Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde,
es ist traurig, dass der Außenminister in der ersten Lesung
des Bundeshaushaltes zur Einführung der Beratungen
über die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland
nicht mehr, nichts anderes und nichts Konkreteres zu sa-
gen hat als das, was wir von Herrn Fischer gehört haben.
Jeder in Deutschland weiß, dass der Bundeskanzler
antiamerikanische Gefühle und Ressentiments in diesem
Wahlkampf geschürt und ausgebeutet hat. Deshalb will
ich die Debatte darüber gar nicht aufmachen. Mit Äuße-
rungen, dass das jetzt alles nur ein Missverständnis der
dummen Opposition gewesen sei, machen Sie sich noch
nicht einmal mehr lächerlich. Diese Debatte können Sie
sein lassen.
Das Problem ist ein völlig anderes. Ich will Ihnen ein
Zitat aus der „Süddeutschen Zeitung“ vom 22. November,
nach dem NATO-Gipfel in Prag, vorlesen:
Es geht vielmehr darum, dass die Bundesregierung
in einer Falle sitzt, die sie selbst konstruiert hat:
Denn nach der Abstimmung von Prag muss sie sich
entscheiden zwischen ihrem im Wahlkampf abgege-
benen Versprechen, sich an keinen „Abenteuern“ im
Morgenland zu beteiligen, und ihren Bündnisver-
pflichtungen gegenüber der Nato. Kurz ausgedrückt:
Sie wird ihr Wort brechen müssen, aber sie kann es
sich aussuchen, wen sie betrügen will – die Wähler
oder die Partner.
Das ist die Wahrheit.
Jetzt wollen wir uns einmal einen Moment lang an-
schauen, wie Sie das gegenüber den eigenen Anhängern
– das erklärt ja manche tollen Redereien der letzten Wo-
chen – im Einzelnen tun. Der Bundeskanzler hat tagelang
davon gesprochen, dass wir schon deswegen Überflug-
rechte gewähren müssten, weil dies im NATO-Vertrag
stehe.
Ein Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland muss,
bitte schön, wissen, dass der NATO-Vertrag greift, wenn
der NATO-Fall gegeben ist. Davon ist im Zusammenhang
mit dem Irak wirklich keine Rede.
Der Verteidigungsminister hat am 24. November im
ZDF die Frage „Hat die USA Abwehrraketen erbeten?“
mit Nein beantwortet.
– Das ist aus der „Süddeutschen Zeitung“ vom 27. No-
vember; ich habe diesen Bericht hier. Das können wir prü-
fen. Darin wird der Dialog zwischen Ihnen und dem In-
terviewer des ZDF wörtlich dargestellt. Herr Kollege
Struck, Sie können es nachher richtig stellen.
Im Übrigen, selbst wenn er nach Patriots gefragt hätte,
war dies eine ziemlich plumpe Täuschung. Denn dass die
Bundesminister Joseph Fischer
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002
Dr. Wolfgang Schäuble
Amerikaner nicht unsere relativ alten Hawk-Systeme an-
fragen, sondern – wenn überhaupt – unsere Patriots, weiß
jedes Kind, selbst der deutsche Verteidigungsminister.
Machen Sie keine Ausflüchte!
Ich nenne noch ein Beispiel dafür, wie Sie versuchen,
Ihre Anhänger von Ihren Wahlversprechen langsam zur
Wirklichkeit zurückzuführen. Die Fuchs-Spürpanzer – ich
meine die ABC-Spürpanzer; um hier keine Verwechslung
entstehen zu lassen – werden inzwischen in fahrbare La-
boratorien umdefiniert. Das sind immer noch gepanzerte
Fahrzeuge mit bestimmten Einrichtungen. Laboratorien
sind etwas anderes.
Viel schlimmer ist die Frage – um auch dies zu erwäh-
nen –: Was machen eigentlich die Soldaten der Bundes-
wehr einschließlich der Fuchspanzer in Kuwait, wenn es
– was wir alle nicht hoffen und wünschen – zu einer mi-
litärischen Verwicklung mit dem Irak kommen sollte? Die
Antwort, die Sie uns – auch in der fabelhaften Unterrich-
tung der Fraktionsvorsitzenden – gegeben haben, nämlich
dass sie nur im Rahmen des Mandats Enduring Freedom
tätig seien, ist sehr verantwortungslos. Denn wenn es zu ei-
ner solchen Entwicklung kommen sollte, können Sie die
einzelnen Geschehnisse nicht mehr abgrenzen.
Im Übrigen hätten Sie gleich dazusagen sollen: Um sie
einzusetzen, müssen erst einmal 250 weitere Soldaten aus
der Reserve von Deutschland nach Kuwait transportiert
werden. Sie weichen der Verantwortung aus und lasten sie
im Ernstfall den Soldaten auf. Das ist unverantwortlich
und die Folge Ihrer Politik.
Herr Außenminister, wenn Sie hier schon eine Rede
halten, hätte ich von Ihnen gerne ein Wort dazu gehört,
welche Haltung die Bundesregierung hat, wenn am kom-
menden Sonntag, am 8. Dezember, die Frist abläuft, bis zu
der der Irak seinen vollständigen Bericht über Massen-
vernichtungswaffen an die Vereinten Nationen liefern
muss. Was wird in der nächsten Woche geschehen, wenn
dieser Bericht so oder so ausfällt, wenn er möglicherweise
mit den Geheimdiensterkenntnissen anderer nicht über-
einstimmt? Dazu haben Sie kein Wort gesagt.
Überhaupt ist bemerkenswert, Herr Bundesaußenmi-
nister: Sie haben am Montag dieser Woche eine publizis-
tisch sehr aufwendig begleitete Konferenz zu Afghanis-
tan, Petersberg II, abgehalten. Dazu haben Sie kein Wort
gesagt. Diese Konferenz haben Sie viel gefeiert.
– Das ärgert mich überhaupt nicht. Es ärgert mich, dass
Sie nichts dazu gesagt haben, was in Afghanistan das Pro-
blem ist. Im Zusammenhang mit dem ISAF-Mandat wer-
den wir darüber zu sprechen haben.
Sie sagen, es solle in diesem Zusammenhang keine
Ausweitung des Bundeswehreinsatzes über Kabul hinaus
geben. Vor kurzem hat diese Regierung übrigens noch ge-
sagt: Die Bundeswehr kann die Führung des ISAF-Man-
dats in Afghanistan nicht übernehmen. – Jetzt können wir
dies auf einmal. Über die Frage, warum, kann man disku-
tieren.
Ich hätte gerne von Ihnen gehört, wie Sie zu den Ver-
abredungen stehen. Wir haben lesen können, dass
die Amerikaner und andere auch in den Provinzen außer-
halb Kabuls Sicherheitspräsenz zeigen wollen. Was ist die
Haltung der Bundesregierung zu dieser Frage? – Die
Petersberg-Konferenz ohne die Territorialfürsten aus
Afghanistan nützt uns gar nichts, wenn zu der Frage der
Sicherheitsentwicklung in Afghanistan vom Außenminis-
ter kein Wort gesagt wird. Das zeigt, Sie nehmen Ihre Ver-
antwortung nicht wahr. Das ist der eigentliche Punkt.
Sie schüren und nutzen antiamerikanische Ressenti-
ments aus. Es geht weiter: Herr Struck hat dieser Tage im
Zuammenhang mit dem NATO-Gipfel in Prag davon ge-
sprochen, dass die NATO-Response-Force nicht eine
Fremdenlegion werden dürfe. Wer solche Begriffe als
amtierender Minister einer Bundesregierung benutzt,
weiß doch, welche Ressentiments er damit schürt. Darin
kommt die ganze Verantwortungslosigkeit zum Aus-
druck.