lich Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
verbietet, die die Haftung für Beschaffenheitsgarantien
beschränken oder verbieten. Mit anderen Worten: Dies
ist ein Gesetzentwurf, der allen Interessengruppen nützt
und niemandem weh tut – außer vielleicht der Eitelkeit
der Regierungskoalition, weil die Initiative mal wieder
von der Opposition kam.
Nach vernünftigen Erwägungen sollte man eigentlich
davon ausgehen, dass der Entwurf die ungeteilte Zustim-
mung des Parlaments und auch der Bundesregierung fin-
det. Denn die Änderungen sind lediglich eine Kodifizie-
rung dessen, was das Bundesjustizministerium im Januar
dieses Jahres selbst in einem – rechtlich allerdings völlig
4740 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
(A) (C)
(B) (D)
unverbindlichen – Schreiben an den Bundesverband der
Deutschen Industrie als Auslegungsregel für den verun-
glückten Paragraphen 444 ausgab.
Wie man hört, wird auch im Bundesjustizministerium
an einer Änderung des Paragraphen 444 gearbeitet. Das
Parlament könnte und sollte das Ministerium entlasten
und unseren Gesetzentwurf beschließen. Das hätte mög-
licherweise – neben der Beseitigung der Rechtsunsicher-
heit im Unternehmenskauf – zusätzlich den Effekt, dass
man sich im BMJ verstärkt den vielen anderen rechtspo-
litischen Baustellen widmen könnte.
Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Klarstellung
liegt auf der Hand. Die Rechtspraxis des Unternehmens-
kaufs hat erst nach Jahren durch höchstrichterliche
Rechtsprechung ein einigermaßen gesichertes rechtli-
ches Fundament bekommen. Die Schuldrechtsreform hat
dem Unternehmenskauf dieses Fundament entzogen,
und nun muten wir den Unternehmen zu, erneut Jahre
darauf zu warten, dass Gerichte das Fundament wieder
aufbauen.
Wir brauchen eine klare gesetzliche Regelung, die
den Unternehmenskauf fördert, statt ihn zu gefährden.
Ich muss an dieser Stelle nicht erklären, dass ein Schrei-
ben des Bundesjustizministeriums an den Bundesver-
band der Deutschen Industrie rechtlich unverbindlich ist
und eine klare Regelung nicht ersetzen kann. Es ist aller-
dings nicht nur rechtlich unverbindlich, sondern auch
höchst unsicher: Noch vor einem Jahr hat das Ministe-
rium in einem ähnlichen Schreiben eine ganz andere Po-
sition vertreten. Wer garantiert uns – und den Unterneh-
men –, dass sich die Haltung des Ministeriums nicht
demnächst erneut ändert, je nachdem, welchen Einflüs-
terungen es dann erliegt?
Auch aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es wichtig,
die Rechtsunsicherheiten beim Unternehmenskauf zu
beseitigen. Denn gerade in Zeiten schwacher Konjunktur
ist der Verkauf oft die letzte Möglichkeit, Unternehmen
oder Unternehmensteile und damit auch Arbeitsplätze zu
retten. Besteht jedoch wegen der unsicheren Rechtslage
die Gefahr, dass ein Unternehmenskauf wegen unrichti-
ger Garantien rückabgewickelt oder Schadensersatz ge-
zahlt werden muss, wird sich ein potenzieller Käufer
gründlich überlegen, ob er ein Unternehmen kauft. Denn
er muss langfristig wirtschaftlich und unternehmerisch
planen und kalkulieren können und darf dabei keine Ri-
siken eingehen.
Unternehmenstransaktionen sind ein internationales
Geschäft. Unsicherheiten im deutschen Kaufrecht brin-
gen in doppelter Hinsicht einen Wettbewerbsnachteil:
Für die Unternehmen, die ihren internationalen Ge-
schäftspartnern bei Vertragsverhandlungen verlässliche
Rechtsgrundlagen zusichern müssen. Und für Deutsch-
land, das vor allem vor dem Hintergrund der Überlegun-
gen zu einem europäischen Vertragsrecht aufpassen
muss, dass es mit einem konsistenten Zivilrecht auch
weiterhin eine Vorreiterrolle spielt.
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer
mit kühlem Kopf und dem gebotenen Abstand zu den
Streitenden in der Fachliteratur den Gesetzentwurf der
Opposition zum Unternehmenskauf durchdenkt – und
zwar das von Ihnen angesprochene, mehr jedoch noch
das von Ihnen überhaupt erst geschaffene Problem –, der
kann Ihnen einen Vorwurf nicht ersparen: Sie blasen eine
sehr eng begrenzte Fachdebatte zu angeblichen Unge-
reimtheiten des neuen § 444 BGB erst richtig auf, um
sich dann mit dem selbst geschaffenen Scheinproblem
wichtigtuerisch zu beschäftigen. Statt echte Probleme
anzupacken, wollen Sie zudem mit Ihrer Beschränkung
des Sinngehalts von § 444 BGB auf den Verbrauchsgü-
terkauf den beteiligten Kreisen im Bereich des Unter-
nehmenskaufs richtig dicke Probleme bescheren.
Konkret: Zum Ersten geht es um das Verhältnis von
Verkäufergarantien zu vonseiten des Verkäufers durch-
gesetzten Haftungsausschlüssen beim so genannten Un-
ternehmenskauf.
Sie wollen nach Ihren Worten Rechtssicherheit beim
Unternehmenskauf herstellen. Dies ist ein löbliches An-
sinnen. Hier gilt das Wort des Bundesjustizministeriums:
Das Ministerium wird sofort tätig werden, wenn die be-
hauptete Rechtsunsicherheit tatsächlich und praktisch
eintreten sollte. Das ist bisher nicht der Fall. Weder von-
seiten der Wirtschaft und der Banken noch vonseiten der
Rechtsprechung ist die angebliche Rechtsunsicherheit
problematisiert worden. Ich bin überaus zuversichtlich,
dass die von Ihnen aufgegriffene eng begrenzte Fachde-
batte die Gerichte nicht verunsichern wird.
Die Rechtsprechung legt in bester Tradition und ge-
festigter Übung Rechsnormen nicht an den bloßen Wor-
ten klebend, sondern nach Sinn und Zweck der jeweili-
gen Norm aus.
§ 444 BGB soll ein widersprüchliches Verhalten des
einen Vertragspartners und eine überraschende und ver-
klausulierte Übervorteilung des anderen Partners verhin-
dern. Zwingend unwirksam ist daher ein Haftungsaus-
schluss nur, wenn er – und das heißt: soweit er – im
Sachzusammenhang und Widerspruch zur abgegebenen
Garantie steht. Denn nur in diesem Fall zerstört oder hin-
tergeht der Verkäufer von ihm zuvor geschaffenes Ver-
trauen beim Käufer. Der neue § 444 BGB, liest man ihn
richtig, macht Haftungsausschlüsse und -beschränkun-
gen nicht per se und generell unwirksam. Es bleibt sehr
wohl eine Haftungsbeschränkung oder ihr Ausschluss
möglich, wenn die abgegebene Garantie insoweit keinen
Vertrauenstatbestand geschaffen hat.
Auch für den Unternehmenskauf führt also der neue
§ 444 BGB zu klaren Ergebnissen: Wer bei einem Unter-
nehmensverkauf für den Bestand an Maschinen eine Be-
schaffenheitsgarantie übernimmt, kann hinsichtlich der
gestellten Geschäftsprognosen auch weiterhin einen
Haftungsausschluss vereinbaren. Wer für zu erwartende
Umsatzzahlen eines Unternehmens die Gewähr über-
nimmt, kann diese Haftung auch künftig summenmäßig
beschränken.
Wir könnten gleichwohl zur Klarstellung auch für den
Rechtsanwender, der am Buchstaben des Gesetzes kle-
ben bleibt, das Wort „wenn“ durch das Wort „soweit“ er-
setzen. Das für Juristen und die Rechtsprechung offen-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4741
(A) (C)
(B) (D)
kundig Gemeinte und Gewollte wäre dann auch
sprachlich klarer in Worte gefasst.
Sie von der Opposition aber, wollen mit ihrem Gesetz
zum Unternehmenskauf viel mehr. Sie wollen den
Grundgedanken, wonach es gesetzlich untersagt ist, ge-
gebene Garantien durch geschickte Haftungsausschlüsse
zu unterlaufen, auf den Verbrauchsgüterkauf beschrän-
ken.
Das ist sachwidrig und im Ergebnis eine Einladung an
die jeweils garantiegebende Partei des Unternehmens-
veräußerungsvertrages, gegebene Garantien in Bezug
auf das zu verkaufende Unternehmen durch möglichst
raffinierte und undurchschaubar formulierte Haftungs-
ausschlüsse auszuhebeln. Wenn es nicht nur ein un-
durchdachter Fehler Ihres Gesetzentwurfes ist, frage ich
mich, wo der Sinn eines solchen Regelungsvorschlags
liegen mag.
Warum soll es möglich sein, dass der Unternehmens-
verkäufer für einen Umstand eine Garantieerklärung ab-
gibt, damit er den Kaufpreis erhöhen kann, sich dann
aber über einen Haftungsausschluss dieser übernomme-
nen Garantie wieder entziehen kann?
Ich kann einen Unterschied in den Interessenlagen
beim Unternehmensveräußerungsvertrag und beim Ver-
brauchsgütervertrag nicht erkennen. Wer nicht hinter die
Kulissen gucken kann, muss sich auf Garantien seines
Vertragspartners verlassen. Dies gilt für Unternehmens-
käufer ebenso wie für Verbraucher. Allein der Verkäufer
kann einschätzen, ob seine Garantie die realen Zustände
widerspiegelt oder dem Käufer etwas vorgaukelt. Der
Verkäufer profitiert davon, dass er die Garantie abgibt.
Die Garantie erhöht nämlich die Kaufwilligkeit des Käu-
fers oder – bestenfalls – sogar den Kaufpreis. Warum
soll der Verkäufer diese Vorteile haben, ohne zugleich
das Haftungsrisiko für seine Äußerungen zu überneh-
men?
Zusammenfassend will ich deshalb festhalten: Eine
Hälfte Ihres Vorschlags ist brauchbar, aber nicht wirklich
notwendig. Die andere Hälfte ist schädlich und daher un-
brauchbar. Wir können uns deshalb mit Ihrem Gesetzent-
wurf zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zulas-
ten von Unternehmenskäufern nicht anfreunden.
Rainer Funke (FDP): Das, was hier zur ersten Bera-
tung auf dem Tisch des Hauses liegt, lässt sich in eine
Reihe stellen mit vielen anderen Vorschlägen, das gerade
erst in Kraft getretene neue Schuldrecht zu überarbeiten
oder – um in der Diktion der Bundesregierung zu bleiben –
„nachzubessern“.
Inhalt und verfahrensmäßige Umsetzung des Gesetz-
entwurfs für das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz
waren schon zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens
umstritten. Insbesondere in Bezug auf den allgemeinen
Teil des Schuldrechts und das Kaufrecht kann man sa-
gen: Die Reform hat eine über 2000 Jahre gewachsene
Rechtskultur zerstört. Sie hat, wie selbst gut meinende
Kommentatoren feststellen mussten, ihr eigentliches
Ziel, nämlich Rechtsvereinfachung, nicht erreicht. Im
Gegenteil – wie wir gerade am Beispiel des vorliegenden
Gesetzentwurfs sehen: Die „Reform“ hat mehr neue Fra-
gen aufgeworfen, als alte Probleme gelöst.
Für das Anliegen der Union hat die FDP-Fraktion
grundsätzlich Verständnis. Doch kann man bezweifeln,
ob es sinnvoll ist, gerade eineinhalb Jahre nach In-Kraft-
Treten der Schuldrechtsreform mit den Reparaturarbei-
ten zu beginnen. Sollten wir dem Gesetz nicht erst zu-
nächst eine Bewährungszeit belassen, um dann – etwa
zum Ende dieser Wahlperiode – in einer „großen Re-
form“ all die vielen, zum Teil nur kleinen Fehler zu kor-
rigieren, die jetzt nach und nach ans Tageslicht treten?
Wenn jedoch tatsächlich die von der CDU/CSU behaup-
teten Mängel vorhanden sind, muss nachgebessert wer-
den. Ich selbst kann aus der Praxis und aus der Recht-
sprechung diese Mängel noch nicht erkennen.
Wir werden im Ausschuss verifizieren müssen, ob
und wo die von der Union behauptete Rechtsunsicher-
heit im Haftungsrecht bei Unternehmenskäufen tatsäch-
lich zu verzeichnen ist. Die FDP wird deshalb im Aus-
schuss eine Anhörung zu dieser Thematik beantragen.
Wir alle wollen, dass der Unternehmenskauf nach fai-
ren Regeln vonstatten geht. Dies dient auch dem Finanz-
und Wirtschaftsstandort Deutschland. Darüber dürfen
wir aber nicht vergessen, dass wir Unternehmenskäufe
überhaupt erleichtern müssen. Denn globales Wirtschaf-
ten und Wachsen ist unmittelbar mit der Möglichkeit der
Übernahme anderer Unternehmen verbunden. Wer Fir-
menkäufe, wer M & As, erschweren will, will die Wirt-
schaft in Deutschland weiter kaputt regulieren. Das kön-
nen wir uns und kann sich Deutschland zurzeit am
wenigsten leisten.
Alfred Hartenbach, Parlamentarischer Staatssekre-
tär bei der Bundesministerin für Justiz: Der Gesetzent-
wurf, den Sie uns hier präsentieren, will ein Auslegungs-
problem bei der Vorschrift des § 444 BGB lösen.
Hierüber könnte man reden. Einigermaßen abwegig ist
es allerdings, die Klarstellung auf Verbrauchsgüterkäufe
zu beschränken. Eine derartige Teilregelung könnte
leicht so verstanden werden, dass außerhalb des Ver-
brauchsgüterkaufs Haftungsausschlüsse und Beschrän-
kungen uneingeschränkt zulässig sein sollen. Das würde
dann auch für undurchschaubare oder widersprüchliche
Klauseln gelten, mit denen sich der Verkäufer etwa bei
einem Unternehmenskaufs einer Haftung entzieht.
Ich glaube kaum, dass Sie tatsächlich so weit über das
Ziel hinausschießen wollten. Es ist ja richtig, dass kaum
eine Vorschrift des neuen Schuldrechts so heftige Dis-
kussionen ausgelöst hat, wie der § 444 BGB. Es wurde
tatsächlich vereinzelt eine ausschließlich grammatische
Auslegung vertreten, die Sinn und Zweck der Regelung
ausblendet und so zu dem Ergebnis gekommen ist, eine
Verbindung von Garantie und Haftungsbeschränkung sei
nicht mehr möglich. Das hat natürlich die Praxis gerade
im kaufmännischen Geschäftsverkehr zunächst irritiert.
In der Praxis werden – insbesondere bei Unternehmens-
käufen – Garantien vereinbart, die den Verkäufer treffen.
Gleichzeitig beschränkt die Praxis diese Garantien sum-
menmäßig, zeitlich oder hinsichtlich der Rechtsfolgen.
Das wäre mit dieser Auslegung nicht mehr möglich.
4742 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
(A) (C)
(B) (D)
Die Unruhe ist aber vollkommen unbegründet: Bei
sachgerechter, nicht am Wortlaut haftender Auslegung
steht § 444 BGB der gängigen Vertragspraxis nicht im
Wege, sondern verbietet lediglich – und dies mit allem
Recht – intransparente und widersprüchliche Garantie-
beschränkungen. Schon die Gesetzesbegründung zu
§ 444 BGB stellt klar, dass sich an der früheren positiven
Rechtsprechung zur bewährten kaufmännischen Praxis
beim Unternehmenskauf nichts ändern soll. Danach war
es zulässig, Eigenschaftszusicherungen oder Garantien
von vornherein zu beschränken, und so soll es auch blei-
ben. In der Literatur hat sich sehr schnell die Auffassung
durchgesetzt, dass auch der neue § 444 BGB der gängi-
gen Vertragspraxis nicht entgegensteht.
Sinn und Zweck des § 444 in seiner hier maßgebli-
chen Alternative ist es allein, widersprüchliches Verhal-
ten zu unterbinden. Der Verkäufer, also auch der Unter-
nehmensverkäufer, soll nicht Garantien, die er zunächst
übernommen hat, nachträglich auf überraschende oder
undurchschaubare Art und Weise ausschließen oder be-
schränken können. Etwas anderes ist es, wenn Inhalt und
Umfang einer Garantie von vornherein eingeschränkt
werden und der Verkäufer erkennbar eine Haftung nur in
einem begrenzten Rahmen übernimmt. Solchen vertrag-
lichen Regelungen steht § 444 BGB überhaupt nicht ent-
gegen.
Ich zitiere die Vorschrift:
„Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte
des Käufers … ausgeschlossen oder beschränkt
werden, kann sich der Verkäufer nicht berufen,
wenn er … eine Garantie für die Beschaffenheit der
Sache übernommen hat.“
Nur soweit der Verkäufer eine entsprechende Garan-
tie abgegeben hat, ist ihm der Rückgriff auf die Haf-
tungsbegrenzung verwehrt. Dieses Auslegungsergebnis
kann inzwischen wohl mit Recht als herrschende Mei-
nung bezeichnet werden.
Natürlich könnten wir trotzdem über eine redaktio-
nelle Klarstellung in § 444 BGB reden, wenn es der
Rechtssicherheit dient. Das BMJ beobachtet die weitere
Entwicklung unter diesem Aspekt aufmerksam.
Der CDU/CSU-Entwurf geht jedoch über die Klärung
dieser Auslegungsfrage weit hinaus. Er ersetzt nicht nur
das kritisierte Wort „wenn“ durch ein „soweit“, sondern
beschränkt das Verbot intransparenter und widersprüch-
licher Einschränkungen von Garantien zugleich auf den
Verbrauchsgüterkauf. Das legt den Schluss nahe – mög-
licherweise ist dieser Schluss sogar so gewollt –, dass
außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs, also zum Beispiel
beim Unternehmenskauf, auch intransparente und wider-
sprüchliche Garantiebeschränkungen uneingeschränkt
zulässig sein sollen.
Das widerspricht eindeutig dem Willen des Gesetzge-
bers, der aus guten Gründen die Fortgeltung der existie-
renden Rechtsprechung und Rechtspraxis wollte, nach
der sich beschränkte Garantiehaftungen am Maßstab der
Transparenz, dem Verbot der Widersprüchlichkeit und
Verständlichkeit messen lassen müssen – und dieses
eben nicht nur beim Verbrauchsgüterkauf. Hierbei soll-
ten wir es belassen.
Anlage 13
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung über den Antrag: Vorrang für die
Ostseesicherheit (Tagesordnungspunkt 14)
Dr. Christine Lucyga (SPD): Die verheerenden
Seeunfälle der jüngsten Zeit – wie der Untergang der
„Prestige“ in der Biskaya und auch des Frachters „Fu
Shan Hai“ in der Ostsee – haben das Problembewusst-
sein in Politik und Öffentlichkeit dafür geschärft, dass
die Seesicherheit zu einer der Schlüsselfragen des Mee-
res- und Umweltschutzes geworden ist. Der Schutz der
Meere ist eine internationale Aufgabe und Herausforde-
rung.
Das Problem der Seesicherheit hat uns in diesem
Hause in den vergangenen Wochen und Monaten mehr-
fach beschäftigt, aber auch internationale Organisatio-
nen, die nationalen Parlamente unserer europäischen
Nachbarn und der Europarat greifen immer öfter die
Thematik von Schiffssicherheit und Schutz der Meere
auf. Die heutige Debatte ist ebenfalls ein Beitrag in die-
sem Sinne und sie zeigt, gemessen an den vorangegan-
genen Aussprachen zur Seesicherheit, dass wir inzwi-
schen – wenn auch in kleinen Schritten – jeweils ein
Stück weitergekommen sind. So standen auf der interna-
tionalen Ministerkonferenz von Nord- und Ostseeanrai-
nern am 25./26. Juni dieses Jahres erneut die Schifffahrt
und der Meeresschutz im Mittelpunkt und wir alle kön-
nen uns über wichtige Schritte in die richtige Richtung
freuen. In einer Reihe von bislang strittigen Fragen wur-
den Kompromisse gefunden, auf die Deutschland an
maßgeblicher Stelle Einfluss genommen hat. Als wich-
tigster Erfolg ist zu werten, dass es nach schwierigen
Verhandlungen endlich gelungen ist, Russland von sei-
ner bisherigen strikten Ablehnung der Lotsenpflicht ab-
zubringen.
Angesichts der deutlichen Zunahme von Öltranspor-
ten durch die Ostsee und unter dem Eindruck zahlreicher
Havarien von Tankern in europäischen Gewässern einig-
ten sich die Staaten auf gemeinsame Maßnahmen zur
Einführung einer Lotsenpflicht in engen und verkehrsbe-
schränkten Gewässern. Dies betrifft vor allem die Ostsee
– und dort wiederum vor allem die Kadetrinne zwischen
Deutschland und Dänemark, die bislang eines unserer
größten schiffssicherheitspolitischen Sorgenkinder ist.
Damit kann eine ganz exponierte Forderung aus dem
Antrag der CDU/CSU „Vorrang für die Ostseesicher-
heit“ als erfüllt angesehen werden, so wie auch in ande-
ren Zielsetzungen bereits Ergebnisse vorliegen. Insbe-
sondere in der HELCOM konnte Deutschland vieles von
dem erreichen, was in Ihrem Antrag noch vorkommt,
aber bereits auf den Weg gebracht wurde. Die Bremer
Konferenz vom Juni hat aber auch gezeigt, dass nur ein
gemeinsam abgestimmtes Vorgehen in Fragen, die – wie
etwa die Lotsenannahmepflicht in der Kadetrinne oder
die Ausweisung der Ostsee als PSSA-Gebiet – internatio-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4743
(A) (C)
(B) (D)
nales Völkerrecht berühren, zum Erfolg führen. Voran-
gekommen ist auch die Verständigung über eine zügi-
gere Anpassung von Einhüllentankern vor 2015, über
die Verbesserung der Hafenstaatenkontrollen und über
die Ausweisung besonderer Verkehrstrennungsgebiete,
darunter Ostsee als Verkehrstrennungsgebiet.
An dieser Stelle möchte ich auf das Achtpunktepro-
gramm der Bundesregierung zum Schutz der Meeresum-
welt und der Küstenregionen verweisen.
Mit dem Sicherheits- und Notfallkonzept hat
Deutschland eine Vorreiterrolle in Europa übernommen.
Das deutsche Notfallkonzept ist europaweit führend und
mit der Einrichtung eines gemeinsamen Havariekom-
mandos ist eine handlungsfähige Einheit geschaffen
worden, in der Kompetenzen gebündelt werden. Dies
muss auch Wirkungen auf andere europäische Staaten
haben, die noch nachziehen müssen.
Richtig ist der Hinweis auf eine schwieriger wer-
dende Sicherheitslage durch terroristische Bedrohung
und es wird zu klären sein, inwiefern hier auch neue
Aufgaben für das Havariekommando entstehen. Aber
auch in diesem Punkt sehe ich keinen Dissens unserer
Ziele – wie ein im Vergleich zu unseren einschlägigen
Anträgen zur Ostseesicherheit zeigt, die – bis auf den
Prüfauftrag für das Weitbereichsradar im Bereich der
Kadetrinne – als erfüllt gelten können. Bereits erfüllte
Auflagen kann man nicht noch einmal beschließen –
eine Zustimmung zu Ihrem Antrag entfällt also.
Es bleibt noch die offene Frage der Europäischen See-
agentur. Auch wir wünschen uns natürlich eine solche
Institution in Deutschland, wissen aber andererseits, dass
die Entscheidung letztendlich beim Europäischen Rat
liegt, der wiederum eine faire Berücksichtigung solcher
Mitgliedstaaten anstrebt, die noch nicht Sitz einer euro-
päischen Institution sind. Selbstverständlich setzt sich
die Bundesregierung dennoch für eine Berücksichtigung
deutscher Standortangebote ein und kann dabei auf
Kompetenz und eine gute Seesicherheitsbilanz im euro-
päischen Maßstab verweisen.
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Erst
am 8. Mai stand die Seesicherheit auf unsere Initiative
hin auf der Tagesordnung in diesem Hause. Seitdem ist
mit dem chinesischen Frachter „Fu Shan Hai“ ein weite-
res Schiff mit Ölaustritt in der Ostsee untergegangen, in
Lübeck die dritte nationale maritime Konferenz ohne
konkrete Ergebnisse verstrichen, und am letzten Don-
nerstag in Bremen die internationale Meeresschutzkon-
ferenz ohne Einigung auf ein gemeinsames Sicherheits-
konzept der Ostseeanrainer beendet worden. Im
Redeprotokoll meiner Kollegin Christine Lucyga vom
8. Mai ist nachzulesen, dass der Antrag der Union ei-
gentlich keinen Dissens zu den Zielen der Koalition ent-
hält. Trotzdem hat die rot-grüne Mehrheit den Antrag am
23. Juni im Ausschuss abgelehnt.
Begründung: Die mit dem Antrag verfolgten Ziele
sind von der Regierung bereits auf den Weg gebracht.
Drei Tage später ist Umweltminister Trittin in Bremen
restlos gescheitert, so die Einschätzung der Umweltstif-
tung WWF, und Greenpeace sprach von „einem Offen-
barungseid der Umweltminister“.
Die Ostsee wird nicht als besonders geschütztes Mee-
resgebiet – PSSA – ausgewiesen, eine Missachtung der
Risikolage; es wird keine Radarüberwachung geben und
auch die Lotsenannahmepflicht konnte nur für den klei-
nen Bereich der Kadetrinne durchgesetzt werden.
Zur Erinnerung: Die „Fu Shan Hai“ ist wenige See-
meilen vor der Kadetrinne untergegangen. Ein gemein-
sames Votum von Opposition und Koalition hätte die
Verhandlungsposition des Ministers gestärkt. Ich fordere
Sie auf, dieses Votum heute zu korrigieren. Dann besteht
im Herbst auf der HELCOM-Konferenz die Chance, die
gemeinsamen Ziele doch noch umzusetzen.
Realität ist, die Seesicherheit auf der Ostsee hat nicht
zu, sondern in den letzten Jahren Zug um Zug abgenom-
men. Die Gefahr nicht mehr beherrschbarer Umweltka-
tastrophen steigt. Dieser Trend muss gestoppt, muss in
sein Gegenteil verkehrt werden! Wir brauchen eine Si-
cherheitswende für die Ostsee, die Nordsee und die an-
deren Meere.
Das verheerende Öltankerunglück der „Prestige“ vor
Spaniens Küste sollte als anhaltende Mahnung verstan-
den werden. Ich verkenne nicht, dass die EU und auch
die Bundesregierung aus eigenem Antrieb, aber auch
aufgeschreckt durch anklagende Bilder schrecklicher Öl-
verschmutzung durch die „Prestige“, Maßnahmen zur
Risikominimierung getroffen haben. Doch wenn diese
erst, wie bei dem Doppelhüllen-Gebot für Großtanker, in
10 Jahren greifen und nicht internationaler Standard
werden, schaffen sie eine Scheinsicherheit, keinen tat-
sächlichen Sicherheitsgewinn. Wenn die EU eine neue
Altersbegrenzung für Schiffe einführen will, Russland
sich jedoch knallhart weigert, andere Flaggenstaaten der
IMO die kalte Schulter zeigen, bleibt das Gefährdungs-
potenzial für die Ostsee auf Jahrzehnte erhalten.
Aus Sach- und Zeitgründen muss die Seesicherheit
Chefsache werden. Fachminister-Kontakte der Ostseean-
rainer sind notwendig, ein Spitzentreffen der Regierungs-
chefs zu dieser Problematik jedoch erforderlich. Es gilt,
zu verbindlichen nationalen und internationalen Abkom-
men für die Ostsee zu kommen. Darauf dringen wir!
Und es darf keine Zeit verstreichen! Die Ostsee ist ein
Fast-Binnenmeer.
Eine Öl- oder Chemikalienkatastrophe bewirkt hier
eine ungleich größere Umweltzerstörung als in jedem
Ozean. Mensch und Natur, Fauna und Flora, Küsten und
Strande würden dauerhaft belastet, beschädigt. Dazu
darf es nicht kommen!
Doch fast täglich schrammen wir in der Ostsee an ei-
ner Katastrophe vorbei. Das gilt für die Kadetrinne, in
der es auf engstem Raum bis zu 65 000 Schiffsbewegun-
gen jährlich gibt. Die am letzten Donnerstag beschlos-
sene Lotsenannahmepflicht allein reicht nicht aus. Ohne
flächendeckende Radarüberwachung zur technischen
Unterstützung bleibt sie ein Torso.
Eine Lotsenannahmepflicht für die nördliche Tanker-
route wird es auch in Zukunft nicht geben. Doch hier
4744 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
(A) (C)
(B) (D)
wird verstärkt Öl aus Rußland transportiert, teilweise auf
Schiffen, die nicht nur als Seelenverkäufer bezeichnet
werden, sondern eine Boardwandstärke haben, die für
Eisgang völlig ungeeignet ist.
Seit 1995 haben sich die Öltransporte verdoppelt.
Greenpeace dokumentierte es: Durchschnittlich einmal
am Tag passiert ein Ölfrachter von der „Güteklasse“ der
26 Jahre alten gesunkenen „Prestige“ die risikoreiche
Kadetrinne.
Allein drei dramatische Situationen hat die finnische
Regierung im vergangenen Winter durch festsitzende
Öltanker ausgemacht. In keinem Fall war Russlands Re-
gierung bereit zu handeln.
Wer so die Sicherheit aller missachtet und nicht bereit
zur Kooperation ist, hat weder Kredite verdient noch
verdient, als Bündnispartner ernst genommen zu werden.
Hier müssen die Ostseeregierungen endlich knallhart
handeln und Russland zur Kooperation führen.
Doch die Beinahe-Unglücke umfassen nicht nur zu
alte und ungeeignete Schiffe, sondern nach Experten-
Auffassung auch die Doppelhüllen-Tanker der l. Genera-
tion. Auch wenn die Doppelwand eine deutliche Sicher-
heitsverbesserung bei Havarien oder Grundberührung
bedeutet, so sind Schiffe dieser Bauart in den ersten Jah-
ren vor dem Inkrafttreten der MARPOL-Vorschriften
1992 mit einer Konstruktion aus hochfestem Stahl aus-
gestattet worden, die als problematisch angesehen wer-
den, wo die Gefahr des Auseinanderbrechens besteht.
Bei Bulk-Carriern dieser Bauart hat es entsprechende
Unglücke bereits gegeben.
Hier sind tickende Zeitbomben unterwegs, die mehr
internationale Kontrolle notwendig machen. Das Ziel in
Europa muss sein, dass nicht nur ein Ausphasen der al-
ten Tanker erreicht wird, sondern dass die Ersatztonnage
auch in Europa gebaut wird.
Denn der europäische Qualitätsstandard gilt nicht
weltweit. Bei der IMO häufen sich Beschwerden über
schwerwiegende Qualitätsmängel bei Schiffsneubauten.
Es werden international verbindliche Bauvorschriften
gefordert. Wir schließen uns dem an! Der enorme Kos-
tendruck durch subventionierte Dumpingpreise im Welt-
schiffbau verhindert Sicherheit, so argumentieren Schiff-
bauer und Reeder.
Und noch ein Risiko-Aspekt bleibt oft unerwähnt,
deshalb wiederhole ich ihn hier an dieser Stelle: Große
Pötte, die zum Beispiel Container transportieren, sind in
der Regel Einwandboote, bunkern jedoch allein an
Treibstoff bis zu 12 000 Tonnen Öl; das ist das Doppelte
von dem, was kleinere Tanker geladen haben. Verun-
glückt ein solches Schiff in der Ostsee, ist ein unermess-
licher Schaden gegeben. Bei Tankerneubauten gilt schon
heute die Doppelwandpflicht bei einer Ladung ab
5 000 Tonnen. Hier müssen gleiche Standards für alle
Schiffstypen geschaffen werden. Und auch für Tanker
unter 5 000 Tonnen muss die Doppelwand Pflicht sein!
Gerade sie bedeuten eine besondere Gefahr für Mensch
und Natur, denn sie werden hauptsächlich im Küstenver-
kehr eingesetzt.
Allein die hier genannten Beobachtungen zeigen den
Umfang der Risiko-Spanne für die Ostsee. Hinzu
kommt: Der Schiffsverkehr im baltischen Meer nimmt
Jahr um Jahr zu, leider auch das Alter der Boote. Außer-
dem: Die Öltanker werden immer größer. Auch damit
steigt das Risiko. Noch immer gibt es mehr Ein- als
Doppelwandschiffe im baltischen Meer. Und nach den
geltenden Bestimmungen wird sich erst in gut zehn Jah-
ren dieser Sachverhalt ändern. Zehn Jahre weitere halb-
herzige Sicherheit auf der Ostsee sind nicht vertretbar!
Wir erwarten, dass die Ostsee zu einem PSSA-Sonderge-
biet erklärt wird, es besondere Kontrollen für Risiko-
boote gibt und gleiche Sicherheitsauflagen für alle Ost-
seeanrainer – Russland eingeschlossen. Wenn Rußland
und die IMU nicht mitziehen, muss Europa ein eigenes
Sicherheitsnetz schaffen.
Unser Appell zur Optimierung der Seesicherheit rich-
tet sich aber zugleich an die Schiffsbetreiber und Billig-
flaggenstaaten. Wenn vorrangig nach der Devise verfah-
ren wird: Erst der Gewinn – dann die Sicherheit, ist zu
prüfen, ob der Landweg mit Öl-Pipelines eine Risikomi-
nimierung bedeutet.
Der weitaus überwiegende Teil der deutschen und
europäischen Reeder handelt überaus verantwortungsbe-
wußt und ist an Sicherheit orientiert. Es sind die schwar-
zen Schafe, die die Seesicherheit durch mangelnde Tech-
nik und unvertretbare Behandlung des Boardpersonals
gefährden. Hier setzt die Eigenverantwortung der Ver-
bände an. Unabhängig davon wiederhole ich noch ein-
mal: Der Ostsee fehlt immer noch ein verbindliches See-
sicherheitskonzept. Eine Richtungsänderung ist dringend
geboten! Deshalb fordere ich Sie noch einmal auf, unse-
rem Antrag heute zuzustimmen.
Die Menschen nicht nur an der Küste sind voller
Sorge, daß ein Unglück wie das der „Prestige“ auch bei
uns passieren könnte. Diese Bedenken müssen wir ernst
nehmen. Die USA haben gehandelt. Bereits lange vor
dem Untergang des Öltankers vor Spaniens Küste gab es
ein Verbot für Einhüllentanker und weitere Sicherheits-
auflagen in den USA. Das zögerliche und bedenkenrei-
che Brüssel und auch Berlin sollten sich an den Ameri-
kanern ein Beispiel nehmen.
Enak Ferleman (CDU/CSU): Im rot-grünen Sprach-
gebrauch steht die Nachhaltigkeit ganz oben auf der
Liste der am häufigsten verwendeten Begriffe. Nachhal-
tigkeit soll signalisieren, dass politische Zielsetzung,
Konzeptionierung und Umsetzungsplanung verfolgt
werden und langfristig orientiert sind. Auf jedem der
von Rot-Grün bewegten Themenfelder hat die Nachhal-
tigkeit als Begriff inzwischen ihre Heimat gefunden, lei-
der vielfach nur als Worthülse. Denn auf vielen politi-
schen Feldern kann die Bundesregierung gerade nicht
vorweisen, dass sie tatsächlich eine nachhaltige Politik
betreibt. Auch die Hilfestellung durch viele Kommissio-
nen und Expertenrunden hat relativ wenig dazu beitra-
gen können, dass sich im fünften Jahr der Regierungs-
verantwortung tatsächlich auch einmal eine nachhaltige
Wirkung zeigt bzw. entwickelt. Ganz im Gegenteil: Rot-
Grün wird noch nicht einmal aus Fehlern klug. Wider
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4745
(A) (C)
(B) (D)
besseres Wissen, werden die Dinge nicht zu Ende ge-
dacht, geschweige zu Ende gebracht. Auf dem Papier
scheint es zwar so, als sei das Havariekommando in
Cuxhaven, das endlich vier Jahre nach dem Unglück der
„Pallas“ eingerichtet worden ist, befähigt, effektiv im
Falle einer Havarie an Nord- und Ostsee tätig zu werden.
Unterstrichen wird der falsche Eindruck durch die Si-
cherheitsankündigungen des Bundesverkehrsministers,
die er als Aktivitäten bezeichnet. Bei näherer Betrach-
tung sieht man aber, dass hier nur Sicherheit suggeriert
wird und sich in Wahrheit ein ganz anderes Bild zeigt.
Ausgerechnet bei einem ökologischen Thema, bei
dem man von einer rot-grünen Bundesregierung einen
gekonnten Umgang mit einer nachhaltiger Vorgehens-
weise erwarten sollte, stößt man auf zögerliche Halbher-
zigkeiten, die am Verantwortungsbewusstsein des Ver-
kehrsministers für die Sicherheit auf See berechtigte
Zweifel aufkommen lassen. Die schrecklichen Folgen
der Meeresverschmutzung vor den Küsten Frankreichs,
Spaniens und Portugals für Mensch und Umwelt haben
wir alle gesehen. Die finanziellen Schäden, die in den
betroffenen Küstenregionen entstanden sind, haben wir
in ihrer ökönomischen Auswirkung zur Kenntnis ge-
nommen. Und deshalb gehört nun auch endlich auf die
Agenda, beim Havariekommando in Cuxhaven – anstatt
zu reden – Strukturen zu schaffen, die ein reibungsloses
Vorgehen im Falle einer Havarie an Ost- oder Nordsee
sicherstellen.
Ich fordere die Bundesregierung auf, Festlegungen zu
treffen und Strukturen zu schaffen, die dem Havarie-
kommando in Cuxhaven die Möglichkeiten für eine ef-
fektive Aufgabenerledigung geben. Davon sind Sie weit
entfernt. Der Bundesverkehrsminister hat sich bis heute
außerstande gesehen, dafür zu sorgen, dass die räumli-
chen Voraussetzungen als Bedingung für eine gut orga-
nisierte Zusammenarbeit der verantwortlichen Kräfte ge-
schaffen werden. Man muss sich mal vorstellen, dass die
Mitarbeiter bis heute an verschiedenen Stellen unterge-
bracht sind. Nach über einem Jahr ist noch nicht über
eine taugliche Immobilie entschieden, obwohl es Ange-
bote gibt – ein Armutszeugnis!
Bis heute sind keine Notliegeplätze an den Küsten
und in den Häfen ausgewiesen. Wollen Sie das diskutie-
ren, wenn die Katastrophe da ist? Lösen Sie dieses Pro-
blem! Oder glaubt jemand ernsthaft, dass Hafenämter im
Schadensfalle begeistert sein werden, im Hafen Plätze
für havarierte Schiffe zur Verfügung zu stellen? Da muss
vorher Klarheit geschaffen werden. Allein das jüngste
Beispiel vor Cuxhaven, die Havarie der „Lindholm“, hat
deutlich gezeigt, dass angesichts einer zu erwartenden
Ölverseuchung im Hafen nur eines versucht wird: den
Havaristen loszuwerden und auf See zu schleppen. In
den Hafenämtern will sich doch keiner mit tonnenweise
ausgelaufenem Öl herumärgern oder mit Versicherern
herumschlagen, die die Schäden der Ölbeseitigung be-
gleichen sollen und dazu keine Neigung verspüren. Da-
bei war die Havarie der „Lindholm" vergleichsweise ein-
fach. Der lecke Kümo hatte auch nur 10 Tonnen Öl an
Bord. Für den Badebetrieb in Cuxhaven aber wäre auch
diese Menge schon Gift gewesen. Eine zentrale Stelle,
die mit bindender Wirkung entschieden hätte, was zu
passieren hat, nämlich unser Havariekommando in Cux-
haven, wäre schön gewesen. Aber Fehlanzeige! Von dort
wurden die Probleme nicht gelöst. Hier hat sich bereits
im Kleinen gezeigt, was im Großen schief gehen wird.
Bis heute ist kein klares Notschleppkonzept auf dem
Tisch. Dies ist eine Problematik, die nur durch Vorpla-
nung zu regeln ist. Und es muss ein Gesamtkonzept für
Nord- und Ostsee auf den Tisch, was die Sache nicht ein-
facher macht. Ohne entsprechende Regelungen ist alles
andere, was für die Schiffssicherheit getan wird, nur die
Hälfte wert. Notschlepperkapazitäten erst dann zu orga-
nisieren, wenn die Havarie da ist, ist zu spät.
Es müssen Kompetenzen festgelegt werden. Das Ha-
variekommando muss auch diejenige Einrichtung sein,
die das Letztentscheidungsrecht hat. Wenn, wie bei der
Havarie der „Lindholm“, Schlimmeres verhindert
wurde, weil der Kollege Zufall genügend Einsehen hatte,
dann darf das nicht dazu verlocken, die Hände in den
Schoß zu legen.
Viele Fragen stehen unbeantwortet im Raum. Ich for-
dere die Bundesregierung auf, endlich Antworten zu ge-
ben, anstatt auf irgendwelche ungeeigneten Aktivitäten
zu verweisen. Lösen Sie die vordringlichen Probleme an
der Ostsee und übertragen Sie sie auf die Nordsee! Wir
werden Sie immer wieder mit unseren Forderungen kon-
frontieren. Handeln Sie freiwillig, bevor die erste große
Katastrophe vor der deutschen Küste Sie dazu zwingt!
Damit erfüllen Sie dann auch den Anspruch, den der von
Ihnen gerne verwendete Begriff der Nachhaltigkeit an
Sie stellt.
In diesem Sinne fordere ich alle, insbesondere aber
die Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen
nachdrücklich auf, dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion
zuzustimmen.
Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Vorrang für die Ostseesicherheit! Dieses Ziel
kann ich voll und ganz unterstützen. Leider mussten wir
in der letzten Woche bei diesem Kampf eine herbe Nie-
derlage hinnehmen. Die Ostsee wird vorerst nicht als be-
sonders schutzwürdiges Gebiet (PSSA) ausgewiesen.
Russland hatte dagegen sein Veto eingelegt. Denn Russ-
land gibt der Ostseesicherheit keinen Vorrang. Vorrang
haben vielmehr wirtschaftliche Interessen. Russland will
seine Ölexporte bis 2010 nahezu verdoppeln. Dafür wer-
den die russischen Ölhäfen mit Hochdruck ausgebaut.
Fachleute rechnen mit einer Verdreifachung der Öl-
menge, die über die Ostsee transportiert wird. Aber nicht
nur die Ausweisung der Ostsee als PSSA-Gebiet lehnt
Russland ab. Russland hält auch nichts von einem Ver-
bot von einwandigen Öltankern, wie es kürzlich von der
EU beschlossen wurde. Einwandige Tanker sind bereits
bei normalen Witterungsbedingungen unverantwortlich.
Aber im Winter werden sie zu einer Zeitbombe. Einwan-
dige Öltanker fräsen sich im Nadelöhr vor Sankt Peters-
burg ihren Weg durch eine dicke Eisschicht. Da ist es nur
eine Frage der Zeit, wann es zu einer großen Katastrophe
kommt.
Da Russland kein Mitglied der Europäischen Union
(EU) ist, gelten die strengeren europäischen Sicherheits-
4746 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
(A) (C)
(B) (D)
standards dort auch nicht. Gerade deshalb ist es wichtig,
dass auf Russland politischer Druck ausgeübt wird. In
diesem Sinne begrüße ich grundsätzlich den Antrag der
CDU/CSU, auch wenn ich in der Sache in einigen Punk-
ten deutliche Differenzen zu den vorgelegten Forderun-
gen habe.
Auf nationaler und europäischer Ebene wurden viele
vernünftige Initiativen ergriffen, die für mehr Sicherheit
auf den Meeren und in den Küstengewässern sorgen. Ich
nenne hier nur die beiden „Erika“-Maßnahmenpakete
der EU und die Schaffung eines Havarie-Kommandos in
Cuxhaven. Aber damit ist noch nicht alles getan, um die
Sicherheit der Meere nachhaltig zu gewährleisten. Von
besonderer Brisanz ist die Situation in der Kadetrinne.
Angesichts der enorm steigenden Schiffsdurchfahrten ist
das nicht mehr zu verantworten. Deshalb ist die Forde-
rung richtig, umgehend mit den Ostseenachbarn eine
Lotsenannahmepflicht und eine Meldepflicht zu verein-
baren. Dies gilt auch für ein ostseeweites Netz von Not-
liegeplätzen und Nothäfen und für den Ausbau der Ra-
darüberwachung.
In all diesen Fragen sind wir, meine sehr verehrten
Kolleginnen und Kollegen, praktisch einer Meinung und
die sollten wir auch im Interesse unseres Landes, der Si-
cherheit der Meere und unserer Küsten gemeinsam ver-
treten. In zwei Punkten stimme ich mit Ihnen jedoch
nicht überein.
Zum einen erscheint mir in Ihrem Antrag der Hinweis
auf Malta und Zypern unverständlich. Sie deuten an,
dass diesen beiden Staaten im Beitrittsvertrag eine Son-
derbehandlung zugestanden wurde. Das ist nicht der
Fall. Auch nach nochmaliger Lektüre des Beitrittsvertra-
ges konnte ich keine Sonderbehandlung für diese Staaten
erkennen. Mit dem Beitritt Maltas und Zyperns gelten
alle diesbezüglichen Regeln der EU ab dem ersten Tag
ihrer Mitgliedschaft.
Zum anderen scheinen sie eine Grundgesetzänderung
durch die Hintertür anzustreben. Dafür werden sie die
Unterstützung von Bündnis 90/Die Grünen nicht bekom-
men. Die Regelung, die Sie für eine künftige Küstenwa-
che vorschlagen, ist mit der grundgesetzlichen Trennung
von polizeilicher und militärischer Gewalt nicht verein-
bar und auch völlig unnötig. Der Einsatz der Bundes-
wehr in Katastrophenfällen ist eindeutig geregelt. Den
Versuch der CDU/CSU, Bundeswehreinsätze im Inneren
durch immer neue trickreiche Varianten durchzusetzen,
werden wir entschieden und beharrlich zurückweisen.
Allerdings halten auch wir die Weiterentwicklung des
Havarie-Kommandos in Cuxhaven zu einer noch schlag-
kräftigeren Organisation für geboten. Parallele Struktu-
ren und unterschiedliche, sich teilweise gegenseitig be-
hindernde Kompetenzhierarchien müssen konsequent
abgebaut werden. Nur dann werden wir über eine
schlagkräftige Küstenwache verfügen, die im Notfall
schnell und effektiv reagieren kann. Zu prüfen ist auch
die Schaffung einer europäischen Küstenwache. Auch
wenn es sich hier nur um einen ersten Gedanken handelt,
sollten wir ihn nicht von vornherein ablehnen. Umwelt-
kriminalität und der Seeverkehr machen natürlich nicht
an den Staatsgrenzen Halt. Deshalb müssen wir mutige
europäische Lösungen finden. Denn wenn es so weiter-
geht, wird die Ostsee bald ein von Ölteppichen überzo-
genes schwarzes Meer sein.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch ein ande-
res internationales Problem ansprechen, das mich mit
großer Sorge erfüllt. Weltweit laufen 1 500 Schiffe unter
der Flagge Liberias. Davon sind mehr als ein Viertel
deutsche Schiffe. Damit unterstützen deutsche Reeder
maßgeblich das diktatorische Regime von Charles
Taylor. Denn die Einnahmen aus dem Verkauf der Lan-
desflagge tragen bis zu 25 Prozent zum liberianischen
Haushalt bei und sind seit dem UN-Embargo gegen Tro-
penholz, Waffen und Diamanten die Hauptfinanzie-
rungsquelle des Taylor-Regimes. Dieses Regime befin-
det sich seit Jahren in einem grausamen Bürgerkrieg, in
dem brutal gegen die Zivilbevölkerung vorgegangen
wird. Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht,
Kriegsverbrechen sowie schwere Menschenrechtsver-
stöße werden ihr angelastet. Wie Sie wissen, zerbrach
auch der jüngste Waffenstillstand. Deshalb möchte ich
diese Gelegenheit nutzen, die deutschen Reeder dazu
aufzufordern, ihre Schiffe nicht mehr unter liberiani-
scher Flagge fahren zu lassen. Denn durch den Kauf der
liberianischen Flagge unterstützen sie das menschenver-
achtende Regime des Diktators Charles Taylor. Wenn
Sie weiterhin auf ein UN-Embargo gegen das offene Re-
gister Liberias warten, helfen sie dem Taylor-Regime,
den Bürgerkrieg fortzuführen.
Abschließend möchte ich zum Thema Vorrang für die
Ostseesicherheit noch auf etwas hinweisen, was an sich
zwar offensichtlich ist, aber dennoch oft übersehen wird.
Die Vermeidung von Gefahren ist die beste Sicherheits-
strategie von allen. Das heißt, jeder Tropfen Öl, der nicht
über die Weltmeere nach Deutschland gebracht wird,
sondern durch Energieeinsparung oder regenerative
Energien ersetzt wird, ist die beste aller Sicherheitsvor-
kehrungen überhaupt.
Hans-Michael Goldmann (FDP): Als Opposition
sollten wir dort, wo es geboten ist, auch einmal die Re-
gierung loben. Im Fall der Sicherheit auf der Ostsee hat
die Regierung in der Tat einige richtige Schritte unter-
nommen und der CDU/CSU-Antrag ist in einigen Punk-
ten schlicht überholt.
Ein Punkt macht mir allerdings Sorgen. Bei der Hava-
rie des chinesischen Frachters „Fu Shan Hai“ haben sich
die Dänen wie damals bei der „Pallas“ nicht gerade ko-
operativ verhalten. Die schwedische Verkehrsministerin
Ulrika Messing warf ihrem dänischen Kollegen vor, dass
der Untergang an der ungünstigen Stelle auf das zögerli-
che Verhalten der dänischen Behörden zurückzuführen
sei weil das schwedische Hilfsangebot drei Stunden un-
beantwortet blieb. Die Dänen scheinen seit dem „Pal-
las“-Unglück nichts dazugelernt zu haben. Hier ist die
Bundesregierung dringend aufgefordert, in Gespräche
mit der dänischen Regierung einzutreten. Es ist ja schön
und gut, dass die Dänen ebenfalls eine Lotsannahme-
pflicht für die Kadetrinne fordern, doch mindestens
ebenso wichtig ist, dass sie im Falle einer Havarie voll-
ständig mit ihren Nachbarländern kooperieren.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4747
(A) (C)
(B) (D)
Nach dem Lob der Regierung müssen wir uns aber
natürlich auch mit den Themen beschäftigen, die die Re-
gierung noch immer nicht vernünftig abgearbeitet hat,
wo sie völlig konzeptionslos erscheint.
Sehr kritisch fällt die Bilanz zum Havariekommando
aus. Noch immer gibt es keinen endgültigen Organisati-
onserlass. Allen anderslautenden Ankündigungen zum
Trotz, schwebt das Havariekommando im Ministerium
immer noch in der Luft. Es ist sogar von ernsthaften Ver-
stimmungen in der Verwaltung und bei den Personalräten
zu hören. So schafft man kein Vertrauen in neue Sicher-
heitsstrukturen. Im Gegensatz zu den Verlautbarungen des
Ministeriums gibt es auch nach wie vor kein Durch-
griffsrecht für das Havariekommando. Noch immer ist
es auf den Goodwill möglicher Beteiligter angewiesen.
Am grünen Tisch mögen die Erklärungen zur Zusam-
menarbeit ja nett klingen, aber ob dies eine krisensichere
und belastbare Basis für die Arbeit des Havariekomman-
dos darstellt, bezweifle ich.
Den größten Vogel hat unser Bundesverkehrsminister
allerdings mit seinem „Notliegeplatz-Konzept“ abge-
schossen. In der aktuellen Ausgabe der Waterkant heißt
es hierzu sogar: „Gäbe es einen Preis für das schönste
Polit-Märchen, wäre der deutsche Bundesverkehrsminis-
ter Stolpe ein Spitzenkandidat.“ Noch im Januar dieses
Jahres erklärte er, dass Deutschland ein ganzes Netzwerk
von Nothäfen bereitstellen würde. Doch was ist daraus
geworden? Kein einziges europäisches Küstenland hat
bislang Notliegeplätze ausgewiesen. Herr Stolpe hat eine
geheime Liste der deutschen Häfen und Reeden an das
Havariekommando übergeben, die würden es schon rich-
ten. Das Hafenhandbuch hätte das Havariekommando in
jeder Buchhandlung kaufen können. Die Hafenliste ist
aber deshalb ein großes Staatsgeheimnis, weil öffentlich
ausgewiesene Nothäfen die Bevölkerung beunruhigen
würden. Wir Küstenbewohner wissen, dass wir Nothäfen
und Notliegeplätze benötigen, um größere Gefahren von
der Küste abzuwenden. Wir wollen endlich wissen,
wann, bei welcher Havarieart, bei welcher Ladung und
welcher Gefährdung ein Havarist welchen Nothafen
oder Notliegeplatz anlaufen soll. Wir brauchen Ver-
trauen in die Sicherheitskonzepte der Regierung. Wir
brauchen einen Minister, der uns keine Märchen erzählt.
Ich komme nicht umhin, diese Gelegenheit zu nutzen,
um abermals auf das widersprüchliche Verhalten der
Bundesregierung in Sachen Schadstoffunfall-Bekämp-
fungsschiff hinzuweisen. In der Pressemitteilung
Nr. 207/03 des BMVBW teilt die Parlamentarische
Staatssekretärin Frau Mertens mit, dass das Ministerium
die Kooperation zwischen Staat und Privatwirtschaft su-
che. Das ist ja durchaus erfreulich. Doch warum lassen
Sie Ihren Worten denn nicht auch endlich einmal Taten
folgen? Stattdessen halten Sie trotz leerer öffentlicher
Kassen an einem öffentlich gebauten und öffentlich be-
reederten Schadstoffunfall-Bekämpfungsschiff fest. Das
SUBS für die Ostsee könnte wirtschaftlicher von priva-
ter Seite bereedert werden und ich bin überzeugt, dass
wir damit auch gutes Know-how einkaufen würden. Die
Erfahrungen mit der „Oceanic“ und der „Fairplay 26“
zeigen doch eindrucksvoll, dass die Privaten höchsten
Anforderungen an die Ausbildung der Besatzungen ge-
recht werden. Privaten wäre dann wohl auch nicht der
Fehler unterlaufen, das SUBS mit einem veralteten Saug-
entöler auszustatten, der die Ölbekämpfungsfähigkeit
des Neubaus fraglich erscheinen lässt.
Doch nicht nur das BMVBW scheint es mit der Ko-
operation mit der Privatwirtschaft nicht besonders ernst
zu nehmen. Auch das Verteidigungsministerium rechnet
sich die öffentliche Bereederung des Forschungsschiffes
„Planet“ schön. Angesichts dieser Beispiele sind solche
hehren Erklärungen wie die von Frau Mertens nichts
wert.
Als Fazit bleibt wieder einmal festzustellen, dass in
vielen Fällen unsere Regierung uns mit Versprechungen
und Märchen ruhig stellen will und nicht die Absicht hat,
ihre Ankündigungen auch in die Tat umzusetzen.
Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun-
desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Wir
untersuchen zurzeit für bestimmte Teile der Ostsee, wel-
che Seegebiete und welche zusätzlichen Maßnahmen
zum Schutz der Meeresumwelt und der Küstenregionen
sich am besten für eine Ausweisung als PSSA eignen.
Schweden, Dänemark, Finnland und die baltischen Staa-
ten beabsichtigen, bei der Internationalen Seeschiff-
fahrts-Organisation (IMO) einen Antrag zu stellen, wo-
nach die gesamte Ostsee als PSSA ausgewiesen werden
soll. Es könnten dann für ein solches Gebiet strengere
Regelungen zur Erhöhung der Sicherheit des Schiffsver-
kehrs getroffen werden.
Auf dem G-8-Gipfel von Evian im Juni 2003 haben
die Partnerstaaten einem Aktionsplan zur Tankersicher-
heit zugestimmt, der unter anderem eine Lotsenpflicht
für enge, gefährliche und viel befahrene Schifffahrtsstra-
ßen vorsieht.
Die Einführung einer Pflicht zur Lotsenannahme für
bestimmte Schiffe und Fahrtgebiete speziell in der Ost-
see wäre ein wichtiger Faktor für die Sicherheit des
Schiffsverkehrs und den Schutz der Meeresumwelt. Da
es sich um internationale Gewässer handelt, sind ent-
sprechende Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit
des Schiffsverkehrs nur im Rahmen der Internationalen
Seeschifffahrts-Organisation (IMO) möglich. Zunächst
ist eine Verständigung aller Ostseeanrainerstaaten erfor-
derlich, um eine wirksame Initiative bei der IMO zu ent-
wickeln.
Die Bundesregierung hat bereits Schritte unternom-
men, um mit Russland in Fragen der Schiffssicherheit
und der Lotsenannahmepflicht in der Ostsee ins Ge-
spräch zu kommen. Beide Seiten haben sich darauf ver-
ständigt, die Möglichkeiten zur Verbesserung der Sicher-
heit in der Ostsee-Schifffahrt von einer gemeinsamen
Arbeitsgruppe analysieren zu lassen.
Das Thema war auch Gegenstand der Gespräche beim
HELCOM-Workshop in Rostock im März 2003; im Er-
gebnis wird eine Lotsenannahmepflicht auch in interna-
tionalen Gewässern grundsätzlich als positiver Ansatz
zur Erhöhung der Schiffssicherheit angesehen. Auf Fach-
ebene soll in einer Expertengruppe (Dänemark, Deutsch-
land, Finnland, Lettland, Polen, Russland, Schweden)
4748 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
(A) (C)
(B) (D)
das System einer Lotsenannahmepflicht im Einzelnen
diskutiert werden. Eine erste Sitzung der Arbeitsgruppe
hat bereits im Mai 2003 stattgefunden, die Fortsetzung
erfolgt im September 2003.
Die Bundesregierung setzt bei der Überwachung des
Seegebietes Ostsee anstelle der technisch unzureichen-
den Weitbereichsradaranlagen auf das präzisere automa-
tische Schiffsidentifizierungssystem (AIS). Für den Be-
reich der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in
Deutschland wird eine funktechnische Abdeckung zur
Erfassung aller von den AIS-Bordgeräten zur Verfügung
gestellten Daten und eine entsprechende Landinfrastruk-
tur zurzeit aufgebaut.
Mit dem automatischen Schiffsidentifizierungssystem
(AIS) ist eine vollständige Erfassung aller ausgerüsteten
Schiffe möglich; umfangreiche Detailinformationen
werden verfügbar. Unter maßgeblicher deutscher Mit-
wirkung wurde erreicht, dass eine weltweite Ausrüs-
tungspflicht für alle Schiffe größer 300 BRZ mit AIS
verbindlich durchgesetzt ist. Die Ausrüstung erfolgt jetzt
schrittweise nach Schiffstypen und Schiffsgrößen gestaf-
felt und wird nach einer Entscheidung der IMO vom De-
zember letzten Jahres im Dezember 2004 international ab-
geschlossen sein. Risikoschiffe – zum Beispiel Tanker –
müssen bereits heute mit AIS ausgerüstet sein. Eine EU-
Richtlinie setzt diese IMO-Vorschrift für die Mitglied-
staaten verbindlich um. Die Befürchtung, dass so ge-
nannte Sub-Standard-Schiffe einer langzeitigen Beob-
achtung zum Beispiel durch Abschalten der AIS-Geräte
entgehen könnten, ist nicht begründet, da eine Unterbre-
chung der AIS-Aussendungen an Land in den entspre-
chenden Verkehrszentralen einen so genannten „Lost
Target“-Alarm auslösen würde. Darüber hinaus ist beab-
sichtigt, die AIS-Informationen europaweit untereinan-
der auszutauschen. Da auf den Flüssen und in den An-
steuerungsbereichen zu deutschen Häfen zusätzlich eine
Radarabdeckung vorhanden ist, ist mit großer Sicherheit
auszuschließen, dass ein ausrüstungspflichtiges Fahr-
zeug, ohne AIS in Betrieb zu nehmen, einen Hafen ver-
lässt.
Die Nutzung von AIS macht die Einführung einer
Meldepflicht entbehrlich, da alle verkehrsrelevanten In-
formationen ständig automatisch den entsprechend ein-
gerichteten Landstationen zur Verfügung stehen. Die
AIS-Informationsnutzung ist darüber hinaus nicht von
der Einführung einer Meldepflicht abhängig.
Erfahrungen aus jüngsten Schiffshavarien auch vor
der deutschen Küste und eine geänderte Gefahrenlage
erfordern angemessene Reaktionen im Bereich des Ha-
variemanagements und der polizeilichen Gefahrenab-
wehr. Mit dem Havariekommando wurde in beispielhaf-
ter Kooperation zwischen dem Bund und allen fünf
Küstenländern eine gemeinsame Einrichtung geschaffen,
die ein einheitliches und damit effektives Unfallmanage-
ment bei schweren Havarien gewährleistet. Mit den
Nachbarstaaten Dänemark, Niederlande, Schweden und
Polen bestehen Kooperationsvereinbarungen.
Sowohl die Havarie der „Prestige“, als auch das Un-
glück der „Erika“ – 1999 – haben gezeigt, dass Schiffen
in Problemsituationen geholfen werden muss. Eine mög-
liche Hilfe kann es sein, dass Schiffe in Not unverzüg-
lich einen Hafen oder einen sicheren Liegeplatz anlaufen
können. Deshalb hat die Internationale Seeschifffahrts-
Organisation (IMO) – nicht zuletzt auf Initiative
Deutschlands – das Thema als einen Programmschwer-
punkt in das Arbeitsprogramm der IMO aufgenommen.
Der Entwurf einer Richtlinie zur Erfassung und Ein-
richtung von Notliegeplätzen ist im Mai dieses Jahres in
London angenommen worden und wird in einem be-
schleunigten Verfahren voraussichtlich noch in diesem
Herbst von der IMO-Vollversammlung verabschiedet
werden. Das deutsche Notliegeplatzkonzept, wie auch
das Konzept aller anderen EU-Mitgliedstaaten, sieht
keine ausdrückliche Ausweisung von Notliegeplätzen
vor. Entsprechend dem deutschen Notliegeplatzkonzept
wird eine umfassende Datensammlung mit den Eigen-
schaften aller infrage kommenden Liegeplätze für
Schiffe in komplexer Schadenslage angelegt und vom
Havariekommando gepflegt.
Die Zuweisung eines Notliegeplatzes für Schiffe – ein-
schließlich Tanker – in einer unmittelbar bevorstehenden
oder bereits eingetretenen komplexen Schadenslage er-
folgt durch das Havariekommando aufgrund einer Ein-
zelfallentscheidung, die zum einen das konkrete Gefähr-
dungspotenzial und zum anderen die für den speziellen
Fall geeigneten infrage kommenden Notliegeplätze im
Hinblick auf ihre Zweckmäßigkeit berücksichtigt. Dabei
werden alle örtlich zuständigen Stellen in den Entschei-
dungsprozess durch Beteiligung einbezogen.
Eine Anhörung der EU-Kommission am 31. Januar
2003 in Brüssel hat ergeben, dass ebenso wie Deutsch-
land auch die anderen Mitgliedstaaten der EU nicht be-
absichtigen, bestimmte Häfen als Notliegeplätze auszu-
weisen und bekannt zu machen, sondern immer von Fall
zu Fall zu entscheiden.
Entsprechend dem europäischen Notliegeplatz-Kon-
zept ist beabsichtigt, regional die Informationen über
mögliche Notliegeplätze mit den Nachbarstaaten intern
auszutauschen, damit diese in die Entscheidung der je-
weils zuständigen kompetenten Stelle einbezogen wer-
den können.
Deutschland hat ein Notschleppkonzept entwickelt
und weitgehend umgesetzt, das auch international kei-
nen Vergleich zu scheuen braucht. Für Notschleppaufga-
ben stehen in der Nordsee drei Fahrzeuge (Mehrzweck-
fahrzeuge „Neuwerk“, „Mellum“, und Schlepper
„Oceanic“) und derzeit in der Ostsee vier Fahrzeuge
(Mehrzweckfahrzeug „Scharhörn“, Schlepper „Bülk“,
„Fairplay 25“, „Fairplay 22“) in Einsatzbereitschaft, ein
weiteres Mehrzweckfahrzeug ist in Bau und wird 2004
in Dienst gestellt. Damit werden Eingreifzeiten von ma-
ximal zwei Stunden erreicht.
Dänemark, Schweden und Polen stimmen mit
Deutschland in der Zielsetzung überein, eine Transit-
route für Tanker durch die gesamte Ostsee zur Erhöhung
der Verkehrssicherheit festzulegen. Darin eingeschlos-
sen ist die Festlegung eines in der Seekarte eingetrage-
nen Tiefwasserweges durch die deutsche bzw. dänische
ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) ohne separate
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4749
(A) (C)
(B) (D)
Betonnung, der Tankern und Schiffen mit anderer ge-
fährlicher Ladung einer bestimmten Größe von der IMO
empfohlen werden soll. Sie sind zu dem Schluss gekom-
men, dass dieses jedoch noch weiterer Untersuchungen
bedarf.
Die Bundesregierung hat gemeinsam mit den übrigen
EU-Mitgliedstaaten in der Internationalen Seeschifffahrts-
Organisation (IMO) in London eine Initiative zur weiteren
Beschleunigung der Ausphasung von Einhüllen-Öltank-
schiffen gestartet. Die Ausphasungsfristen sollen ent-
sprechend der vom Ministerrat (Verkehr) am 17. März
2003 beschlossenen Verordnung zur Änderung der Ver-
ordnung (EG) Nr. 417/2002 zur beschleunigten Einfüh-
rung von Doppelhüllen oder gleichwertigen Konstrukt-
ionsanforderungen für Einhüllen-Öltankschiffe und zur
Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2978/94 des Rates
auf 2005 bzw. 2010 verkürzt werden. Die Initiative der
europäischen Staaten wird im Maritime Environment
Protection Committee (MEPC) der IMO Mitte Juli 2003
beraten werden. In der geänderten EG-Verordnung ist
außerdem ein sofortiges Anlaufverbot für Einhüllen-Öl-
tankschiffe enthalten, die Schweröl transportieren und
europäische Häfen ansteuern. Tanker in der Transitfahrt
sind von diesem Verbot nicht betroffen.
Um auch die Transitverkehre in der Ostsee sicherer zu
machen, bemüht sich die Bundesregierung bei HELCOM,
einer Konferenz, die alle Ostseeanrainer einbindet, um
verbindliche Wegeführung und Lotsenannahmepflich-
ten für Tanker.
Angesichts der eingeleiteten Initiativen der EG-Ver-
ordnung und der IMO wird für die Ostsee die Einfüh-
rung weitergehender Regelungen zurzeit nicht verfolgt.
Ein sofortiges Verbot von Einhüllentankern in der Ostsee
müsste ebenfalls von der IMO beschlossen werden,
wenn man eine wirksame Regelung anstrebt, die Schiffe
aller Nationen einbezieht.
Übergangsregelungen in Bezug auf Schiffsicherheits-
anforderungen für die der EU in Kürze beitretenden
Staaten sind nicht bekannt und würden von der Bundes-
regierung auch nicht unterstützt.
Anlage 14
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung über die Unterrichtung: Bericht
der Bundesregierung zum Stand der Bemühun-
gen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und
Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung
der Streitkräftepotenziale (Jahresabrüstungs-
bericht 2002) (Tagesordnungspunkt 15)
Dr. Rolf Mützenich (SPD): Der jetzt vorgelegte Jah-
resabrüstungsbericht 2002 rückt wichtige Themen der
Außenpolitik in den Blickpunkt. Abrüstung, Rüstungs-
kontrolle und Nichtverbreitung sind für die SPD-Bun-
destagsfraktion unverzichtbare Bestandteile einer multi-
lateralen Weltordnung. Diese Elemente wollen wir
stärken.
Mit dem Jahresabrüstungsbericht 2002 haben wir ei-
nen guten Überblick über den Stand und die Erfolge der
Rüstungssteuerung. Zugleich weist uns der Bericht auf
Defizite und Handlungsbedarf hin. Ich danke der Bun-
desregierung und den Autorinnen und Autoren für ihre
wertvolle Arbeit und ihre Hinweise. Damit können wir
im Unterausschuss für Abrüstung, Rüstungskontrolle
und Nichtverbreitung unsere Beratungen konzentriert
und fachkundig weiterführen – und an einem Ziel wei-
terarbeiten, das fraktionsübergreifend geteilt wird: Wir
wollen gemeinsam Rüstung in Europa kontrollieren und
beschränken sowie vergleichbare Möglichkeiten für re-
gionale Konflikte erörtern und anregen.
Rüstungskontrollverträge haben während des Ost-
West-Konflikts zur Vertrauensbildung und Kooperation
beigetragen. Auch wenn sie das Sicherheitsdilemma
nicht auflösen konnten, haben diese Verträge Verläss-
lichkeit hergestellt. Abrüstung und Rüstungskontrolle
waren ein Grundpfeiler der damaligen Sicherheitsarchi-
tektur – und sie haben auch heute Zukunft. Abrüstung
und Rüstungskontrolle müssen zu einem unverkennba-
ren Merkmal der europäischen Integration werden. Die
Voraussetzungen sind günstig: Kriege sind in der Euro-
päischen Union undenkbar geworden. Militär und Rüs-
tung dienen heute dazu, potenzielle Angreifer abzu-
schrecken und im Auftrag der Vereinten Nationen und
seiner Organisationen außerhalb der Gemeinschaftsgren-
zen zu handeln.
Die rüstungskontrollpolitische Bilanz ist trotz dieser
günstigen Voraussetzungen widersprüchlich: Einerseits
sind in den vergangenen Wochen wichtige Verabredun-
gen zugunsten neuer Abrüstungsinitiativen getroffen
worden. Die USA und die EU haben sich auf gemein-
same Schritte verständigt, um die Verbreitung von Mas-
senvernichtungswaffen zu unterbinden. Die Staats- und
Regierungschefs der EU haben am 20. Juni 2003 be-
schlossen, bestehende Nichtverbreitungsverträge zu stär-
ken, Exportkontrollen zu intensivieren, die internatio-
nale Zusammenarbeit auszubauen und den politischen
Dialog mit anderen Ländern zu vertiefen. Die G8 haben
eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, worin die
Verträge gegen die Verbreitung von Atom-, Chemie- und
Bio-Waffen ausdrücklich gewürdigt werden.
Andererseits ist die Dekade der Abrüstung vorbei:
Nach einem Bericht des Stockholmer Friedensfor-
schungsinstituts SIPRI sind die Rüstungsausgaben kräf-
tig gestiegen, allein im letzten Jahr weltweit um 6 Pro-
zent. Wirksame Abrüstungsverträge wurden in den
letzten Jahren nicht geschlossen. Die Blockade der Gen-
fer Abrüstungskonferenz geht mittlerweile ins siebte
Jahr. Die Verhandlungen über ein Verifikationsprotokoll
zur Biowaffenkonvention sind gescheitert. Zwar haben
die Präsidenten Bush und Putin am 24. Mai 2002 einen
Vertrag über die Reduzierung der strategischen Offen-
sivwaffen unterzeichnet. Allerdings beinhaltet der Text
keine Verifikation und die Sprengköpfe und Trägersys-
teme müssen nicht vernichtet werden. Zudem ist die
Gültigkeit des Vertrages begrenzt.
Am Ende des vergangenen Jahrzehnts sind Indien und
Pakistan Atomwaffenmächte geworden. In diesem Jahr-
4750 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
(A) (C)
(B) (D)
zehnt streben weitere Länder nach der Atombombe.
Nordkorea will nicht nur im Besitz von atomaren
Sprengköpfen sein. Das Land hat sich ebenso zu einem
wichtigen Exporteur entsprechender Trägermittel entwi-
ckelt. Der Iran geht einen Weg, der ebenfalls Nachfragen
provoziert. Anzumerken bleibt hier, dass die Verantwort-
lichen in Teheran nach wie vor mit der Internationalen
Atomenergieorganisation kooperieren. Diesen Weg müs-
sen wir unterstützen. Der Iran darf nicht aus dem Nicht-
verbreitungsvertrag aussteigen. Die Bundesregierung hat
zusammen mit anderen europäischen Regierungen inten-
sive Gespräche geführt, damit der Iran ein Zusatzproto-
koll mit der Internationalen Atomorganisation zeichnet.
Dies wäre ein wichtiger und richtiger Schritt.
Die schlechten Nachrichten werden zudem von Ent-
wicklungen begleitet, die das Konzept der Abrüstung,
Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung grundsätzlich
infrage stellen:
Erstens. Das Militär wird immer häufiger zu einem
Mittel der Politik. Die USA haben den Krieg gegen den
Irak auch damit begründet, die – bis heute nicht gefunde-
nen – Waffen, die den Weltfrieden gefährden, zerstören
zu wollen. Die Europäische Union ist ebenfalls bereit,
als letztes Mittel militärische Gewalt gegen Proliferato-
ren einzusetzen, wenn zuvor alle anderen friedlichen
Mittel zur Abrüstung und Rüstungskontrolle versagt ha-
ben. Im Gegensatz zur US-Militärdoktrin will man in
Europa eine solche Entscheidung zwar nur im „Einklang
mit internationalem Recht“ treffen. Ob eine solche Stra-
tegie aber Proliferatoren zum Einlenken bewegen kann,
ist mehr als zweifelhaft. Zugleich ist zu befürchten, dass
Despoten vor diesem Hintergrund noch zielstrebiger den
Griff zur Bombe wagen, gewissermaßen als Vorbeugung
vor gewaltsamen Schlägen. Für diese Annahme spricht,
dass ursprünglich als defensive Maßnahmen gedachte
Entscheidungen, wie der Aufbau einer regionalen Rake-
tenabwehr in Japan und Taiwan, die VR China, Russland
und Nordkorea ihrerseits veranlassen, die eigenen Offen-
sivfähigkeiten zu stärken. Diese Reaktionsmuster ken-
nen wir als Sicherheitsdilemma aus dem Ost-West-Kon-
flikt. Gerade bei neuen Rüstungsprojekten müssen die
Auswirkungen auf das Umfeld bedacht werden.
Zweitens. Mit dem Entwurf für eine gemeinsame
europäische Verfassung sind wir auf dem Weg zu einem
europäischen Friedensbund. Die Artikel zur Außen-, Si-
cherheits- und Verteidigungspolitik können die multila-
terale Weltordnung stärken. Allerdings ist es ungewöhn-
lich, dass ein „Amt für Rüstung, Forschung und
militärische Fähigkeiten“ Verfassungsrang erhalten soll.
Eine Abrüstungsbehörde hätte den zivilen Charakter der
Gemeinschaftspolitik meines Erachtens besser gefördert.
Ich hoffe, dass sich hinter dieser Entscheidung nicht
eine allgemeine Abkehr vom Bild der Zivilmacht Europa
verbirgt. Leider gibt es dafür einige Anzeichen: Die
Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik
(ESVP) beinhaltet eine militärische und eine nicht mili-
tärische Komponente. Letztere umfasst dabei die Bereit-
stellung von Polizei, Rechts- und Verwaltungsexperten
sowie von Mitgliedern aus dem Bereich des Katastro-
phenschutzes. Während der militärische Aufbau im Rah-
men der ESVP – wie jetzt im Kongo – rasch voran-
schreitet, ist die Entwicklung eines breit gefächerten
zivilen Ansatzes in den Hintergrund getreten. Zivile Kri-
senbewältigung muss zumindest gleichberechtigt neben
den militärischen Aspekten der europäischen Außenpoli-
tik stehen.
Ich teile auch nicht die Auffassung, dass eine gemein-
same Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Lack-
mustest für Partnerschaftsfähigkeit in Europa ist. Part-
nerschaft unter demokratischen Staaten beweist sich
nicht in erster Linie durch militärische Integration, son-
dern zuerst durch eine verstärkte zivile Zusammenarbeit.
Die Kultur der Mäßigung muss ein Markenzeichen euro-
päischer Außenpolitik bleiben. Ich wünsche mir, dass
Rüstungskontrolle ein wesentlicher Bestandteil der
neuen europäischen Sicherheitsstrategie wird. Wir haben
gesehen, dass erst mit der Abrüstungsvereinbarung im
Vertrag von Dayton langfristig Bedrohungsvorstellungen
im ehemaligen Jugoslawien aufgebrochen werden konn-
ten. So genannte Abrüstungskriege werden niemals das
Verhalten von Staaten zugunsten eines friedlichen Aus-
gleichs anregen.
Drittens. Demokratien führen keine Kriege gegenei-
nander. Das ist fast schon ein empirisches Gesetz. Des-
halb sind eigenständige Schritte zugunsten von Demo-
kratie, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und sozialer
Gerechtigkeit nicht nur Strategien für einen innerstaatli-
chen Friedensprozess, sondern auch für eine friedliche
Welt. Der demokratische Friede hat allerdings eine
Schattenseite: Demokratien intervenieren zunehmend
militärisch in innerstaatliche oder zwischenstaatliche
Konflikte. Der Gewaltverzicht von Demokratien ist da-
her nur relativ. Dabei war es nicht immer einfach, einen
gesellschaftlichen Konsens zugunsten eines Eingreifens
herzustellen. Die Menschen scheuen die Risiken des
Krieges. Wie aber werden sich demokratische Gesell-
schaften verhalten, wenn die neueste Entwicklung der
Militärtechnik die Risiken und Kosten von Kriegen dras-
tisch mindert? Das militärische Eingreifen ist dabei nicht
mehr nur eine Antwort auf die Gewalt in Konflikten,
sondern auch eine Reaktion auf den normativen Wandel
der internationalen Ordnung. Der Gewalteinsatz wird
billigend in Kauf genommen, um autoritäre Führungen
zu beseitigen. Was passiert, wenn der Zusammenhang
von Demokratie und relativem Gewaltverzicht sich
durch normativen Druck in sein Gegenteil verkehrt?
Rüstungskontrolle muss als Strategie zur Kriegsverhü-
tung diesem Trend entgegen wirken.
Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung
haben nur eine Zukunft, wenn sich auch die USA dieses
Mittels wieder bedienen. Ich bin der festen Über-
zeugung, dass wir mit den Entscheidungsträgern in
Washington dann wieder über solche Regelwerke ins
Gespräch kommen, wenn wir eine robuste Rüstungskon-
trolle etablieren können. Dazu gehören insbesondere
wirksame Verifikations- und Sanktionsmechanismen.
Die Inspektions- und Kontrollregime müssen gestärkt
werden, unangemeldete Vor-Ort-Inspektionen gehören
dazu ebenso wie der Aufbau eines qualifizierten unpartei-
ischen Inspektorenteams. Wie Stand-by-Truppen brau-
chen wir den Aufbau von Stand-by-Inspektionsteams.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4751
(A) (C)
(B) (D)
Wir müssen weiterhin ein weltweites Regime für den
Besitz von Trägermitteln schaffen. Abrüstung muss auch
in der NATO wieder Thema werden. Die Organisation
bietet sich als Konsultationsgremium für den Abbau der
substrategischen, nuklearen Kurzstreckenraketen an.
Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung
sind Bestandteile einer klugen Außenpolitik. Deutsch-
land kann diese Mittel umso überzeugender in der inter-
nationalen Politik vertreten, weil wir selbst von ihnen
profitiert haben. Abrüstung, Rüstungskontrolle und
Nichtverbreitung machen die Welt nicht nur sicherer. Sie
können auch die regionale Zusammenarbeit stärken.
Und vor allem: Die Prävention durch Rüstungskontrolle
ist der Prävention durch Entwaffnungskriege allemal
vorzuziehen.
Ich bitte, der Überweisung des Berichts zuzustimmen.
Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg
(CDU/CSU): Spätestens mit den Anschlägen des
11. September wurde deutlich, dass wir uns in Intensität
und Auswirkung mit kaum vorstellbaren Formen der Be-
drohung unserer Sicherheit auseinander zu setzen haben.
Die neue Herausforderung manifestiert sich in der Kon-
frontation mit in ihrer Gefährdung unabsehbaren Fakten:
internationaler Terrorismus, „gescheiterte Staaten“ und
Massenvernichtungswaffen im Einzelnen wie in der fa-
talen Kombination. Eine mit aller Entschlossenheit ver-
folgte Nichtverbreitungspolitik muss daher im Verbund
mit konsequenter Rüstungskontrolle und Abrüstung
Leitprinzip einer neuen Sicherheitspolitik sein.
Die verschiedenen internationalen Abrüstungs- und
Rüstungskontrollverträge sowie -abkommen bilden in
ihrer Gesamtheit ein vordergründig eindrucksvolles si-
cherheitspolitisches Netzwerk. Allerdings ist jeder ge-
scheiterte oder nicht implementierte Vertrag eine Lücke
in jenem „Netz“ und kann somit zur Gefährdung der in-
ternationalen, also auch unserer Sicherheit führen. In
vielen Fällen sind die nationalen Handlungsmöglichkei-
ten beschränkt und reduzieren sich auf den politischen
Dialog mit den eigentlichen Vertragspartnern, etwa den
USA und Russland, mit dem Ziel einer positiven Ein-
flussnahme. Darüber hinaus gehendes konkretes politi-
sches Handeln ist für Deutschland allerdings überall dort
gefordert, wo die regionale Anwendung der Verträge
und Abkommen im Schwerpunkt auf Europa ausgerich-
tet ist.
Nichtverbreitung, Abrüstung und Rüstungskontrolle
muss daher verstärkt in einem europäischen Kontext,
also als Bestandteil einer gemeinsamen europäischen Si-
cherheitspolitik, verstanden und ausgestaltet werden, je-
doch nicht in Konkurrenz zu den Vereinigten Staaten,
sondern mit komplementärem Charakter. Zur Bekämp-
fung der neuen sicherheitspolitischen Herausforderun-
gen brauchen wir ein geschlossenes Vorgehen von Euro-
päern und Amerikanern. Eine solche Kooperation ist in
beiderseitigem Interesse: 90 Prozent des Kampfes gegen
den global vernetzten Terror wird mit Mitteln geführt,
die nicht militärisch sind. Die amerikanische Übermacht
auf letzterem Gebiet kann also allein keine Sicherheit
garantieren. Umgekehrt aber kann Europa als Regional-
macht ohne transatlantische Zusammenarbeit sich nicht
wirksam gegen die neuen disparaten Bedrohungen
schützen. Angesichts der neuen globalen sicherheitspoli-
tischen Herausforderungen ist die Notwendigkeit der
transatlantischen Zusammenarbeit – gerade, aber nicht
lediglich in den Bereichen Rüstungskontrolle und Nicht-
verbreitung – dringlicher denn je.
Die erstrebte Funktionsfähigkeit zukünftiger sicher-
heitspolitischer Zusammenarbeit erfordert eine gemein-
same transatlantische Sicherheitsstrategie. Die Vorstel-
lungen Washingtons liegen in Form der National
Security Strategy seit dem letzten Herbst vor. Die Regie-
rung Bush drängte bekanntlich zügig auf die Umsetzung
dieser Strategie. Wesentliche, gerade emotionale Ge-
sichtspunkte der transatlantischen Krise in der Irakfrage
hätten vermieden werden können, wenn die europäische
Seite in der Lage gewesen wäre, frühzeitig eigene Kon-
zepte erkennen zu lassen, die den neuen sicherheitspoli-
tischen Herausforderungen gerecht werden würden.
Stattdessen beschränkte sich insbesondere der französi-
sche und deutsche Beitrag allzu oft auf abschätzige, bes-
tenfalls akademische Kritik, während man politische und
praktische Antworten weitgehend schuldig blieb. So war
der Weg in die Krise vorprogrammiert. Angesichts aller
neuen wie bisherigen Bedrohungen, die auch im Bericht
der Bundesregierung ausführlich benannt werden, kön-
nen und dürfen wir uns solche Verwerfungen nicht ein-
mal im Ansatz leisten.
Die auf dem Gipfel von Thessaloniki verabschiedeten
Vorschläge der EU waren daher überfällig und sind
umso mehr zu begrüßen. Europa ist nun, was die Debatte
um eine Sicherheitsstrategie angesichts der globalen Be-
drohungen durch Terror und der Verbreitung von Mas-
senvernichtungswaffen wieder annähernd auf Augen-
höhe mit den Vereinigten Staaten, wenngleich noch
schwankend auf den Zehenspitzen balancierend. Die EU
spricht wieder mit einer Stimme, gelegentlich heiser, zu-
weilen im Tonfall noch unstet, jedoch gegenüber Wa-
shington mit dem Anspruch von substanziellen Beiträgen
und Gegenvorschlägen. Dies ist die Grundvoraussetzung
für eine nun zu initiierende Debatte zwischen der ameri-
kanischen Regierung und der EU, deren Ergebnis sich
nicht mehr wie in den vergangenen Monaten in der Fest-
stellung der Ausweglosigkeit von Einzelfragen erschöp-
fen darf, sondern konkret in die stabile Ummantelung ei-
ner transatlantischen Sicherheitsstrategie münden muss.
Dies wiederum ist die Prämisse für ein geschlossenes
transatlantisches Vorgehen in Fragen der Nichtverbrei-
tung und Abrüstungspolitik, ohne das wiederum die ver-
schiedenen Kontroll- und Abrüstungsregime kaum ef-
fektiv arbeiten können. Nur vor dem Hintergrund
abgestimmter sicherheitspolitischer Vorstellungen und
Prioritäten kann eine weitgehende Deckungsgleichheit
bezüglich der Einschätzung gegebener Gefahren erreicht
werden und damit wirksames Handeln gegenüber den
neuen Formen der Bedrohung sichergestellt werden.
Noch einmal: Wir haben bedauerlicherweise erfahren
müssen, dass während der Irakkrise kein gemeinsames
Vorgehen mit den USA erreicht werden konnte. Die Ge-
nugtuung, die nun verschiedentlich bezüglich der bisher
4752 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
(A) (C)
(B) (D)
erfolglosen Suche nach den Massenvernichtungswaffen
des Irak geäußert wird, stimmt für künftige konkrete Be-
drohungsanalysen nicht hoffnungsfroh. Dabei widerlegt
gerade der Bericht dieser Bundesregierung eine solche
Legendenbildung: Es ist begrüßenswert, dass ausdrück-
lich die für die Zeit nach 1998 vorliegenden nachrichten-
dienstlichen Erkenntnisse erwähnt werden, die immerhin
Vermutungen auf irakische Massenvernichtungswaffen
beinhalten.
Beunruhigend ist allerdings, dass unter dem Punkt
„Länderspezifische Bedrohungen“ ein Land keine Er-
wähnung findet, bezüglich dessen eine einheitliche trans-
atlantische Bedrohungsanalyse dringend geboten ist: der
Iran. Der Jahresabrüstungsbericht der Bundesregierung,
der vom 2. Juni 2003 datiert, übergeht schlicht die mög-
lichen Gefahren, die vom iranischen Atomprogramm
ausgehen können und die sich bereits im Berichtszeit-
raum abzeichneten.
Dies wiegt umso schwerer, als im Fall Iran die neue
Sicherheitsdoktrin der Europäischen Union, die Javier
Solana vor zwei Wochen vorgestellt hat, eine sofortige
Anwendung findet. Die EU kann in diesem konkreten Fall
vor dem Hintergrund ihrer neuen sicherheitspolitischen
Ausrichtung gemeinsam mit Washington Alternativen
vorgeben und damit bereits in der politischen Praxis die
Richtung für eine transatlantische Sicherheitsstrategie
aufzeigen. So könnte Teheran etwa im Fall der Übertre-
tung legaler und unserer Sicherheit dienender „nuklearer
Schwellen“ mit der Nichtgewährung oder dem Abbruch
von Assoziationsverträgen und ausgebauten Wirtschafts-
beziehungen, die von der EU Teheran zurzeit in Aussicht
gestellt werden, gedroht werden. Gleichzeitig würde es
dem europäischen Alternativkonzept der „präventiven
Diplomatie“ entsprechen, dem Iran ebenso etwa die Inte-
gration in eine regionale Sicherheitsarchitektur anzubie-
ten. Allerdings bedarf es diesbezüglich auch seitens un-
serer Außenpolitik noch erheblicher Präzisierungen.
Der Fall Iran könnte somit zu einer Art Transmis-
sinsriemen für eine gemeinsame transatlantische Sicher-
heitsstrategie werden, da die nun vorliegenden europäi-
schen und amerikanischen Vorstellungen durch diesen
„Praxisbezug“ aufeinander abgestimmt werden könn-
ten. Europa kann im konkreten Fall viel versprechende
Gedanken in die Diskussion mit einbringen, die deshalb
bereits Gewicht entfalten, weil sie angesichts der durch-
aus diskussionswürdigen amerikanischen Vorgehens-
weise gegenüber dem Iran als echte Alternative dienen
könnten. In der Auseinandersetzung um die richtige
Iranpolitik könnte somit eine transatlantische Sicher-
heitsstrategie festgeschrieben werden, die im Fall eines
etwaigen Erfolges auch eine europäische Handschrift
tragen würde.
Es ist zu hoffen, dass die in dem Jahresabrüstungsbe-
richt der Bundesregierung darüber hinaus hervorgehobe-
nen Problemkreise vor dem Hintergrund eines transatlanti-
schen sicherheitspolitischen Konsenses einer Lösung
zugeführt werden können. Hier ist nicht zuletzt die bedrü-
ckende Fragestellung Nordkorea zu nennen – ein Land,
das möglicherweise bereits über Atomwaffen verfügt.
Diese erschreckende Tatsache fordert uns beispielhaft zu
einer mit Nachdruck zu verfolgenden Abrüstungs- und
Nichtverbreitungspolitik auf – auch schon bei sich ledig-
lich abzeichnenden Bedrohungen. Unabdingbare Voraus-
setzung ist ein transatlantischer sicherheitspolitischer
Schulterschluss. Abrüstungspolitik ist Sicherheitspolitik.
Letzere dient unser aller Freiheit.
Harald Leibrecht (FDP): Mit dem Fall der Mauer
endete Schritt für Schritt der Kalte Krieg. Aus ehemali-
gen Feinden wurden Verbündete. Neun Staaten des ehe-
maligen Warschauer Paktes werden im Mai 2004 in die
NATO formell aufgenommen sein. Die Teilung Europas
ist damit auch militärisch überwunden. Diese Entwick-
lung macht mich zuversichtlich, dass wir in Europa dau-
erhaft in Frieden miteinander leben können. In der Welt
sieht es leider noch anders aus.
Neue Gefahren kommen auf uns zu. Bisher besitzen
Israel, Indien und Pakistan Nuklearwaffen. Die Tendenz
in weiteren Staaten ist steigend und alarmierend. Nord-
korea und Iran streben ebenfalls welche an. Nordkorea
besitzt sie nach eigenen Aussagen schon. Syrien forscht
ebenfalls an Atomwaffen, wie ich dem Abrüstungsbe-
richt entnehmen konnte. Noch gravierender sind die
Meldungen, dass Terroristen Nuklearmaterial für
schmutzige Bomben erwerben wollen.
Insbesondere in den Ländern der ehemaligen Sowjet-
union kam es zu Diebstählen von Nuklearmaterial. Mit
circa 170 Millionen Euro engagieren wir uns aus diesem
Grund für den physischen Schutz von russischem Nukle-
armaterial. Mit circa 300 Millionen Euro entsorgen wir
die verstrahlten Reaktorkomponenten von russischen
Atom-U-Booten aus der Saida-Bucht. Mit circa 300 Mil-
lionen Euro sorgen wir für die Vernichtung der chemi-
schen Waffen in Russland. Für mich ist dies viel Geld,
was sinnvoll angelegt ist, hätte es nicht einen bitteren
Nachgeschmack. Mit unserem Geld entsorgt Russland
seine veralteten Rüstungsgüter, um gleichzeitig ein
neues atomangetriebenes U-Boot und neue Kampfflug-
zeuge zu entwickeln. Russland rüstet auf und lässt uns
seinen Schrott wieder abrüsten. Für mich ist dies ein
Skandal, den ich den Menschen hier im Land schwer
vermitteln kann.
Bei aller Gefahr, die von Nuklearwaffen ausgehen, dür-
fen wir nicht die Bedeutung der chemischen und biologi-
schen vernachlässigen. Während wir bei Meldungen über
geplante Atombomben mit Sorge genau hinhören – zu
Recht –, sind B- und C-Waffen aus der Tagesaktualität
verschwunden. Für mich sind diese viel gefährlicher,
weil sie einfacher zu entwickeln und einzusetzen sind,
weil sie nicht sichtbar sind, weil sie erst nach Tagen oder
Wochen wirken, und weil sie sich in der Zwischenzeit
schnell und lautlos verbreiten. Eine terroristische oder
feindliche Vereinigung braucht nur das Grundwasser mit
Viren zu verseuchen.
Ich begrüße, dass die gegenwärtige Bundesregierung
die Politik im Bereich der Abrüstung, Rüstungskontrolle
und Nichtverbreitung der CDU/CSU-FDP-Regierung
fortsetzt. Die FDP unterstützt sie gerne dabei. Jedoch
weisen wir darauf hin, dass insbesondere Staaten in
Konfliktregionen wie dem Nahen Osten ABC-Abkom-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4753
(A) (C)
(B) (D)
men nicht ratifiziert haben. Folglich sind zwar Ihre Be-
mühungen, Kolleginnen und Kollegen der Bundesregie-
rung, richtig und ehrenwert, werden aber nicht zum
erforderlichen Durchbruch zur Nichtverbreitung von
Massenvernichtungswaffen beitragen.
Trotz der vielen Erfolge in den letzten Jahren zeigt
mir der vorliegende Bericht, dass wir noch weit von ei-
ner friedvollen Welt entfernt sind, in der wir uns sicher
fühlen können. Aber wir sind auf einem guten Weg.
Meine Damen und Herren von der Bundesregierung,
setzen Sie sich dafür ein, dass weitere Staaten die ver-
schiedenen Abkommen zur Nichtverbreitung von Mas-
senvernichtungswaffen unterzeichnen, ratifizieren und
einhalten.
Setzen Sie sich dafür ein, dass wir im nächsten Abrüs-
tungsbericht lesen können, dass der Stillstand bei der
Genfer Abrüstungskonferenz aufgehoben wurde.
In Ihrem vorliegenden Bericht schreiben Sie – ich zi-
tiere –: „die einst nuklear extrem hochgerüsteten Super-
mächte müssen an ihre Verantwortung erinnert werden.“
Tun Sie es!
Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen
Amt: Der vorliegende Jahresabrüstungsbericht 2002 do-
kumentiert das klare Bekenntnis der Bundesregierung zu
einer aktiven Rüstungskontroll- und Nichtverbreitungs-
politik.
Spätestens seit den Terroranschlägen in New York, in
Casablanca, auf Bali und Djerba ist deutlich geworden,
dass diese neue Art von internationalem Terrorismus die
Stabilität und Sicherheit unserer Gesellschaften gefähr-
det. Die Risiken der Verbreitung von Massenvernich-
tungswaffen haben damit eine völlig neue Dimension er-
halten. Neben klassischen Gefahren, die von einzelnen
Staaten mit Zugang zu Massenvernichtungswaffen aus-
gehen, ist nun das Risiko eines möglichen Zugriffs von
Terroristen und nicht staatlichen Akteuren auf solche
Waffen getreten. Hinzu kommen die Gefahren, die von
regionalen Krisenherden in Südasien, Ostasien und dem
Nahen und Mittleren Osten ausgehen.
Wir haben bereits unmittelbar nach dem 11. Septem-
ber 2001 in der EU die Initiative ergriffen, nicht staatli-
chen Akteuren den Zugriff auf Massenvemichtungs-
waffen zu verwehren. Auf dieser Grundlage erstellt die
EU derzeit eine langfristige Strategie zur Bekämpfung
der Proliferation dieser Waffen, deren Eckpunkte der
Europäische Rat jüngst in der Nichtverbreitungserklä-
rung von Thessaloniki festlegte. Darüber hinaus ver-
folgt die EU aber auch ein breiter angelegtes Sicher-
heitskonzept und erarbeitet eine umfassende EU-
Sicherheitsstrategie.
Um die genannten Gefahren erfolgreich zu bekämp-
fen, brauchen wir mehr denn je eine internationale Ord-
nungspolitik, die sich auf internationale Solidarität,
wirksame Kooperation und gemeinsame Regeln gründet.
Die Bundesregierung ist der festen Überzeugung, dass in
erster Linie die Vereinten Nationen der geeignete Rah-
men für eine solche kollektive Sicherheitsordnung dar-
stellen.
Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung
sind der beste Ansatz für friedliche Losungen auf globa-
ler wie regionaler Ebene. Denn Abrüstungskriege kön-
nen doch nicht der richtige Weg zur Bekämpfung der
neuen Bedrohungen sein. Wir müssen vielmehr die vor-
handenen Abrüstung- und Nichtverbreitungsinstru-
mente stärken und schärfen. Gleichzeitig sollten wir aber
auch ernsthaft daran arbeiten, die Einhaltung dieser
Kontrollregimc besser zu überprüfen und effiziente
Sanktionsmechanismnen bei Vertragsverletzungen zu
entwickeln.
Von großer Bedeutung ist auch die praktische Abrüs-
tungszusammenarbeit, insbesondere mit Russland. Deutsch-
land wird in den nächsten zehn Jahren bis zu 1,5 Milliar-
den Euro für Projekte im Rahmen der auf dem G8-Gipfel
im Kananaskis beschlossenen Initiative „Globale Part-
nerschaft gegen die Verbreitung von Massenvernich-
tungswaffen und Materialien“ beitragen. Schwerpunkte
sind dabei die Chemiewaffenvernichtung, die Sicherung
von Nuklearmatcrial und die Entsorgung von nuklearge-
triebenen U-Booten.
Die Abrüstung im Bereich der konventionellen Waf-
fen ist nicht minder wichtig, wie mir bei meiner jüngsten
Reise nach Afrika einmal mehr vor Augen geführt
wurde. Der erschreckende Anblick von Kalaschnikows
in den Händen von unter Drogen gesetzten Kindern und
die Bilder von Minenopfern, die für ihr ganzes Leben
gezeichnet sind, haben mich tief erschüttert.
Wir müssen deshalb die erfolgreich verlaufende Im-
plementierung des Ottawa-Übereinkommens zum Ver-
bot von Anti-Personen-Minen konsequent fortsetzen und
das substanzielle Aktionsprogramm der Vereinten Natio-
nen zu Kleinwaffen und leichten Waffen weiterentwi-
ckeln. Dafür werden wir uns auf dem New Yorker Folge-
treffen zur Kleinwaffenkonferenz in der kommenden
Woche aktiv einsetzen.
Außerdem ist es der Bundesregierung ein besonderes
Anliegen, dass die humanitären Probleme von Blindgän-
gern, zurückgelassener Munition und anderen explosi-
ven Kampftmittelrückständen völkerrechtlich verbind-
lich geregelt werden. Wir sind hier einen wichtigen
Schritt weitergekommen; denn die Vertragsstaaten des
VN-Waffenübereinkommens verhandeln seit Ende letz-
ten Jahres über ein entsprechendes Rechtsinstrument.
Der Jahresabrüstungsbericht vermittelt ein umfassen-
des Bild über die Leistungen der Bundesregierung auf
dem Gebiet der Abrüstung, Rüstungskontrolle und
Nichtverbreitung, aber auch über die vielfältigen und
komplexen rüstungskontrollpolitischen Herausforderun-
gen, die noch vor uns liegen. Um diese zu bewältigen,
brauchen wir auch künftig die Unterstützung des Bun-
destages. Ich hoffe, dass wir weiterhin mit Rückhalt
rechnen können, denn wir dürfen gerade angesichts der
Gefahren des Terrorismus, regionaler Instabilität und der
fortgesetzten Gefahr der Verbreitung von Massenver-
nichtungswaffen und ihren Trägermitteln in unseren An-
strengungen nicht nachlassen.
4754 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
(A) (C)
(B) (D)
Anlage 15
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung über die Beschlussempfehlung
und den Bericht: Vorschlag für eine Richtlinie
des Europäischen Parlaments und des Rates zur
Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungs-
vorschriften der Mitgliedstaaten über den Ver-
braucherkredit (Tagesordnungspunkt 16)
Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Die heute zu
debattierende Überarbeitung der Verbraucherkreditricht-
linie aus dem Jahr 1987 hat eine große Tragweite für Kre-
ditverträge in Europa. Millionen Menschen in Europa
kaufen Tag für Tag Millionen von Waren auf Kredit.
Mit der Verbraucherkreditrichtlinie wurde 1987 erst-
mals auf Gemeinschaftsebene ein Rechtsrahmen für
Konsumentenkredite geschaffen. Sie sollte zugleich ein
Beitrag zur Schaffung eines gemeinsamen Marktes für
das Kreditwesen sein. Doch die Möglichkeiten der Ver-
braucher, Kredite gerade auch außerhalb ihres Heimat-
landes aufzunehmen, blieben bislang weitgehend unge-
nutzt. Die von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung
verabschiedeten nationalen Rechtsvorschriften weisen
nämlich teilweise erhebliche Unterschiede auf.
Mit dem jetzt vorliegenden Vorschlag will die Kom-
mission die Voraussetzungen für einen transparenten
grenzüberschreitenden Markt schaffen, der ein hohes
Verbraucherschutzniveau garantiert. Kreditangebote sol-
len unter den bestmöglichen Bedingungen für Anbieter
wie Kreditnehmer verhandelt werden können und der zu-
nehmenden Verschuldung privater Haushalte in Europa
soll entgegenwirkt werden. Diese Motive sind grund-
sätzlich zu begrüßen.
Der vorliegende Richtlinienvorschlag begegnet jedoch
im Detail auch erheblichen, zum Teil grundsätzlichen Be-
denken. An vielen Stellen bedarf es einer grundlegenden
Überarbeitung. Der heute vorgelegte Entschließungsan-
trag enthält dazu eine Reihe ganz konkreter Empfehlun-
gen an die Bundesregierung.
Lassen Sie mich an vier Beispielen aufzeigen, wo im
Verlaufe der weiteren Beratungen konkreter Änderungs-
bedarf besteht:
Erstens. Zunächst geht es um den Anwendungsbe-
reich der Richtlinie.
Die Verbraucherkreditrichtlinie hatte bereits einen
sehr weiten Anwendungsbereich. Sie betraf nicht nur den
klassischen Kreditsektor, sondern auch den Einzelhandel.
Mit dem nun eingebrachten Richtlinienvorschlag wird
der Anwendungsbereich erneut ausgeweitet. Leider wird
auf die bislang vorgesehenen Ausnahmetatbestände weit-
gehend verzichtet. Fragwürdig erscheint dies insbeson-
dere in Bezug auf notariell oder gerichtlich beurkundete
Kreditverträge und Gerichtsvergleiche mit Stundungs-
vereinbarungen. Bei diesen Verträgen ist zweifellos hin-
reichend sichergestellt, dass die Verbraucherinteressen
gewahrt bleiben. Aber auch Kleinkredite – insoweit galt
bislang ein Schwellenwert von 200 Euro – sollten in Zu-
kunft vom Anwendungsbereich ausgenommen bleiben.
Hier besteht für einen mündigen Verbraucher ebenfalls
keinerlei Schutzbedürfnis. Die Bundesregierung muss
deshalb bei den Beratungen darauf hinwirken, den An-
wendungsbereich der Richtlinie im Sinne einer Begren-
zung zu überarbeiten.
Zweitens. Bedarf zur Änderung besteht auch beim
Verbot von Haustürgeschäften.
Nach Art. 5 des Richtlinienvorschlags soll jede Aus-
handlung von Kredit- oder Sicherungsverträgen außer-
halb von Geschäftsräumen verboten sein. Der Europäi-
sche Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 13. Dezember
2001 in der Rechtssache Heininger ausdrücklich klar ge-
stellt, dass die Schutzbestimmungen der Haustürge-
schäfte-Richtlinie grundsätzlich auf alle Rechtsgeschäfte,
das heißt auch auf Kredit- und Sicherungsverträge, An-
wendung finden. Hier existiert der Verbraucherschutz
also bereits und muss nicht verdoppelt werden. Wir for-
dern die Bundesregierung deshalb auf, zu überprüfen, ob
ein absolutes Verbot von Haustürkreditgeschäften tat-
sächlich erforderlich ist.
Drittens. Zu verändern ist auch die beabsichtigte Art
der Verantwortungsverlagerung.
Dem Richtlinienvorschlag liegt ein neuartiges Ver-
braucherschutzkonzept zugrunde: Insgesamt wird die
Verantwortlichkeit für die Kreditaufnahme vom Kredit-
nehmer auf den Kreditgeber verlagert. Nach Art. 6 des
Richtlinienvorschlags werden dem Kreditgeber zusätz-
lich umfangreiche Unterrichtungs- und Beratungspflich-
ten auferlegt. Der Kreditgeber muss „genaue und voll-
ständige Auskünfte über alles erteilen“, was der
Verbraucher über den in Aussicht genommenen Kredit-
vertrag wissen muss. Darüber hinaus soll der Kreditge-
ber auch noch denjenigen Kredittyp aussuchen, der sich
„in Anbetracht der finanziellen Situation des Verbrau-
chers, der Vorteile und Nachteile des vorgeschlagenen
Produkts und des Zwecks, dem der Kredit dient, für den
Verbraucher am besten eignet“. Falsch verstandener Ver-
braucherschutz kann auch zur Entmündigung des Ver-
brauchers führen. Wir fordern die Bundesregierung des-
halb auf, bei den Beratungen der Eigenverantwortlichkeit
des Verbrauchers angemessen Rechnung zu tragen. Der
Kreditgeber soll seinen Kunden klug und umfangreich
beraten, aber nicht bevormunden. Der Verbraucher soll
seinen Kredittyp nach unserer Ansicht aber weiterhin
selbst aussuchen können.
Art. 9 des Richtlinienvorschlags bestimmt schließ-
lich, dass der Kreditgeber einen Kredit- oder Siche-
rungsvertrag nur dann abschließen bzw. erhöhen darf,
wenn er „unter Ausnutzung aller ihm zu Gebote stehen-
den Mittel“ zu der Überzeugung gelangt ist, dass der
Verbraucher vernünftigerweise in der Lage sein werde,
den vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Ich
habe mir bei dieser Formulierung die Frage gestellt, wie
der Bankangestellte das wohl praktisch macht. Was
macht er, wenn der Kunde unerkannt unvernünftig ist?
Keiner kann etwas gegen eine umfassende Prüfungs-
pflicht des Kreditgebers in Bezug auf die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit des Verbrauchers haben. Aufgrund
seines Eigeninteresses daran, dass der Kredit zurückge-
zahlt wird, wird er ohnehin genau hinterfragen, wie leis-
tungsfähig der Kreditnehmer ist. Wir fordern die Bun-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4755
(A) (C)
(B) (D)
desregierung folglich auf, bei den Beratungen darauf
hinzuwirken, dass dem Kreditgeber keine unzumutbaren
und überflüssigen Erkundigungs- und Kontrollpflichten
auferlegt werden. Auch die anzuwendenden Mittel müs-
sen in der Richtlinie deshalb ausdrücklich bestimmt wer-
den. Wir haben genug Bürokratie in Deutschland und
Europa.
Die vorgeschlagene Regelung führt außerdem dazu,
dass an die Bonität potenzieller Kreditnehmer zukünftig
deutlich höhere Anforderungen gestellt werden müssten.
Damit würde die Kreditvergabe gerade an einkommens-
schwächere Bevölkerungsteile, die in besonderer Weise
auf Kredite angewiesen sind, nachhaltig erschwert. Für
den Verbraucher wäre nichts gewonnen, wenn ihm am
Schalter ein Kredit mit dem Hinweis auf EU-Regeln ver-
weigert würde.
Die Regelungen in der Richtlinie übersehen auch die
Ursachen der Überschuldung zahlreicher privater Haus-
halte. Mangelhafte Haushaltsführung und Budgetpla-
nung führen in aller Regel erst bei Eintritt kritischer Le-
bensverhältnisse wie Arbeitsplatzverlust, Scheidung
oder Krankheit in die Überschuldung. Diese Ereignisse
sind aber im Zeitpunkt der Kreditvergabe naturgemäß
gerade nicht vorhersehbar.
Nach Ansicht der CDU/CSU ist es im Hinblick auf
die Art. 6 und 9 des Richtlinienvorschlags wichtig, das
Prinzip der Eigenverantwortung des Verbrauchers beizu-
behalten. Wie weit das neuartige Verbraucherschutzkon-
zept der Kommission dabei in die falsche Richtung geht,
wird augenfällig, wenn man die Konzeption auf andere
Vertragstypen überträgt. Stellen wir uns vor, ein Auto-
händler müsste das für den Verbraucher am besten geeig-
nete Produkt auswählen. Das soll er tun, aber würde man
ihn später für einen Unfall bei Glatteis verantwortlich
machen?
Verbraucherkreditverträge weisen zugegebenerma-
ßen einen vergleichsweise hohen Grad der Abstraktion
auf und dem Verbraucher ist häufig nicht immer sofort
deutlich, wie massiv hier seine Entscheidungs- und
Handlungsfreiheit beschnitten wird. Deshalb ist der Ver-
such, hier in bestimmten Fällen Hilfe zu leisten, grund-
sätzlich richtig. Es erscheint aber völlig verfehlt, in ei-
nem zentralen Teilbereich des Privatrechts das Leitbild
eines unmündigen Verbrauchers festzuschreiben, wäh-
rend heute an anderer Stelle, namentlich im Zusammen-
hang mit der Gesundheits- oder Altersvorsorge, Eigen-
verantwortung verstärkt eingefordert wird.
Viertens. Anzusprechen ist letztlich die Absicht in der
Richtlinie die so genannte Maximalharmonisierung fest-
zuschreiben.
Nach Art. 30 des Richtlinienvorschlags ist es den Mit-
gliedstaaten untersagt, andere als die in der Richtlinie
festgelegten Bestimmungen vorzusehen. Durch diesen
Ansatz der Maximalharmonisierung unterscheidet sich
der Richtlinienvorschlag von den geltenden europäi-
schen Richtlinien auf dem Gebiet des Verbraucher-
schutzrechts.
Den Mitgliedstaaten wird damit verboten, weiterge-
hende Vorschriften zum Verbraucherschutz zu erlassen
bzw. aufrechtzuerhalten. Damit müsste der bestehende
Verbraucherschutz in Deutschland aber in großem Um-
fang reduziert werden. Es kann doch nicht sein, dass wir
in Zukunft das Schriftformerfordernis des BGB für Ver-
braucherdarlehensverträge und die Abgabe von Bürg-
schaftserklärungen abschaffen müssen. Gerade hier ist
die Beweis- und Warnfunktion für den Verbraucher von
besonderer Bedeutung. Ein solcher Abbau des Verbrau-
cherschutzes in Deutschland muss verhindert werden.
Ich habe darüber hinaus erhebliche Zweifel, dass die von
der Kommission favorisierte maximale Harmonisierung
der nationalen Rechtsvorschriften in der Zukunft tat-
sächlich die Bereitschaft der Verbraucher erhöht, Kredit-
verträge mit Anbietern in anderen europäischen Mit-
gliedstaaten abzuschließen. Die geringe Zahl der
grenzüberschreitenden Verbraucherkredite in Europa ist
in erster Linie nicht auf die Unterschiede zwischen den
einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften zurückzu-
führen, sondern auf die besondere Beziehung zur jewei-
ligen Hausbank, auf die örtliche Nähe und Sprachbarrie-
ren im Ausland.
Die Europäische Zentralbank führt in einem aktuellen
Bericht über die europäischen Finanzmarktstrukturen
aus, dass sich an der lokalen Prägung der Retailmärkte
für Finanzdienstleistungen auch in Zukunft kaum etwas
ändern werde und kleinere, vor Ort vertretene Institute
auch weiterhin eine dominierende Rolle spielen dürften.
Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, bei den
Beratungen darauf hinzuwirken, dass es nicht zu der vor-
geschlagenen Maximalharmonisierung kommt. Ein Ab-
bau des Verbraucherschutzes in Deutschland muss ver-
hindert werden.
Als Parlamentarier haben wir darauf zu achten, dass
Kredite weiterhin in vielen Formen, zu günstigen Kondi-
tionen und unbürokratisch für den dafür auch verantwort-
lichen Verbraucher zu erhalten sind. Dies ermöglicht vie-
len Bürgern den Erwerb hochwertiger Konsumgüter und
das eröffnet neue Chancen für die Wirtschaft in unserem
Land, die wir aufgrund der katastrophalen Regierungspo-
litik dringend brauchen.
Der Bundestag sollte deshalb heute im Interesse der
Verbraucher in Deutschland beschließen, den vorgeleg-
ten fraktionsübergreifenden Entschließungsantrag zur
Novellierung der Verbraucherkreditrichtlinie anzuneh-
men. Der Bundesregierung ist viel Erfolg zu wünschen
bei der Durchsetzung der im Antrag genannten notwen-
digen Änderungen.
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der
Vorschlag der EU für eine Verbraucherkreditrichtlinie ist
grundsätzlich zu begrüßen. Um der zunehmenden Ver-
schuldung der Verbraucher in Europa entgegenzuwirken,
sind unternehmerische Grundsätze zur verantwortlichen
Kreditvergabe zu entwickeln. Die Feststellung der Kre-
ditauskunftei Schufa, dass immer mehr junge Menschen
unter anderem durch offene Handyrechnungen in die
Verschuldung geraten, ist ein alarmierendes Signal. Vor
allem bei den 20- bis 24-Jährigen ist die Zahl der eides-
stattlichen Versicherungen und Privatinsolvenzen zwi-
schen 1999 und 2002 um fast ein Drittel auf die Zahl von
4756 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
(A) (C)
(B) (D)
rund 174 000 gestiegen. Hier gibt der Richtlinienvor-
schlag einen wichtigen Impuls an die Banken, sich ver-
antwortungsvoll an der Aufgabe der Schuldenprävention
zu beteiligen. Die Vorstellungen im Richtlininentwurf
müssen aber noch in umsetzbare Vorschriften verbessert
werden. Die Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die
Grünen, SPD und CDU haben auch an anderen Punkten
noch Bedenken, die sie in ihrem Antrag zur Beschluss-
empfehlung deutlich gemacht haben.
Die Verbraucherkreditrichtlinie ist wichtig zur An-
gleichung unterschiedlicher Rechts- und Verwaltungs-
vorschriften in der Europäischen Union. Die national
sehr verschiedenen Regelungen in den EU-Mitgliedstaa-
ten sind für den Verbraucher verwirrend. Die unüber-
sichtliche Lage hält Verbraucher davon ab, einen Kredit
auch in europäischen Nachbarländern und dort gegebe-
nenfalls zu günstigeren Konditionen in Anspruch zu
nehmen.
Der gemeinsame europäische Wirtschaftsraum soll
aber auch den privaten Kunden offen stehen und Vorteile
bringen. Grenzüberschreitende Kreditgeschäfte sollen
keine Angelegenheit nur von internationalen Wirt-
schaftsunternehmen bleiben, sondern auch für den priva-
ten Kunden attraktiv und durchschaubar werden. Des-
halb wollen die Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/
Die Grünen, SPD und CDU die Voraussetzungen für ei-
nen transparenten, grenzüberschreitenden Markt schaf-
fen und die bestehenden Verbraucherschutzstandards
europaweit angleichen.
Einheitliche Begriffe und Vertragsbedingungen zur
Angabe von Zinssätzen, Fälligkeit, vorzeitiger Rückzah-
lung, missbräuchliche Klauseln, Widerrufsrechte und
andere werden für mehr Klarheit beim Kunden sorgen.
Die Inanspruchnahme von Darlehen über die Grenzen
hinweg wird damit leichter.
Die geplante Anwendung auf möglichst viele Kredit-
produkte sehen wir positiv. Auch, dass Sicherheiten wie
Bürgschaften und Garantien erfasst werden, befürworten
wir. Die bisherigen Bestimmungen weisen in vielen
europäischen Ländern insbesondere für neue Kreditpro-
dukte Lücken auf, die mit dem Richtlinienvorschlag ge-
schlossen werden sollen. Allerdings sehen wir in unse-
rem Antrag auch Grenzen für die Anwendung der EU-
Richtlinie. Unentgeltliche Kredite, Überziehungskredite
und Kleindarlehen bis 400 Euro sollen möglichst unbü-
rokratisch für kurzfristige finanzielle Engpässe zur Ver-
fügung stehen. Hier darf der komplette Pflichtenkatalog
nicht wie eine Mauer vor einer kundenfreundlichen Kre-
ditvergabe stehen.
Bündnis 90/Die Grünen werden sich bei den einzel-
nen Vorschriften für verbraucherfreundliche Regelungen
einsetzen. Die drei Bundestagsfraktionen fordern, dass
die in Deutschland bestehenden Regeln für verbundene
Geschäfte erhalten bleiben. So werden Verträge genannt,
bei denen zwischen dem Kreditvertrag und dem damit fi-
nanzierten Kauf eine Einheit besteht. Hier muss weiter-
hin die Regelung gelten, dass der Verbraucher bei Wi-
derruf des Kredits an den Kaufvertrag ebenfalls nicht
mehr gebunden ist.
Datenschutzrechtliche Bedenken haben wir noch bei
dem in Art. 8 vorgesehenen Schuldnerregister. Bei die-
sen Datenbanken sind noch viele Fragen offen. Unklar
ist beispielsweise, wie sich der Verbraucher vor fehler-
haften Eintragungen schützen kann. Im Antrag haben
wir die Bundesregierung aufgefordert, das Datenregister
erst dann einzuführen, wenn die Inhalte der zentralen
Datenbank genau definiert und datenschutzrechtlich ge-
prüft sind.
Das absolute Verbot von Haustürgeschäften für die in
der Richtlinie erwähnten Darlehensverträge ist ein inte-
ressanter Vorschlag. Den Einwand, dass damit der Di-
rektverkauf von Waren an der Haustür unmöglich würde,
teile ich nicht. Das wird auch weiterhin möglich sein.
Was aber durchaus bedenkenswert ist, ist ein sehr hohes
Schutzniveau der Individualsphäre des Verbrauchers.
Der Kauf besonders hochpreisiger Ware, die sich der
Verbraucher eigentlich nicht leisten kann – zum Beispiel
einen Staubsauger für 1 000 Euro –, sollte auf neutralem
Boden erfolgen. Der Verbraucher sollte hier nicht aus
Höflichkeit oder um einen lästigen unangemeldeten
Besucher wieder zu verabschieden zu einer Unterschrift
unter einen Kreditvertrag gedrängt werden können. Die
Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, SPD
und CDU wollen, dass das Verbot noch einmal auf die
Vereinbarkeit mit dem bestehenden Widerrufsrecht hin
überprüft wird. Einerseits hat der Verbraucher mit dem
Widerrufsrecht bereits ein Instrument an der Hand, um
sich aus einem unerwünschten Vertrag wieder zu lösen.
Angesichts der zunehmenden Belästigungen und den
vielfältigen Erscheinungsformen aufgedrängter Wer-
bung haben sich andererseits die anstößigen Handlungen
zu einer solchen Intensität verdichtet, dass wir über bes-
seren Verbraucherschutz in diesem Bereich nachdenken
müssen.
Die Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grü-
nen, SPD und CDU fordern die Bundesregierung auf,
dass in den Verhandlungen zur Verbraucherkreditrichtli-
nie diese Punkte noch verbessert werden. Die geplante
maximale Harmonisierung soll nicht beibehalten wer-
den. Eine Maximalharmonisierung schränkt den Hand-
lungsspielraum des nationalen Gesetzgebers ein, etwa
auch einen höheren Schutz des Verbrauchers zu be-
schließen, wie wir das etwa beim Widerrufsrecht mit ei-
ner verbraucherfreundlichen Anpassung des BGB für
Immobiliendarlehensverträge getan haben.
Insgesamt wird das Thema Kreditwürdigkeit einen
höheren Stellenwert bei Kreditgeschäften bekommen.
Mit den neuen Bankenregeln zur Eigenkapitaldeckung
müssen auch die Banken umdenken. Der Begriff Basel II
steht hier für neue Kreditrichtlinien der Banken. Zur Sta-
bilisierung des Bankensystems wird ab Ende 2006 die
Kreditwürdigkeit eines Kunden noch stärker über den
gewährten Kreditzins entscheiden. Bei Firmenkunden
haben schon heute viele mittelständische Unternehmen
Probleme, einen Kredit zu erhalten. Durch ein schlechtes
Rating werden sie in Zukunft noch höhere Zinsen zahlen
müssen.
Auch Verbraucherverbände befürchten bereits, dass
Kredite künftig deutlich teurer oder unerreichbar wer-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4757
(A) (C)
(B) (D)
den. Betroffen seien vor allem Kunden, die nicht so zah-
lungskräftig sind, also Familien und Singles. Wir fordern
die Kreditgeber auf, auch weiterhin eine kundenfreundli-
che und kooperative Kreditvergabepraxis zu verfolgen.
Es muss sichergestellt werden, dass es nicht zu willkürli-
chen Einstufungen von Verbrauchern hinsichtlich ihrer
Bonität kommt. Der Zugang zu Bankkrediten darf nicht
unnötig erschwert werden und die von den Banken vor-
genommenen Verbraucherbewertungen müssen transpa-
rent und einsehbar sein.
Ein bekanntes Problem bei Kreditgeschäften sind un-
zureichende Beratungen durch Kreditvermittler. Der
Richtlinienvorschlag zum Verbraucherkredit sieht hier
neue Regelungen für Kreditvermittler vor. In Kapitel XI
sind Meldepflichten, Rechtsstellung und Kontrolle so-
wie Pflichten von Kreditvermittlern festgeschrieben.
Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Ver-
bände führt jedes Jahr eine Aktionswoche zur Schuld-
nerberatung durch. Am 5. Juni fand in diesem Zusam-
menhang die Fachtagung „Geschäfte mit der Armut –
Vom (richtigen) Umgang mit gewerblichen Schuldenre-
gulierern und Kreditvermittlern“ in Berlin statt. Der
erste Armutsbericht der Bundesregierung hatte festge-
stellt, dass derzeit nur eine Minderheit der überschulde-
ten Haushalte – 10 bis 15 Prozent – beraten werden
kann. Dies hat auch zur Folge, dass im gesamten Bun-
desgebiet immer mehr unseriöse Anbieter auftreten, wel-
che die verzweifelte Situation überschuldeter Menschen
sozialschädlich ausnutzen. Schuldner werden zusätzlich
finanziell geschädigt, die versprochenen Kreditlösungen
kommen nicht zustande.
Bündnis 90/Die Grünen begrüßen die Vorschläge im
Richtlinienentwurf, dass die vorvertraglichen Informa-
tionen und Beratungen möglichst umfassend erfolgen
sollen. Vor Abschluss des Kreditvertrags sollen dem
Verbraucher die Bedingungen und Kosten sowie die Ver-
pflichtungen, die •er mit dem Vertrag eingeht, klar und
verständlich dargestellt werden. Die Beratung muss so
gestaltet sein, dass der Verbraucher aus der Palette der
vom Kreditgeber oder Vermittler gewöhnlich angebote-
nen Kreditformen den für ihn günstigsten Kredit aus-
wählen kann. Der Berater muss dabei insbesondere auf
die Rückzahlungsmöglichkeiten des Verbrauchers und
die damit verbundenen Risiken eingehen.
Sibylle Laurischk (FDP): Das Zusammenwachsen
der Europäischen Union führt zu einer Internationalisie-
rung auch von Verbraucherkrediten. Da nicht nur in der
Bundesrepublik, sondern auch in der gesamten Europäi-
schen Union eine zunehmende Verbraucherverschuldung
festzustellen ist, zeigt sich die Notwendigkeit, auch den
Verbraucherschutz europaweit zu gestalten. Ein transpa-
renter, grenzüberschreitender Markt ist nur dann erreich-
bar, wenn Verbraucher wie Kreditwirtschaft europaweit
kalkulierbare Rahmenbedingungen finden können.
Im Zuge der Beratungen hat sich offensichtlich für
alle Fraktionen die Frage einer Maximalharmonisierung
bzw. die Schaffung von Mindeststandards gestellt. Dabei
hat sich die Einschätzung herauskristallisiert, dass ein-
zelstaatliche Regelungen im Falle einer Maximalharmo-
nisierung ausgeschlossen werden, was nicht im Interesse
der Verstärkung des Verbraucherschutzes wäre. Stattdes-
sen bieten Mindeststandards eher die Möglichkeit, auch
mit im Einzelfall günstigen nationalen Regelungen die
Verbraucherrechte zu stärken. Unter dieser Vorausset-
zung scheint es aber auch nicht sinnvoll, einzelne Kre-
dit- und Versicherungsverträge aus dem Geltungsbereich
der Richtlinie auszuschließen. Bestimmte Bereiche, die
in der Ausführung zu Art. 3 dargestellt sind, sollten den-
noch als Ausnahme gehandelt werden. Im Interesse des
Verbraucherschutzes ist es außerdem sinnvoll, von der
Erstellung eines Schuldnerregisters abzusehen, dessen
Praktikabilität im Übrigen sehr fragwürdig ist.
Ein überzogener Verbraucherschutz sollte jedenfalls
nicht Ergebnis der Verbraucherkreditrichtlinie sein, da
die FDP-Fraktion grundsätzlich die Eigenverantwortung
des Bürgers als vorrangig betrachtet und eine zu starke
Handlungseinschränkung durch eine EU-Richtlinie nicht
sinnvoll sein kann. Im Gegenzug würde dies zu einer so
erheblichen Einschränkung des Kreditgewerbes führen,
dass letztendlich eine Kostenbelastung zu erwarten
wäre, die gerade für Einkommensschwache die Auf-
nahme von Krediten unmöglich machen würde.
Im Rahmen von Verhandlungen eine ausgewogene
EU-Richtlinie zu erreichen, ist Aufgabe der Bundesre-
gierung, was erfreulicherweise von allen Fraktionen des
Bundestages so unterstützt wird.
Alfred Hartenbach (Parlamentarischer Staatssekre-
tär bei der Bundesministerin der Justiz): Die EU-Kom-
mission hat im September des letzten Jahres den Vor-
schlag für eine neue Verbraucherkreditrichtlinie
beschlossen, die die Richtlinie von 1986 mit Folgeände-
rungen deutlich überarbeitet.
Die Bundesregierung begrüßt die Zielrichtung des
Vorschlags; denn es ist unabdingbar, dass wir der zuneh-
menden Verbraucherverschuldung in Europa entgegen-
wirken. Die Richtlinie will mehr Transparenz und Si-
cherheit bei Verbraucherkrediten schaffen, sie will den
Wettbewerb verstärken und den Belangen des Verbrau-
cherschutzes Rechnung tragen. Sie will schließlich ein
Verbraucherschutzniveau erreichen, bei dem Kreditan-
gebote unter den bestmöglichen Bedingungen für Anbie-
ter wie für Darlehensnehmer verhandelt werden können.
All das sind gute und erstrebenswerte Ziele.
Ich stimme auch mit dem Entschließungsantrag über-
ein, der heute dem Deutschen Bundestag zur Beschluss-
fassung vorliegt. Wie die Bundesregierung halten die
Verfasserinnen und Verfasser des Antrags wesentliche
Elemente des Richtlinienvorschlags grundsätzlich für
geeignet, die geschilderten Ziele zu erreichen. Dies gilt
für die Einbeziehung von Personalsicherheiten, also die
Erstreckung der Vorschriften der Richtlinie auf Bürg-
schaft und Garantie. Ich begrüße auch die Ausdehnung
der Informations- und Beratungspflichten für Kreditge-
ber sowie im Prinzip den neuen Grundsatz der verant-
wortlichen Kreditvergabe.
Ungeachtet dieser grundsätzlichen Zustimmung sehen
wir aber auch Probleme, die wir bei den Beratungen in
4758 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
(A) (C)
(B) (D)
Brüssel geltend gemacht haben. Dies gilt zunächst für
den in der Richtlinie vorgesehenen Maximalharmonisie-
rungsansatz für alle Bestimmungen der Richtlinie. Maxi-
malharmonisierung bedeutet, dass einzelstaatliche Rege-
lungen ausgeschlossen sind. Ein solches einheitliches
Recht kann zwar im Interesse eines freien Waren- und
Dienstleistungsverkehrs sein, im Interesse einer Stärkung
des Verbraucherschutzes ist es jedoch nicht in allen Fäl-
len. Die Bundesregierung hält es deshalb nicht für erstre-
benswert, den Spielraum für strengere einzelstaatliche
Verbraucherschutzregelungen in allen Regelungsberei-
chen auszuschließen. Der Verbraucherschutz in Deutsch-
land müsste bei einer Maximalharmonisierung in erheb-
lichem Umfang reduziert werden. Das wollen wir nicht
und ich begrüße es deshalb sehr, dass der Entschlie-
ßungsantrag diesen Gesichtspunkt aufgreift.
Auch die von der Kommission vorgeschlagenen Än-
derungen des Anwendungsbereichs der Richtlinie sind
nach unserer Überzeugung nicht alle zielführend. Dies
gilt aber nicht nur dann, wenn es zur Maximalharmoni-
sierung kommt. Es ist ja an sich gut, dass die Richtlinie
auf Kreditvermittler und Personalsicherheiten erstreckt
werden soll. Der Anwendungsbereich darf aber auch
nicht zu sehr ausgedehnt werden. So müssen Ausnah-
men für notariell und insbesondere gerichtlich beurkun-
dete Vergleiche gemacht werden. Andernfalls unterfielen
gerichtliche Vergleiche mit Stundungsvereinbarungen
der Richtlinie und könnten praktisch kaum mehr verein-
bart werden. Auch Ausnahmen für Überziehungskredite
und Kleinkredite finde ich im Verbraucherinteresse sinn-
voll. Sollte es wirklich zu einer Maximalharmonisierung
kommen, müssten wir ferner zur Aufrechterhaltung un-
seres hohen Verbraucherschutzniveaus erreichen, dass
alle grundpfandrechtlich gesicherten Kredite, unabhän-
gig vom Verwendungszweck, vom Anwendungsbereich
der Richtlinie ausgenommen werden. So fordert es auch
der Entschließungsantrag.
Die Bundesregierung wird sich auch dafür einsetzen,
dass der im Ansatz gute Grundsatz der verantwortungs-
vollen Kreditvergabe und die entsprechenden Unterrich-
tungs- und Beratungspflichten nicht zu einer unnötigen
Bürokratisierung und damit Verteuerung der Kreditver-
gabe führen. Bei der Ausgestaltung muss die Richtlinie
auch der Eigenverantwortlichkeit des mündigen Ver-
brauchers Rechnung tragen. Die Entscheidung, welcher
Kredittyp für ihn am besten geeignet ist, muss dem um-
fassend informierten Verbraucher selbst verbleiben,
wenn man ihn nicht entmündigen will.
Lassen Sie mich abschließend noch auf das vorgese-
hene Schuldnerregister zu sprechen kommen. Daten-
schutz, Eignung und Praktikabilität – das sind Aspekte,
die wir hier äußert kritisch prüfen müssen. Ist die Rich-
tigkeit der Daten sichergestellt? Welchen Schutz gibt es
gegen fehlerhafte Eintragungen? Auch das sind wichtige,
vom Richtlinienentwurf nicht beantwortete Fragen. Einen
„gläsernen Verbraucher“ darf es jedenfalls nicht geben.
Verbraucherschutz ist wichtig, auch und gerade im
gemeinsamen Binnenmarkt und beim sensiblen Thema
des Verbraucherkredits. Wir müssen ihn sachgerecht ge-
stalten. Ich freue mich deshalb, dass der vorliegende
Entschließungsantrag die von mir genannten Gesichts-
punkte aufgreift.
Anlage 16
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung über den Antrag: Für eine Ver-
besserung der privaten Arbeitsvermittlung im
Aupairbereich zur wirksamen Verhinderung
von Ausbeutung und Missbrauch (Tagesord-
nungspunkt 17)
Angelika Krüger-Leißner (SPD): Zunächst einmal
möchte ich sagen, dass ich froh bin, dass der Antrag zur
besseren Vermittlung im Aupairbereich, den wir heute
behandeln, ein interfraktioneller ist. Dies zeigt, dass wir
alle in der Lage sind, Themen auch gemeinschaftlich zu
behandeln und umzusetzen, und das über die Fraktions-
grenzen hinweg. Das wird und soll nicht bei allen politi-
schen Entscheidungen so sein. Dazu sind die Unter-
schiede zu groß. Aber es nährt die Hoffnung, dass wir
bei den wichtigen Reformvorhaben, die die Bundesre-
gierung vorlegt und bei denen wir die Zustimmung des
Bundesrates brauchen, auch zu einer Einigung kommen
werden. Für unser Land wäre das unendlich wichtig.
Nun aber zu vorliegendem Antrag: Aupairverhält-
nisse dienen in erster Linie dazu, jungen Menschen die
Möglichkeit zu bieten, andere Kulturen und Sprachen
kennenzulernen. Sie sind nicht primär als Arbeitsver-
mittlung im eigentlichen Sinne zu verstehen. Dennoch
ist der Aspekt der häuslichen Arbeit und insbesondere
der Hilfe bei der Kinderbetreuung ein wichtiger Teil von
Aupairprogrammen und muss daher auch arbeitsrecht-
lich behandelt werden. Aupairs betreuen Kinder, helfen
im Haushalt und erhalten im Gegenzug ein Zimmer bei
der Gastfamilie, Verpflegung und Taschengeld. Die Ver-
mittlung von Aupair ist rechtlich damit auch eine Ar-
beitsvermittlung.
Es gibt sicherlich viele andere Möglichkeiten des
Kulturaustausches als das klassische Aupairprogramm.
Aber für viele junge Leute, insbesondere für viele junge
Frauen, die circa 90 Prozent der Teilnehmer an Aupair-
verhältnissen ausmachen, spielt diese klassische Form
des Kulturaustausches eine immer noch relevante Rolle.
In früheren Zeiten war der Aupairbereich – wie die ge-
samte Arbeitsvermittlung – sehr geschützt und wurde
durch kirchliche Träger, die diese Aufgabe von der Bun-
desanstalt für Arbeit übertragen bekommen hatten, über-
nommen.
Die Liberalisierung der Arbeitsvermittlung in den
Jahren 1994 und 2002 hat bestimmte Schutzmechanis-
men bei der Vermittlung aufgehoben. So ist seit 1994 das
Alleinvermittlungsrecht für die Bundesanstalt für Arbeit
aufgehoben. Seit dem 27. März 2002 ist zudem die Er-
laubnispflicht für private Arbeitsvermittler sowie das
Verbot von Anwerbung von Ausländern außerhalb der
EU aufgehoben worden. Damit ist es nunmehr privaten
Vermittlern und auch Privatpersonen möglich, Aupairs
anzuwerben.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4759
(A) (C)
(B) (D)
Dennoch sind damit natürlich nicht alle Schutzmaß-
nahmen außer Kraft gesetzt worden. Die Schutzvor-
schriften im SGB III über Aupairverhältnisse sind wei-
terhin gültig und müssen von der Bundesanstalt für
Arbeit überwacht werden. Bei der Bundesanstalt muss
immer noch überprüft werden, ob die Gastfamilien die
Voraussetzungen für eine Aupairtätigkeit erfüllen. Ähn-
liches gilt für die Erteilung von Aufenthaltsgenehmigun-
gen, die die deutschen Vertretungen ausstellen, und die
Prüfungen durch die Ausländerbehörden.
Es war ein Bericht im „Spiegel“ vom 27. Januar 2003
über den tragischen Tod eines rumänischen Aupairmäd-
chens, der hier die Möglichkeiten eines Missbrauchs
durch die Gesetzesänderung zu erkennen meinte.
Tatsächlich ist es aber so, dass, wenn das geltende
Recht hier Beachtung gefunden hätte, es wohl nicht zum
Selbstmord der jungen Frau gekommen wäre. In dem
Fall ist die junge Frau zwar regulär von einer Arbeitsver-
mittlung vermittelt worden. Allerdings war keine Auf-
enthaltsgenehmigung beantragt worden, womit auch die
Arbeitserlaubnis erloschen war. Der Aufenthalt war also
nicht mehr erlaubt. Die Frau hätte nicht mehr in
Deutschland sein dürfen. Hier liegt ein Versäumnis der
zuständigen Behörden vor. Ich gebe zu: Die neue
Rechtslage erfordert, dass die zuständigen Behörden hier
mit größter Gewissenhaftigkeit ihrer Aufgabe nachkom-
men. Um das zu garantieren müssen, wir als Parlament
tätig werden. Das ist der Grund für diesen interfraktio-
nellen Antrag.
Jetzt könnten wir beschließen, dass wir die Arbeits-
vermittlung im Aupairbereich wieder bei der Bundes-
anstalt für Arbeit ansiedeln. Dies lässt der § 292 des
SGB III ausdrücklich zu. Aber das ist weder sinnvoll
noch angemessen. Denn die Bundesanstalt müsste damit
die Vermittlung selber durchführen und dürfte sie nicht
– wie in der bisherigen Praxis – an andere Organisatio-
nen abgeben. Das wäre zum einen von der BA kaum zu
leisten, zum anderen wäre es ein dramatischer Struktur-
rückschritt, den wir nicht wollen. Erfahrungen, wie sie
über Jahrzehnte gemacht wurden, müssen und sollen bei
der Vermittlung eine Rolle spiele. Darüber hinaus würde
eine solche Regelung die private Vermittlung auch nicht
völlig unterbinden. Es wäre immer noch möglich, dass
Gastfamilien selber tätig werden und sich um Aupairs
kümmern. Eine solcher Weg ist durch die entsprechende
Nutzung des § 292 nicht zu verhindern.
Daher müssen wir andere Wege suchen, die einerseits
die Liberalisierung der Arbeitsvermittlung berücksichti-
gen, andererseits aber auch den Aupairs und den Gastfa-
milien Sicherheit bezüglich der Qualität und Seriosität
bei der Vermittlung garantieren. Die Absprachen auf den
verschiedenen Ebenen bei der Beratung dieses Antrags
haben dabei folgende Ergebnisse hervorgebracht – Er-
gebnisse im Übrigen, die aus meiner Sicht sowohl ar-
beitsrechtlich als auch jugend- und kulturpolitisch sinn-
voll sind:
So fordern wir einen Bericht über die möglichen Er-
kenntnisse der Deutschen Botschaften und Konsulate
über die Visaerteilung seit der Deregulierung im März
2002. Ich halte dies für sehr wichtig.
Bisher sind uns nur wenige Fälle bekannt, die Miss-
handlung, Missbrauch oder Ausbeutung in Zusammen-
hang mit Aupair darstellen. Wir müssen wissen, inwie-
weit unsere gesetzlichen Maßnahmen überhaupt Ursache
für solche Fälle sein können. Hierzu benötigen wir die
entsprechenden Informationen von den Behörden.
Weiterhin sollen die Auslandsvertretungen bei der Vi-
saerteilung darauf achten, dass die Antragsteller eine ge-
wisse Sprachkompetenz haben. Hierbei geht es uns nicht
so sehr darum, dass sie in der Lage sind, mit den Gastfa-
milien und den Kindern perfekt zu kommunizieren. Aber
sie müssen in der Lage sein, in Deutschland bei Proble-
men mit der Gastfamilie Hilfe zu suchen. In diesem Zu-
sammenhang müssen Konsulate und Botschaften ent-
sprechend darauf achten, dass diese Sprachkompetenz
gewährleistet ist. Ebenfalls an dieser Stelle muss klarge-
stellt werden, dass ein Besuchervisum nicht ausreichend
ist, um einer Aupairtätigkeit nachzugehen,
Was die rechtlichen Rahmenbedingungen, die das
SGB III setzt, betrifft, so muss den Aupairs durch die
Arbeitsämter ein entsprechendes Merkblatt zugeteilt
werden, das Rechte und Pflichten während des Aufent-
halts darstellt. Es gab Überlegungen, dieses Merkblatt in
allen Sprachen schon an den Auslandsvertretungen aus-
zugeben. Das ist aus meiner Sicht nicht erforderlich und
auch kaum zu handhaben. Die Aupairs sollen ja eine
Sprachkompetenz nachweisen. Die muss ausreichen, um
das Merkblatt zu verstehen. Das heißt aber auch, dass die
Behörden darauf hinwirken müssen, dieses Merkblatt
nicht in kompliziertem Amtsdeutsch, sondern in einer
verständlichen Sprache zu verfassen.
Des Weiteren wollen wir die Innenminister der Län-
der darauf hinweisen, die Ausländerbehörden aufzufor-
dern, Fällen, in denen das Visum abgelaufen ist, nachzu-
gehen und zu prüfen, ob die Ausreise erfolgt ist. Auch
hier gab es Diskussionen, weil viele anmerkten, das sei
nicht nötig. Denn das sei ja schon geltendes Recht. Aber
es war genau ein solches Versäumnis, das zu dem ent-
sprechenden Fall, wie ihn der „Spiegel“ beschrieben hat,
geführt hat. Hier schadet es also nichts, die Problematik
erneut hervorzuheben.
Die Arbeitsämter können allerdings nicht alle Sorgen
zu beheben helfen, die sich aus Aupairverhältnissen er-
geben können. Sie sind nur zuständig bei Problemen, die
sich aus dem SGB III und den darin enthaltenen Schutz-
maßnahmen ergeben. Aber auch allgemeine Probleme
mit der Gastfamilie treten auch immer wieder auf. Hier-
für müssen wir eine Anlaufstelle für diejenigen jungen
Frauen und Männer schaffen, die nicht über eine Organi-
sation vermittelt wurden, die hier Hilfe bietet. Welche
Art von Anlaufstelle das sein könnte, haben wir in dem
Antrag nicht konkretisiert. Es muss nur klar sein, dass es
sich um eine kompetente regionale Stelle handelt. Die
Ausländerbehörden halte ich hier nicht für besonders ge-
eignet. Sie hätten zwar fachliche Kompetenz, werden
aber bei Problemen aus Angst davor, das Land verlassen
zu müssen, eher nicht aufgesucht.
Eine geeignete Möglichkeit aus meiner Sicht sind die
neuen Job-Center, da hier sowohl arbeitsrechtliche Kom-
petenz wie die Zuständigkeit kommunaler Einrichtun-
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gen, beispielsweise der Jugendämter, versammelt sein
werden. Zudem sind diese Stellen flächendeckend vor-
handen. Diese Frage muss aber die Bundesregierung
prüfen und die bestmögliche Anlaufstelle für Aupairs
einrichten.
Der letzte Punkt unseres Antrages betrifft die Frage
nach den Qualitätsstandards bei privaten Arbeitsvermitt-
lern im Aupairbereich. Hier gibt es viele Organisationen
mit Erfahrungen, die zum Teil über viele Jahrzehnte ge-
hen. Aber es gibt auch viele neue Organisationen, die die
Deregulierung hervorgebracht hat. In der Tat reicht es
heute aus, einen Gewerbeschein für private Arbeitsver-
mittlung zu besitzen, um privat Aupairs zu vermitteln.
Nicht alle diese neuen Vermittlungsorganisationen arbei-
ten ähnlich kompetent und seriös, wie es bisher im Au-
pairbereich üblich war.
Wir können, aus schon erwähnten Gründen, nicht zu
einem Genehmigungsvorbehalt kommen, wie er auch
schon geordert wurde. Dieser würde auch den seriösen
Agenturen die Existenzgrundlage entziehen. Unser Ziel
muss es also sein, eine Art Zertifizierung bzw. ein Güte-
siegel für private Vermittlungsorganisationen zu schaf-
fen. Eine generelle finanzielle Förderung dieser Quali-
tätssicherung, die eine Überführung dieses Bereichs in
die Jugendhilfe bedeutet, ist finanziell nicht darstellbar.
Aber wir haben auch in anderen Bereichen schon gute
Erfahrungen mit freiwilligen Selbstverpflichtungen ge-
macht. Die Organisationen könnten ein gemeinsames
Gütesiegel schaffen, das geprüfte und seriöse Vermitt-
lungen erkennbar macht.
Dieses wäre angesichts der Öffnung sowohl für die
jungen Menschen, die gerne ein Aupairjahr machen wol-
len, wie auch für die Familien, die auf eine kompetente
Vermittlung setzen, eine wichtige Hilfe. Hier ist es not-
wendig, dass sich die entsprechenden Akteure, die Ver-
mittlungsorganisationen, die Vertreter der Jugendminis-
terien der Länder, die kommunalen Spitzenverbände und
die Bundesregierung an einen Tisch setzen und hierfür
einen Fahrplan erstellen. Ein solches Treffen ist auch
schon geplant.
Es muss so sein, dass seriöse und kompetente Ver-
mittlungen einen Wettbewerbsvorteil erlangen und an
der Erstellung von Qualitätsstandards mitwirken. Eine
daraus entstehende Selbstregulierung kann viele der Pro-
bleme, die wir heute im Aupairbereich haben, lösen.
Noch einmal: Die allermeisten der betroffenen circa
50 000 Aupairverhältnisse, die wir in Deutschland ha-
ben, sind seriös. Sie sind, neben vielen anderen Aus-
tauschprogrammen, Kulturstipendien und ähnlichen
Möglichkeiten – ich nenne hier nur das „Freiwillige So-
ziale“ oder das „Freiwillige ökologische Jahr“ – ein
wichtiger Beitrag zum Kulturaustausch und zum Erwerb
von Sprachkenntnissen. In einer globalisierten Welt, die
zunehmend mehr Verständnis für andere Kulturen erfor-
dert, ist das ganz wichtig.
Aber es ist eben auch so, dass unsere Schritte zur De-
regulierung auch Missbrauchsmöglichkeiten eröffnet ha-
ben können. Zum Glück ist das nur in Einzelfällen so
und zumeist dann, wenn die entsprechenden Behörden
ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind. Wir
wissen das nun und haben es geschafft, in Zusammen-
arbeit mit allen Fraktionen dem entgegenzuwirken und
Änderungen zu fordern. Die Bundesregierung ist diesen
Forderungen gegenüber sehr offen. Wir sind nicht ge-
zwungen, Abstriche im Bereich der Liberalisierung der
Arbeitsvermittlung vorzunehmen. Auch das ist wichtig.
Es ist gut, dass wir in der Lage sind, in solchen Fällen
über die Fraktionsgrenzen hinweg schnell und kompe-
tent Politik umzusetzen.
Rita Pawelski (CDU/CSU): Im März 2002 wurde
mit der Liberalisierung des Arbeitsmarktes ein dringend
notwendiger und gut gemeinter Schritt zur Verbesserung
der Beschäftigungssituation getan. Hier hat sich aber
mal wieder gezeigt: Nicht alles, was gut gemeint war,
hat sich gut entwickelt. Denn mit der Deregulierung des
Arbeitsmarktes wurde die Vermittlung von Aupairkräf-
ten praktisch freigegeben mit der Folge, dass massenhaft
schwarze Schafe auf den Agenturmarkt strömen: Das
sind Vermittler, denen nicht das Wohl der jungen Au-
pairkräfte am Herzen liegt, sondern die eigene Briefta-
sche. Aupairkräfte, meine Damen und Herren, sind keine
billigen Arbeitskräfte!
Aupairkräfte sind junge Menschen ab 17 Jahre, oft
Frauen, die, ausgestattet mit – meist wagen – Deutsch-
kenntnissen, ein Jahr lang in einer deutschen Familien
leben wollen, die für ein Taschengeld bis zu fünf Stun-
den täglich Babysitting oder Hausarbeit übernehmen und
nebenher die deutsche Sprache und die deutsche Kultur
kennen lernen wollen.
Die Bedingungen für ihre Beschäftigung sind festge-
schrieben im europäischen Abkommen über die Aupair-
beschäftigung, das von der Bundesrepublik Deutschland
zwar nicht ratifiziert, aber maßgeblich anerkannt wurde.
Somit, sollte man meinen, ist alles klar geregelt. Ist es
aber nicht!
Durch die Entscheidung im März 2001, die hier in
diesem Hause einmütig getroffen wurde, hat sich einiges
verändert: Vor der Deregulierung mussten für die Lizenz
zum Aufbau und Betrieb einer Arbeitsvermittlungsagen-
tur eine Gebühr von 3 000 DM gezahlt und zusätzlich
strenge Auflagen erfüllt werden. Die 200 Agenturen, die
vom Arbeitsamt die Genehmigung erhielten, wurden re-
gelmäßig durch die Landesarbeitsämter kontrolliert. Es
war also bekannt, wer vermittelte, wohin er vermittelte
und vor allem, wen er vermittelte.
Die Aupairvermittlung hat sich bereits in den Jahren
vor der Deregulierung zum Wachstumsmarkt entwickelt:
1998 kamen 17 831 nach Deutschland, 2001 waren es
schon 24 657, davon 15 698 aus Nicht-EU-Ländern.
Mit der Deregulierung explodierte dieser Markt im
wahrsten Sinne des Wortes, denn den Vermittlern wurde
es leicht gemacht: Aupairs werden nicht mehr durch
kontrollierte Agenturen betreut, sondern jeder, der für
schlappe 20 Euro einen Gewerbeschein mit der Auf-
schrift „Arbeitsvermittlung“ erhält, kann diesem Job
nachgehen. Nach Auskunft der Bundesanstalt für Arbeit
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ist es ganz einfach, einen Gewerbeschein zu erhalten,
eine Kontrolle findet nicht statt.
Mittlerweile gibt es weit mehr als 1 000 neue Vermitt-
ler. Die genaue Zahl kennt niemand, weil über die örtli-
chen Vermittlungen hinaus viele Kontakte über das In-
ternet geknüpft werden. Und mit der Zahl der Vermittler
steigt die Zahl der schwarzen Schafe – nur: Die Suppe
müssen die Aupairs auslöffeln.
Ich betone noch einmal: Der Aupairmarkt hat sich
zum Tummelplatz für skrupellose Abzocker entwickelt,
die aus dem Schicksal der Mädchen Profit schlagen wol-
len. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen, einige von
den Hunderten, die mir seit Beginn der Diskussion zuge-
tragen wurden.
Es gibt Internetseiten, die den Benutzer mit den Wor-
ten „Willkommen bei der Sexy-Aupairagentur“ begrü-
ßen. Weiter geht es mit den Worten: „Wir machen den
Unterschied, denn unsere Aupairmädchen sind heiß und
sexy!“ Weitere Beschreibungen unterlasse ich, denn sie
passen nicht in dieses Haus.
Ein in Polen ansässiges Unternehmen lockt junge
Frauen aus Osteuropa nach Deutschland, verspricht ih-
nen Jobs als Aupairs, hat aber in Wirklichkeit nur die
Absicht, sie auf dem Heiratsmarkt anzubieten. Ein Mäd-
chen aus der Ukraine musste täglich bis zu 16 Stunden
arbeiten. Neben Babysitten hatte sie Schwerstarbeit zu
verrichten, die weit außerhalb ihres eigentlichen Aufga-
benbereiches lag. Extrem ausgenutzt wurde eine Afrika-
nerin, die einen Sieben-Personen-Haushalt alleine versor-
gen musste. Inklusive waren die Betreuung des Babys
und des 80-jährigen behinderten Großvaters, bei dem sie
sogar die Windeln wechseln musste.
Zudem mangelt es den Aupairs oft an ausreichendem
Essen und geeigneten Schlafmöglichkeiten. So ist ein
Fall bekannt, bei dem ein Aupair mit vier großen Hun-
den gemeinsam in einem Zimmer untergebracht war.
Unseriöse Vermittler entdeckte ein Fernsehteam, das
spontan vier nach dem Zufallsprinzip ausgesuchte Agen-
turen aufgesucht hat – mit versteckter Kamera. Unver-
blümt wurde den Vermittlern klar gemacht, man suche
eine billige Arbeitskraft: „Die muss schon richtig mit an-
packen und Kisten schleppen, denn ich habe einen Bier-
versand.“ Bis hin zum „Ich habe eine Tochter, die
braucht eine Aupair – aber auch ich brauche die Aupair,
wenn sie wissen, was ich meine.“ In allen Fällen, auch
im letzteren, wurde eine Vermittlung zugesagt. Die Pro-
vision wurde einfach von 400 Euro auf 800 Euro herauf-
gesetzt. Dabei ist die Höchstgrenze für die Vermittlungs-
gebühr der Agenturen per Gesetz festgelegt: Sie beträgt
150 Euro.
Liebe Bundesregierung, von diesen Beispielen gibt es
eine Fülle und trotzdem wollen Sie davon nichts mitbe-
kommen haben? Ihr Problembewusstsein ist erschre-
ckend. Im April dieses Jahres stellte ich eine schriftliche
Anfrage, in der es um die besondere Schutzbedürftigkeit
von Aupairs ging. Staatssekretär Rezzo Schlauch ant-
wortete, dass weibliche Aupairs mit 18 Jahren volljährig
und damit voll geschäftsfähig seien. Daher seien beson-
dere Schutzvorschriften für sie nicht notwendig. Zudem
gebe es angesichts der Freizügigkeit auf dem Arbeits-
markt für EU-Bürger keine speziellen Regelungen, um
ihnen Schutz zu gewähren.
Der Herr Staatssekretär bewies erschreckend seine
Unkenntnis: Aupairs können auch 17 Jahre alt sein.
Demnach sind sie nicht immer volljährig. Sie brauchen
unseren Schutz, sie brauchen den Schutz des Staates!
Noch ahnungsloser gebärdeten sich die Mitarbeiter
der Bundesanstalt für Arbeit, als sie im Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend nach den Auswir-
kungen der Deregulierung befragt wurden. Es tat gut,
dass die Staatssekretärin Riemann-Hahnewinkel fach-
kundig Hilfe versprach.
Diese Hilfe, meine Damen und Herren, ist dringend
geboten; denn die jungen Menschen kommen doch nach
Deutschland, um eine Vorstellung von unserer Lebens-
weise, Kultur und Mentalität zu bekommen Überlegen
Sie sich mal, mit welchen Eindrücken sie wieder nach
Hause fahren. Diese negativen Erfahrungen sind weder
für diese jungen aufgeschlossenen Menschen noch für
Deutschland gut. Beide leiden darunter.
Es existiert also ein dringender Handlungsbedarf.
Schließlich geht es hier nicht um Ware, sondern um
Menschen. Und darum ist es gut, dass wir heute diesen
gemeinsamen Antrag behandeln. Mit dem Antrag wird
unter anderem eine Überprüfung gefordert, inwieweit
durch Zusammenarbeit auf nationaler Ebene regional ge-
eignete Institutionen als Ansprechstellen für Aupairs be-
nannt und diese auch entsprechend bekannt gemacht
werden können.
Weiterhin soll sichergestellt werden, dass die Arbeits-
ämter Antragstellern bei der Erteilung der Arbeitserlaub-
nis das Merkblatt für Aupairs, aus dem die Rechte und
Pflichten während des Aufenthalts in der Gastfamilie
hervorgehen, persönlich aushändigen.
Und es soll sichergestellt werden, dass die deutschen
Auslandsvertretungen bei der Erteilung eines Besuchsvi-
sums darauf hinweisen, dass eine Aupairbeschäftigung
im Rahmen dieses Visums nicht erlaubt ist. Das ist wich-
tig, denn nach Erkenntnissen seriöser Agenturen finden
immer mehr Vermittlungen von Aupairs über ein von der
Botschaft ausgestelltes Besuchervisum statt.
Diese Mädchen arbeiten hier illegal, sie haben keinen
Schutz und sind auf Gedeih und Verderb dem Vermittler
ausgeliefert. Nicht wenige werden gegen ihren Willen
zur Prostitution gezwungen, und sind dann erreichbar
unter gewissen Telelefonnummern. Das können wir
nicht zulassen und wir dürfen schon gar nicht weg-
schauen.
Noch einmal: Es ist richtig, hier heute unseren ge-
meinsamen Entschließungsantrag zu behandeln. Persön-
lich aber, das sage ich ganz deutlich, wäre ich gern noch
einen Schritt weiter gegangen: Wir müssen erreichen,
dass es den schwarzen Schafen unmöglich gemacht
wird, unter dem Deckmäntelchen Aupair Menschenhan-
del zu betreiben. Darum wäre ich für eine Pflichtzertifi-
zierung. Aber hoffen wir im Interesse der jungen Men-
schen, dass eine Zertifizierung auf freiwilliger Basis
greift. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss!
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Jutta Dümpe-Krüger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, einen
gemeinsamen, überfraktionellen Antrag für eine Verbes-
serung der privaten Vermittlung im Aupairbereich hinzu-
bekommen, der dazu beitragen soll, Ausbeutung und
Missbrauch in diesem Bereich zu verhindern, besonders
deshalb, weil die Mehrheit der Aupairs junge Frauen ab
17 Jahren sind, die unseres besonderen Schutzes bedür-
fen.
Ein Aupairverhältnis ist die Möglichkeit für junge
Menschen, ein Jahr lang andere Sprachen und Kulturen
kennenzulernen und so die internationale Verständigung
zu fördern. Rund 30 000 junge Menschen kommen pro
Jahr nach Deutschland. Und rund 20 000 gehen pro Jahr
aus Deutschland ins Ausland. Die überwiegende Zahl
der Aupairverhältnisse trägt also erfolgreich zu gesell-
schafts- und jugendpolitisch wünschenswertem, inter-
kulturellem Lernen bei.
Es gibt in diesem Bereich aber nicht nur eine Sonnen-
seite, sondern es werden auch immer wieder Probleme
sichtbar Hier ist insbesondere die illegale Beschäftigung
und Ausbeutung bis hin zu Missbrauch zu benennen.
Auch wenn die Ursachen für die Probleme vielschichtig
sind: Wir wollen mit unserem gemeinsamen Antrag hier
in erster Linie für Rechtssicherheit sorgen.
Private Arbeitsvermittler und Arbeitsvermittlerinnen
benötigen derzeit lediglich eine Gewerbeanmeldung, um
anwerbend und vermittelnd tätig werden zu können.
Gastfamilien dürfen Aupairs selbst anwerben, ohne eine
Aupairvermittlungsagentur einschalten zu müssen. Seit-
dem dies möglich ist, besteht die Möglichkeit, dass eine
Grauzone entstehen könnte. Genau das möchten wir alle
gemeinsam verhindern.
Die meisten Aupairs benötigen – da sie aus Nicht-
EU/EWR-Staaten kommen – eine Arbeitserlaubnis und
eine Aufenthaltsbewilligung. Hier gilt es, die Zusam-
menarbeit der daran beteiligten Behörden so zu verbes-
sern, dass illegale Beschäftigung und damit die Gefahr
der Ausbeutung vermieden werden können. Deshalb ha-
ben wir uns entschlossen, die Bundesregierung aufzu-
fordern, einige grundlegende Vorgehensweisen sicher zu
stellen.
Wir erwarten, dass die Bundesregierung bis Ende
2004 einen Bericht über die Entwicklung im Bereich von
Aupair vorlegt. In diesem Bericht sollen sich Informatio-
nen darüber finden, ob es zahlenmäßige Veränderungen
oder sonstige Auffälligkeiten gibt, die aufgrund der De-
regulierung der privaten Arbeitsvermittlung aufgetreten
sind. Außerdem ist es für uns besonders wichtig, dass
junge Menschen, die zu uns kommen, über ihren Status
umfassend informiert sind. Dieses setzt aber auch vo-
raus, dass Aupairs über Sprachkenntnisse verfügen. Dies
sicherzustellen ist Aufgabe der Auslandsvertretungen
und muss im Rahmen der Erteilung von Visa festgestellt
werden. Da die Aupairs über bestimmte Rechte und
Pflichten während des Aufenthaltes in den Gastfamilien
verfügen, müssen sie hierüber auch umfassend infor-
miert sein. Darum sollen die Arbeitsämter ihnen das
Merkblatt für Aupairs persönlich bei der Aushändigung
der Arbeitserlaubnis überreichen.
Die Rechte und Pflichten der Gastfamilien und der
Aupairs sind durch die Bundesanstalt für Arbeit festge-
legt. Dies reicht uns aber so noch nicht. Deshalb wol-
len wir die Einführung einer selbstverpflichtenden Zer-
tifizierung für die Vermittlungsorganisationen und auch
ein gemeinsames Gütesiegel, und zwar deshalb, um für
alle Interessierten erkennbar zu machen, dass es sich
um eine geprüfte Aupairvermittlung handelt. Wir hal-
ten das für unverzichtbar. Wir geben der Bundesregie-
rung den Auftrag, zu prüfen, inwieweit durch Zusam-
menarbeit auf nationaler Ebene regional geeignete
Institutionen als Ansprechstellen für Aupairs benannt
und dann auch entsprechend bekannt gemacht werden
können.
Unsere Intention ist es, negative Einzelfälle im Au-
pair Bereich so weit wie möglich auszuschließen. Und
dafür Sorge zu tragen, dass der Bereich Aupair auch
weiterhin in unserer Gesellschaft einen hohen Stellen-
wert besitzt.
Dirk Niebel (FDP): Die FDP wollte eine Liberalisie-
rung in der Arbeitsvermittlung, damit Arbeitslose mehr
Chancen auf Vermittlung in Arbeit bekommen. Im Ver-
gleich mit den staatlichen Anbietern erhofften wir uns
von privaten Vermittlern mehr Initiative und Alternati-
ven zur bisherigen Vermittlung. Da die Vermittlungsgut-
scheine nicht marktgerecht ausgestattet wurden, hat die-
ses Instrument bisher leider nicht den gewünschten
Erfolg gehabt.
Seit April 2002 können private Arbeitsvermittler
ohne Einschränkung auch Aupairaufenthalte vermitteln.
Hier hat es offensichtlich in einigen tragischen Fällen
Missbrauch gegeben. In der Folge ist ein rumänisches
Aupairmädchen zu Tode gekommen. Das hat große Be-
troffenheit ausgelöst. Aupairaufenthalte sind für junge
Menschen eine preiswerte Möglichkeit, fremde Spra-
chen und Länder durch einen persönlichen und familiä-
ren Kontakt kennen zu lernen. Sie erfordern als Jugend-
austausch einen besonderen Schutz. Ein Missbrauch
durch Ausbeutung oder – im schlimmsten Fall – durch
Zwangsprostitution muss verhindert werden.
Rechte und Pflichten der Gasteltern und der Aupairs
sind durch die Bundesanstalt für Arbeit festgelegt. Die
Caritas und der Bundesverband Aupairsociety haben
mich sehr früh aufmerksam gemacht, dass auch für die
Vermittlung von Aupairs eine Qualitätssicherung not-
wendig ist. Sie haben bereits entsprechende Qualitäts-
standards formuliert. Aupairs müssen bei Konflikten auf
eine seriöse Beratung zugreifen können.
Die geforderte Lizensierung der Aupairvermittlungs-
agenturen hätte aus unserer Sicht aber wieder ein büro-
kratisches Verfahren eingeführt, das wir gerade abge-
schafft hatten. Sie hätte sich auch wegen der
Freizügigkeit von Dienstleistungen in Europa und bei In-
ternetagenturen nicht umsetzen lassen. Darüber hinaus
wollen wir aber weiterhin den Aupairzugang aus dem fa-
miliären Bereich durch persönliche Empfehlung und
durch Eigensuche ermöglichen. Eine Selbstverpflich-
tung der Vermittlungsagenturen scheint uns das passende
Mittel zu sein, um Gastfamilien und Aupairs die aus
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4763
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meiner Sicht notwendige Freiheit und Sicherheit zu ge-
währen. Allein die vorhandenen Sprachkenntnisse soll-
ten für die Auswahl des Aupairs kein Ausschlusskrite-
rium sein; denn schließlich soll es die Sprache im
Gastland lernen. Da die Mehrheit der Aupairs aus Mit-
tel- und Osteuropa kommt, sollten alle Informationsma-
terialien in diesen Sprachen zugänglich sein.
Die vier Fraktionen im Bundestag haben auf die be-
rechtigte Sorge reagiert und diesen interfraktionellen
Antrag vorgelegt. Ich hoffe, dass uns die zügige Bera-
tung gelingt. Hierbei sollten wir auch gleich die Vermitt-
lungsagenturen mit ins Boot holen, damit dann sofort die
notwendigen und passenden Maßnahmen eingeleitet
werden können.
56. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10
Anlage 11
Anlage 12
Anlage 13
Anlage 14
Anlage 15
Anlage 16