Rede von
Grietje
Bettin
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir alle, jedenfalls die, die die neuen Medien nutzen,
merken es in unserer tagtäglichen Arbeit: Das Medium In-
ternet bietet uns eine riesige globale Wissensdatenbank, die
weltweit ihresgleichen sucht. Zwar sind wir aufgrund in-
frastruktureller und politischer Probleme noch meilenweit
von einer vernetzten Weltgesellschaft entfernt. Doch die
Grundlagen, die noch der konkreten Ausgestaltung bedür-
fen – damit beschäftigen wir uns heute –, sind jetzt gelegt.
Ein konkretes Beispiel für diese Ausgestaltung ist das
Urheberrecht im Zeitalter der digitalen Vervielfältigungs-
möglichkeiten, das wir heute diskutieren. Wem gehört das
Wissen? Dies ist eine zentrale Frage des 21. Jahrhunderts.
Dabei ist es aus unserer Sicht ganz besonders wichtig,
dass wir die digitale Spaltung überwinden und unser
Wissen auch in ärmere und strukturschwache Regionen
übertragen. Andernfalls bleibt dieses Wissen im Besitz
der Nationen, die sich moderne Netze und Computer leis-
ten können.
Neben der Notwendigkeit des freien Zugangs zum
Wissen steht genauso unmissverständlich fest: Urheberin-
nen und Urheber, Künstlerinnen und Künstler sowie Au-
torinnen und Autoren müssen im digitalen Zeitalter für
ihre Arbeit entsprechend entlohnt werden.
Der heute zu debattierende Gesetzentwurf weist auf jeden
Fall in die richtige Richtung. Er stellt einen Interessen-
ausgleich zwischen allen vom Urheberrecht betroffenen
Gruppen dar.
Darüber hinaus müssen wir aber vonseiten der Politik
auch dafür sorgen, dass das Wissen, das beispielsweise
mit öffentlichen Mitteln generiert wird, auch der Öffent-
lichkeit breit zugänglich gemacht wird. Um nur ein klei-
nes Beispiel zu nennen: Die Bibliotheken sind oftmals ge-
zwungen, das mit öffentlichen Geldern produzierte
Wissen mit Steuergeldern sozusagen zurückzukaufen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich wollen wir
das Internet auch für neue Geschäftsmodelle nutzen.
Doch das im Zusammenhang mit dem Urheberrecht viel
diskutierte Digital Rights Management stellt aus Sicht
der Grünen kein Allheilmittel dar. Wer sich heute ein
Buch ausleiht oder ein paar Stellen daraus kopiert, muss
dafür nicht erst den Urheber oder den Verlag um Erlaub-
nis bitten. Genauso wenig dürfen die Userinnen und User
bestraft werden, wenn sie sich Texte oder Audiofiles auf
den Rechner laden, ohne zu wissen, dass es sich dabei um
geschütztes Material handelt.
Selbstverständlich ist uns klar, dass der individuelle
kostenpflichtige Bezug von digitalen Gütern sicherlich
ein Baustein zukünftiger Vergütungsregelungen sein
wird. Aber die digitale Vielfalt, die wir alle anstreben, er-
fordert keine Patent- oder Pauschallösungen, geschweige
denn blindes Vertrauen in zurzeit noch unsichere tech-
nische Lösungen.
Im Übrigen können Gesetzgeber in die technischen
Entwicklungen in diesem Bereich insgesamt nur beglei-
tend oder moderierend eingreifen
und dort Vorschriften machen, wo urheberrechtlich ge-
schütztes Material illegalerweise vertrieben wird. Doch
gehört das Recht zum privaten Vervielfältigen natürlich
grundsätzlich nur in begrenztem Umfang zu einem grund-
legenden Verbraucherrecht, das per Urteil vom Bundes-
verfassungsgericht so festgeschrieben wurde.
Aus unserer Sicht muss dies natürlich genauso wie für
die analoge Welt auch für die digitale Welt gelten.
Denn die digitale Welt besteht ebenso wie die analoge aus
vielen Akteuren – ich habe sie bereits erwähnt –: aus den
Nutzerinnen und Nutzern, den Verwertern, den Urhebern
und der Industrie. Sie alle haben sehr legitime Interessen.
Diese müssen in der Informationsgesellschaft gewahrt
bleiben. Dazu wollen wir mit dem vorliegenden Gesetz-
entwurf unseren Beitrag leisten.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.