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    Benennung der Abgeordneten Dorothee Mantel für den Stiftungsrat der Stiftung „Hu- manitäre Hilfe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1423 A Erweiterung und Änderung der Tagesordnung 1423 B Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 1423 D Tagesordnungspunkt 3: a) Vereinbarte Debatte: 40 Jahre Élysée- Vertrag – Zusammenarbeit und ge- meinsame Verantwortung für die Zu- kunft Europas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1424 A b) Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP: Entwurf einer gemeinsamen Erklärung der Franzö- sischen Nationalversammlung und des Deutschen Bundestages zur inter- parlamentarischen Zusammenarbeit (Drucksache 15/295) . . . . . . . . . . . . . . 1424 B c) Antrag der Abgeordneten Dr. Andreas Schockenhoff, Dr. Friedbert Pflüger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: 40 Jahre deutsch-fran- zösischer Freundschaftsvertrag – für eine neue Qualität und Dynamik der deutsch-französischen Beziehungen (Drucksache 15/200) . . . . . . . . . . . . . . 1424 B d) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: 40 Jahre Élysée-Vertrag – Die deutsch-französische Zusammenar- beit fortentwickeln und in gemeinsa- mer Verantwortung für Europa die Zukunft mitgestalten (Drucksache 15/296) . . . . . . . . . . . . . . 1424 C Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 1424 D Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 1427 A Krista Sager BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1429 C Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . . 1431 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 1432 C Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 1435 A Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . . . . . . . 1436 D Ernst Burgbacher FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1438 D Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . . 1439 D Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . . 1440 C Peter Müller, Ministerpräsident Saarland . . . . 1442 A Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1443 C Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU . . . . . . 1445 A Tagesordnungspunkt 4: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahresbericht 2002 derBundesregierung zum Stand der deutschen Einheit (Drucksache 14/9950) . . . . . . . . . . . . . . . . 1446 D Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1447 A Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 1449 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1452 C Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1454 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1454 C Joachim Günther (Plauen) FDP . . . . . . . . . . . 1455 A Siegfried Scheffler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 1456 D Plenarprotokoll 15/19 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 19. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 16. Januar 2003 I n h a l t : Michael Kretschmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . 1459 C Siegfried Scheffler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 1459 D Werner Kuhn (Zingst) CDU/CSU . . . . . . . . . 1460 B Peter Hettlich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1463 A Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1464 C Angelika Krüger-Leißner SPD . . . . . . . . . . . . 1465 C Volkmar Uwe Vogel CDU/CSU . . . . . . . . . . . 1467 A Tagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Deutschland wirksam vor Terroristen und Extremisten schützen (Drucksache 15/218) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1468 B Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 1468 C Hans-Peter Kemper SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 1471 A Gisela Piltz FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1473 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1474 C Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 1476 D Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . . . . . . . 1478 B Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1479 D Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1480 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 1482 B Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1482 C Jürgen Herrmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 1483 A Christine Lambrecht SPD . . . . . . . . . . . . . . . 1484 B Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . 1486 B Volker Bouffier, Staatsminister Hessen . . . . . . 1488 B Rüdiger Veit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1490 C Volker Bouffier, Staatsminister Hessen . . . . . . 1490 D Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . 1491 B Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . 1497 B Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . 1497 C Clemens Binninger CDU/CSU . . . . . . . . . . . 1498 A Tagesordnungspunkt 18: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Steuer- vergünstigungen und Ausnahmerege- lungen (Steuervergünstigungsabbau- gesetz) (Drucksachen 15/287, 15/312) . . . . . . . 1499 D b) Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- zung gemäß § 56 a der Geschäftsord- nung: Technikfolgenabschätzung (TA); Beratungskapazität, Technikfolgen- abschätzung beim Deutschen Bun- destag – ein Erfahrungsbericht (Drucksache 14/9919) . . . . . . . . . . . . . 1500 A c) Antrag der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Günther Friedrich Nolting, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP sowie der Abgeordneten Ulrich Adam, Ilse Aigner, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU: Transatlantische Beziehungen stär- ken – Potsdam-Center fördern (Drucksache 15/194) . . . . . . . . . . . . . . 1500 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer Bundesfernstraßenfinanzierungs- und Ma- nagementgesellschaft (Bundesfernstraßen- finanzierungs- und Managementgesell- schaftsgesetz) (Drucksache 15/299) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1500 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von den Abgeordneten Rainer Funke, Daniel Bahr (Münster), wei- teren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Sechs- ten Gesetzes zur Änderung des Stasi-Un- terlagen-Gesetzes (6. StU-ÄndG) (Drucksache 15/313) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1500 C Tagesordnungspunkt 19: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Abkom- men vom 18. Februar 2002 zwischen Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Januar 2003II der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen über die Zusammen- arbeit der Polizeibehörden und der Grenzschutzbehörden in den Grenz- gebieten (Drucksachen 15/11, 15/240) . . . . . . . 1500 C Tagesordnungspunkt 6: Wahlen zu Gremien a) Programmbeirat (Sonderpostwert- zeichen) beim Bundesministerium der Finanzen (Drucksache 15/206) . . . . . . . . . . . . . . 1501 A b) Beirat nach § 39 des Stasi-Unterla- gen-Gesetzes (Drucksache 15/303) . . . . . . . . . . . . . . 1501 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Wahlvorschlag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Wahl der vom Deutschen Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Kuratoriums der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundes- republik Deutschland“ (Drucksache 15/304) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1501 A Tagesordnungspunkt 7: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Straßenbaubericht 2001 (Drucksache 14/8754) . . . . . . . . . . . . . . . . 1501 B Petra Weis SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1501 C Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 1503 B Albert Schmidt (Ingolstadt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1505 D Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . 1507 B Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1508 B Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Andreas Pinkwart, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Eigenheimerwerb nicht erschwe- ren – weitere Belastungen für Beschäf- tigte und Betriebe der Bauwirtschaft und für Familien vermeiden (Drucksache 15/33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1509 D Eberhard Otto (Godern) FDP . . . . . . . . . . . . . 1510 D Stephan Hilsberg SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1511 A Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . 1511 D Klaus Minkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 1512 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1514 C Georg Fahrenschon CDU/CSU . . . . . . . . . . . 1516 A Gabriele Groneberg SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 1517 C Tagesordnungspunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des in- ternationalen Insolvenzrechts (Drucksachen 15/16, 15/323) . . . . . . . . . . 1520 A Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Anru- fung des Vermittlungsausschusses zu dem Zwölften Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Zwölftes SGB-V-Änderungsgesetz) (Drucksachen 15/27, 15/74, 15/76, 15/120, 15/298) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1520 C Dr. Marlies Volkmer SPD . . . . . . . . . . . . . . . 1520 D Michael Hennrich CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 1522 B Petra Selg BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . 1524 A Dr. Dieter Thomae FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 1525 B Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Ulla Burchardt, Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Grietje Bettin, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: GATS-Verhandlungen – Bil- dung als öffentliches Gut und kulturelle Vielfalt sichern (Drucksache 15/224) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1526 B Ulla Burchardt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1526 C Thomas Rachel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 1528 A Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1529 B Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1530 B Marion Seib CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 1531 C Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk SPD . . . . . . . . . . . 1532 D Erich G. Fritz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 1534 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Januar 2003 III Tagesordnungspunkt 11: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vierzehntes Hauptgutachten der Mono- polkommission 2000/2001 (Drucksachen 14/9903, 14/9904 [Anlagen- band]) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1536 A Hubertus Heil SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1536 A Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 1537 C Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1539 C Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1540 C Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär BMWA 1541 C Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 1543 A Hubertus Heil SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1544 A Tagesordnungspunkt 12: Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56 a der Geschäftsordnung: Tech- nikfolgenabschätzung hier: TA-Projekt: Tourismus in Großschutzgebieten – Wechselwirkungen und Kooperations- möglichkeiten zwischen Naturschutz und regionalem Tourismus (Drucksache 14/9952) . . . . . . . . . . . . . . . . 1545 B Gabriele Hiller-Ohm SPD . . . . . . . . . . . . . . . 1545 C Klaus Brähmig CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 1547 B Undine Kurth (Quedlinburg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1548 C Jürgen Klimke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 1549 D Tagesordnungspunkt 19: b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immu- nität und Geschäftsordnung zu dem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau und zu dem Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der FDP: Weiter- geltung von Geschäftsordnungsrecht (Drucksachen 15/2, 15/1, 15/178) . . . . 1551 A Dr. Uwe Küster SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1551 B Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . . 1552 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1552 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 1553 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des internationalen Insolvenzrechts (Tagesord- nungspunkt 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1553 A Dirk Manzewski SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1553 B Tanja Gönner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 1554 A Jerzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1556 B Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1556 D Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ 1557 A Anlage 3 Technikfolgenabschätzung hier: TA-Projekt: Tourismus in Großschutzgebieten – Wech- selwirkungen und Kooperationsmöglichkeiten zwischen Naturschutz und regionalem Touris- mus (Tagesordnungspunkt 12) . . . . . . . . . . . . 1557 D Dr. Christian Eberl FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 1557 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Januar 2003IV (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Januar 2003 1423 19. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 16. Januar 2003 Beginn: 9.00 Uhr
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    (A) (B) (C) (D) 1552 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Januar 2003 1553 (C) (D) (A) (B) Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 16.1.2003 Hartnagel, Anke SPD 16.1.2003 Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 16.1.2003 Dr. Hoyer, Werner FDP 16.1.2003 Kasparick, Ulrich SPD 16.1.2003 Lenke, Ina FDP 16.1.2003 Michelbach, Hans CDU/CSU 16.1.2003 Möllemann, Jürgen W. FDP 16.1.2003 Reiche, Katherina CDU/CSU 16.1.2003 Straubinger, Max CDU/CSU 16.1.2003 Volquartz, Angelika CDU/CSU 16.1.2003 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des internationalen Insolvenzrechts (Tagesordnungspunkt 10) Dirk Manzewski (SPD):Am heutigen Tag debattieren wir abschließend über den Gesetzentwurf der Bundesre- gierung zur Neuregelung des Internationalen Insolvenz- rechts. Dieser Gesetzesentwurf beruht im Wesentlichen auf einer entsprechenden europäischen Verordnung, mit der das Internationale Insolvenzrecht in der Europäischen Union in seinen wichtigsten Bereichen harmonisiert wor- den ist. Ziel dieser Verordnung ist es insbesondere gewe- sen, Kollisionen zwischen den einzelstaatlichen Rechtsver- ordnungen und Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten besser zu lösen. Die euro- päische Gemeinschaft hat damit eine verlässliche Grund- lage erhalten, wie grenzüberschreitende Insolvenzverfahren abzuwickeln sind. Dies gilt für die Frage der Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens ebenso wie das auf dieses Verfahren anwendbare Recht oder die Befug- nisse eines ausländischen Verwalters. Für die Verordnung gilt dabei – und dies ist wichtig – das Prinzip der so genannten gemäßigten Universalität. Dies bedeutet, dass – soweit keine Beschränkungen durch so genannte Sonderanknüpfungen oder besondere Terri- torialverfahren vorliegen – das in einem Mitgliedstaat eröffnete Insolvenzverfahren vom Grundsatz her univer- sale Wirkung entfaltet. Das gesamte Vermögen des Schuldners wird also hiervon umfasst und zwar unabhän- entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenografischen Bericht gig davon, in welchem Mitgliedstaat es sich befindet. Den Gläubigern bietet dies unter anderem den Vorteil einer stärkeren Gleichbehandlung, da all diejenigen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz in einem der EU-Mitgliedsländer haben, ihre Forderungen in je- dem Insolvenzverfahren über das schuldnerische Vermö- gen anmelden können. Der hier debattierte Gesetzesentwurf hat diese europä- ische Verordnung aufgegriffen und durch seinen Art. 1 in das deutsche Recht eingepasst. Zwar gilt eine Verordnung – wie die dem Gesetzesentwurf zugrunde liegende – un- mittelbar in jedem Mitgliedstaat und bedarf von daher ei- gentlich keiner besonderen Umsetzung, doch sind für ihr reibungsloses Funktionieren gewisse Anpassungen im deutschen Recht unerlässlich. Nicht mehr und nicht we- niger will insoweit der Gesetzesentwurf. Als Beispiel seien etwa die Festlegung des im Inland zuständigen Ge- richts oder Bestimmungen über die öffentlichen Bekannt- machungen in Deutschland genannt. Ein weiteres Problem ist, dass durch die Verordnung grenzüberschreitende Insolvenzverfahren nicht abschlie- ßend geregelt werden. So macht die Verordnung zum Bei- spiel keine Aussage zu den Mitwirkungsrechten des In- solvenzverwalters. Dies ist seinerzeit bewusst offen gelassen worden, um den Mitgliedstaaten insoweit eine eigenständige Ausgestaltung zu ermöglichen. Da das au- tonome deutsche Internationale Insolvenzrecht ohnehin bis- lang nur sehr lückenhaft im Einführungsgesetz zur Insol- venzordnung geregelt ist, hat sich ein eigenständiges deutsches Internationales Insolvenzrecht quasi aufgedrängt. Dieses wird im Übrigen schon seit langem gefordert. Der Gesetzesentwurf hat sich dem angenommen und sieht deshalb auch vor, dass in einem neuen elften Teil ein autonomes Internationales Insolvenzrecht in die Insol- venzordnung eingefügt wird. Hierfür hat nicht nur gesprochen, dass es der Rechts- klarheit dient, wenn die wesentlichen Rechtsgrundsätze für grenzüberschreitende Insolvenzen in einem eigenen Teil der Insolvenzordnung niedergelegt sind: Ein globaler Verweis auf die Verordnung würde dem nur unzulänglich gerecht. Zu beachten war auch, dass Regelungen, die für den überschaubaren Wirtschaftraum der EU richtig sein mögen, bei einer weltweiten Anwendung gegebenenfalls zu kurz greifen könnten, und dies nicht nur, weil ein der- art kompliziertes Verfahren, wie es nun einmal ein grenz- überschreitendes Insolvenzverfahren darstellt, auch auf der anderen Seite vergleichbare Regelungen voraussetzen sollte. Es wäre deshalb nicht sachgerecht, die Bestimmungen der Verordnung auch gegenüber Drittstaaten so gelten zu lassen. Um es deutlich zu sagen: Ein innerstaatliches In- ternationales Insolvenzrecht bräuchte – vielleicht sogar sollte – gegenüber Nicht-EU-Staaten weniger kooperati- onsfreundlich sein. Die in Art. 2 des Gesetzesentwurfs enthaltenen Bestimmungen lehnen sich deshalb eng an die EU-Verordnung an, enthalten dementsprechend je- doch Abweichungen, die bei einer weltweiten Anwen- dung zwingend geboten sind. Gleichzeitig wird mit diesen Vorschriften eine Teilum- setzung der Richtlinien über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen respektive Kreditinstituten erreicht. Dies gilt für die Vorschriften der genannten Richt- linien, zu denen korrespondierend im deutschen Recht Bestimmungen geschaffen werden, die nicht nur für Kre- ditinstitute und Versicherungsunternehmen, sondern für alle Unternehmen gleichermaßen gelten. Die Gesetzesinitiative der Bundesregierung wird von mir ausdrücklich begrüßt. Ich hoffe, sie findet auch die Unterstützung der Opposition. Gründe, warum man sie ablehnen könnte, sind für mich nicht ersichtlich. Tanja Gönner (CDU/CSU): Wir diskutieren heute über das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen In- solvenzrechtes. Die Neuregelung wird aufgrund der EG- Verordnung 1346/2000 eingeführt. Zwar gilt die Verord- nung grundsätzlich ohne weiteren Umsetzungsakt inner- halb der EU, allerdings gibt es die Notwendigkeit, einige Anpassungen vorzunehmen. Es geht darum, dass wir in- nerhalb des Wirtschaftsraumes der EU eine einheitliche Regelung haben. Darüber hinaus ist es in Zeiten der im- mer weiter fortschreitenden Internationalisierung und Globalisierung aber auch notwendig, dass Regelungen auch für Beziehungen mit anderen Staaten außerhalb der EU getroffen werden, damit die Insolvenzverfahren rei- bungslos ablaufen können. Deswegen besteht hinsichtlich des Inhalts des Gesetzes grundsätzlich ein Konsens. Aber bereits heute ist klar, dass dies nur der Anfang sein kann. Es muss und wird zu Ergänzungen kommen, da die Regelungen letztlich nur bei Einzelvermögensgegen- ständen und unselbstständigen Niederlassungen greifen. Damit ist ein zentraler Bereich ausgenommen, für den eine Regelung gerade notwendig wäre, nämlich die Ab- wicklung internationaler Konzerne. Kirch, Holzmann, Fairchild Dornier und Babcock Borsig waren im Jahr 2002 die spektakulären Insolvenzen. Dies alle sind große Konzerne mit internationalen Beziehungen und Tochter- firmen im Ausland. Gerade für diese aber gibt es keine Regelungen. Hier haben die Insolvenzverwalter keine Regelung, wie sie mit dem im Ausland vorhandenen Ver- mögen umgehen können und sollen. Hier bewegen sie sich im rechtlich noch ungeklärten Rahmen und haben damit immer auch ein nicht zu unterschätzendes Haftungsrisiko zu tragen. Wir brauchen daher als nächsten Schritt ganz dringend eine internationale Regelung zur Insolvenz von Konzer- nen. Dies ist eine Herausforderung, weil hier natürlich Widerstände vorhanden sind; aber es ist dringend not- wendig. Hier ist die Bundesregierung gefordert, die Ver- handlungen auf europäischer Ebene anzustoßen und vo- ranzubringen. Allerdings ist auch festzuhalten, dass wir zu diesem zentralen Bereich auch im nationalen Recht noch keine Regelung haben. Zwar sind alle gesellschaftsrechtlichen Rechtsformen in der Insolvenzordnung enthalten, aber welche Auswirkungen die Insolvenz eines Konzerns auf die verbundenen Tochterunternehmen bzw. die Insolvenz eines Tochterunternehmens auf den Gesamtkonzern hat, haben wir auch noch nicht geregelt. Es ist also noch genü- gend Handlungsbedarf auch und gerade bei uns vorhanden. Wer die Insolvenzzahlen in Europa für die Jahre 2001 und 2002 anschaut, der stellt fest, dass diese angestiegen sind. Das dürfte der Regierung entgegenkommen, da sie sich ja immer darauf beruft, dass es uns wirtschaftlich schlecht geht, weil die Weltwirtschaft nicht wachse; Eu- ropa ist neben den USA der stärkste Faktor für die welt- wirtschaftliche Gesamtentwicklung. Aber die Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache. Die Steigerungsrate von 5,94 Prozent im Jahr 2001 in Europa geht zu einem guten Teil darauf zurück, dass der Anstieg in Deutschland bei 18,7 Prozent liegt. Deutschland hat in absoluten Zah- len die mit Abstand höchste Gesamtinsolvenzzahl in Eu- ropa. Wenn man nun bereits weiß, dass der Zuwachs bei den Gesamtinsolvenzverfahren im Jahr 2002 in Deutsch- land bei sage und schreibe 66 Prozent liegt, kann man sich vorstellen, dass wir auch in diesem Jahr diejenigen sein werden, die die Quote in Europa nach oben treiben. Nach den derzeit vorliegenden Zahlen hat sich die Zahl der Fälle in Frankreich um 7 Prozent und in Großbritan- nien um 3,5 Prozent erhöht. Dies sind zwei Volkswirt- schaften, die durchaus auch nicht zu den Kleinen zählen und mit uns vergleichbar sind. Diese Zahlen haben nichts damit zu tun, dass wir bisher kein Internationales Insol- venzrecht hatten. Wir sind der kranke Mann Europas. Nicht die Stim- mung ist schlechter als die Lage, sondern die Lage ist noch viel schlimmer als die Stimmung. Es herrscht De- pression und Resignation. Das will diese rot-grüne Bun- desregierung natürlich nicht nur nicht wahrhaben – sie ist schließlich dafür verantwortlich –, sondern sie behauptet auch noch ständig das Gegenteil. Aber wie weit man den Aussagen dieser Regierung trauen kann, haben die Wähle- rinnen und Wähler ja nach dem 22. September sehr schnell gemerkt. Sie hat jeglichen Realitätsbezug verloren. Früher waren die Worte Insolvenz und Konkurs nur den damit beschäftigten Fachleuten bekannt. Große Teile der Bevölkerung kannten diesen Begriff gar nicht. Heute wird die Entwicklung der Insolvenzraten mit Besorgnis wahrgenommen und es wird darüber gesprochen. Die Menschen haben Angst, dass es demnächst ihren Arbeit- geber und ihren Arbeitsplatz treffen könnte. Wir werden für das Jahr 2002 eine Gesamtzahl von sage und schreibe 82 400 Insolvenzen haben; das ist ein Anstieg von 66 Pro- zent gegenüber 2001. Die Zahl der Unternehmensinsol- venzen liegt bei 41 500 und damit 20 Prozent über dem letzten Jahr. Es sind nicht nur die spektakulären Insolven- zen Kirch, Holzmann, Herlitz, Photo Porst, Fairchild Dornier und Babcock. Es sind die vielen kleinen mittel- ständischen Betriebe, die das Gros ausmachen. Die Ar- beitsplätze gehen zu 65 Prozent in Betrieben mit unter fünf Mitarbeitern verloren. In diesen Zahlen sind im Übrigen all die kleinen mittelständischen Betriebe und Handwerker noch gar nicht enthalten, die still ihre Firmen liquidieren, bevor es zum „worst case“, der Insolvenz, kommt. Der wirtschaftliche Gesamtschaden aufgrund der For- derungsausfälle liegt bei 38,4 Milliarden Euro. Das ist ein höherer Betrag als die schon exorbitant hohe Neuver- schuldung des Bundes im Jahr 2002. Viele Betriebe kom- men aufgrund eines oder mehrerer Forderungsausfälle selber wieder in Schwierigkeiten. Die Zahl der Betriebe, Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Januar 20031554 (C) (D) (A) (B) die wegen Forderungsausfällen Dritter insolvent werden, steigt ständig an. Wir drehen uns hier in einer hoch ge- fährlichen Spirale nach oben. Aber dieser Zusammenhang scheint bei der Regierung noch nicht angekommen zu sein. Das alles sind Zahlen, mit denen man wie mit vielen Statistiken umgehen könnte: Zur Kenntnis nehmen und weglegen. Sie werden schon irgendwann wieder besser werden. Das einzig Dumme ist, dass man diese Zahlen nicht schönreden und vertuschen kann wie andere Zahlen, auch wenn diese Regierung gerade darin ja hervorragend ist. Hinter jedem Betrieb stehen Arbeitsplätze, hinter je- dem Arbeitsplatz steht ein Arbeitnehmer und hinter vielen dieser Arbeitnehmer stehen Familien. Im letzten Jahr wa- ren laut Creditreform 590 000 Arbeitsplätze durch die Insolvenzen betroffen. Das ist ein Anstieg von 17,5 Pro- zent gegenüber dem Vorjahr. Im Übrigen belasten diese 590 000 Menschen den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit nicht nur dadurch, dass sie nach der Entlassung Arbeitslosengeld beziehen. Darüber hinaus ist für diese Menschen für bis zu drei Mo- nate der Nettolohn im Rahmen des lnsolvenzgeldes zu zahlen. Allein diese Direktzahlung hat den Haushalt der Bundesanstalt im Jahr 2002 mit 1,93 Milliarden Euro be- lastet; auch hier liegt ein Anstieg von 1,3 Milliarden Euro von 2001 auf 2002, also um 48 Prozent vor. Wir haben im Insolvenzbereich Wachstumszahlen, von denen wir in der Wirtschaft nur träumen können. Von den Ausfällen der Sozialversicherungsbeiträge will ich in diesem Zusam- menhang nicht sprechen, hier hat die Regierung nach ei- genen Aussagen ja alles im Griff. Hier kann nur etwas erreicht werden, wenn die Regie- rung endlich in der Realität ankommt und ihre Wirt- schafts- und Arbeitsmarktpolitik deutlich ändert. Denn nicht nur die Zahlen für die Insolvenzen steigen an, zu- gleich geht die Zahl der Neugründungen ständig zurück. Wer soll eigentlich in Zukunft noch die Arbeitsplätze in diesem Land stellen? Es gibt auch noch einen zweiten Bereich in unserem In- solvenzrecht mit hohen Steigerungsraten. Bei der Ein- führung des Insolvenzgesetzes zum 1. Januar 1999 wurde ein Teil als Kernstück und große Errungenschaft angese- hen, nämlich das so genannte Restschuldbefreiungsver- fahren für Privatpersonen. Man wollte mit diesem Ver- fahren überschuldeten Menschen die Möglichkeit geben, einen Neuanfang zu erreichen. Wenn sie über einen Zeit- raum von sieben Jahren bereit waren, ihren pfändbaren Anteil am Arbeitseinkommen zugunsten der Gläubiger abzuführen, sollten sie nach dieser Zeit eine neue Chance für ihre wirtschaftliche Entwicklung ohne weitere Zwangs- vollstreckungsmaßnahmen erhalten. In Anbetracht von 2,9 Millionen überschuldeten Haushalten in Deutschland war man sich einig, dass hier Handlungsbedarf bestand. Der Gesetzgeber hat aber bereits damals – im Übrigen in Kenntnis dessen, dass es hier Probleme geben wird – zwei Fragebereiche nicht geregelt, nämlich erstens ob hinsicht- lich der Kosten Prozesskostenhilfe gewährt werden soll und zweitens, ob den Gläubigern vonseiten der Schuldner auch eine Lösung vorgelegt werden kann, die keinerlei Zahlungen vorsahen, den so genannten Nullplan. Die erste Frage hat große Auswirkungen auf die Haus- halte der Länder, da Prozesskostenhilfe eine Zahlung des Staates vorsieht, die nur in wenigen Fällen zurückgezahlt werden musste. Der zweite Teil hat Auswirkungen auf die Frage, ob der Schuldner überhaupt noch eine Anstrengung machen muss, um von allen Schulden befreit zu werden, also auch vorbeugend für die Zukunft ist, oder ob das Si- gnal lautet: Konsumiert, ihr könnt ja dann Insolvenz ma- chen und müsst nichts weiter tun, als euch sieben Jahre einzuschränken. Das ist ein fatales Signal und führt im Übrigen dazu, dass die Gläubiger, auf deren Kosten dies geht, den Glauben an den Rechtsstaat verlieren. Die offe- nen Fragen wurden durch die Rechtssprechung geklärt, der Nullplan ist zulässig und in den meisten Ländern wird PKH gewährt. Diese schuldnerfreundliche Rechtssprechung reichte der rot-grünen Bundesregierung aber nicht. Denn die Zah- len derer, die den Weg zu den Gerichten fanden und damit in den Genuss von Restschuldbefreiung kommen könn- ten, erschienen ihr zu niedrig. Das ursprüngliche Verfah- ren stellte einige Anforderungen an die Schuldner, die sel- ber etwas hätten beitragen müssen, damit aber auch ihren guten Willen hätten zeigen können. Also wurde zum 1. Dezember 2001 eine Regelung eingeführt, die es den Schuldnern jetzt ermöglicht, durch einfache Anträge letzt- lich alles zu erledigen und keine Leistung mehr zu erbrin- gen. Die Kosten werden gestundet und wenn er sie nach Ablauf des Verfahrens nicht zahlen kann, erfolgt eine wei- tere Verlängerung der Stundung und schließlich wird die Forderung dann nicht weiter verfolgt. Es reicht der Antrag auf Restschuldbefreiung und die Unterlagen soll sich der Insolvenzverwalter dann selber zusammensuchen. Bei allem sozialen Verständnis dafür, dass man den Menschen, nachdem sie in Teilen unverschuldet in die Verschuldung gelangt sind, helfen muss, damit sie hier wieder eine Chance erhalten, kann es aber nicht sein, dass dafür keine eigenen Anstrengungen vonseiten des Schuldners vorgenommen werden müssen und alles auf Kosten der Steuerzahler und Gläubiger geht. Wie nicht anders zu erwarten stieg die Zahl der Privatinsolvenzen im letzten Jahr exorbitant; wir haben eine Steigerung zwi- schen den Jahren 2001 und 2002 von 162 Prozent. Es sind nicht nur die großkapitalistischen Banken und Gläubiger, die diese Praxis bemängeln. Nein. Die Ge- richte wissen nicht mehr, wie sie den Arbeitsanfall bewäl- tigen sollen. In den namhaften Fachzeitschriften rufen die Insolvenzrichter und -rechtspfleger gemeinsam zur Wie- derherstellung der Funktionsfähigkeit der Insolvenzge- richte und der Insolvenzordnung auf. Wörtlich heißt es darin: „Insolvenzverfahren natürlicher Personen sind in der derzeitigen Ausgestaltung viel zu personalintensiv, teuer, nicht zielführend und gefährden die eingetretenen positiven Entwicklungen des reformierten Insolvenzrech- tes“. Ein vernichtendes Urteil von denen, die tagtäglich mit diesen Regelungen zu tun haben. Immerhin veranlasste dieser Aufruf den Staatssekretär Hartenbach dazu, eine Stellungnahme abzugeben. Er sieht keinen Anlass für einen Rundumschlag, man wolle ledig- lich überprüfen, in welchem Umfang zur Gerichtsentlas- tung Verfahrenserleichterungen im Regelinsolvenzver- fahren eingeführt werden können. Das Problem ist nur, dass diese Stellungnahme an der Realität und der Praxis vorbeigeht. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Januar 2003 1555 (C) (D) (A) (B) Die von der Regierung zu verantwortende Fehlent- wicklung führt dazu, dass zwischenzeitlich in den Fach- kreisen bereits darüber diskutiert wird, dass das gesamte Restschuldbefreiungsverfahren ganz abgeschafft werden soll. Immerhin hat das Amtsgericht München zwi- schenzeitlich das Bundesverfassungsgericht zur Klärung der Frage eingeschaltet, ob denn die Regelungen der Rest- schuldbefreiung mit der grundgesetzlich verankerten Ei- gentumsgarantie vereinbar sind. Wahrhaft ein Phyrussieg für diejenigen, denen man helfen wollte. Ein Konsens, der über die Insolvenzordnung 1999 eingeführt worden war, wurde aus ideologischen Gründen aufgekündigt. Die Regierung hat vor allem eins gezeigt, nämlich dass sie von der Realität und der Praxis des Insolvenzrechtes in diesem Land nicht die geringste Ahnung hat. Hätte man im Vorfeld diejenigen, die die Verfahren abwickeln, be- fragt, dann hätten sie allen von der Neuregelung zum 1. De- zember 2001 abgeraten. Aber die Regierung ist ja so gut, dass sie keine Hilfe braucht und jeder, der nicht ihrer Mei- nung ist, keine Ahnung hat. Ich kann der neuen Justizministerin wärmstens emp- fehlen, die Änderung vom 1. Dezember 2001 rückgängig zu machen. Ich für meinen Teil würde diese begrüßen und sie werden in Fachkreisen auf große Zustimmung treffen. Helfen sie mit, dass die Gerichte wieder arbeitsfähig wer- den und wir ein Insolvenzrecht haben, dass tatsächlich ei- nen Ausgleich zwischen Gläubiger und Schuldner schafft. Die von mir angeführten Zahlen sind erschreckend. Wo immer man in dieser Angelegenheit ansetzt, man trifft verheerende Zahlen an, die zugleich Ausdruck für die de- saströse Wirtschaftspolitik dieser Regierung sind. Sie sollte endlich einsehen, dass sie auf dem Holzweg ist und ihre ideologischen Scheuklappen ablegen. Die Menschen und die Unternehmer in diesem Land brauchen endlich ein positives Zeichen. Der Arbeitsmarkt muss dereguliert werden und den Menschen muss Freiheit zurückgegeben werden, um sich unternehmerisch zu betätigen. Dann werden auch die Insolvenzzahlen wieder zurückgehen. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir er- leben eine fortschreitende europäische Einigung mit ei- nem gemeinsamen Markt, die Transformation der mittel- und osteuropäischen Staaten von der Plan- zur sozialen und Regeln unterworfenen Marktwirtschaft und eine zu- nehmende Liberalisierung des Welthandels in Zeiten der Globalisierung – mit Chancen und gleichzeitig neolibera- len Auswüchsen schlimmster Art. Der internationale Wirt- schaftsverkehr hat in den letzten Jahren neue Dimensionen erreicht. Diese Entwicklung der stärkeren internationalen Wirtschaftsverflechtungen wird sich mit Sicherheit fortset- zen. Nationales wie internationales Wirtschaften brauchen ein gesichertes rechtliches Umfeld. Es muss rechtliche Rahmenbedingungen geben – und es gibt sie –, die es ermöglichen, dass nationales wie grenz- überschreitendes Wirtschaften funktionieren und florie- ren können. Rechtssicherheit ist jedoch nicht nur wichtig und wünschenswert, wenn es darum geht, wirtschaftlich „blühende Landschaften“ ersprießen zu lassen, sondern auch und gerade dann, wenn etwas schief läuft. Konkret bedeutet das: Schutz der finanziell und wirtschaftlich Schwächeren, Schutz ihrer als bevorrechtigt anzusehen- den Rechte und Gewährung einer zweiten Chance in ge- eigneten Fällen. Die Rede ist von Insolvenzfällen. Wie im nationalen gibt es die leider auch im grenzüberschreiten- den Wirtschaftsleben. Dementsprechend stellt sich die Frage, wie mit Insolvenzverfahren mit grenzüberschrei- tendem Bezug zu verfahren ist. In der Europäischen Gemeinschaft war diese Frage lange bekannt. Nach dem Scheitern der Bestrebungen zur Schaffung eines Europäischen Insolvenzübereinkom- mens wurde deshalb schließlich die entsprechende Ver- ordnung Nummer 1346/2000 erlassen. Damit wurde das internationale Insolvenzrecht in der EU in wesentlichen Teilen vereinheitlicht, sodass nun endlich Klarheit herrscht bei Fragen der kollidierenden Zuständigkeit der Gerichte, der Eröffnung des Verfahrens und der Anerkennung aus- ländischer Insolvenzverfahren. Wir begrüßen dies aus- drücklich. Das Gleiche gilt für den Teil des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Neuregelung der Kollisionsnormen des Internationalen Insolvenzrechts im deutschen Recht. Denn damit wird eine bisher nur lückenhafte Regelung des nationalen Rechts von einem umfassenden Gesetz ab- gelöst. Wir sorgen damit für die nötige Rechtsklarheit auch im nationalen Recht und zudem für ein reibungslo- ses Funktionieren der EG-Verordnung. Wenn wir zusätzlich zu einer EG-Verordnung, die oh- nehin direkte Bindungswirkung in den Mitgliedstaaten entfaltet, ein Gesetz schaffen, dann hat das einen triftigen Grund. Es geht vor allem auch darum, gegenüber Nicht- Mitgliedstaaten der EG nicht in gleicher Weise die Ver- ordnung anwenden zu müssen, sondern erforderlichen- falls die Möglichkeit zu schaffen, im Einzelfall die Rechtsstaatlichkeit und Funktionsfähigkeit der Verfahren in Drittländern prüfen zu können. Ich denke, darüber be- steht Einigkeit. Ich bin froh, dass wir bei einem Thema wie der Neure- gelung des Internationalen Insolvenzrechts an einem Strang ziehen. Das zeigt, dass es möglich ist, sachgerechte und ausgewogene Lösungen gemeinsam zu erarbeiten. Lassen sie uns das ein Ansporn sein, auch Themen, die man vielleicht nicht als „rein fachpolitischer“ Natur be- zeichnen kann – ich denke da an die anstehende Novelle des Urheberrechts – einer solchen Lösung zuzuführen. Wenn eine größere Bandbreite von verschiedenen Inte- ressen berührt ist, dann sollten diese berücksichtigt und ihr Gewicht vernünftig gegeneinander abgewogen werden. Rainer Funke (FDP):Als wir im Oktober 1994 die In- solvenzordnung alle gemeinsam hier im Parlament verab- schiedet haben, war uns bewusst, dass die Fragen des In- ternationalen Insolvenzrechts nur bruchstückhaft in der Insolvenzordnung geregelt sind, und dass insoweit ge- setzliche Regelungen noch erfolgen müssen. Bewusst ha- ben wir die Entwicklung, insbesondere in Europa, abwar- ten wollen. Eine erste Verordnung der Europäischen Union vom 29. Mai 2000 liegt nun vor und muss in deut- sches Recht eingefügt werden; auch wenn zuzugeben ist, dass die Verordnung direkt nationales Recht ist. Diese Einfügung in unser deutsches Recht ist dem Bundesjus- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Januar 20031556 (C) (D) (A) (B) tizministerium gut gelungen; wir werden dem Gesetzent- wurf der Bundesregierung zustimmen. Wir sind uns darüber bewusst, dass am Internationalen Insolvenzrecht und dort insbesondere im Internationalen Konzerninsolvenzrecht weiter gearbeitet werden muss. Aufgrund der Globalisierung des gesamten Welthandels ist auch die internationale Konzernverflechtung vorange- schritten. Deswegen müssen durch internationale Verein- barungen, aber auch durch Rechtsvorschriften der Europä- ischen Union, die grenzüberschreitenden Auswirkungen einer Insolvenz eines Konzerns besser als bisher geregelt werden. Solche Dinge benötigen Zeit. Es wäre aber schön, wenn wir noch in dieser Legislaturperiode weitere wichtige No- vellierungen auf dem Gebiet des Internationalen Insol- venzrechts beschließen könnten. Dies gilt sowohl für das materielle Insolvenzrecht als auch für den formellen Be- reich. Es muss nicht nur die Zuständigkeit der einzelnen Insolvenzverfahren, sondern auch über die Abwicklung der Insolvenzverfahren im internationalen Verbund Klar- heit herrschen. Wir werden versuchen, wie im Insolvenz- recht bislang gute Übung, über die Fraktionen hinweg, vernünftige Regelungen zu finden. Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz: Das Internationale Insolvenz- recht war bisher in Deutschland ein Stiefkind des Gesetz- gebers. Es ist in Art. 102 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung sehr lückenhaft geregelt. Das ist ange- sichts der vielfältigen grenzüberschreitenden Beziehun- gen deutscher Unternehmen, aber auch der von Privatper- sonen, zu wenig, wie uns nicht zuletzt die Fachkreise immer wieder bestätigen. Ich begrüße es deshalb sehr, dass die EG-Verordnung über Insolvenzverfahren vom 29. Mai 2000 das Interna- tionale Insolvenzrecht der Mitgliedstaaten in den zentra- len Bereichen vereinheitlicht. Diese Verordnung ist in al- len Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht. Damit wir sie in Deutschland ohne größere Schwierigkeiten an- wenden können, sind gewisse Anpassungen im deutschen Recht erforderlich, wie etwa die Festlegung des Gerichts, das bei uns für Insolvenzverfahren mit grenzüberschrei- tendem Bezug zuständig sein soll. Diese Anpassungen nehmen wir in Art. 1 des Gesetzentwurfs vor, der Ihnen heute in zweiter und dritter Lesung vorliegt. Wir wollen außerdem unser Internationales Insolvenz- recht über den Kreis der Mitgliedstaaten der EU hinaus auf den Standard der Verordnung bringen. Denn das zu- recht beklagte Defizit im deutschen Internationalen Insol- venzrecht besteht ja auch gegenüber Drittstaaten, mit de- nen wir ebenfalls enge Wirtschaftsbeziehungen haben, wie etwa die USA. Der Gesetzentwurf sieht deshalb in Art. 2 eine eingehende Regelung für unser eigenes – au- tonomes – Internationales Insolvenzrecht vor, die sich weitgehend an das Regelungsprogramm der Verordnung anlehnt. Gewisse Einschränkungen sind hier jedoch vor- gesehen, da bei einer weltweiten Anwendung möglicher- weise auch Verfahren betroffen sind, die sich stärker von unseren insolvenzrechtlichen Vorstellungen unterschei- den, als es bei unseren Partnern in der EU der Fall ist. Dies hat bei den Beratungen im Wirtschaftsausschuss wohl einige Kollegen bewogen, den Grundsatz der Ge- genseitigkeit in unserem autonomen Internationalen In- solvenzrecht festschreiben zu wollen. Danach würden wir das Insolvenzverfahren eines anderen Landes anerken- nen, wenn es unser Verfahren anerkennt. Dieser Weg führt uns in der Praxis nicht weiter und koppelt uns von der Ent- wicklung in vergleichbaren Staaten ab. Ein Beispiel hier- für wäre ein Land, das zwar bereit ist, deutsche Insol- venzverfahren ohne weiteres anzuerkennen, in seinem eigenen Konkursrecht aber Verfahren kennt, die eher ei- ner Enteignung denn einem Insolvenzverfahren gleichen und ausländischen Gläubigern die Verfahrensteilnahme weitgehend verwehren. Die Anerkennung dieses auslän- dischen Verfahrens könnte nicht über den Grundsatz der Gegenseitigkeit abgelehnt werden. Effektive Kontrollen, mit denen solche Verfahren, die unseren Gerechtigkeitsvorstellungen grob zuwider lau- fen, abgewehrt werden können, bietet die Ordre-Public- Klausel, die sich in § 343 Abs. 1 Nr. 2 der Insolvenzord- nung in der Fassung unseres Gesetzentwurfs findet. Die Ordre-Public-Klausel ist das geeignete Mittel, um der Diskriminierung inländischer Gläubiger vorzubeugen und grob ungerechte Verfahren abzublocken. Wir erken- nen ein ausländisches Verfahren nicht deshalb an, weil der betreffende Staat auch deutsche Verfahren akzeptiert, sondern weil wir der Überzeugung sind, dass ein univer- sales Verfahren am Mittelpunkt der wirtschaftlichen In- teressen des Schuldners am besten für die Insolvenzgläu- biger ist. Auf dem Weg dorthin kommen wir mit diesem Gesetz einen großen Schritt weiter. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Berichts: Technikfolgenab- schätzung, hier: TA-Projekt: Tourismus in Groß- schutzgebieten – Wechselwirkungen und Koope- rationsmöglichkeiten zwischen Naturschutz und regionalem Tourismus (Tagesordnungspunkt 12) Dr. Christian Eberl (FDP): Bereits die Überschrift „Wechselwirkungen und Kooperationsmöglichkeiten zwischen Naturschutz und regionalem Tourismus“ weist auf die große Bedeutung der Kooperation zwischen Na- turschützern und Naturnutzern hin. Leider weist aus un- serer Sicht die bisherige Politik dieser Regierung in eine andere Richtung. Das in der letzten Legislaturperiode ver- abschiedete neue Naturschutzgesetz dient gerade nicht diesem Kooperationsprinzip und damit einem nachhalti- gen Interessenausgleich, sondern untergräbt die Akzep- tanz für Maßnahmen des Naturschutzes durch den Vor- rang ordnungsrechtlicher Maßnahmen. Das Resümee des vorliegenden Endberichtes können wir als FDP-Fraktion in vollem Umfang unterstützen und mittragen. Die Erhaltung und der Schutz der Natur einer- seits und die Entwicklung des Tourismus, aufbauend auf diesem natürlichen Kapital, andererseits zeigen auf, dass unsere Naturlandschaften in der Vergangenheit und auch in der Zukunft durch den Menschen geprägt und gestaltet Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Januar 2003 1557 (C) (D) (A) (B) wurden und werden. Letztlich zeigt der Bericht, dass es an strategischen Konzepten fehlt und dass es gilt, diese De- fizite anzugehen: Es fehlen regionale, ganzheitliche Ent- wicklungskonzepte, die alle Belange berücksichtigen. Es fehlt ein Marketingkonzept, um Tourismus im und nicht trotz des Großschutzgebietes zu entwickeln. Es fehlt zum Teil auch an der Information und Identifikation der örtli- chen Bevölkerung mit „ihrem“ Großschutzgebiet. Daher sollte der zuständige Umweltbundesminister aus unserer Sicht vorrangig mehr nationale Großschutz- gebiete und deren nachhaltige Entwicklung fördern, als globale Mittel für internationale Fonds – siehe Einzel- plan 16, Titel 687 11, Titelgruppe 01, Seite 24 – bereitzu- stellen. Aus diesen Fonds werden zum Beispiel die Vögel bei ihrem Überflug über der Sahelzone geschützt. Eine konkrete Unterstützung der Entflechtung der Interessen des Tourismus, der regionalen Bevölkerung und des na- tionalen Naturschutzinteresses, zum Beispiel der national bedeutsamen Kranichkolonien im Biosphärenreservat Elbtalauen in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, findet aber – noch – nicht statt. Als FDP-Fraktion werden wir den Bericht zum Anlass nehmen, eine weitere und deutlich verstärkte Förderung insbesondere der Biosphärenreservate anzumahnen, die aus unserer Sicht die besten Voraussetzungen für die Ko- operation zwischen kulturell geprägten Naturlandschaf- ten und sanftem Tourismus bieten. In diesem Sinne unter- stützen wir das Resümee und teilen die Auffassung, dass mehr Großschutzgebiete als Modellregionen entwickelt werden müssen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Januar 20031558 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Franz Müntefering


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am

    22. Januar 1963, also vor fast genau 40 Jahren, unter-
    zeichneten ein Franzose, Präsident Charles de Gaulle, und
    ein Deutscher, Bundeskanzler Konrad Adenauer, den Ver-
    trag über die deutsch-französische Zusammenarbeit, den
    Élysée-Vertrag. Heute würdigen wir dieses Jubiläum in
    einer Debatte im Deutschen Bundestag. Aus dem damali-
    gen Vertrag der Aussöhnung und über Zusammenarbeit ist
    ein Dokument der Freundschaft zwischen unseren Völ-
    kern geworden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Am Jahrestag in der kommenden Woche werden der
    Deutsche Bundestag und die Französische Nationalver-
    sammlung, also die frei gewählten Abgeordneten als Ver-
    treter ihrer Völker, gemeinsam das Ereignis würdigen und
    in Versailles beieinander sein. Wir werden gerne dort sein
    und freuen uns darauf.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    1424


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Dass sich die beiden Parlamente treffen, habe es noch
    nie gegeben; das haben manche in Deutschland in großen
    Buchstaben reklamiert. Richtig, das gab es noch nie. Ge-
    rade deshalb ist es so wichtig. Das sei vor allen Dingen
    Symbolik, wurde geschrieben. Richtig, das ist ein Sym-
    bol, aber ein gutes.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Das koste viel Geld, wurde beanstandet. Richtig, das kos-
    tet viel Geld. Was für eine glückliche Zeit, in der sich
    Menschen über die Kosten eines gemeinsamen freund-
    schaftlichen Jubiläums Deutschlands und Frankreichs er-
    regen können und nicht über die Milliarden klagen müs-
    sen, die für Kriege zwischen unseren Völkern ausgegeben
    wurden!


    (Beifall im ganzen Hause)

    Ich bin Jahrgang 1940. Ich habe noch als Kind gelernt,

    dass Franzosen unsere Feinde seien. Sie standen im Krieg
    meinem Vater gegenüber. Er kam Gott sei Dank heil
    zurück. Meine Generation hat dann gelernt, dass Franzo-
    sen, Briten, Amerikaner und all die anderen, die im Zwei-
    ten Weltkrieg Nazideutschland gegenüberstanden, nicht
    unsere Feinde sind, dass wir sogar Freunde werden kön-
    nen. Nun haben wir seit bald 58 Jahren Frieden an dieser
    Stelle in Europa. Das gab es an dieser Stelle in Europa
    noch nie, zumindest über Jahrhunderte nicht. Wenn es die-
    sen Frieden seit 58 Jahren nicht gäbe, dann würden wir
    heute nicht über Wohlstand und nicht über einen Sozial-
    staat auf hohem Niveau sprechen; wir hätten ganz andere
    Sorgen.

    Wir müssen uns daran erinnern, wie dieser Friede in
    Europa und der Wohlstand in Europa möglich wurden,
    und daran, dass diese Entwicklung kein Zufall ist, dass
    kluge, weitsichtige Menschen, auch verantwortliche Poli-
    tiker, dabei eine große Rolle spielten. Nicht Politik allein,
    aber eben doch auch und im Wesentlichen Politik hat das
    bewirkt.

    Das gilt auch für die großen Herausforderungen, vor
    denen wir in dieser Zeit stehen. Politik kann nicht alles und
    es gelingt ihr nicht alles. Aber sie hat die Macht und die Kraft,
    Weichen zu stellen, zum Beispiel was die gute Zukunft
    Europas angeht, und daran wollen wir mitwirken.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir wissen, dass dieses Europa mehr als Deutschland
    und Frankreich und deren Freundschaft ist, dass aber
    diese Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich
    der unverzichtbare Fokus für diese historische Entwick-
    lung war und bleibt. Diese Freundschaft ist nichts Exklu-
    sives; aber sie ist exemplarisch. Die deutsch-französische
    Zusammenarbeit bleibt für die Entwicklung Europas we-
    sentlich.

    Im Frühjahr 1961, noch vor dem Élysée-Vertrag, war ich
    bei einem der ersten Bataillone der deutschen Bundeswehr,
    die in Frankreich zu Gast sein durften, in Mourmelon. Viele
    haben damals noch gezweifelt, ob das trägt und ob das geht:
    Deutsche in Uniform in Frankreich. Manche, auch in
    Frankreich, haben nicht klatschen mögen. Wir haben das
    verstanden, besonders als wir an den riesigen Feldern mit

    den vielen, vielen Kriegsgräbern der Opfer gedachten. Aber
    die Zeichen standen überall auf Freundschaft.

    Edith Piaf, Juliette Gréco, Jacques Brel faszinierten
    uns, auch wenn wir ihre Sprache nicht verstanden. Exis-
    tenzialismus war Mode, aber auch viel mehr. Albert Camus
    und Jean-Paul Sartre beeindruckten und beeinflussten
    uns. Camus‘ „Der Mensch in der Revolte“ und „Der
    Mythos von Sisyphos“ haben eine ganze Generation deut-
    scher Jugendlicher mit geprägt.

    Die deutsche und die französische Jugend standen bei-
    einander und nicht mehr gegeneinander. Das Deutsch-
    Französische Jugendwerk hat diese große Idee in feste
    Form gebracht. Mehr als 7 Millionen Jugendliche haben
    im Rahmen dieses Jugendwerks seitdem das jeweils an-
    dere Land kennen gelernt. Diese Idee braucht immer wie-
    der neue Impulse. Jede Generation muss das neu lernen
    und erleben: die anderen zu kennen und gute Nachbarn
    nach innen und nach außen zu sein.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Am 23. Januar, nächste Woche, am Tag nach dem Zu-
    sammentreffen von Bundestag und Nationalversammlung
    in Versailles, werden Bundeskanzler Gerhard Schröder
    und Präsident Chirac hier in Berlin mit jungen Menschen
    aus Frankreich und aus Deutschland über die gemeinsame
    Zukunft diskutieren. Eine solche Veranstaltung ist längst
    nicht mehr sensationell; aber sie ist ein gutes Zeichen
    dafür, dass die Jugend und die Politik den Mut und die
    Ausdauer haben, die Freundschaft zwischen unseren Völ-
    kern zu festigen und auszubauen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich will für meine Fraktion ein Dankeschön sagen an
    die vielen großen und kleinen Kommunen in Deutschland
    und Frankreich, etwa 5 000 insgesamt, die lebendige
    Städtepartnerschaften pflegen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


    Da wird ganz unspektakulär Frieden, Freundschaft und
    Wohlstand sicherer gemacht. Diese inzwischen gute Tra-
    dition darf nicht zur Routine werden. Dieses Jubiliäums-
    jahr des Élysée-Vertrages ist eine gute Gelegenheit, der
    Idee der Städtepartnerschaften neue Impulse zu geben und
    die enge Verflechtung der zivilen Gesellschaften und auch
    der Wirtschaft zu stärken.

    Wir würdigen heute einen Vertrag, der in vielem die
    Ziele der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor-
    weggenommen hat. 1963 verpflichteten sich beide Staa-
    ten auf die Koordinierung ihrer Außen-, Sicherheits-, Ju-
    gend- und Kulturpolitik. 1988 wurde diese Kooperation
    auf die Wirtschafts- und Währungspolitik erweitert. Ganz
    selbstverständlich haben sofort nach der deutschen Ein-
    heit Präsident Mitterrand und Bundeskanzler Kohl be-
    kräftigt, dass der Élysée-Vertrag auch für das vereinte
    Deutschland Gültigkeit und großes Gewicht hat.

    Kernstück des Élysée-Vertrages war damals, eine ge-
    meinsame Konzeption in der Außen- und Sicherheitspolitik

    Franz Müntefering




    Franz Müntefering
    zu entwerfen. Heute haben wir längst ein deutsch-fran-
    zösisches Korps, in dem eng und regelmäßig zusammen-
    gearbeitet wird.

    Wir sind darüber hinaus bei der gemeinsamen Europä-
    ischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vorange-
    kommen, auch wenn wir noch nicht am Ziel sind. Das gilt
    auch für die Wirtschafts-, Innen- und Rechtspolitik sowie
    für andere Politikbereiche.

    Im Dezember 2002 hat der Europäische Rat in
    Kopenhagen den Beitritt von zehn weiteren Ländern be-
    schlossen – eine historische Entscheidung. Wir sind stolz,
    dass die deutsche Bundesregierung unter Führung von
    Bundeskanzler Gerhard Schröder einen so entscheidenden
    Beitrag dazu geleistet hat.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Aber auch das große Engagement der EU-Kommission
    und besonders des zuständigen Kommissars Günter
    Verheugen hat eine besondere Anerkennung verdient. Es
    ist gerade heute wichtig, daran zu erinnern, dass Günter
    Verheugen wegen seiner Verdienste um die Erweiterung
    am 9. Januar in Polen als Mann des Jahres ausgezeichnet
    wurde. Das wurde in Deutschland kaum registriert. Wir
    gratulieren ihm zu diesem außerordentlichen Ereignis
    ganz herzlich.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Jetzt beginnt der Abschluss des großen europäischen
    Projekts: die endgültige Überwindung der Teilung Europas.
    Zusammen mit Frankreich wollen wir dafür sorgen, dass
    das größer werdende Europa politisch erfolgreich geführt
    werden kann. Wir wollen eine europäische Verfassung, die
    Demokratie, Transparenz und Entscheidungsfähigkeit ga-
    rantiert.

    Der EU-Konvent ist mitten in der Arbeit. Vor wenigen
    Tagen hat der Präsident des Konvents in der „Süddeutschen
    Zeitung“ über die zukünftige Verfassung für Europa ge-
    schrieben und einen Vorschlag für den Art. 1 einer solchen
    Verfassung gemacht:

    ... eine Union von Staaten und Völkern, die ihre Poli-
    tiken eng miteinander abstimmen und auf föderale
    Weise bestimmte gemeinsame Zuständigkeiten wahr-
    nehmen.

    Sie alle wissen: Vieles wird noch zu konkretisieren sein;
    aber die Dinge kommen in Bewegung. Das gilt auch für die
    Frage nach den neuen Führungsstrukturen der EU.

    Bundeskanzler Schröder und Präsident Chirac haben
    sich verständigt und gemeinsam ihren Vorschlag unterbrei-
    tet für die Wahl des Präsidenten des Europäischen Rates
    durch den Rat und für die Wahl des Präsidenten der Kom-
    mission durch das Europäische Parlament. Es kann uns
    Abgeordnete nur freuen, dass das Europäische Parlament
    auch insofern an Kompetenz gewinnen soll.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Von herausragender Bedeutung wird auch sein, die
    richtige und belastbare Lösung der mit der Bündelung der

    außen- und sicherheitspolitischen Aufgaben verbundenen
    Probleme zu finden. Auch dazu gibt es einen Vorschlag
    Deutschlands und Frankreichs.

    Europa, seine neue Dimension, seine neue Verfassung,
    Europa als Voraussetzung für dauerhaften Frieden und für
    Wohlstand, all das wird eines der großen Themen deut-
    scher Politik in den kommenden Monaten und auch in den
    kommenden Jahren sein und sein müssen.

    Keines der europäischen Länder wird seinen Wohl-
    stand allein dauerhaft sichern können. Auch die größe-
    ren Länder in Europa, zum Beispiel Frankreich und
    Deutschland, werden dazu nicht in der Lage sein. Mit
    anderen Worten: Dieses Europa mit seinen rund
    500 Millionen Menschen, mit seinen großartigen Poten-
    zialen ist eine gewaltige Chance für die Zukunftsfähig-
    keit dieses Teils der Welt und eine Hoffnung weit darü-
    ber hinaus. Die gute Erfahrung, die wir Deutschen und
    die Franzosen mit dem Élysée-Vertrag gemacht haben,
    soll dabei Ansporn sein.

    Die bewährte Freundschaft zwischen Sozialdemokra-
    ten aus Deutschland und Sozialdemokraten und Sozialis-
    ten aus Frankreich wird dabei helfen. Die Spitzen unserer
    Fraktionen haben gestern hier, in Berlin, konferiert und
    noch einmal festgestellt: Keiner der beiden Staaten, keine
    der verschiedenen Nationen Europas konnte vor 40 Jah-
    ren vor den Herausforderungen einer Welt, die dem Gebot
    der damaligen Supermächte unterworfen war, im Allein-
    gang bestehen. Das ist insgesamt auch heute so und es
    wird auch in Zukunft so sein. Die vielfältigen Anforde-
    rungen einer von scharfem Wettbewerb und dem Verlust
    politischer und ethischer Maßstäbe gekennzeichneten
    Welt machen das freundschaftliche und enge Zusammen-
    wirken von Deutschland und Frankreich und allen euro-
    päischen Nationen unverzichtbar.

    Frieden und Demokratie zu bewahren, Wohlstand zu
    entwickeln, das europäische Sozialstaatsmodell zu erhal-
    ten, Chancengerechtigkeit zu gewährleisten, den Ärmsten
    der Welt zu helfen, das sind unsere gemeinsamen Aufga-
    ben. Wir sehen die Europäische Union in einer Mitver-
    antwortung für den Frieden in der Welt. Wir Abgeordne-
    ten verleihen unserer Hoffnung Ausdruck, dass es der
    internationalen Gemeinschaft gelingt, den Irakkonflikt
    friedlich zu lösen. Wir begrüßen die Aussagen, die Bun-
    deskanzler Schröder dazu in diesen Tagen noch einmal
    gemacht hat.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Am 22. Januar werden der Deutsche Bundestag und die
    französische Nationalversammlung in Versailles gemein-
    sam und feierlich ihren Willen und ihre Entschlossenheit
    bekunden, unsere beiden Länder miteinander in eine gute
    Zukunft zu führen. Zwischen all den Sorgen und Aufga-
    ben, die dort in Frankreich und hier in Deutschland auf der
    politischen Tagesordnung stehen, ist das eine Nachricht,
    die Anlass für viel Zuversicht gibt.

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



    (A)



    (B)



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    (D)


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    (A)



    (B)



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Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Lieber Kollege Müntefering, da Sie uns das Vergnügen

bereitet haben, an Ihrem Geburtstag hier eine Rede zu hal-
ten, möchte ich Ihnen sehr herzlich, wie ich denke, auch
im Namen des Hauses, zu Ihrem Geburtstag gratulieren.


(Beifall)

Ich erteile nun das Wort Kollegin Angela Merkel,

CDU/CSU-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Angela Merkel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

    ren! Wir feiern und debattieren heute über den 40. Jahres-
    tag des Élysée-Vertrages und werden aus diesem Anlass
    auch in wenigen Tagen in Paris sein. Wir können feststel-
    len: Er hat sich als das wichtigste Fundament der deutsch-
    französischen Zusammenarbeit nach dem Zweiten Welt-
    krieg und zugleich als eine der wichtigsten Grundlagen
    für Versöhnung, Zusammenarbeit und Frieden auf dem
    europäischen Kontinent erwiesen.

    Fünf Seiten schlichten Papiers – dennoch war es ein
    politisches Programm für die bilateralen Beziehungen
    zwischen Deutschland und Frankreich. Wenn man sich
    die einzelnen Punkte noch einmal anschaut, stellt man
    vielleicht nichts Ungewöhnliches fest: Im ersten Teil geht
    es um Abstimmung in den wichtigen Fragen der Außen-
    politik einschließlich der Europapolitik, der Ost-West-Be-
    ziehungen, der NATO- und der UNO-Fragen – damals
    schon alles so aufgeschlüsselt – sowie der Entwicklungs-
    politik, in einem zweiten Teil um gemeinsame Ziele auf
    dem Gebiet der Verteidigungs-, der Rüstungspolitik und
    des Zivilschutzes. Also insgesamt ein Programm, das
    überschaubar ist.

    Für mich war es sehr interessant, dass von Anfang an
    als dritter Schwerpunkt auch die Förderung der deutsch-
    französischen Jugendarbeit und einer entsprechenden
    Zusammenarbeit beinhaltet war. Ich denke, der Jugend-
    austausch muss auch für die Zukunft der Kraftquell sein,
    aus dem heraus sich jede Generation das deutsch-franzö-
    sische Verhältnis wieder neu erarbeiten kann.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wichtiger vielleicht als die einzelnen Punkte erschie-
    nen Adenauer und de Gaulle damals schon die dahinter
    stehenden politischen Überzeugungen zu sein, die in einer
    gemeinsamen Erklärung zu dem Vertrag dann auch sicht-
    bar wurden:

    … in der Überzeugung, dass die Versöhnung zwi-
    schen dem deutschen und dem französischen Volk,
    die eine Jahrhunderte alte Rivalität beendet, ein ge-
    schichtliches Ereignis darstellt, das das Verhältnis
    der beiden Volker zueinander von Grund auf neu ge-
    staltet …

    Und weiter:
    ... in der Erkenntnis, dass die Verstärkung der Zu-
    sammenarbeit zwischen den beiden Ländern einen
    unerlässlichen Schritt auf dem Wege zu dem verei-

    nigten Europa bedeutet, welches das Ziel beider Völ-
    ker ist …

    Auf der Basis dieser Grundüberzeugungen hat sich die
    deutsch-französische Kooperation in allen Partei- und
    Regierungsstrukturen der letzten Jahre bewährt und im-
    mer wieder entwickelt sowie alle Häme und alle Frage-
    zeichen überwunden. Deshalb ist es unsere Aufgabe,
    diesen Jahrhundertvertrag auch weiter am Leben zu er-
    halten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Nun habe ich noch einmal nachgelesen: Damals war
    die Debatte um diesen deutsch-französischen Vertrag, der
    uns heute so einleuchtend erscheint, gar nicht so unkon-
    trovers; denn eingebettet in eine konkrete weltpolitische
    Lage wurde natürlich durchaus und von allen Fraktionen
    gleichermaßen die Frage gestellt: Ist es richtig, dass wir in
    einer solchen weltpolitischen Situation einen bilateralen
    Vertrag zwischen Deutschland und Frankreich abschlie-
    ßen, oder geben wir damit vielleicht dem Bilateralismus
    zu viel Gewicht, sodass die atlantische Partnerschaft
    zurücktreten könnte? – Das ist ein Thema, das auch in der
    heutigen weltpolitischen Lage immer wieder eine Rolle
    spielt.

    Es war damals so, dass sich die französische Armee aus
    der militärischen Zusammenarbeit in der NATO zurück-
    gezogen hatte; außerdem gab es das französische Veto
    gegen den Beitritt Großbritanniens zur Europäischen
    Wirtschaftsgemeinschaft – zwei Vorgänge, die die Parla-
    mentarier in Deutschland mit Recht beunruhigten.
    Adenauer mit seinem Sinn fürs Praktische ließ sich nicht
    beirren. Er stellte dem Ratifikationsgesetz flugs eine
    Präambel voraus, die die Dinge klarstellte – sehr zum
    Missfallen von Charles de Gaulle.

    Nun hatten diese historischen Kontroversen sicherlich
    ihre Bedeutung; aber heute haben sie nur noch den Wert
    einer Fußnote der Geschichte. Uns steht die Frage vor Au-
    gen: Welche Bedeutung hat dieser Vertrag für die Zukunft
    und wie können wir ihn immer wieder mit Leben erfüllen?

    Meine Damen und Herren, es ist unstrittig, dass es eine
    Vielzahl interessanter deutsch-französischer Kooperatio-
    nen gibt. Als Beispiel nenne ich das Jugendwerk. Ich ver-
    binde das mit der Bitte, dass dieses Jugendwerk nicht fi-
    nanziell ausgezehrt wird; denn jede Generation muss sich
    die Kontakte neu erarbeiten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


    – Das Klatschen von Herrn Müntefering stimmt mich
    hoffnungsfroh; ich hoffe, dass wir das Gleiche darunter
    verstehen. Dieses Deutsch-Französische Jugendwerk ist
    nämlich außerordentlich wichtig, um immer wieder junge
    Menschen zusammenzubringen. In einer Welt, die vieler-
    lei Faszinationen, gerade kultureller Art, aus dem anglo-
    amerikanischen Raum bietet, ist es von Bedeutung, dass
    wir sowohl in Bezug auf die Sprachfähigkeit als auch das
    gegenseitige Verständnis, wie es Herr Müntefering eben
    für seine Jugendzeit dargestellt hat, stets deutsch-franzö-
    sische Impulse setzen.




    Dr. Angela Merkel

    Wir haben den FernsehsenderArte,wir haben deutsch-
    französische Hochschulen, wir haben die deutsch-franzö-
    sische Brigade. Es gibt also eine Vielzahl von Koopera-
    tionen. Unsere Volkswirtschaften sind stark miteinander
    verflochten. Das ist allerdings mit der Aufgabe verbun-
    den, dafür zu sorgen, dass die deutsch-französische Ko-
    operation Motor und nicht Bremser der europäischen Ent-
    wicklung ist und dass das gemeinsame Grundbekenntnis
    zur sozialen Marktwirtschaft nicht in schönen Vereinba-
    rungen zur Verlangsamung von Privatisierungen und
    Staatseinflüssen genutzt wird. Dafür gab es in der Ver-
    gangenheit ungute Beispiele.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Deshalb müssen wir, wenn wir lebendige Beziehungen
    haben wollen, immer wieder kritisch schauen, ob die
    deutsch-französischen Beziehungen in Ordnung sind. Der
    französische Botschafter in Deutschland hat einmal ge-
    sagt, die Beziehungen hätten einen Teil ihres emotionalen
    Charakters verloren. Es ist wichtig, dass wir diesen emo-
    tionalen Charakter stets deutlich machen und mit Leben
    erfüllen.

    Weil sich Charles de Gaulle damals bei der Unter-
    zeichnung der Präambel außerordentlich geärgert hatte,
    hat er, als er Deutschland im Juli 1963 besuchte, gesagt,
    dass Verträge wie Rosen und junge Mädchen seien, sie
    blühten nur einen Morgen und deshalb dürfe man an ih-
    nen nicht herummachen.


    (Heiterkeit im ganzen Hause)

    – Ich dachte, als Frau kann ich mir leisten, das zu sagen.


    (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Adenauer griff diese Worte auf und antwortete: „Rosen
    und junge Mädchen, natürlich haben sie ihre Zeit; aber die
    Rose – davon verstehe ich nun wirklich etwas – überdau-
    ert jeden Winter.“ Der deutsch-französische Vertrag hat
    sich mehr als Rose denn als junges Mädchen erwiesen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, inzwischen – auch das will

    ich anmerken – ist es manchmal so, dass wir, gerade in
    Europa, froh sind, dass wir die französische Regierung
    haben. Als Beispiel aus jüngster Zeit will ich den Agrar-
    kompromiss nennen. Er wäre sicher nicht so gut gewor-
    den, wenn nicht der französische Staatspräsident ein et-
    was besseres Herz für die Bauern hätte als der deutsche
    Bundeskanzler.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)


    Alfred Grosser hat auf die Frage, ob der Élysée-Vertrag
    neu geschrieben werden sollte, geantwortet: Um Gottes
    willen, nicht neu schreiben! Aber er hat auch gesagt, dass
    er sich vorstellen könne, dass man einen Satz hinzufügt,
    nämlich: Wir, der französische Präsident und der deutsche
    Kanzler, erkennen an, dass unser hauptsächliches natio-
    nales Interesse die Vertiefung der Europäischen Gemein-
    schaft ist. Ich glaube, dieser Satz ist von außerordentlicher
    Bedeutung. Ich teile ihn uneingeschränkt.

    Die Frage, wie es mit Europa weitergeht, hängt natür-
    lich von Deutschland und Frankreich ab. Ich bin sehr
    dafür, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesaußenminister,
    dass Sie immer wieder versuchen, gerade zusammen mit
    Frankreich Motor der europäischen Einigung zu sein.
    Da gab es schlechtere Zeiten. Im Augenblick haben wir
    wieder etwas fruchtvollere Zeiten. Ich bitte Sie aber auch,
    dass die Schicksalsfragen im Zusammenhang mit der Ent-
    wicklung der Europäischen Union wieder vorher im
    überparteilichen Konsens geklärt werden. Diese Tradition
    scheint in letzter Zeit verloren gegangen zu sein.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir sind bereit, diese Dinge im Vorfeld zu klären. Aber
    man muss auch mit uns sprechen.

    Ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie sich mit den
    Konventmitgliedern der Bundesrepublik Deutschland
    – natürlich gibt es keinen Zwang, sich zu einigen – einmal
    darüber austauschen, in welcher Art und Weise wir ein
    möglichst großes Stück des gemeinsamen Weges gehen
    könnten, was die Konventvorschläge anbelangt. Dasselbe
    hätte für die Frage der EU-Mitgliedschaft der Türkei ge-
    golten. Da ist das Kind aber leider bereits in den Brunnen
    gefallen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ernst Burgbacher [FDP] – Michael Glos [CDU/ CSU]: Wir werden es wieder herausholen!)


    Die Geschichte des deutsch-französischen Vertrages
    ist die Geschichte von Charles de Gaulle und Konrad
    Adenauer. Es ist die Geschichte von Helmut Schmidt und
    Giscard d’Estaing. Es ist die Geschichte von Helmut Kohl
    und François Mitterrand. Es ist die Geschichte, die immer
    auf einem breiten Konsens in unseren beiden Völkern
    beruht hat. Damit es auch weiterhin eine gute Geschichte
    ist, sollte dieses Bemühen um eine gemeinsame, breite
    Grundlage nicht verloren gehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Lassen Sie mich das, was Sie in Bezug auf den Konvent
    vereinbart haben, von meiner Seite kurz kommentieren.

    Erster Punkt. Es ist zu begrüßen, dass der zukünftige
    Kommissionspräsident vom Parlament gewählt werden
    soll. Das ist eine Forderung, die wir seit langem aufge-
    stellt haben. Ich möchte an dieser Stelle nur die Anmer-
    kung machen, dass man aufpassen muss, dass das
    Quorum für die Wahl durch das Parlament nicht so hoch
    gesetzt wird, dass letztendlich die Entscheidung der Bür-
    gerinnen und Bürger bei der Europawahl, auf der die Zu-
    sammensetzung des Parlaments beruht, völlig nivelliert
    wird; denn ein sehr hohes Quorum würde sozusagen eine
    gemeinschaftliche Regelung bewirken.

    Zweiter Punkt. Wir waren erstaunt, dass der Vorschlag,
    nämlich einen ständigen Ratspräsidenten zu installie-
    ren, den Sie bisher mit relativ großer Skepsis betrachtet
    haben, nun ein gemeinsamer Vorschlag ist. Ich will an die-
    ser Stelle aber sagen, dass wir aufpassen müssen, dass ein
    solcher ständiger Ratspräsident nicht der heimliche Herr-
    scher über alle Institutionen Europas wird, und dass wir
    dafür sorgen müssen, dass das Verhältnis zum Kommis-


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    1428


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    sionspräsidenten auf festgelegten Zuständigkeiten beruht.
    Denn der Sinn des Konvents besteht darin – das darf bei
    Diskussion über die Institutionen nicht vergessen werden –,
    die Zuständigkeiten zwischen Europa und den National-
    staaten insgesamt klar zu regeln. Es gilt also, die neuen
    Überlegungen in das Gesamtkonzept für die Neuordnung
    der EU-Institutionen einzubetten. Es darf deshalb nicht
    sein, dass der ständige Ratspräsident Dinge außerhalb sei-
    ner Zuständigkeit entscheidet und so den Kommissions-
    präsidenten in seiner Arbeit behindert.

    Es ist auch erfreulich, dass die Kommissare offen-
    sichtlich Weisungsrechte bezüglich ihrer Generaldirek-
    tion bekommen sollen. Ich begrüße das außerordentlich,
    weil damit klarere Verhältnisse geschaffen werden. Aber
    beim ständigen Ratspräsidenten stelle ich mir die prakti-
    sche Umsetzung relativ schwierig vor, weil er natürlich
    schnell sozusagen ein Herrscher ohne Unterbau sein
    könnte. Man muss sich fragen, woher er diesen Unterbau
    nimmt: entweder durch eine Aufblähung des Ratssekre-
    tariats, was ich nicht begrüßen würde, oder durch ein Hi-
    neinregieren in die Kommission, was ich für genauso
    falsch hielte. Über diese Fragen sollten wir ehrlich spre-
    chen, damit wir später sowohl geklärte Zuständigkeiten,
    was die Sachaufgaben angeht, als auch geklärte Zustän-
    digkeiten, was die Institutionen anbelangt, haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Wir begrüßen es, dass es nunmehr eine deutsch-fran-
    zösische Gemeinsamkeit in der Frage der Außenvertre-
    tungen der Europäischen Union gibt. Allerdings sage
    ich auch: Bei allem intergouvernementalen Charakter der
    Außen- und Sicherheitspolitik wird es wichtig sein, dass
    die Persönlichkeit, die diese Funktion ausübt, auch die
    Chance hat, in der Kommission Einfluss zu haben, dass
    der Kommissionspräsident weiterhin die Außenvertre-
    tung der Europäischen Union übernimmt und dass diese
    Zuständigkeit nicht klammheimlich Richtung Rat wan-
    dert. Auch das wird ganz wichtig sein.

    Meine Damen und Herren, deshalb hoffen wir, dass
    wir in die Diskussionen der deutschen und der französi-
    schen Regierungen in Zukunft besser mit einbezogen
    werden. Ich glaube, es kann der Arbeit im Konvent nicht
    schaden. Es ist in anderen Ländern Usus, dass man ver-
    sucht, die nationalen Interessen durch gemeinschaftliche
    Konsultationen vorher zu regeln. Deshalb möchte ich an-
    gesichts von 40 Jahren erfolgreicher deutsch-französi-
    scher Kooperation diesen Wunsch hier in aller Klarheit
    anmelden.

    Wir werden in der nächsten Woche nach Paris fahren.
    Ich glaube, dass angesichts des besonderen Charakters
    des deutsch-französischen Verhältnisses diese Reise des
    Parlaments angemessen ist, wenngleich sie eine Aus-
    nahme bleiben sollte. Darüber sind wir uns aber auch ei-
    nig. Ich glaube, es ist gut, dass es gerade auch mit jungen
    Menschen Diskussionen in unserem Land geben wird, die
    daraus etwas über das deutsch-französische Verhältnis
    lernen können.

    Ich bin der festen Überzeugung, dass Deutschland
    und Frankreich auch in Zukunft der Motor bleiben müs-
    sen, äußere allerdings einen allerletzten Wunsch: Mit der

    Erweiterung der Europäischen Union wird es noch
    wichtiger sein, dass Deutschland und Frankreich als Mo-
    tor einer europäischen Einigung auch die Fähigkeit auf-
    bringen, kleine Länder ernst zu nehmen. Deutsch-franzö-
    sische Kooperation darf woanders niemals so gesehen
    werden, dass kleine Länder kein wirkliches Mitsprache-
    recht mehr haben. Darauf müssen wir achten, auch bei den
    weiteren Arbeiten im Konvent sowie in der sich ansch-
    ließenden Regierungskonferenz.

    Ich glaube, es ist richtig, dass unser Parlament diese
    Debatte heute führt, und ich hoffe, sie ist zum Wohle des
    deutsch-französischen Verhältnisses.

    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)