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ID1501308500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 871 A Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2003 (Haushaltsgesetz 2003) (Drucksache 15/150) . . . . . . . . . . . . . . 871 B b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2002 (Nach- tragshaushaltsgesetz 2002) (Drucksache 15/149) . . . . . . . . . . . . . . 871 B c) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Bericht über den Stand und die voraussichtliche Entwicklung der Fi- nanzwirtschaft des Bundes (Drucksache 15/151) . . . . . . . . . . . . . . 871 B Einzelplan 04 in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag des Abgeordneten Dr. Wolfgang Schäuble und der Fraktion der CDU/CSU: Für ein glaubwürdiges Angebot der EU an die Türkei (Drucksache 15/126) . . . . . . . . . . . . . . . . 871 C Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 871 D Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 876 C Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . 886 D Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . 889 D Katrin Dagmar Göring-Eckardt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . 891 A Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 896 D Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 905 C Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . 908 D Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 910 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 912 A Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . . 913 A Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . . 913 D Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . 915 B Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 916 B Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . . 917 C Bernhard Kaster CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 918 B Einzelplan 05 in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 3: a) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Menschenrechte als Leitlinie der deutschen Politik (Drucksache 15/136) . . . . . . . . . . . . . . 920 B Plenarprotokoll 15/13 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 13. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002 I n h a l t : b) Antrag der Abgeordneten Rainer Funke, Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien nicht vergessen (Drucksache 15/64) . . . . . . . . . . . . . . . 920 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 920 C Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 921 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 923 B Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 924 D Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 928 A Ruprecht Polenz CDU/CSU . . . . . . . . . . 928 D Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 929 A Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . . 930 B Dr. Christoph Zöpel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 932 C Dr. Gerd Müller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 934 A Dr. Ludger Volmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 935 D Michael Roth (Heringen) SPD . . . . . . . . . . . 936 C Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 937 D Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 939 D Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 940 D Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 941 B Rainer Eppelmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 942 B Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 944 B Angelika Graf (Rosenheim) SPD . . . . . . . . . 944 C Einzelplan 14 Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 945 D Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 948 C Verena Wohlleben SPD . . . . . . . . . . . . . . 949 D Alexander Bonde BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 950 C Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 952 B Rainer Arnold SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 953 C Günther Friedrich Nolting FDP . . . . . . . . 954 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . 954 B Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 957 A Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 959 D Helga Daub FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 961 A Dr. Hans-Peter Bartels SPD . . . . . . . . . . . . . 962 A Thomas Kossendey CDU/CSU . . . . . . . . . . . 963 C Einzelplan 23 Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 965 C Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . 967 B Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . . . . 969 D Thilo Hoppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 970 C Markus Löning FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 972 B Karin Kortmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 973 B Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 974 D Karin Kortmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 975 A Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . . . . . . . 975 C Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU . . . . 975 C Detlef Dzembritzki SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 977 B Einzelplan 06 Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 979 A Thomas Strobl (Heilbronn) CDU/CSU . . . . . 981 B Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . . . . 982 B Thomas Strobl (Heilbronn) CDU/CSU . . . . . 983 A Otto Schily SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 984 D Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 986 A Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 988 A Dagmar Freitag SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 989 B Susanne Jaffke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 990 A Sebastian Edathy SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 991 C Stephan Mayer (Altötting) CDU/CSU . . . . . 993 A Einzelplan 07 Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 994 B Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU . . . . . . . . . . 996 C Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 999 D Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1001 B Otto Fricke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1002 B Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1003 C Norbert Barthle CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 1005 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1007 D Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1007 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 1009 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002 871 13. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002 Beginn: 9.00 Uhr
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    Norbert Barthle Berichtigung 12. Sitzung, Seite 744 (B), der letzte Absatz ist wie folgt zu lesen: Wir haben eine Menge getan, um die Eigenkapitalbildung des Mit- telstandes zu erleichtern. Aufgrund unserer Steuerreform ist inzwi- schen die obere Grenzbelastung – 1998 lag sie bei 69 Prozent – auf 51 Prozent gesenkt worden. So etwas haben sie in Ihrer Regierungs- zeit nie zuwege gebracht. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002 1009 (C)(A) Adam, Ulrich CDU/CSU 04.12.2002* Borchert, Jochen CDU/CSU 04.12.2002 Bury, Hans Martin SPD 04.12.2002 Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 04.12.2002 Hartmut Caesar, Cajus CDU/CSU 04.12.2002 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 04.12.2002 Herta Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 04.12.2002 Gradistanac, Renate SPD 04.12.2002 Großmann, Achim SPD 04.12.2002 Hörster, Joachim CDU/CSU 04.12.2002* Hofbauer, Klaus CDU/CSU 04.12.2002 Kubicki, Wolfgang FDP 04.12.2002 Lintner, Eduard CDU/CSU 04.12.2002* Dr. Lötzsch, Gesine fraktionslos 04.12.2002 Dr. Lucyga, Christine SPD 04.12.2002* Möllemann, Jürgen W. FDP 04.12.2002 Dr. Pinkwart, Andreas FDP 04.12.2002 Rauber, Helmut CDU/CSU 04.12.2002** Dr. Röttgen, Norbert CDU/CSU 04.12.2002 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des OSZE entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Peter Hintze


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

    Kollege Zöpel hat uns eben mit kräftigen Worten aufge-
    fordert, zu akzeptieren, dass im Wahlkampf alle wichtigen
    Fragen zur Sprache kommen müssen. Ich kann dazu
    nur sagen: Darüber gibt es im Parlament eine breite Übe-
    reinkunft. Die Differenz besteht darin, dass wir der Auf-
    fassung sind, dass im Wahlkampf alle wichtigen Fragen
    wahrheitsgemäß


    (Lachen des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Ludger Michael Roth Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002 Peter Hintze Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rote Socken!)


    und sachgemäß beantwortet werden sollten. Dagegen hat
    Rot-Grün in schändlicher Weise verstoßen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Lieber Herr Fischer, wir erleben jetzt, dass die Regie-
    rung kleinlaut versucht, den Preis für den Anti-USA-
    Wahlkampf zu zahlen, in den sie sich selber hineinbug-
    siert hat. Das ist sehr kritisch zu sehen. Deswegen muss
    heute über einige Fragen vom Grundsatz her diskutiert
    werden. Denn unsere Politik muss sich am Interesse und
    am Wohle Deutschlands ausrichten und nicht an den Feh-
    lern, die Rot-Grün im Wahlkampf gemacht hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Der Außenminister kommt uns teuer!)


    Was mich betroffen macht – das will ich vorab sagen –,
    ist, dass uns die Regierung heute, vor einem der vielleicht
    wichtigsten Gipfel der letzten Jahrzehnte, in zentralen
    Fragen der europäischen und internationalen Politik eine
    Auskunft schuldig bleibt.


    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ach, Herr Hintze!)


    Natürlich finden wir es gut, dass Sie endlich wieder zur
    deutsch-französischen Zusammenarbeit finden. Aber der
    Verweis auf ein Gespräch mit dem französischen Staats-
    präsidenten ist doch keine Rechtfertigung dafür, dem
    Souverän, dem Deutschen Bundestag, vor einem der
    wichtigsten europäischen Gipfel dieses Jahrzehnts, mög-
    licherweise dieses Jahrhunderts, in zentralen Fragen die
    Auskunft zu verweigern.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Gernot Erler [SPD]: Lauter, Herr Kollege, ich höre Sie nicht! – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Das ist Politik am Volk vorbei! – Gegenruf des Abg. Dr. Peter Struck [SPD]: So ein Schwachsinn: „Politik am Volk vorbei“!)


    Nun möchte ich zu einem zentralen Thema kommen,
    zur Debatte über die Türkei. Eine der wesentlichen Fra-
    gen der europäischen Politik lautet: Wie können wir den
    Wunsch der Türkei, zu Europa zu gehören, konstruktiv
    aufgreifen, ohne dabei heute Vorfestlegungen zu tref-
    fen, die morgen vielleicht mit unserem Selbstverständ-
    nis in der Europäischen Union kollidieren? Es wäre
    schön, wenn man über diese Frage sachlich sprechen
    könnte.

    Ich finde es schon merkwürdig, dass heute Redner der-
    jenigen Parteien stolz auf die Zollunion als einen der
    wichtigen Schritte im Verhältnis Europas zur Türkei ver-
    weisen, die seinerzeit diejenigen politischen Gruppierun-
    gen darstellten, die im Europäischen Parlament just gegen
    diese Zollunion gestimmt haben. Das lassen wir Ihnen
    nicht durchgehen.

    Wir haben immer gesagt: Wir müssen darauf achten,
    dass es eine gute Partnerschaft und ein privilegiertes Ver-
    hältnis zwischen der Türkei und der EU gibt. Hier war die

    Zollunion in der Tat ein wichtiger Schritt. Das hat Michael
    Glos in der Erklärung deutlich gemacht, die heute wieder
    – wie das oft auch in anderen Zusammenhängen ge-
    schieht – verkürzt zitiert worden ist.


    (Michael Roth [Heringen] [SPD]: Ein Missverständnis wahrscheinlich!)


    Damals waren es die Sozialdemokraten und die Grünen,
    die sich dieser Zollunion unter dem Aspekt der Men-
    schenrechte – dies ist ein wichtiger Gesichtspunkt – ver-
    weigert haben.


    (Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Claudia Roth!)

    Wenn wir uns heute mit Blick auf die Stellung des Mili-

    tärs im Verfassungsgefüge der Türkei, mit Blick auf die
    Rechte bzw. das Nichtvorhandensein von Rechten der
    Frauen, die Pressefreiheit und die kurdischen Bevöl-
    kerungsgruppen in der Türkei sowie mit Blick auf den
    Umgang mit christlichen Kirchen in der Türkei unmög-
    lich festlegen können und deswegen einen Automatismus,
    der zu einer Vollmitgliedschaft führt, ablehnen, dann
    sollte das Ihre Unterstützung finden und nicht Ihren Wi-
    derstand herausfordern.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn man derart mit Zitaten umgeht, ist auch zu fra-

    gen: Wie ist die jeweilige Situation? Herr Fischer, es gibt
    im Vergleich zu damals zwei wesentliche Unterschiede.
    Erstens gab es den Verfassungskonvent, der jetzt erstma-
    lig die Chance eröffnet, dass aus der Europäischen Union
    tatsächlich eine politische Gemeinschaft, eine echte Wer-
    tegemeinschaft entsteht, noch nicht. Zweitens gab es in
    der Türkei keine islamistische Regierung. Wir können
    nur hoffen, dass die türkische Regierung den radikalen
    Worten ihrer politischen Führer in der Vergangenheit
    nicht entsprechende Taten folgen lässt, sondern dass sie
    tatsächlich den Weg zu Demokratie und Rechtsstaat-
    lichkeit findet. Das wollen wir mit all unseren Kräften un-
    terstützen. Keiner hier im Hause kann heute allerdings sa-
    gen, ob das tatsächlich gelingt. Es wäre doch fatal, wenn
    wir einen Automatismus in Gang setzten, der die Europä-
    ische Union später in ihrem Kern träfe und das, was wir
    mit unserer Verfassung vornehmen, konterkarierte.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deswegen haben wir einen Antrag eingebracht – er

    wurde leider von der unverständigen Mehrheit des Hauses
    abgelehnt –, mit dem wir fordern, bei den Gesprächen mit
    der Türkei den Gedanken mit zu erwägen, ob nicht eine
    Form der privilegierten Partnerschaft eine Alternative sein
    könnte, die weder die Türkei noch die Europäische Union
    überfordert. Wer das von vornherein ausschließt, schadet
    den Interessen des europäischen Integrationsprozesses,
    dem wir uns alle verpflichtet fühlen. Diese Unterschei-
    dung halte ich für bedeutsam.

    Ich möchte noch einmal die Bundesregierung auffor-
    dern, zu diesem Weg zurückzukehren. Wochen- und mo-
    natelang hat der Außenminister intern und öffentlich er-
    klärt, es gebe keinen Kuhhandel mit der Türkei, der
    besagt, dass sie ihr Veto bei der ESVP, also bei der Nut-
    zung der NATO-Fazilitäten für die europäische Sicher-
    heits- und Verteidigungspolitik, zurücknimmt und es


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    (A)



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    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002 939

    dafür ein Zugeständnis in Form der Absenkung der Krite-
    rien bei der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen gibt.
    Das war immer ihre Position. Seit kurzem klingt es zu-
    mindest aus dem Munde des Bundeskanzlers ganz anders:
    Wenn sich bei der ESVP und der Zypern-Frage etwas tut,
    ist das mit den Kriterien nicht mehr so wichtig.

    Meine Damen und Herren, die Demokratiekriterien,
    aber auch die Wirtschaftskriterien sind deshalb so wich-
    tig, weil die Europäische Union eine Schicksalsgemein-
    schaft ist, die nur dann eine gute Zukunft hat, wenn sie auf
    gemeinsamen Werten beruht und feste Regeln gelten.
    Wenn diese verletzt werden, verletzen wir uns damit ein
    Stück weit selbst.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Weil alle konkreten Fragen von der Regierung syste-

    matisch ausgelassen wurden, will ich zum Gipfel von
    Kopenhagen noch einen Punkt, ein „ceterum censeo“,
    ansprechen, den wir hier im Plenum schon des öfteren
    erörtert haben. Ich finde es sehr bedenklich, dass über die
    große historische Wirkung der Erweiterung der Europä-
    ischen Union um die jungen Reformdemokratien in Mit-
    tel- und Osteuropa gar nicht mehr gesprochen wird.


    (Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Das ist unglaublich!)


    Wie muss sich eigentlich ein polnischer, ein ungari-
    scher, ein slowakischer oder ein slowenischer Kollege
    fühlen, wenn er den Eindruck gewinnt, dass sich unsere
    Regierung, der Partner, auf den sie Hoffnungen setzen,
    nicht mehr für sie interessiert? Wir aber interessieren uns
    noch für sie. Deswegen möchte ich Sie, Herr Bundes-
    außenminister, von dieser Stelle aus noch einmal auffor-
    dern, die Ungerechtigkeit des Vertrages von Nizza, näm-
    lich den Ungarn und Tschechen weniger EP-Sitze
    einzuräumen, als ihnen nach ihrer Bevölkerungszahl zu-
    steht, in den Beitrittsverträgen zu korrigieren. Das ist eine
    Frage der Fairness und der Partnerschaft mit den Staaten,
    die Demokratie und Freiheit erstritten haben und sich auf
    unser Wort verlassen müssen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir müssen ferner in Kopenhagen sicherstellen, dass

    die Staaten, die zu uns stoßen und wirtschaftliche Hilfe
    für ihren Entwicklungsprozess brauchen, durch die Fi-
    nanzregeln, die wir in der Europäischen Union haben,
    nicht von Anfang an in die Nettozahlerposition geraten.
    Wir erwarten, dass die Staats- und Regierungschefs in fai-
    rer Weise einen Ausgleichsmechanismus vereinbaren, da-
    mit dieser Start auch wirklich klappt und die Sache gut
    wird.

    Wir lassen uns auf eine jahrzehntelange Partnerschaft,
    auf eine Schicksalsgemeinschaft ein. Dazu gehört, dass
    wir fair miteinander umgehen und gemeinsam die Chan-
    cen nutzen, aus der Erweiterung der Europäischen Union
    ein wirklich großes, historisches und gutes Projekt zu ma-
    chen. Das ist die Aufgabe, der wir uns politisch stellen
    müssen.

    Es hätte mich sehr gefreut, wenn ich dazu heute etwas
    von der Regierung gehört hätte. Es ist nicht die Aufgabe
    der Regierung, die Opposition zu beschimpfen, sondern

    eine ordentliche Politik zu betreiben und sich für die ei-
    genen Fehler zu rechtfertigen. Dahin sollten Sie langsam
    zurückkehren, verehrte Mitglieder der Regierung, ob Sie
    nun auf den Abgeordnetenbänken oder vorne sitzen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich will diese Debatte aber auch nutzen, um ein Wort

    zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Auswärtigen
    Amt zu sagen. Wir haben Jahre höchster politischer Bri-
    sanz erlebt. Die Europapolitik, die Außenpolitik und die
    internationale Politik haben höchste Anforderungen ge-
    stellt. Ich kann auf jeden Fall sagen – ich glaube, das gilt
    auch für viele Kollegen –, dass wir sowohl in der Ständi-
    gen Vertretung in Brüssel, in Berlin, aber auch in den an-
    deren Botschaften erlebt haben, dass die Mitarbeiterinnen
    und Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes über die Maßen
    hinaus eine sehr gute Arbeit leisten. Ich möchte ihnen im
    Namen der Kollegen, die in der internationalen Politik ar-
    beiten, dafür an dieser Stelle, beim Einzelplan 05, einmal
    ausdrücklich danken.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Ich erteile das Wort der Kollegin Christa Nickels,

Bündnis 90/Die Grünen.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Christa Nickels


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Menschenrechte zur Leitlinie deutscher Politik zu ma-
    chen ist ein riesengroßer Anspruch und auch eine riesen-
    große Herausforderung. Das macht sich nicht an schönen
    Festreden oder an aufgeregt geführten Fernsehdebatten
    und auch nicht an Debatten fest, die ein Stück weit
    Stammtisch- oder Karnevalsniveau haben; vielmehr zeigt
    sich die Ernsthaftigkeit dieses Anspruchs im Alltag dieses
    Parlaments, in der ganz konkreten Alltagsarbeit.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass wir mitten in
    der gedrängten Haushaltswoche Gelegenheit bekommen,
    und zwar zum ersten Mal überhaupt – ich bin zum fünf-
    ten Mal in diesem Parlament,


    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

    ich bin gern zum fünften Mal in diesem Parlament –, die
    Tradition der Debatte zum Tag der Menschenrechte fort-
    zuführen und dass wir das endlich einmal nicht zur Geis-
    terstunde nachts um zwölf tun müssen, sondern es jetzt
    mitten in der Debatte über Außenpolitik tun können, wo-
    hin die Menschenrechte gehören.

    Ich bin auch sehr froh darüber, dass wir außerhalb des
    üblichen Prozedere einen umfangreichen Menschenrechts-
    antrag, der die gesamte Bandbreite der innen- und außen-
    politischen Rahmensetzungen behandelt, in erster Lesung

    Peter Hintze

    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002
    Christa Nickels
    mitberaten. Ich hoffe, dass er nach gründlicher Beratung
    in den Fachausschüssen für uns alle ein Stück weit ver-
    bindliches Arbeitsprogramm für die Menschenrechte in
    dieser Legislaturperiode sein kann.

    Es ist schon viel von der Notwendigkeit des Anti-
    terrorkampfes die Rede gewesen. Ich stimme den Rednern
    ausdrücklich zu, die quer durch alle Fraktionen darauf hin-
    gewiesen haben, dass der Kampf gegen den Terrorismus
    sehr ungewöhnliche, neue und auch sehr zukunftsträchtige
    Allianzen ermöglicht hat. Aber ich muss auch ein Stück
    weit beklagen, dass im Rahmen der Allianz gegen den Ter-
    rorismus der berechtigte Kampf gegen den Terrorismus
    auch dazu missbraucht oder instrumentalisiert worden ist,
    den Menschenrechten weltweit großen Schaden zuzufü-
    gen. Auch wenn die Bundesregierung peinlich genau da-
    rauf achtet, den Schutz der Menschenrechte im Antiterror-
    kampf zu wahren, gibt es doch ganz aktuelle Nagelproben,
    die wir zu bestehen haben. Ich will drei nennen.

    Zum einen ist es die Menschenrechtssituation in
    Tschetschenien, die sich seit dem 11. September immer
    mehr verschärft hat.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Seit dem schrecklichen Anschlag im Musical-Theater in
    Moskau kommt es nicht nur zu dem berechtigten Kampf
    gegen die Terroristen, sondern auch zu einem unter-
    schiedslosen Kampf gegen die Zivilbevölkerung in
    Tschetschenien.


    (Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Aber Schröder lobt Putin!)


    Die Binnenflüchtlinge und die Flüchtlinge in der Russi-
    schen Föderation haben mittlerweile den Status von fast
    Vogelfreien. Das ist nicht zu ertragen. Es ist schrecklich.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Darum bin ich froh, dass der Innenminister seine Länder-
    kollegen vor Wochen aufgefordert hat, den tschetscheni-
    schen Flüchtlingen jetzt den notwendigen Schutz zu
    gewähren. Allerdings muss es in einem nächsten Schritt auf
    der morgen beginnenden Innenministerkonferenz, bei der
    Innenminister aller Länderkoalitionen, Herr Gerhardt, da-
    bei sind, dazu kommen, den längst überfälligen Abschie-
    bestopp für die Tschetschenen zu beschließen. Auch die
    EU darf ihre Außengrenzen gerade jetzt nicht für Flücht-
    linge aus der ehemaligen Sowjetunion dicht machen. Wir
    brauchen ganz im Gegenteil eine konzertierte Aktion der
    europäischen Regierungschefs, um Präsident Putin im
    Tschetschenienkonflikt endlich zu einer politischen Lö-
    sung zu drängen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Der Kampf gegen den Terrorismus wird in vielen Staa-
    ten der Erde dazu benutzt und missbraucht, unliebsame
    Minderheiten zu bekämpfen


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    und Kritiker mundtot zu machen. Die Einforderung von
    Minderheits- und Beteiligungsrechten, kritische Presse-
    arbeit oder das Engagement von Demokratie- und Men-

    schenrechtsbewegungen werden allzu oft als Förderung
    des Terrorismus denunziert.

    Gerade gestern habe ich mit der Vorsitzenden einer al-
    gerischen Menschenrechtsorganisation gesprochen, die
    sich um die Verschwundenenproblematik kümmert. Sie
    gehört zu einer Gruppe von Müttern, die die Belange von
    7000 Betroffenen vertritt und jeden Mittwoch für ihre ver-
    schwundenen Angehörigen demonstriert. Erst vor wenigen
    Wochen, am 4. November, musste sich diese Frau zusam-
    men mit den anderen Müttern wegen angeblicher terroristi-
    scher Gesinnung zusammenschlagen lassen. Das ist ein
    sehr schlimmes Beispiel dafür, wie der berechtigte Kampf
    gegen den internationalen Terrorismus benutzt wird, die
    Opfer zu Tätern zu denunzieren und mundtot zu machen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie das mal dem Bundeskanzler beim nächsten Besuch von Putin!)


    Ich warne dringend davor und stimme Irene Khan, der Ge-
    neralsekretärin von Amnesty International, zu, die for-
    derte, es dürfe keine Instrumentalisierung der Menschen-
    rechte zu fragwürdigen Zwecken und keine selektive
    Umgehensweise mit Menschenrechten geben. Frau Khan
    verlangt zu Recht, es dürfe keine kalkulierte Manipulation
    der Arbeit von Menschenrechtsaktivisten geben.

    Zum Schluss, da ich nur noch sehr wenig Redezeit
    habe, möchte ich auf das hinweisen, was wir auch bei
    Petersberg II angesprochen haben: Der Kampf gegen
    den Terrorismus hat gerade in Afghanistan für viele
    Frauen, die jahrzehntelang in unwürdigsten Zuständen le-
    ben mussten, neue Chancen eröffnet. Aber wenn man
    weiß, dass die Lage dieser Frauen jahrzehntelang kaum
    jemanden außerhalb der so genannten Gutmenschfrak-
    tion, der Menschenrechtsaktivisten, interessiert hat, und
    wenn man jetzt wieder hört, dass Mitglieder der afghani-
    schen Verfassungskommission unwidersprochen die Ein-
    führung der islamischen Scharia in das neue Rechtssys-
    tem fordern dürfen, ist einem klar, dass die internationale
    Staatengemeinschaft aufgefordert ist, die Vergabe der
    Mittel für den Wiederaufbau in Afghanistan jetzt an die
    Garantie der grundlegenden Freiheits- und Menschen-
    rechte zu knüpfen, damit nicht Chancen vertan werden
    und damit die berechtigte Hoffnung der afghanischen Be-
    völkerung, vor allen Dingen der Frauen dort, nicht erneut
    enttäuscht wird.

    Danke schön.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)