Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!
Das, was Sie, Herr Kollege Paziorek, ausgeführt haben,
haben wir in den letzten Wochen seit der Bundestagswahl
und auch heute ständig gehört: Sie kritisieren, kritisieren,
kritisieren
und machen keinen einzigen Vorschlag dahin gehend, was
Sie anders machen möchten.
Sie haben sich wohl die Strategie ausgedacht, dass Mies-
machen besser ist als zu erklären, wie es nach Ihrer Auf-
fassung besser funktionieren könnte.
Wir haben in unserer Koalitionsvereinbarung die Leit-
linien unserer Politik in den nächsten vier Jahren festge-
legt. Sie stehen unter der Überschrift: „Erneuerung – Ge-
rechtigkeit – Nachhaltigkeit“. Die Unterschiede zwischen
uns und Ihnen sind nicht nur im Wahlkampf, sondern auch
in dieser Debatte deutlich geworden. Sie versuchen
zunächst einmal, alles schlechtzureden.
Dann greifen Sie, so wie gestern, in die Mottenkiste
zurück, aus der Sie ein paar Vorschläge herausholen.
Diese Vorschläge offenbaren eines: Wir wollen den So-
zialstaat erneuern; Sie wollen ihn demontieren.
– Ist der Abbau bzw. der Wegfall des Kündigungsschutzes
keine Demontage des Sozialstaates?
Im Hinblick auf Steuergerechtigkeit und Generatio-
nengerechtigkeit haben wir natürlich die Aufgabe, den
Staat auf eine solide Finanzierungsbasis zu stellen. Sie da-
gegen wollen den Staat ausplündern. Ihre ständigen For-
derungen nach einer Absenkung der Staatsquote zeigen
klar, wohin das führt: Sie wollen die staatlichen Ausgaben
zurückführen. Der Staat hat aber nach unserer Auffassung
ebenso wie im Umwelt- und Naturschutz
auch in anderen Bereichen, zum Beispiel bei der Bildung,
der Infrastruktur oder den Zukunftstechnologien, eine Da-
seinsfürsorge.
Im Übrigen haben Sie uns 1998 als Erbe einen kata-
strophalen Haushalt hinterlassen.
Wir sind jetzt gezwungen, ihn zu konsolidieren.
Das alles mögen Sie vielleicht nicht gerne hören. Das
sind nun aber die Tatsachen. Im Gegensatz zu Ihnen, die
Sie 16 Jahre lang regiert, 16 Jahre lang eine Erblastenarie
gesungen und dabei vergessen haben, was Sie selber zu
verantworten haben, regieren wir erst vier Jahre und sind
immer noch dabei, den Müll, den Sie hinterlassen haben,
aufzuräumen.
Wenn wir schon beim Müll sind: Sie haben im Zusam-
menhang mit der Verpackungsverordnung Krokodils-
tränen vergossen. Kurz zur Erinnerung: Die Verpackungs-
verordnung kam aus dem Hause Töpfer. Dieser gehört,
wenn ich recht informiert bin, immer noch Ihrer Partei an.
Wer sich jetzt darüber beklagt, dass vor zehn Jahren eine
Verpackungsverordnung verabschiedet worden ist, wobei
alle Zeit hatten, sich darauf einzustellen, und wer heute
Getränke immer noch in Einwegverpackungen verkauft,
also immer noch nicht in der Lage ist, die Mehrwegquote
entsprechend zu erhöhen, und jetzt sagt, das alles gehe
nicht, verhält sich ein Stück weit wie ein Heuchler. Denn
er hätte die ganzen Jahre über durchaus Zeit gehabt, sich
auf die neue Situation einzustellen.
Auf der einen Seite hier immer wieder darauf zu ver-
weisen, was alles nicht geht, und auf der anderen Seite
nicht zu sagen, wie es geht, das ist sicherlich nichts, was
die Bevölkerung vom Hocker haut.
– Natürlich! Wir haben in der Opposition im Gegensatz zu
Ihnen immer Alternativvorschläge gemacht. Deshalb sind
Sie 1998 abgelöst worden.
Dr. Peter Paziorek
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002
Elke Ferner
Herr Paziorek, Sie haben eben beklagt, dass sich die
Umweltpolitik nicht nur im Haushalt des Umweltmi-
nisters widerspiegelt. Was ist denn die Umweltpolitik an-
deres als eine Querschnittsaufgabe?
– Natürlich ist es das. Das bedeutet doch auch, dass das
Geld nicht in einem Bundesministerium gebündelt wer-
den kann, sondern dass sich jedes Ressort darum küm-
mern muss,
welche Auswirkungen eine Entscheidung auf die Umwelt
hat, und die entsprechenden Mittel zu veranschlagen hat.
Durch die Koalitionsvereinbarung werden die erneuer-
baren Energien dem Umwelthaushalt zugeschlagen. Das
müssen wir jetzt im parlamentarischen Verfahren haus-
haltstechnisch umsetzen und das werden wir auch tun.
Wir befinden uns heute in einer Situation, die besser sein
könnte, wenn Sie während Ihrer Regierungszeit nicht aus-
schließlich auf die Kernenergie gesetzt hätten und sich
schon wesentlich früher Gedanken über Energieein-
sparung und Energieeffizienzprogramme und vor allen
Dingen über die Förderung regenerativer Energien ge-
macht hätten.
Auf den kommunalen Ebenen ist sehr viel gemacht wor-
den, auf der Bundesebene haben Sie in Ihrer Regierungs-
zeit kaum etwas getan.
Wir haben im Umwelthaushalt einige Schwerpunkte
gesetzt. Wir haben beispielsweise das Pilotprojekt „In-
land“ entwickelt, bei dem es um die Förderung von Tech-
niken geht, die zwar noch nicht marktreif, aber schon aus
der Entwicklungsphase heraus sind. Ich höre, dass Sie da-
rüber diskutieren, diese Pilotprogramme möglicherweise
wieder zu kürzen oder sogar ganz abzuschaffen.
Ich verweise darauf, dass es über 20 Jahre hinweg gute
Programme von allen Regierungen gegeben hat und dass
insbesondere kleine und mittlere Unternehmen jetzt von
diesen Programmen profitieren. Das hat auch etwas mit
der Förderung des Mittelstandes und vor allen Dingen da-
mit zu tun, dass durch diese Förderprogramme Technolo-
gien und Techniken, die dazu geeignet sind, die bestehen-
den Umweltstandards zu übertreffen, schneller einer
Marktreife zugeführt werden können.
Wir haben außerdem im Umwelthaushalt die Mittel für
die Beratungshilfen für den Umweltschutz in Mittel- und
Osteuropa auf 2,24Millionen Euro erhöht. Gerade im Hin-
blick auf die EU-Osterweiterung ist es wichtig, den neuen
Beitrittsländern Hilfen und Beratungen anzubieten, damit
die Situation in diesen Ländern schneller bereinigt werden
kann, als das vielleicht ohne diese Hilfen der Fall wäre.
Wir haben seit der Regierungsübernahme 1998 die
Projektförderung für die Umwelt- und Naturschutz-
verbände kontinuierlich aufgestockt. Sie wird in diesem
Haushalt noch einmal um 7,1 Prozent höher sein und liegt
damit um 71 Prozent höher als 1998. Hier ist aus meiner
Sicht besonders hervorzuheben, dass der Schwerpunkt der
Förderung auf der Projektförderung liegt. Dafür werden
über 70 Prozent der Mittel ausgegeben, sodass konkrete
Projekte vor Ort mit Bundesmitteln gefördert werden. Das
ist praktischer, ganz realer Umweltschutz vor Ort.
Wir haben mit der Aarhus-Konvention eine stärkere
Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei umweltrele-
vanten Vorhaben vorgesehen. Wir brauchen mehr Trans-
parenz, mehr Eigenverantwortung und mehr Beteiligung
der Bürgerinnen und Bürger in diesen Bereichen. Ich
glaube, auch das ist ein Punkt, in dem wir uns nachhaltig
unterscheiden: Sie haben in der Vergangenheit, wenn es
um die Beteiligungsrechte ging, immer versucht, diese
auf ein Niveau herunterzuführen, das mit einer modernen
Auseinandersetzung mit den Bürgerinnen und Bürgern
nichts zu tun hat.
Es ist richtig: Der Umwelthaushalt ist im Vergleich zu
anderen Haushalten klein. Aber der Schwerpunkt des
Bundes liegt auf der Entwicklung umweltpolitischer Leit-
linien und der Umweltgesetzgebung. Deren Umsetzung
und Finanzierung übernehmen zum größten Teil die Län-
der und nach dem Verursacherprinzip auch diejenigen, die
für Umweltbelastungen verantwortlich sind.
Man darf nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, indem
man die Umweltschutzausgaben eines Bundeslandes mit
den Umweltschutzausgaben des Bundes vergleicht. Im
Übrigen muss ich sagen: Da der Freistaat Bayern bis heute
am kompromisslosen Donauausbau festhält, ist es wahr-
scheinlich in diesem Land besonders notwendig, in den
vorbeugenden Hochwasserschutz zu investieren.
Zwar ist dieser Einzelplan verhältnismäßig gering aus-
gestattet, dafür beträgt aber der Investitionsanteil hier im-
merhin 40 Prozent.
Im Übrigen haben wir durch die Einführung der öko-
logischen Steuerreform in den letzten vier Jahren eine
Trendwende eingeleitet. Der Ressourcenverbrauch ist
entsprechend seinen Auswirkungen auf die Ökosysteme
teurer geworden und mit den zusätzlichen Einnahmen ha-
ben wir die Lohnnebenkosten gesenkt. Auch hier noch
einmal zur Erinnerung: Während Ihrer Regierungszeit ist
die Mineralölsteuer um mehr als 50 Pfennig erhöht wor-
den, ohne dass Sie auch nur einen müden Pfennig davon
zurückgegeben haben, weder zur Senkung der Lohnne-
benkosten noch zur Verbesserung des Umweltschutzes.
Auch hier werden also Unterschiede deutlich.
Außerdem haben wir die CO2-Minderungspro-gramme auch im Rahmen des Zukunftsinvestitionspro-
788
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 789
gramms eingeführt. Wir fördern die regenerativen Ener-
gien. Im Rahmen dieser Förderung werden nicht nur Alt-
bauten und Heizungsanlagen modernisiert, sondern Pri-
vathaushalte und Unternehmen können damit auch ihre
Energiekosten reduzieren. Es werden kleinteilige Investi-
tionen angestoßen, die in erster Linie der lokalen und re-
gionalen Wirtschaft zugute kommen. Damit kommen wir
auch unseren Verpflichtungen zur CO2-Reduzierung ge-mäß dem Kioto-Protokoll nach.
Sie haben eben beklagt, dass die Mittel für das Pro-
gramm zur CO2-Minderung zu gering seien. Ich frage Sieim Gegenzug: Wie hoch waren sie denn zu Ihrer Regie-
rungszeit?
– Wenn ich mich richtig erinnere, dann haben wir das Zu-
kunftsinvestitionsprogramm auf den Weg gebracht und
haben überhaupt mehr Geld in die Hand genommen, um
die betreffenden Probleme besser anzugehen.
– Frau Homburger, Sie müssen sich schon entscheiden,
was Sie wollen. Sie wollen die Staatsquote senken, Sie
wollen mehr Schulden machen, jetzt wollen Sie wieder
einmal mehr Geld ausgeben.
Sie wissen schlicht nicht, was Sie wollen, und das werden
die Leute auch merken.
Lassen Sie mich abschließend sagen, dass das Prinzip
der Nachhaltigkeit eines der wichtigsten Prinzipien ist.
Wir werden – das haben wir schon in den letzten vier Jah-
ren getan und das werden wir weiterhin tun – all unsere
Entscheidungen auch daraufhin überprüfen, welche Aus-
wirkungen sie für die kommenden Generationen haben.
Umweltschutzinvestitionen lassen sich leider nicht immer
als Rendite in Euro und Cent beurteilen, aber mehr Le-
bensqualität und mehr Nachhaltigkeit bringen sie allemal.
In diesem Sinne freue ich mich auf die Beratung zum Ein-
zelplan 16 in den Ausschüssen. Ich danke Ihnen für Ihre
Aufmerksamkeit.