Rede von
Rudolf
Bindig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Die bisherige außenpolitische Debatte hat gezeigt, wie
komplex sich internationale Beziehungen entwickeln,
wenn Konflikte virulent geworden sind, und lässt erken-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002 941
nen, welchen politischen und diplomatischen Aufwand
und welche finanziellen Mittel sie erfordern.
Aus menschenrechtlicher Sicht stehen Fragen der
menschlichen und humanitären „Kosten“ solcher Konflikte
im Vordergrund. Das heißt im Klartext: Wie sieht die Si-
tuation der betroffenen Menschen aus? Mit welchen Mit-
teln kann ihnen geholfen werden? Wie sind die Konflikte
oder auch ihre Lösungsansätze aus menschenrechtlicher
Sicht zu bewerten? Mit welchen Risiken ist zu rechnen?
Politische Spannungen und Konflikte sowie militärische
Operationen bergen die Gefahr in sich, dass menschen-
rechtliche und humanitäre Standards sowie völkerrecht-
liche Grundsätze verletzt werden. Gerade wenn es darauf
ankommt, dass humanitäres Völkerrecht und elementare
Menschenrechte respektiert werden müssen und ihre Be-
währungsprobe bestehen sollen, sind sie am häufigsten ge-
fährdet. Diese Gefahr ist nicht nur in vielen innenpoliti-
schen Auseinandersetzungen von Ländern erkennbar – sei
es in Kolumbien, Algerien oder Vietnam –, sie zeigt sich
auch international im Antiterrorkampf. Hier müssen wir
wachsam sein. Sosehr sich pragmatische Politik durch
Kompromissbereitschaft auszeichnet, so wenig nachgiebig
dürfen wir sein, wenn es um die Einhaltung menschen-
rechtlicher Standards in schwierigen Situationen geht.
Um zu verhindern, dass in konfliktiven und besonders
in gewaltsamen Situationen der Zweck die Mittel heiligt,
braucht die Politik Grundprinzipien und Leitlinien. Dies
müssen die Menschenrechte sein. Daran dürfen wir uns
nicht nur am Internationalen Tag der Menschenrechte, am
10. Dezember, erinnern; dies muss übers Jahr unser poli-
tisches Handeln bestimmen.
Deshalb ist es nur konsequent, wenn im Koalitionsver-
trag als Richtschnur der Außenpolitik die Beachtung des
Völkerrechts, Dialogbereitschaft, Krisenprävention, Ge-
waltverzicht, Vertrauensbildung sowie das konsequente
Eintreten für die Menschenrechte genannt sind. Menschen-
rechte müssen gerade in Konfliktsituationen eine Leitlinie
unserer Politik sein.