Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das war ja
eben ganz schön laut. – Ich werde nicht zur Landwirt-
schaft, sondern zum Verbraucherschutz sprechen, einem
Thema, das uns auch unter den Nägeln brennt.
Die jüngsten Lebensmittelskandale sprechen eine
deutliche Sprache. Wir werden auch zukünftig gezwun-
gen sein, Steuergelder einzusetzen, um uns vor skrupel-
losen Geschäftemachern zu schützen, die nicht davor
zurückschrecken, für ihren eigenen Profit die Gesundheit
und das Wohl ihrer Mitmenschen aufs Spiel zu setzen –
Hans-Michael Goldmann
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002
Gabriele Hiller-Ohm
Geschäftemachern, die keine Bedenken haben, Babynah-
rung mit Schadstoffen zu verpanschen und ihre Mitmen-
schen als billige Entsorgungsstationen für gesundheitsge-
fährdende Stoffe zu benutzen, wie es zum Beispiel im
Sommer dieses Jahres bei der Aufdeckung des MPA-Hor-
monskandals ans Licht gekommen ist, Geschäftema-
chern, denen es gleichgültig ist, dass durch ihr Tun ein
Berufsstand, nämlich die Landwirtschaft, in Verruf ge-
bracht wird und nicht selten ganze Existenzen vernichtet
werden, wie wir es beim BSE-Skandal erfahren haben.
Wir leben in einer auf Gewinnmaximierung ausgerich-
teten Marktordnung,
die aus sich heraus nicht über die erforderlichen Schutz-
mechanismen für die Bürgerinnen und Bürger verfügt.
Deshalb muss der Staat diese wichtige Aufgabe überneh-
men.
Wir setzen uns seit vielen Jahren für den Schutz und die
Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger ein.
Es ist deshalb nur zu begrüßen, dass es uns vor zwei Jah-
ren gelungen ist, gegen den hartnäckigen Widerstand der
konservativen Kräfte in unserem Land den Verbraucher-
schutz nach vorn zu bringen und mit dem Koalitionspart-
ner ein schlagkräftiges Ministerium durchzusetzen, in
dem die drei Themenfelder „Verbraucherschutz“, „Ernäh-
rung“ und „Landwirtschaft“ endlich sinnvoll zusammen-
gebunden sind.
Die Mittel für den Verbraucherschutz wurden unter
der rot-grünen Regierung kontinuierlich aufgestockt, in
diesem Jahr im Vergleich zu 2001 um 55 Prozent.
In 2003 sollen noch einmal 18 Prozent mehr Mittel be-
reitgestellt werden. Gerade angesichts der Finanznot zeigt
das, wie wichtig uns dieser Bereich ist.
Betrachten wir den Einzelplan 10 des Haushalts 2003,
so erkennen wir, dass er von der Fortsetzung der Neuaus-
richtung der Verbraucher-, Ernährungs- und Agrarpolitik
geprägt ist. Wir haben durchgesetzt, dass die Bereiche der
Verbraucheraufklärung und des Verbraucherschutzes wei-
ter gestärkt werden. Insgesamt werden für diesen Poli-
tikschwerpunkt im kommenden Jahr rund 80 Millionen
Euro zur Verfügung stehen. Zum Beispiel werden erstens
die Projektmittel für Maßnahmen der Verbraucherauf-
klärung und -information um rund 5 Millionen Euro auf
21,8 Millionen Euro angehoben. Zweitens. Das bewährte
Institut der Stiftung Warentest wird künftig noch stärker
gefördert werden als bisher, nämlich mit zusätzlich
600 000 Euro. Drittens. Die institutionelle Förderung des
Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbrau-
cherverbände bleibt mit 8,8 Millionen Euro auf gleich ho-
hem Niveau.
Dadurch wird sichergestellt, dass die Menschen weiterhin
kompetente Ansprechpartner in ihrer Region haben.
Als Antwort auf die zahlreichen Lebensmittelskandale
mit BSE an der Spitze hat die rot-grüne Bundesregierung
Anfang dieses Jahres den gesundheitlichen Verbraucher-
schutz mit dem Bundesamt für Risikobewertung und dem
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicher-
heit neu organisiert. Darüber hinaus plant die rot-grüne
Bundesregierung die Einrichtung eines Bundesforschungs-
instituts für Produktsicherheit. Auch hierfür sind bereits
1,2 Millionen Euro im Haushaltsentwurf vorgesehen.
Wir alle müssen essen und trinken, um uns am Leben
zu erhalten. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemo-
kraten wollen aber nicht, dass sich nur die, die zu den
Besserverdienenden in unserem Land zählen, gesunde
Lebensmittel und damit den Schutz vor Gesundheits-
gefährdungen leisten können.
Wir setzen uns vor allem für die Menschen ein, die nicht
die Möglichkeit haben, sich Sicherheit und Gesundheit zu
erkaufen.
Wir wollen, dass sich alle Menschen darauf verlassen
können, dass die Lebensmittel, die sie im Handel bezie-
hen, genießbar und unbedenklich sind.
Ich möchte ein weiteres Thema ansprechen, das mir sehr
wichtig ist, nämlich den Bereich der Finanzdienstleistun-
gen, der gerade in der Auseinandersetzung um die private
Altersvorsorge verstärkt ins Interesse der Öffentlichkeit
gerückt ist. Auch hier müssen Aufklärung und Schutzme-
chanismen installiert werden. Wir brauchen aussagekräftige
Informationen und verlässliche Beratung. Der Ansehens-
verlust der Aktienmärkte, das schwindende Vertrauen, der
noch schleppende Anlauf bei den Abschlüssen der Riester-
Rente, all das gibt uns einen Hinweis darauf, was zu tun ist,
nämlich: mit Sicherheitsfonds Insolvenzrisiken abfangen,
die verbraucherfreundliche Gestaltung des Versiche-
rungsvertragsrechts voranbringen sowie den Schutz vor
0190er-Terror durch weitere Novellierungen des Tele-
kommunikationsrechtes sicherstellen.
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Meine Damen und Herren, auch in der gegenwärtig
schwierigen finanziellen Lage von Bund, Ländern und
Kommunen ist es ein gutes und vor allem ein richtiges
Zeichen, dass am Verbraucherschutz nicht gespart wird.
Wir begreifen Verbraucherinnen und Verbraucher nicht,
wie andere in unserer Gesellschaft, als leichte Beute für
Geschäftemacher, sondern als eigenständige, handlungs-
kompetente Akteure im Wirtschaftsprozess. Hierfür brau-
chen wir eine starke Verbraucherpolitik. Und die gibt es
nur mit Rot-Grün.
Vielen Dank.