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ID1500605700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der Aussprache zur Regie- rungserklärung des Bundeskanzlers . . . 295 B Renate Künast, Bundesministerin BMVEL 295 B Gerda Hasselfeldt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 297 D Jella Teuchner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 A Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . . . . . . 301 D Matthias Weisheit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 B Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 305 C Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . 306 C Ulla Schmidt, Bundesministerin BMGS . . . . 308 C Horst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 312 C Volker Kauder CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 316 C Dr. Uwe Küster SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 A Carl-Ludwig Thiele FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 317 C Birgitt Bender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 318 B Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . . . . 320 B Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 B Gudrun Schaich-Walch SPD . . . . . . . . . . . . . 322 A Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 324 C Helga Kühn-Mengel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 326 D Dr. Dieter Thomae FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 B Markus Kurth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 329 C Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . . 331 B Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 A Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 336 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 339 A Plenarprotokoll 15/6 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 6. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 31. Oktober 2002 I n h a l t : (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Oktober 2002 295 6. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 31. Oktober 2002 Beginn: 9.00 Uhr
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    (A) (C) 338 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Oktober 2002 339 (C)(A) Blank, Renate CDU/CSU 31.10.2002 Fahrenschon, Georg CDU/CSU 31.10.2002 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 31.10.2002 Joseph DIE GRÜNEN Haupt, Klaus FDP 31.10.2002 Kolbow, Walter SPD 31.10.2002 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 31.10.2002 Lietz, Ursula CDU/CSU 31.10.2002 Möllemann, Jürgen W. FDP 31.10.2002 Niebel, Dirk FDP 31.10.2002 Nolting, Günther FDP 31.10.2002 Friedrich Pieper, Cornelia FDP 31.10.2002 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 31.10.2002 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 31.10.2002 Schröter, Gisela SPD 31.10.2002 Dr. Stadler, Max FDP 31.10.2002 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 31.10.2002 DIE GRÜNEN Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 31.10.2002 Margareta DIE GRÜNEN entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dieter Thomae


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Seit 1995 haben Sie nichts mehr getan, um die unter-

    schiedlichen Pflegestufen besser zu finanzieren. Die Ta-
    rifverträge von 1995 sind massiv ausgeweitet worden.
    Das alles geht zulasten der Patienten. Das ist Ihre verlo-
    gene Sozialpolitik. Dieser werden wir nicht folgen.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Peter Dreßen [SPD]: Nichts dazugelernt!)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Nun hat der Kollege Markus Kurth, Bündnis 90/Die

Grünen, das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Markus Kurth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Thomae, ich hoffe, dass sich Ihre fast schon ge-

    sundheitsgefährdende Erregung gelegt hat. Denn dann
    können Sie vielleicht jetzt zuhören. Eine kleine Korrektur
    zu dem, was Sie soeben gesagt haben: Wir sprechen nicht
    von Wahltarifen, sondern von der Wahlfreiheit zwischen
    verschiedenen qualitätsgesicherten, gleichwertigen An-
    geboten. Das ist ein großer Unterschied.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


    Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-
    gen! Ich möchte diese Gelegenheit dazu nutzen, den Fo-
    kus ein bisschen weiter aufzumachen und die Linse etwas
    mehr zu öffnen. Wir stehen in der Debatte um die Ausge-
    staltung sozialer Sicherheit in Deutschland längst nicht
    mehr nur vor der Frage, wie die Systeme zu finanzieren
    und zu optimieren sind, sondern mindestens genauso
    dringlich vor der Frage, wie wir die Akzeptanz und die
    Legitimität unserer sozialen Sicherungssysteme ge-
    währleisten. Die gesellschaftliche Anerkennung und die
    Mitwirkungsbereitschaft der Hilfeleistenden und Bei-
    tragszahler hängen eng miteinander zusammen. Die
    Frage, wer besondere staatliche Zuwendung braucht und
    wie sie effizient zu erbringen ist, muss plausibel beant-
    wortet werden.

    Dazu nenne ich ein Beispiel: Sehen Sie sich einmal die
    Vielzahl bizarrer Gerichtsverhandlungen an, die um ein-
    malige Beihilfen im Rahmen der Sozialhilfe geführt wer-
    den. Dort werden zusätzliche Unterhosen, Weihnachtsker-
    zen und Heizdecken erstritten. Die jeweiligen Streitwerte
    stehen in einem geradezu grotesken Missverhältnis zu den

    Dr. Dieter Thomae




    Markus Kurth
    Prozesskosten. Worum geht es in diesen Prozessen? Es
    geht längst nicht mehr nur um eine Feststellung des ob-
    jektiven Bedarfs. Nein, ich behaupte, diese Prozesse ha-
    ben auch eine gesellschaftspolitische Funktion. Hier wird
    der Kampf „öffentliche Hand alias Steuerzahler versus il-
    legitime Bittsteller“ inszeniert.


    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie wissen, von welchem Thema wir jetzt reden?)


    Allein dieses eine Beispiel zeigt die Notwendigkeit ei-
    ner Neudefinition und vor allem einer Neubegründung
    der Legitimität sozialer Sicherungssysteme.


    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Tut mir Leid, ich habe nichts verstanden!)


    Rot-Grün stellt sich dieser Aufgabe der Neubegrün-
    dung und schlägt – ganz im Gegensatz zur Opposition –
    eben nicht den Weg der fortgesetzten Delegitimierung
    und des Abbaus verlässlicher sozialer Sicherung ein.
    Wenn unsere Sozialsysteme in ihrer heutigen Form nicht
    mehr auf herkömmlichem Weg finanzierbar sind und viel
    zu oft entmündigen anstatt befähigen, dann lautet unsere
    Antwort eben nicht wie bei Ihnen planloser Abbau, son-
    dern effiziente Reform.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir brauchen und wir befördern ein Verständnis vom
    Sozialstaat, das mehr als einen bloßen Versorgungsauftrag
    umfasst.


    (Detlef Parr [FDP]: Planlose Planwirtschaft!)

    Die Befähigung zu Teilhabe und Selbstentfaltung, die
    Eröffnung von Chancen zur Selbsthilfe sind unsere
    Ansprüche an den Sozialstaat, an einen integrations-
    fördernden Sozialstaat, der seinen materiellen und
    immateriellen Leistungsauftrag so gestaltet, dass wir die
    Voraussetzungen für eine wirksame Aktivierung nicht ge-
    fährden.


    (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aha!)

    Auf dem Weg zu einem integrierenden Sozialstaat sind

    wir in der 14. Wahlperiode schon ein gutes Stück weit ge-
    kommen. Ich nenne die wichtigsten Stichworte: Alters-
    grundsicherung, das Gleichstellungsgesetz für Menschen
    mit Behinderungen – SGB IX –, das Modellprojekt
    MoZArT zur Zusammenarbeit von Arbeitsämtern und
    Trägern der Sozialhilfe und auch die systematische Be-
    richterstattung über Reichtums- und Armutsentwicklung.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Wir werden den Weg der Erweiterung von Zugangs-
    und Chancengerechtigkeit weitergehen und ausbauen.
    Wir werden eine Gesamtreform der Sozialhilfe auf den
    Weg bringen, diese letzte soziale Sicherung weiterhin als
    Rechtsanspruch verankern und dafür sorgen, dass sie
    weitgehend pauschaliert und ohne Diskriminierung aus-
    gezahlt wird.

    Wir wollen die Eingliederungshilfen für Menschen mit
    Behinderungen weiterentwickeln. Wir wollen, dass die
    Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversi-

    cherung für alle Sozialhilfebeziehenden verbindlich gilt.
    Dies sind Schritte zu einem unverzichtbaren Ausbau der
    Selbstbestimmung, einer Selbstbestimmung, die das not-
    wendige Vertrauen schafft, um dann bei den Betroffenen
    die Bereitschaft und den Mut zur eigenen Veränderung zu
    erhöhen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Dieter Thomae [FDP]: Das ist die „Lösung“!)


    – Sie werden es kaum glauben: Das ist die Lösung.
    Eine Umgestaltung der sozialen Sicherung, die glei-

    chermaßen Verteilungsgerechtigkeit, Teilhabegerechtig-
    keit und Effizienz ermöglicht, verschafft der Sozialversi-
    cherung auch wieder die öffentliche Akzeptanz, die sie
    braucht, um weiter bestehen zu können. Die Zusammen-
    legung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe im Zuge der Um-
    setzung des Hartz-Konzepts wird hier eine wichtige Rolle
    spielen.

    Wir werden mit der Einführung des Arbeitslosen-
    gelds II das System der Sozialhilfe endlich so reformie-
    ren, dass die herkömmliche Sozialhilfe in kommunaler
    Verantwortung nicht mehr die Rückfalloption für Lücken
    in der Arbeitslosenversicherung ist. Ein armutsfestes
    Arbeitslosengeld II wird mit neuen Brücken verbunden
    werden, die den Sozialhilfebeziehenden den Zugang zu
    Personal-Service-Agenturen und zu Job-Centern ermög-
    lichen.

    Dies zeigt: Die Frage, wie viel Sicherheit auf welche
    Weise für wen bereitgestellt wird, wollen wir eben nicht
    einseitig mit Leistungskürzungen beantworten,


    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das macht ihr doch! Ihr wollt es nicht, aber ihr macht es!)


    sondern mit Angeboten und mit gesteigerter Effizienz der
    Transferleistungen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Sie von der Opposition befördern doch dauernd die be-
    griffliche und auch die politische Engführung des Sozial-
    staatsbegriffs, indem Sie von Missbrauch reden, wo man
    über Beschäftigungshemmnisse sprechen muss und da-
    rüber, wie man sie beseitigen kann. Sie glauben, Sie könn-
    ten Kosten sparen und die Statistik verbessern, indem Sie
    US-amerikanische Modelle im Sinne eines neoliberalen
    Anti-Hartz 1 : 1 übertragen.


    (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

    Doch die vorgeblich Arbeitsunwilligen, deren Sie sich zu
    entledigen trachten, bleiben in dieser Gesellschaft, auch
    wenn keine Statistik sie mehr ausweist.

    Sie wissen: Vererbte Armut, verfestigte Sozialhilfe-
    abhängigkeit und dauerhafte Ausgrenzung sind bereits
    heute in einem nicht vertretbaren Ausmaß vorhanden.


    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Können Sie wenigstens einen Satz zu diesem Thema sagen?)


    Die Kosten, die Sie einzusparen glauben, kehren zurück
    als gesellschaftliche Kosten, verursacht durch Sucht,


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    330


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Kleinkriminalität und verwahrloste Stadträume. Nachhal-
    tig ist Ihre sozialpolitische Philosophie nicht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ihre Rhetorik und Ihr In-Abrede-Stellen sozialer Bür-
    gerrechte verhindern eine Modernisierung der Leistungs-
    gewährung. Damit verhindern Sie auch die Wiedergewin-
    nung sozialstaatlicher Handlungsfähigkeit.

    Warum sollte etwa der Weg, den die Arbeitsämter nun
    bei der Umgestaltung zu Jobcentern beschreiten, nicht auf
    die Sozialämter übertragbar sein? Wir brauchen auch hier
    endlich eine Dienstleistungsorientierung. Wir müssen
    auch hier das tun, was viele Ämter im Zuge der Verwal-
    tungsmodernisierung längst als Handlungsmaxime ver-
    ankert haben: die Bürgerinnen und Bürger als ernst zu
    nehmende Klienten und nicht als lästige Kostgänger be-
    greifen.

    Meine Damen und Herren, eine Gesellschaft, die sich
    in ihren Grundstrukturen wandelt, braucht neue, vielfäl-
    tige und verlässliche Formen der sozialen Sicherung. Wir
    werden mit einer möglichst sparsamen, aber auch mög-
    lichst wirksamen Inanspruchnahme der Ressourcen den
    Weg in Richtung einer Bürgersicherung für alle von allen
    beschreiten.

    Danke.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)