Rede von
Dr.
Christoph
Bergner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-
lege Ströbele, Sie haben diesen Antrag als einen PR-Gag
bezeichnet.
Als jemand, der lautstark plebiszitäre Elemente im
Grundgesetz fordert, sollten Sie für eine Massenpetition
aus meinem Wahlkreis, die folgenden Wortlaut hat, be-
sondere Aufgeschlossenheit zeigen:
Die Unterzeichner fordern den Deutschen Bundestag
auf, die Regelungen des Strafgesetzbuches so zu än-
dern, dass unerlaubtes Besprühen oder Bemalen von
fremdem Eigentum, so genannte Graffiti-Tags und
andere, regelmäßig als Sachbeschädigung gelten und
damit als Straftat verfolgt werden können.
Diese Massenpetition, Herr Kollege Ströbele, liegt seit
über einem Jahr im Deutschen Bundestag und hat bisher
noch keine sachgerechte Behandlung gefunden.
Dies sage ich mit Hinweis darauf, dass offenbar auch der
Petitionsausschuss den Sachverhalt als im Rechtsaus-
schuss noch nicht ausreichend diskutiert betrachtet.
Die Unterzeichner, zu denen ich gerne noch etwas sa-
gen möchte,
hätten für alles Mögliche Verständnis, aber nicht dafür,
dass wir das Thema einfach liegen lassen. Vielmehr muss
es immer wieder aufgegriffen werden. Zu den Unter-
zeichnern, um auch dies klar zu sagen, gehören ehren-
werte Bürger der Stadt, aus der ich komme – Künstler,
Vertreter von Verbänden und Vereinigungen der Stadt –,
die vor allen Dingen ein Anliegen haben: dass wir uns mit
solchen Anträgen und einer solchen Debatte der Dimen-
sion der Problematik bewusst werden.
Die Dimension hat jetzt die Größenordnung einer ge-
sellschaftlichen Herausforderung erreicht. Die gesell-
schaftliche Herausforderung lautet aus der Sicht dieser
Unterzeichner: Bleibt der Anblick einer Stadt so etwas
wie das Gemeingut seiner Bürgerinnen und Bürger oder
fällt er unter das Faustrecht einer Minderheit, die sich mit
gemalten Albträumen an jeder sichtbaren Fläche verewi-
gen möchte? Dieses Anliegen macht deutlich, dass es hier
nicht nur um die Einzelbelange eines Hauseigentümers,
sondern um die Frage geht, wie ernst wir den Umstand
nehmen, dass wir über Denkmalschutzgesetze, über Sa-
nierungs- und Gestaltungssatzungen der Kommunen,
über bauaufsichtliche Vorgaben und über die Berufung
von Gestaltungsbeiräten gemeinschaftlich versuchen, das
Bild einer Stadt in einem Prozess konsensualer Mei-
nungsbildung zu einer besonderen Ausprägung zu brin-
gen, und dann eine Horde von Spraydosenvandalen
kommt und diesen Anblick in einer einzigen Nacht zu-
nichte macht. Mit diesem Problem haben wir uns ausei-
nander zu setzen.
Aus meiner Sicht wird die Dimension des Problems in
der Frage deutlich, ob der Staat bereit und in der Lage ist,
diese Willkürhandlung gegen die Gemeinschaft einer
städtischen Bürgerschaft mit einer zweifelsfreien Ant-
wort des Strafrechts zu unterbinden und zu verfolgen.
Herr Ströbele, ich weiß nicht, von welchen Auf-
klärungsquoten Sie sprechen. Ich habe Zahlenangaben
aus der Stadt Halle, die besagen, dass polizeiliche Auf-
klärungsquoten in einzelnen Jahren durchaus bei 70 Pro-
zent lagen. Aber die Erfolgsquote bei der strafrechtli-
chen Verfolgung ist aufgrund der Zweifelhaftigkeit der
Strafrechtsregelung so erbärmlich, dass inzwischen auch
diejenigen, die die Ermittlungen zu betreiben haben, frus-
triert und nicht mehr motiviert sind, diesen Dingen wirk-
lich nachzugehen.
Strafrechtliche Verfolgung wird auch derjenige für un-
entbehrlich halten, der begriffen hat – auch dafür gibt es
Belege –, dass diese Graffitisprühereien oft genug Ein-
stiegs- und Wegbereitungsdelikte für Vandalismus und
kriminelles Handeln sind.