Rede von
Dr.
Maria
Böhmer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Deligöz, Sie wollen sicherlich hören, was ich Ih-
nen antworte. Seien Sie doch so freundlich und bleiben
Sie stehen – damit das auch für die Redezeit klar ist!
Natürlich haben wir auch aus Bayern differenzierte Er-
gebnisse. Mir sind die unterschiedlichen Betreuungsan-
gebote gut bekannt. Wenn Sie den Blick nur auf die An-
gebote von Ganztagsschulen in Bayern lenken, dann
machen Sie es sich zu leicht, weil sie übersehen, dass es
dort sehr wohl andere Angebote gibt, zum Beispiel im
Hortbereich, und dass die Bayern bei den Bildungsab-
schlüssen insgesamt die besten Ergebnisse vorweisen.
Ich würde jedem Kind in Deutschland wünschen, dass es
in Bayern die Schule besuchen kann und nicht in Nieder-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 807
sachsen oder Nordrhein-Westfalen. Es ist klar, wo die
Chancen für Kinder am besten sind.
Ich muss an dieser Stelle auf das zu sprechen kommen,
was im Haushalt gemacht worden ist, damit hier keine
Märchenstunde veranstaltet wird. Das, was nach der Wahl
geschehen ist, stimmt nicht mit dem überein, was vor der
Wahl angekündigt worden ist.
Die Steigerung im Haushalt für Bildung und Forschung
beträgt ganze 0,17 Prozent, nicht mehr. Das entspricht
noch nicht einmal der Teuerungsrate.
– Da hat der Kollege Rachel Recht.
Auf der anderen Seite steht Ihre Ankündigung, 4 Mil-
liarden Euro für Ganztagsschulen in Deutschland zur
Verfügung zu stellen. Am Anfang hieß es noch, es gebe
1 Milliarde Euro pro Jahr, jetzt heißt es, im nächsten Jahr
gebe es 300 Millionen Euro. Sie haben immer gesagt,
Ganztagsschulen sollen dazu beitragen, dass Kinder indi-
viduell gefördert werden, dass soziales Lernen voran-
schreitet und dass so eine Verbesserung im Bildungswe-
sen erreicht wird. Das sind wichtige Ziele.
– In diesen Zielen sind wir uns einig.
Doch was beinhaltet eigentlich der Entwurf der Verwal-
tungsvereinbarung? Im Entwurf vom 6. September – das
war wohlgemerkt noch vor der Wahl; es ist beachtlich,
wie Sie vorgearbeitet haben – steht: Finanzhilfen des Bun-
des – für die Länder, für den Aufbau von 10 000 Ganz-
tagsschulen – werden gewährt für notwendige Renovie-
rungsarbeiten, Umbau-, Ausbau- und Neubaumaßnahmen
einschließlich der Erstausstattung. Ich frage mich: Wie
soll mit dem Streichen von Wänden, mit dem Renovieren
von Räumen eine individuelle Förderung von Kindern ge-
lingen?
Dafür brauchen Sie keine Steine oder, wie Herr Merz
heute Morgen gesagt hat, Beton; Sie brauchen Lehrkräfte
und Betreuungskräfte für den Nachmittag. Mit Ihrem Pro-
gramm wird kein einziger Lehrer in Deutschland für
Ganztagsschulen eingestellt.
Es ist richtig, dass die Kultusministerin Hohlmeier aus
Bayern darauf hingewiesen hat: Wir brauchen kein Geld,
um Schulen umzubauen, sondern um geeignete Betreuer
für die Nachmittage zu bezahlen. – Darin liegt vielleicht
der Schlüssel des Problems. Hier werden Finanzmittel an
die falsche Stelle geleitet. Was hier aufgelegt wird, ist kein
Förderprogramm für Ganztagsschulen, sondern ein neues
Schulbauprogramm. Auch das ist eine Täuschung – weil
es mit dem Anspruch verbunden wird, individuelle För-
derung und soziales Lernen zu verbessern. Man muss die
Wahrheit sagen und muss das tun, was man ankündigt.