Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Zwei Kurzbemerkungen vorweg: Ich freue mich,
Frau Pieper, dass Sie unsere Koalitionsvereinbarung le-
sen. Darin haben wir hinsichtlich der Ansiedlung von For-
schungsinstituten einen Vorrang für Ostdeutschland fest-
geschrieben. Dies ist genau der richtige Weg.
Frau Reiche – die ich im Moment nicht sehe – hat ei-
nige Zahlen genannt und von langfristigen Perspektiven
gesprochen. Sie haben langfristig in der Zeit von 1994 bis
1998 den Forschungshaushalt um 360 Millionen Euro
gekürzt.
Wir haben in diesem Haushalt seit 1998 einen Aufwuchs
um 25 Prozent. Dies unterscheidet uns.
Ich will etwas zum Thema Ostdeutschland sagen. In
Ostdeutschland sind Forschung und Entwicklung die zen-
trale Kategorie. Ich möchte Ihnen begründen, warum dies
so ist, und deutlich machen, dass wir mit unserem For-
schungshaushalt die richtigen Prioritäten setzen.
Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat im Oktober dieses
Jahres eine Analyse über die Metropolregion Halle/Leip-
zig vorgelegt und deutlich gemacht, dass wir mit dem
Wirtschaftwachstum in dieser Region mittlerweile gleich-
auf mit dem Ruhrgebiet sind. Das hat damit zu tun, dass
in dieser Region besonders starke Forschungsinstitute
angesiedelt worden sind. Alle, die sich mit Ostdeutsch-
land beschäftigen, wissen, dass wir etwa fünf starke Wirt-
schaftsregionen haben, die deshalb stark sind, weil sie
gute Forschung machen. Bei genauerem Hinsehen zeigt
sich, dass die wirtschaftlich starken Regionen im Kern
Forschungsregionen sind.
In den zurückliegenden zehn bis zwölf Jahren ist durch
die Transferleistungen aus dem Westen im Wesentlichen
der Markt für die nicht handelbaren Güter ausgebaut wor-
den. Ich will Ihnen einmal sagen, was dies ist. Zu
den nicht handelbaren Gütern zählt insbesondere das Bau-
gewerbe. Dieses ist im Osten durch die Steuerabschrei-
bungsmodelle der alten Bundesländer stark gewachsen,
hat aber im Osten zum Wohnungsleerstand geführt. Dort
stehen über 1 Million Wohnungen leer.
Wir brauchen – so sagt es die Studie der Friedrich-
Ebert-Stiftung deutlich – sehr viel stärker ein Umschwen-
ken in der Förderpolitik auf die weichen Standortfaktoren,
auf die Stärkung der Forschung. Wir müssen uns auf den
Ausbau der handelbaren Güter und Dienstleistungen kon-
zentrieren. Dies sind im Wesentlichen Wissenschafts-
dienstleistungen. Hier sitzt der Wachstumsmotor für mo-
derne Volkswirtschaften. Kurz gesagt heißt dies: Nur wer
die Forschung fördert, wird in Ostdeutschland auf Dauer
Erfolg haben.
Der Ausbau der Forschung ist die zentrale Schlüssel-
kategorie für den Aufbau Ost, denn es geht um den Aus-
bau der Märkte für handelbare Güter und Dienstleistun-
gen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat
einmal für die Region Berlin ausgerechnet, dass die lokale
Wirtschaft der Ansiedlung von Wissenschaft etwa im Ver-
hältnis 1:4 folgt, in manchen Regionen sogar im Verhält-
nis 1:7. Das bedeutet, dass ein Wissenschaftlerarbeitsplatz
bis zu sieben Arbeitsplätze nach sich zieht. Deswegen ist
für den Osten der Ausbau der Wissenschaft zentral.
Wichtig ist aber auch, dass man dies mit modernen För-
derinstrumenten macht. Moderne Förderinstrumente sind
schnelle Netzwerke. Wir fördern nicht die starren großen
Tanker, sondern die schnellen kleinen Beiboote, die Netz-
werke. Deswegen ist Inno-Regio methodisch der richtige
Ansatz.
Nun noch einmal zu den Zahlen, damit keine Legenden
verbreitet werden. Der Aufwuchs bei Inno-Regio beträgt
schlappe 81,6 Prozent.
Ich sage dies nur, damit wir einmal die richtigen Zahlen
hören. Bei den Juniorprofessuren – diese sind besonders
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 823
wichtig in Ostdeutschland, weil wir an den dortigen Insti-
tuten einen hoch motivierten Nachwuchs haben – beträgt
der Aufwuchs circa 186 Prozent.
Ich möchte noch ein Beispiel aus dem Wirtschaftsminis-
terium nennen. Dort wird ein ähnlicher Ansatz verfolgt. Es
gibt ein neues Förderprogramm, das heißt „Netzwerk-
management Ost“.Hiermit werdenNetzwerkmanager fi-
nanziert, die die Zusammenarbeit zwischen kleinen und
mittelständischen Unternehmen und der Forschung för-
dern, insbesondere mit den Fachhochschulen. Bei mir im
Wahlkreis habe ich ein solches Projekt angeschoben. Das
Solarzentrum Sachsen-Anhalts arbeitet mit der Techni-
schen Universität Chemnitz, den Fachhochschulen der
Region und den Handwerkerbildungszentren in einem
solchen Netzwerk zusammen. Der Bund fördert die Netz-
werkmanagementstelle.
So etwas hat Zukunft. So etwas ist hoch innovativ. Für
das Gesamtkonzept gibt es mittlerweile Anfragen aus dem
Ausland. Es besteht Interesse, insbesondere aus Asien,
das Gesamtkonzept zu kaufen. Das ist für den Osten in-
teressant. Bildungsdienstleistungen sind verkaufbar. Es
sind handelbare Dienstleistungen. Wer in den Bereich in-
vestiert, der hat klug investiert.
Ich bin mir sicher – die Zahlen belegen es –: Der For-
schungshaushalt 2003 geht genau diesen Weg.
Herzlichen Dank.