Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sie waren also auf der „Euro-Tier“, Frau
Künast; das ist löblich. Aber Sie müssen wirklich etwas
falsch verstanden haben. Anscheinend haben Sie dort je-
manden angetroffen, der noch richtig investiert. Dann
sind Sie nach Hause gefahren und auf den Gedanken ge-
kommen: Das müsste doch zu verhindern sein; wir müs-
sen eigentlich nur Gesetze machen, die noch die letzten
Investitionen im grünen Bereich zunichte machen. – Dar-
aufhin haben Sie dieses Bündel an Grausamkeiten über
dem grünen Bereich ausgeschüttet. Nun kommen Frau
Höfken und Frau Scheel, Herr Weisheit und Herr
Ostendorff und sagen: Das alles nehmen wir im Rahmen
der parlamentarischen Diskussion zurück.
– Natürlich haben Sie das eben gesagt.
– Jetzt habe ich also nicht nur Frau Künast falsch ver-
standen, jetzt habe ich auch noch Sie falsch verstanden.
Bleibt es jetzt bei den Gesetzen, die Sie jetzt in das Ver-
fahren gebracht haben? Es trifft also nicht zu, dass Frau
Höfken und Frau Scheel erklären, die Erhöhung der
Mehrwertsteuer von 7 auf 16 Prozent für Blumen und
Pflanzen solle noch einmal diskutiert und nach Möglich-
keit geändert werden. Es trifft also nicht zu, dass Herr
Ostendorff gesagt hat, gerade für die kleinen Familienbe-
triebe, die Ihnen am Herzen liegen, sei die Weiterführung
der §-13-a-Regelung existenzerhaltend.
Das müssen Sie dann aber Ihrer Ministerin vorher sa-
gen. Anscheinend hat sie im Kabinett einen Beschluss
mitgetragen, der existenzvernichtend für kleine und mitt-
lere Betriebe ist, gerade für die Familienbetriebe, die Ih-
nen sonst so am Herzen liegen.
Nein, geschätzte Frau Ministerin, ich habe Sie jetzt
zum zweiten oder dritten Mal so direkt in der parlamenta-
rischen Auseinandersetzung erlebt und ich muss sagen:
Ich bin entsetzt, enttäuscht, ich finde das, was Sie hier ab-
liefern, lausig.
Das wird den Herausforderungen, die in diesem Be-
reich mit der EU-Osterweiterung und den WTO-Verhand-
lungen auf uns zukommen – das ist von den Kolleginnen
und Kollegen der CDU/CSU angesprochen worden –,
nicht gerecht.
– Ich kann Sie schlecht verstehen, wenn Sie dazwi-
schenreden. Melden Sie sich, dann können wir uns gern
darüber auseinander setzen.
Zu diesen Bereichen, zur Wettbewerbsnotwendigkeit,
kam von Ihnen kein Wort. Dabei ist dies im Moment wirk-
lich das große Thema, das unsere Landwirte bewegt. Das
ist blamabel, das ist konzeptionslos, das ist ungekonnt und
das ist bedauerlich für diesen Bereich, der nach wie vor
852
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 853
eine der tragenden Säulen unserer Volkswirtschaft ist; al-
lemal im ländlichen Raum.
Ich will noch etwas zu dieser Öko-Geschichte sagen:
Keiner, der hier sitzt, hat etwas gegen ökologische Land-
wirtschaft, gegen ökologische Bewirtschaftung. Ich habe
es gestern Abend im ICE sogar noch genossen. Das ist
hundertprozentig richtig.
Aber es ist schlicht und ergreifend falsch, wie Sie Öko-
logie gegen Ökonomie und gegen soziale Kompetenz
ausspielen. Sie müssen Ökologie mit Ökonomie und
sozialer Kompetenz verbinden. Genau das machen
Sie nicht. Ganz nebenbei: Die Liegematten, die Sie in
Hannover gesehen haben, gibt es schon seit geraumer Zeit
bei gerade den Betrieben, die Ökonomie, Ökologie, tier-
gerechte Haltung, Marktorientierung und Wettbewerbs-
orientierung miteinander im Einklang haben.
– Wissen Sie, liebe Kollegin, ich bin schon vor 30 Jahren
durch Tierbestände gelaufen, in denen es diese Matten
gab. Bei uns im Ostfriesischen und Emsländischen gibt es
keinen ernst zu nehmenden Züchter, keinen ernst zu neh-
menden marktorientierten Landwirt, der hinsichtlich der
Haltungsbedingungen für seine Tiere diesem Gedanken
nicht Rechnung tragen will.
Ich würde Ihnen hier empfehlen: Kommen Sie einfach
einmal vorbei! Es würde mir Spaß machen, Ihnen wettbe-
werbsorientierte und tierartgerechte Haltung zu zeigen.
Sie scheinen hier Nachholbedarf zu haben.
Diese Matten sind keine Erfindung der „Euro-
Tier“ 2002 in Hannover. Es gibt sie seit geraumer Zeit und
sie werden weiterentwickelt – dies ist auch gut so. Gott sei
Dank entwickelt sich dieser gesamte Bereich auch unter
rot-grüner Gegenpolitik weiter.
–Wissen Sie, Herr Weisheit, hier sind Sie anscheinend ein
wenig ahnungslos. Sie erzählen hier, Sie wollten sich mit
dem Haushalt beschäftigen. Sie sehen doch, dass die Mit-
tel für die Verbesserung der Agrarstruktur, wozu ich
durchaus auch die ökologische Angebotsorientierung
zähle, im Haushalt deutlich gestrichen werden.
Sicher haben auch Sie heute die Pressemittelung vom
Deutschen Bauernverband bekommen, wonach die Kür-
zung an dieser Stelle – mit den Auswirkungen auf die Mit-
tel für die Gemeinschaftsaufgabe, die andere bereitstellen
müssen – einen schweren Schaden gerade für die Land-
wirte bedeutet, die sich marktorientiert verhalten, die sich
verbraucherorientiert verhalten. Deswegen ist die Ein-
buße an dieser Stelle besonders bitter und besonders zu
beklagen.
– Herr Weisheit, es mag sein, dass Sie diesen Bereich an-
ders sehen – wir können uns gern einmal darüber unter-
halten –, aber Agrarstrukturmittel sind eine ganz wich-
tige Weichenstellung für die Herausforderungen, vor
denen deutsche Landwirte stehen. Dies wissen Sie hof-
fentlich genauso gut wie ich.
Lassen Sie mich noch einen letzten Punkt nennen: Ich
habe heute Morgen auch Herrn Eichel zugehört. Wir soll-
ten uns darauf einigen, dass wir uns wieder schlicht und
ergreifend an die Spielregeln halten. Frau Höfken, wenn
Sie der Meinung sind, dass es schlechte Gesetze sind, die
auf den Weg gebracht worden sind – ich glaube Ihnen
das –, dann stellen Sie hier und heute einen Antrag, um
diese zu ändern, oder machen Sie es demnächst im Aus-
schuss. Ich bin sehr gespannt darauf, was Sie machen.
Herr Weisheit, wenn Sie der Meinung sind, dass es bei
dem reduzierten Mehrwertsteuersatz für Blumen und
Pflanzen bleiben soll, weil Blumen verkaufen etwas an-
deres ist, als Pampers in Lagerung zu halten – diesen Ver-
gleich hat Herr Eichel heute Morgen bemüht –, dann han-
deln Sie und stellen Sie Anträge!
Wenn Sie, Frau Höfken und Frau Scheel, mit den Posi-
tionen der Sozialdemokraten nicht einverstanden sind,
dann tun Sie dies nicht in Form irgendwelcher Pressemit-
teilungen kund, sondern handeln Sie! Machen Sie deut-
lich, dass Sie in dieser Regierung endlich einmal Verant-
wortung übernehmen wollen.
Laden Sie diese Verantwortung nicht bei der Opposition
ab,
die ihrer Aufgabe gerecht wird. Sie können ganz sicher
sein: Wir werden im Sinne Ihrer politischen Vorstellun-
gen, die Sie an vielen Stellen deutlich gemacht haben, An-
träge stellen und Sie in dieser Frage auf den Prüfstand
stellen.