Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! In der Tat habe ich schon zweimal Gelegenheit
gehabt, Frau Stokar zu hören. Des Weiteren war ich vor
einer Woche mit ihr bei einer Podiumsdiskussion. Ich
konnte feststellen, dass sie eine Meisterin des Konjunk-
tivs ist, weil sie sehr oft die Redewendung „Ich würde
gerne über dieses oder jenes Thema reden“ gebraucht,
woran sie hier niemand hindert.
Aber dazu, Frau Kollegin Stokar, wenn Sie in den Indika-
tiv übergehen, muss ich Ihnen, soweit Sie sich mit meiner
Partei, der FDP, auseinander gesetzt haben, sagen: Dies ist
der Deutsche Bundestag und keine Klischeeanstalt. Bitte
denken Sie daran.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Innenmi-
nister hat zu Recht gesagt, dass speziell nach dem 11. Sep-
tember 2001 die Gewährleistung der inneren Sicherheit
das zentrale Thema der deutschen Innenpolitik ist. Aus
der Sicht der FDP ergänze ich – im vermuteten Einver-
ständnis, Herr Schily –: „die Gewährleistung der inneren
Sicherheit bei Beibehaltung der inneren Liberalität“, auf
die wir zu Recht stolz sind. Ich habe dazu schon oft die
Grundposition der FDP dargestellt, sodass ich es bei
Stichworten belassen möchte, um noch auf einige andere
Punkte zu sprechen zu kommen.
Die Grundposition der FDP zur inneren Sicherheit
ist: Es gilt vor allem, Praxisdefizite zu beseitigen. Wir
brauchen eine optimale Ausstattung der Sicherheits-
behörden. Die FDP unterstützt notwendige Gesetzesän-
derungen. Aber wir reichen nicht die Hand, wenn dem
Haus Unverhältnismäßiges vorgeschlagen wird. Es gibt
Vorschläge des bayerischen Innenministers Beckstein
von gestern, und zwar sowohl im zeitlichen als auch im
übertragenen Sinne. Das bayerische Kabinett hat gestern
die ganze Palette dessen, was hier zu Recht schon einmal
abgelehnt worden ist, wiederholt, nämlich Bundeswehr-
einsatz nach innen, Ausweisung bei Verdacht usw. Da-
rüber – das haben Sie, Herr Kollege Strobl, ja schon an-
gekündigt – werden wir uns hier wieder im Detail
auseinandersetzen müssen.
Ich möchte – wie gesagt – noch auf einige andere
Punkte, die nach Auffassung der Liberalen auch wichtig
sind, zu sprechen kommen.
Erstens. Die deutsche Innenpolitik wird ja – wie andere
Politikbereiche auch – zu einem großen Teil von der EU
vorgegeben und bestimmt.
Jetzt liegt ein Vorschlag vor, dass zum Beispiel die Asyl-
und Migrationspolitik der Mehrheitsentscheidung im
EU-Ministerrat unterliegen soll. Umso wichtiger ist es,
dass sich die deutschen Innenpolitiker im Bundestag, dass
sich das Parlament in diese Diskussionen, die im EU-Mi-
nisterrat geführt werden, in geeigneter Weise einschaltet.
Darum suchen wir im Innenausschuss seit langem um die
geeignete Form. Ich möchte den Kollegen Koschyk von
der CDU ausdrücklich dafür loben, dass er eine neue Ini-
tiative ergriffen hat, damit zum Beispiel nicht mehr das
passiert, was wir noch unter der früheren Regierung bei
dem Thema Europol erlebt haben. Europol ist eine be-
grüßenswerte Einrichtung. In der Ausgestaltung ist jedoch
eine Immunitätsregelung für Polizeibeamte getroffen
worden, die im Dienst Straftaten begangen haben, die dem
deutschen Recht völlig fremd ist. Man war dann in der Si-
tuation, wegen dieses einen Punktes nicht das gesamte
Projekt ablehnen zu können. Daher ist es ein wichtiger
Beitrag zur Beseitigung des Demokratiedefizites in der
EU, wenn sich das deutsche Parlament nach dem Vor-
schlag Koschyks stärker einschaltet.
Meine Damen und Herren, zweite Anmerkung. Die EU
ist für viele Bürger weit weg. Die Entscheidungen der
Kommunalpolitik spüren sie hingegen am eigenen
Leibe. Aufgrund Art. 28 Abs. 3 des Grundgesetzes Ge-
währleistung der kommunalen Selbstverwaltung – ist es
eine Aufgabe des Bundesinnenministers und des Innen-
ausschusses, darauf zu achten, dass die dramatische Ver-
schlechterung der finanziellen Situation der Kommunen
ein Ende findet.
Das hat Rot-Grün ja sogar erkannt. Im Koalitionsvertrag
von 1998 haben Sie versprochen, tätig zu werden. Ge-
schehen ist jedoch nichts. Erst im März 2002 haben Sie
eine Reformkommission eingesetzt, die sich im Mai kon-
stitutiert hat; dies ist viel zu spät. Sie hat jetzt die Vorgabe,
bis zur Sommerpause 2003 Vorschläge vorzulegen. So
lange können die Kommunen nicht warten.
Ich will eine kleine Episode einfügen. Ich komme ge-
rade von kommunalen Haushaltsberatungen in einer
mittleren Stadt. Wir konnten den Haushalt nur ausglei-
chen, weil wir Mittel für die neue Grundsicherung, die es
ab 1. Januar 2003 geben wird und die die Kommunen in
erheblichem Umfang belasten wird,
aus dem Haushaltsentwurf herausgestrichen haben. Denn
der Münchner Oberbürgermeister Ude von der SPD hat
Herrn Eichel geschrieben. Herr Eichel hat geantwortet:
988
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002 989
Diese Mittel würden den Kommunen vollständig ersetzt.
Wir mussten also, um unseren Haushalt auszugleichen, so
tun, als ob wir Herrn Eichel glauben würden. So drama-
tisch ist die Situation.
Frau Stokar hat im sachlichen Teil ihrer Rede kurz die
Beamtenpolitik angesprochen. Ich bin der Auffassung,
dass die Aufgabenkritik auf allen staatlichen Ebenen und
in den Kommunen gerade bei der jetzigen Finanznot noch
nicht zu Ende sein kann. Aber da, wo wir weiterhin aus
guten Gründen Beamte beschäftigen, muss der öffentli-
che Dienst attraktiv bleiben, damit wir einen leistungs-
fähigen öffentlichen Dienst behalten. Nehmen wir die Ak-
tion der GdP vielleicht nicht zu ernst, aber der Kern
dessen muss uns schon zu denken geben, nämlich dass
von seiten der Bundesregierung laufend Vorschläge kom-
men, die die Beamtenschaft, etwa die Polizeibeamten, die
nun wirklich staatstragend sind, verunsichern. Eine
30-prozentige Kürzung des Weihnachtsgeldes hat Herr
Eichel in Aussicht gestellt.
Herr Dr. Wiefelspütz sagt, das sei unverantwortlich, das
werde man auf keinen Fall mitmachen. Ich erinnere an die
Debatte über die Öffnungsklausel – das ist jetzt auch eine
reine Sparmaßnahme –, bei der von den Fraktionen von
Rot-Grün bisher eine klare Position fehlt.
Da meine Zeit beinahe abgelaufen ist,
darf ich noch eine Bitte an Sie äußern. Das wichtige
Thema „direkte Demokratie“ sollte nicht wieder so ver-
schenkt werden wie in der letzten Legislaturperiode,
als Sie sich intern nicht einigen konnten und viel zu spät
einen Vorschlag vorgelegt haben. Machen Sie rechtzeitig
einen vernünftigen ersten Schritt im Sinne der Volks-
initiative, dem dann vermutlich alle zustimmen können.
Herr Minister Schily, Sie haben von der liberalen Op-
position den Anspruch darauf, konstruktive Zusammenar-
beit erwarten zu dürfen, aber auch und vor allem kon-
struktive Kritik. Beides werden Sie wieder bekommen.