Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
gen! Dem Kollegen Bonde möchte ich noch einen for-
malen Glückwunsch zu seiner Jungfernrede sagen. Zum
Inhaltlichen diesen Beitrags – „verhinderte Regierungs-
erklärung der Grünen“ will ich nicht sagen –
will ich mich jetzt nicht weiter äußern. Nur so viel: Allen
Respekt vor Ihrer Rede! Sie haben die Linien aufgezeigt.
Kollege Arnold, wir sind ja jetzt im Verteidigungsaus-
schuss in der Verantwortung. Verteidigungspolitischer
Sprecher Ihrer Fraktion zu sein, Herr Arnold, heißt aber
nicht, dass Sie die Vergangenheit verteidigen müssen. Sie
müssen nicht die Verteidigungspolitik von Herrn
Scharping vertreten.
Die Zeiten sind vorbei. Ich habe fast den Eindruck: Sie
schlagen die Schlachten von gestern.
Weil Sie sich so sehr an die GEBB hängen, rate ich Ih-
nen: Fragen Sie einmal vertrauensvoll Herrn Struck da-
nach, was er von der GEBB und von den Ergebnissen der
GEBB hält. Vielleicht können wir uns ja dann später ein
paar Minuten Diskussion sparen.
Es hat doch auch keinen Sinn, hier einen Investitions-
anteil von 24,5 Prozent zu nennen, wenn der Verteidi-
gungsminister ein paar Minuten vorher gesagt hat: Ich
stelle eine große Sparliste auf. – Zwischen „schön reden“
und „schönreden“ – ich weiß nicht, wie das jetzt nach der
neuen Rechtschreibung geschrieben wird – ist dem Sinne
nach sicherlich immer noch ein Unterschied. Man kann
zwar schön reden, soll aber nicht schönreden. Darum bitte
ich doch recht herzlich.
Sie haben gesagt, dass die Soldaten eine gute Leistung
erbringen. Da treffen wir uns. Da sind wir uns einig. Kom-
pliment an unsere Soldaten für das, was sie vor allem im
Einsatz, aber auch in der Heimat unter erheblichen Belas-
tungen leisten!
Mir fallen aber sofort Diskussionen zum Beispiel über
den Aufenthalt mit einer Dauer von sechs Monaten, über
Stehzeiten und die Flexibilisierung ein. Dabei geht es im-
mer auch um Kosten, über die geredet werden muss.
Aber die Aussage, das Gerät könne so schlecht nicht sein,
da unsere Soldaten gute Leistungen erbringen, erinnertmich
ein klein wenig an den Satz von Christian Morgenstern:
„Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was
nicht sein darf.“ Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Trotz
teilweise mangelhaften Geräts oder mangelhafter Ausstat-
tung werden gute Leistungen erbracht. Wenn Wirtschafts-
gebäude aus hygienischen Gründen geschlossen werden
müssen, weil sie den Bestimmungen nicht mehr entspre-
chen, dann können sie vorher nicht den besten Glanz und
die beste Sauberkeit aufgewiesen haben.
Auf das Thema der Nachwuchskräfte, das Sie, Herr
Verteidigungsminister, bereits angesprochen haben, wird
sicherlich der Kollege Kossendey später noch eingehen.
Ich will hierzu nur positiv anmerken, dass wir Ihre Aus-
sage zur Wehrpflicht mittragen und unterstützen. Jeder
weiß, dass es notwendig ist, qualifizierten Nachwuchs zu
gewinnen. Jenseits der Fragen, die die Landesverteidi-
gung betreffen, müssen wir deswegen eine breit angelegte
Werbung für die Bundeswehr machen – Wehrpflicht ist
Werbung für die Bundeswehr –, um qualifiziertes Perso-
nal zu bekommen.
Ich will auf die von Ihnen so beschwörend vorgetra-
genen Formeln hinsichtlich der Fuchs-Spürpanzer, der
Transportpanzer und anderer Panzer eingehen. Ich habe
heute bereits bei anderer Gelegenheit gesagt: Ich bin
durchaus bereit – das sage ich auch für meine Fraktion –,
bei anständiger Information in aller Ernsthaftigkeit und in
vollem Verantwortungsbewusstsein die Verpflichtungen
und Möglichkeiten gegenüber Israel mitzutragen.
Die Informationen, die einen bestimmten Status hatten,
waren – das wurde bereits angesprochen – überraschen-
derweise öffentlich. Das hat dazu geführt, dass sich der
Verteidigungsminister wegen einer Panne entschuldigen
musste. Man habe nicht gewusst, dass das Fax auf dem
falschen Schreibtisch gelandet ist; außerdem sei die
falsche Form gewählt worden. Ich stelle mir vor, dass auf
einem Fax der Adressat und zum Beispiel folgender Satz
stehen: „Sehr geehrter Herr X, Bezug nehmend auf unser
Gespräch von vor einigen Wochen möchte ich noch ein-
mal festhalten, dass ...“ Ich habe das Fax nicht gelesen,
kann mir aber vorstellen, dass es so ausgesehen hat.
Wenn es so war – das ist rein hypothetisch gedacht –
und man den Gedanken weiterspinnt, dann kommt man
RainerArnold
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002
Christian Schmidt
von der Annahme einer lokalen Panne ab und es stellt sich
eine wesentlich problematischere Frage: Was will man
damit erreichen, wenn man dies in einer solchen Situation
öffentlich macht? Man kommt zu den vermeintlichen
Spürpanzern bzw. Transportpanzern und auf die Patriot-
Raketen, bei denen die Regierung durchaus einen Erfolg
erzielt hat. Ein Journalist hat mich gefragt, ob auch die
Amerikaner Patriot-Raketen angefordert hätten oder nur
die Israelis. Ich konnte Aufklärung verschaffen. Auch der
Verteidigungsminister hat seine ursprünglich rabulistisch-
falsche Aussage in dieser Frage korrigiert.
– Sie haben das korrigiert.
Es entsteht also der Eindruck, dass etwas ganz anderes
dahinter steckt, wenn eine zwei Jahre alte Anfrage der
Israelis nach einer zusätzlichen Ausrüstung mit Patriot-Sys-
temen – sie haben selbst zwischenzeitlich ein Luftverteidi-
gungssystem in Form des Arrow-Systems entwickelt –, von
denen wir wissen, dass sie in der Ausführung, in der sie in
Deutschland vorhanden sind, nur beschränkt zur Raketen-
verteidigung fähig sind, hervorgeholt wird. Mit der schnel-
len Bekanntgabe des Themas der Fuchs-Spürpanzer in der
Öffentlichkeit und der bekannten Panne – oder was auch
immer dahinter steckt – wollte man doch etwas ganz an-
deres erreichen: Man wollte den Eindruck einer sicher-
heitspolitischen Geschäftigkeit erwecken. Man wollte da-
mit vertuschen, dass man die amerikanischen Anfragen
nicht zu beantworten gedenkt.
Das ist der wahre Hintergrund, wieso sich der Herr Bun-
deskanzler mit einer ungeahnten Auskunftsfreudigkeit
geäußert hat. Das will ich unterstreichen.
Heute wurde schon eine ganze Reihe von Zitaten und
Stellungnahmen vorgetragen. Ich will mich dem gerne
anschließen und komme danach noch auf die Türkei zu
sprechen.
– Ich empfehle Ihnen zuzuhören. – Im Frühjahr dieses
Jahres gab es eine Unterrichtung der Fraktionsvorsitzen-
den. Unser damaliger Fraktionsvorsitzender und der der
FDP haben sich damals öffentlich darüber geärgert, dass
sie sehr wenig Informationen bekommen haben. Dann
wurde – von wem auch immer – ein Protokoll dieser Ver-
anstaltung in der „FAZ“ abgedruckt. Es gab Vermutun-
gen, diese Informationen kämen aus dem Kanzleramt. Ich
zitiere – mit Genehmigung des Präsidenten – aus der
„Welt“ vom 20. März dieses Jahres:
Wie die „FAZ“ ferner berichtete, sagte Schröder sei-
nen Gesprächspartnern, er sei entschlossen, die
deutschen Spürpanzer vom Typ Fuchs auch dann in
Kuwait zu lassen, wenn die Amerikaner „unilateral“
– das heißt ohne Mandat der Vereinten Nationen –
gegen den Irak vorgingen.
– Auf Nachfragen beim Kanzleramt wurde diese Wieder-
gabe als korrekt dargestellt.
In dem Protokoll laute die Äußerung Schröders:
„Niemand könne die Konsequenzen für das deutsch-
amerikanische Verhältnis der nächsten 30 bis 50 Jahre
verantworten, falls die Spürpanzer abgezogen wür-
den und es dann tatsächlich zum Einsatz von ABC-
Waffen käme.“
– Ich zitiere den Bundeskanzler.
Vor der Wahl gab es eine Schriftstellersoiree.
– Hören Sie einmal zu. – Er erklärte vor Schriftstellern, es
gebe keine deutsche Beteiligung an einem Irak-Feldzug der
USA. Nur die in Kuwait stationierten ABC-Spürpanzer
würden mitmachen. Ich zitiere aus der „Welt am Sonntag“:
Die Zuhörer – von Haus aus weder Logiker noch Lo-
gistiker – nickten den Kanzler-Roman ab.
– Das hat sehr wohl mit dem Thema zu tun. Es geht da-
rum, wie man die Bundeswehr sieht. Ist sie Werkzeug der
Vertuschung verfehlter Außenpolitik oder ist sie ein ver-
antwortungsbewusstes und dem Parlament gegenüber of-
fen eingesetztes Instrument, das dort zum Tragen kommt,
wo man es politisch für notwendig und geboten hält?
Ich will Ihnen dazu sagen, dass wir über diese Frage
deutlich reden werden. Wenn der Herr Bundeskanzler
nicht den Mumm aufbringt, diese Dinge vor dem Grünen-
Parteitag zu sagen, sondern sich hinter der vermeintlich
rettenden Anfrage seitens Israels nach Fuchs-Spürpanzern
zu verstecken versucht, dann zeigt das nur, wie weit wir
bei der Parlamentsbeteiligung im Rahmen der Entschei-
dung über Einsätze gekommen sind.
Wenn der Bundeskanzler dieser Ansicht ist, dann soll
er, mit einem entsprechenden Mandat vorbereitet, dies
dem Parlament darlegen. Er soll es nicht so machen, wie
es Herr Ströbele bereits ausgeplaudert hat. Der Rettungs-
anker wäre dann: Wenn Not am Mann ist, dann bleiben
wir doch vor Ort, obwohl wir dafür kein Mandat haben.
Die Grünen werden dann in eine Situation kommen, in der
sie von ihrer eigenen Bundesregierung nicht einmal ge-
fragt werden, ob sie bereit sind, das zu akzeptieren. Das
ist der Skandal, den ich bereits jetzt ankündige. Ich warne
die Bundesregierung dringend davor, so vorzugehen.
Das Parlamentsrechtmuss gewährleistet sein. Darüber
hinaus muss das Parlament in solchen Fällen wie bei
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002 959
ISAF – darüber werden wir in zwei Wochen zu diskutie-
ren haben – ausführlich über die Umstände des Mandats
informiert werden. Ich sage ganz deutlich: Wir sind nicht
die Feldherren, wir sind der Aufsichtsrat. Die Details ha-
ben uns nicht in dem Sinne zu interessieren, dass wir über
sie beschließen. Wir haben sie anzuhören und Erwartun-
gen auszudrücken. Wenn die Sache einigermaßen in Ord-
nung ist, dann kann man sie akzeptieren.
Herr Verteidigungsminister, die Entsendung von
2 500 Soldaten nach Afghanistan wird – das ist ein Stück
Holz – hohe Kosten und großen Aufwand verursachen so-
wie ein hohes Maß an Sicherheit voraussetzen. Wir haben
von verschiedener Seite gehört, dass im Verteidigungs-
haushalt kaum noch Bewegung möglich ist. Sie haben
dargelegt, wie Sie das finanzieren. Sie haben von 51 Mil-
liarden DM gesprochen. Sie meinten sicherlich: Euro,
also 100 Milliarden DM.
–Wir sind uns also einig, dass es 100 Millionen DM sind.
Bei diesen Zahlen stellt sich die Frage, ob das bei dem
Umfang dieses Mandats ausreichen wird. Es wird nur
dann ausreichen, wenn Sie jemanden finden, der nach
sechs Monaten die Führung übernimmt. Ich wünsche es
uns ebenso wie Ihnen und der Bundeswehr. Allerdings
wird allein der Wunsch das Problem nicht lösen. Ich bitte
Sie, viel Energie auf die Klärung dieser Frage zu verwen-
den. Sie können sicher sein, dass die Opposition Sie dabei
konstruktiv unterstützen wird.
Die Frage der Exit-Strategie – der Kollege Müller hat
es in der außenpolitischen Debatte bereits angesprochen –
steht zur Diskussion. Eine weitere Frage ist, welche Aus-
wirkungen die sich in Afghanistan offensichtlich verstär-
kende Reorganisation von Taliban und al-Qaida-Kämp-
fern mit sich bringt. Erst kürzlich ist es im Zusammenhang
mit amerikanischen Soldaten zu Zwischenfällen gekom-
men, die uns zu denken geben. Dies ist aber nicht der rich-
tige Zeitpunkt, um vertieft darüber zu sprechen.
Sie haben uns gegenüber eine Liste von Veränderungen
bei Rüstungsprojekten angedeutet. Wenn ich Sie richtig
verstehe, war das nicht die Liste, über die insgesamt zu
diskutieren ist, und es wird die Presse nicht anders infor-
miert werden. Ich wiederhole an dieser Stelle, dass wir In-
formationen angemahnt haben. Wir haben die gewünsch-
ten Informationen jetzt andeutungsweise hier im Plenum
bekommen. Wir werden es aber nicht akzeptieren, dass
die Öffentlichkeit durch die Medien informiert wird und
wir das dann aus der Zeitung erfahren. In diesem Fall dür-
fen Sie keinerlei Unterstützung von uns erwarten.
Hinsichtlich der verteidigungspolitischen Richtlinien
müssen wir über Inhalte diskutieren. Dass Sie verteidi-
gungspolitische Richtlinien vorlegen, ist notwendig und
richtig. Fast möchte ich sagen: Sie haben eine Chance,
den von Herrn Scharping begangenen Fehler wenigstens
im Verfahren zu korrigieren. Ich unterstütze nicht alle Er-
gebnisse der Weizsäcker-Kommission. Aber diese Kom-
mission hat im analytischen Teil ihres Berichts eine
Chance für eine breite sicherheitspolitische Debatte in der
Gesellschaft unseres Landes über die Frage, welche Re-
formmaßnahmen notwendig sind, geboten.
Auch wenn der Verteidigungsminister hin und wieder
relativ allein dasteht, muss er versuchen, gerade in der
Frage der inneren und äußeren Sicherheit eine breite Zu-
stimmung zu finden. Ich spreche ausdrücklich von der in-
neren und äußeren Sicherheit, weil diese eigentlich getrenn-
ten Bereiche durch den Terrorismus und die asymmetrische
Kriegsführung der Taliban, der al-Qaida und der anderen
potenziellen Beteiligten verschwimmen und wir mit ei-
nem Strukturkonzept für Sicherheit und Verteidigung rea-
gieren müssen. Das beinhaltet mehr Implikationen als die
wenigen Einblicke in die verteidigungspolitischen Richt-
linien erkennen lassen, die Sie uns bisher gewährt haben.
Ich schlage vor: Legen Sie die Richtlinien auf den
Tisch! Lassen Sie eine Diskussion darüber zu und wenden
Sie sich dann der Frage zu, wie Sie das strukturell und ma-
teriell umsetzen wollen! Machen Sie es nicht umgekehrt,
sonst zäumen Sie das Pferd vom Schwanz her auf!
Bei dieser VPR-Diskussion werden Sie einen zwar kriti-
schen, aber konstruktiven Dialog mit uns erwarten kön-
nen. Uns liegt an der Sicherheit unseres Landes.