Rede von
Waltraud
Wolff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Bevor ich zu meiner Rede komme, möchte ich
noch auf zwei Punkte eingehen.
Frau Kollegin Hasselfeldt, Sie haben vorhin geäußert,
Frau Künast habe nicht ein Wort zur EU-Agrarpolitik ge-
sagt. Ich darf Sie einmal fragen: Was ist denn Modula-
tion?
Wenn Modulation nicht EU-Agrarpolitik ist, dann weiß
ich nicht, was es sein soll.
– Ich finde es immer schön, wenn Sie lebhaft werden.
Zum Zweiten. Herr Kollege Goldmann, Sie haben mir
vorhin Nachhilfe angeboten. Ich komme aus Sachsen-
Anhalt.Bei uns ist die Landwirtschaft sehr stark. Die dor-
tigen Betriebe können sich sehen lassen. Wir haben in
Sachsen-Anhalt einen Level erreicht, über den sich man-
cher in der Bundesrepublik wundert.
Ich brauche keinen Nachhilfeunterricht. An dieser Stelle
kommen wir aber jetzt zu einer Nachhilfestunde für die
CDU und für die FDP.
Im Rahmen der heutigen Haushaltsdebatte wollen wir
nämlich noch über ein Thema intensiver sprechen. Es geht
um das Modulationsgesetz. Sie von der Opposition woll-
ten zu diesem Thema ja eine Extradebatte führen. Sie ha-
ben sich dann aber doch geschlagen gegeben und waren
damit einverstanden, darüber in einer verbundenen De-
batte zu diskutieren. Wenn es um einen Lern- und Ver-
ständniszuwachs geht, helfe ich an dieser Stelle gern.
Wir haben im letzten Jahr dieses Gesetz sehr ausgiebig
diskutiert und festgestellt, dass uns die Einführung der
Modulation Spielräume im Rahmen der EU eröffnet, die
wir nutzen können. Die Konzepte dazu liegen in der
Schublade. Frau Höfken hat darauf vorhin schon hinge-
wiesen.
Uns war von Anfang an vor allem klar, dass das Mo-
dulationsgesetz mit großer Wahrscheinlichkeit nur so
lange gelten wird, bis die Halbzeitbeschlüsse umgesetzt
werden. Es ist nach wie vor in Betracht zu ziehen, dass die
EU die Modulation obligatorisch einführen wird. Warum
einige CDU-regierte Bundesländer anscheinend erst jetzt
auf den Trichter gekommen sind, dass die obligatorische
Modulation in zwei Jahren eingeführt wird, ist für mich,
ehrlich gesagt, ein Buch mit sieben Siegeln; ich verstehe
das nicht.
Vielleicht ist es so, dass man nichts Gutes denkt, dass
man verhindert, boykottiert und so ziemlich alles hinter-
treibt, was mit den neuen Mehrheiten im Bundesrat mög-
lich ist. Das kann natürlich sein. Wenn die Politik der Op-
position in Zukunft im Verhindern von Politik besteht,
dann kann ich nur sagen: Gute Nacht! Ich hoffe nicht, dass
Sie Ihre Oppositionspolitik in Zukunft so verstehen.
Noch einmal zur Erklärung: Die Modulation ist Teil
der Agenda 2000. Alle, auch die Kollegen der Oppositi-
onsparteien, sehen, dass wir eine gemeinsame EU-Agrar-
politik gestalten wollen. Der ehemalige Bundeskanzler
verstand sich auch als großer EU-Politiker und hat immer
wieder eine gemeinsame Politik gefordert. Deutschland
muss zeigen, dass es reformfähig ist. Es kann nicht sein,
dass wir zwar auf der einen Seite die EU-Agrarpolitik ge-
meinsam gestalten wollen, dass aber auf der anderen
Seite, wenn es ans Eingemachte geht und jedes Land Re-
formen beschließen soll, der Rückzug angetreten wird.
Wir wollen zeigen: Deutschland ist reformfähig.
Darum stehen wir zur Agenda 2000 und zur Einführung
des Modulationsgesetzes.
Nach der zweiten und dritten Lesung des Haushalts-
gesetzes 2002 im Dezember vergangenen Jahres hat der
Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen. Wir
haben gemeinsam einen guten Kompromiss gefunden, der
den Bundesländern entgegengekommen ist. Im jetzt vor-
liegenden Gesetzentwurf des Bundesrates wird von einer
Einführung „für einen kurzen Zeitraum“ gesprochen. Das
ist wirklich einfach unsinnig.
Über die hohen Kosten, den enormen Verwaltungsauf-
wand und die Anlastungsrisiken haben wir ebenso inten-
sive Gespräche geführt. Aber auch da helfe ich Ihnen
gerne noch einmal nach.
Erstens. Es kann durchaus sein, dass die freiwillige na-
tionale Modulation noch über mehrere Jahre Gültigkeit
hat.
Zweitens. Die Herausnahme der „kleinen Beihilfen“
– es handelt sich um Beihilfen für Hopfen, Stärke, Saat-
gut und Tabak – erfolgte auf ausdrücklichen Wunsch der
Bundesländer. Dies bedeutet doch, dass ein Weg gefunden
wurde, die Modulation mit einem vertretbaren Aufwand
an Bürokratie einzuführen.
Jetzt ist es doch einfach so, dass nur die Direktzahlun-
gen der Modulation unterliegen, die im Rahmen des inte-
grierten Verwaltungs- und Kontrollsystems abgewickelt
werden. Für jeden betroffenen Landwirt bedeutet das,
dass es für ihn nur eine Zahlstelle gibt. Wo liegt eigentlich
Ihr Problem mit der Bürokratie?
860
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 861
Die 2 Prozent Modulationsmittel werden für die Betriebe
direkt berechnet und sofort einbehalten. Bürokratisch ge-
sehen dürfte das doch wirklich keine Schwierigkeiten
mehr machen.
Die Probleme, um die wir uns wirklich kümmern müs-
sen, liegen ganz woanders.
Ich nenne zum Beispiel die Diskussionen in der EU-Kom-
mission über die Kappungsgrenze von 300 000 Euro bei
den landwirtschaftlichen Betrieben. Wir müssen ganz
deutlich machen, dass die Kappungsgrenze für eine mo-
derne und funktionierende Landwirtschaft in den neuen
Bundesländern fatal ist. Es kann und darf einfach nicht
sein, dass mit der Halbzeitbewertung Maßnahmen initiiert
werden, die 90 Prozent der Betriebe einer einzigen Region
in ganz Europa, nämlich Ostdeutschland, treffen.
Nach der Wende hat sich in den neuen Bundesländern
eine – das habe ich schon am Anfang gesagt – moderne
und zukunftsorientierte Landwirtschaft entwickelt, die im
Gesamtbereich der Wirtschaft als funktionstüchtig be-
zeichnet werden kann. Auch die CDU/CSU und die FDP,
also die heutigen Oppositionsparteien, waren für den Ei-
nigungsvertrag, der vorsieht, dass den groß strukturierten
Betrieben in den neuen Bundesländern eine Chance ein-
geräumt wird. Dies gilt es doch zu unterstützen. Hier ist
Ihr Engagement gefordert – nicht einfach nur meckern,
sondern auch einmal konstruktiv mitarbeiten.
Die Stärkung der zweiten Säule ist richtig wie auch
Maßnahmen mit Beschäftigungs- und Umwelteffekten.
In der Beschneidung rentabler Unternehmen in ihrer
Wettbewerbsfähigkeit sehe ich aber keinen Sinn.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, die
Haushaltssituation ist angespannt, auch in den neuen Bun-
desländern. Also brauchen wir auch Ihre Allianz, um un-
sere Position in der EU zu untermauern.
Wir bringen heute den Haushalt 2003 ein. Die Mittel
zur Modulation sind da natürlich im Rahmen der GAK ein
wichtiger Punkt. Deshalb ist es dringend notwendig, an
dieser Stelle noch einmal darüber zu reden.
Wir haben an vielen Stellen im Haushalt über die neuen
Ansätze gesprochen. Ich möchte nur noch auf einen Punkt
hinweisen, nämlich den Löwenanteil des Einzelplans 10:
Diesen macht wieder, wie in jedem Jahr, die landwirt-
schaftliche Sozialpolitik aus. Es ist erfreulich, dass wir
in diesem Jahr für 2003 an dieser Stelle eine Kostenstei-
gerung gebannt haben.
Ich freue mich auf konstruktive Beratungen mit Ihnen,
insbesondere zu dem Thema, zu dem ich gesprochen
habe: die Modulation. Ich hoffe, dass Sie im Bundesrat an
dieser Stelle zurückziehen und einer EU-Agrarpolitik of-
fensiv entgegengehen.
Danke schön.