Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer sich
die Entwicklung des Umwelthaushalts in den letzten Jah-
ren vor Augen hält und wer die Planungen für das Haus-
haltsjahr 2003 mit den Einzelplänen anderer Ressorts der
Bundesregierung vergleicht, der muss leider erkennen,
wie gering die Bedeutung des Umweltressorts in dieser
rot-grünen Koalition geworden ist. Umweltpolitik wird zu
einem bloßen Feigenblatt rot-grüner Politik degradiert.
Dieser Bedeutungsverlust verwundert nicht; denn der
rot-grünen Mehrheit ist nach dem Abarbeiten des so ge-
nannten Atomausstiegsgesetzes im umweltpolitischen
Bereich die Thematik ausgegangen. Der Haushaltsplan
für den Umweltbereich ist geprägt durch viele dunkle
Löcher. Entweder fehlen Ihnen die Zielvorstellungen oder
es fehlen Ihnen die für eine gute Umweltpolitik nötigen
Finanzmittel. Dieser Entwurf bringt die Umweltpolitik in
Deutschland nicht nach vorne. Dieser Entwurf ist letztlich
nichts anderes als ein Rückschritt für die Umweltpolitik
hier in Deutschland.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 785
So soll zum Beispiel im nächsten Jahr der Haushalt des
BMU – der Minister ist ja verkürzt und knapp darauf ein-
gegangen, hat aber nicht die Gesamtzahlen genannt – um
16,3 Millionen Euro – das sind exakt 3 Prozent – gekürzt
werden. Natürlich werden Sie, Herr Minister, dann darauf
verweisen, dass ein Großteil dieser Kürzung durch Ein-
sparungen bei den Erkundungen im so genannten Endla-
gerbereich zustande kommen soll. Aber an dieser Stelle
muss doch schon gleich die Kritik ansetzen. Sie gehen zu
zögerlich an die Frage heran, wo in Deutschland ein End-
lager errichtet werden soll.
– Herr Müller, Ihr Wahlkreis Düsseldorf wäre vielleicht
genauso gut geeignet.
Sie haben selbst erklärt, dass Sie mit dem Standortbe-
stimmungsverfahren erst – man muss sich das einmal
vor Augen führen – im Jahre 2006 beginnen wollen, also
nach der nächsten Bundestagswahl. Was haben Sie sich in
dieser Frage eigentlich für die nächsten vier Jahre dieser
Legislaturperiode vorgenommen? Es ist doch offenkun-
dig: Sie wollen die Entscheidung über diese Standortfrage
höchstwahrscheinlich so lange politisch vor sich her-
schieben, bis Sie mit all den Problemen klargekommen
sind, die Sie in dieser Frage mit Ihrer Basis haben.
Wenn man das für richtig hält, dann ist man verant-
wortungslos. Deshalb sagen wir ganz deutlich: Hören Sie
auf, in der Frage des Endlagers alles zeitlich hinauszu-
schieben! Seien Sie verantwortungsbewusst und fangen
Sie so schnell wie möglich mit dem Prozess an! Auch
wenn man es für richtig hält, dass die Frage der Standort-
entscheidung gesellschaftlich breit diskutiert wird, ist kein
Grund zu erkennen, diesen Entscheidungsprozess erst
nach 2004 zu beginnen. Deshalb packen Sie es sofort an,
weichen Sie nicht aus und sehen Sie dafür auch die not-
wendigen Haushaltsmittel vor!
Dann sagen Sie: Ich will weitere 8 Millionen Euro ein-
sparen. Dazu werden – so steht es im Haushaltsplanent-
wurf – die Entscheidungen im Rahmen der Haushalts-
führung im Laufe dieses Haushaltsjahres getroffen werden.
Aber wo Sie die 8Millionen konkret einsparen wollen, sa-
gen Sie in diesem Haushaltsplan nicht. Warum tun Sie das
nicht? Ist diese Frage für das Parlament nicht interessant?
Wollen Sie angesichts der jetzt schon knappen Haushalts-
mittel im Umwelthaushalt eine Diskussion über eine wei-
tere Einsparung von 8 Millionen eventuell gar nicht hier
im Parlament führen? Nach welchen Prinzipien wollen
Sie kürzen? Das sind doch Fragen, die die umweltpoli-
tisch interessierte Öffentlichkeit stellt. Aber dafür gibt der
Entwurf dieses Haushaltsplanes keine Handhabe und das
ist aus unserer Sicht letztlich nicht zu verantworten.
Für alles, was in Grundsatzreden von Rot und Grün
großspurig als Modernisierung der Gesellschaft durch
Umweltpolitik angekündigt wird, findet sich hier im De-
tail gar nichts. Wenn Sie einige Haushaltsstellen vorse-
hen, dann ist die finanzielle Ausweisung so gering, dass
damit praktisch nichts bewirkt werden kann. Sie haben
letztlich auch gar keinen finanziellen Spielraum für eine
verantwortungsbewusste Umweltpolitik. Deshalb kann
man sagen: Sie haben kein inhaltliches Konzept, um die
Umweltpolitik voranzubringen, Sie haben auch nicht die
erforderlichen finanziellen Mittel vorgesehen, um da, wo
es wichtig ist, die Umweltpolitik zu erneuern, und wo Sie
etwas tun, ist es, wie zum Beispiel bei der Windkraft, zu
ineffektiv und zu teuer. Das ist der große Vorwurf, den
man Ihnen machen muss.
Es wird ja noch interessanter: Sie beschließen hier im
Bundestag ein Atomausstiegsgesetz und in Nordrhein-
Westfalen erteilt Ihr Parteifreund, der zuständige Minister
Michael Vesper, nach öffentlicher Ausschreibung für die
weitere Stromversorgung landeseigener Liegenschaften
einem Stromanbieter den Zuschlag, der auch Strom eines
französischen Atomstromproduzenten anbietet. Das
muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen:
Rot-Grün beschließt auf Bundesebene ein Ausstiegsgesetz
und in Nordrhein-Westfalen – das ist ein spezielles Thema
auch für Sie, Herr Kubatschka – wird durch Rot-Grün im
Zuge eine Lieferung von rund 1 Milliarde Kilowattstun-
den Atomstrom aus dem Ausland eingekauft, um jährlich
3,7 Millionen Euro einzusparen.
Diese Doppelzüngigkeit muss man sich wirklich einmal
vor Augen führen. Hier werden große Erfolge verkauft
und vor Ort wird eine Politik betrieben, bei der man sagt:
Aus finanziellen Gründen müssen wir jetzt die Vorteile
des Atomstroms in Kauf nehmen. Meine Damen und Her-
ren, das ist keine verantwortungsbewusste Umweltpolitik,
das ist Taktieren, nur um die eigene Basis zufrieden zu
stellen. So wird man in der Umweltpolitik auf Dauer nicht
erfolgreich sein können.
Der Minister hat gerade auch angesprochen, dass der
ganze Bereich der erneuerbaren Energien zukünftig in sei-
nen Aufgabenbereich fallen wird. Die Bereiche For-
schung und Entwicklung erneuerbarer Energieträger und
das Markteinführungsprogramm werden im BMU ange-
siedelt sein. So schön, so gut. Nun aber stellt sich die zen-
trale Frage: Wer bringt nach dem Wechsel der Zuständig-
keiten nun das Geld für neue Verwaltungsstrukturen und
für die Fördermittel auf? Dazu steht in einer Fußnote im
Haushaltsplanentwurf, dass die finanziellen Mittel für
diese neuen Aufgaben aus der Besteuerung der erneuer-
baren Energien stammen werden. Was soll denn dieser
Blödsinn? Erst besteuert man die erneuerbaren Energien,
die aus umweltpolitischen Gründen gar nicht besteuert
werden dürfen, und dann gibt man das dadurch verein-
nahmte Geld für neue und weitere erneuerbare Energien
aus.
Diejenigen, die sich gut und richtig verhalten, werden mit
einer Ökosteuer belegt, bekommen das Geld aber gar
Dr. Peter Paziorek
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002
Dr. Peter Paziorek
nicht zurück, wie es nach dem Grundsatz der Anreizför-
derung eigentlich geschehen müsste; vielmehr wird das
Geld einfach an andere weitergegeben. Mit einer ökologi-
schen Sinnhaftigkeit hat diese Vorgehensweise überhaupt
nichts mehr zu tun.
Vielleicht unterstützen Sie das, weil dadurch Ihr schmaler
Bundeshaushalt zumindest an dieser Stelle um einige Mil-
lionen Euro aufgewertet wird. Aber dieses ökologisch be-
denkliche Geschäft bringt Sie als Umweltminister finanz-
politisch auch nicht weiter.
Sie haben im Bundeshaushalt, so sagt der schriftliche
Begleittext, 4,4 Milliarden Euro für Umweltschutzaus-
gaben veranschlagt. Mit 533 Millionen Euro – das sind
12,1 Prozent – ist der Bundesumweltminister bei der Fi-
nanzierung dieser Umweltaufgaben dabei. Es stellt sich
jetzt die spannende Frage: Wieso sind die finanziellen
Mittel für das BMU so gering veranschlagt? Wenn man
sich diese geringen finanziellen Mittel einmal vor Augen
führt, kommt man zu dem Ergebnis, dass Sie, Herr Bun-
desumweltminister, ein König ohne Reich sind.
Da hilft auch Ihr Hinweis nicht, Umweltschutz sei eine
Querschnittsaufgabe.
Natürlich ist Umweltschutz eine Querschnittsaufgabe.
Aber es stellt sich doch die Frage, Frau Hustedt: Warum
wird der Minister aus dem Teil der Umweltpolitik, der das
operative Geschäft beinhaltet, herausgehalten? Es stellt
sich auch die Frage, warum die rot-grüne Koalition den
Umweltpolitikern nicht genügend Spielraum gibt, obwohl
die Umweltpolitik angeblich doch so wichtig ist?
Man kann deshalb sagen: Der Umweltminister ist auf-
grund seines Haushaltes nicht in der Lage, tatsächlich
Schwerpunkte in der Umweltpolitik zu setzen. Man
muss auch deutlich sagen, dass die Tatsache, dass der fi-
nanzielle Spielraum für eine sachorientierte Umweltpoli-
tik nicht vorhanden ist, nur die eine Seite der Medaille ist.
Die andere Seite ist, dass Sie, Herr Minister, nicht die
Chance genutzt haben, mit inhaltlichen Konzepten so zu
überzeugen, dass eine Schwerpunktbildung im Haushalt
zugunsten der Umweltpolitik vorgenommen wurde. Das
ist genau der Punkt, Herr Umweltminister, den wir Ihnen
immer wieder vorhalten müssen.
Umweltpolitik wird nicht einfacher, sondern langfris-
tig schwieriger. Die Bedeutung dauerhafter und langfris-
tig vorhandener Umweltprobleme wird in der öffentlichen
Wahrnehmung leider häufig unterschätzt. Es wird da-
rauf ankommen, dass die Umweltpolitik Mehrheiten mo-
bilisiert. Langfristig gesehen muss sich das Problem-
bewusstsein in der Gesellschaft verbessern, damit wir ei-
nen breiten gesellschaftlichen Konsens für die Lösung
umweltpolitischer Probleme bekommen.
Herr Umweltminister, Sie haben gerade in Ihrer Rede
einige Schwerpunkte angesprochen, zum Beispiel den Kli-
maschutz. Da wird sich während der Haushaltsberatungen
die Frage stellen, ob beispielsweise die im Haushaltsplan
vorgesehenen Mittel im Bereich der Gebäudesanierung
zur Bekämpfung des CO2-Ausstoßes ausreichend sind.Da werden wir die kritische Frage stellen, ob für die Maß-
nahmen zum Klimaschutz, die Sie so herausstellen, aus-
reichende Finanzmittel vorgesehen sind.
Sie haben die interessante Frage bezüglich der Instru-
mente gestellt, die sich neben der Frage der Finanzier-
barkeit ergibt. In diesem Zusammenhang haben Sie den
Emissionshandel angesprochen. Interessant ist aber, dass
Sie sich, Herr Minister, an keiner Stelle inhaltlich zu dem
geäußert haben, was Herr Clement vorgeschlagen hat. Wir
möchten gerne wissen: Stehen Sie zu dem Pool-Modell
von Wirtschaftsminister Clement oder haben Sie dazu
eine andere Meinung? Gibt es eine einheitliche Meinung
von Herrn Clement und Herrn Trittin oder gibt es sie
nicht? Sie sind der Frage gerade ausgewichen. In den Zei-
tungen kann man aber lesen, dass das Modell von Herrn
Clement bei der Europäischen Kommission nicht auf Un-
terstützung stößt. Der Umweltminister hat sich zu dem ak-
tuellen Streit hier nicht geäußert. Er hat nicht gesagt, ob
er sich auf die Seite von Clement schlägt oder nicht.
Herr Minister, ich muss Ihnen sagen, es reicht nicht
aus, ein Thema nur anzureißen. Sie müssen hier im Parla-
ment sagen, ob Sie für einen bestimmten Weg im Emis-
sionshandel sind oder nicht. Diese Antwort haben Sie
nicht gegeben. Das ist typisch für Ihr Taktieren: Sie reißen
Probleme nur an, führen sie aber nicht zur Lösung. Das
wird die Umweltpolitik auf Dauer beschädigen.
Herr Minister, Sie haben den vorbeugenden Hochwas-
serschutz angesprochen. Das liegt in Ihrer Kompetenz.
Sie haben darauf hingewiesen, dass man im Auen- und
im Flussbereich etwas unternehmen kann. Sie haben auf
die Mittel für den Naturschutz verwiesen. Jetzt wird es
aber spannend: Wollen Sie damit Gelder für den Natur-
schutz aus anderen Bereichen für diese Maßnahmen ab-
ziehen? Verstehen kann ich das. Denn der Minister hat
kurz vor der Bundestagswahl zu einer großen Konferenz
zum vorbeugenden Hochwasserschutz eingeladen. Wenn
man aber jetzt nach der Bundestagswahl in den Haus-
haltsplan schaut, stellt man fest, dass es keinen konkreten
Haushaltsposten für diesen Bereich gibt.
In Presseerklärungen werden Informationen verbreitet,
die besagen, dass man von 1998 bis 2001 auf Bundes-
ebene im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe 124 Mil-
lionen Euro für den vorbeugenden Hochwasserschutz
ausgegeben hat. Die Zahl muss man sich einmal auf der
Zunge zergehen lassen: in drei Jahren 124 Millionen Euro.
Allein Bayern hat in der letzten Zeit pro Haushaltsjahr im
Durchschnitt 115 Millionen Euro dafür ausgegeben. Das
ist eine reelle Umweltpolitik und das zeigt, wie finanziell
schwach Sie in diesem Bereich vertreten sind.
Zum EEG kann ich nur sagen, Herr Minister: Wir sind
gespannt auf die Novellierung. Wir sind nicht gegen Maß-
nahmen für die Förderung der erneuerbaren Energien.
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Aber wir sind gespannt, ob Sie es tatsächlich schaffen
werden, neue Schwerpunkte zu setzen. Sie – nicht Sie per-
sönlich, sondern die Regierung insgesamt – haben sich in
der letzten Legislaturperiode im Rahmen der Kürzung des
entsprechenden Programms gegen Biogas und Biomasse
ausgesprochen. Wir sind gespannt, wie Sie jetzt an eine
Novellierung herangehen.
Ich fasse zusammen: Mit diesem Haushalt des Bundes-
umweltministers wird die erfolglose Umweltpolitik von
Rot-Grün fortgesetzt. Auch dieser Haushalt zeigt keine in
sich geschlossene umweltpolitische Konzeption. Er ist in
Wirklichkeit ein Trauerspiel für die Umweltpolitik. Des-
halb kann dieser Haushaltsplan nicht die Unterstützung
der Union finden.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.