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    Plenarprotokoll 15/32 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht (31. Sitzung, Zusatztagesordnungspunkte 5 Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . bis 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erich G. Fritz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2530 D 2534 B 2536 C 2540 C 2542 A 2543 D 2547 B 2547 B 2549 C 2550 D 32. Sit Berlin, Freitag, de I n h a Tagesordnungspunkt 13: Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler: Mut zum Frieden und zur Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . Katrin Dagmar Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Clement, Bundesminister BMWA 2479 A 2479 B 2493 B 2505 A 2511 C 2515 C 2520 D 2528 C zung n 14. März 2003 l t : Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – GATS-Verhandlungen – Bildung als öffentliches Gut und kulturelle Vielfalt sichern – GATS-Verhandlungen – Transparenz und Flexibilität sichern 2545 C 2547 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. März 2003 2479 (A) (C) (B) (D) 32. Sit Berlin, Freitag, de Beginn: 9
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    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. März 2003 2547 (A) (C) (B) (D) Randinformationen hinaus durchsetzen. Wir glauben, dass die veränderte Form internationaler Rechtssetzung einmal, ob dies nicht der bessere Weg wäre. Dann wä- ren wir in der Lage, gemeinsame generelle Regeln zu wollen die Beteiligungsrechte des Parlaments über Herren von der SPD und Bündnis 90/Die Grünen noch Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – GATS-Verhandlungen – Bildung als öffent- liches Gut und kulturelle Vielfalt sichern – GATS-Verhandlungen – Transparenz und Flexibilität sichern (31. Sitzung, Zusatztagesordnungspunkte 5 bis 7) Erich G. Fritz (CDU/CSU): Ich spreche zum Koali- tionsantrag GATS-Verhandlungen – Transparenz und Flexibilität. Mir liegt als erstes daran, zu sagen, dass wir einen bestimmten Grundtenor des Antrages teilen. Wir Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adam, Ulrich CDU/CSU 14.03.2003 Austermann, Dietrich CDU/CSU 14.03.2003 Breuer, Paul CDU/CSU 14.03.2003 Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.03.2003 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 14.03.2003 Hartnagel, Anke SPD 14.03.2003 Laurischk, Sibylle FDP 14.03.2003 Lehn, Waltraud SPD 14.03.2003 Möllemann, Jürgen W. fraktionslos 14.03.2003 Müller (Gera), Bernward CDU/CSU 14.03.2003 Rühe, Volker CDU/CSU 14.03.2003 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 14.03.2003 Schmidt (Salzgitter), Wilhelm SPD 14.03.2003 Schneider, Carsten SPD 14.03.2003 Seib, Marion CDU/CSU 14.03.2003 Volquartz, Angelika CDU/CSU 14.03.2003 Wettig-Danielmeier, Inge SPD 14.03.2003 Wieczorek (Böhlen), Jürgen SPD 14.03.2003 Anlagen zum Stenografischen Bericht über multilaterale Verhandlungen dringend einer stärke- ren Beteiligung des Parlaments bedarf, wenn der Prozess der Globalisierung Akzeptanz in den Augen der Bevöl- kerung finden soll. Es gibt einen Anspruch der interessierten Öffentlich- keit auf frühzeitige Information, auf voraussehbare Dis- kussions- und Beteiligungsformen. Es gibt einen An- spruch des Parlaments als Gesetzgeber in einer Welt, in der immer mehr Regeln und Festsetzungen über supra- nationale und multilaterale Verhandlungen herbeigeführt werden. Soweit der Antrag von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen dieses Ziel verfolgt, unterstützen wir ihn. Anlass und Art des Vorgehens der Koalition scheinen mir aber sehr fragwürdig zu sein, um nicht zu sagen, falsch: Es ist ein purer Zufall, dass anlässlich der Ab- gabe der Verhandlungsangebote zu den GATS-Verhand- lungen durch die Europäische Kommission dieser An- trag gestellt wird. Es ist auch zufällig, dass gerade die GATS-Verhandlungen den Anlass für diese Diskussion und für den Antrag bieten, weil interessierte Abgeord- nete sich gerade diesen Teil der EU-Angebote ausge- sucht haben. Wir haben uns nicht mit gleicher Intensität um andere Offers bzw. um andere Teile der Verhandlun- gen in den Verhandlungsgruppen der WTO gekümmert. Im Prinzip habe ich überhaupt nichts dagegen, wenn die Koalition ein Exempel gegen die eigene Regierung statuieren will, um ihr einmal zu zeigen, wie sie sich nach der Auffassung der Koalition eigentlich verhalten sollte. Ich gehöre zu denen, die seit Jahren sagen, dass wir andere Formen der vorbereitenden Beteiligung des Parlaments brauchen, und bin auch schon lange der Auffassung, dass die Regierung von sich aus nicht nur eine Information, sondern eine Beteiligung des Parlaments herbeiführen soll. Wenn wir die Situation verändern wollen, dann muss allerdings das ganze Parlament darauf dringen, dass es fest geregelte, formalisierte Beteiligungsformen gibt, die bisher nicht existieren und deshalb entwickelt werden müssen. Die Vorbereitung von Verhandlungspositionen wie auch wesentliche Schritte der Verhandlungen selbst müs- sen transparent sein. Auch insofern folge ich der Inten- tion des Antrages. Ich glaube, dass der Deutsche Bun- destag durch sein beharrliches Drängen auf frühzeitige Information und Öffentlichkeit bereits dazu beigetragen hat, dass ein großes Maß der früheren Geheimniskräme- rei aufgehört hat. Jetzt geht es darum, dass über die Kenntnisnahme der Positionen auch die Abwägung, die politische Diskussion und die Abschätzung der Folgen in eine geordnete Bahn gelenkt werden und ein Prozess im Bundestag vereinbart wird, der die Beteiligung des Par- laments regelt. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es sicher sinn- voll, wenn die Koalition ihren Antrag zurückziehen würde. Vielleicht überlegen Sie, meine Damen und 2548 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. März 2003 (A) (C) (B) (D) entwickeln, in welcher Form die Bundesregierung in Zukunft die zuständigen Ausschüsse des Bundestages bei welcher Gelegenheit und in welchem Umfang und zu welcher Zeit befassen muss, um eine tatsächliche Beteiligung des Parlaments zu gewährleisten. Es darf in Zukunft nicht dem zufälligen Engagement einiger Abgeordneter und dem guten Willen des Ministe- riums überlassen bleiben, ob es eine Parlamentsbeteili- gung gibt oder nicht. Zum Antrag selbst stelle ich fest, dass man ihm sehr deutlich anmerkt, dass er mit der heißen Nadel gestrickt ist. Er ist an einigen Stellen sehr oberflächlich. Er enthält formulierte Befürchtungen, die nach Kenntnis der Unter- lagen nicht haltbar sind. Einige Fragen des Antrages sind nur aufrechtzuerhalten, wenn man beharrlich nicht zur Kenntnis nimmt wie das GATS konstruiert ist. Damit kein Irrtum aufkommt: Der Bundestag hat die Pflicht zur Abschätzung der Folgen von zu erwartenden internatio- nalen Vereinbarungen. Unklarheiten müssen aufgeklärt werden. Deshalb ist die vom Wirtschaftsausschuss be- schlossene Anhörung insbesondere zu Mode 4 des GATS-Angebotes wichtig und sinnvoll. Nach unserer Auffassung muss man dazu aber das Verfahren zwischen Berlin, Brüssel und Genf nicht an- halten. Der Parlamentsvorbehalt ist deshalb eine über- triebene Reaktion, die auch nur zufällig an dieser Frage aufgehängt wird. Wir wissen, dass alle jetzt entwickelten Verhandlungsangebote veränderbar sind, dass uns nichts daran hindert, auch im weiteren Verlauf noch Grenzen einzuziehen, insbesondere dann, wenn es uns gelingt, das Netzwerk der nationalen Parlamente in Europa wei- ter zu verstärken. Manches aus dem Antrag muss man auch gar nicht verstehen. Heute Morgen wurde in der Debatte zum Zu- wanderungsgesetz noch für die dort vorgesehene Aufhe- bung des Anwerbungsstopps geworben. Heute Abend gibt es große Befürchtungen bei offensichtlich sehr ge- ringen Öffnungen, die die Bundesregierung nach ihren eigenen Aussagen auch noch von Arbeitsmarktprüfun- gen abhängig machen will. Eines muss man jedoch anerkennen: Die EU-Ange- bote sind im Vergleich zu dem, was wir von anderen Ländern fordern, eher bescheiden und lösen bei Ent- wicklungsländern keinerlei Jubel aus. Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass man auf Dauer nicht erwarten kann, dass andere ihre Märkte für uns öffnen, wir selbst aber in Restriktionen und Abschottung erstar- ren. Sie schreiben, meine Damen und Herren von der Koalition, mit Recht in Ihrem Antrag, dass der Teil des Dienstleistungshandels noch weit hinter dem Dienstleis- tungsanteil an der Wertschöpfung Deutschlands zurück- steht. Gerade das GATS bietet deshalb große Möglich- keiten für deutsche Dienstleistungserbringer auf anderen Märkten. Dazu gehört natürlich auch das Signal, dass dieser Prozess keine Einbahnstraße ist und wir wissen aus der Erfahrung der letzten Jahrzehnte, dass nur dann auf Dauer eine hohe Leistungskraft in bestimmten Bran- chen erreicht werden kann, wenn sie auch tatsächlich dem Wettbewerb ausgesetzt ist. Dann erwecken Sie in Ih- rem Antrag erneut den Eindruck, es gebe einen Zwang zur Liberalisierung hoheitlich erbrachter Dienstleistun- gen, was nach dem Angebot der EU-Kommission in kei- ner Weise zu erwarten ist. Gerade das GATS ermöglicht es wie kein anderes Abkommen der WTO, die nationa- len Sonderheiten auch national zu regeln. Wieviel GATS jedes Land will, entscheidet es im Prinzip selbst. In dem Antrag heißt es unter III., die EU-Kommission müsse die Zeitabläufe der nationalen Parlamente stärker be- rücksichtigen und auf Vertraulichkeit verzichten. Dem stimmen wir im Prinzip zu; allerdings muss umgekehrt auch gesagt werden, dass die nationalen Parlamente die Zeitabläufe der multilateralen Verhandlungen berück- sichtigen müssen und dass wir selbst schneller werden müssen, wenn wir unsere Beteiligungsrechte wahrneh- men wollen. Im Übrigen habe ich mich darüber gefreut, dass die Bundesregierung sich der Forderung nach schnellerer Öffentlichkeit der Verhandlungsgrundlagen angeschlos- sen hat und dass Herr Lamy bei seinem Gespräch mit Mitgliedern des Bundestages auch erklärt hat, dass nach der Zustimmung des Rates die EU-Position ins Internet eingestellt würde. Im Punkt 2 des Kapitels 3 fordern Sie, die betroffenen Fachausschüsse des Deutschen Bundestages müssten frühzeitig, regelmäßig, umfassend und detailliert über den Fortgang der GATS-Verhandlungen informiert wer- den. Das scheint mir nach allem, was wir in der Vergan- genheit erfahren haben, zu wenig zu sein. Man kann der Bundesregierung nicht nachsagen, dass sie ihre, vor al- len Dingen informellen Informationen gegenüber inter- essierten Abgeordneten nicht verbessert haben. Jetzt geht es darum zu überlegen, in welcher Form ein stan- dardisiertes und formalisiertes Beteiligungsverfahren or- ganisiert werden kann. Unter III Punkt 5 formuliert die Koalition einen Par- lamentsvorbehalt; dieser Position können wir uns nicht anschließen. Wir sind vielmehr der Meinung, dass wir damit unserem Land und dem Fortgang des Verhand- lungsprozesses einen schlechten Dienst erweisen wür- den. Wie allen bekannt ist, gibt es ohnehin eine Reihe von Zeitüberschreitungen im Verhandlungsprozess. Wir sollten nicht dazu beitragen, dass das Verfahren noch weiter verzögert und erschwert wird. So kann man im Übrigen nur vorgehen, wenn man nicht erkannt hat, dass im Zusammenhang mit den GATS-Verhandlungen es auch um die Durchsetzung von nationalen Interessen und um die Gefährdung eigener Vorteile geht. Diese Position können wir umso leichter einnehmen, als mittlerweile ja bekannt geworden ist, dass zu sensib- len Bereichen die Bundesregierung bereits einen aus- drücklichen Prüfvorbehalt eingelegt hat, sodass auch nachträgliche Korrekturen noch möglich sind. Ebenso scheint ja der Vorschlag auf eine Konditionierung durch eine „wirtschaftliche Bedarfsprüfung“ bei Sektoren mit erkennbaren Arbeitsmarktproblemen ein Weg zu sein, der vorhandene Bedenken bereits berücksichtigt. Wir sind allerdings der Meinung, dass die Bundes- regierung, auch im Gespräch mit fachkundigen Instituten Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. März 2003 2549 (A) (C) (B) (D) und Verbänden, die Zweifelsfälle weiter klären soll, die auch Gegenstand der Anhörung sein werden, sodass man sagen kann, dass die Diskussion bereits Ergebnisse ge- zeitigt hat. Was ich überhaupt nicht verstehe und was offensicht- lich nur so zu erklären ist, dass in der SPD-Fraktion jede Arbeitsgruppe wieder ihr Steckenpferd geritten hat, ohne allzu viele Kenntnisse über die Zusammenhänge zu ha- ben, dass auch im Zusammenhang mit GATS nun alle Themen, die in der WTO überhaupt eine Rolle spielen, auf die GATS-Verhandlungen draufgesattelt werden sol- len. Ich glaube, dass wir die Themen, die zusätzlich an- gesprochen sind, wie Umwelt und Sozialstandards dort behandeln sollten, wo sie hingehören, nämlich in den je- weils dafür vorgesehenen Vertragsverhandlungen. Man kann nicht alle Themen an einer Stelle bearbeiten. In ihrem Antrag ist unter Ziffer 5 dann eine Frage an- gesprochen, ob „geltende nationale und EU-weite Anfor- derungen und Regelungen fortbestehen“, wobei explizit auch die Frage von Tarifverträgen und Mindestlöhnen einbezogen sein soll. Ich weiß wirklich nicht, warum man einen Prüfauftrag vergeben soll für etwas, was aus dem Text des Verhandlungsangebots der EU so unmiss- verständlich hervorgeht wie nur irgend möglich. Und im Übrigen haben sowohl die Bundesregierung als auch der Handelskommissar Lamy das immer wieder geklärt. Ich habe den Eindruck, dass Sie ihrer eigenen Regierung mittlerweile überhaupt nichts mehr glauben. Weiterhin Klärungsbedarf sehe ich bei den so genann- ten „independent professionals“. In diesem Bereich gibt es sehr viel Misstrauen auch von außerhalb des Parla- ments und ich glaube, dass tatsächlich Definitionen ge- funden werden müssen, die frühzeitig klären, was sich dahinter verbirgt. Es hat keinen Sinn, Bereiche zu ver- handeln, derer Umfang im eigenen Verständnis nicht klar ist. Verwundert hat mich, dass in Ihrem Antrag erneut Sorgen zum Ausdruck kommen über eine Öffnung der Dienstleistungsmärkte für verschiedene Bereiche aus der öffentlichen Daseinsfürsorge. Das verwundert deshalb, weil Sie wissen, dass die Europäische Union dazu über- haupt keine Angebote gemacht hat und auch nicht beab- sichtigt zu machen. Übereinstimmen kann ich mit Ihrem Antrag wieder in der Forderung nach einer klaren Defi- nition der öffentlichen Daseinsvorsorge. Das würde si- cher auch in Zukunft Interpretationsschwierigkeiten ver- meiden. Wenn Sie unter Punkt 6 formulieren, dass Flexibili- tät und Transparenz erhöht werden sollen, und dann die Forderung erheben, „dies betrifft zum einen die souveräne Entscheidung der WTO-Mitglieder, welche Sektoren sie in welchem Ausmaß für ausländische An- bieter öffnen wollen, zum anderen, welche Sektoren sie von den GATS-Verpflichtungen ausnehmen wol- len“, so würde ein solche Formulierung auf uns selbst zurückfallen und Arbeitsplätze kosten. Bei all dem, was letztendlich vereinbart wird und was nicht ohne- hin in der freien Entscheidung der Nationalstaaten steht, muss das Recht auf Gegenseitigkeit gelten, sonst machen Abkommen keinen Sinn. Insgesamt sind wir der Meinung, dass der Antrag in keiner Weise geeignet ist, um die eigentlich bestehenden Probleme sachgerecht anzusprechen, und deshalb stim- men wir ihm nicht zu. Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dass eine funktionierende Dienstleistungswirtschaft, bei- spielsweise in Sektoren wie der Finanzwirtschaft, der Te- lekommunikation oder dem Verkehr weltweit von Bedeu- tung ist und als eine entscheidende Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung gelten kann, wird heute sel- ten bestritten. Seit jetzt mehr als zehn Jahren entwickelt sich gerade der Dienstleistungssektor als dynamischster Bereich der Weltwirtschaft. Fast ein Fünftel des gesamten Welthandels mit Gütern und Dienstleistungen entfällt auf den Bereich der Dienstleistungen. Schätzungen gehen da- von aus, dass im Jahr 2020 der Anteil der Dienstleistun- gen am grenzüberschreitenden Handel 50 Prozent ausma- chen wird. Bereits heute entfallen mehr als die Hälfte der weltweiten ausländischen Direktinvestitionen auf den Dienstleistungssektor. Also gewinnt dieses Thema ge- rade auch für eine exportorientierte Volkswirtschaft wie die unsere an Bedeutung. Die EU ist sowohl der größte Importeur als auch der größte Exporteur von Dienstleis- tungen weltweit. Schon daraus lässt sich ablesen, welche Bedeutung die Dienstleistungswirtschaft für die gesamte Wirtschaftsentwicklung der Mitgliedstaaten hat. Dies gilt mithin auch für Deutschland. So liegt beispielsweise auf der Hand, dass der Markt für Umweltdienstleistungen in allen Weltregionen in den kommenden Jahren massiv wachsen wird. Hieraus ergeben sich erhebliche Poten- ziale für deutsche Unternehmen. Andererseits erstreckt sich das Dienstleistungsabkom- men potenziell auch auf Sektoren, die als äußerst sensi- bel anzusehen sind, beispielsweise den Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen, der Bildung, der Was- serversorgung oder der Gesundheitsdienstleistungen, also auch auf so genannte hoheitliche Aufgaben. Die GATS-Verhandlungen sind ein Teil der laufenden Welthandelsrunde. Sie sollen also gemeinsam mit der so genannten „Entwicklungsagenda“ (Doha Development Agenda), den Agrarverhandlungen, über die wir heute ebenfalls im Bundestag diskutieren, und der Präzisierung des Abkommens zum Schutz des geistigen Eigentums zu einem ausgewogeneren internationalen Handelssystems führen. Aktuell ist unsere Debatte über die GATS-Verhand- lungen, da die Europäische Kommission derzeit ihr Ver- handlungsangebot im Rahmen der Welthandelsrunde der Welthandelsorganisation WTO für das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS-Abkommen) vorbereitet. Dazu sind die Mitglied- staaten aufgefordert, bis zum Ende dieses Monats den Entwurf des Kommissionsvorschlags zu bewerten und in die Welthandelsorganisation einzubringen. Sollen die Schulen von McDonald’s übernommen werden, die Krankenhäuser von Red Bull?, so Verdi und Attac in einem gemeinsamen Flugblatt über die GATS- Verhandlungen. Unbewusst oder bewusst werden damit 2550 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. März 2003 (A) (C) (B) (D) Ängste geschürt gegen die Globalisierung und Liberali- sierung. Ich halte das nicht für verantwortungsbewusst. Über Bildung, Gesundheit, Kultur und Warenversorgung, das hat die EU mit ihrem Verhandlungsangebot klar ge- macht, wird gar nicht verhandelt. Und niemand – so sind die Verhandlungsstrukturen – kann die EU dazu zwin- gen. Für die grüne Fraktion möchte ich erklären, dass wir es außerordentlich begrüßen, dass die Europäische Union in ihrer Verhandlungsposition die Bereiche Bil- dung, Kultur und audiovisuelle Dienstleistungen sowie Gesundheitsdienstleistungen von den Liberalisierungs- verhandlungen ausgenommen hat. Gerade hier hat es in der Öffentlichkeit Einwände und Befürchtungen gege- ben, die sich im Lichte des EU-Angebots nicht bestäti- gen werden. Wir erwarten, dass in diesen Bereichen auch durch die Dynamik der Verhandlungen, an deren Anfang wir ja erst stehen, von der Kommission keine weiteren Angebote gemacht werden. Also: Lasst uns sachlich über die tatsächlichen Verhandlungspunkte zum Beispiel Modus 4 und die Auswirkungen auf die freien Berufe wie zum Beispiel Architekten sprechen und da- bei nicht nur die Gefahren, sondern auch die Chancen sehen. Dass die Diskussion über das GATS-Abkommen in der Öffentlichkeit erhebliche Sorgen und Befürchtungen ausgelöst hat, ist aber zu einem erheblichen Teil auf ein zentrales hausgemachtes Problem der Europäischen Kommission und der WTO-Verhandlungen insgesamt zurückzuführen: Und das besteht in mangelnder Trans- parenz. Ein zentrales Motiv des Koalitionsantrages ist es also, die Transparenz der laufenden Verhandlungen zu erhö- hen. Eine transparente, partizipatorische Beteiligung al- ler WTO-Staaten, der demokratisch legitimierten Parla- mente und der Zivilgesellschaft ist die Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen. Gerade die Parlamente können ein wichtiges Scharnier zwischen Zivilgesellschaft und Verhandlungen bilden. Was bei anderen internationalen Verhandlungen gang und gäbe ist – die Veröffentlichung zentraler Dokumente im Internet –, muss auch bei diesen Verhandlungen gel- ten. Daher fordere ich ganz ausdrücklich, die relevanten Forderungen und Angebote entsprechend zu veröffent- lichen. In den bisherigen Parlamentsberatungen wurde mit Recht beklagt, dass die Zeit nicht ausreicht, sich intensiv mit den Auswirkungen des GATS-Abkommens zu befas- sen. Wir Grünen sprechen uns dafür aus, dies in allen re- levanten Ausschüssen zu tun. Der Wirtschaftsausschuss wird zu diesem Zweck Anfang April eine Anhörung zum Thema durchführen. So gibt es beispielsweise im Bereich der grenzüber- schreitenden, zeitlich begrenzten Dienstleistungen durch Personen (so genannter Modus 4) eine Reihe von offe- nen Fragen, die wir im Parlament mit Vertretern von Verbänden und Nichtregierungsorganisationen beraten müssen. Nicht zuletzt deshalb halte ich es für richtig, vor einem abschließenden, bindenden Votum dem Parlament die Möglichkeit zu geben, seine geplanten Anhörungen durchzuführen und die parlamentarische Willensbildung zügig fortzusetzen. Entwicklungsländer drängen auf die Ausweitung der Liberalisierungsverpflichtungen für den grenzüberschrei- tenden Verkehr natürlicher Personen zur Erbringung von Dienstleistungen. Obwohl mir bekannt ist, dass es sich hier teils um sensible Fragen handelt, sollte sich die EU als einer der Hauptexporteure und -importeure von Dienst- leistungen gegenüber den Anliegen aus Entwicklungslän- dern aufgeschlossen zeigen. Generell gilt, dass wir vor der Übernahme von Ver- pflichtungen im Rahmen des GATS-Abkommens poli- tisch und gesellschaftlich transparent über die Folgen auf die einzelnen Dienstleistungssektoren debattieren müs- sen. Dabei sollte das Tempo der Verhandlungen nicht zu- lasten der Gründlichkeit gehen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass viele Entwicklungsländer von der Vielzahl der Verhandlungen überfordert sind. Aber auch die gesell- schaftliche Debatte in den Industrieländern braucht mehr Zeit. An dieser Stelle ist mir wichtig, einige Grundanliegen bezogen auf die GATS-Verhandlungen aufzugreifen. Die EU sollte selbstverständlich keine Verpflichtungen ein- gehen, die geltendes EU-Recht unterlaufen oder die Ver- einbarung hoher Standards und Normen innerhalb der EU erschweren würde. Die Flexibilität des GATS-Ab- kommens sollte erhalten bleiben. Dies betrifft vor allem die souveräne Entscheidung von Staaten über das Aus- maß der Liberalisierung und das Recht, einzelne Sekto- ren von den GATS-Verpflichtungen auszunehmen. Nicht nur die Industrieländer, sondern auch gerade Ent- wicklungsländer sollten bei der Erbringung von Dienstleis- tungen in ihrem Hoheitsgebiet, Dienstleistungssektoren im Einklang mit den nationalen politischen Zielsetzungen regulieren können. Grünes Ziel ist es, sicherzustellen, dass die Verhandlungsergebnisse auch zur wirtschaftli- chen und sozialen Entwicklung in Entwicklungsländern beitragen. Das GATS-Abkommen ist ein äußerst komplexes Ab- kommen, dessen Nuancen und Fallstricke sich nicht im- mer direkt erschließen. Wir sollten als Parlamentarier mit Selbstbewusstsein die Zeit einfordern, die eine ange- messene Befassung mit dem Thema erfordert, denn wir sind diejenigen, die die Verhandlungsergebnisse in die- sem Hause ratifizieren müssen. Gerade bei komplexen internationalen Verhandlungen hat das Parlament auch die Aufgabe der „Übersetzung“ bzw. Vermittlung neuer internationaler Vereinbarungen und Verträge in die Gesellschaft. Dem gerecht zu wer- den, auch das zeigen die GATS-Verhandlungen, ist eine äußerst schwierige Aufgabe. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. März 2003 2551 (A) (C) (B) (D) der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2002 bis 2006 – Drucksachen 14/9751, 15/345 Nr. 46 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Stand und die voraussichtliche Ent- wicklung der Finanzwirtschaft des Bundes – Drucksachen 15/151, 15/402 – Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Fortschreibung des Rheumaberichtes der Bundesregie- rung – Drucksachen 13/8434, 15/345 Nr. 66 – Ausschuss für Verkehr, Bau und Wohnungswesen – Unterrichtung durch die Bundesregierung Nationaler Radverkehrsplan 2002 bis 2012 „FahrRad“ – Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs in Deutschland – Drucksachen 14/9504, 15/345 Nr. 70 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahresbericht 2002 der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit – Drucksache 14/9950 – Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Berufsbildungsbericht 2002 – Drucksachen 14/8950, 15/345 Nr. 74 – Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ihre Bemühungen zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Eu- ropäischen Parlaments 2002 – Drucksachen 15/340, 15/389 Nr. 1.3 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- tung abgesehen hat. Petitionsausschuss Drucksache 15/173 Nr. 1.9 Drucksache 15/173 Nr.1.10 Finanzausschuss Drucksache 15/339 Nr. 2.11 Drucksache 15/339 Nr. 2.12 Drucksache 15/339 Nr. 3.1 Haushaltsausschuss Drucksache 15/392 Nr. 2.45 Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Drucksache 15/103 Nr. 2.28 Drucksache 15/173 Nr. 1.3 Drucksache 15/173 Nr. 1.8 Drucksache 15/173 Nr. 1.15 Drucksache 15/173 Nr. 2.5 Drucksache 15/173 Nr. 2.6 Drucksache 15/173 Nr. 2.9 Drucksache 15/173 Nr. 2.10 Drucksache 15/173 Nr. 2.13 Drucksache 15/173 Nr. 2.14 Drucksache 15/173 Nr. 2.17 Drucksache 15/173 Nr. 2.18 Drucksache 15/173 Nr. 2.19 Drucksache 15/173 Nr. 2.21 Drucksache 15/173 Nr. 2.22 Drucksache 15/173 Nr. 2.23 Drucksache 15/173 Nr. 2.29 Drucksache 15/173 Nr. 2.30 Drucksache 15/173 Nr. 2.32 Drucksache 15/173 Nr. 2.35 Drucksache 15/173 Nr. 2.36 Drucksache 15/173 Nr. 2.37 Drucksache 15/173 Nr. 2.40 Drucksache 15/173 Nr. 2.42 Drucksache 15/173 Nr. 2.43 Drucksache 15/173 Nr. 2.47 Drucksache 15/173 Nr. 2.62 Drucksache 15/173 Nr. 2.67 Drucksache 15/173 Nr. 2.71 Drucksache 15/173 Nr. 2.76 Drucksache 15/173 Nr. 2.82 Drucksache 15/173 Nr. 2.83 Drucksache 15/173 Nr. 2.88 Drucksache 15/173 Nr. 2.90 Drucksache 15/268 Nr. 2.25 Drucksache 15/268 Nr. 2.27 Drucksache 15/268 Nr. 2.28 Drucksache 15/268 Nr. 2.31 Drucksache 15/268 Nr. 2.36 Drucksache 15/268 Nr. 2.42 Drucksache 15/268 Nr. 2.43 Drucksache 15/268 Nr. 2.44 Drucksache 15/268 Nr. 2.45 Drucksache 15/268 Nr. 2.46 Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 15/103 Nr. 2.69 Drucksache 15/103 Nr. 2.111 Drucksache 15/103 Nr. 2.112 Drucksache 15/268 Nr. 2.4 Drucksache 15/268 Nr. 2.8 Drucksache 15/268 Nr. 2.9 Drucksache 15/268 Nr. 2.11 Drucksache 15/268 Nr. 2.13 Drucksache 15/268 Nr. 2.14 Drucksache 15/268 Nr. 2.15 Drucksache 15/268 Nr. 2.16 Drucksache 15/268 Nr. 2.18 Drucksache 15/268 Nr. 2.30 Drucksache 15/339 Nr. 2.30 Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 15/103 Nr. 2.7 Ausschuss für Gesundheit und soziale Sicherung Drucksache 15/103 Nr. 2.5 Drucksache 15/103 Nr. 2.66 2552 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 32. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. März 2003 (A) (C) (B) (D) Drucksache 15/173 Nr. 2.33 Drucksache 15/173 Nr. 2.53 Drucksache 15/268 Nr. 2.3 Drucksache 15/345 Nr. 67 Ausschuss für Verkehr, Bau und Wohnungswesen Drucksache 15/392 Nr. 2.61 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 15/103 Nr. 1.9 Drucksache 15/173 Nr. 2.78 Drucksache 15/173 Nr. 2.80 Drucksache 15/173 Nr. 2.81 Drucksache 15/173 Nr. 2.87 Drucksache 15/268 Nr. 2.22 Drucksache 15/268 Nr. 2.34 Drucksache 15/268 Nr. 2.39 Drucksache 15/268 Nr. 2.47 Drucksache 15/339 Nr. 2.9 Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Drucksache 15/345 Nr. 73 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 15/339 Nr. 2.25 Drucksache 15/339 Nr. 2.35 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 15/345 Nr. 78 Drucksache 15/345 Nr. 79 Drucksache 15/345 Nr. 80 Drucksache 15/345 Nr. 81 Drucksache 15/345 Nr. 82 Drucksache 15/392 Nr. 1.3 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 15/173 Nr. 1.14 nd 91, 1 22 32. Sitzung Berlin, Freitag, den 14. März 2003 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ernst Hinsken


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)



    Herr Bundesminister Clement, können Sie mir ein
    Land auf dieser Welt sagen, in dem die Insolvenzrate in






    (A) (C)



    (B) (D)


    Ernst Hinsken
    den letzten zwei Jahren höher war als in der Bundesrepu-
    blik Deutschland?

    Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft
    und Arbeit:

    Herr Kollege Hinsken, darf ich Ihre Frage mit einer
    Gegenfrage beantworten? Können Sie mir Länder nen-
    nen, in denen auch in einer schwierigen Lage die Grün-
    dungsquote höher ist als die Insolvenzrate, wie es in der
    Bundesrepublik Deutschland der Fall ist?


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Herr Kollege Hinsken, um das klar zu sagen: Für
    mich ist es nicht akzeptabel, wenn man, wie Herr Stoiber
    es tut, die hohe Zahl der Insolvenzen ständig vor sich
    herträgt. Jawohl, die hohe Zahl der Insolvenzen ist nicht
    nur ein Problem, sondern eine Katastrophe. Jede Insol-
    venz ist katastrophal, auch wenn wir heute ein Insolvenz-
    recht haben, das gelegentlich nahe legt, diesen Weg zu
    gehen, um dem Unternehmen die Möglichkeit zu geben,
    eine neue Perspektive zu entwickeln.


    (Beifall bei der SPD)


    Wenn wir aber über Insolvenzen sprechen, dann müs-
    sen wir auch über das Kreditgewerbe in Deutschland und
    über die Frage sprechen, inwieweit beispielsweise die
    Banken mitwirken, unsere Unternehmen in dieser
    schwierigen Phase zu stärken.

    Meine Bitte ist, dass Sie dann, wenn Sie die hohe Insol-
    venzrate ansprechen, im selben Atemzug dazusagen: Die
    Gründungsquote in Deutschland ist Gott sei Dank immer
    noch höher als die Insolvenzrate. Das heißt zu Deutsch:
    Es entstehen mehr neue Unternehmen, als Unternehmen
    vom Markt gehen. Das sind nicht genug; da sind wir
    beide gleich ehrgeizig. Wir wollen die Quote wieder da-
    hin bringen, wo sie einmal war. Aber es ist wichtig, dies
    zu wissen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU] meldet sich zu einer weiteren Zwischenfrage)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


Es liegt an Ihnen, Herr Minister, ob Sie eine weitere
Zusatzfrage gestatten wollen.

Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft
und Arbeit:

Bitte sehr, Herr Kollege Hinsken.


(Gerhard Schröder, Bundeskanzler: Mach nicht zu lange!)


– Nein, aber ich muss mit Herrn Kollegen Hinsken ange-
messen umgehen. Er ist im zuständigen Ausschuss und
Mitglied des deutschen Parlaments.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ernst Hinsken


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)



    Herr Minister, Sie haben mir eine Frage gestellt. Nun
    möchte ich meine Frage in eine Antwort kleiden.


    (Heiterkeit)


    Ich kann Ihnen sofort zehn Nationen nennen, bei denen
    die Gründungsquote höher ist als in der Bundesrepublik
    Deutschland: Dänemark, Italien, Großbritannien, Frank-
    reich.

    In diesen Ländern und zum Beispiel in den USA ist
    die Gründungsquote fast doppelt so hoch wie bei uns.
    Sie aber wollen mir sagen, dass es keine Länder gibt, in
    denen die Gründungsquote höher ist als bei uns? Das
    stimmt nicht. Ich bitte Sie, hier bei der Wahrheit zu blei-
    ben und auch das zu erwähnen. In den von mir genann-
    ten Ländern zum Beispiel ist es anders, als Sie behaup-
    ten.

    Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft
    und Arbeit:

    Der Bundeskanzler hat mich gewarnt, Sie noch weiter
    reden zu lassen. Er hätte hinzufügen müssen – dann hätte
    ich es sofort verstanden –: Wenn du einem Mitglied der
    bayerischen CSU den kleinen Finger reichst, dann hackt
    er dir die Hand ab.

    Ich habe Sie verstanden; wir sind dort unterschied-
    licher Meinung. Wichtig ist, dass Sie fähig sind, in Zu-
    kunft jeweils hinzuzufügen, dass auch die Gründungs-
    quote genannt werden sollte. Diesen Optimismus
    strahlen Sie aus und dafür danke ich Ihnen, Herr Kol-
    lege.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Und für Sie: Immer schön bei der Wahrheit bleiben!)


    Es geht darum, die internationale Wettbewerbsfähig-
    keit der Bundesrepublik Deutschland zu verbessern und
    unsere Unternehmen in der Weltspitze zu verankern. Es
    geht darum, heimische wie internationale Märkte zu öff-
    nen. Deshalb führen wir entsprechende Verhandlungen
    in der WTO, der Welthandelsorganisation. Wir müssen
    Wachstum freisetzen und mehr Einkommen aus regulä-
    rer Arbeit schaffen. Notwendig ist, die Lohnnebenkosten
    zu senken, damit aus dem Einkommen schneller neue
    Jobs werden.

    Wenn wir über Bürokratieabbau reden, dann geht es
    darum, jene Kräfte freizusetzen, die bisher durch Büro-
    kratie und Regulierung gebunden waren. Diese Kräfte
    dürfen nicht nur im Bereich der sozial Schwachen gefor-
    dert und können nicht nur dort entfesselt werden. Nein,
    es geht um alle Bereiche des Lebens und Wirtschaftens
    in Deutschland. Vor allem müssen wir all die zum Han-
    deln bewegen, die in Deutschland in der Mitverantwor-
    tung stehen. Peter Hartz hat Recht, wenn er diesen Ap-
    pell an alle in Deutschland richtet.

    Ich möchte nun noch zu einzelnen Punkten Stellung
    nehmen, die heute in der Debatte angesprochen worden






    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundesminister Wolfgang Clement
    sind, weil ich glaube, dass dies für die Klärung der Posi-
    tionen wichtig ist.

    Erstens. Wir müssen den Arbeitsmarkt in Ordnung
    bringen. Das heißt, wir brauchen ein anderes Verständnis
    von Arbeitsmarktpolitik in Deutschland. Wir müssen
    umsteuern, also wirklich ernst machen mit dem, was in
    vielen, vielen Debatten – auch von uns – gesagt wurde:
    Es geht nicht darum, Arbeitslosigkeit zu finanzieren,
    sondern es geht darum, alle Kraft darauf zu verwenden,
    Menschen in Arbeit zu vermitteln. Das ist die Leitlinie.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Dieses Umsteuern wird, wie der Bundeskanzler ge-
    sagt hat, Auswirkungen haben, zum Beispiel im Bereich
    des Arbeitslosengeldes. Erwerbstätige werden von der
    Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
    betroffen sein. Ich möchte gerne, dass wir es schaffen,
    dies nicht als Opfer zu verstehen, sondern die Kräfte so
    zu bündeln, dass die Menschen, wenn irgend möglich,
    eben nicht nur in Arbeitslosigkeit entlassen werden. Es
    darf nicht sein, dass sie erst ein Jahr lang arbeitslos sind,
    bevor wir es schaffen, sie in den Arbeitsmarkt zurückzu-
    bringen. Vielmehr müssen sie direkt nach der Kündigung
    eines Arbeitsverhältnisses in einen neuen Job gebracht
    werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Es ist sehr wichtig, an Diskussionen mit den Men-
    schen teilzunehmen, die ganz konkret von dem betroffen
    sind, was wir hier diskutieren. Ich habe das in dieser und
    in der vergangenen Woche hier in Berlin getan. Ich war
    zu Diskussionen eingeladen, an denen auch diejenigen
    teilgenommen haben, die von dem betroffen sind, was
    hier so abstrakt klingt. Jedenfalls konnte man die Einzel-
    schicksale erkennen. Da können einem Worte wie „Wir
    legen Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammen und orga-
    nisieren das neu“ wirklich im Halse stecken bleiben. Wir
    reden über Menschen, die zum Teil erhebliche Probleme
    haben, sowohl mit uns als auch mit dem Einstieg in den
    Arbeitsmarkt nach langer Zeit der Arbeitslosigkeit.
    Manchmal haben sie auch Probleme mit sich selber.
    Auch das gibt es, wie wir alle wissen, in nicht geringer
    Zahl, und zwar nicht nur in unserer Gesellschaft, son-
    dern in allen Gesellschaften.

    Um diesen Menschen wieder eine berufliche Perspek-
    tive eröffnen zu können, brauchen wir in den Arbeitsver-
    waltungen, in den städtischen Sozialämtern und bei den
    freien Trägern Menschen, die sich ganz konkret um die
    Betroffenen kümmern und sie buchstäblich an die Hand
    nehmen, um sie wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen.
    Vor dem Hintergrund, dass, wenn es irgend geht, mehr
    als 4 Millionen Arbeitslose in Arbeit gebracht werden
    sollen, wissen wir, vor welcher Herausforderung wir ste-
    hen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich möchte es aber bei allen finanziellen Veränderun-
    gen, die der Bundeskanzler angesprochen hat, ungern so
    verstanden wissen, dass diese Menschen Opfer darstel-
    len. Sie sind vielmehr ein Ansporn für uns alle, an einer
    Veränderung mitzuwirken. Diese Veränderung be-
    schränkt sich nicht auf Gesetzesänderungen. Wir alle
    – ich möchte das Stichwort von den „Profis der Nation“
    aufgreifen, wie immer man das auch verstehen will –, die
    Unternehmensleiter, die Vorstände, die Manager, die Be-
    triebs- und Personalräte und die Wissenschaftler, sind
    gefordert, wenn es darum geht, dass es in den Städten
    und Gemeinden, in den Betrieben tatsächlich zu Verän-
    derungen kommt.

    Das Gleiche gilt übrigens in Bezug auf die Ausbil-
    dungsplätze; der Bundeskanzler hat dies in der gebote-
    nen Deutlichkeit gesagt. Wir haben in Deutschland
    wieder die Situation, dass uns Zehntausende von Ausbil-
    dungsplätzen fehlen. Es ist wirklich schwer zu verkraf-
    ten, wenn wir hören müssen, dass das notwendige Ange-
    bot an Ausbildungsplätzen von Bedingungen abhängig
    gemacht wird. Nein, wir müssen die Unternehmer bitten
    und an sie appellieren – dafür werden wir sie heimsu-
    chen; wir werden alles tun, um sie dazu zu bewegen –,


    (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: „Heimsuchen“ ist ein gutes Wort!)


    mehr Ausbildungsplätze bereitzustellen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Herr Kollege Westerwelle, „heimsuchen“ ist wirklich
    ein gutes Wort. Ich lade Sie ein, mitzukommen. Ich habe
    meine Erfahrungen gesammelt. In meiner früheren
    Funktion habe ich etwa 300 Unternehmen in Nordrhein-
    Westfalen besucht, vor allen Dingen kleine. Ich bilde mir
    ein, mir einen gewissen Eindruck verschafft zu haben.
    Herr Hinsken weiß es genauso gut wie ich: Sie können
    durch Gespräche mit denen, die Mitverantwortung tra-
    gen und sich mitverantwortlich fühlen, mit Innungsmeis-
    tern und anderen, zu einer Veränderung des Verhaltens
    beitragen. Das geht aber nur, wenn wir nicht über ihre
    Köpfe hinwegreden, wie es gelegentlich in unseren poli-
    tischen Diskussionen geschieht. Wir müssen ganz gezielt
    diejenigen vor Ort ansprechen, die dazu beitragen kön-
    nen, dass die Ausbildungsplatzfrage gelöst wird.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich werde alles tun, um das zu erreichen, was der
    Bundeskanzler angekündigt hat. Dazu gehört auch die
    Bereitstellung einer ausreichenden Zahl von Ausbil-
    dungsplätzen.

    Ich will noch einmal unterstreichen, was ich gesagt
    habe: Es geht nicht allein darum, Mittel zu kürzen; dies
    ist leider notwendig. Aber wir müssen die Lohnneben-
    kosten senken. Zu einer ehrlichen Analyse gehört, zu sa-
    gen, warum die Lohnnebenkosten in Deutschland so
    hoch sind. Wir haben so hohe Lohnnebenkosten, weil
    wir Anfang der 90er-Jahre – ich glaube, darüber besteht
    heute Konsens – eine falsche Richtungsentscheidung ge-
    fällt haben. Es war falsch, einen Großteil des Aufbaus
    Ost über die Lohnnebenkosten zu finanzieren.






    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundesminister Wolfgang Clement

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir hätten diese Aufgabe allen Steuerbürgern auferlegen
    müssen. Das ist heute aber nicht mehr zu ändern. Trotz-
    dem ist es Zeit, die Belastungen anders zu verteilen.

    Es ist leichter, von dieser Stelle aus solche Erwartun-
    gen an andere zu richten, als zu wissen, was dies tatsäch-
    lich bedeutet. Was wir bei der Arbeitslosenhilfe be-
    schlossen haben und was bereits Gesetzeskraft ist –
    Stichwort: Partnereinkommen und anzurechnendes Ver-
    mögen –, bedeutet für einzelne Arbeitslosenhilfebezie-
    her eine Reduzierung ihres Einkommens, die in einem
    anderen Lebensbereich, zum Beispiel in einem Unter-
    nehmen, kaum jemand akzeptieren würde. Dies sind Be-
    lastungen in einer Größenordnung, die dort niemandem
    zugemutet würden. Bitte lassen Sie uns, wenn wir über
    das sprechen, was notwendig ist, auch über diese Men-
    schen sprechen! Wir müssen sie gewinnen, auch dafür,
    mit uns gemeinsam alles zu versuchen, dass sie wieder
    in Arbeit kommen, soweit sie arbeitsfähig sind.


    (Beifall der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


    Ich will es noch einmal sagen: Wir reden über heute
    4,7 Millionen Arbeitslose in Deutschland. Es hängt alles
    entscheidend davon ab – davon bin ich überzeugt –, dass
    wir die Arbeitslosigkeit von Grund auf bekämpfen.
    „Von Grund auf“ heißt in meinem Verständnis: vor allem
    bei den jungen Leuten. Der Kollege Müntefering hat das
    vorhin zu Recht angesprochen. Es sind 580 000 junge
    Leute unter 25 Jahren arbeitslos. Wenn da nichts getan
    würde, hieße das, die Arbeitslosigkeit schlichtweg fort-
    zuschreiben. Wir müssen nicht nur einen Trend stoppen
    oder umkehren, sondern wir müssen der hohen Arbeits-
    losigkeit die Grundlage entziehen. Dazu muss es uns in
    einer gemeinsamen Anstrengung gelingen, zu verhin-
    dern, dass junge Leute unter 25 Jahren bei uns überhaupt
    in Arbeitslosigkeit gehen. Das ist das Ziel.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Wie können wir dieses Ziel realisieren? Wir müssen
    dafür sorgen – dazu brauchen wir die Unternehmen –,
    dass kein junger Mann und keine junge Frau, die ausbil-
    dungsfähig und ausbildungswillig sind, ohne Ausbil-
    dungsplatz bleiben. Das ist die erste Aufgabe.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die zweite Aufgabe. Wir müssen dafür sorgen, dass
    die jungen Leute dann auch einen Arbeitsplatz bekom-
    men. Es macht keinen Sinn, sie an der so genannten
    zweiten Schwelle scheitern zu lassen. Sie müssen auch
    einen Arbeitsplatz bekommen. Wenn das nicht möglich
    ist, dann müssen wir ihnen eine Qualifikation anbieten.
    Kein junger Mann, keine junge Frau unter 25 Jahren darf
    in Deutschland ohne ein solches Angebot bleiben – alle
    diese Angebote sind zumutbar – : Ausbildungsplatz, Ar-
    beitsplatz oder Qualifikation. Das ist das Ziel. Wenn wir
    das erreichen, dann haben wir der Arbeitslosigkeit in
    Deutschland tatsächlich die Grundlage entzogen. Des-
    halb müssen wir hier ansetzen und deshalb werden wir
    hier ansetzen. Das ist die wichtigste Aufgabe.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Woher kommen die Arbeitsplätze?)


    – Woher kommen die Arbeitsplätze?

    Es wird eine gewaltige Aufgabe, diejenigen, die heute
    Sozialhilfe beziehen und erwerbsfähig sind, in die Arbeits-
    vermittlung hineinzunehmen. Es sind etwa 1 Million
    Menschen – das ist vorhin zu Recht gesagt worden –, die
    zusätzlich in Arbeit vermittelt werden müssen. Ein Groß-
    teil davon ist bereits heute bei der Arbeitsverwaltung,
    ein Teil nicht. Zusammen mit Familienangehörigen
    werden sie in ein gemeinsames System gebracht wer-
    den. Wir werden die Schizophrenie überwinden – das ist
    eine Schizophrenie –, dass zwischen Arbeitslosenhilfe und
    Sozialhilfe unterschieden wird.


    (Zuruf von der FDP: Wo bleiben die Arbeitsplätze?)


    – Ich werde Ihnen gleich die Frage beantworten, wo die
    Arbeitsplätze sind.

    Unter anderem ist auf das zu verweisen, was wir bei-
    spielsweise im Gesundheitssektor getan haben und was
    Sie bisher noch nicht angesprochen haben, weil Sie da
    offensichtlich noch sprachlos sind.


    (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Nein! Überhaupt nicht!)


    Wir werden Arbeitsplätze zu schaffen haben. Wir haben
    schon Arbeitsplätze geschaffen. Wir haben neue Mög-
    lichkeiten für Dienstleistungen geschaffen. Wir haben
    mit dem, was wir hier beschlossen haben, Arbeitsmög-
    lichkeiten geschaffen. Da hinein werden wir die Men-
    schen vermitteln.

    Wir werden das aber nicht schaffen, wenn sich die
    Städte und Gemeinden und die freien Träger, die heute
    mitwirken, zurückziehen. Was wir vor uns haben, geht
    nur im Zusammenwirken von Bundesanstalt für Arbeit,
    Arbeitsvermittlung, Kommunen und freien Trägern. Nur
    im Zusammenwirken dieser drei Kräfte wird das gelin-
    gen.

    Weil es vermutlich nicht möglich sein wird, Herr Kol-
    lege, alle diejenigen, die erwerbsfähig sind und bisher So-
    zialhilfe beziehen, sofort in den ersten Arbeitsmarkt zu
    bringen – jawohl, das wird nicht auf Anhieb gelingen –,
    müssen wir es schaffen, gemeinsam mit den Städten und
    Gemeinden sowie den freien Trägern so etwas wie einen
    zweiten Arbeitsmarkt mit zumutbaren Arbeitsverhält-
    nissen zu etablieren, in den wir diejenigen bringen kön-
    nen, die nicht auf Anhieb in den ersten Arbeitsmarkt
    kommen können.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Es geht darum, meine Damen und Herren, alle Hebel
    zu bedienen, die möglicherweise verhindern, dass Ar-
    beitsplätze entstehen. Dazu gehört auch das Arbeits-
    recht. Das ist die Diskussion, die wir führen. Der Bun-






    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundesminister Wolfgang Clement
    deskanzler hat dazu meines Erachtens das Richtige
    gesagt. Der Kollege Stoiber ist jetzt leider nicht mehr
    hier.


    (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Er ist hinter Ihnen!)


    – Herr Kollege Stoiber, Entschuldigung; ich habe Sie
    nicht gesehen. Sie sind also da.


    (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Er ist allgegenwärtig!)


    – Wenn es spannend wird, dann ist er hier; das wissen
    wir doch.

    Herr Kollege Stoiber, wenn Sie die Grenze von
    20 Beschäftigten in einem Betrieb so starr setzen, wie
    Sie es hier formuliert haben, das heißt alles an der
    Grenze von 20 Beschäftigten in einem Betrieb festma-
    chen, dann spalten Sie den Arbeits- und Wirtschafts-
    markt in Deutschland in einer Weise, die wir noch nie
    gehabt haben. Ich halte es für einen grundlegenden Feh-
    ler, so vorzugehen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Sie wollen alles an der Grenze von 20 Beschäftigten
    festmachen. Sie werden dann eine Grenze haben, die den
    Arbeitsmarkt und viele Beschäftigungsverhältnisse tref-
    fen wird. Ich bin sicher, das werden Sie nicht durchhal-
    ten. Auf die Diskussion darüber bin ich gespannt.

    Ich glaube deshalb, dass der Vorschlag, den der Bun-
    deskanzler hier skizziert hat, nämlich Betrieben mit bis
    zu fünf Beschäftigten, die noch nicht dem Kündigungs-
    schutz unterliegen, die Möglichkeit zu geben, zusätzlich
    befristete Arbeitsverhältnisse einzugehen, wobei diese
    nicht auf die in diesem Zusammenhang bestehende Be-
    schäftigungsschwelle angerechnet werden, richtig ist. Er
    führt zu mehr Elastizität. Die Unternehmen, die zusätz-
    lich einstellen wollen – dabei geht es um die kleinen
    Unternehmen –, sollten diese Möglichkeit erhalten.